Von Prinzessinnen, Alkoholleichen und Gedächtnislücken von Komori-666 ================================================================================ Kapitel 2: ----------- „Ehhiii....was machsn duuu daaa?“ „Ich suche dein Handy.“, meinte Andreas nur beiläufig, während er erst meinen Rucksack absuchte und danach meine Hosentaschen kurz nach einem kleinen, eckigen Gerät abtastete. „W-waas? Wieso nnnnnnn das?“ „Ich ruf gleich dein besten Freund an. Der kann dich dann abholen.“ Dann nuschelte er noch irgendwas mit unglaublich viel saufen können und sagte irgendetwas von Schlüsseln, die er mir wegnehmen wollte, was mich auf die Idee brachte! „Nnnnnghh...nnnnnnein! Weissu was? Ich hab ne viiel bessere Idee! …. Ich faahr gleisch loooos und hol ihn!“ „Das bezweifle ich stark....Äh, ja. Hallo!“ Sagte er plötzlich zusammenhangslos und ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Geschweige denn, was an meiner Idee so schlecht war. Und dann sah ich mein Handy an seinem Ohr. „Bist du der Typ, der in der früh immer zu uns in die Schule rüber kommt?... Nein, ich will dich nicht verarschen. Ich wollte nur wissen, ob du Interesse daran hättest, deinen Kumpel abzuholen.“ „...“ ich sagte nichts, hörte einfach mit einem Hauch von 'ichglaubichmusskotzen' und 'ichwillmichhinlegen' dem Gespräch zu. „Weil er sturzbesoffen so ziemlich in meinen Armen liegt. … Also, Interesse?“ Die Art und Weise vernünftiger Fortbewegung auf zwei Beinen, die ich mir vorstellte, unterschied sich ziemlich von dem, was ich hier gerade veranstaltete. Das musste ich zugeben. Als ich am morgen so ziemlich unbekleidet in irgendjemandes Bett aufwachte, quoll in mir langsam die Frage hoch, wessen Bett das war. Und wessen Atem ich hinter mir vernahm. Und wer diese Wärmequelle hinter mir war. Und wessen Arm das an meiner Hüfte war. Und wann ich mich ausgezogen hatte. Und dann erkannte ich etwas verschwommen die Poster an der Wand. Danach drehte ich mich langsam um, und alles verschwommene wurde glasklar. Valentin. Und DANN setzte der stechende Kopfschmerz ein. Ich würde jetzt ganz ruhig bleiben. Ich musste mich nach einem Vollrausch schon oftmals ein paar seltsame Fragen stellen, zum Beispiel: Wo war mein T-Shirt? Hatte ich gestern nicht noch einen Personalausweis? Seit wann war ich im Besitz eines Hamsters? Aber ich musste mich bis jetzt noch nie fragen, wie ich zu Valentin ins Bett kam.   Mein bester Freund schlief noch seelenruhig, zumindest nahm ich das an. Mein Hirn lief auf Hochtouren. Es stellten sich mir so viele Fragen, dass ich, sobald ich eine versuchen wollte zu beantworten, keine einzige Frage mehr vorfand. Der pochende Schmerz in meinen Schläfen machte es nicht leichter. Ich spürte genau, es würde nicht mehr lange dauern und eiskalter Angstschweiß würde aus meinen Poren kriechen, wie der Maulwurf über die Straße... bis er dann überfahren werden würde. Ob ich mich mit einem Maulwurf vergleichen konnte? Blind genug, um nicht zu merken, was mit Valentin abging. Ich war keiner dieser Schnellchecker... und diese kriechende Erkenntnis, die sich langsam von ganz unten her anbahnte, in ziemlicher Scheiße zu stecken... Oh, ich hatte den Fehler erkannt! Das Problem lag nicht daran, dass ich nicht gemerkt hatte, was mit Valentin abging.. das Problem lag bei mir. Ich hatte nicht erkannt, was mit mir abging. Ich stand komplett neben der Spur und das seit Wochen...und das wurde mir jetzt klar?!  Auweia... Als ich mir dann nochmal die ganze Lage durch den Kopf wandern ließ, überkam mich ein leichtes Gefühl der Übelkeit, es schüttelte mich direkt und die Gänsehaut, die sich gerade überall an meinem Körper ausgebreitet hatte und die kleinen Härchen aufstellte, bedeutete auch nichts Gutes. Oh ja, mir war auf einmal richtig schlecht. Und das lag nicht an Valentin... „Oh Gawd-“ und schon sprang ich auf, rannte ins Bad und reierte, was mein Magen hergab. Okay, das würde ich als kleine Nachwirkung des gestrigen Abends, oder heutigen Morgens, bezeichnen..weiß der Geier, wann Valentin mich … abschleppte? Bei diesem Gedanken fiel mir auf, dass ich nicht nur dieses kleine Würgegeräusch und das sanfte Plätschern der Kotzerei hörte....hier lachte sich doch jemand gerade den Arsch ab. Ich versuchte eine kurze Pause einzulegen, was mir auch erfolgreich gelang, hob den Kopf und lauschte. Hier lachte eindeutig mein bester Freund. Doch, als ich den Kopf hob, war die Freude, dass es mir schon viel besser ging, eindeutig zu früh gefeiert. Und dann gings auch schon weiter. Das könnte sich jetzt eine ganze Zeit hinziehen, so wie ich mich kannte. „Ayayay... Das hast du davon, dass du immer so viel säufst!“ „Fotze!“, er stand hinter mir und ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie er ganz cool an die Wand gelehnt auf mich herabsah und mit seinem überheblichen Ton nur wieder klar machen wollte, dass ihm etwas nicht passte. Er konnte ja so ein arrogantes Arschloch sein. Ich sah seine Beine, die an mir vorbeischlürften und ...ich hatte keine Ahnung, was er jetzt machte, interessierte mich im Moment herzlich wenig. Im Moment umarmte ich viel lieber die Kloschüssel. Aber Valentin hatte sich anscheinend schon angezogen. Jogginghose und Socken. Soviel wusste ich schon mal. Was mir das jetzt brachte? Wahrscheinlich nichts, aber mein Hirn suchte Ablenkung. Zum einen bei der Toilette, zum anderen bei unwichtigen, kleinen Nebensachen, nur um sich nicht an die letzte Nacht erinnern zu müssen. Ich wollte gar nicht wissen, was passiert war. Jetzt hörte ich ein leises Klacken. „Hmm...also...“, er schmunzelte, „Durchfall hast du nicht oder? Gut, dann stellen wir das schon mal weg.. Migräne ist auch nicht so ganz das Wahre...mit der Pille wirst du auch nix anfangen können..“ „Doch, doch...wollte ich ja schon immer mal ausprobieren.“ „Vielleicht finde ich ja noch was gegen Übelkeit, obwohl es dir ganz recht geschieht.“ „Halt die Klappe, ich habs kapiert.“ Ja, verdammt! Maul halten. Ich war Morgenmuffel und würde es für immer bleiben. Da musste ich nicht noch getadelt werden. „Ich frage mich, was die Kondome im Medizinschränkchen zu suchen haben..“ Ich wusste nicht wieso, aber allein der Gedanke an Sex,  und das brachte ich nun mal mit Kondomen in Verbindung, schickte meinen Magen auf eine wilde und abenteuerliche Achterbahnfahrt. „Gefunden! Ich kann dir sogar zwei verschiedene Geschmackssorten anbieten.“ „Und mir nebenbei mal erklären, was du die ganze Zeit so lustig findest.“ Und er lachte schon wieder. „Später vielleicht. Aber dann ist der Witz weg...“ „Kannst es mir ruhig erzählen, vielleicht versteh ich es dann auch.“, grummelte ich mürrisch in meinen noch nicht vorhanden Bart(was auch so bleiben könnte, wenn es nach mir ginge). „Ja, aber genau das ist der Witz. Dass du es NICHT weißt.“ „Dass ich WAS nicht weiß?“ „Nix.“ Er stellte einen kleinen Becher mit einer durchsichtigen Flüssigkeit neben mir auf den Boden und ich nahm stark an, dass ich das schlucken sollte. Es hatte zwar eine Zeit lang Überwindung gekostet, etwas hinunterzuwürgen, aber irgendwann hatte ich sogar das gemeistert. Ich in Mitleid versinkender Waschlappen konnte echt behaupten, dass ich ein echter Mann war. Ich hatte mich, nach meinem kleinen Rendezvous mit dem WC, wieder ins Bett gelegt und in die Decke eingemurmelt, nachdem ich noch etwas Leitungswasser getrunken hatte. Wo Valentin war, war mir im Moment scheißegal. Echt. So ein Trottel. Als würden mich seine dummen Sprüche vom Alkohol fernhalten können. Aber vielleicht die Erlebnisse dieser Nacht. Falls ich herausfinden würde, was überhaupt los war. Auf der einen Seite wusste ich, es könnte nicht schaden, das mal herauszufinden. Auf der anderen Seite WOLLTE ich es nicht wissen. Ich spürte ein leichtes Schaukeln, als sich Valentin neben mich auf die Matratze warf und erst einmal nichts weiter tat. Er lag also neben mir. Schon wieder. Aber dieses Mal eben anders. Und ich unter der Decke darin eingemurmelt. Ich würde nicht unter der Bettdecke hervorkriechen. Ich würde mich hier in Valentins Zimmer einfach vor Valentin verstecken. Wer weiß, vielleicht fand er mich ja nicht... „Kommst du da heute noch zum Vorschein?“ „...“ „Hmm...“ „...“ „Schau mal her!“ „Nein.“ „Jetzt schau doch mal her, sieh mich mal an.“ „Nein.“ Und wovon träumst du Spinner nachts? Stopp, halt, warte... ich will es doch nicht wissen. „Jetzt guck doch mal her.. komm schon. Bitte.“ Okay, okay. Wenn er unbedingt wollte. Ich wollte zumindest wissen, wieso er schon wieder so belustigt klang. Ich zog also die Decke minimal herunter  und zwar so, dass ich gerade so noch einen kleinen Blick nach draußen erhaschen konnte. Der kleine Spalt, aus dem ich hinauslugte, musste reichen. Zumindest reichte es Valentin, denn der hatte gerade einen richtigen Lachanfall. Ich wusste ja, dass etwas mit ihm nicht stimmte, aber dass es schon so weit war.. dieses Schwein lachte immer noch. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mich auslachte. „O mein Gott...“, er brachte nicht einmal einen ganzen Satz zustande, ohne zwischendurch ohne Rückhalt erneut loszuprusten, „Ich hätte nie gedacht, dass es so einfach ist.“ Dass was so einfach war? Den besten Freund abzuschleppen? „Das war schon fast zu einfach.... Rache kann ja so schön sein!“ Rache? Für was denn bitte? Ich hatte doch gar nichts getan? „Erläutere das mal“ kam es ziemlich verärgert von unter-der-Bettdecke. Rache? Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, wofür er sich rächen sollte. Er lachte noch weiter, aber es wurde weniger, er schien sich sogar zu beruhigen. „Du redest ja so viel Mist im Suff, das ist der Wahnsinn. Wenn du das mal mitkriegen würdest, hättest du deutlich weniger Probleme. Du kannst von Glück reden, dass die anderen genauso dicht sind und das auch wieder vergessen.“ „Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“ Ich wusste nur, das sich manchmal, ganz plötzlich, die ganze Welt liebte, aber ansonsten...? Egal, alles was ich im Moment wusste und worauf es wirklich ankam war: Ich wusste nichts und er war bester Laune. Er lachte wieder etwas auf, legte sich dann bequem hin und sah mich dabei an, ihm kam dabei nur mein missgelaunter Blick entgegen. Ich war währenddessen unter der Bettdecke hervorgekommen und hatte mich auf den Bauch gelegt, mit den Unterarmen stützte ich mich ab, sodass ich jetzt derjenige war, der auf den anderen hinabsehen konnte, denn Valentin machte es sich gerade in seinem Kopfkissen sichtlich gemütlich. „Hm? Also, was jetzt?!“ fragte, beziehungsweise forderte ich. Immer nur her mit den Antworten. „Es hat mich am Anfang ziemlich überrascht, aber nicht lange. Da hatte ich dann auch schon eine wirklich geniale Idee es dir heimzuzahlen.“ „Aha. Genauer?“ „Gestern hatte mich dein Freund angerufen, ob ich nicht in Stimmung wäre dich abzuholen. Hattest wohl schon mehr geschluckt, als gut für dich war. … Na ja, egal. Auf dem Heimweg hast du dann angefangen von irgendwelchen Sachen zu erzählen, war ja ganz lustig. Als wir dann hier waren, kamst du irgendwie auf das Thema Schule.. und dann hast du damit begonnen von deinen heimlichen Erlebnissen und Bekanntschaften mit meinen Heften in meinem Ordner zu berichten... ich fasse es nicht. Was hast du bitte in meinem Ordner verloren?“ Auch wenn ich ihm antworten wollte, ich hab es einfach nicht fertig gebracht. Entweder stand es mir wieder bis zum Hals hoch, oder da hing ein großer Kloß, der mir die Luft zum Atmen und die Stimme zum Antworten nahm. DAS hätte er nie erfahren dürfen. Genauso wenig, wie ich das, und die Sache in den Heften, nie hätte erfahren dürfen. „Na ja, dafür, dass du Bescheid wusstest, hast du dich ja ganz gut gehalten.“ Erzählte er mir mit einer Leichtigkeit, als wäre so etwas alltäglich. Man hörte zwar etwas die Verwunderung, aber das war alles. Er war auch nicht sauer, obwohl ich kurz das Gefühl hatte, dem wäre doch so. „Hätte ich wegrennen sollen? War so wie's war... außerdem hätte ich mich dann selbst verraten.“ Als ich die Leichtigkeit sah, mit der er das alles hinnahm, konnte ich auf wundersame Art und Weise auch wieder genügend 'Stefan' in mir finden, um zu antworten. „Stimmt.“ Dann folgte Stille. Er lag da ganz entspannt mit geschlossenen Augen und seufzte. Indessen lag ich abwartend neben ihm und es kam einfach nichts. „Und?“ „Was und?!“ „Das ist ja wohl noch lange nicht die vollständige Erklärung für gestern..oder heute...“ „Ach ja!“ er lachte leicht auf. „Ich hab also erzählt, dass ich von deiner kleinen Heftaffäre weiß.“ „Genau. Und daraufhin war ich erstmal ziemlich ...geschockt. Dann sauer.. und dann war ich ziemlich gemein.“ „Gemein?“ „Jap. Du glaubst doch nicht, dass ich so was auf mir sitzen lasse!“ „Ich glaube zur Zeit alles, was du sagst.“ „Was denn, hab ich dich damit so aus der Fassung gebracht?“ „Nein, nicht doch. Meine anderen Freunde wollen auch alle was von mir. Und sie malen das im Gegensatz zu dir in ihr Poesialbum!“ „Jaja, schon gut. Habs verstanden.“ Ich wäre erschrocken gewesen, wenn nicht. Mein Sarkasmus war nicht zu überhören, zumindest hätte er das nicht sein sollen. „Also, du warst gemein?“ Er nickte und hatte dabei so ein dickes, fettes Grinsen auf dem Gesicht, was ich bis jetzt nicht deuten konnte. Als ich jedoch seinen nächsten Satz hörte, war ich überglücklich in einem weichen Bett zu liegen, als irgendwo zu stehen, wo ein Fall hätte hart und schmerzhaft werden können. „Dann hab ich dich ausgezogen.“ Alle möglichen Gesichtszüge hatten sich von meinem Gesicht verabschiedet, waren entglitten. Der Zug war abgefahren. Er hatte WAS gemacht? Ich wollte gar nicht wissen, wie es weiterging. Es ging bei solchen Geschichten immer gleich aus. Und wenn ich jetzt daran dachte... oh nein, wieso ich? Wieso immer ich? Und wieso klopfte die Überraschung nie an, wenn sie doch anscheinend so offensichtlich vor der Haustür stand? „Hey, jetzt bleib mal ganz ruhig.“, er lachte schon wieder. Und wie er lachte. Aber er versuchte wenigstens sich zusammenzureißen. Für mich? Wenn dem der Fall war, dann würde ich das sehr willkommen heißen. Himmel und Arsch, ich hatte auf einmal das dringende Bedürfnis getröstet zu werden. „Was denkst du denn eigentlich von mir?“ Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Ich wusste nur, dass seine Freude hier nicht so ganz am rechten Fleck war... zumindest sah ich das so. Mir wurde schon wieder ganz flau im Magen und anscheinend sah man das auch an meiner Gesichtsfarbe. Valentin hatte sich aufgesetzt und wedelte nun beruhigend vor mir mit seinen Armen rum. Ich konnte ihn nur anstarren. Sollte ich weinen? Nein, das kam nicht gut. „Ich hab dich also ausgezogen und-“ „Ich WILL es gar nicht wissen!“ „Doch, ich denke schon.“ er lächelte mich mittlerweile entschuldigend an. Jetzt tat es ihm wohl auch noch leid! „Sag jetzt am besten nichts mehr.“ „Danach hab ich dich ins Bett gelegt.“ „Red nicht weiter.“ „Hab dich zugedeckt.“ „Stopp! Ich sagte-...Moment, bitte was?“ „Hab mir ne Decke genommen, mich aufs Sofa gelegt, den Wecker gestellt und mich rechtzeitig so hingelegt, wie du heute aufgewacht bist...Ich wusste doch genau, was du denken würdest.“ Stille. Die Uhr tickte, die Grillen zirpten...und keiner bewegte sich. Valentin sah mich abwartend an. Ich starrte ihn ausdruckslos an. „Du...hast mich nur verarscht?“ Ich war genervt, ich war gereizt und er kugelte sich neben mir vor lauter Lachen. ~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)