Between the lines von Erenya (Missing parts) ================================================================================ Prolog: Between the chance -------------------------- Ihre Blicke waren erdrückend und nicht einmal die Tasse Tee, an der ich etwas unwohl nippte, konnte sie davon abhalten mich so anzusehen. Und das obwohl ich durch ihre Sonnenbrillen nicht einmal ihre Augen sehen konnte. Es war einfach nur gruselig. Und der wohl schlimmste Start in den Tag, den ich mir in den letzten zwei Jahren vorstellen konnte. „Miss Tailor~“, setzte Shining Saotome an und ich wusste, dass dieser Unterton nichts gutes bedeutete. Er hatte in der Serie noch nie was gutes bedeutet. Außer dass er irgendeine irrwitzige Idee hatte, die einen Songwriter auf schnellstem Weg zum Burn Out befördern konnte. In meinem Kopf fuhr ich bereits Achterbahn. Würde er mich raus werfen? Nein, dass war nicht der „Ich werfe Sie raus“-Unterton. Wobei ich diesen noch nie gehört hatte. Vielleicht klang alles bei ihm gleich. Oh verdammt, ich hatte ein Problem wenn er mich raus warf. Ein Großes. „Sie wissen wie es momentan aussieht?“, fragte Raging Otori der mir gehörig zu nahe kam, weswegen ich versuchte auf meinem Stuhl weiter zurück zu rutschen um genug Abstand zwischen mir und diese beiden... diese beiden..., verdammt für so zwei Typen gab es noch kein Wort, zu bekommen. Aber ja ich wusste wie es momentan aussah. Ich Erenya Tailor, das war nicht einmal mein richtiger Name, war von heute auf morgen im Uta no Prince-sama Universum gelandet. Mitten in das Ende der Aufnahmeprüfung für Shinings Schule. Und ich war angenommen wurden, wie auch immer das möglich gewesen war. Zu Beginn hatte ich gehofft und gedacht endlich meine Prinzen zu sehen, die ich in meiner Welt nur auf dem PC-Bildschirm ansabberte oder in gemeinsamen Serien-Sessions mit Shicchi anfiebte als hätte ich gerade meinen Höhepunkt erreicht... Außer bei Ren, seine Stimme brachte mich nie zum Höhepunkt. Aber falsch gedacht, ich war in den Jahrgang genau nach Starish gekommen und hatte dadurch nur von der Ferne beobachten können, wie sie den Uta Pri-Award gewonnen hatten. Zu der Zeit hatte ich selbst noch mit meinen eigenen kleinen Dämonen zu kämpfen, nämlich mit der blöden Abschlussprüfung, für die ich mich durch die halbe S- und A-Class hatte fragen müssen, bevor ich endlich ein Opfer gefunden hatte, dass meinen Song singen wollte. Und der Rest ist Geschichte. Ich meine ich saß in Shinings Büro. Was bedeutete das wohl? Richtig ich hatte bestanden, mein Debüt als Songwriter war geglückt und so war ich ein vollwertiges Mitglied von Shinys Agentur geworden. Naja fast. Vollwertig konnte man nicht werden, wenn Haruka Nanami die besten und vor allem meisten Jobs abgriff. Aber zurück zu dem eigentlichen Problem. Ich war mir sicher, dass ich nur zurück in meine Welt kam, wenn ich aus den Schatten Nanamis hervor trat und irgendwie großartig wurde. Ein schweres Unterfangen wie ich innerhalb von zwei Jahren hatte feststellen dürfen. „Wie es momentan aussieht?“, fragte ich kleinlaut, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass die beiden von MEINER Misere wussten. Es musste also ein anderes Problem geben. „Sie kennen Miss Nanami?“, fragte Saotome als wollte er mir einen Tipp geben. Einen den ich sogar zu deuten verstand. „Natürlich, wer kennt sie nicht. Sie schreibt immerhin für die drei größten Idol-Gruppen die momentan vorhanden sind. Etwas das viele gerne tun würden“, setzte ich noch nach und fühlte mich als hätte ich gerade mit einem ganzen Zaun nach beiden Männern geschlagen. Subtiler hätte ich es nicht machen können. „Und Sie wissen um die Situation von ihr?“, fragte Raging. „Naja ein bisschen hört man hier und da. Ihre Großmutter ist erkrankt, weswegen sie zu ihr ging. Zwei Wochen war sie dort vor Ort, aber sie ist nun wieder da.“ Wieder da, richtig und Gerüchten zufolge hatte sie seit ihrer Rückkehr keinen einzigen Song fertig geschrieben. Aber das waren nur Gerüchte. Nichts worum ich mich scherte. Und selbst wenn es so war, so hatte sie sicher all ihre Verehrer, denen ich nur zu gerne mal näher als ein Handschütteln gekommen wäre, um sich herum. Diese Komponierblockade wäre also schnell beseitigt. „Miss Nanami ist leider nicht in der Lage für das nächste Charity-Event einen Song zu schreiben.“ „Huh?“, antwortete ich äußerst clever auf Saotomes Offenbarung. „Sie wissen von dem Charity-Event?“ „Ja. „Schenke Anderen Kraft“ soll es wohl heißen. Man wirbt bereits sowohl Plakativ, als auch im Radio und Fernsehen damit. Heavens und Starish sollen dort vertreten sein. Kurzzeitig waren sogar Quartet Night im Gespräch. Es soll landesweit ausgestrahlt werden und sogar in einigen Ländern außerhalb, was bedeutet, dass beide Gruppen eine große Chance haben sich international bekannter zu machen.“ Schweigen trat ein, als ich die Fakten runter ratterte. Natürlich wusste ich alles über das Event. Egal wo Starish und Heavens dabei waren, ich sog die Informationen auf wie einen Schwamm. „Korrrrrrekt! Wie ich gehört habe, haben Sie sich damals bei dem Uta-Pri Award schon mit einigen Mitgliedern von Starish und Heavens vertraut gemacht, Miss Tailor.“ „Naja vertraut gemacht ist etwas zu viel gesagt. Aber ich hatte die ein oder andere Möglichkeit kurz mit ihnen zu reden. Weswegen ich Ihnen immer noch sehr dankbar bin. Ich meine das war eine geniale Idee zusätzlich zum Debüt auch noch VIP-Pässe für den Uta-Pri Award zu bekommen.“ Auch wenn schleimen nichts brachte, so war ich Shining doch dankbar. Näher hätte ich Starish und Heavens bisher nie kommen können, auch wenn ich immer noch peinlich berührt darüber war, dass ich mich wie ein Glühwürmchen im agnapolischen Stil gedreht hatte. Ich war mir immer noch sicher, dass irgendjemand Drogen ins Trinkwasser geworfen hatte weswegen plötzlich alle bunte schillernde Farben gesehen hatte. Sicher war es Saotome gewesen. „Wir brauchen zwei Feature-Songs für das Charity-Event. Und Miss Nanami kann diese leider nicht liefern. Wir brauchen also einen Songwriter, der sie temporär ersetzen kann.“ „Das klingt harsch. Ich glaube kaum, dass jemand Nanami-san ersetzen kann.“ „Verstehe ich sie richtig, dass Sie diese Chance ablehnen wollen?“ Ich blinzelte mehrmals als ich mir bewusst wurde, was mir Saotome gerade indirekt mitgeteilt hatte. „Moment sie meinen... ich?“ „Saotome hat mir einige ihrer Songs gezeigt. Und zusätzlich legt er große Stücke auf ihre Kompositionen. Wir beide glauben, dass niemand besser geeignet wäre diese Feature-Songs zu schreiben.“ Meine Hand begann zu zittern, weswegen ich schnell die Tasse mit dem Tee abstellte. Das was ich hörte war einfach zu schön um wahr zu sein. Ich sollte zwei Songs schreiben. Ich! Nicht Haruka. „Ich bin nicht in der versteckten Kamera, oder?“ „Sie sind immer noch so misstrauisch, Miss Tailor.“ Das war ich in der Tat. Was aber auch gut und gerne daran liegen konnte, dass ich in einem meiner fucking Lieblings-Fandoms war. Ich hatte mich zwar schon davon überzeugt, dass dies kein Traum war, aber das hieß nicht, dass ich nicht von dieser Situation geträumt hätte. Und nun sollte sie wahr werden. „Also, Miss Tailor. Können wir uns auf Sie verlassen?“ Ich holte tief Luft und schloss die Augen um nicht gleich vor Begeisterung die Beherrschung zu verlieren. Dabei schrie alles in mir danach Raging und Shining hier auf der Stelle zu Boden zu knuddeln. Aber das wäre nicht professionell gewesen. „Also schön. Das schaffe ich. Sind die Songs für eine bestimmte Person? Oder die ganze Gruppe?“, fragte ich und versuchte dabei so kühl wie möglich zu klingen. Aber interessiert. Raging lächelte und schob mir einen Briefumschlag zu, der schon die ganze Zeit auf dem Tisch gelegen hatte. „Hier sind alle Informationen drinnen. Wir verlassen uns auf Sie, Miss Tailor.“ Kapitel 1: Between the fears ---------------------------- Ich beobachtete, wie die Eiswürfel in meinem Melonensoda dahin schmolzen, während ich darauf wartete, was meine alte Schulfreundin Kuroda Mira sagen würde. Da auch sie ein Mitglied der Shining Agency war, verstieß ich nicht gegen das Verschwiegenheits-Gebot und konnte ihr von allen möglichen und unmöglichen Dingen erzählen oder ihr einige Kompositionen zeigen. Schon in der Schule war sie immer die Erste gewesen, der diese Ehre zuteil geworden war. „Das ist wirklich... eine einmalige Chance für dich. Du hast doch zugesagt, oder?“ „Natürlich. Ich meine wie hätte ich nein sagen können.“ „Und du hast es dir verdient. Du hast das letzte Jahr so hart gearbeitet und endlich bemerkt das nicht nur Shiny, sondern auch Ragy.“ Ich seufzte und spielte mit dem Strohhalm im Glas, während ich zu Mira sah, die mich glücklich anlächelte. „Es ist nur temporär. Und wahrscheinlich auch nur für dieses Event. Es wird wieder nur einer dieser kleinen Meilensteine sein.“ „Ein bedeutender kleiner Meilenstein. Selbst wenn es nur für dieses eine Event ist, sowohl Starish als auch Heavens werden merken, dass es dich gibt. Sie werden deine Arbeit sehen und wissen, dass es auch andere Songwriter neben Nana-chan gibt.“ Mira war wirklich ein Goldstück. Kein Wunder also, dass sie als Idol Mirai vor allem bei den jungen Mädchen gut ankam. Sie hatte sogar ihre eigene Sendung „Kira Kira Mirai“. Eine Sendung im Morgenprogramm für Kinder. Sie brachte den Kleinen wichtige Werte nahe, solche wie wahre Freundschaft, Verlässlichkeit und andere Dinge. Und ich musste gestehen, sie machte ihre Arbeit wirklich gut. Selbst ich liebte diese Sendung. Vor allem liebte ich die Lieder die sie sang. Als Freundin war es mir damit schon zweimal eine große Ehre gewesen auch zwei Songs für die Sendung beizusteuern. „Wie oft hast du das schon mit dem bedeutenden Meilenstein gesagt?“ „Ich sage es dir jedes Mal. Mal ehrlich wer außer dir hätte für Hiroki diese sieben Songs innerhalb von drei Wochen schreiben können? Und die Produzenten dieses Otome-Games wollen dich doch auch für die nächste Fandisk engagieren. Dann sind da noch die Songs für meine Show, der Werbejingle und noch viele andere Dinge.“ Ich seufzte wieder und schüttelte den Kopf. „Von den sieben Songs waren gerade mal zwei Singles in den Top Ten, immer noch weit unter Starish. Und dann haben sie auch nur eine Woche gehalten. Es waren Massenprodukte die leider nicht von Dauer überzeugen konnten. Das weiß auch Hiroki und deswegen arrangieren wir die Songs ja auch um, damit sie das werden, was sie hätten sein sollen. Und das Otome-Game... es ist nur das Opening. Nichts was andere Songwriter nicht auch tun und am Ende erinnern sich alle nur an die Person die das Lied singt und nicht die, die es schreibt. Aber Haruka ist eine ganz andere Liga. Ich meine ihr Name wird auf großen Events verkündet. Sie wird sogar von großen Produktionen im selben Atemzug gebucht wie Starish, Quartet Night oder Heavens. Die Gruppen sind ihr Markenzeichen, denn sie hat aus ihnen das gemacht, was heute alle lieben.“ „Und das kannst du auch. Das kann jeder Songwriter. Ich wäre heute nicht Mirai, wenn du mich nicht damals mit Hiroki zusammengewürfelt hättest. Wir verdanken dir unser Debüt. Also Kopf hoch. Erzähl mir lieber wie du dir die neuen Songs vorstellst.“ Ich hob mein Glas an und nahm einen Schluck von dem Melonensoda. Es war ja wirklich schön, dass Mirai mich dazu bewegen wollte, alles positiv zu sehen, aber anders als andere Songwriter lebte ich nicht im Haus des Mastercourse. Ich lebte außerhalb der Stadt und durfte jeden Tag eine gute Stunde damit verbringen pünktlich zur Arbeit zu kommen. Aber in Anbetracht der Mieten hier in der Stadt war eine Stunde Fahrt hin und zurück mein kleinstes Problem. Dafür musste ich mich nur etwas mehr anstrengen, damit ich auch immer genug Geld zum leben hatte. „Einer ist schon fertig.“ „Was? Aber du hast doch gestern erst den Auftrag bekommen.“ „Und ich musste sofort loslegen. Ich konnte einfach nicht anders.“ „Für wen ist das Lied?“ „Für die ehemalige A-Class. Natsuki, Otoya, Masato.“ „Wann wirst du ihnen das Lied bringen?“ Ich lachte verlegen und sah in mein Glas. Natürlich wäre genau das die Chance ein paar Mitglieder von Starish zu treffen und hätte dazu eine gute Ausrede, warum ich zum Haus des Master Course ging. „Eigentlich dachte ich, dass du es vielleicht für mich vorbei bringst?“ Es war schon seltsam. Die perfekte Ausrede den Master Course zu besuchen war dieses Lied und ich brachte es einfach nicht über mich. Ich hatte Angst einen der Jungs zu begegnen. Oder viel mehr einen Bestimmten. „Das ist nicht dein ernst, richtig? Wie lange willst du noch vermeiden dieses Gebäude zu betreten? Es ist dir nicht verboten es zu betreten.“ Mira hatte Recht und ich wusste es, aber bisher hatte sich das ganze so gut ergeben, dass ich nie ins Gebäude zum Master Course musste. Wie das wohl ausgesehen hätte, wenn ich von der Shining Agency ebenfalls dort untergebracht worden wäre, wollte ich mir gar nicht vorstellen. „Bitte. Ich werde dich auch nie wieder um etwas bitten.“ „Tut mir leid, aber das ist eine Bitte, die ich dir nicht erfüllen werde. Aber, weil ich eine gute Freundin bin, begleite ich dich dahin.“ „Du wohnst dort.“ „Ich sag ja ich begleite dich. Und ich bleibe auch bei dir für den Fall der Fälle.“ „Welchen Fall der Fälle meinst du?“ Sie kicherte und griff zu ihrer Handtasche um mir zu verdeutlichen, dass wir nun gehen würden. „Komm schon, zieh dir deine Jacke an.“ „Aber mein Melonensoda ist noch nicht alle.“ „Keine Sorge, ich habe noch etwas Soda da. Du wirst also nicht verdursten.“ Ich hatte keine Wahl. Und genau das war eine der Eigenschaften die ich an Mira mochte. Sie erinnerte mich in gewisser Weise an meine Freundin Franzi, die mich im Fall der Fälle auch mal zu meinem Glück zwang. Vielleicht war es mir deswegen so leicht gefallen eine Vertrauensbasis zu ihr aufzubauen. Sie war stark und konnte sich durchsetzen, eine Eigenschaft die mir hin und wieder richtig fehlte. Vor allem bei ihr.   **~~**   Mir war unwohl als ich vor dem Gebäude stand, welches ich bisher nur im Anime gesehen hatte. Dies war somit auch das erste Mal, in zwei Jahren, dass ich es wirklich in natura sah. „Willkommen bei den Unterkünften des Master Course. Immer herein in die gute Stube“, erklärte Mira und öffnete Lächeln die Tür. Unwohl, und weil ich mich dann immer sicherer fühlte, setzte ich mir die Kapuze meiner Katzenjacke auf. Damals, als ich sie im Laden gesehen hatte, musste ich sie mir einfach kaufen. Und seitdem trug ich sie immer. Und sie gab mir wirklich Sicherheit. Jedes Mal wenn mir etwas unangenehm wurde, setzte ich sie auf und schien scheinbar zu verschwinden. Zumindest redete ich mir das ein. Vielleicht würde ich auch dieses Mal unsichtbar werden. Und ja, dieses Wollen unsichtbar zu sein, hatte mich letzten Endes dazu gebracht nicht den Weg des Idols zu gehen. Es war eben so wie immer, ich versteckte mich lieber hinter Worten oder einer Melodie. Schon kurios wenn man bedachte dass ich dennoch dafür anerkannt werden wollte. Aber selbst hier hatte sich in zwei Jahren nichts geändert. Ich war nur selten stolz auf etwas. Mit einem Lächeln zog mich Mira in das Gebäude hinein und ich fühlte mich wahrlich von der Größe erschlagen. Ich konnte sogar nicht mehr glauben, dass es keinen Platz für mich gegeben hätte. Zumindest hatte Shining mir damit erklärt, warum ich unmöglich in dem Master Course Gebäude unterkommen konnte. Ich hatte es einfach akzeptiert und nicht weiter hinterfragt. Warum auch? „Es ist keiner da, also würdest du bitte ihnen den Song geben?“ „Unsinn, wir haben noch nicht mal gesucht. Vielleicht ist jemand im Gemeinschaftsraum.“ Es gab kein entrinnen. Das hätte mir ja klar sein müssen. Egal was sich Mira in den Kopf setzte, sie zog es eiskalt, ohne Rücksicht auf Verluste durch. Sie zog mich unbarmherzig in die Richtung des Gemeinschaftsraum. Ärgerlich, denn ich hatte nicht einmal die Zeit mich richtig umzusehen, stattdessen wehrte ich mich und versuchte aus ihrem eisernen Griff zu fliehen. „Piyo Piyo Piyo Piyo Piyo-chan~ Piyo-chan Piyo-chan...“ Alles in mir zog sich zusammen, als ich klar und deutlich die Stimme aus dem Gemeinschaftsraum hörte. Ich musste diese Person nicht einmal zu sehen um zu wissen wer es war. Ich stellte mir den Blondschopf mit Brille sogar schon mit seinem Piyo-chan Hut vor und wie er ein Piyo-chan Kuscheltier umarmte und dabei eine Piyo-chan bezogene Sendung sah. Ein Albtraum. „Was für ein Glück~“, rief Mira, die diese Stimme wohl ebenfalls kannte. Natürlich kannte sie ihn. Er war immerhin mal ein Gaststar in ihrer Sendung gewesen und sie wohnte hier, also sah man sich sicher hin und wieder. „Na-Piyo!“, rief sie glücklich, als sie die Tür aufstieß und mich in den Gemeinschaftsraum zerrte, in dem ein großer Flachbildschirm stand, mit einer himmelblauen Couch. Und welch Wunder im Fernsehen lief wirklich eine Piyo-chan Sendung. Doch scheinbar hatte Miras Stimme einen magischen Zauber gesprochen, denn der singende Piyo-taku sah vom Fernsehen auf und blickte über seine Schulter zu uns. „Mirai-dayo!“ Er sprang auf und wie auch immer er das in einer fließenden Bewegung schaffte, stürzte er über die Couch hinweg und umarmte Mira. „Kira Kira Mirai dayo! Bring etwas Licht in deine Welt, wenn die Dunkelheit einfällt, sag einfach meinen Zauber. Mit Freundschaft im Spiel, auch Freundlichkeit hilft viel, vertreiben wir das Schlechte. Sag den Zauberspruch“ „Kira Kira Mirai dayo und schon ist der Tag wieder froh!“ Ich konnte es nicht glauben, dass beiden sich wirklich mit dem Opening von Miras Sendung begrüßten. Andere klatschten sich ab, hatten geheime Handschläge entwickelt und diese beiden begrüßten sich mit einem Opener... Dafür gab es wirklich keine Worte. Und doch passte es zu Natsuki Shinomiya. „Mirai-dayo~ Schön dich wieder zusehen, du bist immer noch so flauschig~ Du erinnerst mich an eine Flauschefee.“ Mira kicherte, während Natsuki seine Wange glücklich gegen ihre rieb. Scheinbar war sie eine der Personen die Natsukis Nähe nicht zu anstrengend wurde. „Und du bist immer noch so herzig. Was bin ich froh, dass ich dich treffe, ich habe etwas für dich.“ Freudig strahlend löste sich Natsuki von Mira, die sofort in ihrer kleinen Umhängetasche einen Piyo-chan Anhänger hervorkramte. „Für mich?“ „Jap. Der limitierte Polizei-Piyo.“ Ich konnte sehen, wie Natsukis Augen vor Freude strahlten, als er den Anhänger in Empfang nahm und knuddelt, als sei er ein lebendiger Schatz. Irgendwie war es ja doch süß, dass Natsuki sich das Kind im Manne bewahrt hatte. Genauso wie Mira. Und genau wie sie konnte er auch richtig ernst und Erwachsen handeln. Ihn also zu unterschätzen wäre in jeglicher Hinsicht falsch gewesen. „Mirai-dayo, wer ist deine Begleitung?“ „Oh richtig. Darf ich dir Nya-Nya-chan vorstellen?“ „Nya-Nya-chan? Die Freundin aus deiner Schulzeit? Oh wie schön, endlich lernen wir uns auch mal kennen. Mirai-dayo hat mir schon soviel von dir erzählt.“ „Äh... Eigentlich heiße ich Erenya... Mira, du könntest mich wenigstens vor Fremden vernünftig vorstellen“, seufzte ich und war froh, dass Natsuki auf Abstand blieb. Zumindest für diesen kurzen Augenblick. „Du hast recht, sie ist wie eine süße, flauschige Katze“, erklärte er und umarmte mich überschwänglich. Wie schon bei Mira damals in der Schule, gab es kein entkommen. Ich wich aus, ein Fehler denn er schien meine Bewegung voraus geahnt zu haben und hing an mir. Verdammt, durch Syo hatte er genug Übung bei so etwas. „W-Würdest du bitte... loslassen? NYAAAAAAAAAA“ Wie so oft wenn ich verzweifelte, konnte ich nicht anders als diesen Katzenlaut von mir zu geben, was wohl besonders in dieser Jacke lächerlich wirkte. Aber hey ich liebte Katzen schon in meiner Welt. Und meistens mochten sie mich auch. Zumindest wenn ich damit drohte sie zu füttern. Es gelang mir schließlich mit etwas Kraftaufwand Natsuki von mir loszueisen und man mich hätten Fans in meiner Welt dafür beneidet, dass ich eine Eins zu Eins Erfahrung von Syo hatte machen dürfen. Wobei es seltsam war. So fest hatte Natsuki mich in Wahrheit gar nicht im Griff gehabt. Zwar musste ich etwas kämpfen, aber er hatte niemals seine volle Kraft benutzt. „Ich bin nur aus rein geschäftlichen Gründen hier... Nicht um euch kennenzulernen“, schmollte ich und versuchte damit eigentlich zu verbergen, wie sehr ich mich freute einem Mitglied von Starish endlich so nahe sein zu können. „Geschäftlich?“ „Richtig. Ihr tretet doch bei dem Charity-Event auf, richtig?“, fragte Mira ganz unverfroren und ich merkte, wie sich Natsukis Stimmung schlagartig änderte. Das konnte nur eines bedeuten. Haruka. „Wir haben schon gehört, dass wir dieses Mal von einem anderen Songwriter einen Song singen werden.“ Er war wirklich traurig und wahrscheinlich machte er sich riesige Sorgen um Haruka. Doch gleichzeitig verletzte es mich, denn ich hörte aus seiner Stimme heraus, dass er nicht glücklich damit war, andere Lieder zu singen. „Ich mag nicht Nanami-san sein und vielleicht habe ich immer noch nicht den Funken gefunden, den sie entfachen kann, aber ich werde euch nicht im Stich lassen. Hier!“ ich zögerte nicht und zog aus meiner Tasche einen braunen Briefumschlag, in dem ich behutsam den Song reingesteckt hatte. All meine Gedanken, meine Kraft, meine Hoffnungen lagen in diesem Lied und Starish musste ihn nur noch annehmen und vervollständigen. „Wenn ihr Änderungswünsche habt, teilt sie mir mit. Im Briefumschlag ist meine Visitenkarte mit meiner Handynummer. Ich werde dann schnellstmöglich alle Änderungen machen. Denn...“ Ich stockte und holte tief Luft. „Denn ich habe diesen Song nicht nur für euch geschrieben, sondern auch für Nanami-san und alle eure Fans. Ich weiß wie es ist in einer Krise zu stecken, sich kraftlos zu fühlen und nicht mehr weiter zu wissen. Aber ihr seid es immer gewesen, die mir wieder neue Hoffnung schenkten, selbst wenn es nur ein seltsamer Auftritt im Fernsehen war, oder Werbung für ein Handy oder was ihr nicht noch alles gemacht habt... Das alles hat mich inspiriert weiter voranzugehen, meinen Zielen entgegen zu laufen und jetzt will ich euch helfen euren Zielen etwas näher zu kommen und Nanami-san die Zeit zu verschaffen die sie braucht.“ Man könnte nun sagen ich hätte all das nur gesagt um mich ins bessere Licht zu rücken, aber während ich den Song geschrieben hatte, waren mir so viele Gedanken durch den Kopf gegangen. Egal wie sauer es mir aufstieß, dass 18 Jungs um Haruka buhlten und dass keiner von ihnen mich jemals als fähigen Loveinterest sehen würde, so war es doch Harukas Funken gewesen, der all diese großartigen Lieder ermöglicht hatte. Der Funken, der Cecil von seinem Fluch erlöst hatte, der Funken der Starish vereinte, der Quartet Night sogar zu einem neuen Versuch brachte. Und der Funken der dafür gesorgt hatte, dass Heavens nicht einfach nur ein Trio waren. Es gab so vieles wofür ich ihr dankbar war und ich wollte ihr irgendwie etwas zurück geben. Beim Schreiben war mir dann schließlich die Idee gekommen. Dieses Lied würde all das vereinen was ich geben konnte. Was ich an Kraft spenden konnte. „Wenn der Song nicht gut ist, meldet euch. Ich warte auf euren Anruf.“ Ich verbeugte mich vor Natsuki und verließ den Gemeinschaftsraum. Mit erhobenen Haupt und doch Fluchtartig. Ich wollte mir einfach nicht anhören wie er sagte, dass dieser Song eben kein Haruka-Song sein würde. Natürlich würde er das nicht sein. Niemand konnte Haruka ersetzen schon gar nicht Ich. Aber nur Ich konnte einen Song schreiben, der meine eigene Handschrift trug.   **~~**   In meiner Wohnung angekommen wurde mir erst klar, was ich getan hatte. Und ja ich fühlte mich hundeelend dabei. Ich hatte mich von Emotionen leiten lassen. Schon wieder. Das würden nun also die schlimmsten Stunden meines Lebens werden, denn ich würde immer wieder auf dieses verdammte Handy starren und auf ein Feedback hoffen. So lief es immer. So lief das schon in meiner Welt wenn ich eine Geschichte hochlud. Dann wartete ich und wartete und hasste mich dafür, dass ich meinen unprofessionellen Schund hochgeladen hatte. Besonders schlimm war dieses Gefühl wenn ich eine Geschichte für jemand bestimmten geschrieben hatte. Das einzige was mir jetzt helfen konnte war Ablenkung. Die Frage war nur woraus diese bestehen sollte? Bedröppelt wälzte ich mich in meinem Bett hin und her und ließ meinen Blick durch mein Zimmer, aka meine Wohnung schweifen. Von den Wänden starrten mich Bilder von Cecil an oder von Heavens allgemein. In meinem Nacken hingegen spürte ich den kalten Blick des Grafen, was einfach daran lag, dass ich nicht nur Heavens und Starish Poster hängen haben wollte und so an die Wand meines Bettes noch Quartet Night angebracht hatte. Mit der Folge, dass mich ein Graf immer in besonders schlimmen Momenten anzustarren schien. Motivation sah anders aus. „Vielleicht sollte ich Camus Gesicht mit einer „Nur nicht hängen lassen“-Katze überhängen“, überlegte ich laut und hätte schwören können, dass sein Blick in diesem Moment just noch stechender wurde. So als wollte er sagen „Wage es dir bloß nicht!“. Mein Blick glitt weiter zu den Regalen, in denen ich unzählige Mangas angesammelt hatte. Unglaublich wie schnell sich so etwas in zwei Jahren vermehrte. Vor allem hatte ich dort ein paar Romance-Geschichten. Hin und wieder befand sich dort aber auch etwas Horror und Drama. Je nachdem was der Titel in mir ausgelöst hatte. „Hab ich alle schon gelesen...“, grummelte ich leise und schweifte zu der Regaletage mit den Spielen. An dieser Stelle muss ich hoffentlich nicht erwähnen, dass neben einigen guten Rollenspielen vor allem Otome-Games einen Stammplatz hatte. „Richtig, ich hab Sirens Song noch nicht durch.“ Zocken war immer eine gute Idee. Vor allem wenn es die Sirens Song-Reihe war. Bisher gab es zwei Teile, der dritte war bereits in der Produktion und ich konnte es kaum erwarten auch diesen in meinem Schrank stehen zu haben. Warum ich die Reihe liebte? Nun es war ein Otome-Game mit JRPG-Elementen. Man spielte eine Sirene, die auszog um die Lieder der Welt zu lernen. Auf ihrer Reise traf sie schließlich auf einige Bishis, deren Herz sie rasend schnell eroberte. Nun könnte man meinen sie tat das mit ihrer Stimme, dafür waren Sirenen ja bekannt, aber sie mochte es nicht ihre magische Stimme einzusetzen. Deswegen war sie auch nie auf die Idee gekommen die Männer zu verzaubern. Zu Beginn hatten diese sie sogar für ein richtiges Menschenmädchen gehalten. Erst als sie eine Seebestie mit ihrer Stimme betörte um die Männer zu retten, war ihre Identität aufgeflogen. Ich seufzte. Die Story war einfach so tragisch schön und vor allem war die Fortsetzung genauso gut wie der erste Teil. In diesem hat ein Magier ihr die Stimme gestohlen um sie für sich zu haben. Gemeinsam mit ihren alten Begleitern ging sie also erneut auf die Reise und lernte neue Lieder. Magische Lieder, welche dafür sorgte, dass ihre Stimme Stück für Stück zurückkehrte. Immer wenn ich diesen Teil spielte, fragte ich mich nur eines „Wo ist meine Stimme?“. Rein Metaphorisch gesehen hatte die Welt bisher nur meine Lieder zur Kenntnis genommen, mehr aber auch nicht. In Momenten wie diesen zweifelte ich daran, ob es richtig gewesen war ein Songwriter zu werden. In Anbetracht der Fakten hätte ich wohl aber auch als Idol kaum Chancen für Erfolg gehabt. Männliche Idole kamen besser an und ich wäre am Ende nur auf der Stelle getreten. Mirai mochte ja mit ihrer Kindersendung zufrieden sein, aber mir hätte das nicht gereicht. Genauso wie es mir nicht reichte wiederholt für ein Game Songs zu stiften, Jingles zu schreiben, Openings für Serien zu komponieren oder herumgereicht zu werden wie eine Schüssel Salat, den man nur nahm, weil das Hauptmenü schon vergriffen war. „Zweite Wahl... eigentlich etwas an das ich mich gewöhnt haben sollte...“, murmelte ich, während ich einen Kampf gegen einen Yokai bestritt. Es fühlte sich einfach nicht anders an. „Eigentlich sollte es doch voll der Vorteil sein mit so vielen verschiedenen Personen zu arbeiten... Haruka arbeitet immer nur mit denselben und dennoch...“ Ich seufzte. Ich konnte nicht einmal abstreiten, dass ich neidisch war. Und gleichzeitig hatte ich Angst. Angst davor, dass mich die Jungs ablehnen würden, oder meinen Song. Wäre Mira nicht gewesen, hätte ich den Song wahrscheinlich erst wesentlich später vorbeibringen lassen. In der Zeit hätte ich dann noch fünf andere Versionen oder dergleichen geschrieben. In meinem Kopf ließ ich die Tonreihe erneut Revue passieren. Ich hatte mir so viele Gedanken gemacht. Hatte Töne gewählt die psychologisch gesehen aufmuntern sollten sollte, hatte dabei sogar noch das Arrangement für die Jungs bedacht. Versucht deren Persönlichkeit in Musik einzufangen und gleichzeitig meine Handschrift rein zu setzen. „Besser ich lasse mich nie wieder bei ihnen blicken.“ In Gedanken hatte ich mich damit entschieden. Ich wollte einfach nicht zu diesem Charity-Event. Niemals hätte ich Starish in die Augen sehen können, wenn ich diesen Song vermurkst hatte. Und das schlimmste war, ich musste noch einen zweiten schreiben, für die drei auserwählten Mitglieder von Heavens.   **~~**   Ich war nicht sonderlich motiviert, als ich Hiroki dabei beobachtete, wie er seine Gitarre stimmte. Aber auch dieser Job musste getan werden, wenn ich meine Miete bezahlen wollte. „Du wartest also immer noch auf einen Anruf von Starish?“, fragte Hiroki nach einiger Zeit. Natürlich wusste er was los war. Ich hatte ihm ja schon eine Mail darüber geschrieben und sicherlich hatte Mira auch noch das ein oder andere erzählt. „Ich werde noch wahnsinnig, wenn ich nichts von ihnen höre. Vielleicht sind sie ja zu höflich um mir zu sagen, dass der Song Mist ist. Aber ich will nicht, dass sie ihren Glanz wegen mir verlieren.“ Ich seufzte deutlich und ließ meinen Kopf auf die Stuhllehne sinken. Es war doch wirklich zum Mäuse melken. „Genau dasselbe Drama hatten wir damals vor unserer Abschlussprüfung“, merkte Hiroki an und musste dabei breit grinsen. „Das war ja auch wichtig. Ich meine, wenn der Song nicht gut gewesen wäre, hättet ihr euer Debüt nicht bekommen.“ „Und er war gut, wie du dich sicherlich erinnerst. Mira und ich hatten unser Debüt, haben nun viel zu tun und sind im Showbiz angekommen. Ebenso wie du. Warum sollte es also dieses Mal anders sein?“ Ich schwieg, denn so wirklich hatte ich keine Antwort auf Hirokis Frage. Ich hasste es, wenn er all meine Zweifel entwaffnete. Warum sollte es dieses Mal anders sein? „Weil ich nicht Nanami-san bin? Ich meine du hättest mal Natsuki hören müssen als er sagte, dass sie nun den Song eines anderen Songwriters singen sollen. Diese Enttäuschung, diese Trauer und ich hätte schwören können, da war auch ein Funken Ablehnung dabei.“ „Das bildest du dir ein. Sicher er ist etwas traurig, immerhin haben sie bisher ausschließlich nur Nanami-senpais Lieder gesungen. Wahrscheinlich haben sie auch etwas Angst. Du weißt schon, Nanami-senpai hat ihre Persönlichkeit in ihren Liedern erfasst. Sie verbringt viel Zeit mit ihnen und kennt sie besser als jeder andere. Wie sollte also ein ihnen unbekannter Songwriter ihre Persönlichkeit genauso einfangen? Und vor allem, können sie die Emotionen erfassen, die der Songwriter beim Schreiben empfand. Das ganze funktioniert schließlich auch anders herum, sie kennen den Songwriter nicht und wollen auch diesen nicht enttäuschen.“ So wie es Hiroki mir erklärte, ergab das ganze sogar Sinn. Ich hatte mich die ganze Zeit darauf versteift, dass sie einfach gerne Harukas Lieder sangen, weil sie diesen Funken hatte, nicht aber dass sie vielleicht auch sangen um Harukas Wünsche zu erfüllen. Sie kannten das Mädchen schon eine halbe Ewigkeit und wussten um ihre Wünsche und Träume. „Können wir nicht einfach den Song üben? Ich will wissen, ob er passt. Sonst muss ich noch ein paar Änderungen machen.“ Ohne mehr auf diese Diskussion einzugehen, denn es war offensichtlich, dass ich verlieren würde, erhob ich mich von meinem Platz und ging zu dem aufgestellten Keyboard. „Weißt du, eigentlich würde ich lieber einen deiner neueren Songs hören.“ Ich sah zu Hiroki und hob eine Augenbraue. Mir war klar, was er versuchte. Er wollte den Song für Starish hören, nur um mir dann zu sagen, dass der Song nicht so schlecht war wie ich befürchtete. Was ihm dabei aber entfiel, ich hatte den Song bereits an die für ihn bestimmte Gruppe überreicht. „Du kennst meine Regel.“ „Ich weiß, ich weiß, keine Hörprobe nachdem der Kunde den Song bekommen hat. Aber diesen Song meinte ich auch nicht.“ „Huh?“ Verwirrt blinzelnd sah ich zur Hiroki, der mich breit angrinste. „Der zweite Song. Ist er schon fertig?“ „Nope. Heavens ist nicht so leicht wie Starish. Ich meine Heavens ist großartig und obwohl böse Zungen behaupten sie seien ein billiger Abklatsch von Starish, sehe ich das anders. Sie haben jeder ihre eigenen speziellen Eigenschaften die Heavens ebenbürtig machen. Sie sind für sich selbst ein Original.“ „Naja aber das mit dem Abklatsch kommt ja nicht von ungefähr. Ihre Namen bilden immerhin auch den Namen, es sind sieben Jungs, vom Charakter her sind sie sich ähnli-“ „Falsch. Sie sind so verschieden wie Tag und Nacht. Nehmen wir Kira und Masato. Masato ist zwar ruhig, aber nicht so schweigsam wie Kira. Kira ist in sich gekehrter und wesentlich aufrichtiger zu seiner Liebe der Musik. Masato hingegen hat lange gebraucht um seiner Familie mitzuteilen, was er wirklich will. Er ist lange Zeit davor weggelaufen, weil er die Konfrontation fürchtete. Kira hingegen fürchtete sie nicht. Dann hätten wir noch Syo und Yamato. Syo ist aufrichtiger was seine Kraft angeht. Er weiß wo seine Grenzen sind und arbeitet hart daran diese zu überwinden. Yamato hingegen ist der Typ der gerne herausfordert, der glaubt keine Grenzen zu haben, was vielleicht daran liegt, dass er etwas im Schatten von Ryuga lebt. Ich denke Yamato will unabhängig sein und vergisst dabei hin und wieder, dass Abhängigkeit ja nichts schlechtes ist, sondern dass gerade wenn man Freunde und Fans hat jemanden hat, durch den man Kraft schöpfen kann. Und dann sind da noch Eiji und Tokiya-“ „Ich hab schon verstanden.“ Hiroki lachte und schüttelte den Kopf, während er mich in meinem Redeschwall unterbrach. „Gegen dich kann man nicht argumentieren. Das habe ich damals begriffen, als ich die Eiichi-Diskussion hatte.“ Ich konnte nicht anders als in sein Lachen einzustimmen. Die Eiichi-Diskussion war selbst mir noch legendär im Kopf verblieben. Und eigentlich war diese auch der Grund, warum Hiroki und ich überhaupt Freunde geworden waren. Er war damals einer jener Vertreter gewesen, die gemeint hatten, dass Eiichi nur so erfolgreich sei aufgrund des Rufes seines Vaters. Ich hatte ihm daraufhin bewiesen, dass Eiichi der Ruf seines Vaters egal war und er Heavens mit eigener Kraft aufgebaut hatte. Außerdem war er nicht ganz das, was er nach außen hin immer gab und selbst das hatte ich ihn beweisen können. Charakteranalysen waren eben voll und ganz mein Ding. „Aber ich muss gestehen ich finde es immer noch gruselig. Von allen Informationen, Serien usw. die raus kamen hast du soviel über sie gelernt. Es würde mich wundern, wenn du diesen Song nicht auch noch schaffst. Ich behaupte sogar, du kannst der Welt damit eine neue Seite von Heavens zeigen. Eine die nicht viele sehen. Lass dich nur nicht davon abhalten, dass dir dieser Funken fehlt. Oder was auch immer Saotome dir damals sagen wollte. Du wirst ihn finden.“ Wahrscheinlich war es genau das was ich wirklich in dieser Welt brauchte. Freunde die mich bei der Stange hielten. Denn auch wenn ich eine Vorgeschichte hier hatte, war etwas über all die zwei Jahre geblieben. Meine Depression, die regelmäßig zuschlug. Und dank der Tatsache, dass ich nicht mehr in psychologischer Betreuung war, ging es regelmäßig mal mit mir Bergab. Bevor ich Mira und Hiroki als meine Freunde gesehen hatte, war es sogar noch schlimmer gewesen. An Saotomes Akademie hatte ich mich ziemlich weit zurückgezogen. In den Pausen war ich alleine geblieben, ich hatte immer alleine gelernt und dabei an meine Freunde in meiner Heimat gedacht. Irrwitzigerweise war sogar immer noch Shicchis Nummer auf meinem Handy gespeichert, doch jedes Mal wenn ich sie wählte sagte mir eine Computerstimme, dass diese Nummer nicht verfügbar sein. Selbst heute hatte ich ihre Nummer noch gespeichert und schrieb die ein oder andere SMS an sie. Shicchi fehlte mir wirklich unglaublich, genauso wie Franzi und das Geschichten schreiben. Letzteres kompensierte ich allerdings mit einem Blog auf dem ich meine Geschichten regelmäßig hochlud. Eigentlich war das nicht anders als in meiner Welt. Während unserer kleinen Reise auf Saotomes paradiesische Insel waren sich Hiroki, Mira und ich uns schließlich näher gekommen. Zu der Zeit war Heavens groß ins Gespräch gekommen und hatte für einiges an Wirbel gesorgt. Hiroki war einer der Vertreter gewesen, die meinten, dass Heavens ihren steilen Aufstieg nur dem Einfluss von Raging Otori verdankten und der Tatsache, dass sein Sohn der Leader war. Wir hatten uns schließlich am Lagerfeuer eine hitzige Debatte darüber geliefert, die er verlor. Zurück in Saotomes Schule, als wir endlich jemanden finden sollten, mit dem wir zusammenarbeiteten, suchte ich mich dumm und dämlich. Niemand hatte wirklich das Interesse mit mir zusammen zu arbeiten, einfach aufgrund der Tatsache, dass ich so eigenbrötlerisch gewesen war. Schließlich waren es Hiroki und Mira gewesen, die ihre ursprünglichen Pläne verworfen hatten und mir rettend zur Hilfe geeilt waren. Als Duo waren sie mit meinem Song angetreten und hatten mich damit vor der Einsamkeit bewahrt. Ich schuldete beiden so viel, dass ich wirklich auf fast jede Bitte der beiden reagierte und versuchte ihnen zu helfen. Mit allem was ich hatte. „Also gut, dann spiele ich dir einfach mal vor, was ich bereits für den Heavens-Song habe. Wenn etwas nicht gut klingt, sage es mir.“ „Hast du wieder nach altem Schema gearbeitet?“ „Du meinst einen Text geschrieben, der am Ende sowieso nicht benutzt wird?“ Hiroki grinste breit. Er und Mira waren wirklich die einzigen, die auch darauf bestanden, dass meine Texte in den Partituren enthalten blieben. Sie änderten hin und wieder lediglich ein paar Stellen ab. „Richtig.“ „Nope. Bei Starish und Heavens funktioniert das leider nicht. Jedes Mal wenn ich das so mache, klingt es falsch. Also denke ich an die Mitglieder, schließe die Augen und lasse meine Finger die Noten wählen. Und seltsamerweise klappt das ganz gut.“ „Also keine Texte?“, fragte mich Hiroki und ich wusste, dass er mich durchschaut hatte. „Doch, aber vor Abgabe werden sie heraus radiert. Ich kann es den Jungs einfach nicht antun.“ „Egal, dann sing mal was Heavens für ein Schmuckstück bekommt.“ „Ich sage nochmal es ist nicht fertig.“ Es war wirklich seltsam. Obwohl Hiroki unzählige meiner Songs schon gehört hatte und sieben sogar just für ihn geschrieben worden waren, wurde ich nervös. Ich starrte auf das Keyboard, wusste eigentlich genau welche Tasten ich spielen musste und doch bekam ich... Angst? Lampenfieber? Es war ein seltsames Gefühl. Und alles was ich spürte war Hirokis erwartungsvoller Blick. Vielleicht war Angst doch das passende Wort. Doch ich überwand mich und spielte die ersten Noten.   Steig auf in die dunkle Nacht, wir nehmen, was Angst dir macht. Es ist ein kraftvoller Takt, und dann mitten im Lauf, Angel, steige auf!   Du hast uns die Stärke gebracht, die uns unsterblich macht, welcher Gott würde ohne dich sein, Angel, wir schaffens niemals allein. Deine Kraft ist so mächtig, deine Taten erstrahlen täglich, Angel, wir danken dir, Angel, deine Flügel brauchen wir.   Das Lied hatte erst langsam begonnen, wogegen die erste Strophe, die ich soweit schon fertig hatte, einen etwas kräftigeren Takt anschlug, der schneller war als das kleine Vorspiel. Immerhin hatte ich mir Heavens immer als die Gruppe mit den stärkeren und wilderen Beat vorgestellt. Anders als Starish, die wirklich in jeder Note Liebe, Harmonie und Kraft versprühten. Das alles war zwar auch bei Heavens der Fall, aber in einer anderen Art und Weise. „Das ist nur die Rohfassung. Sie ist noch nicht fertig und braucht noch einen Feinschliff“, verteidigte ich mich schnell, als Hiroki nichts sagte. Er sah mich einfach nur an. Ernst, nachdenklich. Dieser Blick sagte mir, dass er gerade jede Note in seinem Kopf durchging. Wieder und wieder spielte er die Musik ab. „Du hast Recht, dass ist keine Nanami-senpai.“ Na schön, nun musste er mit dem Finger in der Wunde herum bohren. Ich verzog etwas das Gesicht. Wenn er mir damit sagen wollte, dass es einfach nicht Heavens würdig war, sollte er es einfach sagen. So viel Ehrlichkeit hätte ich ihm da doch zugetraut. „Das ist definitiv ein Original Erenya.“ Er lächelte und erhob sich von dem Stuhl, auf dem ich zuvor gesessen hatte. „Mach dir keine Sorgen, es ist gut wie es ist. Ich bin mir auch sicher, dass die Jungs es gut finden werden. Und diese Textzeilen-“ „Klangen als wären sie von einigen Heavens-Mitgliedern persönlich geschrieben.“ Ich versteifte mich als ich diese Stimme hörte. „Hiroki... Sag mir bitte, dass nicht der hinter mir steht, von dem ich glaube, dass er es ist“, flüsterte ich Hiroki zu, der mich aber zur Antwort nur angrinste. „Hey, Van. Ich wusste nicht, dass du heute im Studio bist. Macht ihr gerade Aufnahmen für einen neuen Song?“ Ich konnte es nicht glauben. Scheinbar hatte ich unter einem Fels gelebt oder mich einfach zu sehr in der Arbeit vergraben, aber gerade jetzt bekam ich das Gefühl, ich hing meinen besten Freunden um Jahren hinterher. Denn Hiroki war so vertraut mit Van, was nur eines bedeuten konnte. Sie kannten sich. „Nein nein, es geht um Synchronisationen von einigen Filmszenen. Der Ton war nicht so gut, weswegen ich die Szenen noch einmal einsprechen musste. Aber gerade als ich Pause machen wollte, habe ich dieses Lied gehört und diesen Text und das hat mich neugierig gemacht.“ Verdammt, verdammt, verdammt, verdammt. Das Lied war noch nicht fertig und doch hatte bereits ausgerechnet dieses Mitglied von Heavens es gehört. „Dein Neuer Song, Hiro-chan?“ „Nein, der ist nicht für mich. Meine 'neuen' Songs sind die von der Seven Singles, one Week Aktion.“ „Die Aktion, die dich so gestresst hat?“ Hiroki lachte, denn gestresst hatte das Ganze ihn wirklich. Zumindest war er von einem Termin zum anderen gedüst, hatte Radio-Auftritte en Mass, war immer in irgendeiner Show aufgetreten, musste auch noch täglich das Release für den nächsten Tag mit organisieren. Ja, er war in der Woche mehr als nur gestresst gewesen. „Die Aktion, die ich dieser Dame verdanke“, antwortete er und verwies auf mich, die immer noch wie eingefroren vor dem Keyboard stand. Richtig, Hiroki verdankte sie indirekt mir. Und das nur weil ich einen Otaku-Fangirl Moment von dem Manga Kaikan Phrase erzählt hatte, in dem die Gruppe Lucifer auch sieben Singles in einer Woche veröffentlicht hatten. Irgendwie hatte diese Idee ihm wohl gefallen und er stand zudem noch auf verrückte Dinge. Er hatte das ganze aber noch weiter getrieben. Denn alle sieben Singles zusammen erzählten eine Geschichte. Jede von ihnen symbolisierten einen wichtigen Part von dieser. „Sie ist schüchtern, huh?“, fragte Van und am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass dem nicht so war und wäre dann einfach weggelaufen. Okay, vielleicht war ich doch etwas schüchtern. „Ich glaube eher sie ist erschrocken. Dieser Song-“ „Ist noch nicht fertig und gar nicht so toll und... halt einfach die Klappe, Hiroki!“ Bevor er sagen konnte, dass dieser Song ausgerechnet für Van und zwei weitere Mitglieder von Heavens war, griff ich ein. Knallrot im Gesicht, panisch und verängstigt. Ja ich hatte Angst. Angst davor, dass ich gerade jetzt Kritik für diesen Song einstecken musste und noch einmal unter die Nase gerieben bekam, dass ich eben nicht Haruka war. Seelisch war ich darauf nicht vorbereitet. „Van, darf ich dir meine Freundin und Songwriterin Tailor Erenya vorstellen? Sie hat alle sieben Songs von der Streßwoche geschrieben.“ „Freundin wie in, feste Freundin?“ „Beste! Nur beste Freundin! Liebe ist ein No-No in unserem Geschäft“, konterte ich schnell, denn wie ich Hiroki kannte, hätte er sich einen Spaß daraus gemacht dieses Missverständnis nicht aufzuklären. Gleichzeitig errötete ich aber, weil ich schon wieder so einen Ausbruch hatte. Das wirkte alles andere als Professionell. Und schwupp ich hatte mich vor dem zweiten Heavens-Mitglied blamiert. Die Ehre des ersten hatte Kira inne, der mir freundlicherweise den Weg von den Toiletten zurück zum Backstage-Bereich gezeigt hatte. Damals beim Uta-Pri Award. Wahrscheinlich fürchtete ich deswegen Kira jemals wiederzusehen. Er war übrigens einer jener Leute von denen Saotome gemeint hatte, dass ich mich mit jemanden von Heavens vertraut gemacht hätte. „Ich meine... nein wir sind nur Freunde und Kollegen. Mehr nicht.“ Dass mein korrigierter Nachwurf diese peinliche Situation nicht retten würde, war mir klar. Dennoch wollte ich mein Gewissen damit beruhigen, dass ich mich doch nicht so schlimm blamiert hatte. „Ich glaube das nennt man abserviert“, kicherte Hiroki und schüttelte den Kopf. Van lächelte jedoch sorglos. Genauso wie ich ihn kannte, aus der Serie. Und natürlich auch wie ich ihn kennengelernt hatte. Doch hinter diesem Lächeln verbarg sich etwas tiefgründigeres, etwas dass einen einfangen konnte, wenn man am wenigsten damit rechnet. Verborgenes Charisma, war das gefährlichste Charisma, welches ich im Showbiz hatte kennenlernen dürfen. „Mach dir nichts draus, Hiro-chan, wir wurden doch schon alle mal abserviert. Aber, es freut mich dich kennenzulernen, Ere-chan. Und ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Also, bis dann~“ Meine Augen weiteten sich, als er davon sprach, dass er auf eine gute Zusammenarbeit hoffte. Er war in der Tat gefährlich. Wie jedes einzelne Mitglied von Heavens auch. „Wenn er wüsste, dass ihr schon zusammen arbeitet“, merkte Hiroki an und lächelte. Wahrscheinlich war er von Vans Art geblendet, immerhin hatte er ihn schon häufiger in Aktion gesehen, wenn ich ihr vertrautes Miteinander richtig einschätzte. „Glaub mir Hiroki, er weiß es bereits und genau das macht mir Angst. Ich glaube... ich werde Heavens Song von Grund auf neu schreiben.“   **~~**   Starish und Heavens hatten sich nach dem Erhalt ihrer Songs beide kein einziges Mal gemeldet, was mir doch schwer zu schaffen machte und mich dazu zwang wirklich zum Charity-Event zu gehen. Mein Vorhaben dort nicht einmal zu erscheinen und stattdessen andere Dinge zu machen war damit wie eine Seifenblase geplatzt. Im Studio fühlte ich mich allerdings mehr als nutzlos. Oder viel eher gesagt wie eine Last, welche immer im Weg stand. Das Treiben war geschäftig und es waren viele Größen der Szene vertreten. Dennoch war ich immer darauf bedacht weder Heavens noch Starish über den Weg zu laufen. Ein Unterfangen was fast unmöglich war. Doch ich war während der Schulzeit gut darin geworden einfach unsichtbar zu werden. Andere hätten nun die Chance genutzt sich neue Kontakte zu suchen, die Gelegenheit wäre ideal gewesen, schließlich stellten hier viele andere Künstler ihre Songs vor, ebenso waren ein paar Schauspieler vertreten, die just für dieses Event Kurzfilme gedreht hatten und als Maskottchen lief sogar jemand in einem Bananyan Kostüm herum. Wäre Ranmaru hier gewesen, wäre es ihm sicher schwer gefallen sich zu beherrschen. Schließlich liebte er Katzen und Bananen waren laut seiner Ansicht perfect. Das größte Event neben den Showacts waren aber wohl die kleinen Kinder aus dem Krankenhaus. Viele von ihnen hatten schwere Krankheiten, einige waren unheilbar, andere schmerzhaft. Die Organisatoren hatten gerade diese Kinder gewählt, weil einige vielleicht zum letzten mal ihre Lieblingsstars sehen würden. Traurig wenn man es bedachte. „Okay, Tomo-chan, Ringo-kun gleich ist es soweit! Auf die Bühne mit euch.“ Ich sah auf, als ich die Namen hörte und war verwundert. Tomo-chan wie in Tomochika? Die beste Freundin von Haruka? Sie hatte wirklich ein Glück. Vor allem, dass sie mit Ringo die Show moderieren durfte. Wenn man es recht bedachte waren hier recht viele Acts von Shinings Agentur vertreten. Ebenso Ryuga, der mit einem der Krankenhauskinder eine Szene aus seiner Serie darstellen sollte. Es war einfach unglaublich, was Shining hier wieder unter Beweis stellte. Von meinem Platz aus hatte ich alles super im Blick und das obwohl ich recht versteckt war. Niemand beachtete mich und selbst der Kameramann der hinter der Bühne Shots machte, ignorierte mich. Anders hätte ich nicht gewusst, wie ich sonst reagiert hätte, immerhin passte meine Stimmung so gar nicht zu dem „Schenke anderen Kraft“. Ich ließ mich an der Wand herunter gleiten, zuckte aber zusammen, als ich etwas kleines neben mir spürte. Ich sah zu meiner linken und erkannte einen Jungen mit einer Bandage am Kopf. Und er schien nicht erfreut darüber zu sein, dass ich hier war. Genauso wenig wie ich es war. „Jetzt muss ich mir ein neues Versteck suchen...“, murmelte der Kleine und ich war verwundert, denn alle Kinder die ich bereits gesehen hatte, waren happy gewesen hier zu sein. Aber er schien wie ich eigentlich lieber wo anders sein zu wollen. „Wieso?“ „Na weil du mich verpetzen wirst. Sie werden mich finden und dann wieder fragen, was ich mir Wünsche.“ „Ah... Keine Sorge ich verpetze dich nicht, wenn du mich auch nicht verpetzt.“ „Nee-chan, was machst du hier? Warum bist du nicht bei den anderen Erwachsenen? Musst du nich auch irgendwas wichtiges machen?“ „Eigentlich... gehört das hier sein zu meiner Arbeit. Mehr verlangt man aber nicht von mir.“ Der Junge neben mir schwieg und sah nach vorne, wobei er einen Schmollmund zog. Niedlich irgendwie. „Dann willst du auch nicht hier sein? Wieso denn nicht?“ „Das ist schwer zu erklären. Hier sind ein paar Leute die abhängig davon sind, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Allerdings haben sich diese Personen während der Vorbereitung nicht bei mir gemeldet und ich bin ehrlich etwas verunsichert.“ „Vertraust du ihnen nicht?“ „Doch schon, aber ich glaube das Problem ist, dass ich mir nicht vertraue. Es ist wirklich kompliziert. Ich stamme ursprünglich nicht von hier und ich glaube, dass mein Tun und seine Auswirkungen darauf haben, ob ich jemals wieder nach Hause kann.“ „Dann geh doch nach Hause zu Mami und Papi, oder sind deine Eltern böse wenn du es nicht richtig machst?“ „Nee... es ist viel mehr... ich weiß nicht wie der Weg nach Hause ist.“ „Hast du ihn vergessen?“ „Ja, so ungefähr.“ „Dann haben wir was gemeinsam, Nee-chan. Ich habe auch vieles vergessen. Was mein Zuhause war, wie ich heiße, wie meine Eltern aussehen. Die Ärzte sagten, ich hatte einen Unfall, nicht schlimm, aber alles ist weg. Jeden Tag besuchen mich diese fremden Leute die mir immer sagen, was ich mal mochte und ich glaube, ich mache sie traurig weil ich mich nicht erinnere ob ich es tue.“ „Amnesie also... Das ist hart.“ Der Junge sah plötzlich zu mir auf, verwundert. Und fragend. „Du willst mir nicht sagen, dass alles wiederkommt wenn ich warte?“ „Nein, ich glaube das wäre nicht wirklich mein Stil. Sollte ich das sagen?“ „Nee, lieber nicht. Ich muss nämlich sagen... ich weiß nicht ob ich das will. Mich erinnern meine ich. Ich muss gestehen ich mag diese Frau die meine Mami ist. Aber ich habe sie mit dem Mann, Papi, reden hören. Sie meinte ich sei immer wieder frech gewesen. Vielleicht habe ich Mami nicht lieb gehabt.“ „Das ist in der Tat schwierig. Aber ich denke nicht, dass du deine Mutter nicht mochtest.“ „Wieso?“ „Weil alle unsere Taten einen Ursprung haben. Nur weil du frech zu ihr warst, heißt es nicht, dass du sie nicht mochtest. Vielleicht wolltest du ihre Aufmerksamkeit und wusstest aber nicht wie du sie bekommst. Vielleicht wolltest du sie aber auch aufmuntern und sie hat es falsch verstanden. Ich denke du hast deine Mutter geliebt und die Tatsache, dass du sie auch jetzt liebst ist ein Zeichen dafür, dass du immer noch Du bist.“ Der kleine Junge sah zu Boden und schien sich meine Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Wir schwiegen beide. „Hast du Angst hier zu sein und versteckst dich deswegen, Nee-chan?“ „Jap. Ich hab tierische Angst.“ „Warum?“ „Nun, ich habe zwei Songs geschrieben die heute vorgestellt werden. Jene die aber diese Lieder vorstellen haben bisher immer nur die Lieder von einer bestimmten Person gesungen und ich habe einfach Angst, dass ich sie enttäusche. Diese andere Person hat soviel Mühe in alle ihre Lieder investiert. Leider hat sie momentan eine Schreibblockade. Ein echt ekliges Gefühl und nachdem ihre Lieder mich immer wieder aus meinen Tiefs gezogen haben, will ich irgendwie dasselbe für sie tun. Allerdings hat mir mein Boss gesagt, dass mir etwas fehlt. Heißt meine Texte sind nicht perfekt, was auch erklärt, warum ich... immer in ihrem Schatten stehe. Und nun habe ich die Chance aus ihrem Schatten zu treten und alles was ich denken kann ist... ich zerstöre was sie aufgebaut hat. Mir ist ehrlich gerade egal ob ich gut bin, es geht mir um das was sie geschaffen hat, was ich so liebe, dass ich das nicht zerstören will.“ Ich seufzte und zog die Knie an mich heran. Seltsam, dass ich meinen Kummer an einem Kind ausließ, dass es wesentlich schwerer hatte als ich. Amnesie war schon was krasses. „Das klingt kompliziert, du denkst zu viel nach, Nee-chan. Ich denke sie werden deine Mühe sehen. Und noch einige mehr. Papa sagt immer Menschen die an andere Denken und während ihrer Arbeit in Gedanken bei den Anderen sind, werden diese Gefühle immer transferieren.“ Ich sah den Kleinen an und schmunzelte. „Papa sagt immer, huh?“, fragte ich und der Kleine verstand, was er gerade gesagt hatte. „Ich hab mich an Papa erinnert!“ „Scheint so. Siehst du, du musst dir keine Sorgen machen. Du musst die Angst einfach loslassen und der Rest passiert wie von selbst.“ „Nee-chan, willst du wissen, was Mama immer sagt was mein Wunsch war?“ Ich neigte den Kopf etwas, dass war doch ein sehr seltsamer Themenwechsel. Aber dennoch wollte ich dem Kleinen zuhören. „Erzähl.“ „Ich will anderen Kraft schenken. Und sie hat Recht. Das geht mir so mit den meisten Kindern aus dem Krankenhaus so. Sumire war immer traurig, weil sie einen Krebs hat, aber ich wollte sie immer Lächeln sehen, also habe ich ihr Geschichten erzählt, Lieder vorgesungen. Weißt du, Sumire hat ein schönes Lächeln und ich glaube ihr geht es viel besser seit sie wieder lächelt. Sie spielt nun auch mit den Anderen. Ich möchte... Ich wünsche mir, dass ich anderen die Angst vor allem nehmen kann, wie ein Superheld, weißt du.“ Ich dachte nach und war überrascht. Dieser kleine Kerl war wirklich unglaublich und das schon in so jungen Jahren. „Ich glaube wir beide müssen mit ein paar Leuten reden. Wir können deinen Wunsch erfüllen.“ Ich erhob mich und hielt dem Kleinen die Hand hin. „Wie ist eigentlich dein Name?“ „Kotaro.“ „Na schön Kotaro, ich möchte dir ein paar Menschen vorstellen, die dir sehr ähnlich sein dürften.“   Ihre überraschten Blicke brannten sich in meine Erinnerung. Mein Erscheinen und mein Plan schien sie doch sehr überrascht zu haben, zumal mich bisher nur Van und Natsuki live und Farbe gesehen hatte. „Ere-chan bist du dir sicher?“, fragte Van und sah zu Eiji und Yamato. „Das ist gewagt... jetzt noch etwas zu ändern.“ „Ich weiß aber... beide Lieder sind nur für drei Stimmen ausgelegt. Es stand niemals im Plan, dass noch eine Stimme hinzu kommt, weder bei dem einen, noch bei dem anderen. Aber dieses Event ist doch dafür gedacht anderen Kraft zu schenken und ich denke der Impakt ist wesentlich größer, wenn einer der Kinder ebenfalls ein Teil dieser Kraft spendenden Macht wird.“ „Aber... Nicht das ich die Idee nicht gut finde, die Zeit ist nicht da.“ „Es geht hier nicht um Zeit, Masato. Die ist keine Herausforderung für mich. Eiji, du nimmst Melodien schneller an als jeder andere den ich kenne. Otoya du improvisierst immer so gut und passt dich an. Yamato hingegen hat die Kraft um die passende Überleitung nach der Bridge zu bekommen. Masato hat einfach den perfekten Skill um diese Bridge zu spielen. Und ich denke das sowohl Van als Natsuki Kotaro unterstützen können. Ihr seid beides Frohnaturen die Kraft und Mut und Stärke schenken. Bitte, nicht für mich sondern für Kotaro.“ Die Jungs sahen einander an, zweifelnd wenn auch wankend, ob sie das wirklich tun sollten. „Wir sagen nicht, dass es nicht funktionieren kann, uns fehlt aber die Bridge und dann der Songtext dazu.“ Ich wusste, dass Eiji Recht hatte, aber etwas in mir wollte von dem Vorhaben nicht abweichen. „Gebt mir fünf Minuten und ihr habt Bridge und Text.“ „Fünf Minuten... das ist wenig Zeit.“ „Es reicht, ich verspreche es, Otoya. Bitte, vertraut mir. Nur dieses eine Mal.“ „Aber der Text...“ Natsuki wollte gerade seinen Einwand formulieren, der durch aus ein Genickbruch hätte bedeuten können, doch ich konnte diesen sogleich wiederlegen. „Hier!“ Ich kramte in meiner Tasche und zog ein Schriftstück heraus. Es musste einfach Schicksal sein, dass ich es in der Tasche hatte. Ein kleines Gedicht, welches ich am Morgen geschrieben und dann eingesteckt hatte. „Kotaro kann ihn lernen, zusammen mit Van und Natsuki. Masato und Yamato werden mit mir in der Zwischenzeit an passende Übergänge für die Bridge arbeiten. Und Otoya und Eiji können sie mit mir gemeinsam schreiben. Bitte.“ Erneut sahen mich die Jungs an, während ich einfach nur das Stück Papier entgegenhielt und betete, dass sie mir einfach nur für heute ihr Vertrauen schenkten. Diese Sekunden die gerade vergingen, schienen sich wie ein klebriger Kaugummi zu ziehen. Ein sehr klebriger. „Na schön, versuchen wir es.“ Jetzt war ich es, die überrascht zu Van sah, als er mir das Stück Papier aus der Hand nahm. „Ere-chan mag es eben etwas hektischer. Fünf Minuten für eine Bridge scheinen doch ein Kinderspiel wenn man bedenkt, dass du sieben Songs in drei Wochen geschrieben hast. Und ich gehe einfach mal davon aus, dass du die Melodie bereits hörst.“ „Ja!“, sagte ich sofort ohne zu lügen. Ich hatte wirklich schon die Musik im Kopf. Sie musste nur noch geschrieben werden. „Aber unser Auftritt ist gleich. Das können wir unmöglich schaffen“, gab Otoya zu bedenken und als wäre das der Startschuss für seinen Auftritt gewesen, schoss eine weiße Rauchwolke aus dem Boden hervor. „No Problem~“ Vor uns aus dem Boden, stieg er auf, Shining Saotome, zusammen mit Raging, Rücken an Rücken. „Wir sagen den Produzenten Bescheid. Eure Songs, mit der Bridge, werden den Abschluss des Events bilden.“ Ich wusste nicht, ob ich glücklich darüber sein sollte, was Raging da gerade verkündete, aber immerhin verschaffte uns das Zeit. Genug Zeit um alles vorzubereiten. „Miss Tailor, sie sind sich sicher, dass sie diese Bridge schaffen?“, fragte Saotome und näherte sich mir. Doch ich wich nicht zurück. Das war einfach nicht der richtige Moment, denn ich war mir absolut sicher, dass wir das konnten. „Ja!“ „Muhahahahahaha~ Dann ist es entschieden. Starish's A-Class und die Auserwählten Heavens werden mit ihrem Medley den Abschluss bilden, perfect!“ In Saotomes Gelächter stimmte auch Raging ein, was endgültig die Aufmerksamkeit auf uns zog. Es war aber gerade nicht die Zeit im Erdboden versinken zu wollen. Das konnte ich später, Zuhause, machen, wenn ich mich wieder für diese Aktion schelten würde.   „Nein Yamato, das ist zu kraftlos. Mehr Power!“, forderte ich, als wir gerade den Übergang von der Bridge zu dem Song von Heavens probten. Es war nicht leicht das ganze zu koordinieren, nachdem ich wirklich nur fünf Minuten Zeit hatte die Bridge zu schreibe und mir das auch irgendwie gelungen war. Wichtig war nun alles zusammen zu führen, damit dieses Medley stimmig wurde. „Anders als Otoya musst du die Kontrolle an dich reißen!“, erklärte ich und gab Masato das Zeichen, dass er es noch einmal spielen sollte. „With Strength – FLY HIGH!“, sang ich und versuchte damit Yamato deutlich zu machen, wie ich mir das ganze vorstellte. „Schon kapiert. Stärker“, murrte Yamato und schien kein Gefallen daran zu haben, dass ich ihn gerade jetzt kritisierte. „Vielleicht sollten wir Ryuga fragen ob er dir das zeigen kann. Ich hab leider keine männliche Stimme.“ „Ich sagte doch ich habe es schon kapiert. Hijirikawa fang nochmal von da an!“ Ich schmunzelte, denn Yamato war wirklich einfach davon zu überzeugen etwas richtig zu machen. Da Masato von derselben Stelle erneut spielte, setzte ich an um Kotaro, Van und Natsuki zu simulieren. „With Strength“ „FLY HIGH! In das Dunkel der Nacht, nehmen wir die Angst von dir. Mit diesem kraftvollen Takt, schlagen wir zu, Angel, Fly High!“ Ich war überrascht, denn obwohl ich die Melodie für Heavens Song doch nochmal komplett geändert hatte, kam mir der Songtext vertraut vor. Wenn auch abgeändert. „Super! So will ich das auch auf der Bühne sehen. Eiji, Masato, seid ihr in der Bridge sicher?“ Ich sah zu den beiden musikalischen Talenten, die nur nickten. Vor allem auf Eijis Gesicht spiegelte sich ein zufriedenes Lächeln wieder. „Nya-chan~ Wir sind fertig. Der Text sitzt.“ Ich war erleichtert, als ich Natsuki und Van zusammen mit Kotaro reinkommen sah. Perfektes Timing, denn nun konnten sie die Musik der Bridge hören und ihre Einsätze üben. Ich wusste, dass Van und Natsuki als echte Profis den Jungen anleiten würden. Meine Hoffnungen, meine Kraft dafür, dass Kotaros Wunsch in Erfüllung ging, lag nun bei ihnen. Meinen Teil hatte ich irgendwie getan.   Als ich sah wie Ringo und Tomochika die Zuschauer allmählich verabschiedeten, wurde mir schon etwas Bange. Eine Geschichte fiel oder stand mit dem ersten und den letzten Wort. Ebenso eine Show. Wenn dieses Medley nicht gut ankam, wäre die Arbeit so vieler wahrscheinlich umsonst gewesen. Im Hinterkopf wusste ich das, aber mein Herz sagte mir, dass es einfach nicht schief gehen konnte. Starish und Heavens waren Profis. Sie würden das niemals zulassen und gemeinsam hatten wir die Verbindung beider Lieder geschaffen. Beide Bands konnten jetzt nicht nur zeigen, dass sie verschieden waren, sie konnten zeigen, dass jeder von ihnen einen anderen, machtvollen Zauber beherrschte, der die Saat für Zuversicht, Hoffnung und Kraft war. „Ich weiß wir hatten wirklich eine schöne Zeit. Wir haben tolle Songs gehört, viel gelacht und hatten auch viel Spaß. Ich muss sagen, heute werde ich mit noch mehr Energie für meine nächsten Auftritte von hier weggehen, was meinst du Ringo-senpai?“, fragte Tomochika und lächelte ihren ehemaligen Lehrer an. „Ich sprühe förmlich über vor Energie. Aber wir haben zum Abschluss noch etwas, machtvolles. Ein Medley von Starish und Heavens. Vorgetragen von Otoya-kun, Masato-kun und Natsuki-kun vertretend für Starish.“ „Und für Heavens hören wir Eiji-kun, Yamato-kun und Van-kun.“ „Aber das ist noch nicht alles, denn sie haben noch einen besonderen Gast mitgebracht. Applaus für Kotaro-kun, der für euch alle eine Botschaft hat.“ Tosender Applaus brandete los, was nur Beweis genug dafür war, wie gut die Stimmung bereits das ganze Event über war. Für Kotaro musste das einen unglaublichen Druck bedeuten, den ich ihm nur zu gut nachempfinden konnte. „Kotaro-chan, du schaffst das!“, rief ich ihm noch zu. Er wandte seinen Kopf zu mir und lächelte, bevor er mit seiner Hand nach Natsukis griff, der ihn behutsam auf die Bühne führte. Ich schloss die Augen und wartete ab, bis die ersten Töne erklangen. Stumm schickte ich ein Gebet an die Götter. Nicht für mich, sondern dafür, dass dieses Medley genug Menschen Kraft gab schwierige Situationen zu überstehen, Mut zu schöpfen und immer vorwärts zu gehen.   Träume zu leben, ist nicht immer leicht, Für Träume zu kämpfen, die man schwer erreicht, gib niemals auf, dann wird es geschehen.   Auch wenn der Mut dich verlässt, höre niemals auf zu kämpfen. Be free du darfst niemals vergessen, dass du nur stark genug bist, wenn du wirklich alle Ängste, hinter dich lässt.   Die erste Strophe und der Refrain verklangen schnell und wie wir es geprobt hatten, übergab Otoya in seinem Part das Ruder an Kotaro, der zwar verschüchtert wirkte, aber tief Luft holte, bevor er, immer noch Natsukis Hand haltend, in die Bridge einsetzte.   Vielleicht ist es nicht immer leicht, doch du bist nicht alleine. Egal wie verhangen der Himmel auch ist, Freunde können deine Stärke sein. Also heb den Kopf, heb den Kopf, Schreite voran, Und dann laufe einfach los. With Strength!   Kotaro hatte wirklich seine Sache gut gemacht, ebenso wie Van und Natsuki die sich als Background auch wirklich gut machten. Van verdeutlichte Kotaro sogar, dass er einen guten Job gemacht hatte, indem er ihm behutsam mit der Hand auf die Schulter klopfte. Und schließlich zog Yamato alles an sich.   FLY HIGH!   Wie der Ruf eines Löwen halte Yamatos Stimme über die Bühne und wandelte die bisher aufgebaute Energie in etwas um, das mich völlig aus den Schuhen haute. Mir stockte kurz der Atem, als diese aufgebauten Energien explodierten und mich mit Wärme erfüllte. Mit Mut und Selbstvertrauen.   In das Dunkel der Nacht, nehmen wir die Angst von dir. Mit diesem kraftvollen Takt, schlagen wir zu, Angel, Fly High!   Alles was uns heute ausmacht, verdanken wir dir, weil du hast uns deine Stärke gebracht.   Ohne dich, geht es nicht. Nur dank dir, steh'n wir hier, ohne Angst, mit großen Mut, denn dank dir wird alles gut. Fly High! With Strength! Be Free!   Spüre die Kraft tief in dir.   Ich wusste nicht, ob Saotome wieder irgendwelche Drogen ins Trinkwasser gemischt hatte, aber die Welle riss mich mit sich. Die Angst davor, Starish, Heavens oder Haruka mit meinem Tun geschadet zu haben, war wie verflogen, als ich das Strahlen sah, welches sie umgab, welches auf die Zuschauer überging und alles im Raum erfüllte. Sie hatten es geschafft. Irgendwie waren diese Songs doch etwas besonderes gewesen.   Nachdem die Show beendet war, hatte mich ein Aufnahmeassistent zu einem Raum geführt, in dem ich Kotaro mit seinen Eltern sitzen sah. Der Kleine lächelte immer noch so selig und er schien mir fast wie ein anderer Mensch zu sein, als er mich so anstrahlte. „Mama, das ist Nee-chan! Sie hat dafür gesorgt, dass ich mit Starish und Heavens singen konnte. Die Jungs sind wirklich cool!“ Ich spürte selbst von der Distanz, wie aufgeregt er war und dass er scheinbar alle Zweifel und Ängste vergessen hatte. „Also eigentlich hat Shining Saotome und Raging Otori dafür gesorgt. Ihr Zutun hat uns genug Zeit verschafft, damit wir Kotaro einbringen konnte. Und er war wirklich toll. Ich denke er hat heute vielen Menschen Mut gemacht.“ Ich war mir sicher, dass es so war. Kotaro hatte einfach, selbst in diesem Moment, eine Ausstrahlung die drohte mich mitzureißen. „Wir möchten Ihnen dennoch danken. Kotaro hat... er...“ „Nee-chan, ich erinnere mich wieder. Und du hattest Recht. Ich habe Mama immer geliebt. Und ich wollte sie einfach aufmuntern, weil sie manchmal so traurig war. Mama, es tut mir leid, dass ich dich immer geärgert habe. Ich dachte du würdest über meine Späße lachen.“ Seine Worte waren aufrichtig und taten das, was sie bei Eltern in der Regel immer tun sollten. Sie rührten seine Mutter zu Tränen, so dass diese nicht anders konnte als ihren Sohn zu umarmen. Dieser wandte sich jedoch nach einigen Augenblicken aus dieser und sah zu mir. „Nee-chan, wenn ich groß bin... Schreibst du ein Lied für mich, oder?“ Ich war überrascht und perplex gleichzeitig. Nicht das es selten war, dass man mich um Songs bat, es war ja nicht das erste Mal, aber just in dieser Situation haute es mich um. „Natürlich. Ein Lied, nur für dich, damit dich die ganze Welt noch einmal singen hören kann.“ Das Strahlen in Kotaros braunen Augen, erfüllte mich mit Freude. Dieses Mal, glaubte ich Mira. Dieser Auftrag war ein besonderer Meilenstein gewesen. Der erste in zwei Jahren. Kapitel 2: Between the expectations ----------------------------------- Das Bild welches sich mir hier bot, war irgendwie ein gewohntes geworden, in der Zeit seit ich mit Hiroki und Mira mein Debüt hatte. Wir fanden regelmäßig Zeit für einander um große Ereignisse bei einem Abendessen zu feiern. Das hatten wir gemacht als Mira auf einer größeren Modenschau gelaufen war, ebenso als sie ihre Kindersendung bekommen hatte und auch bei Hirokis erfolgreich abgeschlossener Streßwoche hatten wir gemeinsam gegessen. Bisher hatte ich allerdings nie das Bedürfnis gehabt auch nur einmal diese Tradition für mich in Anspruch zu nehmen. Irgendwie hatte ich meine Taten als nie wirklich Feierbar gesehen. Dieses Mal konnte ich mich aber nicht davor drücken, denn Hiroki und Mira hatten darauf bestanden, dass wir unsere Tradition auch einmal für mich durchzogen. Es war zwar kein Abendessen, eher ein Brunch, aber dennoch hatte ich dieses Mal das Gefühl, dass ich es wirklich verdient hatte. Und natürlich dienten diese Treffen auch dazu, dass wir bis ins kleinste Detail über alles was passiert war reden konnten. „Du hast wirklich wieder so eine spontane Aktion gerissen?“, fragte Hiroki und musste dabei lauthals auflachen. „Das hat die Jungs sicher ganz in Aufregung versetzt. Wie gerne hätte ich Vans Gesicht gesehen.“ Ich schmunzelte, denn wie Van geguckt hatte, würde ich hier nicht bis ins kleinste Detail verraten. Das war die kleine Rache dafür, dass er mir nie gesagt hatte, dass er Van bereits kannte, weil sie im Moment an einem gemeinsamen Filmprojekt arbeiteten. „Eine Bridge in fünf Minuten, das klingt wirklich nach dir. So etwas haben die Jungs sicher noch nicht erlebt. Ich meine Haruka ist gut, aber spontan?“ Ich musste über Miras Worte nachdenken. Gab es in der Serie jemals einen spontanen Ausbruch von Kreativität bei Haruka? Ich konnte mich an keinen erinnern der spektakulär war. Wenn ich mit Shicchi darüber gesprochen hätte, ihr wären da vielleicht die ein oder anderen spontanen, musikalischen, Aktionen eingefallen. „Allerdings kann es passieren, dass mich meine Spontanität den Kopf kostet. Heute Nachmittag muss ich zu Shining ins Büro. Er hat zwar während der Sendung den Kopf hingehalten und dafür gesorgt, dass wir die Bridge schreiben und einstudieren konnten, aber mehr auch nicht.“ „Nee ich glaube nicht, dass Shiny dich entlässt. Er weiß was er an dir hat und ebenso weiß er, dass du spontan bist. Er hat dich doch auch schon mal ganz spontan für eine Gruppe einen Song schreiben lassen. Und in der Schule hast du auch nicht gerade lang geplante Projekte durchgezogen. Ich glaube eher, er hat wieder irgendeine Blitzidee und will dir das mitteilen. Oder einen neuer Auftrag ist ins Haus geflattert. Die Show haben immerhin viele gesehen. Selbst während meiner Drehaufnahmen für die nächste Sendung hatten wir Pause nur um das Charity Event zu schauen und man der Song war unglaublich.“ Ich seufzte dennoch, während ich mir ein Stück des Baguettes mit Frischkäse schmierte. Mira war gut darin zu übertreiben. Sehr gut. Sie konnte immerhin in allem etwas positives sehen. „Und nein, Mira übertreibt nicht. Ich hab es auch gesehen und war erstaunt. Die Stärken von Starish und Heavens, vereint in einem Song der so viele Unterschiede innerhalb hatte und doch musikalisch so gut passte. Ich meine ich habe schon viele Medleys gehört. Und viele davon sind Murks, aber innerhalb dieser Bridge die du geschrieben hast, steckte etwas, das beides verband.“ Mein Blick wandte sich zu Hiroki, der musikalisch doch etwas technischer visiert war und mir versuchte zu erklären, was mir gelungen oder nicht gelungen war. Scheinbar meinte er hier ersteres. Und obwohl ich am Abend zuvor wirklich überzeugt gewesen war etwas tolles geschaffen zu haben, konnte ich mich nicht einfach so auf ein Lob einlassen und es genießen. Es war mir einfach unangenehm und am liebsten hätte ich alles mit „Ach das war doch nichts besonderes“ abgetan. Das es in Wahrheit schon etwas besonderes war, war mir klar. „Haben du und die Jungs danach noch miteinander gesprochen?“, fragte Mira schließlich und rührte in ihrem Cappuccino. „Ich bin nach meinem Gespräch mit Kotaros Eltern gleich nach Hause gegangen.“ „Du meinst du bist geflohen“, korrigierte mich Hiroki und ich seufzte erneut, bevor ich von meinem Baguette Stück abbiss. „Oder so, ja.“ Ich wusste nicht wieso, aber ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei all dem. Nicht wegen der Lieder oder der Bridge. Eher so ein Gefühl, dass ich keinen guten Eindruck bei Starish und Heavens hinterlassen hatte. Und das bereitete mir Sorgen. „Du weißt schon, dass du ihnen nicht ewig aus dem Weg gehen kannst, oder?“ „Nicht? Ich hatte das eigentlich gehofft, Hiroki.“ Natürlich konnte ich ihnen nicht ewig aus dem Weg gehen, aber vielleicht lange genug, damit sie mich vergaßen und nicht mehr daran dachten, dass es da eine Eri gab, die sie einige Minuten vor der Angst zum ändern ihrer Songs gezwungen hatte. „Nach unseren Informationen nach, nein. Du wirst sie wohl schneller wiedersehen, als dir lieb ist.“ „Hä?“ Verwirrt sah ich Hiroki an, der nur fragend zu Mira sah. Diese schüttelte aber den Kopf und nahm einen Schluck von ihrem Cappuccino. Die beiden wussten etwas und scheinbar kommunizierten sie gerade telepathisch darüber, ob sie es mir sagen sollten. Ich hasste es, wenn die beiden das taten. „Sie wird es schon noch früh genug erfahren, Hiroki.“ „Was werde ich erfahren?“ Statt mir zu antworten, griff nun auch Hiroki zu seinem Kaffee und nahm einen großen Schluck. Im Einklang schwiegen sie und machten mir deutlich, dass sie nichts sagen würden. Eine Tasse zwischen den gesprochenen und wissenden Worten reichte dafür.   Ich war mir nicht ganz sicher ob Raging nun zur Inneneinrichtung gehörte, oder Shinings Agentur vor hatte mit der Plattenfirma seines Rivalen zu fusionieren, aber es war seltsam nicht nur den erwarteten Shining zu sehen, sondern auch Raging. Das roch nach Ärger. Mehr Ärger als ich mir eigentlich schon ausgemalt hatte. „Miss Tailor“, fing Shining wie gewohnt etwas an, dass mir Unbehagen bereitete. „ich habe eine Frage an Sie.“ Ich schluckte und in meinem Kopf liefen bereits alle möglichen Gedanken Amok. Eine Frage. Eine einzige Frage. Wie grausam konnte sie sein? Was würde sie sein? Würde er mich fragen was ich mir bei meiner spontanen Aktion gedacht hatte? Oder was er mit jemanden wie mir machen sollte? Oh Gott bitte nicht. Das waren Fragen bei denen ich keine Antwort gewusste hätte, oder ob ich nicht einmal gewusst hätte, ob ich ihm die Frage wirklich beantworten sollte. Saotome lehnte seinen Kopf auf die Hände, welche er gefaltet hatte und wodurch er etwas weiter vorgerückt war. Ich konnte sehen, wie etwas hinter seiner Sonnenbrille aufblitzte und klammerte mich an dem Stuhl, auf dem ich vor seinem Schreibtisch platz genommen hatte. „Was meinen Sie, wie man ihre Arbeit für das Charity Event bewerten kann?“ Wie schon gesagt, ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit so einer Frage. Und das warf mich sichtlich mehr aus der Bahn als alles andere. „Wie bitte?“, fragte ich nach, nur um sicher zu gehen, dass ich mich nicht verhört hatte. „Wir wollen wissen, wie sie ihre Arbeit beurteilen“, erklärte Raging nochmal deutlicher in seinen Worten und ließ mich erst einmal nach Luft schnappen. Nun war das Problem groß. Erwarteten sie eine ehrliche Antwort, wie ich die Arbeit empfunden hatte, oder gab es eine andere Antwort, die sie unbedingt hören wollten? Ich war mir nicht sicher und fürchtete, dass egal was ich antworten würde, es nicht das war, was der richtigen Antwort auch nur gleich kam. „Ich weiß ehrlich nicht, wie ich meine Arbeit bewerten soll. Es war ein geistiger Kraftakt den ich betreiben musste, weil mir so viele Dinge durch den Kopf gingen. Viele Ängste, viele Sorgen und gleichzeitig auch so viele Wünsche. Abgesehen von Van und Natsuki hatte ich auch nicht viel Kontakt zu den beiden Gruppen auch wenn ich beiden meine Kontaktdaten zukommen lassen hatte und sie mich jederzeit auch über die Lieder und dergleichen hätten informieren können. Weil nichts kam, war ich verunsichert und wollte es dann mit eigenen Ohren hören, was beide Gruppen aus den Songs gemacht hatten. Im Endeffekt kam es da ja auch etwas anders. Ich weiß, dass es riskant war so kurzfristig etwas an den Liedern zu ändern bzw. diese Bridge zu erstellen und wahrscheinlich hätte es das ganze Event gefährden können... Allerdings war es kein Fehler. Beide Gruppen konnten so mehr aus ihren Liedern rausholen, jeder auf seiner Weise und ich konnte das auch nur tun, weil ich wusste, dass beide Bands das Potential haben sich spontan auch mal anzupassen. Es war also etwas unkoordiniert, aber keinesfalls schlecht. Es war anders, aber gut. Es war... neu.“ Ich tat mich wirklich schwer zu formulieren was ich dachte, immerhin konnte ein falsches Wort vielleicht auch meinen Kopf und damit meine Heimreise kosten. Erwartungsvoll sah ich zu den beiden Männern, die sich entweder meine Worte durch den Kopf gehen ließen oder darüber nachdachte, wie man mich schnellst möglich loswerden konnte. „Was glauben sie, wäre anders gewesen, wenn Miss Nanami diese Lieder geschrieben hätte?“, fragte Shining und ich fühlte mich wie eine Maus im Käfig. Gefangen und den Blicken der mordlustigen Katze ausgeliefert. „Nun... Sie hätte beide Gruppen begleitet, denke ich. Viel Zeit mit ihnen verbracht. Die Lieder wären anders gewesen und sicher wäre das Event für beide Gruppen auch streßloser von der Bühne gegangen. Vielleicht wäre Nanami-san auch gleich auf die Idee gekommen einen Song für beide Gruppen zu schreiben. Wer weiß das schon. Fakt ist, Nanami-sans Lieder hätten ihre Handschrift getragen, ganz eindeutig. Und sie wären nicht das gewesen, was meine Lieder am Ende für Starish und Heavens geworden sind. Was aber nur daran liegt, dass ich kein Ersatz für Nanami-san bin und auch niemals wie Nanami-san sein werde, weil ich Ich bin und beide Gruppen aus einem anderen Blickwinkel sehe als sie. Was nicht heißt, dass ich für beide Gruppen nicht das beste wollte. Ich habe auf meine Art versucht beide strahlen zu lassen, so wie Nanami-san es immer auf ihre Weise tut.“ Ein plötzliches Gefühl mich verteidigen zu müssen ergriff mich. Ich hatte Angst, dass wenn ich nicht rechtfertigte, warum ich keine Nanami-san war, warum ich nicht wie sie schrieb, dass es mich wirklich noch den Job kosten würde. Doch alles was ich für meine Verteidigung bekam, war Schweigen. Unerträgliches Schweigen, dass ich schon nach einer Prüfung immer gehasst hatte. Ich wollte sofort ein Statement wissen, nicht erst nach ein paar Stunden oder Minuten. Aber ich bekam kein Statement. Zumindest nicht von Shining und Raging. „Miss Tailor... Wir haben vor beide Songs und das Medley als Single heraus zu bringen. Und sie, Miss Tailor, werden diese Aufnahmen überwachen.“ Ich blinzelte, als ich das hörte und war verwundert. Bisher hatte Shining noch nie darauf bestanden, dass ich bei Studioaufnahmen dabei war, weswegen für mich ein Auftrag meist mit dem geschriebenen Song erledigt war. Und nun auf einmal sollte ich die Aufnahmen überwachen? „Aber... sind nicht noch genug andere Mitarbeiter da, die das ganze überwachen?“, fragte ich daher und sah zu Raging, hoffend, dass der Verstand in Shining einprügelte, wenn nötig. „Sie haben die Verantwortung für das Medley bereits getragen und es war fantastic! Wir erwarten also, dass sie die einzelnen Singles und das Medley für den Markt genauso fantastic machen.“ „Sie meinen... weil ich... aber... das war ein Notfall. Ich konnte doch nicht einfach die Bridge schreiben und dann die Jungs machen lassen. Ich musste ihnen doch irgendwie helfen, dass alles flüssiger ineinander überläuft. Das war meine Verantwortung, weil ich schon so spontan einfach die Bridge entschieden hatte“, wehrte ich mich und versuchte selbst auf Shining einen überzeugenden Einfluss ausüben zu können. „Und sonst tragen Sie keine Verantwortung für die Songs die Sie schreiben?“ „Wie?“, fragte ich, als Raging mein Argument mit nur einer Frage aushebelte. „Sie schreiben die Songs also sind Sie dafür verantwortlich, dass diejenigen, die sie spielen auch das beste herausholen. Deswegen, Sie werden die Aufnahmen überwachen. Ab morgen um Acht erwarten beide Gruppen sie im Studio.“ Es war sinnlos zu widersprechen, dass hatte mir Raging deutlich gemacht. Doch es gab zwei Probleme. Zum einen ich hatte keine Ahnung was ich als einfacherer Songwriter im Studio machen durfte und was nicht und das andere Problem war... ich würde sie wiedersehen.   **~~**   Ein Glück waren die U-Bahnen pünktlich gewesen, so dass ich mich nach einer morgendlichen Stunde Fahrt in die Stadt vor dem Tonstudio befand und mich Hilfesuchend an den Partituren für die Songs klammerte. Ich war nervös. So nervös wie man nur sein konnte, wenn man jenen gegenüber trat, die man wahrscheinlich in Schwierigkeiten gebracht hatte. Noch dazu wusste ich auch nicht wirklich, was ich hier sollte. Tonstudioarbeiten waren mir fremd, denn meist hatten sich meine Auftraggeber bei mir gemeldet oder mich zumindest zu Proben eingeladen, so dass Änderungen nicht mehr im Tonstudio gemacht wurden. Aber bei Starish und Heavens sah das ganze wieder anders aus. Vor allem bei Starish, denn die hatten Haruka förmlich auf Schritt und Tritt an sich kleben. Heavens hingegen war da etwas unabhängiger und konnten sicher auch ohne eine Songwriter im Studio leben. Vorsichtig öffnete ich die Tür und trat ein, zurückhaltend, verschüchtert und eigentlich mehr mit einer Körperhaltung die sagte, dass ich hier weg wollte. „Guten Morgen...“, rief ich in die Runde und versteifte sofort, als ich die Jungs und das Tontechnikerteam sah. „Guten Morgen, Ere-chan~“, begrüßte mich Van und ich nickte ihm nur entgegen. Gott ich fühlte mich hier so fehl am Platz wie eine Gurke sich wohl in einem Obstsalat gefühlt hätte. „Es scheint als sind alle da, fangen wir an. Wir machen zuerst das Medley. Werdet ihr gemeinsam die Bridge singen?“ Es war der Produzent, der einen anstrengenden Arbeitstag einleitet und ich musste schlucken. Richtig die Bridge... mein Fluch und Segen gleichzeitig. Ich hatte sie geschrieben, dass Kotaro sie singen konnte, aber nun war Kotaro nicht da. Das hieß jemand musste sie singen. Auf dem Weg hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, wer am besten diesen Part ausfüllen würde. Dabei war mir hingegen aufgefallen, dass egal wer den Part sang keiner so wirklich brillieren würde. Dieser Part war es schließlich, der weder für Heavens noch für Starish entstanden war und die Frage war nun, wie konnte man das ändern. „Wir dachten, dass Otori-san und Shinomiya-san diesen Part singen werden.“ Ich schluckte schwer. Das hätte vielleicht funktionieren können, genauso wie Van und Natsuki funktionieren würde, aber nicht für diese Bridge. „Was meinst du, Tailor-san?“ Der Blick Masatos war erdrückend, als er die Aufmerksamkeit auf mich lenkte. Kopfschmerzen... Warum bekam ich auf einmal Kopfschmerzen? „Wir könnten es versuchen...“, merkte ich an und traute mich nicht zu sagen, was mir eigentlich durch den Kopf ging. Sicherlich hätte hier niemand etwas davon gehalten, wenn die Songwriterin mehr Probleme machte und schließlich noch anmerkte, dass der neue Song eigentlich so nicht funktionieren würde. Yey... nein, besser ich hielt mich raus und vertraute darauf, dass es Starish und Heavens packen würden. „Also schön, fangen wir an. Spielen wir die Bridge ein. Hijirikawa-san, Ittoki-san geht bitte in die Kabine, die Instrumente stehen bereit.“ Erleichtert, dass die Aufmerksamkeit nun nicht noch mehr auf mir ruhte, setzte ich mich auf die Couch, welche im Raum stand und legte meine Sachen auf den Tisch. Warum machte ich mir eigentlich Sorgen? Sicher hatten Starish und Heaven bereits das Arrangement etwas abgeändert und wussten, dass die Version vom Charity Event nicht funktionieren würde. Sie waren Profis. „Nya-chan, kannst du mir helfen?“ „Was?“ Die Anspannung war gerade etwas gewichen, als sie sich schlagartig wieder aufbaute. Natsuki hatte sich neben mich gesetzt, während Otoya und Masato die Bridge einzuspielen begannen. Ton für Ton, wie es mir bekannt war. „Wir hatten überlegt, das wir hier bei diesem Part auch Yamato in die Bridge einbeziehen, was denkst du dazu?“ „Huh?“ Ich sah zu Natsuki, der mir die alte Partitur zeigte, auf der ich die Bridge wirklich geschrieben hatte. Es war eins zu Eins dieselbe. Mir wurde schlecht. Das konnte nicht funktionieren, schon gar nicht wenn sie Yamato so früh im Background Gesang einbauen wollten, wie es mir Natsuki gerade zeigte. Doch was sollte ich sagen? „Nein, dafür ist Yamato nicht geeignet.“ 'Es sind Profis, sicher kann Yamato sich anpassen... das wird schon irgendwie funktionieren.', mahnte ich mich und holte tief Luft. „Wenn Yamato das okay findet, warum nicht?“ Erneut erhob dieser Gedanke hier nutzlos zu sein, sein Haupt und anhand von Natsukis Blick in den Augen wusste ich, dass meine Antwort ihn nicht zufrieden stellte. „Ich glaube nicht, dass es so funktionieren wird“, unterbrach plötzlich Eiji das Spiel von Masato und Otoya. Beide sahen verwirrt zum Fenster, hinter dem wir alle saßen. „Was meinst du, Otori-san?“, wollte Masato wissen. „Ich hab das Gefühl, dass die Töne nicht passen werden. Zu Shinomiya-san und mir. Gerade im Ende, da sollten wir vielleicht den Übergang etwas länger machen.“ 'NEIN!' Ein schlechter Gedanke, kein guter Gedanke. Und ich konnte nichts sagen, denn dann hätte ich erklären müssen wie ich es mir vorstellte und wahrscheinlich war es dann nicht mehr das, was die Jungs von mir erwarteten, was es werden sollte. „Tailor-san, was meinst du?“ „Ich weiß nicht recht... Länger ich... uhm... Ich muss mal aufs Klo“ Ohne wirklich eine Antwort zu geben, erhob ich mich und rannte aus dem Raum. Ich war erleichtert, als die Tür sich hinter mir schloss. Nur bereute ich meine Ausrede, denn ich hätte lieber sagen sollen, dass ich Kaffee für alle holte, dann hätte ich mir wesentlich mehr Zeit lassen können um zu überlegen was ich machte. Wie hatte Haruka das nur gemacht? Mir war ja klar, dass die Jungs einfach nur einen super Song aufnehmen wollten und darauf hofften, dass ich ihnen helfen konnte, aber wie weit durfte ich gehen? Durfte ich einfach so sagen „Das wird nicht funktionieren“ oder „Wir müssen hier im Arrangment tiefer gehen“? Ich hatte zwar eine Vorstellung für die Bridge und wusste auch die passendere Besetzung, aber es würde den Zeitplan etwas weiter zurücksetzen. Vier Tage waren für die Aufnahmen angesetzte. Für alle drei Songs. Das Medley sollte in den ersten zwei Tagen fertig werden aber irgendwie... glaubte ich nicht daran.   Auf dem Klo hatte ich mir einiges an Zeit gelassen. Meine Nerven waren wieder etwas ruhiger und ich musste nur überlegen was ich tun konnte, außer einfach nur freundlich nicken und Lächeln. Vielleicht mit einer indirekteren Art es zu sagen? Vorsichtig? 'Wird nicht funktionieren... das hat noch nicht mal in Animes funktioniert.' Ich seufzte innerlich und sah mich im Spiegelbild an. 'Es ist doch nicht so, dass du das gesamte Medley umschreiben willst... aber...' Aber es waren gravierender Änderungen die beide Melodien in meiner Ansicht verbunden hätten. Die es fließender machten und vor allem auch die Bridge besser hervorhoben. Allerdings war der Song selbst im Fernsehen gut angekommen. Warum also etwas ändern, das alle bereits als gut empfanden? Ich trocknete mir die Hände ab und seufzte. Dabei hatte ich wirklich gedacht mit dem Event war alles vorbei. Zu verstehen, dass eben nichts vorbei war, war schwer. Mein Weg zurück zum Raum wo die beiden Gruppen auf mich warteten, war einmal beschwerlich und schier unmöglich. Doch leider nicht lang genug. Ich öffnete die Tür einen Spalt weit und wünschte mir ich hätte es nicht getan. „Nanami-san wüsste sicher, wo das Problem liegt. Und sie trägt immer dieselbe Verantwortung.“ Ich hielt inne, als ich Masatos Stimme hörte und schluckte schwer. Die Tür zuzumachen oder sie unhöflich zu unterbrechen wäre eine Option gewesen das hier zu beenden, allerdings war ich masochistisch und vor allem neugierig genug um zu hören, was die Mitglieder gerade dachten. „Anders funktioniert das auch nicht. Songwriter und Idols müssen zusammen arbeiten. Haruka weiß immer was zu tun ist. Ob ein Instrument falsch klingt, die optimale Besetzung und sie ist immer voll konzentriert bei der Sache.“ Otoya hatte Recht. Haruka wusste wahrscheinlich immer wie es besser wurde. Wirklich immer. Sie musste die Jungs übertrieben gesagt nur ansehen und wusste ob es passte oder nicht. Ich hingegen musste halt etwas mehr Mühe reinstecken und war auch nicht der Mensch der sich reinhängte oder andere ihrer Visionen berauben wollte. Schon gar nicht, wenn ich nicht das Gefühl hatte, dass diese Personen mich brauchten. Sie brauchten nicht mich sie brauchten eine zweite Haruka und diese Erwartung konnte ich nicht erfüllen. „Es ist der erste Tag im Studio und gleich soviel zu erwarten ist nicht gut. Das baut Druck auf, den sie vielleicht nicht standhalten kann. Wir sollten erst einmal die Bridge wie besprochen aufnehmen und dann mit ihr gemeinsam schauen, wie wir es verbessern können.“ Eiji... Irgendwie rührend, dass er sich für mich einzusetzen schien. Heavens waren wirklich eine ganz andere Nummer. Und doch hatten sie dieselben Erwartungen wie Starish. Sie erwarteten, dass ich auf ihre Fragen eingehen würde, dass ich diese Single erfolgreich machen würde. „Uns geht dabei aber Zeit verloren“, merkte Natsuki an. „Dann fangen wir doch mit den Singles für jede Gruppe einzeln an. In der Zwischenzeit, können wir schauen wie wir die Bridge verbessern können.“ Auch wenn es mir nicht ganz den Druck von den Schultern nahm, ich war etwas erleichtert, denn es fühlte sich teilweise so an, als würde Heavens oder zumindest einige der Mitglieder auf meiner Seite stehen. Oder mir viel besser gesagt den Rücken freihalten. Dennoch gerade jetzt wurde mir die Erwartungshaltung zu groß. Ich öffnete die Tür und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich gelauscht hatte. Sofort gingen die Köpfe hoch und ich war wieder im Mittelpunkt. „Tut mir leid, mir geht es nicht so gut. Könnt ihr vielleicht erst die einzelnen Songs aufnehmen? Ich würde gerne nach Hause und mich hinlegen.“ Ich bemühte mich zu lächeln, schwach und zerbrechlich. Das man mir mein Wohlbefinden nicht glauben würde, zweifelte ich nicht an. Ich war blass genug um die Nase. „Ah natürlich. Wir lassen Ihnen die Aufnahmen von heute zukommen, damit Sie diese durch hören können. Sie werden heute Abend mit dem Kurier geliefert.“ Ich verbeugte mich dankbar vor dem Tondirektor und ging zu dem Tisch um meine Sachen aufzunehmen. Dabei vermied ich es die Jungs anzusehen, denn ich fühlte kalte Enttäuschung. Enttäuschung, dass ich nicht Haruka war. „Bis morgen.“ Ohne noch einmal zurück zusehen, schnappte ich mir meine Sachen und stürmte förmlich aus dem Studio. Den Drang aber wirklich nach Hause zu gehen, verspürte ich in keiner Sekunde.   Um die Welt um mich herum ausblenden zu können, hatte ich mir die Kopfhörer ins Ohr gesteckt und lauschte der Musik. Immerhin hatte ich einige Songs noch aus meiner Welt mitgenommen, was befremdlich, aber nicht störend war. Im Gegenteil, es beruhigte mich, denn ich hatte so das Gefühl meiner Welt noch nicht ganz so fern zu sein. Ich versank in meinen Gedanken, beruhigte mich immer mehr, je weiter ich wegkam und doch spürte ich eine Unzufriedenheit in meinem Herzen. Vor allem fragte ich mich aber, was sich Shining und Raging bei dem ganzen gedacht hatten. Ersatz für Haruka... wie Haruka... eine neue Haruka... es waren Gedanken die mir Sorgen bereiteten.   Immer da und doch so weit, Stern in der Unendlichkeit, Dich zu greifen gelingt mir nicht, meine Unruhe will nicht endlich. Ganz egal wohin ich auch geh, steh da mit leeren Händen.   Während ich das Lied hörte, überkam es mich irgendwie. Wie immer, wenn ich mich unbeachtet fühlte. Und gerade in Japan konnte man in der Menge so gut untergehen und es einfach raus lassen, ohne das es jemand merkte. Zumindest wurde man in Japan nicht schief angesehen, denn selbst in der Menge singend, ging ich gut genug unter.   Was mir fehlt, danach frag ich dich, auf die Suche mach ich mich. Hoffentlich finde ich, in der Dunkelheit das Licht, Vielleicht suche ich am falschen Ort und find die Lösung nicht, sehe ich, hinein in mich, dann finde ich...   Ich wollte gerade zur nächsten Strophe übergehen, als ich gegen jemanden stieß und damit zu kämpfen hatte auf den Füßen zu bleiben. Ich ärgerte mich, denn selbst, wenn ich mich hatte gehen lassen, war ich doch aufmerksam bei meinem Weg gewesen. Das bedeute mein Hindernis war der unaufmerksame Part gewesen. „HEY!“ Ich sah auf und sofort blieb mir mein Hey im Halse stecken, als ich in diese eisblauen, nicht gerade erfreuten, Augen sah. Doch dieser Anblick dauerte nur ein paar Sekunden, denn er lächelte schließlich dieses schmale, falsche Lächeln, welches mir verriet, dass er mich jetzt noch nicht umbringen würde. Sondern später, wenn er mich jemals wiedersah und wir nicht in aller Öffentlichkeit waren. „Verzeihen Sie mir, ich habe beim Aussteigen wohl nicht auf den Weg geachtet.“ Seien Worte klangen so süßlich wie der Honig mit dem er Ranmarus Bananen verfeinert hatte. Die armen Bananen. „Camus, ich hab dir gesagt wir können hier nicht aussteigen wi-“ Fast wie in Zeitlupe bewegte sich mein Kopf in Richtung des Wagens, aus dem Camus ausgestiegen war und ihm nun ein Prinz aus fremden Lande folgte. Ein Prinz der mir in der Regel meinen Tag immer verschönerte, gerade aber dafür sorgte, dass er noch grausiger wurde. Cecil. „Es tut mir wirklich leid, aber wir hatten es eilig. Aijima, beeil dich wir haben einen Termin.“ Sein Blick wandte sich zu Cecil und seine Stimme unterbrach ihm. Keiner wäre Camus jetzt wohl noch böse gewesen. Wobei ich war es ihm schon. Doch scheinbar wusste er nicht, wer ich war. Glück gehabt. Oder es lag einfach nur daran, dass wir hier in aller Öffentlichkeit waren und er ein gewisses Image zu wahren hatte. Schnell senkte ich meinen Kopf und versuchte so mein Gesicht vor Cecil zu verbergen. „Schon okay, ich hätte auch etwas besser aufpassen können.“ Ich spürte wieder diesen stechenden Blick auf. Camus sah mich genauso an, wie mich Poster-Camus immer ansah und diesen konnte ich sicher nicht mit einem Bild von Cecil oder der „Halte-Durch“ Katze abhängen. Verdammt. Doch sein Blick wich, ebenso der Körper, was mir verdeutlichte, dass er weiter ging. Ich ließ meinen Blick aber gesenkt, denn just hinter ihm zog ein erfrischender Wind an mir vorbei. Warm, freundlich, den Herzschlag erhöhend. Ich konnte den hauchzarten Duft von Feigen und Zimt ausmachen. Es war ein sonniger Duft. Das war also Cecil. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass er nach Natur roch, zum Beispiel nach frischem Gras oder etwas nach Baumrinde und Erde, aber Feige und Zimt... Es fiel mir schwer ein Lächeln zu verbergen und das Herzklopfen zu unterdrücken. Ebenso konnte ich nicht anders als wie versteinert dort stehen zu bleiben und zu warten, dass mein Prinz sich weit genug von mir entfernt hatte und ich endlich wieder unbeachtet blieb. Ich sah auf und erspähte beide, wie sie in eine Radiostation gingen. Irgendwie hatte die Neugier mich gepackt. Camus und Cecil gemeinsam, dass war eine Kombination die wirklich seltsam war. Zumindest konnte ich mir kaum vorstellen, dass Cecil seine Zeit freiwillig mit seinem Senpai verbrachte. Nachdem was er Haruka immer für Horrorgeschichten erzählt hatte. Auch wenn es nicht direkt meiner Art entsprach, meiner Neugier zu folgen, widerstand ich nicht dem Drang beiden zu folgen. Ich tat etwas, das ich zuvor noch nie getan hatte. Ich nutzte den Ausweis, den jeder in Shinings Firma bekam, um mir Zutritt in die Radiostation zu verschaffen. Unglaublich, dass es so einfach funktionierte, nun aber erklärte sich mir, wie Team Rocket das wohl im Pokemonspiel gemacht hatte. Es gelang mir wirklich beide nicht aus den Augen zu verlieren und schließlich verschwanden sie in einen der vielen Räumen, in denen sich auch die Radiokabinen befanden. Das war allerdings so weit wie ich kommen konnte. Und es beantwortete keine meiner Fragen. Wer war nun hier bestellt. Beide zusammen? Nur Cecil? Wobei letzteres keinen Sinn ergab, denn warum sollte Camus zu einem Interview von Cecil mitkommen? „Du wirst es doch sowieso nicht trinken, Camus, warum soll ich also wieder diesen Dosenkaffee kaufen?“ BAM! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Tür aufging, als ich davor stand. Und nun hatte ich sie volle Breitseite abbekommen. Na super. Ich spürte den Schmerz in meiner Stirn und wusste, dass es nur eine Beule werden würde, verdammt. „Ah, tut mir leid, ich... huh? Ich hab dich doch eben schon draußen gesehen? Arbeitest du hier?“ ich hörte wie die Tür ins Schloss fiel und als ich aufsah, erkannte ich ihn. Cecil. Das war kein guter Tag. Kein sehr guter Tag.   Die dritte Dose die er gezogen hatte, hielt er mir vorsichtig an die Stirn, bevor ich sie selbst in die Hand nahm und mir vorsichtig entgegen drückte. „Es tut mir wirklich leid, ich wusste nicht, dass jemand vor der Tür steht.“ „Ach schon okay...“, erklärte ich und seufzte innerlich, während sich Cecil neben mich setzte und eine Dose Kaffee öffnete. „Du hast also ein Interview mit Camus, deinem Senpai?“ „Nein, eigentlich ist es sein Interview. Ihm hat nicht gefallen, wie ich meines gestern geführt habe, also sollte ich heute sehen wie man es richtig macht. Am Ende schickt er mich aber nur wieder Kaffee holen und ich muss ihn trinken, weil er ihm nicht schmeckt.“ „Camus scheint ja anstrengend zu sein.“ „Ist er ja. Aber... ich bin es gewohnt und irgendwie hilft er mir weiter, wenn ich Probleme habe.“ „Sonderlich hilfsbereit sieht er mir aber nicht aus.“ Cecil lächelte sein unglaublich charmantes Lächeln und ich war dankbar, dass diese Dose Kaffee meinen Kopf kühlte, denn sonst hätte er noch bemerkt, wie verlegen ich geworden wäre. „Er hilft auf seine Art. Auch wenn er immer so tut, als würde es ihn nicht interessieren oder als müsste ich selbst herausfinden, wie ich meine Probleme löse, hilft er mir immer wieder auf die Sprünge. Auch wenn es schwer ist das zu erkennen. Manchmal. Ich denke mit einem anderen Senpai hätte ich es vielleicht leichter, aber es wäre auch nicht effektiver.“ „Und was für glorreiche Informationen hat er dir gestern gegeben?“ „Meine Stimme ist nicht gut. Er hat mich danach Getränke kaufen geschickt und ich musste seinen Kaffee trinken.“ Ich lachte leise, denn irgendwie verstand ich worauf Camus hinaus wollte. „Wie viel trinkst du während eines Interviews?“ „Huh?“ „Naja wenn du im Radio interviewt wirst, wie viel Wasser oder Tee oder dergleichen trinkst du dann?“ Cecil dachte einen Moment lang nach, was kein gutes Zeichen war, wenn er so lange brauchte. Camus Botengang hatte also einen tieferen Grund. „Wenn du viel singst oder sprichst am Tag, musst du auch viel trinken. Sonst wird deine Stimme kratzig und das ist nicht gut für die Stimmbänder. Ich denke du hast gestern einfach nicht genug getrunken. Und um das heute zu vermeiden, schickt er dich gleich wieder Kaffee holen.“ Mit großen Augen sah Cecil mich an und ich musste den Drang in diese wunderschönen Augen zu sehen, widerstehen. Zu schade, denn ich hätte mich gerne in diesen Augen verloren, für diesen Moment. „Aijima!“ Wir zuckten beide zusammen, als wir Camus Stimme poltern hörten. Der Graf war wirklich nach Cecil suchen gegangen. „Dein Interview fängt gleich an. Beeil dich.“ „Was? Mein Interview? Aber ich dachte das wäre deines.“ „Tch... du glaubst doch nicht im ernst, dass sie das Gestammel von gestern senden können. Beeil dich.“ Camus duldete keine Widerrede und Cecil verstand das, weswegen er sich erhob und mich zum Abschied anlächelte, bevor er wieder zurück zu dem Raum ging, an dem er mir die Tür vor dem Kopf geschlagen hatte. Nur Camus blieb, als hätte er nichts besseres zu tun. Er wandte sich allerdings erst zu mir, als Cecil außer Sichtweite war. „Und solltest du nicht woanders sein?“ Sein eisiger Blick durchbohrte mich und ich schluckte schwer. Wusste er wer ich war? Und vor allem wo ich sein sollte? Woher und wieso? „Solltest du nicht bei Cecil sein und ihm Tipps geben?“ Ich sah zu ihm auf und versuchte seinen Blick zu ertragen, was nicht leicht war, denn er erdolchte mich in Natura noch schlimmer als nur von einem Poster. „Er ist kein Newcomer mehr. Er weiß wie er sich zu verhalten hat. Hin und wieder muss man ihm einfach nur seine Fehler zeigen. Vor allem dann wenn man will, dass würdige Gegner nicht einfach so fallen.“ „Und du machst das nicht, weil du dich als sein Senpai verantwortlich fühlst?“, fragte ich mich hochgezogener Augenbraue. Camus hatte wirklich einen Drall zur Unehrlichkeit. „Immerhin fühlte ich mich verantwortlich, anders als jemand anderes.“ Er wusste es. Wie verdammt war gerade egal, aber er schien es wirklich zu wissen. Und das war ärgerlich. Denn bei all den Erwartungen, sowohl von den anderen als auch von mir an mich, hatte ich mich wohl am meisten enttäuscht. „Ich nehme den Kaffee als Entschädigung dafür, dass du mich angerempelt hast.“ „Was?“ Ich sah auf den Kaffee in meiner Hand und zu Camus. Das war es was er meinte? „Du hast nicht aufgepasst und bist in mich reingerannt. Ich hätte mich verletzen können. Also stell dich deiner Verantwortlichkeit und reiche mir den Kaffee, auch wenn der nicht annähernd ausreichend ist um deine Fehler wieder gut zu machen.“ Erleichterung. Er wusste es nicht. Aber ja, er hatte recht. Nicht was das in ihn hinein rennen anging. Das war seine Schuld. Sondern was meine Verantwortung anging. Ich war für den Charity Song verantwortlich und hatte alles auf die Jungs abgewälzt. Ich erhob mich von der Bank und ging zu Camus, dem ich mit einem Lächeln die Dose in die Hand drückte. Mir war egal, dass er den Kaffee wollte, ich trank sowieso keinen und wenn es reichte den eisigen Graf damit friedlich zu stimmen, warum nicht. „Danke für den Tipp“, erklärte ich beim vorbeigehen und verließ die Radiostation wieder.   **~~**   Ich musste mehrmals blinzeln, um mir zu versichern, dass ich gerade nicht träumte, als ich Yamato Hyuga vor mir an meiner Wohnungstür stehen sah. Ich war gerade aufgestanden, trug noch meinen Pyjama und hatte die Zahnbürste im Mund. Kurzum er war ungelegen. „Morfen“, murmelte ich und ging einen Stück zur Seite um Yamato Einlass in meine Wohnung zu gewähren. Er hatte den Wink verstanden und trat ein, wobei er es vermied sich in meinem Wohnung, aka Zimmer umzusehen. Zumindest hoffte ich es, denn er sah recht geradlinig zum Balkonfenster. „Willst du einen Tee oder Cappuccino? Mit Kaffee kann ich leider nicht dienen. Außer vielleicht einem Espresso.“ Doch Yamato dachte nicht daran mir zu antworten. Im Gegenteil er bewegte sich wie selbstverständlich durch meine Wohnung, und sah in meine Küchenschränke nach, bis er schließlich fand was er suchte. Aus meinem Kühlschrank fischte er schließlich eine Packung Milch. Wenn das alles war was er brauchte, bitte. Er wartet und sagte nichts. Keine Begrüßung, kein gar nichts, weswegen ich mich entschied ins Bad zu gehen und meine Morgenwäsche einfach zu beenden. Zwanzig Minuten später saßen wir an meinem Tisch, der gedeckt mit etwas Marmelade, zwei Tellern, einem Glas Milch und einem Caramel Cappuccino war. Und natürlich frischen Brot. So konnte der Start in den Tag beginnen. „Woher weiß du eigentlich wo ich wohne?“, fragte ich nach einiger Zeit, als das Schweigen doch etwas zu viel wurde. „Deine Visitenkarte, die du uns mit dem Song geschickt hast. Die Adresse steht drauf.“ „Ah.“ Ich gestehe ein, es war eine nicht ganz so clevere Antwort, aber ich hatte die Visitenkarte einfach vergessen. „Und warum besuchst du mich so früh?“ Das war die nächste Frage auf meiner Liste der guten Fragen, die man Yamato stellen konnte. Die nächste wäre gewesen, warum er keine Brötchen mitbrachte, wenn er sich bei mir zum Frühstück einlud. „Was war gestern los?“ Damit erübrigte sich die Frage nach den Brötchen. Yamato war nicht für das Frühstück gekommen. Schade eigentlich. „Magenverstimmung oder so. Viellicht habe ich den Kaffee gestern morgen nicht vertragen.“ Yamatos Faust landete scheppernd auf dem Tisch und mir tat ehrlich das Geschirr leid. Und die Milch, die beinahe über den Glasrand geschwappt war. „Das meine ich nicht verdammt! Wo war gestern deine Energie von dem Charity-Event hin? Das was ich gestern gesehen habe war erbärmlich und ich kann nicht glauben, dass ich mir von jemanden wie dir sagen lassen habe, dass ich mehr Power geben müsste!“ Da drückte also der Schuh. Yamato war nachtragend. Was kein Wunder war immerhin tat er alles um seinen Bruder zu übertrumpfen und dann hatte jemand wie ich seine Schwäche genutzt um ihn zu motivieren. „Eigentlich solltest du der Letzte sein, der mich fragt, was los war. Und eigentlich wärst du auch der Letzte mit dem ich über so etwas reden wollen würde. Aber gut, wenn du schon einmal hier bist...“ Ich hob meine Tasse an und trank einen Schluck von dem Cappuccino, der mir zum Glück gleich mal alle Sorgen nahm. „Ich bin nicht Haruka Nanami. Und meine Songs sind auch keine von Haruka Nanami und ich werde keine Ersatz-Haruka, die man ruft, wenn Nanami-san eine Blockade hat. Ich mache das nur weil es mein Job ist und ich war vorher noch nie im Tonstudio, denn bisher haben die Idole, Firmen und was weiß ich nicht wer, sich bei mir gemeldet um gemeinsam die von mir geschriebenen Songs zu üben, letzte Änderungen durchzuführen usw. Ich hab also keine Ahnung, was ich im Tonstudio darf oder nicht. Aber eines weiß ich ganz sicher... Ich werde keine Nanami-san sein.“ Schweigen. Schon wieder. Mal davon abgesehen, dass mir Yamato nie als sonderlich nettester Geselle in Erinnerung geblieben war, war dies eine wirklich unangenehme Begegnung der dritten Art. „Dann sei keine Haruka aber dafür du selbst. Wenn du was zu sagen hast, sag es. Wenn dir was nicht gefällt, sag es. Es muss uns zwar nicht gefallen, aber wir können darüber reden. Aber vor allem... Lass dir nicht einreden Harukas Ersatz zu werden. Niemand kann sie ersetzen und ja den Starish-Jungs mag das nicht schmecken, aber sie werden es auch verstehen.“ Noch während Yamato sprach, zog er aus seiner Hosentasche ein gefaltet Stück Papier hervor und legte es zu meiner Rechten auf den Tisch, bevor er sein Glas Milch nahm und es in einem Schluck leer trank. Verwundert nahm ich das Stück Papier, entfaltete es und bemerkte, was es war. Das Medley, welches ich am Tag zuvor auf den Weg zur Arbeit modifiziert hatte. „Aber-“ „Hast du verloren, nochmal spiele ich nicht Postbote, auch wenn deine Wohnung auf dem Weg meiner Joggingroute liegt.“ Yamato erhob sich, schloss die Jacke seines Trainingsanzuges und ging zu meiner Tür. Verwundert wandte ich mich zu ihm um, doch ich sah nur noch seinen Rücken hinter der zufallenden Tür verschwinden.   Wie schon am Tag zuvor, war ich nervös, als ich vor der Tür zum Tonstudio stand. Doch anders als am Tag zuvor hatte ich mir fest vorgenommen heute nicht die Flucht anzutreten. Ich würde vielleicht nicht die Erwartungen von Starish erfüllen können, aber ich würde mich nicht vor meiner Verantwortung für diesen Song drücken. Zumindest nicht dieses Mal. Entschlossen öffnete ich die Tür, wissend was mich erwarten würde. Dieses Mal war ich bereit, dieses Mal würde es mich nicht überrollen. „Guten Morgen.“ Ich bemühte mich dieses Mal zu lächeln um gleich deutlich zu machen, dass es heute anders laufen würde, als am Tag zuvor. „Dann sind wir alle da. Versuchen wir es heute nochmal mit dem Medley.“ Wir nickten und die Studiomusiker waren gerade dabei in die Kabine zu gehen, als ich mir ein Herz fasste. Augen zu und durch, mehr als Nein sagen konnten sie ja nicht. „Warten Sie einen kleinen Augenblick. Wir müssen ein paar Änderungen am Medley machen, so wie es beim Event funktioniert hat, wird es nicht funktionieren. Das Medley ist aktuell nicht das was es werden kann. Deswegen... habe ich noch ein paar Änderungen gemacht. Ich habe ein kurzes Intro eingefügt. Es soll ein Zusammenspiel von Starish und Heavens werden. Eiji und Natsuki sollen das singen. Hier.“ Ich legte die Partituren auf den Tisch, an denen ich zeigen wollte, wie das alte, verbesserte Medley aussah. „Hier ist das Intro. Natsuki und Eiji setzen dann mit den ersten vier Zeilen ein, wobei Natsuki hier die Oberhand bekommen muss. Das heißt für dich Eiji, du musst ab diesem Part dich zurückziehen. Im Hintergrund lassen wir aber leiser den Refrain zu Heavens Lied laufen. Das ist der harmonischste Part von beiden Liedern. Es entsteht keine Disharmonie.“ „Ah ich verstehe. So geht der Heavens-Part nicht verloren“, merkte Eiji an und lächelte, scheinbar froh, dass ich mich wirklich noch einmal an den Song gesetzt hatte. „Richtig. Es ist wie ein Theme, das erhalten bleibt und zusätzlich begleitend in die Bridge führt. Hier wird Otoya dann das Zepter an Masato und Van abgeben. Ich habe gedacht, jeder von euch singt eine Zeile, so entsteht etwas wie ein Gespräch. Ab dem zweiten „heb den Kopf“, setzt Yamato ein, der sich mit der Stimme langsam steigert und schließlich explosionsartig in den Heavenspart einleitet. Kraftvoll und unbändig, während im Hintergrund der Refrain von Starishs Song läuft. Hier in diesem Part hat Heavens die Vorherrschaft, bis wir an diese Stelle kommen. Fly High, with Strength, be free. Hier fügt sich alles zusammen, Starish und Heavens, Hoffnung und Kraft. Und es wird beendet von Yamato, Natsuki und Eiji. So sind die Abstufungen klar und deutlich und ihr könnt die letzte Zeile besser in Harmonie singen, weil Eiji hier der angebende Ton wird.“ Wie schon zuvor verwies ich auf die Partituren, schrieb die Anfangsbuchstaben von den Jungs hin, um ihnen zu verdeutlichen, wie ihre Parts waren. „Das ist... anders als die Singles die wir gestern aufgenommen haben...“, merkte Otoya an und sah erneut auf die Blätter. „Ich weiß, dass es anders ist. Das Stimmarrangment hat sich verändert und auch die Melodie, um zu harmonieren um beiden Gruppen gleichermaßen gerecht zu werden. Aber wenn wir das nicht ändern wirkt es mehr wie ein Kampf zweier ebenbürtiger Gruppen die immer wieder versuchen für sich alles einzunehmen. Damit wäre die Bridge für die Katz und könnte niemals so ins Lied integriert werden, wie es mit Kotaro geklappt hat. Hier habt ihr euch auf ihn eingelassen, ihm Mut gemacht als Starish. Und Heavens hat ihm dann diese ganze Energie die er übernommen und weiter aufgebaut hat, explodieren lassen. Aber das wird bei euch nicht klappen, wenn niemand die Energie weiter aufbaut. Also bauen wir es gemeinsam auf, mit jeder Note und lassen es dann auch gemeinsam explodieren.“ Ich wusste nicht, wie ich es anders erklären sollte. Es war mit Worten einfach unmöglich wiederzugeben was ich meinte. „Wartet, ich zeige es euch!“ Ich hörte meine Version ganz genau in meinem Kopf und ging in die Kabine rein. Dort stand es, ein Keyboard, dass nach mir rief. Mit einem Handzeichen gab ich dem Tondirektor an, dass er den Ton anschalten sollte, so dass die anderen hören konnten, was ich mit meiner Version meinte. Ich spielte das Intro, dass bereits sowohl das Heavens Theme und Starish Theme vorstellte und beide vereinte, aber eindeutig mehr in den Song von Starish überging. Ich ließ mich leiten, wie ich es immer tat, seit ich wirklich das Keyboard oder viel mehr Klavier spielen perfektioniert hatte. Und schließlich, nachdem ich alles gegeben hatte, den gesamten Song gespielt hatte, sah ich vom Keyboard auf, zu der anderen Seite des Spiegels, hinter denen ich jene sah, die mit mir arbeiteten. „Ist das verständlicher?“, fragte ich vorsichtig und wartete einen Augenblick lang. „Ittoki-san, kannst du die E-Gitarre spielen ab diesem Part? Ich denke das bringt Tailor-sans Version noch etwas stärker zum Ausdruck.“ Ich bemerkte, wie Eiji mit Otoya sprach, der nun selbst lächelte und nickte. Sie schienen meine Version nicht abzulehnen, auch wenn sie gerade miteinander sprachen, wie man sie verbessern konnte. „Tailor-san, würdest du mit mir gemeinsam einige der Klavierparts spielen?“ „Dann könnten wir die Tonhöhe anpassen und Mehrdimensionaler machen. Vielleicht sogar die Themes besser hervorheben“, antwortete ich auf Masatos Frage und lächelte erleichtert. All die Anspannung wich auf einmal von mir und ich musste gestehen, dass ich wirklich Spaß daran hatte mit ihnen zu arbeiten. Ohne zu große Erwartungen, die ich nicht erfüllen konnte, weil ich nicht Haruka war. Mir machte es aber nichts aus, denn ich war Ich.   **~~**   Die letzten Tage waren wie im Flug vergangen und als ich gemeinsam mit den Jungs das Ergebnis der drei Singles hörte, stellte sich in mir eine gewisse Zufriedenheit ein. Wir hatten nicht nur das Medley gemeinsam fertig bekommen, sondern auch die einzelnen Lieder, die natürlich jeweils den Stempel der entsprechenden Gruppe trugen. „Das klingt, als hätten wir es geschafft“, merkte ich an, als der letzte Ton von Heavens eigener Single verklungen war. „Gute Arbeit Jungs! Wir haben daraus wirklich etwas tolles gemacht und ich bin mir sicher eure Fans werden es lieben.“ Ich lächelte und schwor mir insgeheim, alle drei Singles zu kaufen. Denn im Endprodukt gefielen mir alle drei Songs. Nicht einfach weil sie von mir waren, sondern weil sie mich glauben ließen, dass ich irgendwann wirklich fand was ich brauchte um aus Harukas Schatten zu treten. Auch wenn der Weg immer noch unklar und vor allem weit war. „Gute Arbeit, Ere-chan. Hast du vielleicht noch Lust etwas trinken zu gehen mit uns?“ Ich schüttelte auf Vans Frage den Kopf. Es war nicht so, dass ich keine Lust hatte, sondern viel eher fehlte mit die Zeit. „Tut mir leid, aber ich bin schon verabredet mit Freunden. Sie bringen mich um wenn ich noch einmal zu spät zu einer Verabredung komme. Aber danke. Vielleicht das nächste Mal, sollten wir noch einmal die Gelegenheit bekommen einen Job gemeinsam zu machen. Ich würde mich freuen.“ Ich verbeugte mich höflich vor den Jungs und nahm meine Sachen. Irgendwie fand ich es schon schade nicht mit ihnen feiern gehen zu können, aber ich hatte Mira und ihren Freunden versprochen gemeinsam mit ihnen in die Karaoke-Bar zu gehen, dort zu trinken und uns die Seelen aus dem Leib zu singen. Mit Sicherheit hätte sie auch Verständnis dafür gehabt, wenn ich ihr abgesagt hätte wegen Heavens. Aber die Chance sie so schnell wiederzusehen war momentan gering. Immerhin war ihr Terminplan voll. Meiner hingegen nun leer. Abgesehen davon dass ich meine Woche Urlaub mal damit vollbringen wollte voll und ganz Otaku zu sein, Storys zu schreiben und einfach zu tun wonach mir war.   **~~**   Der letzte Tag meines Urlaubs war angebrochen und gefühlt hatte ich jeden Tag bis zur Mittagszeit geschlafen, was kein Wunder war, wenn man bedachte, dass ich bis spät Abends wach blieb um zu schreiben. Meinen Blog für Geschichten füllte ich so mit neuem Leben und es war gut mal endlich wieder was anderes zu tun als ständig nur zu komponieren, auch wenn es mir ein klein wenig fehlte. Vielleicht weil ich mich durch die Musik Starish und Heavens so nahe gefühlt hatte und nun Zeit unserer Zusammenarbeit wie ein vergangener Traum erschien. Natürlich hatte sich keiner der Jungs gemeldet oder war erneut vorbei gekommen. Ich hatte es auch ehrlich nicht erwartet, sonst wäre ich nur enttäuscht gewesen. Wie üblich zu diesem späten Morgen, war mein Frühstück viel eher ein Mittagessen der leichten Natur. Es bestand aus etwas Jogurt mit Früchten und Haferbrei. Ich liebte Haferbrei. Es war zumindest besser als Reis und Fisch am Morgen. Und noch dazu war es verantwortlich dafür, dass ich einiges an Kilo verloren hatte. Wer in Japan lebte und abgesehen von Sushi nicht wirklich Fisch aß, hatte schon dezent Probleme. Sicher, ich hatte mich auch an Takoyaki gewöhnt und Okonomiyaki war auch sehr lecker aber ab einem gewissen Punkt, wünschte ich mir irgendwie die europäische Küche zurück. Ständig aber ins Restaurant gehen war zu teuer. Hin und wieder leistete ich es mir selbst zu kochen, vor allem dann wenn Hiroki oder Mira zum Essen vorbeikamen. Ich machte so langsam wie es nur ging. Immerhin hatte ich für diesen Tag nichts vor. Den letzten Urlaubstag musste man in vollen Zügen auskosten. Wie ich es mir in den letzten Tagen angewöhnt hatte, ging ich runter zur Haustür, wo auch in der Regel die Briefkästen hingen. Nicht das ich Post bekäme, aber man konnte ja mal hoffen. Abgesehen von Gutscheinen würde ich wohl wirklich nichts haben. Ohne Erwartungen öffnete ich den Briefkasten und sah etwas darin, dass nicht nach einem Coupon-Heftchen oder dergleichen aussah. Viel eher war es ein Brief. Immer noch etwas ungläubig, nahm ich diesen heraus und sah ihn mir genauer an. Keine Briefmarke. Jemand hatte ihn also direkt eingeworfen und vor allem auch gewusst, dass er für mich bestimmt war, denn mein Name war ebenfalls nicht verzeichnet. Dafür aber ein Absender. Haruka Nanami. Kapitel 3: Between the knowledge -------------------------------- Ich war Hiroki dafür dankbar, dass er auf meinen Anruf schnell reagiert hatte und zu meiner Wohnung geeilt war. Zusammen saßen wir an meinem Tisch, der Brief von Haruka in der Mitte, wobei ich soviel Abstand hielt, als befürchtete ich eine Bombe darin. „Und du willst ihn warum nicht öffnen?“, fragte Hiroki, nachdem ich ihm erzählt hatte, wie ich überhaupt an diesen Brief gekommen war. „Er ist von Nanami-san...“, antwortete ich kurz angebunden und konnte schon anhand von Hirokis Grinsen erahnen was er dachte. „Das habe ich bereits verstanden. Aber nur weil er von Haruka ist, ist es kein Grund den Brief so verschlossen vor die liegen zu lassen. Du weißt schon, Briefe sind zum lesen da.“ Ich seufzte leise, denn er hatte ja Recht, aber die Panik darüber was darin stehen könnte, ließ sich nur schwer niederkämpfen. Genau aus diesem Grund hatte ich Hiroki auch angerufen und er war wie mein Ritter in weißer Rüstung zu Hilfe geeilt. „Was wenn sie das Lied gehört hat und mir nun mitteilt, dass ich total versagt habe? Was wenn ich Starish aus ihrer Sicht Schande gemacht habe? Ich würde es einfach nicht ertragen wenn sie mir so etwas mitteilen will.“ „Oder aber sie will dir danken und dir zu dem großartigen Song gratulieren.“ „Meinst du?“ „Naja kann ja sein, wir werden es aber nie erfahren, wenn wir nicht in den Brief reinschauen. Also, öffne ihn. Wenn du willst lese ich ihn dir auch vor.“ Behände schob mir Hiroki den Brief zu und ich musste seufzen. An manchen Tagen hasste ich es, mit ihm zu diskutieren, besonders dann wenn er ja irgendwie recht hatte. Und gerade hatte er wieder einmal Recht. Ich konnte nicht wissen, ob Haruka nun mir etwas Schlechtes schrieb, oder etwas Gutes. Ich starrte verunsichert auf den Brief und wog ab, wie gut oder schlecht meine Leistung in den letzten Wochen war. Musste ich mich für irgendetwas schlechtes rechtfertigen? Eigentlich nicht. Das Lied war gut gewesen. Shining war zufrieden gewesen, die Arbeit im Studio war am Ende doch noch sehr angenehm geworden. Wenn man es recht bedachte, konnte ich auf meine Leistung stolz sein. Irgendwie. Aber ich war nie stolz auf mich. „Na schön, es bringt ja nichts, ewig nur auf diesen Brief zu starren. Und du musst auch nicht vorlesen. Ich bin ein großes Mädchen, ich schaffe das irgendwie.“ Entschlossen nahm ich den Brief und öffnete ihn vorsichtig, um das Briefpapier im Inneren nicht zu beschädigen. Ich zog das weiße Briefpapier hervor und musste schmunzeln, als ich es aufklappte und eine Partiturenzeile mit Noten am rechten oberen Rand zu sehen war. Im Geiste hörte ich sogar die Melodie dieser vier Noten und ich fragte mich, ob Haruka dieses Papier vorgefertigt gekauft hatte oder selbst jedes Blatt einzeln mit den Noten bedachte. Das Lächeln schwand mir aber, als ich über die ersten Zeilen flog. Das war nicht gut, was ich da überflogen hatte. Um sicher zu gehen, dass ich es nicht aus dem Kontext heraus falsch verstanden hatte, begann ich wieder von Anfang an und las Wort für Wort.   Liebe Tailor-san,   du wirst dich sicherlich wundern, dass ich dir schreibe. Ich sah es allerdings als meine Pflicht, mich bei dir zu melden, wo du meinetwegen so viele Umstände hast... und zudem weiß ich, wie es ist, wenn man in das kalte Wasser geworfen wird. Hätte ich dich persönlich kennenlernen dürfen, hätte ich dir vielleicht noch den ein oder anderen Ratschlag geben können, dass du nicht komplett auf verlorenen Posten stehen würdest... Die letzten drei Wochen sind für mich nicht gerade leicht gewesen. Vielleicht hast du davon gehört – meiner Großmutter geht es nicht gut und ich bin deswegen für zwei Wochen nach Hause gefahren, wohl in dem Wissen, dass ich viel Arbeit hinterlassen würde. Ich ging deswegen nur unfreiwillig, aber Ittoki-kun und die anderen haben mich regelrecht dazu gedrängt und ich bin im Nachhinein sehr froh darüber... Jetzt bin ich zwar wieder hier, aber es ist etwas eingetreten, was ich leider noch nie erlebt habe: Ich kann keine Lieder mehr schreiben. Ich habe es versucht, mit allen Mitteln, aber ich kann es nicht. Es ist, als würde sich etwas in meinem Kopf festsetzen, was mich daran hindert... so sehr, dass ich den anderen nicht einmal mehr unter die Augen treten kann. Weil ich nicht weiß, wie ich mich dafür entschuldigen soll und kann... Ich möchte nicht jammern und bitte glaube mir, dass ich ein unendlich schlechtes Gewissen habe, weil jetzt alle Arbeit auf deinen Schultern lastet... Wie ich nun doch Kontakt zu dir gefunden habe? Meine Freundin, Shibuya Tomochika, hat mir auf die Mailbox meines Handys gesprochen und von dem Charity-Event berichtet – ich konnte es nicht live im Fernsehen sehen. Sie erzählte mir von dem Song, von der Spontanität Heavens' und Starish. Als ich dann das Lied hörte, hatte ich jedes einzelne Mitglied genau vor Augen. Ich konnte mir vorstellen, wie sie die Zeilen sangen, wie sie auf der Bühne standen und wie die Zuschauer es aufgenommen hatten. Und da wusste ich, dass es in Ordnung war. Dass du damit zurechtkommen würdest und es tust. Dass sie niemand besseren hätten finden können. Ich weiß nicht, was du für eine Person bist, wie es dir jetzt gerade ergeht, aber ich weiß, dass du es kannst. Ich muss lächeln – So, wie wenn ich ein Lied für die Jungs schreibe und sich dabei mein Herz öffnet. Die letzte Silbe eures Liedes, deines Liedes, verklingt und ich muss lächeln. Für einen Moment kann ich meine Sorgen vergessen. Für einen Moment fühle ich mich wieder so leicht beschwingt, wie schon seit längerem nicht mehr. Danke für diese Minuten des Glücks. Danke, dass du den Jungs ihre Köpfe oben halten lässt. Tailor-san, es wird vielleicht nicht leicht, weil ich weiß, dass sie sehr auf meine Art Musik und meinen Arbeitsstil eingefahren sind... und vielleicht werdet ihr auch hin und wieder aneinandergeraten, aber wenn ihr gemeinsam an einem Strang zieht... dann weiß ich, dass ihr etwas ganz Wunderbares erschaffen könnt und werdet.   Ich gebe mein Bestes, wieder in alte Form zu kommen, aber das ist anscheinend nicht so einfach, wie ich dachte... Bitte, bleibe auch weiterhin bei ihnen. Zeig ihnen, dass sie nicht alleine sind. Nanami Haruka   P.S.: Ich schreibe diese Zeilen vertraulich an dich... du bist die Erste, mit der ich außer Shining Saotome seit meiner Rückkehr Kontakt aufgenommen habe.   Ihre Zeilen zu lesen schmerzte, denn ich fühlte, dass sie selbst jetzt alles tat damit ihre Freunde weiterhin strahlen konnten. Und noch dazu, lastete sie mir eine Bürde auf die Schulter, von der ich immer noch nicht sicher war, ob ich sie denn tragen konnte. Noch dazu hatte dieser Brief eine wesentlich tiefere Bedeutung. Haruka würde so schnell nicht wieder schreiben und mein Helfersyndrom aktivierte sich. Ich wollte ihr helfen, dass sie es wieder konnte. „Und? Was schreibt sie?“ Ich schluckte schwer und faltete den Brief zusammen, überlegend, was ich Hiroki sagen konnte. Haruka hatte mir mehr als nur die Bürde für Starish zu schreiben aufgelastet. Sie hatte mir ein Geheimnis anvertraut, dass sie nicht einmal ihrer besten Freundin oder den Jungs anvertrauen konnte. „Ihr hat das Lied gefallen.“ Meine Antwort fiel knapp aus und ich konnte an Hirokis Mimik erkennen, dass er bereits wusste, dass mehr in diesen Zeilen steckte. Mehr, was ich nicht sagen wollte, denn sonst hätte ich es getan. „Scheinbar nicht nur das. Ich werde nicht bohren, wenn du es nicht freiwillig sagen willst. Das weißt du. Aber wenn dich etwas belastet und du es sagen kannst ohne mir zu viel mitzuteilen, du weißt, du kannst jederzeit mit Mira oder mir reden. Auch wenn wir Idole sind und manchmal unser Plan voll ist, unsere Mailbox ist immer aktiviert.“ Ich nickte, wissend, dass es so war. Doch gerade wären es nicht diese beiden gewesen die mir helfen konnten. Viel eher wäre Shicchi die Richtige gewesen. Aber Shicchi war nicht hier. Nicht in dieser Welt. Ich musste hier ohne sie auskommen, ohne das Fangirlen mit ihr. Ohne den geistigen Austausch, oder unsere Skypegespräche in denen sie mir gehörig den Kopf wusch. Saotome hatte Recht, mir fehlte etwas, aber das war nichts Emotionales, sondern meine Seelenschwester.   **~~**   Liebe Shicchi, Ich vermisse dich sehr. Momentan glaube ich unter der Bürde zusammen zu brechen, die mir nun auferlegt wurde. Wie lange ich das noch durchhalte weiß ich nicht. Meine Depression wird wieder schlimmer und unsere Lieblingsidole trugen bisher nicht gerade wenig dafür bei. Ich werde mich aber bemühen den Kopf oben zu halten. Ich denke an dich, deine Eri.   Ich starrte auf die Nachricht, die ich am Abend zuvor an Shicchi geschickt hatte. Die Meldung, dass diese Nachricht nicht gesendet werden konnte, hatte ich zwar erhalten, aber ich konnte im Verlauf immer noch sehen, dass ich eine SMS geschrieben hatte. Mein Urlaub war vorbei und Saotome hatte mich erneut in sein Büro gebeten. Allerdings war ich zu früh und musste noch warten. Dank Harukas Brief ahnte ich, was kommen würde. Ein neuer Auftrag und wahrscheinlich hatte er mit Starish zu tun oder Heavens. Ich hoffte dank meiner bisherigen Erfahrungen eher auf Letzteres. Da ich hier aber in Saotomes Agentur war und Heavens bei Raging unter Vertrag waren, würde das wohl nur passieren wenn es wieder ein Projekt gab, dass beide Gruppen gleichermaßen pushen sollte. Doch selbst wenn es nun Starish war, es gab etwas, dass ich Shining klar machen wollte. Etwas, dass ich dann wohl auch noch einmal den Jungs genauer verdeutlichen sollte. Nur ob ich es mir bei ihnen traute, war wiederum eine andere Frage. Ich bezweifelte es ehrlich und es grenzte schon an ein Wunder, wenn ich Shining sagen konnte, was mir auf dem Herzen lag. Eines war klar, Haruka musste schnellstmöglich wieder kommen. „Miss Tailor, kommen sie herein.“ Ich erhob mich von meinem Stuhl auf dem ich wartend gesessen hatte und betrat Büro meines Chefs, der mich bereits, das Kinn auf die Hände gestützt, fixierte. Ein kurzer Blick durch das Büro zeigte mir, das Raging nicht da war. Also würde mich wohl wirklich kein Heavens Job erwarten. Ein bisschen enttäuscht war ich ja schon, auch wenn es nicht anders zu erwarten gewesen war. „Miss Tailorrrrr, ich hoffe sie sind ausgeruht genug. Es wartet viel Arbeit auf sie.“ Ich näherte mich Saotome und setzte mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. „Dank ihrer Arbeit konnten wir die Songs schnell fertigstellen und morgen werden sie in die Läden kommen. Heavens und Starish sind also momentan mit der Promotion beschäftigt. Allerdings sind vier von ihnen nun auch beauftragt worden bei einer Production namens 'Rebel Hostel' den Titelsong zu liefern. Mister Jinguji Ren spielt in diesem Drama die Hauptrolle.“ Kaum dass ich das hörte, betete ich zu Gott, das Saotome nicht gleich das sagen würde, was ich bereits ahnte. Doch, Götter waren nicht immer gnädig und schon gar nicht zu mir. Vielleicht meinte dieser Gott es auch einfach zu gut mit mir und wusste nicht, dass ich an meine Grenzen kommen würde, wenn ich das Medley-Drama noch einmal durchleben müsste. „Sie werden diesen Titelsong schreiben. Und-“ „Ähm... ich weiß nicht, ob ich die Richtige für diesen Job bin. Ich könnte aber Nanami-san helfen wieder zu schreiben. Dann hätten Sie den perfekten Songwriter und weniger Mühe und Drama um die ganze Sache. Ich kenne mich mit Schreibblockaden aus und musste schon die ein oder andere selbst durchmachen also-“ „Miss Tailor.“ Ernst und lauter als zuvor unterbrach mich Shining und sorgte dafür, dass diese ungewohnte Stimmlage mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. „Es ehrt Sie, dass Sie einer Kollegin helfen möchten, aber die Zeit ist nicht dafür da. Sie werden sich also dieser Aufgabe annehmen.“ „Aber Nanami-san kann-“ „Miss Nanami ist aktuell nicht in der Lage dazu, aber sie wird es wieder sein. Und der Prozess wird schneller gehen, wenn sie sich keine Sorgen machen muss und keinen Druck verspürt. Sie hingegen Miss Tailor sind in der Lage dazu, haben aber einige Defizite in ihrer Arbeitsweise, wie sie im Tonstudio bewiesen haben. Sie sollten sich darum kümmern, diese Defizite auszugleichen, statt sich um Miss Nanami zu kümmern.“ „Aber wie soll ich meine Defizite bitte aus dem Weg räumen, wenn man scheinbar von mir erwartet der Ersatz für Nanami-san zu werden.“ Saotome schwieg, aber er fixierte mich eindringlich und ich wusste nicht, ob ich mich vielleicht nicht gerade zu weit aus dem Fenster lehnte. „Miss Tailor, ich erwarte nicht, dass sie Miss Nanami als Person ersetzen. Ich erwarte dass Sie für sie als Songwriter einspringen. Sie machen sich eindeutig immer noch zu viele Sorgen, was andere erwarten könnten. Konzentrieren sie sich auf ihre Aufgabe und sorgen sie einfach dafür, dass weder Starishs Musik, noch ihre eigene darunter leidet. Love is music.“ So sehr ich auch gerne ein Gegenargument gefunden hätte um Saotome zu überzeugen, dass Starish und ich eigentlich nicht miteinander konnten, ich fand keines. Denn eigentlich bewies mein Boss mir gerade was er mir alles zutraute und dass er mir in Punkto Starish doch vertraute. Genauso wie Haruka. Ich hatte also keine andere Wahl. „Könnten sie Nanami-san dennoch etwas von mir ausrichten? Sie soll sich keine Sorgen machen, ich werde mein Bestes geben damit ihr Vertrauen in mich nicht enttäuscht wird.“ Es war mir egal, ob es Saotome passte oder nicht. Da er und ich als einziges ihr Geheimnis kannten und er auch nicht sonderlich überrascht schien, dass ich von Harukas Situation wusste, wollte ich mit offenen Karten spielen. Von irgendwem musste Haruka zudem ja auch meine Adresse haben. Tomochika hatte ihr sicher nur den Namen genannt. Das hieß, Saotome stand mit ihr in Kontakt. Es war also ein leichtes für ihn meine Botschaft zu überbringen. „Sie nehmen also den Auftrag an?“ Ich nickte, denn eine andere Wahl ließ Saotome mir ja nicht. Aber gut, dann hatte ich wenigstens einmal das Vergnügen mit ganz Starish gearbeitet zu haben. Warum nicht. So schlimm konnte das doch nicht werden. „Haben Sie das Script für mich?“ Es war ein Teil meiner Arbeit geworden, dass ich immer für Opener oder Endings das Script verlangte. Zu Beginn hatte Saotome das befremdlich gefunden, aber mittlerweile hatte er sich damit abgefunden und mein Erfolg bestätigte ihn dabei, dass es ein notwendiges Übel war, damit ich meine Arbeit erledigen konnte. „Perfect. Das Script für Episode eins, dem Pilot. Wie gewohnt bitte ich Sie um Diskretion.“ Erneut nickte ich. Das war eigentlich etwas, um das er mich nicht mehr bitten musste. Sobald der Songtext fertig war, würde ich das Script wieder zurück an die Produktionsfirma schicken lassen. Ich würde es einfach nur lesen, mir Stichpunkte machen und während dieser Stichpunkte Brainstormen, Metaphern suchen, die ich einbauen wollte, die Handlung anhinten ohne zu viel zu verraten. Das Flair der Serie einfach einfangen und auf die Musik übertragen. Kein leichtes unterfangen, aber auch kein unmögliches. Doch dieses Mal, kam noch eine weitere Prise hinzu, die ich bedenken musste. Starish.   Ich hätte wahrscheinlich nie gedacht, dass ich so schnell wieder beim Gebäude des Mastercourse sein würde. Dieses Mal, musste ich allerdings alleine da durch. Saotome hatte alles arrangiert, damit ich sofort mit den Arbeiten anfangen konnte. Das hieß im Klartext, dass ich bereits bei Starish angekündigt war. Während meiner Fahrt konnte ich damit nicht viel in das Script rein gelesen. Es hatte gerade mal für die ersten Szenen, der Vorstellung des Protagonisten gereicht. Zumindest von diesem hatte ich ein bestimmtes Bild im Kopf. Es war bis dato eine typische Klischeesendung. Junger Student mit wenig Geld verspielt das wenige was er hat und kommt durch Couchsurfing irgendwie durchs Leben. Allerdings hatte sich das erledigt, als sich herumspricht, dass er nicht in dem richtigen Maß zahlte und so fand er auch keinen mehr, der ihn unterkommen ließ. In einer verzweifelten Tat verschaffte er sich Zugang in ein Hostel um wenigstens eine Nacht lang ein Dach über den Kopf zu haben. Ehrlich, was ich bisher gelesen hatte, war nicht gerade ein Oscarreifes Skript, aber mit den richtigen Darstellern konnte man sich dieses Drama gut als Unterhaltsam vorstellen. Dennoch, Ren wollte in meinem Weltbild nicht so wirklich in die Rolle des abgebrannten Studenten passen. Allerdings war ich ja auch noch nicht sehr weit im Skript, so dass ich nicht darüber urteilen konnte, ob er nicht doch Fähigkeiten hatte, die eher für Ren sprachen. Ich war aber gewillt, das in den nächsten Stunden noch herauszufinden. Wie schon das letzte Mal führte mich mein Weg im Master Course in den Aufenthaltsraum und wie beim ersten mal fand ich auch jene die ich suchte. Was irgendwie seltsam war, denn man hätte glauben müssen, es wären mehrere Leute hier anzutreffen als immer nur Starish. Wahrscheinlich arbeiteten aber die meisten Idols. „Hi.“ Ich hatte die Tür nicht einmal lange offen stehen, da sahen mich schon die vier Jungs an und ich dachte mir, dass eine Begrüßung doch schon mal einen guten erste Eindruck erwecken würde. Auch wenn ich mit der Katzenjacke sicherlich nicht gerade sehr ernst zu nehmen war. „Du bist es!“, hörte ich Cecil freudig, als er sich von seinem Platz erhob. Er lächelte und gerade konnte ich mich wieder in diesem Lächeln verlieren. Er war wahrlich mein Prinz in jeder Lebenslage. „Jungs, dass ist die Dame, von der ich euch erzählt habe. Sie hat mir den Tipp gegeben, dass ich bei den nächsten Interviews einfach mehr trinken sollte. Ich danke dir dafür.“ Mir ging das Herz so richtig auf, als ich Cecils Stimme genoss und vor allem die Worte seines Dankes. Dabei hatte ich nicht einmal viel getan. Camus war es gewesen, der ihm auf seine Weise diesen Tipp hatte geben wollen. Dennoch es tat mal gut nicht von Anfang an das Gefühl zu haben, dass man unten durch war. „Erenya Tailor ist mein Name. Es freut mich wirklich, dass dir mein Hinweis geholfen hat, Aijima-kun. Allerdings habe ich nur interpretiert, was Camus-senpai dir wohl vermitteln wollte.“ Ich bemühte mich zu einem Lächeln und näherte mich den Viern. „Ich habe von Shining den Auftrag bekommen mit euch gemeinsam das Opening für Rebel Hostel zu schreiben. Wenn ihr also irgendwelche Ideen und Vorstellungen habt, immer her damit. Ich habe das Script schon etwas angelesen, aber bin noch nicht sehr weit um entsprechend etwas Themengebundenes zu machen. Allerdings möchte ich auch gerne Starishs Charme in den Song einfließen lassen, besonders Rens, da er ja auch die Hauptrolle hat.“ Da ich mir unsicher war, wie ich mit Starish reden sollte, entschied ich mich, einfach gleich mit der Arbeit zu beginnen. Ich ging zu dem Sessel, der gegenüber dem von Tokiya stand und stellte neben diesem meine Tasche ab und zog das Script aus dieser hervor. „Und du bist dir sicher, das du Starishs Charme gerecht einbringen kannst?“ Mein Blick wandte sich zu Syo, der zusammen mit Cecil und Ren auf der Couch gegenüber des Fernsehers, schräg zu meiner Rechten, saß. Natürlich zweifelte er an mir. Wahrscheinlich hatten die anderen drei auch genug von mir erzählt, so dass Cecils Erzählungen nicht 100% zu überzeugen wussten. „Deswegen bin ich hier. Um das zu gewährleisten, Kurusu-kun. Ich kann verstehen, dass es ungewohnt ist mit einem anderen Songwriter zu arbeiten, aber ich werde mein Bestes geben einen Song zu schreiben von dem man sagt, dass es ein Starish-Song ist.“ „Immerhin ist die Lady motiviert. Wenn du Hilfe wegen dem Script brauchst, kannst du mich fragen. Ich habe es bereits gelesen und weiß worum es geht.“ Mein Blick wandte sich Ren. Er wirkte zwar nicht über alle Maßen begeistert, aber zumindest nicht ganz so misstrauisch wie Syo. „Wichtig sollte vor allem auch sein, dass der Fokus nicht zu sehr darauf rutscht, dass es ein Starish-Song wird, sondern dass er die Stimmung des Dramas überträgt“, merkte Tokiya an und machte immerhin klar, dass er mich in der Arbeit nicht sabotieren, sondern unterstützen würde. „Hast du schon einmal für ein Drama ein Opening geschrieben?“, fragte Syo, so als wollte er mir einfach nicht zutrauen, dass ich es schaffen konnte, weil ich keine Haruka war. „Nicht das Opening, aber ich hatte für Ame no Kioku zwei Tracks geschrieben. In Sachen Opening habe ich bisher nur Erfahrungen mit Animes und Games gemacht. Aber ich denke, der Unterschied dazu dürfte nicht all zu gravierend sein. Selbst dort geht es darum das Flair der Serie einzufangen und so den Zuschauer vor zu heizen. Jinguji-san kannst du mir etwas helfen. Was ist so der grobe Plot vom Piloten?“ Ich holte schnell mein Notizbuch hervor und zog einen Stift, um mir alles essentiell wichtiges zu notieren, was Ren mir sagte. „Der Protagonist wird von eine der Haushälterinnen des Hostels erwischt, wie er bei ihnen unbezahlt Unterkunft fand. Da er eingesteht, dies schon häufiger getan zu haben, wollen die Damen natürlich eine Entschädigung, was bedeutet, er muss für sie arbeiten, wenn er kein Geld hat. Es gibt aber ein Problem. Das Hostel wird ausschließlich von Frauen geführt und genauso sind die Besucher nur Frauen. Der Protagonist wird also gezwungen in die Rolle einer Frau zu schlüpfen und obwohl nicht begeistert davon ist, hat er keine andere Wahl, denn die Besitzerin macht deutlich, dass sie ihn in der Hand hat. Polizei oder Arbeit. Während er also dort arbeitet, darf seine Tarnung aber nicht auffliegen, was fast passiert als ein paar Leute, von denen er sich Geld geliehen hat ihn ausfindig machen.“ Ich notierte mir das Wichtigste und hob eine Augenbraue. Crossdressing für Ren. Irgendwie wurde das immer absurder. Und vor allem wurde es dadurch auch noch schwieriger einen Song für Starish zu schreiben. „Das wird nicht leicht. Crossdressing... das tauschen von Rollen... Das ist zwar ein Thema was häufiger mal aufgefasst wird, aber man kann hier keinen niedlichen, süßen Opener machen wie bei einem Anime. Dennoch wäre es schade, wenn der feminine Touch verloren geht, immerhin dominieren die Frauen die Serie, selbst wenn der Fokus auf dem männlichen Protagonisten liegt.“ „Und deswegen wird es nicht klappen!“ „Huh?“ Ich wandte meinen Blick von dem Blog zu Syo, der mich ernst fixierte. In seinen blauen Augen drohte sich etwas an, dass nicht gut für mich war. „Ochibi-chan, beruhige dich. Wir sind noch in der Planung. Wir finden sicher einen Weg.“ „Nein, warte Jinguji-kun. Ich möchte gerne von Syo wissen, warum es nicht klappen wird. Das hat nichts mit aufgeben zu tun, sondern mit Zweifeln. Wenn Syo schon zweifelt, wie sollen sich dann die Zuhörer fühlen?“ „Ich bin ein Mann, deswegen funktioniert das nicht. Kleider und Crossdressing ist einfach nicht meine Sache und ich denke, dass ist es von keinem von uns.“ Syo hatte Recht. Selbst wenn es in meiner Welt Crossdressing Bilder von Starish und Quartet Night gab, ich konnte sie mir nicht als Frauen vorstellen. Ebenso wenig konnte ich das bei Ren. Und doch musste es irgendetwas in der Geschichte geben, was die Produzenten zu der Entscheidung geführt hatte, dass Ren die beste Wahl für diese Rolle war. Etwas das Syos Einwand vielleicht berücksichtigte, aber unter keinen Umständen den Ton der Serie korrumpierte. „Ich habe von den großartigen Kabuki-Theatern gelesen. Dort spielten ausschließlich Männer, sogar die weiblichen Rollen. Ich halte es nicht für so unmöglich das in einen Song einzubauen, so lange die Musen bei uns sind.“ Cecil lächelte sein unschuldiges Lächeln und ich schluckte schwer. Die Musen... das erinnerte mich an eine Person die für Cecil wahrscheinlich die von den Musen Geküsste war. „Wenn das Lämmchen hier wäre, sie wüsste sicher wie man beides vereinen kann ohne das es unglaubwürdig wirkt.“ Innerlich verzog ich etwas das Gesicht, als ich Rens Kommentar hörte. Mein Kopf wurde schlichtweg leergefegt, denn es fühlte sich an, als hätten sie nicht genug Vertrauen in mich. Auch wenn Ren und Tokiya es nicht gezeigt hatten, es war doch deutlich genug. „Haruka ist aber nicht hier, sondern sie!“ Mir bereitete es Unbehagen Syo so erzürnt so sehen. Es schien fast so, als gab er mir die Schuld dafür, dass Haruka jetzt nicht hier war. Dabei wusste er wohl selbst, dass dem nicht so war. „Syo, beruhige dich, wir sind noch im Brainstorming. Wir finden sicher eine Lösung“, versuchte Tokiya ihn zu beschwichtigen. Ein Fehler, wie sich herausstellte. „Könnt ihr wirklich so tun als sei alles in Ordnung? Ich kann das nicht, denn es fühlt sich an, als würde ich Haruka verraten! Wenn ihr mit einem Ersatz arbeiten könnt, dann tut es.“ „Ochibi-chan!“ „Ich brauche frische Luft.“ Wir waren alle nicht sehr erfreut, als Syo sich von seinem Platz erhob und in drohte den Aufenthaltsraum zu verlassen. „Syo... warte.“ Als Cecil merkte, dass es Syo ernst meinte, nachdem die Tür zum Aufenthaltsraum hinter diesem zugefallen war, erhob auch er sich und lief dem Hitzkopf nach. Scheinbar hatte sich gerade zwischen den beiden eine große Freundschaft entwickelt, was wahrscheinlich nicht zuletzt auch ihrem gemeinsamen Commercial zu verschulden war. „Sieht nach einer Pause aus. Ich hole uns ein paar Getränke. Lady, mach dir bitte keine Gedanken wegen Ochibi-chan.“ Keine Gedanken machen. Ren hatte leicht reden. Es war schon deprimierend, dass ich nicht wie Haruka auf eine brilliante Idee kam, die alle von den Socken haute. Ich hätte mir ja auch gewünscht, dass es so klappte. Aber es war einfach nicht meine Art mit der Gruppe zu arbeiten. Es fühlte sich sogar so an, als wäre der Druck dadurch nur noch größer und jeder Versuch, jeder Test wäre unerwünscht. Aber gut, da musste ich durch. Dieser Song war meine Verantwortung. Ich hatte die Verantwortung für Starish, übertragen von Haruka. Nur dass ich es niemanden sagen konnte, was mitunter noch deprimierender war. Doch selbst mir war klar, dass die Jungs sich gar nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren würden, wenn sie von Harukas aktueller Krise erfuhren. Ich schwieg also besser und versuchte mein bestmögliches ihr die Zeit zu verschaffen die sie brauchte. Wenn auch nicht ganz so übermotiviert, wandte ich mich dem Script zu und las bei den Seiten weiter, bei denen ich aufgehört hatte. Ich hoffe so beim Lesen ein Gefühl zu bekommen, dass letzten Endes zu einer Melodie führen würde. Oder einem Funken, der eine Melodie entfachte. „Wie fühlst du dich gerade?“ Ja, ich hatte Tokiya vergessen und das er im Raum war wurde mir erst wieder bewusst, als er mich ansprach und sich wirklich aufrichtig um mein Befinden erkundigte. „Nicht so gut. Ich habe das Gefühl, dass ich der Verantwortung alleine nicht standhalten kann und Leute wie Syo machen es mir auch nicht gerade einfacher, auch wenn er es wohl nicht böse meint.“ „Nein, das meint er auch nicht. Aber für uns ist es auch nicht leicht. Für uns bist du vollkommen unbekannt. Wir haben immer nur die Lieder gesungen, die Nanami geschrieben hat. Sie hat uns auf jedem unserer Wege begleitet und uns Kraft gegeben, wenn wir glaubten es nicht schaffen zu können. Und nun haben wir seit drei Wochen nichts von ihr gehört. Sie ist wie verschwunden. Ihr Zimmer ist leer, ihr Klavier erklingt nicht mehr und nicht einmal Shibuya erreicht sie. Wir machen uns einfach Sorgen um sie.“ Es war einer dieser Momente in denen ich Haruka gerne gehasst hätte. Die Jungs sorgten sich um sie und sie ließ nicht einmal eine Meldung von sich hören. Stattdessen schrieb sie mir einen Brief. Einen Brief über den ich nicht reden konnte. Es hätte sich falsch angefühlt, so als würde ich Harukas Vertrauen in mich sonst auf eine andere Weise missbrauchen. „Aber Nanami-san ist nicht die einzige, die euch auf euren Weg begleitet hat. Auch wenn sie für euch die prägnanteste Person ist. Eure Fans, eure Lehrer, eure Senpai sie alle haben euren Weg mitverfolgt. In Shinings Schule seid ihr eine Legende. Seid es euch gibt, ist es sogar erlaubt das sich Gruppen bilden können. Ich will nicht sagen, dass es falsch von euch ist, dass ihr euch um eure Freundin sorgt, aber was ist mit euren Fans. Solltet ihr diese deswegen im Stich lassen und enttäuschen?“ „Wir haben nicht vor unsere Fans im Stich zu lassen. Deswegen sind wir bereit es mit einer anderen Songwriterin zu versuchen. Ich wollte einfach nur sagen, dass es nicht leicht ist auch für uns.“ „Ich weiß und es tut mir leid, wenn ich etwas emotionaler reagiert habe. Weißt du, mir fällt vieles hier schwer. Ursprünglich stamme ich aus einem anderen Land und plötzlich bin ich in Japan an Shinings Schule. Kulturschock vom feinsten. Aijima-kun kann darüber sicher ein Lied singen. Ich hatte immer irgendwie das Gefühl nicht dazu zu gehören. Und dann habe ich Mira getroffen. Sie war meine erste Freundin hier, hat mich immer wieder aufgebaut und mir Mut gemacht. Dank ihr habe ich viel über Japan gelernt vor allem auch im Sprachtechnischen Bereich. Aber nicht nur dank ihr konnte ich durchhalten.“   **~~**   Der Regen klopfte an die Fensterscheibe meines Zimmers, während ich über einem Buch für klassische Musik saß und die verschiedensten Komponisten studierte. In meiner Welt hatte ich das zwar schon in der Schule durchgemacht, aber hier ging man viel interpretativer mit der Musik um. Jede Note wurde zu einem Wort, jeder Tempowechsel zur Ankündigung eines Plottwists. „Show me your love!“, hatte Saotome am Anfang des Schuljahres gesagt. Der einzige Satz seiner Ansprache, den ich verstanden hatte. Und genauso viel verstand ich von den Büchern hier. Gar nichts. Das warf mich natürlich auch in meiner Klasse zurück. Es grenzte wirklich an ein Wunder, dass jemand wie ich die Prüfung bestanden hatte, aber ich hatte sie ja auch nicht geschrieben. Das war diese Person gewesen, deren Leben ich übernommen hatte. Scheinbar hatte man bei der Übernahme aber komplett die Festplatte geleert. Ich seufzte und schlug das Buch wieder zu. Es war kurz vor zwei und in vier Stunden würde ich wieder aufstehen müssen. Der Kampf würde von vorne beginnen. Ich fürchtete ihn. In der Klasse saß ich meist alleine und von dem was meine Mitschüler sagten, verstand ich nur wenig. Und sie schienen sich auch nie sonderlich die Mühe zu machen, englisch mit mir zu sprechen. Das einzig gute an meiner Sprachbarriere war, dass ich nicht verstand, wenn ich falsch gemacht hatte. Auch wenn Ringo sich nicht scheute es mir in nicht ganz so flüssigen Englisch zu erklären. Er hatte mir ja schon nahe gelegt die hiesige Sprache besser zu lernen. Doch da die Literatur ausschließlich japanisch war, war selbst das eine Herausforderung. Ich hätte ja gerne gelernt, aber mehr als „Learning by Doing“ war nicht drin. Auch wenn die Sorge mich die restliche Nacht wach halten würde, es brachte nichts weiter zu grübeln. Vielleicht würde das Lied des Regens mir dieses Mal die Melodie des Schlafes bringen und mich für wenige Stunden ruhen lassen.   Es klopfte heftig an meiner Tür und riss mich aus den Schlaf. Ich öffnete die Augen und sah zu meinem Wecker, der halb Sieben zeigte und mich damit aufschrecken ließ. Halb Sieben, ich hatte verschlafen. Eilig sprang ich aus den Federn und lief zur Tür. Wer auch immer da war, war gerade meine Rettung. Ohne das Klopfen wäre ich nicht rechtzeitig wach geworden und wahrscheinlich noch zu spät zum Unterricht gekommen. „Good Morning!“, begrüßte sie mich als ich die Tür öffnete. Ein Mädchen in meinem Alter mit einem freundlichen Lächeln und zwei süßen blonden Zöpfen an den Seiten. In den Händen hielt sie ein Tablett mit genau dem, was ich sonst gewöhnlich zu mir nahm. „I kinda missed you at the cafeteria. So I thought you were still sleeping. If you don't get ready fast you will be late for the next lesson.“ „What?“ Ich war überrascht, denn ich kannte dieses Mädchen nicht. Zumindest nicht aus Gesprächen. Aber sie schien eine Menge über mich zu wissen, was unheimlich war. „Come on girl, get ready and eat your breakfast.“ Sie drückte mir das Tablett in die Hand und schob mich ins Zimmer zurück, bevor sie selbst eintrat und die Tür schloss. Zielstrebig ging sie auf meinen Kleiderschrank zu und öffnete diesen, wobei sie sofort in meinen Sachen zu wühlen begann. Ich wusste nicht ob ich das so gut fand. „W-Wait! Who are you?“ „Kuroda Mira. I sit behind you in class. But I think you can't remember because you always seems so moony. I also tried to speak with you several times, but I never knew you aren't fluently with the japanese language. Ringo-sensei just told me yesterday evening. So i decided to talk english with you und help you with some things. If that's fine with you.“ Auch wenn ihr Englisch vielleicht nicht gerade das beste war, dasselbe konnte ich von meinem behaupten, verstand ich sie. Und es erfreute mich. Dennoch stand ich immer noch etwas verwundert im Raum, während sie mir Sachen für den Tag raus suchte, ein Lied summend.   Sono te wo mune ni sukoshi atete mite hoshii kanjiru darou? Attakai oto yasashii sono ne wa kimi ni shikanai melody wo sasaeru rythm shinjite kudasai   Yorokobi mo Yuuki mo kono saki ni aru asu no tsumugu ongaku mo namida sae mo subete no hanbu wo seowasete hoshii zutto tonari ni iru yo   Diese Melodie zu hören zwang mich förmlich dazu die Zeilen zu singen die mir so vertraut waren. Yume obito e no symphony von Starish gehörte wohl zu meinen liebsten Liedern, denn es erwärmte mein Herz. Und kaum das die ersten Worte über meine Lippen kamen, wandte sich Mira zu mir und lächelte. „See, it will be fine.“   **~~**   „Ich habe die Schule auch dank Starish durchgehalten. Wenn es mir schlecht ging habe ich eure Musik gehört und irgendwie war es zu meinem Ziel geworden, irgendwann mal euch kennenzulernen und vielleicht einen Song für euch zu schreiben. Dank Mira und Hiroki bin ich diesem Ziel auch nahe gekommen. Aber glaub mir, ich hatte mir das auch anders vorgestellt. Als ich erfuhr, das ich für die ehemaligen A-Class Mitglieder schreiben sollte bekam ich sogar Angst. Und ich habe immer noch diese Angst. Es fühlt sich an, als würde ich in Nanami-sans Fußstapfen treten wollen und als könnte ich diese nicht ausfüllen. Aber ich will wirklich mein bestes geben.“ Es nagte schon schwer an mir, wobei dieses Gespräch eine wirklich schöne Erinnerung wieder zutage geführt hatte. „Deswegen, wenn ich irgendetwas besser machen kann, sag es mir. Ich will weder Syo verletzten noch euch alle enttäuschen. Wie würde Starish dieses Problem lösen?“ „Mit Zusammenarbeit. Jeder von uns würde seine Gedanken einbringen und Nanami würde uns dann eine Idee vorspielen ungeachtet dessen ob es gut oder nicht gut ist. Und wenn uns durchs Brainstorming keine Idee kommt, würden wir irgendeinen Weg finden um eben jene Idee zu greifen.“ Ich dachte nach und schloss die Augen. „Das unterscheidet sich sehr von meiner Arbeitsweise. In der Regel lese ich die Scripte, mache mir Gedanken dazu und versuche das Gefühl einzufangen oder mich in die Hauptfigur rein zu versetzen. Ich rede selten soviel mit jenen die die Lieder singen. Meist nur wenn der Song fertig ist und sie ihn einüben. Dann teilen sie mir Änderungen mit die ich auch umgehend umsetze. Das ist vielleicht nicht der ideale Weg für Teamarbeit aber es gab bisher keine Probleme. Wir müssen also alle umdenken.“   Tokiya und ich hatten noch einige Zeit miteinander gesprochen, zumindest lange genug so dass die anderen wieder zurückgekommen waren. Die Zeit war wie im Flug vergangen und ich war auch nicht sonderlich weit gekommen, was ich verstand, als Ren mir einen Saft auf den Tisch stellte. „Können wir weitermachen?“, fragte Tokiya und bedachte dabei vor allem Syo, der sich wieder auf den zuvor eingenommenen Platz setzte. „Die Pressekonferenz beginnt gleich. Können wir die Pause noch etwas in die Länge ziehen?“ Ich hatte die Pressekonferenz, die heute live übertragen werden sollte, vollkommen ausgeblendet. Aber es war klar, dass die Jungs wissen wollten, wie sich ihre Freunde schlugen. Besonders nachdem ein Song geschrieben worden war, der nicht von Haruka stammte. Und wenn ich ehrlich war, war auch ich etwas neugierig, selbst wenn mein Verstand mir sagte, dass es nicht gesund wäre diese Konferenz zu schauen. „Natürlich. Tailor, geht das auch für dich in Ordnung?“ Ich nickte Tokiya zu und wandte meinen Blick zum Fernsehen, den Ren just in diesem Moment einschaltete. Scheinbar hatten die Jungs schon vorbereitet diese Konferenz sehen zu wollen, denn Ren musste nicht den passenden Sender suchen. Die Kameras waren alle auf die sechs Jungs von Starish und Heavens gerichtet und man konnte noch das Blitzlicht sehen, welches wohl von der Presse ausging. Dass diese beiden Band natürlich auch medial große Aufmerksamkeit bekamen, war klar. Besonders nach dem Triple S. Im Hintergrund moderierte ein Pressesprecher das ganze Geschehen und begrüßte die anwesenden Journalisten. Er erklärte noch ein paar Regeln, dass persönliche Fragen hier nichts zur Sache täten und diese auch unkommentiert bleiben würde. Alles so, wie es halt sein sollte. Und schließlich gab er den Startschuss. „Auf der Ankündigung zum Charity-Event hieß es, dass Starish und Heavens jeweils einzeln ein Lied singen würden. Wie kam es zu der plötzlichen Änderung?“ „Eines der Kinder hatte einen besonderen Wunsch und wir wollten diesen gemäß dem Motto unter dem die Sendung stand auch erfüllen. Da aber beide Songs nur auf drei Stimmen ausgelegt waren, mussten wir improvisieren.“ „War es nicht gefährlich so spontan das Programm zu ändern, Kiryuin-kun?“ Da Van als erstes auf die Frage geantwortet hatte, legte sich der Fokus natürlich auf ihn. Er lächelte ganz charmant in die Kamera und scheinbar bereitete ihm das alles keine Sorgen. „Wir waren ein gutes Team und haben alle unsere Stärken gut vereinen können. Der Erfolg des Medleys gibt uns auch Recht. Und es hat Spaß gemacht.“ „Das Medley klingt als Aufnahme aus dem Studio ganz anders. Wie war es im Studio gemeinsam diese Version zu erarbeiten.“ „Es war nicht leicht, dass müssen wir eingestehen, denn unter keinen Umständen wollten wir eine der Gruppen untergraben oder zu wenig thematisieren. Wir nahmen daher die Bridge als Vorlage die die Stärke von beiden Gruppen vereinte und ebenso einen guten Ein- wie Ausklang bildete.“ Besser hätte ich nicht auf die Frage antworten können. Es zeigte sich deutlich, dass Natsuki ebenfalls ein Profi war und wesentlich vielschichtiger als es der Anschein hatte. Ich griff zu meinem Glas, während ich mich weiter auf das Geschehen konzentrierte. Selbst jetzt waren Heavens und Starish gut synchronisiert, wahrten aber auch die Distanz die man als Konkurrenz durchaus haben sollte. An sich war diese Konferenz nichts Ungewöhnliches. Die Journalisten stellten Fragen zu den Liedern, woher die Inspiration dafür kamen und so weiter. „Uns ist aufgefallen, dass die Songs anders klingen als ihre anderen bzw. als das Letzte von Heavens. Wie ja bekannt ist, war an den älteren Songs und jenen von Heavens derselbe Songwriter beteiligt. Gerüchten zufolge soll ein neuer Songwriter den vergangenen ersetzt haben.“ Kaum dass diese Aussage gefallen war, gefror mir das Blut in den Adern und ich verkrampfte mich. Selbst in der Mimik von den Starish-Jungs konnte man pures Entsetzen sehen. „N-Nun... es ist so dass...“ Versuchte Otoya irgendwie die Situation zu retten, allerdings war deutlich dass er reagiert hatte, bevor er überhaupt über eine Aussage nachgedacht hatte. „Es wird niemand ersetzt. Jeder entwickelt sich im Laufe seiner Karriere und ich denke in den Songs kann man deutlich eine Entwicklung sehen“, erklärte Eiji und lächelte ins Publikum. „Das mag ja sein, aber warum so eine drastische Entwicklung? Ebenso diese spontane Aktion bei Charity-Event, sie passt nicht in das Image, welche beide Gruppen bisher aufgebaut hat. Hatte das ebenfalls mit dem Ersatz-Songwriter zu tun?“ „Wie schon erklärt entstand die Bridge aufgrund des Wunsches eines der Kinder.“ Man sah Masato an, dass ihm die Situation unangenehm wurde und doch konnte man ihn nur dafür beneiden, dass er wirklich diese Ruhe bewahrte. „Wurde die Bridge von dem Ersatz geschrieben?“ Eine Faust knallte auf den Tisch und die Kameras wandten sich zu Yamato, der ernst zu den Journalisten sah. „Niemand der an diesen Song beteiligt war, wird der Ersatz für eine Person. Das ist absolut absurd. Jeder Mensch ist einzigartig, genauso wie diese Songs einzigartig sind, was das Medley deutlich unter Beweis stellt, denn es spricht seine ganz eigene Sprache. Dennoch tragen alle Lieder deutlich die Handschrift von Heavens und Starish!“ Seine Stimme glich wieder dem Brüllen eines Löwen, was deutlich machte, dass etwas an den Fragen die die Journalisten gestellt hatten, ihm gegen den Strich ging. „Aber Hyuga-kun, Sie müssen doch zugeben, dass die Lieder anders sind. Warum also, wenn es nicht ein anderer Songwriter ist. Und woher kommen die Gerüchte über einen Ersatz?“ „Es sind eben Gerüchte, nicht mehr und nicht weniger. Ich frage sie, haben die Songs ihrer Meinung nach Heavens oder Starish in ein schlechtes Bild gerückt?“ Noch bevor Yamato hatte antworten können, hatte sich Van zu ihm gebeugt und ihm das Wort abgeschnitten. „Meine Damen und Herren, wir bitten sie keine weiteren Fragen zum Songwriter der Lieder zu stellen, oder wir sehen uns gezwungen die Konferenz zu beenden.“ „Aber die Öffentlichkeit will das wissen! Gibt es nicht doch einen Ersatz-Songwriter? Was wenn mit Nanami-san mal etwas passiert? Kann Starish dann mit einem Ersatz arbeiten?“ Immer mehr Fragen in Richtung eines Ersatz-Schreibers wurden laut und schließlich passierte das, was angedroht wurde. Die Konferenz wurde abgebrochen. Seufzend schaltete Syo den Fernseher aus und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht was sie anderes erwartet haben. So etwas muss doch passieren wenn man einen Ersatz an die Arbeit lässt“, murmelte er und versetzte meinem blutenden Herz erneut einen Stich. „Harukas Songs sind einzigartig, die kann niemand imitieren.“ Ich hatte doch mein bestes gegeben, damit es so gut wie nicht auffiel und doch hatte ich versagt. Egal wie großartig die Songs auch sein würden, mir war es nicht gelungen Starish oder Heavens gerecht zu werden. „Ganz recht, niemand kann Nanami-san ersetzen...“, flüsterte ich leise und kämpfte gegen den aufkommenden Kloß an. „Erenya, Syo meinte nicht-“ „Nein, es ist schon okay.“ Ich unterbrach Cecil, denn noch mehr Ausflüchte brauchte ich nicht. „Ich bin Ich. Das heißt ich kann nur Songs schreiben, wie Ich sie schreiben würde und ich werde auch diesen Song schreiben. Egal ob ihr mich akzeptiert oder nicht. Aber... ich werde euch nicht im Stich lassen, das habe ich versprochen.“ Kapitel 4: Between the secrets ------------------------------ Ernst sahen Syo und ich einander an. Sollte er doch der Meinung sein, dass Haruka besser war. Immerhin hatte sie Starish gegründet. „Ich will dir nur noch eines sagen, es ist absolut unprofessionell, wie du dich benimmst, Kurusu-kun. Es gibt genug Idolgruppen da draußen die keinen persönlichen Songwriter haben. Diese müssen sich immer auf eine andere Person einstellen. Genauso wie ich ein Songwriter bin, der sich immer auf neue Dinge einstellen muss. In der Regel schreibt ein Songwriter nicht ein Lied dass auf die Personen zurecht geschnitten ist, sondern auf das Thema, welches vorgegeben wird. Es heißt es wird ein Liebeslied gebraucht, also wird eines geschrieben. Der Auftraggeber wünscht einen historischen Touch, also muss das umgesetzt werden. Und ich habe schon einige solcher Jobs gehabt. Doch ihr seid was besonderes. Für euch gibt es keine Themen, weil ihr bei jedem strahlt und so ein warmes Gefühl vermittelt und das liegt daran, dass die Lieder Ausdruck eines jeden von euch sind. Es ist also nicht leicht für mich, so etwas umzusetzen und doch versuche ich es mit allem Wissen was ich über euch habe. Auch wenn du es mir nicht glaubst, aber ich bin ein Fan von euch. Ich habe jeden eurer Auftritte gesehen, jede CD gekauft, jedes Merchandise besorgt, so gut es ging, selbst wenn es limitiert war. Deswegen werde ich sicher nichts tun, was Starish schadet und dass die Presse es bemerkt hat, regt mich auch auf, denn für mich als Songwriter heißt es, dass ich versagt habe. Aber das liegt auch nur daran, dass ich nicht Nanami-san bin. Dass ich euch nicht den ganzen Tag begleiten kann. Und ja ich kann es nicht. Ich habe mir ein Privatleben hier aufgebaut, habe Freunde mit denen ich gerne Zeit verbringe, schreibe einen Blog mit selbstgemachten Geschichten, schreibe privat das ein oder andere Lied, zocke Videogames und noch viel mehr. Noch dazu hab ich nie den Luxus bekommen in dieses Gebäude hier ziehen zu dürfen. Ich muss jeden Tag über eine Stunde von A nach B fahren nur um meinen verdammten Job machen zu können. Ich habe auch keine Limousine, die mich fährt. Deswegen, ihr könnt von mir erwarten was ihr wollt, aber nicht das ich Nanami-san werde.“ Der Frust der letzten Wochen und Tage war einfach aus mir herausgeplatzt und das nur, weil ich mich von Syo angegriffen fühlte. Ich hatte nicht einmal das Gefühl diesen Song heute noch schreiben zu können. „So, und nachdem ich das klar gestellt habe, entschuldigt mich. Ich glaube ich bringe heute nichts mehr zustande, wenn ich länger hier bleibe. Shining hat mir euren Terminplan gegeben, ich werde morgen Nachmittag wieder hier sein. Und dann schreiben wir diesen Song.“ Ich nahm meine Sachen und packte sie in die Tasche, deutlich zum Ausdruck bringend, dass ich es wirklich ernst meinte. Sie hielten mich auch nicht auf, was mir noch einmal deutlich machte, dass sie im Augenblick wohl genauso wenig mit mir arbeiten konnten. Immerhin in diesem Punkt waren wir uns einig. Aber schön.   Ich saß im Zug, als ich Mira anrief und wartete, dass sie ran ging. Meines Wissens nach waren heute keine Aufnahmen angesetzt, so dass ich mir sicher war, dass sie mit mir reden konnte. Sonst hätte ich wohl eine einfache SMS geschrieben. „Ich hab dich nicht so früh erwartet“, begrüßte sie mich und ich musste Lächeln. Zwischen uns beiden gab es kein einfaches „Hallo“ wenn wir miteinander sprachen. Meist kamen wir gleich zum Thema, was einfach nur gelingen konnte, weil wir den Namen der Anderen auf dem Display sehen konnten. „Es lief nicht so optimal.“ „Wieso?“ Ich seufzte und wusste, dass Mira es hören könnte. Sie hörte alles, zumindest vermutete ich das. Es hätte mich zumindest nicht gewundert, wenn sie selbst meinen aufgeregten Herzschlag hören konnte. „Es lief schon nicht so gut wegen dem Song, doch dann kam diese Pressekonferenz im Fernsehen und naja...“ „Oh richtig. Ich hab mir schon gedacht, dass es dich treffen würde, wenn du davon hörst. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass es so früh passiert.“ „Und die Jungs sind nicht erfreut. Was wenn ich wieder versage, Mira?“ „Du hast nicht versagt. Natürlich ist der Song anders und ja die Presse wartet nur auf den ersten großen Skandal bei Starish, aber lass dich davon nicht runterziehen. Du hast einen tollen Job gemacht und Starishs Fans werden das auch so sehen. Selbst wenn jetzt Gerüchte aufkommen sollten, dass Starish einen Imagewechsel macht, es sind immer noch Starish und du hast ihren Charme in deiner Weise eingefangen.“ Ich schwieg und ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Sie hatte ja Recht. Selbst Haruka hatte gemeint das der Song gut war. Vielleicht würde das ganze auch nicht so schlimm sein wie ich jetzt erwartete. „Hast du schon eine Idee für den Song?“, fragte Mira nach einiger Zeit und ich musste unwillkürlich lächeln. „Erinnerst du dich an den Tag in Shinings Schule als die Songwriter Idols sein sollten und die Idols Songwriter?“ „Oh bitte erinnere mich nicht daran. Es war grausam. Wir haben an dem Tag kaum einen ordentlichen Song zustande bekommen.“ Mira lachte am anderen Ende der Leitung und ich stimmte mit ein. So grausam wie sie es sah, war es nicht einmal gewesen. Es hatte schon den ein oder anderen guten Song gegeben, irgendwie. „Wir haben an dem Tag aber viel gelernt. Wie es sich anfühlt ein Idol zu sein und wie viel Arbeit es ist.“ „Und wie viel auf einem lastet, wenn man einen Song schreiben muss. Es war wirklich lehrreich. Noch dazu hatten wir verdammt viel Spaß an diesem Tag. Ich kann mich noch an dein Gezettere erinnern, als du zum Tanztraining musstest.“ „Ich erinnere mich nur daran, dass du mir einen harten Rocksong schreiben wolltest.“ „Du bist immer die Personifizierung von Rock!“ Synchron lachten Mira und ich los und obwohl ich ein paar Augen auf mir spürte, war es mir egal, was die Menschen in der Bahn von mir dachten. Solange ich bei Mira war oder mit ihr sprach, machte ich mir nie wirklich was aus anderen. „Und du meinst ich kann diesen Song rocken?“ „Du kannst alles was du dir in den Kopf setzt und ich bin mir sicher, du hast dir bereits in den Kopf gesetzt diesen Song zu schreiben. Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.“ „Werde ich machen. Danke für alles, Mira.“ „Dafür sind Freunde doch da. Wir hören uns.“ Genauso wie unsere unvermittelten Begrüßungen waren auch unsere Abschiede etwas abrupt. Wahrscheinlich lag es daran, dass Mira meist auch etwas zu tun hatte und nicht Stundenlang reden konnte. Aber schon die paar Minuten die ich ihre Stimme hörte, taten mir einfach nur gut. Doch an diesem Tag hatte Mutter Schicksal nicht gerade vor mich mit Samthandschuhen anzufassen. Kaum dass wir aufgelegt hatten, erhielt ich eine SMS. Von Shining Saotome. Sie hatte eine gewisse Dinglichkeit.   Als ich den Konferenzsaal in Shinings Agentur betrat erschlug es mich förmlich mit meinen Otome-Hormonen. Dort saßen sie, 18 gutaussehende, heiße Jungs, die ich mochte, von denen ich in gewisserweise Fan war und die alle nicht sonderlich erfreut schienen. Nachdem ich Shinings SMS gelesen hatte, war mir ja schon klar gewesen, dass diese Konferenz mit Heavens und Starish stattfinden würde, dass nun aber auch Quartet Night hier war, überraschte mich doch schon. Ausnahmsweise war ich aber nicht die letzte, denn sowohl Shining als auch Raging waren noch nicht da. Ich suchte mir also einen Platz, wie gewohnt weit abgelegen von den meisten und setzte mich hin. Den Song für die restlichen Starish-Mitglieder konnte ich nun also vergessen. Denn heute würde ich garantiert nichts mehr zustande bekommen, soviel stand fest. Wenn ich endlich nach Hause kam, würde ich mich ins Bett legen und einschlafen oder eben etwas zocken und dabei einschlafen. Wäre ja nicht das erste Mal gewesen. Die Stimmung im Konferenzsaal war angespannt und ich war ehrlich froh, dass keiner der Jungs wirklich das Gespräch mit mir suchte. Gerade nach meinem Auftritt vom Nachmittag war es mir unangenehm gerade die S-Class und Cecil wieder zu sehen. Die Erlösung kam, als Raging und Shining den Saal betraten, ausnahmsweise durch die Tür, und ernst in die Runde sahen. Ich hoffte, dass es ernst war, hinter ihren Sonnenbrillen ließ sich nicht ganz so viel vermuten. Sie liefen ohne ein Wort zu sagen zu ihren Plätzen und setzten sich hin. Von meinem Sitzplatz aus hatte ich sogar das Gefühl unbeteiligt zu sein, eher ein Zuschauer der mal Mäuschen spielen durfte, die Wahrheit war aber eine ganz andere. „Worum geht es?“, fragte Eiichi nach einiger Zeit, als weder Shining noch Raging gewillt waren den Anfang zu machen. „Die Pressekonferenz heute lief nicht so gut. Morgen sollen die drei Songs als Digitalrelease auf den Markt kommen. Die Credits für den Song, wer ihn schrieb, sollten aber erst in fünf Tagen bei den Booklets vermerkt sein. Wie es scheint gab es einen Leak, der zu den Gerüchten führte, die thematisiert wurden.“ „But, an diesen diesen Gerüchten ist nichts dran. Miss Tailor ist nicht der Ersatz für Miss Nanami“, erklärte Shining womit er wohl auch gleich Starish klar machen wollte, dass mein Dasein nur temporär war. „Allerdings, wissen wir nicht wann Miss Nanami wieder einsatzfähig ist, weswegen es nicht ausgeschlossen ist, dass Miss Tailor auch für Quartet Night Songs schreiben wird“, setzte er nach und mir rutschte automatisch das Herz in die Hose als ich das hörte. Im Prinzip sagte Saotome gerade, dass ich wohl keine mir gewohnten Jobs mehr bekommen würde, solange Haruka aus dem Rennen war. Und wer wusste schon, wie lange diese Blockade bei ihr noch anhalten würde. „Wo ist Haruka?“, fragte Otoya plötzlich und stand dabei auf. Ihm war deutlich anzuhören, dass er sich um Haruka sorgte. Kaum dass seine Frage gestellt war, konnte ich aber ein zufriedenes Aufblitzen hinter Saotomes Brille wahrnehmen. Eine Zufriedenheit die mir galt. „Miss Nanami ist vorerst für unbestimmte Zeit im Urlaub, damit sie sich um ihre privaten Dinge kümmern kann.“ „Geht es Nanami-sans Großmutter immer noch nicht gut?“ Auf Masatos Frage hin schwieg Saotome und ich wünschte er hätte einfach Ja gesagt. Vielleicht wären die Ereignisse dann nicht so schlimm eskaliert. „Hat Haruka Schwierigkeiten? Ihre Sachen sind nicht mehr in ihrem Zimmer und wenn sie Probleme hat, wäre es vielleicht besser, wenn wir davon wissen. Wir könnten ihr helfen, immerhin ist sie unsere Freundin.“ Cecil war so unglaublich süß, nur schade, dass seine einzig wahre Prinzessin immer nur Haruka sein würde. Ein Grund mehr sie zu hassen. Doch ich konnte es nicht. „Und wie wollt ihr ihr helfen, wenn sie Probleme hat?“, warf Camus ein der deutlich nicht amüsiert war. Sicherlich gefiel Quartet Night diese Nachricht genauso wenig wie Starish, aber sie hatten immer noch eine gewisse Distanz zu Haruka, so dass es ihnen wahrscheinlich leichter fiel ihre privaten Sorgen in diesem Moment zu unterdrücken und sich auf die Arbeit zu konzentrieren. „Wir finden sicher einen Weg“, konterte Syo und innerlich musste ich genervt aufseufzen. Natürlich würden sie einen Weg finden... Ironie Button off. „Miss Nanami wird zurückkehren, sobald sie es für richtig hält. Solange werdet ihr mit Miss Tailor arbeiten. Diskret. Niemand wird mehr irgendetwas über den Verbleibt von Miss Nanami sagen oder sich auf jegliche Fragen zum Songwriter äußern. Understood?“ „Aber, was ist mit Haruka dass sie es für richtig halten muss, zurück zu kehren?“ Saotome schwieg und sah in die Runde. Er wusste schon wie er mit Starish umgehen musste und wahrscheinlich wusste er ebenso, dass er bereits jetzt zu viel zu Haruka gesagt hatte. „Wir können sie sich zurückholen, wenn wir sie bei ihrer Großmutter besuchen.“ „Das werden Sie nicht tun“, schritt nun Raging ein, der Tokiya fixierte wie ein Raubtier das darauf wartete seine Beute erlegen zu können. „Aber wenn wir mit Haruka reden kann ihr das helfen. Außerdem könnte sie Erenya ein paar Tipps zum schreiben geben, damit so etwas wie bei der Pressekonferenz nicht noch einmal passiert“, äußerte sich Otoya und versuchte dabei noch so unparteiisch wie möglich zu klingen. „Otoyan, willst du damit sagen, dass Ere-chan keine gute Arbeit geleistet hat?“ Reiji brachte sich nun ein und beugte sich etwas vor, so dass sein Kouhai deutlich das Lächeln auf seinen Lippen sehen konnte. Otoya zuckte etwas zurück und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. „N-Nein das nicht.“ „Warum sollte sie dann Tipps von Kouhai-chan brauchen?“ Otoya schwieg, denn darauf schien er keine Antwort zu haben. „Nanami könnte ihr helfen unsere Arbeitsweise besser zu verstehen“, konterte dafür Tokiya. „Tch!“ Mein Blick glitt zu Camus, der die Arme verschränkte und Starish mit giftigen Blicken fixierte. „Meine Daten sagen, dass Tailor-sans Song nur um gut zwanzig Prozent anders ist als jene die Nanami-san schreibt. Dasselbe trifft auf den Song von Heavens zu. Dennoch hat sie überwiegende Gemeinsamkeiten mit den bisherigen Songs getroffen und sowohl Starishs als auch Heavens' starken Attribute zur Geltung gebracht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fan mit ungeschulten Ohr diese zwanzig Prozent heraushören wird ist gering. Allerdings weißt meine Datenbank diverse gleiche Samples auf, die diesen zwanzig Prozent ähneln, welches ein laut den gegeben Informationen ebenfalls Songs von Tailor-san sind. Das heißt die zwanzig Prozent Differenz in den Liedern kommen zustanden, da sie die Handschrift des Songwriters. Was ihr jetzt also verlangt ist diese Differenz zu beheben, indem sie Nanami-san imitiert oder kopiert.“ Mit großen Augen sahen die Jungs zu Ai, der so monoton seine Analyse heruntergeleihert hatte, dass selbst ich erstaunt war. Und dennoch, er setzte sich gerade für mich ein, auf eine sehr spezielle Weise. „Nein das nicht-“ „Dann hört auf und respektiert ihre Arbeit!“, brummte Yamato, der am Fenster stand und hinaussah. „Das tun wir ja aber-“ „Es reicht. Fakt ist Miss Nanami ist momentan nicht in der Lage Songs zu schreiben und wir haben eine fähige Songwriterin gefunden. Wir werden die Sache um Miss Nanami diskret behandeln.“ Damit war das letzte Wort gesprochen und Saotome erhob sich von seinem Platz. So wie er den Raum betreten hatte, verließ er ihn gemeinsam mit Raging und ließ die drei Gruppen, samt mir, zurück. „Wir müssen unbedingt zu Harukas Großmutter fahren“, fing Otoya plötzlich an, nachdem er sich scheinbar sicher war, dass Shining ihn nicht hören konnte. „Habt ihr Saotome nicht zugehört?“, fragte Camus brummend, alles andere als erfreut, dass diese Diskussion nun in die zweite Runde ging. „Wir sollen die Sache um Nanami diskret behandeln. Wir fahren sie doch nur besuchen.“ „Mitten in der Nacht?“, fragte ich und hatte nun die Aufmerksamkeit der Jungs auf mir liegen. „Mal ehrlich, es ist sehr spät. Und die Wahrscheinlichkeit das Nanami-san nun im Bett liegt und schläft ist sehr hoch. Wollt ihr sie wirklich wecken?“ „Ere-chan hat Recht. Um diese Uhrzeit besucht man sein Mädchen nicht, wenn man keine zweideutigeren Wünsche hat.“ Reiji lächelte und ich konnte sehen, dass bei dem ein oder anderen Starish-Mitglied ein roter Schimmer auf den Wangen aufleuchtete. Ausnahmsweise waren seine perversen Andeutungen doch mal zu etwas mehr gut als Haruka in Verlegenheit zu bringen. „Wir sollten alle nach Hause gehen und selbst eine Mütze Schlaf nehmen. Das kann nicht schaden. Überstürzt etwas zu tun ist niemals gut.“ Die Jungs dachten scheinbar wirklich darüber nach. Ein gutes Zeichen. Es fehlte nur noch ein kleiner Stoß in die richtige Richtung. Ein winzig kleiner. „Was würde Kouhai-chan sagen, wenn sie wüsste, dass ihr nicht genug Schlaf bekommt?“ Ein Lächeln zeichnete sich auf Reijis Gesicht ab, als dieser zu Starish sah. Er war es, der den Plan der Jungs über Bord warf. „Wahrscheinlich habt ihr Recht. Wir sollten alle nach Hause und schlafen.“ Erleichtert hörte ich, wie Tokiya nachgab. Und er schien für alle zu sprechen, denn sie erhoben sich und machten damit deutlich, dass es Zeit zu gehen war.   Ich war noch etwas länger im Konferenzsaal geblieben um mein geistiges Chaos etwas zu ordnen. Ich wusste ja was mit Haruka los war und es war mein Geheimnis. Eines, dass ich nicht erzählen durfte. Doch irgendwie machte es mir das ganze noch viel schwerer. Es wäre so einfach gewesen Starish alles zu sagen und sie damit von dummen Ideen abzuhalten. Oder mich in die ganze Sachen reinzuziehen und als Ausrede zu benutzen. Als mehr hatte ich ihren Versuch Saotome zu überzeugen nicht gesehen und das ärgerte mich. Gleichzeitig ehrte es mich aber, dass Quartet Night und Heavens mich irgendwie verteidigt hatten. Oder Starish von ihren Plan Haruka zu besuchen, abbrachten. Vielleicht lag es einfach daran, dass sie bereits Erfahrung damit hatten mit anderen Songwritern zu arbeiten. Dennoch es störte mich und ich würde die Nacht wohl nicht gut schreiben können. Zumal ich mir Sorgen darum machte, was ich tun sollte, wenn mal nicht Heavens und Quartet Night in der Nähe waren und ich die Jungs von dummen Gedanken abbringen musste? Haruka hatte sie mir immerhin anvertraut. Ich sollte an ihrer Seite bleiben, damit sie auch weiterhin ihren Kopf aufrecht halten konnten. Doch das war ein Mammutsprojekt. Ich seufzte und nahm meine Tasche. Zum zweiten Mal an diesem Tag würde ich zur Bahn laufen und mich auf den Weg nach Hause machen. Hoffentlich müsste ich dieses Mal aber nicht mitten auf dem Weg aussteigen und kehrt machen. Mit meiner Kapuze tief ins Gesicht gezogen, verließ ich das Gebäude und stellte erstaunt fest, dass dort, auf dem Parkplatz immer noch ein kleiner grüner VW Käfer stand, an dem eine Person gelehnt stand und auf jemanden zu warten schien. Ich wusste wer diese Person war und fragte mich, ob einer seiner Freunde wohl einen Abstecher in aufs Klo gemacht hatte, was ich aber eher für unwahrscheinlich hielt. Immerhin hatte ich geschlagene zehn Minuten alleine im Konferenzsaal verbracht um meine Gedanken zu ordnen. Da mein Weg mich sowieso an dem Auto vorbei geführt hätte, näherte ich mich der Person, bereit ein „Gute Nacht“ zu sagen, sobald ich sie passierte. Doch plötzlich löste er sich von dem Auto, zog eine Hand aus der Hosentasche und winkte. Verwundert und neugierig wandte ich meinen Kopf um, da ich wissen wollte, auf wen er gewartet hatte, doch da war niemand, außer mir. Das konnte also nur bedeuten, dass dieses Winken mir galt, oder? Vorsichtig und unsicher hob ich meine Hand und winkte zurück, woraufhin das Lächeln auf Reiji Kotobukis Gesicht breiter wurde. Nun konnte ich nicht mehr vorbei gehen und einfach nur eine gute Nacht wünschen. „Kotobuki-senpai, was machst du noch hier?“ Meine Verwunderung war aufrichtig, immerhin waren Quartet Night meines Wissens nach zusammen gezogen und versuchten das ein oder andere gemeinsam zu unternehmen, einfach um ihre Gruppe zu stärken. Daher hatte ich auch geglaubt, dass sie den Heimweg gemeinsam antreten würden. „Ich hab auf dich gewartet, Ere-chan.“ Ungläubig sah ich Reiji an und blinzelte ein paar mal um mir zu versichern, dass er wirklich noch vor mir stand und nicht nur Einbildung war. Das zweite Mal in meinem Leben, dass ich eine Person so ansah. Die erste war Shicchi. „Auf mich? Wieso?“ „Ich dachte eine kleine Fahrt am Abend könnte nicht schaden. Das bringt einen auf andere Gedanken. Außerdem teile ich mein Hobby gerne mit anderen. Und schau sie dir an, sie wartet darauf von dir bewundert zu werden. Sowohl von innen als auch von außen.“ Mit seinen Händen wies Reiji auf den Käfer, der als sein Heiligtum galt. Hübsch war er ja. Nirgendwo konnte man auch nur ein Staubkorn ausmachen. Selbst am Abend blitzte und blinkte sie und auch die Radkappen sahen aus wie neu. Ein deutlicher Beweis dafür, dass Reiji dieses Auto wirklich liebte. „Und du willst sie mit einem anderen Mädchen eifersüchtig machen?“ „Wir führen eine recht offene Beziehung.“ Ich hob eine Augenbraue und sah in Reijis lächelndes Gesicht. Er war wirklich eine Dauergrinse, doch dahinter verbarg sich etwas trauriges, dunkles. Etwas das ihm wohl keiner seiner Fans zumuten würde. Und auch etwas total perverses, was mich verunsicherte. Denn mit ihm wollte ich heute Nacht sicher nicht das Erwachsenwerden feiern. „Tut mir leid, dass ich ablehnen muss. Ich würde gerne endlich nach Hause fahren und einfach nur ins Bett fallen.“ „Ich kann dich fahren.“ „Nein nein, ich will dir nicht zur Last fallen.“ „Steig ein.“ Er öffnete die Tür ohne etwas zu meinen Einwand zu sagen und ließ mir damit nicht einmal eine Wahl. Das war eben typisch für Reiji. Er hatte sich etwas in den Kopf gesetzt und egal was man dagegen sagen würde, er würde es dennoch tun. „Du weißt nicht wo ich wohne.“ Und ich war stur genug es dennoch zu versuchen. Das Grinsen in Reijis Gesicht sagte mir aber, dass ich keine Chance hatte. „Dann sagst du es mir eben. Alles kein Problem.“ Ich seufzte, denn nun gingen selbst mir die Ausreden aus. Ohne weitere Diskussion stieg ich in den Käfer und just in dem Moment kam mir ein Gedanke, über den ich mich ärgerte, dass ich ihn nicht schon früher geäußert hatte. Die Tür fiel aber hinter mir zu und ich wusste, dass es zu spät war. Meine Mom wäre sicher nicht stolz darauf gewesen. Sie hatte mir immer gesagt, dass ich nicht mit Fremden mitgehen sollte. Dennoch schnallte ich mich an und ergab mich dem Schicksal, dass nun ein weiteres Mitglied des Uta Pri Fandoms meine Adresse erfahren würde. War ja nicht so als wüsste es nicht schon die Hälfte von Heavens oder Starish. Ich wartete, dass Reiji seinen Platz eingenommen hatte und sich selbst angeschnallt hatte, bevor ich zu dem Rückspiegel sah, an dem eine kleine Reiji Kotobuki Figur hing. Ich stippte sie kurz mit dem Finger an, so dass sie hin und her wackelte. „Niedlich der Kleine was?“ „Mh... wenn du nun noch Reiji Kotobuki Bettwäsche, seine Singles und anderes Merch hast, würde ich behaupten du bist ein Fan... von dir selbst.“ Reiji lachte, sagte aber nichts zu meinem Kommentar, sondern startete den Wagen und fuhr los. „Und dein coole Katzenjacke sagt mir, dass du ein Fan von Katzen bist.“ „Ein wenig.“ Ein wenig sehr. Reiji bemühte sich wirklich ein Gespräch zu suchen, ich hingegen versuchte Gespräche zu vermeiden, um bloss nicht wieder das empfindliche Thema Haruka anzuschneiden. Ich brauchte niemanden mehr, der mir sagte wie unglaublich toll sie doch ist und dass sie die Persönlichkeit einer Person in ihren Liedern festhalten konnte. „Ist das nicht die Jacke, die auch diese Pfötchen-Handschuhe hatte?“ „Jap. Die sind im Winter echt flauschig, auch wenn man damit nichts anfassen kann. Aber man kann die Pfötchen heben und Rawrrrrr machen.“ Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich das immer tat, wenn ich mit Mira unterwegs war und wir freundschaftlich diskutierten. Mein Rawrrr gewann immer. „Das würde ich gerne mal sehen.“ „Es ist momentan nicht kalt genug für die Handschuhe. Das wird also bis zur nächsten Kältewelle warten müssen.“ Ich schwieg wieder und fragte mich ob ich gerade Mist gebaut hatte. In der Regel hätte ich wohl mit einem „Natürlich ich kann sie dir gerne gleich zeigen“ antworten müssen. Aber gerade an meinen schlechten Tagen war ich nicht so schnell beim schalten. Reiji bemerkte das sicher und wenn mich nicht alles täuschte, wusste er auch wieso das so war. „Dein Song vom Charity-Event hat wirklich Eindruck hinterlassen. Als ich ihn gehört habe, erinnerte ich mich an etwas.“ Fragend sah ich zu Reiji und er lächelte, während er auf die Straße sah. Sein Gesicht war von den Laternen beleuchtet und von den bunten Leuchtreklamen der Läden, an denen wir vorbei fuhren. „Ich musste mal für ein Spiel einen Charakter synchronisieren. Einen Samurai, blutrünstig, verspielt, stark... Jedenfalls ich musste einen Charaktersong für ihn einspielen und der Song war echt gut geschrieben. Er passte zu der Figur.“ Ich erinnerte mich dunkle an diesen Song. Denn ich hatte ihn als Auftrag geschrieben. Damals hatte aber noch nicht festgestanden, wer seine Rolle sprechen sollte. Demnach hatte ich den Charaktersong versucht so zu schreiben, dass es die Figur verkörperte. Wild, ungebändigt, aber doch leicht. „Genauso hat der Song gepasst. Sowohl zu Starish als auch zu Heavens. Du kannst stolz auf diese Leistung sein und musst dir keine Sorgen machen. Ihre Fans werden den Song lieben.“ Mir wurde auf einmal klar, warum Reiji gewartet hatte. Er wollte mich scheinbar aufmuntern und glaubte, dass eine Fahrt in seinem kleinen Käfer das richtige war. „Danke, Kotobuki-senpai. Aber, dass ist gar nicht mal so mein Problem. Sicher, der Song ist gut. Aber... was wenn er eben nicht gut genug ist und ich etwas kaputt mache damit. Ich möchte nichts zerstören was Nanami-san zusammen mit Starish aufgebaut hat.“ „Ich glaube nicht, dass du etwas zerstörst.“ „Ich denke schon. Die Presse hat es gemerkt und sicher werden es viele andere merken. Ich bin eben nicht Nanami-san“ „Ich denke eher, dass sie merken werden was für Potential noch in Starish steckt. Und für dich ist es auch eine gute Chance der Welt zu präsentieren, was du kannst.“ Ich seufzte leise und sah aus dem Fenster. Es war eindeutig, dass Reiji mich ermutigen und aufmuntern wollte. Ganz der Senpai eben. „Vielleicht habe ich gerade davor Angst. Es ist zu früh. Ich habe noch nicht gefunden was mir fehlt.“ „Was dir fehlt?“ „Nach meinem Abschluss an Shinings Schule und meinem Debüt als Songwriter, dachte ich ich könnte weiterhin nur für Mira und Hiroki schreiben. Doch Shining meinte es sei besser wenn ich Erfahrungen sammle. Und im Master Course würde ich sie nicht finden, weswegen ich auch nicht dort wohne. Offiziell hieß es, es seien keine Zimmer frei. Am Anfang war es nicht leicht aber irgendwie habe ich mich durch jeden Job gebissen. Dabei habe ich auch meine eigene Art zu arbeiten gefunden, was jetzt nicht immer optimal mit Shining lief. Und doch-“ „Hat er dir immer die Jobs gegeben für die du am besten geeignet warst. Das ist Shinys Talent. Er hätte dir sicher auch nicht diesen Job gegeben, wenn er nicht wüsste, dass du ihn am besten erledigen kannst. Deswegen, mach dir keine Sorgen. Es ist so wie Ai-Ai sagte. Der Song ist ein Starish Song, auch wenn er etwas anders klingt, aber er hat immer noch diesen Impakt, den Starish immer hat.“ Ich wusste, dass Reiji Recht hatte. Doch ich konnte nicht vergessen wie die Presse darauf reagiert hatte, dass jemand anderes diesen Song geschrieben hatte. „Was wenn sie nach Nanami-san suchen? Wenn die Presse sie bedrängt, Nanami-san daran zerbricht und nie wieder schreiben kann?“ „Wer sagt, dass sie nicht gerade jetzt einen Song für Starish schreibt?“ Ich schluckte schwer und ohrfeigte mich dafür, dass ich beinahe Harukas Geheimnis ausgeplaudert hätte. „Stimmt. Vielleicht sitzt sie gerade bei ihrer Großmutter, pflegt sie und schreibt einen unglaublich tollen Song für jeden von ihnen. Und für Quartet Night und Heavens gleich mit.“ „Irgendwie hoffe ich das. Was nicht heißen soll, dass Quartet Night nicht auch deine Songs singen würde. Auch wenn ich gestehe, dass ich unsere Kouhai manchmal beneide dafür dass sie Kouhai-chan haben.“ Ich hob eine Augenbraue und sah Reiji an. Wahrscheinlich war das was er zu Haruka gesagt hatte, wirklich ehrlich gemeint. Er liebte sie, weil sie gesehen hatte, wer er wirklich war. Kein Wunder also, dass er Starish beneidete. In diesem Punkt waren wir uns sehr ähnlich. Ein Gedanke der mich schmunzeln ließ. „Ich hoffe sie werden niemals erfahren was du mir hier gerade gesagt hast, Mr. I-stole-your-girlfriend-with-my-band Kotobuki.“ „Hey! Das ist nicht sehr nett so etwas zu sagen. Ich stehle niemanden seine Freundin.“ In Anbetracht der Tatsache, dass ich diesen Insider wegen seiner Folge aus Season drei mit Shicchi erschaffen hatte, konnte ich nicht anders als zu lachen. Er versuchte zwar sich zu verteidigen, aber er war dabei nicht sehr überzeugend und versuchte scheinbar nicht einmal überzeugt zu sein. „Ich hoffe, dass ich, sollten wir einmal zusammenarbeiten, auch dieses Lächeln sehen kann.“ Mein Lachen verstummte und wich dafür einem verlegenen Lächeln. Reiji hatte es echt drauf die richtigen Knöpfe zu drücken. Hätte ich einen Freund gehabt, ich hätte mir just in diesem Augenblick gewünscht, dass Reiji mich ihm stehlen würde, auch wenn mich das zu einem bösen Mädchen machte. „Und genau deswegen nennen meine beste Freundin und ich dich Mr. I-stole-your-girlfriend-with-my-band. Aber, danke für die Aufmunterung.“ „Das muss eine gute Freundin sein.“ „Sie ist die beste. Aber leider nicht hier. Ich musste sie da zurücklassen wo ich herkam und leider klappt die Kommunikation nicht ganz.“ „Habt ihr euch gestritten?“ „Nein. Es ist schwer zu erklären. Oder eher nicht. Von Deutschland nach Japan zu telefonieren ist verdammt teuer. Und da wir beide arbeiten ist das mit dem E-Mail schreiben so eine Sache. Noch dazu hat sie einen Freund der hin und wieder auch mal ihre Aufmerksamkeit möchte. Aber wenn sie mir schreibt, macht sie mir Mut. Außerdem lese ich hin und wieder alte E-Mails von ihr. Von der aktuellen Situation weiß sie zwar nichts, ebenso wenig das ich an Shinings Akademie war. Wie gesagt es ist schwierig und dennoch sind wir weiterhin Freunde. Und wenn ich irgendwann mal wieder nach Hause komme, werde ich ihr alles erzählen und mit ihr gemeinsam über alles Lachen. Doch dafür muss ich finden was mir fehlt.“ Reiji hörte mir schweigend zu, während er abbog in Richtung Stadt außerhalb. Manchmal konnte er doch der ernste Zuhörer sein. „Ich hab da auch einen Freund mit dem die Kommunikation schwierig ist. Wir reden nicht oft und wenn wir einander sehen, bin ich es wohl, der mehr redet. Aber ich habe dennoch das Gefühl er versteht mich und würde mir sagen, dass ich nicht aufgeben und weiter unseren Traum leben soll. Was ironisch ist, denn ich habe ihm schlimme Dinge angetan.“ „Das ist also die Dunkelheit in deinem Herzen.“ „Huh?“ „Man merkt es nicht auf den ersten Blick. Aber du verbirgst etwas. Eine dunkle Vergangenheit für die du dich grämst, die du nicht wiederholen willst. Quartet Night ist ein echt bunter Haufen, Menschen die eigentlich nicht zusammen passend und doch gibt es ein Bindeglied zwischen ihren Harmonien. Das Bindeglied bist du als ihr Leader. Ich fragte mich oft, warum du das alles tust, warum du so an Quartet Night hängst, mal abgesehen davon, dass du sie magst. Ich habe zwar noch keine Antwort darauf aber... ich werde euch weiter beobachten um sie zu finden.“ „Vielleicht sollte ich dich dann Stalker-chan nennen?“ Ich sah zu Reiji und schmunzelte. Er versuchte gerade das Thema zu wechseln. Wahrscheinlich ging es ihm doch zu nahe. Wir kratzten hier gerade immerhin an seiner Vergangenheit mit Aine Kisaragi. kuruma no SHĪTO de nemuru tenshi ga yume o mitsudzukerareru youni to KĀBU wa yasashiku te o kaesou semete sukoshi o yasuragi o Mir kam dieses Lied ganz spontan in den Sinn. Ein kleines Liebesgeständnis, welches Reiji an Haruka gemacht hatte, nachdem sie über dieses Lied offenbart hatte, dass sie ihn verstand. Oder auch nicht, wie sich gezeigt hatte. Vielleicht verstand sie die Menschen um sich herum nicht, sondern hörte und fühlte sie in Liedern. Anders als ich, die Menschen durch Handlungen, Emotionen, Worte und ihrem ganzen Sein versuchte zu interpretieren und so zu verstehen. kisetsu o nando mo kasanetsudzukeru to jibun no kokoro ni uso ga tsukenaku naru umareta jikan nante nani mo kankei nai takusan no "hajimete" o miseyou Ich war verwundert, als Reiji nach der zweiten Strophe einsetzte. Seine Stimme hatte etwas wehmütiges, etwas dass sein Lächeln, welches er gerade auf den Lippen hatte, Lügen strafte. Doch es war nur ein Hauch Wehmut, den man heraushören konnte, wenn man es wirklich versuchte. mada kienai kimi to sugoshita MEMORĪ isso nani mo kamo o nagesutete kono te de gutto dakishimeta no nara…? kodou ga setsunaku takanatta RABU SUTŌRĪ ga ima hajimaru Ich hatte es nicht mehr gewagt auch nur ein Wort zu singen und lauschte stattdessen Reiji, der von Wort zu Wort inbrünstiger in seinem Gesang wurde und schließlich erkannte ich ihn wieder. Den Mann, den ich immer hörte, wenn ich „Never...“ in meiner Playlist hatte. Doch Reiji stoppte abrupt, als er nach vorne sah. Ich folgte seinem Blick und erkannte, was ihn aus seinem Song gerissen hatte. „Sie wollen doch nicht etwa tun was ich denke...“, murmelte Reiji leise und mir rutschte das Herz in die Hose. Dort standen Starish an der Straße, an einer Bushaltestelle. Ich kannte diese nur zu gut, denn der Bus der hier fuhr würde sie außerhalb der Stadt, in ländlichere Gefilde bringen. Wahrscheinlich dahin, wo Harukas Großmutter lebte. „Kotobuki-senpai halt dort an! Ich darf nicht zulassen, dass sie es tun!“ Panik machte sich breit. Was wenn sie fuhren? Was wenn sie Haruka dort vor fanden? Was wenn dieses Aufeinandertreffen dafür sorgen würde, dass Harukas Blockade nur schlimmer wurde? Das sie sich schlechter fühlte? Auch wenn Starish ihre Freunde waren, ich musste sie vor diesen Jungs beschützen. Ohne meinen Wunsch zu hinterfragen, fuhr Reiji der Haltestelle entgegen und setzte sich sogar vor den Bus, der dort schon drohte zu halten. Ich schnallte mich ab, während Reiji parkte und öffnete die Tür um schnell genug aus dem Wagen steigen zu können. Das Hupen des Busfahrers ignorierte ich gefliesentlich und stürzte stattdessen zu den Jungs. „Was macht ihr hier? Ich dachte wir waren uns einig, dass wir alle nach Hause fahren.“ Deutlich konnte ich sehen, dass die Jungs überrascht waren. Scheinbar hatten sie nicht mit mir gerechnet und im stummen dankte ich Fortuna für diesen Zufall. „Wir wollen zu Haruka. Sie antwortet nicht auf unsere Anrufe und wir wollen mit ihr reden“, erklärte Otoya. „NEIN!“ So schnell meine Beine mich tragen konnte, stellte ich mich den Jungs so in den Weg, dass sie nicht sofort zum Bus gehen konnten, sondern um mich herum laufen mussten. „Nya-chan...“, setzte Natsuki an und versuchte dabei beschwichtigend zu klingen. „Nein, nichts Nya-chan oder dergleichen! Ihr bleibt hier, so wie Shining es gesagt hat.“ „Aber Haruka ist unsere Freundin.“ „Und gerade deswegen sollt ihr auch hier bleiben!“ Ernst sah ich die Jungs an und kämpfte mit dem Gedanken ihnen von dem Brief zu erzählen, allerdings hätte dies ihren Entschluss nur bekräftigt. „Glaubt ihr wirklich Nanami-san wird nicht zurück kommen? Wie wenig vertraut ihr eurer Freundin denn? Denkt ihr nicht auch, dass sie längst Kontakt mit euch aufgenommen hätte oder hergekommen wäre, wenn sie das Gefühl hätte etwas läuft für Starish nicht gut?“ „Aber sie ist nicht hier, dass heißt es läuft mit Starish nicht gut“, konterte Tokiya. „Falsch! Ich bin hier. Und ich würde sagen es schadet Starish mehr, wenn ihr jetzt in diesen Bus steigt.“ „Du bist aber-“ „Ruhe! Wag es nicht diesen Satz auch nur zu denken. Es geht mir gegen den Strich. Ich weiß, dass ihr auf Nanami-san und ihre Art zu schreiben gepolt seid. Aber meint ihr wirklich Starish kann sich entwickeln, wenn ihr nicht auch mal etwas neues probiert. Glaubt ihr Nanami-san würde jemanden wie mir erlauben für euch, ihre Freunde, zu schreiben, wenn sie glauben würde ich wäre schlecht für euch? Oder Shining?“ Die Jungs sahen sich schweigend an. „Wir wollen sie wirklich nur besuchen“, versuchte Cecil mich zu beschwichtigen und eigentlich wäre dies der Punkt gewesen, an dem ich am liebsten nachgegeben hätte. „Und dann?“ „Wie bitte?“ Cecil blinzelte. „Was wenn ihr sie besucht, die Zeit vergesst und so weiter. Ihr habt morgen alle mehr als genug zu tun. Wir müssen morgen noch diesen Drama-Song gemeinsam schreiben und drei von euch müssen in einem Fernsehstudio zur Präsentation des neuen Songs sein. Was wenn irgendetwas unterwegs schief läuft und ihr nicht rechtzeitig zurück kommt?“ „Das wird nicht pa-“ „Bist du Hellseher, Jinguji-kun? Ihr solltet keine Risiken eingehen, denn neben dem Ruf von Starish steht auch meiner auf dem Spiel. Wenn wir diesen Drama-Song nicht rechtzeitig fertig bekommen, was würde das für mich bedeuten?“ Erneutes Schweigen von den Jungs. Scheinbar hatten sie sich noch keine Gedanken darum gemacht und eigentlich gefiel es mir so gar nicht, diese Karte ausspielen zu müssen. „Otoyan, Toki... würde Kouhai-chan sich freuen wenn ihr wegen ihr eure Arbeit nicht professionell macht? Ihr habt gemeinsam so hart dafür gearbeitet dorthin zu kommen, wo ihr heute steht. Ein Fehler in der Welt des Showbiz und euer Ruf ist ruiniert. Ist es das wert?“ Dankbar sah ich zu Reiji, der sich nun auch in das Gespräch einklinkte, indem er die Scheibe der Fahrerseite herunter gekurbelt hatte und raussah. „Wenn euch Starishs und Nanami-sans Arbeit, und auch meine, wirklich so egal sind, dann bitte. Fahrt.“ Ich ging aus dem Weg und zeigte den Jungs, dass ich sie nicht aufhalten würde, hoffend, dass es genau diese Geste und Worte waren, welche die Jungs genug manipulierten um sich gegen die Fahrt zu Harukas Großmutter zu entscheiden.   Ich war schon erleichtert, als ich wieder in Reijis Auto saß und mich meiner Heimat näherte. Starish davon abzuhalten, dass sie Haruka aufsuchten, hatte doch mehr Kraft gekostet als geplant oder gewollt. „Du musst hier rechts abbiegen, dann bin ich auch schon da“, erklärte ich nach einiger Zeit, die ich schweigend neben ihm gesessen hatte. Er hatte darauf bestanden, mich auch nach diesen Ereignissen noch nach Hause zu bringen. Und irgendwie war ich dankbar dafür, denn so konnte ich mich noch einige Zeit länger damit beschäftigten nicht loszuheulen. „Danke übrigens, für deine Unterstützung. Alleine hätte ich das mit den Jungs sicher nicht geschafft.“ „Ich denke nicht, dass du es alleine nicht geschafft hättest. Aber es freut mich, dass ich dir assistieren durfte.“ Reiji lächelte und es war beruhigend zu wissen, dass obwohl er Haruka wahrscheinlich liebte, er mich nicht wie einen Ersatz oder jemand unerwünschten behandelte. Dieses Gefühl hatte ich schon zu oft bekommen Aber bei Reiji und auch in Gegenwart Yamatos, war mir dieses Gefühl fern geblieben. Und es war irgendwie schön. „Da sind wir. Danke fürs fahren, Kotobuki-senpai.“ Sein Käfer kam zum stehen, vor dem Mietshaus, in dem sich meine Wohnung befand. Er lächelte mich an, während ich mich abschnallte. „Kein Problem, Ere-chan. Wenn du mal wieder eine Tour in meinem Wagen brauchst, sag Bescheid. Wir beide fahren dich überall hin.“ Verwundert sah ich Reiji an und fragte mich, ob er mir irgendetwas damit sagen sollte. Ich war in der Regel nämlich nicht der Typ der aufs Autofahren stand. Doch ich wollte auch nicht sonderlich länger über dieses Angebot nachdenken. Ich war müde und wahrscheinlich würde der Groschen erst am nächsten morgen fallen, wenn ich den ganzen Abend noch einmal Revue passieren lassen würde.   **~~**   Als ich den Gemeinschaftsraum betrat, war die Stimmung schon sehr angespannt, aber es half ja nichts. Ich hatte diesen Termin festgelegt und konnte nicht davon laufen. Es war meine Verantwortung diesen Song zu schreiben. „Okay, fangen wir an. Ich denke gestern hat sich keiner von uns wirklich Gedanken um den Song gemacht, also fangen wir am besten an“, legte ich los und wollte damit nur vermeiden, dass all die Themen vom Vortag wieder aufkochten. „Tailor, bevor wir anfangen müssen wir dir etwas sagen.“ Verwundert sah ich zu Tokiya, der mich ernst ansah. Unsicher stellte ich meine Tasche neben dem Sessel ab und setzte mich, ließ ihn aber keine Sekunde aus den Augen. „Wir haben nach unserer Rückkehr gestern über das alles gesprochen. Nachdem sich unsere Gemüter abgekühlt haben und haben festgestellt, dass wir uns alles andere als Professionell verhalten haben. Wir waren nicht fair dir gegenüber, obwohl du dich so sehr bemüht hast und du wirklich nichts böses für uns als Einzelpersonen, für Starish oder Nanami wolltest. Erst als du uns klar gemacht hast, dass auch dein Job auf den Spiel steht, ist uns wirklich bewusst geworden, dass es hier nicht nur um Haruka oder Starish geht. Deswegen, im Namen aller entschuldige ich mich für unser Verhalten.“ Ich blinzelte ein paar Mal und sah zu den anderen Mitgliedern die nickte und wieder zu Tokiya, der scheinbar als Leader diese Botschaft überbringen sollte. „Lady, es tut uns leid, dass wir dir keine guten Senpais waren, aber das wird sich ändern.“ Das wurde irgendwie immer besser oder schlimmer. Gerade wusste ich nicht, wo ich das einordnen sollte, zumal sich selten jemand bei mir für sein Verhalten entschuldigte. Meist war ich es, die das tat. „Uhm... Schon okay. Es war gestern alles etwas viel. Für alle von uns. Da kochen die Emotionen schon mal über. Und ihr macht euch Sorgen um eure Freundin, was verständlich ist. Wenn ihr mal eine Pause während unserer Arbeit braucht, sagt einfach Bescheid, dann machen wir sie und wenn ihr wollt, können wir auch gerne darüber reden. Manchmal hilft das reden ungemein, vor allem mit einer unparteiischen Person, weil sie einen anderen Blickwinkel liefern kann. Wichtig ist aber, dass wir uns für Haruka und für Starish auch weiterhin auf die Arbeit konzentrieren.“ „Und für dich“, ergänzte Cecil und lächelte, was mich erröten ließ. Verdammt wieso musste er so niedlich sein. Das war absolut nicht fair. „Ähm ja... Also, da wir ja nun irgendwie auf einer Arbeitsebene stehen, würde ich gerne über den Song reden. Ich konnte gestern Abend nicht wirklich schlafen, also habe ich das Script überflogen. Oder viel mehr Wort für Wort gelesen und dabei kam mir eine Idee für den Song. Er ist männlich, Starish und hat einen Femininen Touch.“ Mein Blick glitt zu Syo, der zwar zweifelnd eine Augenbraue hob aber dennoch zuhörte. „Ich habe mich während des Lesens sehr an eine Situation aus meiner Schulzeit erinnert gefühlt. Wir haben in unserem Kurs bei Ringo-Sensei mal die Rollen getauscht. Komponisten waren Idole und Idole mussten mal komponieren. Irgendwie war es schwer sich auf diese ungewohnte Rolle zu konzentrieren. Wir sind immer wieder in unsere ursprünglichen Rollen geschlüpft. Selbst der Protagonist, also Rens Rolle hat es nicht leicht immer einen auf Frau zu machen. Da gibt’s diese Szene in der er einer Besucherin gegen ihren brutalen Ehemann hilft und diesen in die Schranken weißt. Auch wenn er ein Taugenichts zu Beginn scheint, der sich nicht richtig integrieren kann, ist er doch recht empathisch und findet schnell einen Draht zu den Frauen und fängt an ihre Probleme zu verstehen. Er bekommt einen anderen Fokus auf die Personen um ihn herum ohne aber selbst ein anderer zu sein. Übrigens Jinguji-kun, ich finde wirklich, dass dir diese Rolle steht. Nicht wegen dem Kleid.“ Ich schmunzelte leicht und sah zu Syo. „Gleichzeitig lernt er aber, dass Frauen nicht immer das schwache Geschlecht sind, denn sie schaffen es auch ihn vor den Schlägern zu beschützen. Ihre Kraft mag nicht körperlich sein, aber dennoch ist sie da. Er begründet das damit das Frauen, die einen ganzen Tag in Stöckelschuhen herum laufen härter im Nehmen sind als es scheint. Davor sah er Stöckelschuhe nur als Hilfsmittel damit sie schön sind. Ich habe heute früh eine Rohversion geschrieben. Sie ist nicht komplett fertig und hier und da müssten die Übergänge überarbeitet werden, aber ich wollte wissen, was ihr davon haltet.“ Ich zog aus meiner Tasche die erste Hälfte des Songs, weiter war ich leider nicht gekommen, mir fehlte noch ein Zwischentheme und es war noch lange nicht fließend genug in seinen Übergängen. Viel mehr waren es Songschnipsel, die irgendwann mal ein ganzes werden konnte. Ohne zu zögern legte ich es auf den Tisch und sah zu den Jungs, die sich darüber beugten und drauf sahen. Ich war gespannt wie das jetzt laufen würde, denn ich zeigte selten jemanden einen Song oder meine Schnipsel. Es war also auch für mich ein absolutes Neuland. „Für Saxophone?“ Ren sah auf und ich grinste. „Deine Stimme. Also ja für Saxophon. Und der weibliche Part hier ist die Flöte. Meines Wissens nach kann Cecil Flöte spielen?“ Cecil nickte und sah auf den Schnipsel, den ich ihm zugedacht hatte. „Dieser Teil hier ist anders, kraftvoll. Kämpferisch.“ „Jap, genau wie du Syo. Ich dachte mir, dass jeder ob Mann oder Frau doch etwas hat, wofür er kämpfen muss oder? Deswegen dieser kämpferische Part. In meiner Endversion sollten zwar beide Stimmen immer Paralell zueinander laufen und Rens überwiegen, aber hier passen sich beide an. Konnte ich damit deinen Einwand von gestern mit einbringen?“ Ich sah zu Syo, der von meinem Schnipsel aufsah. Ernst aber nicht mehr ablehnend, so wie ich es am Tag zuvor gesehen hatte. „Und wo ist der Starish-Part?“ Ich grinste und sah die Jungs an. „Sitzt hier bei mir und kann mir helfen ihn zu schreiben. Also Jungs, her mit euren Ideen und wir rocken diesen Song. Gemeinsam.“   Es war seltsam so eng mit den Künstlern zu arbeiten ohne auch nur eine Note zu komponieren. Es war viel eher so, dass wir redeten. Irgendwie waren die Jungs ganz spontan auf den Trichter gekommen, zu fragen was denn mein Song war, den ich als Idol gesungen hatte. Ich musste ihnen also beichten, dass ich Miras Version einer rockenden Eri auf die Bühne geschmissen hatte. Sie lachten alleine bei der Vorstellung, denn wenn man bedachte, dass sie mich immer nur mit flauschiger Katzenjacke sahen passte Rock einfach nicht ins Bild. Es war aber nicht so, dass ich Starish nicht kennenlernte. Im Gegenteil. Syo half mir mit seinen Natsuki Erfahrungen zu verstehen, wie ein Mann sich wohl fühlte, wenn er ein Kleid tragen musste. Gleichzeitig half mir Tokiya, dass es auch nicht immer ganz so schlimm war, wenn man jemanden, der ein Freund war, oder den man mochte, damit helfen konnte. Ich bekam ein besseres Gefühl für den Song und wusste, dass ich ihn abends wohl noch fertig schreiben würde. „Hey, es ist 18 Uhr. Ist jetzt nicht das Preview-Event?“, fragte Cecil nach einiger Zeit, als er sich das letzte Stück Apfel, welche Ren aus der Küche geholt hatte. In den Mund steckte. „Wir sind noch nicht fertig, Cecil“, konterte Ren und schien damit Rücksicht auf mich nehmen zu wollen. Um aber zu demonstrieren, dass es okay war, nahm ich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. „Was? Ich wollte das auch sehen. Ich verpasse kein Event von Starish, Heavens oder Quartet Night. Dafür mache ich sogar eine Pause.“ Erleichtert, dass die Arbeit heute so gut von der Hand ging, schaltete ich den entsprechenden Sender ein und setzte mich wieder auf meinen Platz. „Bist du sicher?“ Unsicherheit war in Tokiyas Stimme zu hören, doch ich nickte. „Absolut. Ich will endlich die Songs einzeln hören. Beim Charity Event gabs ja unsere Spontane Änderung und bei den Aufnahmen war ich nicht dabei. Das heißt heute ist meine letzte Gelegenheit sie performt zu sehen, bevor ich mir die Singles kaufe.“ Gebannt sah ich auf den Fernseher und erkannte die A-Class Mitglieder von Starish und die Auserwählten Heavens. Sie sahen wie immer gut aus und wäre ich alleine gewesen, ich hätte allein wegen Van einen gigantischen Fiepanfall bekommen. Der musste aber warten bis ich Zuhause war und mir die Aufnahme noch einmal ansah. Der Videorekorder war eingestellt dafür. Dieses Mal, schien alles gut zu gehen. Keine nervigen Fragen über den Komponisten und Songwriter. Keine Dramen um Haruka. Das Publikum war gut drauf und selbst der Rest von Starish schien mehr Spaß an diesem Song zu haben, als ich geglaubt hatten. Stolz und mit allem was sie hatten, performten sie Free dreams. Ich hatte schon viele meiner Songs gehört. Wie sie greifbar wurden und lebendig aber die Starish Jungs zu hören und dabei zu sehen, ließ mein Herz höher schlagen und ich konnte nicht glauben, dass es einer meiner Songs war, der mir den Mut gab nicht aufgeben zu wollen. Gerade jetzt nicht. Ich vergaß mich förmlich während ihrer Performance, fühlte, wie die Melodie, die Worte, die Stimmen mich alle mitten ins Herz trafen. Und als der Applaus des Publikums aufbrandete, wusste ich, dass es nicht nur mir so gegangen war. Ich applaudierte und ignorierte dabei die schmunzelnden Blicke der vier Jungs, die hier mit mir saßen, während ich mir doch noch eine verstohlene Träne von den Augenwinkeln wischte. „Moahhhhh ich wünschte Shicchi könnte das hören. Wir hätten jetzt beide sicher ganz viele Feels in unserem Herzen. Wie jedes Mal. Das war sooooooo toll~“, schwärmte ich, fokusierte mich aber schließlich wieder auf den Bildschirm und auf Heavens Song, der nach einem kurzen Interview anlief. Dieses Mal waren es nicht unbedingt Worte die mein Herz trafen, sondern die mir Kraft gaben. Die Gefühle von Starishs Song wurden lebendiger und ich hatte das Gefühl nun unbedingt aktiv werden zu müssen. Gott nach diesem Song würde ich nicht mehr ruhig sitzen können. Die Energie fuhr förmlich durch meinen Körper und ich wollte gar nicht mehr glauben, dass es meine Lieder waren, die dieses Potential mit Hilfe von Starish und Heavens erfüllen konnte. „Ich wusste doch das Yamato und Van diesen Song richtig Kraft geben. Und Eijis Stimme der dafür sorgt, dass er nicht zu übermütig wird, das passt einfach super. Es fühlt sich an, als hätte ich einen Energydrink genommen. Und beides zusammen in diesem Medley awwwwwwwww.“ Durch ein Räuspern von Tokiya fand ich wieder zurück in den Raum mit den Jungs und errötete. Fangirl-Attacke vor meinen liebsten Idolen gehörte definitiv zu den Dingen die ich auf meine Liste schlimmster Peinlichkeiten stellen konnte. „Sorry, manchmal geht es mit mir durch. Aber es ist wirklich unglaublich was ihr alle aus diesen einfachen Melodien macht. Ich bin jedes Mal aufs neue erstaunt. Und gerade jetzt noch mehr. Denn... ich weiß, dass ich diese Songs geschrieben habe, aber ihr seid es, die sie so großartig machen und die dafür sorgen, dass ich mich noch mehr anstrengen will.“ Kapitel 5: Between the surprises -------------------------------- „Ein wenig Jazz wäre cool.“ „Wirklich? Jazz?“ Auch wenn Syo nun vernünftig mit mir sprach, konnte er sich einige zweifelnde Kommentare nicht verkneifen. Doch es war auch gut so. Ich mochte seine Kritik, denn so konnte ich stumpfe, spontane Ideen noch einmal überdenken und ausarbeiten. „Klar. Das Saxophone passt. Ich hatte sogar etwas Dubstepiges im Sinn. Etwas das Schwung hat, was frei ist, aber doch respektvoll. So etwas hier.“ Ich notierte die Noten auf einem Stück Notenpapier und reichte es Syo, der erst etwas misstrauisch drüber sah, aber dann doch überzeugt schien. „Wie eine Königin, edel und auch stark, regiert sie über mein Herz, so wie sie es mag“, sang Ren, als er die Zeile sah und ich staunte nicht schlecht, wie schnell Ren dazu einen Text im Kopf hatte. „Woah!“, staunte ich und applaudierte begeistert. Diese Art zu arbeiten war zwar neu für mich, aber es machte Spaß, denn es zeigte sich deutlich, dass ich hier mit Profis arbeitete. „Oh die können wir mit Saxophon spielen, das passt super ins Bild. Und hier ein Flötenintro.“ Es inspirierte mich mit den Jungs gemeinsam zu arbeiten, zu wissen worauf wir gemeinsam hinaus wollten, Textzeilen zu hören, die noch mehr Input gaben und Starish zum Ausdruck gaben. Das Lied nahm so langsam eine Form an. Einen Rohentwurf. „Krieger aus Leidenschaft, du brauchst ihn nicht, doch wenn dir mal etwas droht, dann beschütz ich dich!“ Selbst Syo hatte Ideen für Textzeilen und half mir damit einen passenden Übergang in den Refrain zu bekommen. Ich war aufgeregt, denn ich konnte es kaum noch erwarten die Jungs den fertigen Song vortragen zu hören. Heute, ja heute würde er fertig werden. Das wusste ich ganz genau. Ich spürte es in jeder Zelle meines Körpers. „Das klingt schon gut. Wir sollten aber eine kleine Pause machen. Ich habe hier ein paar Snacks.“ Mein Blick erhob sich von meinen Notenblättern und wandte sich Tokiya zu, der ein Tablett mit Getränken und Knabberein in den Händen hielt. Reiscracker wenn ich richtig sah. Auch wenn ich gerade im Flow war, war es wohl wirklich gut, dass wir eine Pause zum Energietanken nahmen. Ich musste mir keine Sorgen machen, diesen Flow zu verlieren, nicht so lange ich mit den Jungs arbeitete. „Okay. Wir sind schon gut voran gekommen. Da haben wir uns eine Pause verdie-“, ich wollte meinen Satz gerade beenden, als ich mein Handy vibrieren spürte. Verwundert nahm ich es aus meiner Tasche. „Was für ein Timing. Ich bin gleich zurück, die SMS könnte wichtig sein.“ Die Jungs nickten mir zu, als ich mich erhob und aus dem Gemeinschaftsraum ging. Sie hatten scheinbar wirklich akzeptiert, dass ich nicht nur für sie schrieb und ein weiterer Auftrag in der Luft schweben konnte. Ich war es gewohnt auf Bereitschaft zu sein. Selbst wenn es mitten in der Nacht war. Außerhalb des Gemeinschaftsraums, ließ ich mich auf einer Couch nieder, die im großen ausschweifenden Flur stand, und öffnete die Nachricht. Ich fiel fast vollständig vom Glauben ab. Es war nicht Saotome oder Mira. Personen von denen ich es eigentlich erwartet hatte. Nein, diese SMS kam aus einer anderen Welt. Meiner Welt. Shicchi. Hey Maus, ist alles in Ordnung? Wir haben doch erst vor einigen Stunden geskypt. Ist alles okay? Du weißt, dass du jederzeit anrufen kannst. Und sag nicht du willst mich und meinen Freund nicht stören. Das ist Schwachsinn. Wenn du also Kummer hast, ruf an und wir reden. Ich wusste nicht, wie viele Nachrichten von mir zu Shicchi durchgekommen waren, aber es schienen genug gewesen zu sein, dass sie sich um mich sorgte. Ein Damm, den ich gut verschlossen gehalten hatte, drohte zu brechen. Nach zwei Jahren hatte ich endlich eine Nachricht von Shicchi bekommen. „Shicchi...“, flüsterte ich leise und wählte sofort ihre Nummer. Ich hoffte wirklich, dass ich durchkam. Immerhin hatte ich eine SMS bekommen, das hieß doch, dass wir eine Verbindung hatten. Doch das Ergebnis war ernüchternd. Es war dasselbe wie sonst immer auch. Die Rufnummer war nicht bekannt. Ich war Shicchi also genauso fern wie vorher auch. Der Damm brach und ich klammerte mich an meinem Handy als wäre es eine Rettungsleine. Die Tränen kullerten über meine Wange während ich mir wünschte, ich könnte Shicchi anrufen. Erneut wurde mir bewusst wie sehr ich Shicchi wirklich vermisste. Sie war meine beste Freundin, meine Herzensschwester. Egal was ich durchmachte, sie war mir, genauso wie Franzi zur Seite gestanden und nun waren sie Zuhause, in meiner Welt. Weit weg von mir.   Ich hatte einige Zeit für mich gebraucht um mich wieder zu beruhigen und war froh, dass wir gerade eine Pause hatten. Anders hätte ich sonst nicht arbeiten können. „Erenya?“ Ich versuchte schnell die letzten Tränen verstohlen wegzuwischen, damit keiner der Jungs es sah und hoffte auch, dass meine Augen nicht angeschwollen waren. Zumindest nicht gerötet. Animemädchen hatten ja meist das Glück immer wie geleckt auszusehen. In den Animes. Aber das hier war meine Realität und ich sah nie wie geleckt aus. Schon gar nicht nach dem Flennen oder aufstehen. „Hai, ich bin fertig. Ist die Pause schon vorbei?“, fragte ich und sah zu Cecil, wobei ich bemerkte, dass er sich Sorgen zu machen schien. „Bist du traurig wegen eines Auftrags den du nicht bekommen hast?“ Ich fluchte innerlich, denn er hatte es mir angesehen. Aber wahrscheinlich war Cecil auch einfach nur etwas feinfühliger. Wie eine Katze eben. „Nein, nein. Ich habe eine Nachricht von einer Freundin aus meiner Heimat bekommen. Wir haben nicht wirklich regelmäßigen Kontakt, weil das etwas schwerer ist auf die Entfernung. Sie ist in Deutschland, was hier fast schon wie eine andere Welt erscheint.“ Ich versuchte zu lächeln und sah zu Cecil, der sich neben mich setzte. Das war nun schon das zweite Mal, das ich soviel Zweisamkeit mit Cecil genießen konnte und es auch wirklich tat. Aber nicht auf einer Fangirl-Ebene wie ich es nur vor Shicchi war. Das wäre sonst zu peinlich gewesen und ich wollte mich nicht vor Cecil blamieren. „Und wie haltet ihr Kontakt?“ „Ich schreibe ihr regelmäßig. Sie befindet sich aber gerade im Umzugsstatus, weil sie mit ihrem Freund zusammenziehen wird. Nebenbei muss sie noch arbeiten.“ Ich lächelte an den Gedanken, wie nervös Shicchi nun scheinbar war. Immerhin war die gemeinsame Wohnung mit ihrem Freund ihr Traum. Ich wusste sogar wie sie zusammen gekommen war. Es war schon seltsam, was sie mir alles erzählt hatte, zwischen den Zeilen oder eben direkt. „Shicchi habe ich durch das Schreiben kennengelernt. Irgendwie hat es künstlerisch zwischen uns funktioniert und auch menschlich. Wir inspirieren einander immer oder brüten gemeinsam seltsame Ideen aus. Es macht total viel Spaß.“ Es war leicht mich zu begeistern. Vor allem wenn Shicchi sich davon anstecken ließ, oder mich auch mal ausbremste, wenn ich wieder viel zu hoch hinaus wollte. Vor allem zu schnell. Ich liebte ihre Geschichten, vor allem unser Mary Sue-Projekt und jedes Mal wenn ich für sie schreiben wollte, forderte ich von mir Perfektion. „Die Arbeit mit dir macht ihr sicher auch Spaß. Zumindest geht es uns so. Es ist zwar anders als mit Haruka, aber das was wir bereits erreicht haben ist toll. Ich kann spüren wie die Musen Energie von deinen Liedern bekommen.“ Ich hob eine Augenbraue und sah zu Cecil. Er lächelte so unschuldig und wahrscheinlich war dies seine Weise mir ein Kompliment zu machen. Bisher hatten ja die Musen nur von Harukas Musik irgendwie gelebt, aber das sie auch von meiner lebten? „Die Musen?“ „Ja. Hier.“ Er zeigte mir seinen Anhänger, den grünen Stein, dessen Glanz ich etwas stärker in Erinnerung hatte. Und ich bezweifelte, dass man diesen Glanz photoshoppen konnte. „Seine Farbe war vollkommen verblasst, als Haruka verschwunden ist. Deswegen habe ich mir Sorgen gemacht. Etwas scheint bei Haruka nicht zu stimmen und ich möchte ihr gerne helfen. Aber, du hattest Recht. Haruka würde nicht wollen, dass wir jetzt alles stehen und liegen lassen. Es würde die Kraft der Musen auch nicht zurückbringen aber...“ Cecil hielt inne und er lächelte mich an. Schon wieder dieses Lächeln, dass mich schwach werden ließ. „Deine Lieder, haben seine Farbe wieder aufhellen lassen. Er hat zwar noch nicht seine wahre Farbe wiedererlangt, aber ich bezweifle nicht, dass er es wieder wird, dank dir.“ Ich errötete und mahnte mein Herz dazu nicht zu zerspringen. Cecil dankte mir. Das war einfach nur unglaublich. Vor allem nach den letzten Tagen erschien es mir wie ein Traum, aus dem ich einfach nicht erwachen wollte. „Wissen die anderen davon?“ Cecil schüttelte den Kopf und seufzte leise. Scheinbar belastete ihn das. Und ich konnte es verstehen. Mich belastete immerhin auch das Geheimnis, welches Haruka mir anvertraut hatte. Und Cecils Anhänger war der Beweis, dass sie nicht einfach nur eine Ausrede gesucht hatte. Es war die Wahrheit. „Ich wollte sie nicht noch mehr beunruhigen, also habe ich es ihnen nicht gesagt. Und ich weiß auch nicht, ob ich es ihnen jetzt noch sagen soll. Du hast uns wieder auf den Weg gebracht und ich weiß nicht, ob es uns nicht wieder vom Weg abbringen würde, wenn ich es sage.“ Ich kämpfte den Drang nieder, Cecil einfach zu umarmen und ihm zu sagen, dass alles in Ordnung war. Er sorgte sich wirklich um seine Freunde, nicht nur um Haruka. Es war deutlich, dass ihm jeder gleichermaßen viel bedeutete und er alle seine Worte ehrlich meinte. „Shicchi würde jetzt sagen, dass du nichts überstürzen solltest. Denk in Ruhe darüber nach, ob du es jetzt schon sagen willst oder nicht. Wichtig ist aber, das du es ihnen irgendwann sagst. Ihr seid Freunde und ihr solltet ehrlich miteinander sein. Wobei ich glaube, dass die Jungs es bereits bemerkt haben. Ihre Sorgen um Haruka sind genauso groß wie deine und wie meine, wenn ich ehrlich bin.“ Cecil hörte mir zu und sein besorgtes Gesicht hellte sich auf. Es schien ihn wirklich zu erleichtern, dass er es endlich jemanden sagen konnte und dass er dieses Geheimnis hatte teilen können. „Erenya, wirst du uns auch weiterhin helfen?“ Ich blinzelte ein paar mal, als Cecil meine Hand nahm und diese Frage so unschuldig formulierte. Und gleichzeitig klang es so akzeptierend. Diese Ablehnung der letzten Tagen war für diesen einen Moment vollkommen verschwunden. „Natürlich. Und wenn ich dir persönlich die Getränke zum nächsten Interview mitbringen muss.“ Meine Worte waren ernst gemeint. Egal was Starish brauchen würden, ich würde mein bestes geben ihnen zu helfen.   Die Rohfassung des Songs nahm allmählich mehr Form an. In meinem Kopf ertönte wieder und wieder die Melodie. Zusammen mit den Texten, welche die Jungs mir beigesteuert hatten, lag es nur noch an mir alles abschließend stimmig zu machen. Die Jungs hatten sich bereits zurückgezogen und schlafen gelegt, während ich noch am Tisch saß und Note um Note überarbeitete. Tokiya hatte mir sogar noch etwas Nervennahrung hingestellt, nachdem Ren uns ein Abendessen bereitet hatte. Eigentlich war ich voll gefuttert, aber da der Abgabetermin am nächsten Tag war, konnte ich nicht einfach ausruhen und auf der Couch schlafen. Das wäre unmöglich gewesen. „My Queen, immer für mich da. Die Stärke in deinem Herz macht dich unnahbar. My Heart, regierst du , egal wo du auch bist. I'm your Knight, nur du bestimmst über mich.“ Ich las über die Zeile und änderte die Melodie etwas ab, um das ganze harmonischer wirken zu lassen, wobei ich die Anfangsbuchstaben der Jungs davor schrieb um zu verdeutlichen, wem welche Zeile gewidmet war. Ich gähnte etwas, denn die Müdigkeit griff immer mehr nach mir. Ich durfte jetzt nicht schlapp machen, weswegen ich zu der Dose mit dem Energydrink griff, die mir Syo hingestellt hatte. Seine Lieblingsmarke, wenn ich das richtig verstanden hatte. „Oh richtig!“ Es war wie ein Geistesblitz, den ich hatte, als ich an einigen Zeilen, welche Syo sang, noch ein wenig mehr Beat reinbrachte. „Selbst wenn du mächtig bist, ich bin für dich da. Denn auch eine Königin gerät mal in Gefahr! Trust on me! Mach dir keine Sorgen, jeder braucht mal Schutz, niemand zieht, meine Königin in den Schmutz. Believe me! Niemals brauchst du großen Verrat zu erwarten, wir beschützen dich, ohne es zu verraten.“ Ich dachte nach und sah zwischen einzelnen Zeilen hin und her. Ich war mir noch nicht sicher, ob es wirklich Cecil sein sollte, der diese Zeilen sang. Tokiyas hätte wesentlich mehr Impakt gehabt, zusammen mit Ren. Ich entschied, dass es besser mal war etwas Kraft aus dem Teil zu nehmen, um Cecil ebenfalls genug Parts zu lassen. Es war ein Starish-Song, auch wenn Ren wesentlich hervorhebender sein musste. Allein mit den ganzen Saxophonparts, dem Stil des Songs und den einzelnen Zeilen, die seinen Charakter noch einmal deutlicher hervorhoben, war der Song gut. Er war... fertig. Etwas das ich am Vortag nicht erwartet hätte. Ich schmunzelte und legte meinen Kopf auf den Tisch, neben den Seiten. Im Geiste spielte ich bereits ein Musikvideo durch, in dem ich das Kleid einer wahren Königin trug und die Jungs in Rittertracht um mich warben, für mich kämpften, ich aber letzten Endes immer die war, die den letzten Schlag machte. Anmutig, stark und Grazil.   **~~**   Ich spürte eine warme Hand auf meiner Schulter, als ich aus den tiefen eines unbewussten Traumes wieder in die Realität fand. Langsam, denn mein Geist wehrte sich noch und wollte mehr von diesem schönen erholsamen Gefühl des Schlafes. „Tailor-san...“, drang eine bekannte Stimme in mein Unterbewusstsein vor und wollte mich nur noch mehr zurück holen. Eine Gegenwehr war unmöglich, denn schon der Duft von frischen Kaffee und Pfefferminztee umschmeichelte meine Nase. Ebenso weckten diese Düfte meinen Magen, der rebellierend zum besten gab, dass er seit dem Vorabend nichts mehr bekommen hatte. „Tailor-san, wach auf“, flüsterte die Stimme Masatos und die Erkenntnis, dass es seine Stimme war, ließ mich aufschrecken. „Was? Oh nein, ich bin eingeschlafen.“ Panisch sah ich auf den Tisch, doch die Notenblätter lagen nicht mehr da, vielleicht hatte ich sie runtergworfen. Unwahrscheinlich war es nicht. Eilig sah ich mich um, doch hielt mir jemand plötzlich alle Blätter entgegen. „Hier, wir dachten wir retten sie.“ „Retten?“, fragte ich Otoya, der just in diesem Moment errötete, aber nicht auf meine unausgesprochene Frage antwortete. Ich sah zu Masato und zu Natsuki, der gerade ein paar Tassen Kaffee und Tee abstellte, doch keiner von ihnen sagte etwas. Doch schon dieses Schweigen war genug, als ich genauer darüber nachdachte. Ich hatte mich wahrscheinlich total unladylike verhalten. Es war also besser, wenn sie schwiegen und mich nicht in Verlegenheit brachten. „Wie spät ist es?“, fragte ich, um wenigstens geschickt das Thema zu wechseln. „Um acht. Hast du genug Schlaf bekommen? Wir haben dir eine Decke gegeben als wir nach Hause kamen, denn du warst unweckbar“, erklärte Otoya und ich sah über meine Schulter, auf der eine rote, dünne Decke lag, die mich die Nacht über warm gehalten hatte. Ich schmunzelte etwas, schämte mich aber schon dafür, dass ich so weggetreten war, nachdem ich auf dem Tisch eingeschlafen war. „Tut mir leid. Ich wollte euch keine Umstände machen. Ich wollte eigentlich nur meine Augen ausruhen. Mehr aber nicht.“ Verwundert sah ich zu der Tasse Tee, welche Natsuki vor mich stellte. Pfefferminze, mit einem Schuß Honig. Den Honig konnte ich zumindest gut genug herausschnuppern. Allein dieser süße Duft erfüllte mich mit Wärme, Glück und Freude. Ich liebte es. Doch gleichzeitig fragte ich mich, woher Natsuki wusste, dass ich meinen Tee gerne mit Honig süßte. „Für mich?“, fragte ich vorsichtig und sah zu Natsuki, der mich sanft anlächelte. „Ja. Mirai dayo hat mir gesagt, dass du Honig magst im Tee. Wir haben leider keinen Latte Macchiato Karamel da. Für gewöhnlich trinken wir nur Kaffee oder Tee.“ Ich nickte verstehend und sah zu dem Becher Tee, der mich freundlich zu begrüßen schien. Es war interessant, dass sich auch die restlichen Starish-Mitglieder darum bemühten, dass das Eis zwischen uns brach. „Uhm, Erenya... Wir... Es tut uns leid. Wir waren nicht fair zu dir und auch wenn Tokiya es dir gesagt hat, wir drei wollten uns auch noch einmal persönlich bei dir entschuldigen.“ Ich hatte gerade den Becher Tee in die Hand genommen und sah zu Otoya, der mich entschuldigend anlächelte. Sie meinten es alle ernst und das machte mich irgendwie glücklich. „Schon in Ordnung. Ich danke euch dafür, dass ihr den Song so lebendig gemacht habt. Ich habe ihn gestern das erste Mal gesehen und ich war total happy. Ihr habt mir wieder ein wolliges Gefühl bereitet und dafür gesorgt, dass ich den Song für die anderen fertig schreiben konnte.“ Ich lächelte sanft und nippte an dem Tee. Er schmeckte nach Pfefferminz und doch schwang diese sanfte Süße des Honigs mit. „Dieser Song, entschuldige, aber ich habe ihn mir angesehen, Tailor-san“, gestand Masato und mir rutschte ein wenig das Herz in die Hose, denn sein Unterton klang nicht gut. Hatte ich doch wieder etwas anderes gemacht als es sein sollte? Unterschied es sich zu sehr von allen anderen Songs? „Er passt zu ihnen. Wenn du für die Aufnahmen ein Klavier brauchst, würde ich mich freuen, wenn ich euch damit helfen kann.“ Mir schlug das Herz höher, als ich Masatos Worte hörte. Er schien mich zu akzeptieren oder zumindest die Songs die ich schrieb. „Wir müssten heute morgen noch ein Demoband einspielen, damit wir es Shining vorspielen können. Der Song ist so weit fertig. Sind die anderen schon wach?“   Indirekt ärgerte ich mich gerade in diesem Moment, dass ich nicht im Mastercourse Gebäude lebte. Sie hatten wirklich alles. Instrumente, Proberäumen, Musikräume und ein kleines Studio, in dem man erste Aufnahmen machen konnte. Es war zwar eng, aber mit etwas Organisation schafften wir es gemeinsam zwei Instrumente aufzunehmen und auch die einzelnen Stimmen. Ich dankte geistig dem Schicksal, dass ich an meinem PC in meiner Welt und dem in meiner hiesigen Wohnung auch schon mit Tonschneideprogrammen gearbeitet hatte, so dass ich die einzelnen Takes zusammenschneiden und das Demo produzieren konnte. Ich wusste doch, dass meine Neugier für neue Dinge sich irgendwann mal lohnte. Sicher war es keine perfekte Arbeit, aber sie würde Shining eine gute Vorstellung von dem geben, was der Song werden würde. Im Fall der Fälle müssten wir ihn heute noch einmal überarbeiten. Gemeinsam saßen wir nach dem Schnitt im Studio und hörten uns das Demo an. Es waren die letzten Minuten die wir hatten, wenn wir etwas ändern wollten. Das Flötenintro von Cecil begann und stimmte sanft aber verheißungsvoll in das Opening ein und wurde von einem wilden Beat, gespielt durch Rens Saxophon und Masatos Klavierspiel abgelöst. Das Glück verspielt, ohne Geld, eine Reise lang, suchte ich ein Königreich, das meines werde kann. Und dann traf ich dich, und du mich tief ins Herz, du bist meine Königin, die ich nun begehr. My Queen, immer für mich da. Die Stärke in deinem Herz macht dich unnahbar.   My Heart!   Du regierst, egal wo du auch bist. I'm your Knight, nur du bestimmst über mich. Selbst wenn du mächtig bist, ich bin für dich da. Denn auch eine Königin gerät mal in Gefahr! Trust on me! Mach dir keine Sorgen, jeder braucht mal Schutz, niemand zieht, meine Königin in den Schmutz.   Wie eine Königin, edel und auch stark, regiert sie über mein Herz, so wie sie es mag. Krieger aus Leidenschaft, du brauchst ihn nicht, doch wenn dir mal etwas droht, dann beschütz ich dich! Believe me! Niemals brauchst du großen Verrat zu erwarten, wir beschützen dich, ohne es zu sagen.   My Heart!   Du regierst, egal wo du auch bist. I'm your Knight, nur du bestimmst über mich. Selbst wenn du mächtig bist, ich bin für dich da. Denn auch eine Königin gerät mal in Gefahr! Trust on me! Mach dir keine Sorgen, jeder braucht mal Schutz, niemand zieht, meine Königin in den Schmutz.   Ernst sah Saotome uns an während die letzten Noten des Songs verklangen. Die Spannung ob wir einen erfolgreichen Song geschrieben hatten lag in der Luft. Wenn nicht, würden wir von vorne anfangen müssen. Stille erfüllte sein Büro für einen schier unendlich erscheinenden Moment. Es erschien mir fast so lange wie die Wartezeit für ein Kommentar auf Animexx oder FF.de in meiner Welt, wenn man eine Story hochgeladen hatte. Nur das ich mich bei Saotome darauf verlassen konnte, dass ich mal Feedback bekam. Es dauerte halt ein paar Minuten länger. „Perfect!“ Auch wenn es einige Augenblicke dauerte bis seine Worte zu mir vordrangen und auch bei mir einsickerten. Wir hatten seinen Segen. „This is great. Gute Arbeit. Die Aufnahmen werden morgen beginnen. Der Regisseur wird auch da sein. Für heute habt ihr frei. Enjoy the moment.“ Ich war verwundert darüber wie schnell doch diese Genehmigung kam und wie schnell schon feststand, wann der Song aufgenommen wurde. Professionell, nicht so laienhaft wie ich es getan hatte. Und mit mehr Instrumenten. Für unser Demo hatten wir nur alle wichtigen Instrumente eingespielt, einstimmig. Mehrstimmig wirkte es sicher besser. „Miss Tailor, bevor sie gehen, auf ein Wort bei mir, please.“ Verwundert sahen die Jungs und ich einander an. Ich fragte mich, was Shining von mir noch wollte. Vor allem nachdem er angekündigt hatte, dass wir uns frei nehmen konnten. Es konnte also kein neuer Auftrag sein. „Wir sehen uns morgen, Jungs.“ Ich winkte ihnen zu und lächelte. So schlimm konnte das ganze ja nicht werden. Das verstanden scheinbar auch die Jungs, denn sie ließen mich alleine mit Saotome im Büro zurück. Dieser wartete aber noch einige Minuten, bevor er seinen Kopf auf seine Hände stützte und mich fixierte. „Miss Nanami hat Kontakt mit ihnen aufgenommen.“ Ich war erleichtert und doch angespannt gleichzeitig. Wenn sich dieses Gespräch um Haruka drehte, war es eine ernste Sache. „Ja. Sie hat mir einen Brief geschrieben. Aber ich schätze das wissen sie.“ Er antwortete nicht und mir fiel schwer einzuschätzen, was er gerade dachte. Er zeigte es nicht, was kein Wunder war bei der dicken Sonnenbrille. „Sie kämpft gegen das schlimmste Problem, dass ein Komponist haben kann. Eine Blockade, wie ihnen bekannt sein dürfte. Wir wissen nicht, wie lange sie ausfallen wird, oder was es aus ihr macht. Miss Tailor, ich habe schon viele Komponisten erlebt, die so eine Blockade hatten. Viele von ihnen zerbrechen daran und es bleibt zu hoffen, dass Miss Nanami das nicht passiert. Wichtig ist, dass sie jetzt keinen Druck hat.“ Ich nickte, denn ich war ausnahmsweise einer Meinung mit Saotome. Genau deswegen hatte ich auch mein bestes gegeben Starish von der Fahrt zu Harukas Großmutter abzuhalten. Erfolgreich. „Sie wird sich aber sicher Druck machen. Ich meine sie hat Starish so gesehen zu dem gemacht was sie heute sind. Wie ich Nanami-san einschätze, wird sie sich selbst Druck machen, damit sie schnell wieder zurückkommen kann.“ „Das mag sein, aber Sie haben ihr etwas Ballast abgenommen. Miss Nanami hat ihren Song gehört und mir persönlich versichert, dass sie ihre Verpflichtungen aufnehmen können. Das wird sie erleichtern und sie kann sich darauf konzentrieren in alte Form zurückzufinden.“ Im Grunde erzählte mir Saotome nichts anders als es schon in Harukas Brief zu lesen gewesen war. Nichts neues für mich also. „Und ich glaube auch, dass Sie Miss Nanamis Arbeit übernehmen können. Auch wenn ihnen etwas fehlt, das kleine gewisse etwas, könnten wir keine bessere Komponistin für die wichtigen Aufträge finden.“ „Shining-san... Ich habe eine Bitte. Auch wenn ich verstehe, was sie mir sagen wollen.“ Mir war ein Gedanke gekommen, eine Angst. Wenn ich Harukas Arbeit übernehmen würde, würde sich einiges für mich ändern. Von jetzt auf gleich. „Ich will nicht, selbst wenn es nur temporär ist, die alleinige Komponistin für Starish sein. Oder nur für Quartet Night und Heavens. Sie können das gerne mit auf meinen bisherigen Arbeitspensum drauf bauen.“ „Huh? Sie meinen Sie können ihre bisherige Arbeit und Miss Nanamis gleichermaßen machen?“ Ein Hauch Interesse klang aus Saotomes Stimme. Ich schluckte schwer, denn ich wusste, was ich mir gerade aufbürdete. Harukas Pensum war schon voll gewesen. Solo-Songs, Cross-Units, Starish, Heavens, Quartet Night, Duette... Ihr Plan war schon voll gewesen. Doch meiner war es ebenso. Auch wenn meine Aufträge niemals in aller Munde waren. Mir noch zusätzlich zu meiner eigenen Arbeit ihre aufzubürden war ein gewaltiger Berg. „Ich will einfach nicht wieder von null anfangen sobald Nanami-san wieder da ist. Und wir wissen beide, sie wird zurückkommen. Für den Moment wird es viel Arbeit sein, aber ich bin mir sicher ich kann damit umgehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich in kurzer Zeit viel erledigen muss. Deswegen... ich will einfach nur ihre Arbeit auf meinen Haufen haben. Ich bekomme das hin.“ Er schwieg und starrte mich stattdessen nur an. Ich hielt seinem Blick stand und wartete darauf, was er dazu sagen würde. „Nun, ich denke für heute haben sie genug Arbeit gehabt, Miss Tailor. Genießen sie ihren freien Tag. Und was Miss Nanami angeht, so bitte ich um oberste Diskretion.“ Ich nickte auf die Forderung. Für mich verstand sich das von selbst und bisher hatte ich noch niemanden, nicht einmal Harukas Freunden, von ihrem Zustand berichtete. Das sie es aber ahnten, hatte mir Cecil am Vortag klar gemacht. Doch fürs erste würden sie keine Gefahr für Harukas Erholung sein. Auch wenn ich das dumpfe Gefühl hatte, dass sie es mir übel nehmen würden, wenn das rauskam.   Das Gespräch mit Shining hatte mich nicht gerade mitgenommen. Im Gegenteil ich war eher nervös, ob er meiner Bitte nachkommen würde. Doch lange wollte ich auch nicht darüber nachdenken. Ich hatte frei und dieser Tag musste genutzt werden. Und ich hatte auch schon die beste Möglichkeit. Akihabara war das Paradies für jeden Otaku. Zwar nicht gerade meines, aber an Tagen wie diesen genoss ich es zwischen den Maid-Cafés und Shops zu laufen und mich von Musik, Werbebannern und Videos, welche auf Gebäudemonitoren ausgestrahlt wurden. Heute war einer meiner lang erwarteten Tage. Ein neues Otome-Game erschien. 4Heart hieß das Spiel und es ging um ein Mädchen, dass Aphrodite persönlich erwählt worden war um vier Göttern die Liebe zu lehren, da ihre Vergangenheit dafür verantwortlich war, dass sie es nicht mehr taten. Ich hatte mich genug über dieses Spiel informiert und förmlich jedes Magazin gekauft, in dem etwas darüber zu finden gewesen war. Die Informationen die geleaked worden waren, zeigten auch, dass man bei jedem dieser Götter anders vorgehen musste, um sein Herz zu erobern. Einer von ihnen, der Hidden Character Orpheus war nicht einmal ein Gott. Ganz seiner Natur entsprechend hatte man sich für ein singendes Idol als seinen Seiyuu entschieden. Eiichi Otori von Heavens. Und selbst wenn er nicht Orpheus gesprochen hätte, hätte ich mir das Spiel gekauft, immerhin war ich ein Otome-Fan und da waren solche Spiele einfach Pflicht. Das ich mal an einem Release-Event teilnehmen konnte, war etwas, dass ich als Glück bezeichnete. Wie genau dieses Release-Event aussah, wusste ich nicht, doch weil es mein freier Tag war, konnte ich mir doch mal das Event ansehen.   Vor dem Spieleladen war der Andrang groß, was für mich immer noch ein Kulturschock war. Selbst nach zwei Jahren. Ich konnte mich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen, dass Otome-Games hier keine einfache Nische waren, sondern schon zu den Mainstream Spielen gehörten. Es war immer noch schwer zu verstehen und vielleicht war das auch der Grund, warum ich bisher Release-Events gemieden oder mich immer mit Arbeit vollgepackt hatte. „Oh mein Gott, ich hoffe ich gewinne. Eine signierte Version von Eiichi-kun wäre einfach nur traumhaft.“ Eine Augenbraue hob sich. Ein Gewinn? Eine signierte Version? Das war das Event? Ich wusste nicht ob ich nun total euphorisch oder doch etwas enttäuscht war, denn eigentlich hatte ich mehr erwartet. Vielleicht eine Special Edition, Auftritte der Seiyuu persönlich, ein kleines Live-Event aber das? „Okay, alle die an dem Wettbewerb teilnehmen, stellen sich bitte an und ziehen eine Nummer. Die erste Runde beginnt gleich.“ Ein Wettbewerb? Das weckte nun doch meine Neugier. Nicht das ich mir Chancen ausmalte, denn neben der Arbeit war ich nicht sonderlich ins soziale Leben Japans integriert, aber wenn ich mal etwas Neues versuchte, konnte es doch nicht schaden. „HA!“ Ich zuckte zusammen, als ich eine Stimme hinter mir hörte und wandte mich langsam um. Durch einem Baseballcappy lugte ein blonder Zopf, fein durch das hinterste Teil gefädelt, hervor. Sie trug eine Sonnenbrille und wirkte damit nur noch auffälliger, doch hier in Japan und vor allem gerade in dieser Menge schien niemand sie zu bemerken. Mira. „Warum hast du nicht gesagt, dass du kommst? Mann, ich wollte dich überraschen. Ich wollte teilnehmen und diese signierte Version für dich gewinnen“, erklärte sie und zog dabei einen niedlichen Schmollmund. „Ich wusste selbst nicht, dass ich komme. Oder das es dieses Event gibt. Shining war mit meiner Arbeit zufrieden und hat mir den Rest des Tages freigegeben. Ebenso den Jungs. Daher dachte ich, ich schau mal nach wie so ein Release-Event ist.“ Mira seufzte und schüttelte den Kopf, wobei sie mir mit dem Finger sanft gegen die Stirn schnippte. „Du hättest anrufen sollen. Aber gut, nun bist du hier, ich hab dich gefunden und das steigert unsere Chancen das Spiel für dich zu gewinnen.“ „Mi! Verdammt du sollst nicht immer weglaufen. Du weißt wie auffällig wir si- Erenya?“ Ich lugte über Miras Schulter und war wohl genauso überrascht wie Hiroki, der mich ansah als sei ich ein Geist. Ich war wohl die letzte Person, mit der er gerechnet hatte. „Du auch hier? Sagt mal, was soll das?“, fragte ich und sah von Hiroki zu Mira. „Nun, wir haben heute beide nichts vor gehabt, Arbeitstechnisch und dachten, dass wir dir eine kleine Freude machen. Deswegen entschieden wir das Event mitzunehmen und diesen Wettbewerb zu gewinnen. Und unsere Chancen sind echt gut.“ „Okay okay... was ist das für ein Wettbewerb?“, fragte ich, denn scheinbar war meine beste Freundin und mein bester Freund besser informiert als ich. Und dabei lag ich ihn bereits seit Monaten mit diesem Game im Ohr. „Die fünf Seiyuu der Loveinterests geben jedem eine Aufgabe und entscheiden auch darüber, ob diese Aufgabe als bestanden gilt. Es kann also alles mögliche sein. Selbst wenn du aber nicht bestehst, bekommst du Punkte und die Person mit den meisten Punkten bekommt die signierte Version. Sie ist übrigens von allen unterschrieben nicht nur von Ei-kyu.“ Sofort brachte mich Mira auf den Stand der Dinge und eine Augenbraue hob sich mir. Nachdem was Mira mir sagte, hatten wir keine guten Chancen. Wenn auch nur eine Aufgabe nicht im Rahmen unserer Talente lag, hätten wir versagt, soviel stand fest. „Und wieso haben wir dann gute Chancen?“ „Nun, sie spielen ihre Rollen In Character. Das heißt sie werden nichts verlangen was der Gott nicht mag oder verkörpert“, erklärte Mira aufgeregt und nahm meine Hände. „Und du weißt bereits fast alles über die Götter, also, was werden sie fordern?“ „Mira~ Ich bitte dich. Nur weil sie jeden Artikel gelesen hat, heißt es noch lange nicht, dass sie die Charaktere kennt. Mach dir also nicht zu große Hoffnungen und setzt Erenya unter Druck.“ „Hi-chu! Keine negativen Gedanken, verstanden. Wir haben eine heilige Mission zu erfüllen. Wir müssen diese Version bekommen. Also Kusch, immer positiv denken.“ Es war irgendwie wie immer. Mira hatte sich etwas in den Kopf gesetzt und sowohl Hiroki als auch ich mussten ihrem Befehl folgen. Aber es war selten, dass wir es verabscheuten. Meist hatten wir Spaß dabei und warum sollte es dieses Mal nicht auch so sein? „Na schön, dann ran an unsere Prüfungen. Wir müssen Thanatos, Erebos, Eros, Ares und Orpheus überzeugen. Eros ist der Gott der Liebe, seine Backgroundstory sieht wohl vor, dass er von der Liebe enttäuscht ist, weil es keine aufrichtige und reine Liebe mehr gibt. Er ist der Meinung, dass es den Menschen nur noch darum gehen würde Vorteile aus der Liebe zu beziehen, sei es der Bestand der eigenen Rasse oder eben materielle Güter. Sein Glauben an die Liebe ist so stark geschwunden, dass sein Herz eingeeist ist.“ Aus meinem Kopf versuchte ich alles an Informationen hervorzukramen, die ich zu den Charakteren hatte. Es war nicht leicht und schon gar nicht hilfreich, wenn man mich fragte. Denn wie sollte das bisschen Hintergrundwissen helfen diese Aufgaben zu lösen? „Allerdings hasst Eros Gewalt... Anders als Ares, der von allen sogar von seinen Mitgöttern gehasst wird, weil er eine sehr kriegerische Atmosphäre verbreitet. Wo er auftaucht fließt Blut, so heißt es. Ares hat sich über die Jahre nicht mehr die Mühe gemacht seinen Ruf zu bessern, weswegen er immer, selbst gegen Athene in den Krieg zog. Laut einem Artikel scheint er aber eine Identitätskrise zu haben. Erebos ist der Gott der Finsternis. Über ihn habe ich eigentlich nicht viel gelesen, außer dass seine ehemalige Geliebte Nyx war, die ihn aber nur benutzt hat um genug Macht zu bekommen um über Tag und Nacht zu bestimmen. Er wurde dafür bestraft und in die Reihen der Urgötter verbannt. Er mag dabei das Sonnenlicht. Thanatos. Er ist der Gott des Todes. Er hat nie die Liebe erfahren und will es auch nicht, weil jeden den er berührt stirbt und er will nicht, dass diejenige, die sein Herz bekommt ebenfalls von der Welt geht. Er sagt von sich selbst, dass seine Macht so groß ist, dass er selbst einen Gott seiner Unsterblichkeit berauben kann. Und zum Schluss noch Orpheus. Er hat von Apollo eine Leier bekommen, die alle verzaubert und jeder liebt ihn. Als aber seine Euredyke starb und er sie nicht aus der Unterwelt holen konnte, schwor er der Musik ab und ist nun in Gefahr, denn jene die ihn immer noch lieben fühlen sich abgelehnt. Dabei lieben sie nicht ihn, sondern seine Musik. Sein Tod ist, laut Beschreibungen schon im Teppich des Schicksals verknüpft. Da er aber der Hidden Character ist und irgendwie bei allen Göttern mal in der Route auftaucht, denke ich, dass man das aufhalten kann.“ Ich sah zu Hiroki und Mira, die mich beide mit großen Augen ansahen. „Einiges davon weiß ich nur durch die Mythologie... aber einiges aus den Magazinen. Dennoch ich weiß nicht, was sie mögen und so. Das würde ich erst durch das Spiel erfahren. Unsere Chancen sind also keineswegs besser.“ „Schon gut. Das reicht. Wir schaffen das. Wir werden den Göttern zeigen, was Liebe ist.“ „Ähm, Mira... ich glaube nicht, dass ICH das den Göttern zeigen will.“ „Du wirst, Hi-chu. Du wirst.“ Ergebend seufzte Hiroki und folgte Mira und mir einen weiteren Schritt nach vorne. Vor uns verteilten bereits ein paar Mitarbeiter des Ladens Nummern, mit denen sie uns geordnet zu den „Göttern“ vortreten lassen wollten. „Sag mal, Erenya... Bist du nicht nervös Eiichi zu sehen?“ „Huh? Wieso sollte ich da nervös sein?“ „Naja wegen der Sache damals zum Uta Pri Award.“ „SH!“ Böse sah Mira zu Hiroki, doch zu spät. Ich erinnerte mich wieder. An diese eine Sache mit Eiichi. Oder viel mehr daran, dass er mich in meinem wohl schlimmsten Augenblick gesehen hatte.   **~~**   Auch wenn die Stimmung ausgelassen war, weil Starish gewonnen und sich Heavens als gute Verlierer erwiesen hatte, konnte ich mich doch nicht ganz freuen. Die Szene wie verzweifelt Heavens gewesen war, als ihre Trennung drohte, hing mir immer noch in den Gliedern. „Hey ist doch alles gut ausgegangen. Wie bei uns“, versuchte Hiroki mich zu trösten und gab mir einen sanften Klaps auf die Schultern. „Heavens wird weiterhin Musik machen und Starish hat gewonnen. Passt doch, oder?“ Ich seufzte schwer und sah zurück zum Backstagebereich der Bühne, von dem wir gerade gekommen waren. Da wir niemanden stören sollten, hatten wir es für richtig empfunden zu gehen, bevor Starish und Heavens den Backstagebereich betraten. Wir wollten als ihre Kouhai nicht gleich negativ auffallen. Fest stand, dass sie uns noch früh genug kennenlernen würden, immerhin lag unser Debüt bereits eine ganze Woche zurück. „Es war schon etwas unfair. Mit sieben Mann sind Starish echt Stimmgewaltig und Heavens haben nur drei Stimmen, die das kompensieren müssen. Sie haben zwar Power, aber da ist noch Potential, dass sie irgendwie nicht genutzt haben... oder vielleicht nicht nutzen konnten.“ Ein Lächeln lag auf Hirokis Lippen, als er nur den Kopf schüttelte. Solche Debatten, jene über Heavens, sie waren etwas, dass uns irgendwie verband. Das er nicht gerade ein Fan von ihnen war, hatte er ja immer wieder deutlich genug gemacht. Dennoch hatte er bereits verstanden, dass sie nicht einfach nur da waren, wo sie sich befanden, weil Eiichi der Sohn von Raging war, sondern weil sie alle drei ein unglaubliches Talent hatten. „Starish hat es also gemacht... War ja keine Überraschung. Heavens konnte nur einigermaßen mithalten, weil sie den Song von Starishs Komponistin hatten. Sonst wären sie nicht weit gekommen.“ Ich hielt in meinem Schritt inne und sah an Mira und Hiroki vorbei. Dort standen sie, zwei Bühnenarbeiter, die scheinbar keine Ahnung von irgendetwas hatten. Es ärgerte mich, dass sie so einen Unsinn laberten, denn es lag sicher nicht nur an Harukas Song, dass sie die Menge mitreißen konnten. „Ohne diese Komponistin werden sie in wenigen Monaten wieder in Vergessenheit geraten. Starish hingegen hat das Zeug es auch international zu schaffen.“ Das war einfach die Höhe. Bei all der Arroganz und dem schlechten Benehmen, welches Heavens vielleicht Starish gegenüber gezeigt hatten, DAS hatten sie nicht verdient. „Hey! Das ist nicht wahr und das wissen Sie! Heavens hat auch ohne Nanami-san als Komponistin ein ausgesprochen großes Potential. Zu dritt haben sie es geschafft Starish die Stirn zu bieten und dutzende von Fans auf ihre Seite zu ziehen.“ Die zwei Mitarbeiter sahen zu mir, die um jeden Funken Beherrschung kämpfte. Es war einfach unglaublich, wie viel Wut in mir hochloderte und dabei hielt ich Eiichi immer noch für den größten Idioten. „Komm schon, Kleine. Das sagst du doch nur, weil du Heavens nicht kennst. Weißt du, was die uns herum gescheucht haben? Diese Nagi ist ein wirklicher Teufel. Nach außen hin niedlich aber wenn keiner hinsieht ist er einfach nur eine Rotznase die schon jetzt ihren Höhenflug hat. Dann ist da noch der Stille... Kira. Der grüßt nicht einmal zurück. Hält sich wahrscheinlich auch für was besseres weil er aus gutem Hause ist.“ „Richtig. Schlimmer ist nur dieser Otori-Bengel. 'Wir sind Heavens und wir werden die Welt im Sturm erobern.'“ Die Arbeiter lachten, als der eine versuchte Eiichi zu imitieren. Die Imitation war zwar nicht schlecht, aber dennoch die Art wie er von Eiichi sprach, zeigte deutlich, dass er Eiichis äußerer Fassade auf den Leim gegangen war. „Erenya, komm... lass die beiden reden.“ „Nein, ich lasse die beiden nicht reden, Hiroki. Denn sie reden vollkommenen Schwachsinn. Kira hat jeden Mitarbeiter gegrüßt. Es war unscheinbar, aber bei jeden, an dem er vorbeigelaufen ist, hat er mit dem Kopf genickt. Er ist eben kein Mann der vielen Worte aber sicherlich niemand der sich etwas auf seine Herkunft einbildet. Dafür liebt er die Musik und vor allem Heavens viel zu sehr. Und Nagi... Gut Nagi ist ein kleiner Teufel, aber er ist neugierig und aufrichtig mit dem was er tut. Und niedlich ist er wirklich, wenn er mal die Klappe hält. Und Eiichi... Sie haben es nicht verstanden. Auch wenn er nach außen hin ein überheblicher Idiot ist, so macht er sich wirklich Sorgen um Heavens. Nicht wegen sich selbst, sondern wegen Kira und Nagi. Weil er weiß, was die beiden aufgegeben haben für Heavens. Sie haben also nicht das Recht schlecht von den Jungs zu reden, denn sie geben immer ihr bestes!“ Ich hörte, dass Hiroki seufzte und Mira amüsiert kicherte, doch ich ignorierte es. Wenn es sein musste, hätte ich Heavens wie eine Löwenmutter verteidigt. Niemand, aber auch wirklich niemand durfte schlecht von ihnen reden. „Das reicht, Engel.“ Ich versteifte mich, als ich hinter mir eine Präsenz spürte. Machtvoll, einnehmend und überwältigend. Ich wagte mich nicht hinter mich zu sehen, doch das war nicht nötig, denn diese Präsenz zog an mir vorbei und stellte sich vor mich, so dass mir der Blick auf die Arbeiter verwehrt wurde. „Wir sind in der Lage unser Schlachten selbst auszutragen.“ Mir rutschte das Herz in die Hose, als ich Eiichis Stimme vernahm. Er klang genervt und alles andere als erfreut. Er würdigte mich nicht einmal eines Blickes. „Meine Herren, sie können sich darauf verlassen, dass Heavens nicht noch einmal gegen Starish verlieren wird. Und das nicht weil wir von der Bildfläche verschwinden. Wir werden weiter nach der Spitze streben. Nichts wird uns dabei aufhalten. Und unsere Engel werden unsere Flügel sein.“ Ich wich von Eiichi Stück für Stück zurück. Er bewies wirklich, dass er Heavens Schlachten führen konnte und irgendwie... verletzte es mich. Gleichzeitig war es mir peinlich, dass Eiichi mich so gesehen hatte. Bei dem Versuch für jemanden einzustehen, der es eigentlich nicht nötig hatte. „Komm, lassen wir ihn das regeln“, flüsterte Hiroki mir zu und schob mich mit sanfter Gewalt, zusammen mit Mira, vom Ort des Geschehens.   **~~**   „Nya-nya-chan, du bist dran!“ Ich spürte einen sanften Stoß in meinen Rücken, und wurde dadurch förmlich ins Innere des Ladens geschleudert. Meine Gedanken waren während der Wartezeit abgedriftet in eine Zeit, die weit zurück lag. Ich hatte mich verändert, zumindest äußerlich. Weniger Pfunde auf den Rippen, ein anderer Kleidungsstil, der aus meinem Gewichtsverlust geschuldet war und ich trug keine Brille mehr. Es war also unmöglich, dass Eiichi mich am Vortag erkannt hatte, oder sich jetzt noch an mich erinnerte. „Teilnehmerin Nummer 277. Treten Sie vor Orpheus, der euch seine erste Prüfung auferlegen will.“ Ich verfluchte mein Schicksal, als ich hörte, wer mein erster Prüfer sein sollte. Aber ich hätte ihn früher oder später sehen müssen. Je eher desto besser also. Wie es der Angestellte von mir verlangt, folgte ich den Weg vor Eiichi, der sich scheinbar in ein Orpheus-Cosplay geworfen hatte. Ich hätte ihn beinahe nicht wiedererkannt, denn statt der Brille schien er Kontaktlinsen zu tragen, so dass seine violetten Augen noch besser zur Geltung kamen. Seine braunen Haare waren zwar immer noch wuschelig, schienen aber dieses Mal einer gewissen Ordnung zu folgen, einer griechischen, denn sie waren lockiger. Und seine Toga saß bequem auf den Schultern, in Blau, mit goldenen Ornamenten an der Schulter. Ein Mistelzweig? Nein, es waren Lorbeerblätter. „Du?“, fragte er und ich erzitterte. Hatte er mich doch erkannt? Oder war er nur verwundert, weil wir uns am Tag zuvor gesehen hatten. „Ich kenne dich. Du trägst das Mal derer, die Apollo in seiner Vision gesehen hat. Noch bevor er Aphrodite darüber berichtete, war er zu mir gekommen. Damals, war meine Welt noch heil. Euredyke war bei mir. Ich konnte Apollo nicht glauben, dass es eine Person geben soll, die sie ersetzen kann. Und ich kann es immer noch nicht glauben. Dennoch, ich will dir eine Chance geben. Bestehst du meine Aufgabe, ziehe ich in Erwägung, dich zu belohnen.“ Ich war erleichtert, denn er spielte hier nur seine Rolle. Und das verdammt gut. Ich hing ihm förmlich an den Lippen und konnte mir ein Bild davon machen, wie Orpheus im Spiel tickte. Die Enttäuschung und auch der Schmerz war bei Eiichi deutlich rauszuhören. „Ich wurde einst von Apollo mit der Leier beschenkt, die jeden in seinen Bann schlägt, der ihr und meiner Stimme lauscht. Doch bisher war es nur Euredyke die mein Herz verzaubern konnte. Wenn es dir gelingt ein Lied zu spielen, dass mich verzaubert, so kann ich dich akzeptieren.“ „O-Orpheus, seid Ihr euch sicher? Ist da nicht etwas viel von dieser Sterblichen verla-“ Ein Mitarbeiter wollte sich gerade einmischen, versuchte aber dabei nicht in dessen Rolle einzugreifen. Doch es verriet mir, dass dies eine Bitte Eiichis war, nicht von Orpheus und dass er diese Bitte nicht hätte stellen dürfen. „Schweig. Sie will den Preis, also wird sie es schaffen. Nicht wahr?“ Eiichi sah mich eindringlich an, fast schon herausfordernd. Er wusste wer ich war, oder viel mehr was ich konnte und scheinbar wollte er meine Fähigkeiten testen. Immerhin würde er nur erlauben dass der Beste für Komponist für Heavens arbeitete. „Also schön. Sind Instrumente da?“ Ich würde nicht aufgeben. Nicht wenn es um eine signierte Version des Spiels ging. Und schon gar nicht, wenn ich Eiichi diesem Idioten zeigen konnte, was ich zu bieten hatte. Als Komponist und Songwriter.   Ich hatte zwanzig Minuten Zeit. Ein größeres Zeitfenster als für die anderen Aufgaben, aber die Mitarbeiter hatten wohl so eine ungefähre Vorstellung davon, dass diese Aufgabe nicht einfach mal von jetzt auf gleich zu erledigen war. Noch dazu brauchten sie Zeit um ein Mikrofon zu besorgen. Eiichi bestand darauf, dass dieses Lied live vorgetragen wurde. Entweder wollte er, dass ich mich bis auf die Knochen blamierte oder er hatte soviel Vertrauen in meine Fähigkeiten, dass er glaubte es sei einen Soloauftritt wert. „Erenya... du weißt schon, es ist dein freier Tag. Du musst dich nicht zwingen jetzt in kürzester Zeit einen Song zu schreiben.“ Hiroki bemühte sich diplomatisch zu sein. Ihm gefiel scheinbar gar nicht, was Eiichi von mir verlangte und vor allem, dass ich die einzige war. Er und Mira hatten nur ein kleines Popquiz in Sachen Musik machen müssen und ich ging davon aus, dass es auch für alle anderen so ein Quiz gab. „Ich finde es toll. Vielleicht bekommt Nya-Nya-chan extra Punkte.“ „Mira! Das ist nicht der richtige Moment um positiv zu denken. In zwanzig Minuten kann niemand einen Song schreiben.“ „Nya-Nya-chan hat die Bridge in fünf Minuten geschrieben.“ „Das war eine Bridge Mira, aber kein ganzer Song. Erenya, du solltest es einfach lassen. Mira und ich haben noch die Chance diese signierte Version zu gewinnen. Du kannst also einfach aufgeben.“ „Nein!“ Ernst sah ich Hiroki an, der meinem Blick standhielt. Es war einer dieser Momente, in denen er versuchte mich zur Vernunft zu bringen. In denen er wahrscheinlich recht hatte, ich mir das aber nicht eingestehen wollte. „Hör zu Hiroki... Ich mache das nicht mehr nur für die signierte Version. Ich weiß nicht ob du das verstehst, aber ich wollte das Starish mich respektiert und irgendwie ist mir das gelungen. Genauso will ich, das Heavens mich respektiert und wenn ich dazu nach den Regeln von dem überheblichen Idioten spielen muss, dann ist es eben so. Sie sind alle auf Nanami-san fixiert und wahrscheinlich ist dies der Test den Otori-san mir auferlegt um zu testen ob ich auch beim nächsten Mal einen Heavens würdigen Song schreiben kann. Und deswegen, muss ich das tun.“ Ich wich Hirokis Blicken nicht aus. Genauso wie Hiroki den Blickkontakt nicht abbrach. Ich sah ihm deutlich an, dass er noch das ein oder andere Argument auf Lager hatte. Doch er schwieg. „Na schön. Aber, keine halben Sachen.“ Er hielt mir die Faust entgegen und lächelte dabei ein sanftes Lächeln. Ich schlug ein und grinste ihn breit an. „Ich mache nie halbe Sachen.“   Irgendwie war ich froh, dass ich an Shinings Schule auch mal in die Rolle eines Idols geschlüpft war. So fiel es mir nicht ganz so schwer vor dem Mikrofon zu stehen und zu wissen, dass mir einige Leute zuhörten. Noch dazu half mir meine Erfahrung aus meiner Welt, denn auch dort hatte ich ein paar Mal vor Publikum gesungen. Das Lampenfieber war damit ein vertrautes Gefühl. Allerdings war es ungewohnt einen eigenen Song zu singen. In der Regel sangen die immer andere, wahre Idole. „Hört alle her. Ich, Orpheus, habe dieses Mädchen gefunden, dass behauptet eine Muse zu sein. Ob sie eine ist, entscheidet der Song den sie geschrieben hat und nun vorführen wird. Wenn sie eine wahre Muse ist, wird sie einen Zauber spinnen, mächtiger noch als der Zauber meiner Leier. Passt also auf, dass sie nicht euer Herz stiehlt.“ Das war böse. Denn mein Song musste nun wirklich machtvoll sein, ebenso meine Performance. Durch Eiichis Ankündigung würden die Zuhörer nun nicht so leicht zu manipulieren sein. Es kam nun auf das gesamte Paket an. Ein Paket, das Heavens besaß. Ich holte tief Luft, als ich die ersten Töne des Songs spielte, den ich geschrieben hatte. Zwanzig Minuten Zeit für einen Zauber der innerhalb von vier Minuten wirken müsste um Eiichi zu überzeugen. Um ihm zu zeigen, dass ich als Komponist gut genug für seine Gruppe war. Tick Tock Tick Tock, hör diesen Klang, er entführt dich in das Märchenland. Tick Tock, Tick Tock, diese Melodie, gab es so noch nie.   Gefangen in einer Welt, in der das Vorurteil fällt, kämpf dagegen an, begib dich in den Bann. Nur dann, geht’s voran, in die Märchenwelt, von Göttern bewohnt, denen dein Lied fehlt.   Hör die Freiheit der Melodie, sie wird deine eigene Symphonie. Dein Herz das schlägt den Takt. Er hat die Macht. Steig auf! 4 Heart Hör den Ruf der Melodie, sie ist die wahre Symphonie. Mach die Augen auf, und folge dem Lauf, in die Welt, die du wünschst, die du liebst- Die Welt der Harmonie.   Tick Tock Tick Tock, listen to sound   Tick Tock, Tick Tock 4heart   Tick Tock Tick Tock, Open your eyes.   Tick Tock Tick tock The Door opened now. Ich spielte noch das Outro, hielt aber währenddessen noch den letzten Ton der letzten Zeile und ließ ihn langsam stumm verklingen. Ich hatte alles gegeben und ich musste mich für nichts schämen. Entweder ich war nun Heavens würdig oder nicht.   „Es ist nicht fair“, murrte Mira, als sie mich mit Hiroki zur Bahn begleitete. Ich lächelte und schüttelte den Kopf, während ich stolz auf das Spiel sah, welches ich mir nun doch gekauft hatte. „Dein Song war toll. Wieso hast du nicht gewonnen?“ „Nun, Mira, vielleicht hat sie nicht gewonnen, weil sie die Tanzprüfung mit Erebos nicht bestanden hat. Oder weil sie bei Ares Geschmackstest einfach mal den Fisch verweigert hat.“ „Aber Hi-chu. Sie hat Eiichis special-Aufgabe bestanden. Ich meine ich habe überall Glitzer gesehen und diese Tür. Du doch auch, das hast du gesagt. Nicht nur wir beide, auch andere. Sie hat bewiesen eine echte Muse zu sein. Noch dazu hat sie Thanatos Herz erobert bei seiner Prüfung und sie hat Eros mitten ins Herz getroffen.“ Hiroki seufzte und schüttelte den Kopf. Scheinbar fand er es unglaublich, dass Mira sich nun wirklich nicht überzeugen ließ. Mit ihr zu debattieren, war sinnlos, denn selbst wenn sie falsch lag und man ihr das auch belegte, sie würde niemals Kleinbei geben. „Aber sag mal, warum ist dein Spiel nicht mehr eingepackt?“, fragte Hiroki und ignorierte damit Miras Einwand. „Keine Ahnung, ein Mitarbeiter drückte sie mir in die Hand. Vielleicht war es das Letzte, ein Ausstellungsstück. Da habe ich echt Glück gehabt.“ Ich liebkoste die Hülle mit meiner Wange und war wirklich glücklich, dass ich am Releasetag doch noch eines bekommen hatte. Meine Sammlung würde sich damit also um ein Spiel erweitern. Allmählich musste ich mir Gedanken um den Platz machen. „Wie auch immer. Dennoch, ich stimme Mira zu. Der Song war gut. Einige haben sogar geglaubt, dass dieser Song Teil des Release-Events war. Was ich verstehen kann. Der Song enthielt den Titel.“ Ich war schon gar nicht mehr richtig da, denn eigentlich wollte ich schnell genug Zuhause sein um dieses Game zu spielen und sehen ob Eiichi Orpheus so wie zum Event sprach. „Ach das überkam mich einfach. Es passte so gut. Ach Mann ich bin so aufgeregt. Ich hoffe das Spiel ist so gut wie es in den Berichten beschrieben stand.“ „Und da ist sie wieder in ihrer eigenen Welt“, hörte ich Hiroki murmeln. Ich konnte sogar noch ein Seufzen wahrnehmen. „So ist sie eben. Dennoch es ärgert mich, dass wir nicht diese signierte Version gewonnen haben. Es ist nicht fair. Sie rackert sich ab und-“ „Mira, sieh sie dir an. Glaubst du ihr ist die signierte Version wichtig?“ „Nein! Aber dennoch.“ „Wisst ihr was ihr beiden? Ich bin froh euch kennengelernt zu haben. Ihr seid hier meine besten Freunde und allein das ihr versucht habt mir so etwas tolles zu gewinnen ist das größte Glück, dass man sich auf Erden wünschen kann. Außerdem hat der Tag heute mega viel Spaß gemacht und ich denke ich kann morgen 'Queen of Hearts' mit vollen Batterien in Angriff nehmen.“ Ich verstaute das Spiel in meiner Tasche und sah zu meinen beiden Freunden. Ich meinte es so wie ich es sagte. Diese beiden Menschen getroffen zu haben, in einer Welt, in die ich eigentlich nicht gehörte, war noch vor dem Charity-Event, dass größte Glück, dass ich mir vorstellen konnte.   Zuhause hatte ich mir nur ein kleines Abendessen genehmigt. Während der Zubereitung hatte ich meinen Controller für die Konsole geladen und nun freute ich mich auf das Spielevergnügen. Der Wecker war gestellt, denn ich durfte nicht die ganze Nacht durch zocken. Dank meinem Weckerprinzip versumpfte ich also nicht vor der Konsole, wenn ich es nicht durfte. Ich platzierte mich vor der Konsole und öffnete die Hülle des Spiels, um die CD aus diesem zu holen. Doch ich hielt verwundert in meiner Bewegung inne. Neben einem Zettel erkannte ich, dass das Booklet signiert war. Von Eiichi. Verwundert zog ich den Zettel heraus. Es war nicht viel darauf geschrieben, doch die wenigen Worte reichten aus um mir klar zu machen, dass ich muss in Bezug auf Heavens um nichts mehr sorgen musste. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Ich lächelte und bemühte mich, nicht vor Freude los zu quietschen. Ich hatte zwar nicht von allen Seiyuus eine Unterschrift bekommen, aber diese eine reichte vollkommen. Kapitel 6: Between the Escape Route ----------------------------------- Wehleidig sah ich auf die Hülle des Spiels, welches ich wohl erst am Abend wieder befingern können. Bis dahin war Arbeiten angesagt. Hart arbeiten. Immerhin wollten wir Queen of Hearts heute aufnehmen. Dafür hatte ich schon ein paar Ideen von denen ich hoffte, dass sie den Jungs gefallen würden. Doch bevor ich diese auf sie loslassen konnte, musste ich noch ein paar Erledigungen machen. Ich ließ meine Wohnung hinter mir und ging zur U-Bahn, die glücklicherweise nicht weit von meinem Wohnhaus entfernt stand. Wenn mein Timing gut war, würde ich alles pünktlich fertig bekommen. Ich hielt aber inne, als mein Handy klingelte. Mira. Ich erkannte den ihr zugewiesenen Klingelton nur zu gut. Gleichzeitig verwunderte es mich, dass sie mich so früh anrief, vor allem nachdem wir uns am Vortag gesehen hatten. „Mira, brauchst du nicht deinen Schönheitsschlaf?“ „Ich muss heute früh ins Studio zu Aufnahmen. Ich rufe dich an, weil ich etwas von dir brauche. Ganz dringend. Es geht sozusagen um Leben und Tod.“ Ich hob eine Augenbraue und starrte verwundert auf das Handy. Mira neigte ja gerne zur Übertreibung, aber dass sie etwas von mir so dringend brauchte, dass es um Leben und Tod ging, war mehr als bloße Übertreibung. „Das klingt etwas übertrieben, Mira. Aber gut. Was brauchst du?“ „Erinnerst du dich an Mikotos Abschiedsgeschenk aus der Akademie?“ „Äh ja. Diese vier oder fünf DVDs mit Auftritten, Ausflügen aus der Schulzeit. Ich glaube jeder von uns hat auch eine DVD bekommen die sehr individuell ist.“ „Richtig. Auf meiner waren alle meine Auftritte, die ich zu unseren Song-Battles und wegen unserer Hausaufgaben hatte. Ich bin mir sicher, bei dir sind alle Songs drauf, die du geschrieben hast. Ich möchte sie gerne sehen. Kannst du sie mir mitbringen?“ Ich überlegte kurz, wo die DVDs liegen könnten und entschied noch einmal zurück zu gehen. Ich hatte Zeit. Es würde also nicht schaden noch einmal meine Wohnung aufzusuchen und das gewünschte zu holen. „Brauchst du sonst noch eine der DVDs?“ „Nein. Den Rest habe ich. Das Theaterstück, unsere Klassenfahrt, Ausflüge mit der Gang und unser Reverse Concert.“ Ausflüge mit der Gang. Dieser Bezeichnung weckte schöne Erinnerungen. Mikoto war ebenfalls ein Mitglieder dieser Gang gewesen, von der ich nur dank Mira ein Teil geworden war. Es war also kein Wunder, dass er alles gefilmt hatte, auch wenn ich betete, dass er die peinlichen Momente nicht unbedingt eingefangen hatte. „Wofür brauchst du die DVDs?“ „Ich wollte nur mal wieder in Nostalgie schwelgen. Ich meine wir haben die Gang schon lange nicht mehr gesehen. Vielleicht sollten wir sie mal wieder zusammentrommeln.“ Sehnsucht also. Ich konnte das Gefühl verstehen. Ich vermisste meine Gang aus meiner Welt. Und auch die aus dieser. An manchen Tagen. Wahrscheinlich hatte ich mir deswegen die DVDs noch nie angesehen. Ich fühlte mich einfach noch nicht bereit genug mich an die neuen Freunde zu erinnern, die ich so lange nicht gesehen hatte. Zumal auch nicht alles aus der Zeit in Saotomes Akademie schön war. Es gab da dieses eine Ereignis... Eines an das ich besser nicht dachte. „Ja, es wäre schön, wenn das mal wieder klappt. Seit unserem Debüt habe ich das Gefühl, wir sind aus der Welt gefallen. Ich meine ich sehe einige von ihnen hin und wieder. Sumire zum Beispiel arbeitet in einem Musikladen und gibt hin und wieder Minikonzerte in Cafés da sie aber nicht unter Vertrag steht und keinen Produzenten oder Manager hat, findet sie kaum Auftrittmöglichkeiten. Juri hat sich wieder für die Mode-Branche entschieden. Seine neuste Kollektion kommt Anfang nächsten Monat raus und sein Hauptmodel ist wie zu Schulzeiten Rihoto. Und Rumi. Beide modeln auch für andere Designer aber hauptsächlich für Juri.“ „Oh richtig, da war noch etwas, dass ich dir sagen wollte.“ Während unseres Gesprächs hatte ich meine Wohnung wieder betreten und war zielstrebig zu einem Regal gegangen, indem ich die DVDs reingestellt hatte, nach meinen Einzug. „Was denn?“ „Ich habe Yurika getroffen.“ Es reichte nur ihren Namen zu hören und ich versteifte mich automatisch. Yurika. Viele schöne Erinnerungen hatte ich nicht an sie. „Ahja...“ „Ich weiß, du bist nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen, nachdem sie dir die Songs gestohlen hat. Aber... sie sagte mir, dass es ihr leid tut und bat mich, dir das zu sagen. Sie wollte dir nie schaden, eben so wenig mir oder Hiroki. Yurika wollte, dass du weißt, dass es nicht ihre Idee war.“ „Nur weil es nicht ihre Idee war, macht es das, was sie getan hat, nicht besser.“ „Sie war aber auch mal ein Mitglied der Gang. Jeder Mensch hat doch eine zweite Chance verdient, warum dann nicht Yurika?“ Ich seufzte leise und dachte über Miras Worte nach. Sie hatte ja Recht. Jeder Mensch verdiente eine zweite Chance, selbst wenn seine Taten absolut verwerflich waren. Und Mira schaffte es sogar, dass ich ihr glaubte und wie gewohnt nachgab. „Ich bin es nicht, die diese Entscheidung alleine treffen sollte. Wenn sollte jeder der Gang seine Meinung äußern. Ich hab nichts dagegen, wenn die Mehrheit auch nichts dagegen hat.“ „Du bist wirklich ein Schatz. Ich liebe dich!“ Es war das, was sie immer sagte, wenn es nach ihrem Willen ging. Aber es war auch nicht fair. Man konnte ihr fast nichts abschlagen. „Ich muss zur Arbeit. Soll ich dir die DVD vorbeibringen?“ „Nein, nein. Es reicht, wenn du sie Sy-cho gibst. Oder einem anderen der Jungs. Sie wissen bescheid, dass ich sie gerne sehen will.“ „Du hast also gestern einen Marathon eingelegt?“ „Und er ist noch nicht vorbei. Ich freu mich also darauf deine DVD zu sehen. Wir hören uns.“ Ich packte die DVD in die Tasche und lief schnelleren Schrittes zur Bahn. Ich würde diese Bahn gerade so noch bekommen, wenn ich das Tempo halten konnte. Soviel stand fest.   Ich beobachtete, wie Sumire innerhalb des Studios liebevoll die Instrumente aufbaute, sie stimmte und dafür sorgte, dass sie diesen gewissen Ton hatten, den Starish nächster Song brauchen würde. Der einzige Haken an der Sache war, dass Sumire nicht wusste, wem sie mit ihren Instrumenten half. Dank Saotome durften wie ja alle Diskretion wahren. Und Sumire, hatte nicht gefragt. Sie gehörte eben nicht zu der neugierigen Sorte, sondern zu jenen die einen bedingungslos vertraute wenn sie einen mochte. „So, die Instrumente sind fertig. Ich werde in den Unterlagen vermerken, dass du sie dir für vier Tage leihst. Danach hole ich sie ab. Die Zusammenstellung ist sehr... jazzig. Was wird das für ein Song?“ Ich schmunzelte und sah Sumire an. Gut, sie war nicht neugierig, aber es hatte einen Grund, warum die Instrumentzusammenstellung sie irritierte. „Ein grandioser. Wir haben eine Flöte und ein Saxophon noch dabei. Das Jazzpiano und der Kontrabass passen einfach dazu. Ein elektronischer Bass bringt keinen so guten Sound rüber wie der Streicher, wenn man ihn zupft. Dazu noch die Gitarre und es ist einfach, perfekt und...“ „Wo sind dann die Drums? Die stehen sicher nicht als Accessoire dort.“ Ich lächelte verschmitzt und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Als hätte ich ihr ein Zeichen dafür gegeben, blies sich Sumire eine ihrer violetten Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Sie machen Bäm im richtigen Moment und reißen den Jazz kraftvoll von den Füßen, um sich leidenschaftlich mit ihm zu vereinen.“ „Achso. Du versucht also einen femininen Touch mit einem männlichen zu mischen, beide ebenbürtig zu machen, und dennoch jeden mal einen kurzen Moment die Führung zu überlassen. Ich bin auf diesen Song echt gespannt. Aber~ Ich habe da noch etwas anderes über dich gehört.“ Sumire näherte sich mir auf etwas unangenehmere Art und Weise und starrte mich mit ihren braunen Augen intensiv an. „U-Und was?“ „Du hast es schon wieder getan.“ „Huh? Was denn?“ Sie hob ihr Handy und aktivierte es um mir eine Seite zu zeigen. Eine Seite die sich mit Idols beschäftigte, wenn ich das richtig deutete. Und mir blinzelte gleich mal ein Eiichi Otori entgegen. Gekleidet in seiner Tracht als Orpheus. „Dieser Artikel war wenige Stunden nach dem Event zu einem Otome-Game online. Und weißt du was interessant ist?“ „Nein. Aber du verrätst es mir sicher, oder?“ Sumire räusperte sich und scrollte im Text auf ihren Handy herum, bevor sie einen Auszug zu lesen begann. „Otori Eiichi, Leader von Heavens trug allerdings eine ganz besondere Rolle: Im Rahmen der Prüfungen, welche die Teilnehmer abzulegen vermochten, stellte er eine ganz besondere Anforderung an eine seiner Jüngerinnen: ein kompletter Song in zwanzig Minuten. Die Auserwählte scheute sich nicht, sich dieser Aufgabe anzunehmen und schaffte es, diese brillant zu meistern. Im Zusammenhang mit den bisherigen Ereignissen, die das Charity-Event und somit Starish und Heavens betreffen, stellt sich die Frage, ob die heutige Einlage nicht sogar ein gewollter PR-Gag war, denn fest steht, dass das Gleis, welches Gerade von den Köpfen Shining Saotome und Raging Renji gefahren wird, untypisch für alles bisherige ist.“ Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Nicht wegen der Tatsache, dass ich in einem Artikel erwähnt wurde, wenn auch nicht namentlich, sondern weil mein Song wirklich dafür gesorgt hatte, dass das Charity-Event erneut in den Fokus geriet. „Ein Song, in zwanzig Minuten. Das ist deine Handschrift. Du hast für Hiroki diese sieben Songs in drei Wochen geschrieben. Und zusätzlich erinnert mich das an einen gewissen Debütsong. Also, wie oft hast du das nun wieder gerissen, so spontane Songs zu schreiben?“ Eines war positiv. Sumire schien nicht zu ahnen, dass das Charity-Medley ebenfalls mein Werk war. Abgesehen von Shining, Raging, den Jungs, Kotaro und mir. „Nicht sehr oft. Das Lied bei dem Event... ja das war mein Song.“ „Immerhin gibst du es zu. Nun frage ich mich aber... Warum sollte Otori dir so eine Aufgabe geben? Laut dem Artikel durften andere verschiedene Rätsel aus der Popkultur lösen, du aber nicht. Otori muss also gewusst haben, dass du dazu fähig bist. Die Frage ist nur woher? Damals wurde bei Hirokis Horrorwoche niemals erwähnt wie lange der Komponist Zeit hatte. Ebenso wenig hat niemand erzählt, wie viel Zeit ihr für den Debüt-Song hattet. Deswegen frage ich dich... Woher kennst du Otori?“ Sumires Blick wurde immer stechender und vor allem auch anklagender. Doch ich durfte es nicht sagen. Immerhin hatte Saotome um Diskretion gebeten. „Durch ihre Arbeit.“ Ich sah hinter mich und erkannte die vier Jungs von Starish, die ich auch heute wieder bei den Aufnahmen des Songs begleiten würde. Sumire folgte meinen Blick und ihre Augen weiteten sich. „Du... Das sind... oh mein Gott.“ Schnappatmung. Sumire rang gerade mit ihrer Selbstbeherrschung. Wahrscheinlich hätte sie sonst lauthals aufgeschrien. „Du arbeitest mit Starish und Heavens zusammen?“ Soviel zum Thema Diskretion. Ich seufzte leise und sah Sumire eindringlich an. Doch sie ignorierte mich und ging stattdessen auf Tokiya zu, der sie stoisch betrachtete. „Dann stimmen die Gerüchte um den neuen Komponisten?“ „Nein. Es wird keinen neuen Komponisten für Starish geben“, erwiderte ich schnell, vielleicht zu schnell, denn Sumire wandte mir ihren Blick zu. „Lady, es wäre hilfreich, wenn du das, was du hier hörst, geheim hältst.“ „Es geheim halten? Wieso? Erenya ist eine gute Komponistin und das sollte die Welt auch wissen. Der Beweis dafür ist, dass sie Songs für euch schreibt.“ „Bitte, Sumire. Shining hat uns dazu angehalten nichts zu sagen.“ „Mein Schweigen kostet.“ Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf. Das sie das nicht ernst meinte, oder zumindest nichts kostspieliges wollte, konnte ich mir bereits denken, aber ich fürchtete das nicht kostspielige, was sie fordern könnte. „Was willst du haben?“ „Ich möchte heute zuhören bei den Aufnahmen.“ Ich sah zu den Jungs, denn ich wusste nicht, ob sie etwas dagegen hätten. Es war immerhin ihr Song den sie schrieben und abgesehen von ihrem Komponisten hatte sie wohl keine Fans bei den Aufnahmen dabei. „Warum nicht? Was meint ihr?“, fragte Cecil strahlend und sah zu den Anderen. Es war ihnen deutlich anzusehen, dass sie unsicher waren. Wahrscheinlich, weil sie Sumire für einen einfachen Fan hielten. „Sumire war damals mit mir in Saotomes Akademie. Wir können ihr vertrauen. Außerdem hat sie die Instrumente gestellt.“ Ich lächelte und sah zu den Jungs. Und schließlich nickten sie.   Wir hatten bereits einige der Instrumente aufgenommen und das Bild nahm langsam Gestalt an. Doch kein Idol sollte den ganzen Tag durcharbeiten. Ich hatte mich daher entschieden ein paar Erfrischungen für alle zu besorgen, was nicht schwer war, da überall in Japan irgendwelche Getränkeautomaten standen. Vor allen in Gebäuden. Sie waren ein Segen und noch dazu günstig. Mit einer Kiste, die ich genommen hatte um alle Flaschen zu transportieren, lief ich gerade zurück zu unserem Studio. Es war nicht das einzige in diesem Gebäude, doch von den anderen Studios konnte man nichts hören. Was kein Wunder war, immerhin waren alle Räume Schalldicht. Niemand sollte merken was für geheime Projekte aufgenommen wurden. Immerhin war dieses Gebäude auch Privatpersonen zugänglich. Es passierte nicht selten, dass kleinere Indiebands ihr Geld zusammenlegten um ein Studio zu buchen und so ihre Tracks aufzunehmen. Sie hatten leider nicht den Luxus, dass eine große Firma wie Shinings oder Ragings ihnen das Studio bezahlte. Ein Debüt zu erlangen und von einer Produktionsfirma unter Vertrag genommen zu werden, war damit wie ein Sechser im Lotto. Wir, die an Shinings Schule debütiert hatten, hatten diesen Sechser gewonnen. Doch was war mit jenen, die es nicht schafften? Würde der Name der Schule reichen? Oder versanken sie in der Flut aus Indie-Idolen? Es gab einige gute Mitschüler, die es verdient hatten zu debütieren. Und anders als einige Mitglieder der Gang, die ihren Weg gefunden hatten und damit zufrieden waren, kämpften sicher einige andere um ihren Platz in der Idol-Welt. Schon der Gedanke war deprimierend. Und traurig. Doch als Komponist konnte ich nicht die Welt retten, genauso wenig wie ich es als Kundenberater, in meiner Welt, gekonnt hatte. Mir blieb nur eine Möglichkeit: Meinen Job mit besten Gewissen erledigen. „Wenn das nicht Tailor ist...“ Ich erstarrte in meinen Schritten, als ich diese Stimme zu meiner Rechten hörte. Ich wandte meinen Blick dahin und erkannte ihn, gekleidet in typischen schwarz, mit weißen Haar und diesen roten Augen. Durch seinen Kleidungsstil wirkte seine Haut noch blasser und vor allem weißer, als sie eigentlich war. „Chiron...“ Ich nickte nur dezent zur Begrüßung, denn wirklich viel Respekt hatte ich für diesen Mann nicht über. „Machst du heute Aufnahmen? Oder hat dich Shining nun zum Liefermädchen gemacht?“ Mit einem Nicken verwies er auf die Kiste in meinen Händen. Nebenbei zog er eine Sonnenbrille aus der Tasche seiner Lederjacke und setzte sich diese auf. „Ersteres. Wir machen nur gerade Pause. Und du?“ „Ebenfalls Aufnahmen. Nach dem Abschluss hab ich mich bei diversen Produktionsfirmen beworben und Blazing Production hat mein Potential erkannt und mich unter Vertrag genommen.“ „Dich? Nicht Lionheart.“ „Bist du immer noch sauer wegen dieser Sache? Keine Sorge, Yurika hat für ihre Unverschämtheit bezahlt. Glaub mir, wenn Lionheart sein Debüt gemacht hätte, wir hätten Shining erklärt wer den Song geschrieben hat. Du hättest genug Anerkennung bekommen. Und wir hätten darauf bestanden, dass du unser Komponist wirst.“ Innerlich knirschte ich mit den Zähnen. Was Chiron da sagte, war der größte Schwachsinn den man innerhalb weniger Atemzüge fabrizieren konnte. „Ich bin ganz glücklich so wie es ist.“ „Bist du? Ich hab schon immer Probleme gehabt dich zu verstehen, Tailor. Shining hält dich immer noch an der Leine. Damals in der Schule schon und auch jetzt. Was hält dich noch bei dem Verrückten?“ „Mein Vertrag? Der Spaß an der Arbeit? Die Herausforderung?“ Chiron lachte leise und emotionslos. Er spielte seine Spielchen, soviel war mir klar. Ich musste also aufpassen nicht in seine Falle zu gehen. „Wirklich? Ich glaube es ist eher falsche Dankbarkeit. Merkst du nicht, dass Shining dich in deinem Tun einschränkt? Ich hab gehört du wohnst nicht im Master Course Gebäude... Du schreibst Songs für wen? Hiroki und Mira? Wie groß ist ihre Reichweite? Mira macht eine Sendung für Kinder. Und Hiroki ist ein Solokünstler zweiter Klasse. Komparsenrollen in Serien, kleine Touren, das ist alles was er zustande bringt. Glaubst du wirklich, du kannst dein Talent entfalten und finden was dir fehlt, wenn Shining dich nicht fördert?“ „Ich denke schon. Und überhaupt, was geht es dich an? Solltest du dich nicht um deine eigene Karriere sorgen?“ „Meine Karriere läuft. Ich habe die Hauptrolle in einer Serie, gebe Konzerte die ausverkauft sind und bin gerade dabei mein neues Album aufzunehmen. Meine neuste Single ist auf Platz fünf in den Charts. Hier.“ Er zog sein Handy und tippte auf den Touchscreen. Als er fand was er suchte, hielt er mir den Bildschirm entgegen. Es waren das Ranking der aktuellen Neuerscheinungen und als ich es sah, rutschte mir das Herz in die Hose. „Unglaublich... Ist das wahr?“, flüsterte ich ungläubig. „Natürlich. Schon bald hat meine neue Gruppe Starish und Heavens überholt. Gerüchten zufolge haben sie einen neuen Komponisten und das wird ihnen das Genick brechen. Shinings Unternehmen wird den Bach runtergehen und was wird aus dir?“ „Sorry ich muss gehen!“ Ich wandte mich von Chiron ab, dem ich sowieso nicht mehr richtig zuhörte. Was auch immer er sich auf seinen fünften Platz einbildete, ich hatte etwas viel großartigeres gesehen. „Tailor!“ Ich hörte noch wie Chiron mir nachrief, doch ich wollte nicht stoppen. Es gab da etwas, dass ich mit den Jungs teilen musste. Etwas, das für diesen Moment alle Sorgen und Ängste dahinschmelzen ließ. Ich stieß die Tür zum Studio auf und sah die Jungs an, welche mir einen fragenden Blick schenkten. „Das Medley! Es ist auf Platz zwei der Neueinsteiger-Charts!“ Es platzte aus mir heraus. Ohne ein weiteres Wort. „Und... Und die anderen beiden Songs, gleich dahinter. Platz drei und vier.“ Ich war fast schon in dem Status der Aufgelöstheit. Nicht weil es mir so nahe ging und ich es schrecklich fand, dass keiner der Songs auf dem ersten Platz war, sondern weil es nicht viele meiner Songs in die Top Ten zum Start geschafft hatten. Selbst Hirokis zwei Songs hatten sich über Wochen ihre Top Ten Plätze erkämpfen müssen. Für Starish und Heavens mochte das vielleicht nichts sein, für mich, war es das größte Ereignis des Jahres. Und doch lächelten mich die Jungs an. „Gratuliere. Deine Arbeit macht sich bezahlt.“ Ich nickte glücklich und musste mich zusammenreißen, Tokiya, der mir so höflich gratuliert hatte, nicht um den Hals zu fallen. „Unsere Arbeit. Und ich danke euch, also Starish und Heavens. Ihr habt diese Songs und das Medley so unglaublich großartig gemacht. Und ihr vier werdet auch 'Queen of Hearts' so einzigartig machen, wie er auch nur sein kann. Ich danke euch, dass ihr meine Songs zu etwas besonderen macht.“ Ich meinte es ehrlich, denn ich wusste, dass meine Lieder wohl nie so weit gekommen wären, wenn es nicht Heavens oder Starish gewesen wären, die sie sangen. „Jetzt schieb ihnen nicht alle Lorbeeren zu. Du weißt doch was wir in der Schule gelernt haben. Ein Song ist eine Symbiose und sie ist erst dann gut, wenn sich die Idole auf ihn einlassen können. Und damit sie das können, müssen sie die Gefühle des Komponisten verstehen und transferieren können. Ebenso muss der Komponist seine Gefühle verständlich machen, bei der Sache sein und doch distanziert. Er muss dem Idol genug Freiraum geben, sich selbst einbringen zu können, sich gegebenenfalls in das Idol hinein versetzten. Das ist ein Talent, dass nicht jeder Songwriter hat und gerade du warst in der Schulzeit Starish und Quartet Night am nächsten. Du warst es, die uns gesagt hat, dass wir wie Starish unsere Zeit an der Akademie nutzen und genießen sollen. Das wir nicht das Unbekannte scheuen sondern es suchen sollen. Du hast so viel gelernt und endlich zeigt sich, dass es nicht umsonst war, Erenya. Deswegen, nimm dir einen Lorbeerzweig und schmücke auch dein Haupt damit.“ Sumire war auf mich zugekommen und hatte meine Hände in ihre genommen. Ihre Worte minderten nicht meine Freude, sondern ließen mich vor Verlegenheit erröten. Ich tat mir immer noch schwer zu glauben, dass auch ich etwas dazu beigetragen hatte. Genauso wie damals. Und die Gang war es gewesen, die mir immer wieder gesagt hatte, dass es auch mein Verdienst war. „Deine poetische Ader kommt wieder hervor“, erklärte ich mit einem Lächeln und drückte ihre Hände zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. „Gratuliere, Erenya“, flüsterte sie mir zu und beugte sich dabei zu mir vor. Sie war mir wieder so nahe wie bei ihrem Verhör, doch in ihren Augen befand sich nichts verhörendes, sondern etwas sanftes. „I-Ich denke wir sollten weitermachen“, erklärte ich und löste mich aus Sumires Nähe. Manchmal war sie mir unangenehm. Vorallem in diesem Moment, in dem auch Cecil und die anderen zugegen waren.   Sumire hatte die Aufnahmen gegen den späten Nachmittag verlassen und nachdem wir alle Instrumente aufgenommen hatten, musste der Tontechniker die Samples nur noch vereinen. Wir lagen gut im Plan, so weit ich das beurteilen konnte. Am nächsten Tag würden wir die einzelnen Stimmen aufnehmen. Der dritte Tag sollte schließlich eine Komplettaufnahme mit Instrumenten und Idolen werden. „Gute Arbeit alle zusammen!“, rief ich den Jungs und Mitarbeitern zu, während ich meine Tasche packte. Der Tag, war abgesehen von der Begegnung mit Chiron gut verlaufen und ich freute mich schon richtig darauf mein neues Spiel weiterzuzocken. Oder viel eher die Visual Novel zu lesen. „Lady, kannst du noch einen Moment warten?“ Ich hatte meine Tasche gerade über meine Schulter geschwungen, als Ren mich daran hinderte durch die Tür zu gehen. Er schien gewartet zu haben, bis die anderen Mitarbeiter gegangen waren. „Uhm, klar. Was gibt es? Ist es wegen Sumire? Tut mir wirklich leid. Sie ist eine Freundin aus der Zeit in Saotomes Akademie und sie arbeitet nun in diesem Musikstore, der uns die Instrumente geliehen hat. Ihr müsst euch keine Sorgen machen, sie wird wirklich nichts verraten.“ Ich befürchtete, dass ich dank Sumire in ein weiteres Fettnäpfchen getreten war, doch die verwunderten Blicke der Jungs straften meine Worte Lügen. Sie wollten nicht wegen Sumire mit mir reden. „Schon in Ordnung. Wir hatten in der Pause Zeit mit Sumire zu reden. Sie ist ein nettes Mädchen und hat einiges über eure gemeinsame Schulzeit erzählt.“ Ich errötete, denn wie ich Sumire kannte, ließ sie dabei nicht die besonders peinlichen Dinge raus. Dinge wie, dass sie mir beigebracht hatte am Ball zu bleiben bis ich das Klavier durch und durch beherrschte. Ebenso hatte sie mir alle ihr bekannten Instrumente nahe gebracht, damit ich ein Gefühl dafür bekam Songs zu schreiben. Einfach nur Noten zu beherrschen, war für mich nicht ausreichend gewesen. So wie Beethoven mithilfe von Vibrationen schrieb, als er taub wurde, schrieb ich mit der Erinnerung daran, wie ein Instrument klang und entschied dann, ob die Instrumente zu dem Lied passten oder nicht. „Wir wollten dich fragen, ob du mit uns zum Master Course Gebäude kommst und wir gemeinsam etwas trinken.“ Ich erinnerte mich daran, schon einmal so eine Einladung bekommen zu haben. Von Rens Rivalen, was das ganze wirklich ironisch wirken ließ. Damals hatte ich abgelehnt, weil ich noch mit Mira eine Verabredung hatte, doch dieses Mal hatte ich keine Verpflichtungen. Nur ein Spiel, dass darauf hoffte von mir beendet zu werden. „Ich weiß nicht, ich hab einen ziemlich weiten Weg zu mir nach Hause.“ „Wir könnten dir einen Fahrer organisieren“, konterte Tokiya meinen Versuch Rens Anfrage abzulehnen. „Wir müssen morgen wieder früh an die Arbeit.“ „Keine Sorge, wir haben alkoholfreie Drinks vorbereitet“, erklärte Cecil mit einem Lächeln. Das wurde echt unfair. Wie sollte man noch Ausflüchte finden, wenn jeder von ihnen scheinbar ein Argument parat hatte. „Und Natsuki hatte mit der Zubereitung nichts zu tun.“ Das war er, ausgeführt von Syo, der Todesstoß in meiner Argumentation. Ich hatte also keine weitere Möglichkeit mehr Nein zu sagen. „Also schön, ihr habt gewonnen, wenn auch die Mittel nicht gerade fair waren.“ Ich verabschiedete mich geistig davon dieses Spiel heute Abend noch einmal zu sehen. Manchmal kam es eben doch anders als man dachte.   Als wären sie wahrlich Prinzen, führten mich die Jungs in den Gemeinschaftsraum, in dem auch der Rest von Starish wartet. Natsuki ließ eine Hand voll Konfetti auf mich herab regnen und neben Starish sah ich auch Mira und Hiroki, die mich schelmisch angrinsten. „Willkommen im Master Course, Nya-chan!“ Verwundert sah ich zu Natsuki, der eine weiter Hand voll Konfetti warf, so dass dieses „Lass uns gemeinsam etwas trinken“-Angebot mehr wie eine Party wirkte. Eine kleine, private Party. „Ähm. Ich gestehe ich bin überrascht und verwirrt“, merkte ich an und sah in die Runde. „Wir... Unser erstes Aufeinandertreffen war nicht sehr optimal. Deswegen dachten wir, dass wir einfach nochmal neu starten und es dieses Mal richtig machen.“ Ruhig und sachlich erklärte Masato, was diese Party sollte und ich musste gestehen, dass ich echt gerührt war. All die Zweifel, ob ich mich in meine Lieblingsgruppe geirrt hatte, waren durch diesen einen Moment wie weggeblasen. Er zeigte mir, dass nicht alles nur Schein war, was Starish ausmachte, sondern das auch jemand wie ich, der nicht Haruka war, etwas von ihrer Liebe, wenn auch nur platonisch, bekommen konnte. „Leider haben wir festgestellt, dass du wahrscheinlich wesentlich mehr über uns weißt, wir aber gar nichts über dich und deswegen...“ „Und deswegen wollen sie die DVDs aus unserer Schulzeit sehen. Klasse oder?“, unterbrach Mira Tokiya, der ihr die DVD gab, welche ich ihm im Studio gegeben hatte. „Und damit du dich nicht unwohl fühlst, haben sie uns gefragt, ob wir mit dabei sein wollen. Oder viel mehr Mi hat uns eingeladen als Natsuki ihr diese Idee nahe gebracht hat.“ Hiroki schien weniger begeistert zu sein, war aber auch nicht abgeneigt wie ich ihn einschätzte. Viel eher hätte er mir aber wohl den Freiraum gegeben etwas mehr Freizeit alleine mit Starish zu verbringen. Doch wenn ich ehrlich war, war ich froh darüber, dass beide hier waren, denn sonst hätte ich, während die DVDs liefen, keinerlei Wort mehr gesagt. „Na dann, lernen wir uns doch mal kennen. Welche DVD schauen wir zuerst?“ „Oh ich weiß, nehmen wir die von unseren Ausflügen.“ Es war ja klar gewesen, dass Mira sofort wusste, welche DVD die beste war, damit Starish mich besser kennenlernen konnte. Und ich ahnte jetzt schon, dass es die wohl peinlichste war. Zum Glück war es auch Hiroki unangenehm.   **~~**   „Also, heute habe ich jemanden dabei, den ihr alle kennt. Nya-Nya-chan. Sie geht in meine Klasse und ihr japanisch ist noch nicht so gut, aber ich denke wir kriegen das hin.“ Ich traute mich gar nicht all den Leuten in die Augen zu sehen, die Mira für die Frühstückspause zusammengetrommelt hatte. Sie nannte sie „Ihre Gang“, wobei es das Wort „Freunde“ wohl eher traf. Ein paar Gesichter erkannte ich. Juri zum Beispiel. Er war in der S-Class. Andere dagegen sah ich eher seltener, was darauf hinwies, dass sie wohl zur B- und C-Class gehörten. Als Mitglied der A-Class hatten wir keinen Unterricht mit diesen, wodurch die meisten Personen zwar wahrgenommen aber nicht bemerkt wurden. Zumindest traf das auf mich zu. Ich hatte allerdings auch ein paar kommunikative Schwierigkeiten, die ich zusammen mit Mira versuchte zu umgehen. „Dann stellt euch mal vor.“ „Sumire Tanaka. Ich gehe in die C-Class, gemeinsam mit Mikoto, der Typ der gerade alles mit der Kamera filmt. Du solltest also nicht schüchtern sein.“ Die Person, Sumire, ein Mädchen mit flammend roten, kurzen Haar und lilafarbenen Strähnen, lächelte und verwies auf Mikoto, einem Jungen, hochgewachsen, mit dunkelbraunen Haar, der eine Kamera vor sich hielt und die Welt scheinbar durch diese zu beobachten schien. „Hi“, sagte er kurz angebunden, aber freundlich und winkte. „Mein Gott, Mikoto, musst du wirklich immer alles filmen. Unsere Ausflüge verstehe ich ja, aber selbst das Mittagessen?“ „Komm schon, Yurika. Das sind doch nette Erinnerungen. Am Ende unseres Schuljahres, wenn wir kaum noch etwas haben, sind es diese Filme, die alles festgehalten haben. Die Hochs, die Tiefs. Wir könnten es als Dokumentation an einen Sender verkaufen, wenn einer von uns Debütiert.“ „D-Dokumentation?“ Ich versteifte noch mehr, als ich das hörte, denn die Chance sich nun vollständig zu blamieren war hoch genug. Und vor allem auch wahrscheinlich. „Keine Sorge, Erenya, Mikoto wird es nicht wagen uns lächerlich dastehen zu lassen, wenn doch, lernt er mich kennen. Ach ja, ich bin Yurika, S-Class, zusammen mit Juri. Aber ich denke das weißt du, wir sehen uns ja regelmäßig.“ Ich nickte zum Zeichen, dass ich sowohl sie als auch Juri schon bemerkt hatte. Was nicht sonderlich schwer war. Juri schien immer zu wissen, was angesagt war oder was seine grünen Augen zur Geltung bracht. Dafür hatte er in der Designstunde immer wieder Komplimente bekommen. Yurika hingegen wirkte wie das einfache Mädchen von Nebenan. Sie trug ihre schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten und wirkte fast schon unscheinbar dank ihrer Brille. Doch wenn sie sang, war sie anders. Einfach göttlich. Eine Stimmgewalt, die ihres Gleichen suchte. „Rihito, reichst du mir mal die Eier?“ Mein Blick wandte sich zu den Zwillingen, die etwas abgeschieden und desinteressiert bei der Gruppe saßen und ihr Mittag verzerrten. Sie waren beide typisch japanisch schwarzhaarig und sicher hatten sie auch braune Augen. Auch wenn Rumis Haare etwas länger waren, so hätte man doch Probleme bekommen beide auseinander zu halten. „Hi-chu! Jetzt stell dich doch auch mal vor.“ „Wofür? Sie kennt mich. Wir gehen in dieselbe Klasse. Außerdem muss ich noch in die Bibliothek.“ Hiroki, ebenfalls ein Mitglied der A-Class, erhob sich von seinem Platz und nahm seine Tasche. Er wirkte auf mich nicht sehr begeistert von der ganzen Sache. Dennoch war er der Gruppe auch nicht vollständig abgeneigt. Das zeigte mir die Tatsache, dass er überhaupt hier war, auch wenn er sich so schnell wieder trennte. „So ein Miesepeter. Egal. Willkommen in der Gang, Nya-nya-chan. Ich bin mir sicher, du wirst dich hier wohl fühlen.“ *** Zweifelnd sah ich zu Juri, der es wirklich für nötig hielt, mir ein Kleid anzufertigen. Auf meinen Protest, dass ich Kleider nicht trug und schon die Schuluniform eine Zumutung für mich war, zumal ich einiges an Pfunden auf den Rippen hatte, reagierte er nicht einmal. „Ich habe eine Vision... Lang, um zu kaschieren, aber dennoch an den richtigen Stellen betont um zu provozieren. Vertrau mir, Ere-san.“ „Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue...“, murmelte ich und sah zu Mikoto, der auf Wunsch Juris das Maßnehmen filmen sollte. Es war mir unangenehm und mit Sicherheit wollte ich niemals den Moment sehen, an dem ich wie ein Walross auf dem Podest stand und Juri immer wieder den Kopf schüttelte, weil er sein Design in Gedanken durchging. Er strich sich hinterher immer eine seiner silbernen Strähnen aus dem Gesicht, bevor er sich erneut an seine Arbeit machte. „Du wirst bezaubernd sein. Außerdem hast du gesagt, wir sollen uns Herausforderungen stellen.“ „Aber ich bin im Komponistenkurs, nicht im Idolkurs. Ich muss keine Kleider tragen. Komponisten arbeiten im Hintergrund.“ „Pah Pah Pah Pah! Kein Wort, Ere-san. Nur weil jemand im Hintergrund arbeitet, heißt es nicht das er aussehen muss als würde er einen Kartoffelsack tragen. Außerdem müssen auch Komponisten zu Preisverleihungen. Es wäre also gut, wenn du ein wenig auf dein Äußeres achtest, zumindest in diesen Momenten. Wenn du nun also hin und wieder Kleider trägst, kannst du dich geistig darauf vorbereiten.“ Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Ich glaubte nicht, dass ich jemals so hoch hinaus kam, dass ich wirklich mal zu einer Preisverleihung musste. Keiner meiner Songs die ich bisher geschrieben hatte, war wirklich über eine drei hinaus gekommen. Ringo verzweifelte sogar fast schon mit mir und meinte mir würde das Gefühl für die Musik fehlen. Erneut fragte ich mich, wie ich es überhaupt in diese Schule geschafft hatte? Mehr als ein paar Noten zusammenzusetzen und zu hoffen dass es gut klang, hatte ich sicher auch vorher nicht getan. *** „Hast du sie drauf?“, rief ich Mikoto zu, der nickte, während Mira zusammen mit Rumi und Yurika auf der Bühne standen und ihre Generalprobe hatten. Es hatte ewig gedauert die Choreo zu proben und noch länger Rumi den Text einzutrichtern. Sie war keine der Personen, die wirklich gut im gesanglichen oder schauspielerischen Bereich war. Dafür glänzte sie aber beim Modeln. Wahrscheinlich war das eher ihre Bestimmung. Ich stellte mich etwas hinter Mikoto und starrte auf den Aufklappbildschirm. Die Welt wirkte wirklich anders durch das Ding. „Yurika, etwas weiter vor. Stopp! Genau da“, rief ich und sah noch einmal auf den Bildschirm. Ihre Positionen waren perfekt. „Legt los!“ Ich wandte mich um und sah in die Richtung, in die auch die Kabine für die Audiotechnik war. Hinter unzerbrechlichen Glas, befanden sich Rihito und Hiroki, die beide für Licht und Musik sorgen sollten, zumindest während dieser Probe. Es musste perfekt sein, immerhin war dies Juris erster Song. *** Zusammen mit Rihito keuchte ich auf dem Laufparkour um die Wette. Wir waren schon weit abgeschlagen von den anderen, was daran lag, dass unsere Kondition gar nicht vorhanden war. „Seitenstechen...“, murmelte Rihito und hielt sich die linke Seite. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich fühlte, denn mir ging es nicht anders. „Hol tiefer Luft...“, keuchte ich, da ich irgendwann mal gehört hatte, dass Seitenstechen durch zu wenig Sauerstoff verursacht wurde. Doch schon diese Worte straften mich mit schweren Schmerzen und einer erneuten Welle von Atemnot. „Ich hasse Sport...“, murmelte Rihito und verlangsamte seinen Schritt um einiges mehr. Etwas wogegen ich seit der letzten Runde ankämpfte, da Ryugas Blicke ernst auf uns ruhten. Gefühlt waren wir beide die letzten auf dem Platz. „Nicht schlapp machen“, murmelte ich und hakte mich bei Rihito ein, um ihn so in mein Tempo zu zwingen. Er ließ es über sich ergehen, mit murren. „Komm schon, du Vorzeigemodel, tu etwas für deine Figur.“ „Ich ess einfach einen Pudding weniger für die Figur.“ Ich lachte kurz, verzog aber schmerzerfüllt das Gesicht. Lachen war beim Laufen definitiv nicht gut. „Wenn wir nicht ordentlich schwitzen, gibt es nie wieder Pudding, für beide von uns.“ *** Die Musik von Hirokis letzten Song verstummte. Ich nippte an meinem Glas und sah in die Songauswahl. Die Frage war, was würde ich an unserem Karaokeabend singen. Oder viel mehr, die Mädels und ich. Wir hatten eine kleine Wette laufen, dass die nächste Runde an die Gruppe ging, die weniger Punkte hatten. Die Jungs hatten mit Poison Kiss echt gut vorgelegt. Wer hätte auch gedacht, dass Mikoto singen konnte. Bisher hatte er nur mit seiner Filmleistung geglänzt. Die Schwierigkeit war nun einen Song zu finden, der stimmlich zu uns passte. Leider konnte ich da nicht mit einem Starish-Song kommen. „Und schon entschieden?“, fragte Hiroki und sah mich herausfordernd an. Ich ignorierte ihn und blätterte eine Seite weiter. Anime-Songs. Passte doch zu mir. So genau es ging sah ich mir einzelne Titel an und stockte schließlich, als ich diesen einen Song sah, den ich neben Starish- und Quartet Night-Songs, aus meiner Welt kannte. „Den perfekten Song gefunden.“ Ich beugte mich zu Mira, Sumire und Yurika und zeigte ihnen das Lied, stumm fragend, ob sie es kannten. „Uh, dieser Song wird uns helfen, dass wir mit ihnen den Boden wischen. Jungs, legt schon mal für die nächste Runde zusammen“, erklärte Yurika herausfordernd und schnappte sich ein Mikrophon. Ich nahm mir das von Hiroki, da er es mir schon entgegen hielt und wählte den Song in der Auswahl. Kaum dass Ruhe einkehrte, begann das langsame, sanfte Intro, gespielt von einem Klavier. Und schließlich, gipfelte es dank Gitarre und weiteren Instrumenten in einen wilderen Beat. I say Hey, hey, hey START:DASH!! Hey, hey, hey START:DASH!! Ubuge no kotoritachi mo Itsuka sora ni habataku Ookina tsuyoi tsubasa de tobu Akiramecha dame nanda Sono hi ga zettai kuru Kimi mo kanjiteru yo ne Hajimari no kodou Ashita yo kaware! Kibou ni kaware! Mabushii hikari ni terasarete kaware START!! Kanashimi ni tozasarete Naku dake no kimi janai Atsui mune kitto mirai o kirihiraku hazu sa Kanashimi ni tozasarete Naku dake ja tsumaranai Kitto (kitto) Kimi no (yume no) chikara (ima o) Ugokasu chikara Shinjiteru yo... dakara START!!   **~~**   „Und wer hat gewonnen?“ Der Clip endete nachdem wir vier gesungen hatten, so dass nur wir Beteiligten wussten, wer gewonnen hatte. Dennoch schien es Otoya zu interessieren, weswegen ich Mira und Hiroki grinsend ansah. „Keiner. Wir hatten exakt dieselbe Punktzahl. Am Ende haben die Jungs für die Mädels die Drinks bezahlt und die Mädels für die Jungs. Aber es war ein echt genialer Tag.“ Mira nickte auf meine Aussage hin. Hiroki hingegen hielt sich zurück. Vor allem weil gerade ein Clip lief, in dem er von Juri Lauftraining in Frauenschuhen aufgebrummt bekommen hatte. „Wie sah es eigentlich mit deiner musikalischen Entwicklung aus? Warum hast du nicht den Idolkurs gewählt, wenn du Probleme mit dem komponieren hattest?“ Tokiya schien wirklich interessiert an meinem Werdegang, zumal deutlich zu sehen war, in wenigen Clips, dass ich einige Herausforderungen hatte, was das Schreiben von Liedern anging. „Nun, ich stand nicht gerne im Rampenlicht. Und ich hasse es immer noch. Zuhause habe ich zwar hin und wieder auf der Bühne gesungen aber naja unsere Idolkultur ist in Deutschland nicht wirklich vorhanden. Mit der Zeit fand ich aber meine Art zu komponieren und meine Noten besserten sich.“ „Sie haben sich nicht nur gebessert. Schüler die Erenya zuvor gar nicht beachtet hatten, baten sie für die Song-Battles zu schreiben“, erklärte Mira begeistert und ich schüttelte den Kopf. „Das war im letzten viertel Jahr. Und es haben gerade mal zwei gefragt.“ „Und Chiron...“, setzte Hiroki nach und versetzte mir damit einen schmerzhaften Stich ins Herz. „Wer ist Chiron?“ Wie gerne hätte ich gerade an diesem Tag diesen Namen vermieden. Aber wahrscheinlich ließ sich das nicht. Vor allem dann nicht wenn Cecil fragte. „Chiron war derjenige, von dem jeder dachte, dass er das Debüt bekommt. Er war Mitglied der S-Class und einer der besten. Dadurch, dass er ein Albino ist, hatte er auch noch ein prägnantes Merkmal, dass es schwer machte ihn zu vergessen. Er war der Leader des Duos Lionheart. Yurika war seine Partnerin.“ So knapp es ging, gab Hiroki die Details zu Chiron wieder, wobei er mich ansah. Fast so als wollte er fragen, ob es in Ordnung war, wenn er über ihn sprach. „Als wir unsere Songwriter suchen sollten, hat Chiron Nya-Nya-chan gefragt.“ „Das wäre eine sichere Sache für sie gewesen, wenn dieser Chiron der Favorit war“, merkte Ren an und sah dabei zu mir. „Warum hast du abgelehnt, Lady?“ Ich überlegte, wie ich es sagen sollte. Wie konnte ich ausdrücken, warum ich Chiron nicht als Songwriter unterstützt hatte? „Er fühlt es nicht. Chiron kann die Musik nicht fühlen. Er ist zwar ein brillanter Schauspieler und Sänger... aber er fühlt es nicht, selbst wenn er andere Glauben machen kann, dass seine Gefühle echt sind. Außerdem... ich habe ihm nicht vertraut.“ „Aber Yurika. Sie war doch auch eine deiner Freundinnen und ebenfalls Mitglied von Lionheart. Du hättest damit auch für sie geschrieben.“ In Natsukis Stimme schwang Verwunderung mit. Was auch immer er dachte, er kannte nicht die ganze Geschichte. „Zu diesem Zeitpunkt, war die Yurika von Lionheart nicht mehr die Yurika mit der ich einst befreundet war. Das hat sie mir hinterher nur zu deutlich gezeigt.“   Wir hatten noch den ganzen Abend die DVDs von Mikoto angesehen. Starish bekam so einen Einblick in meine Entwicklung, nicht nur sozialer sondern auch musikalischer Natur. Es war zwar nicht der Einblick, den ich über sie bekommen hatte, als Anime, aber es kam dem doch schon nahe. Doch auch der schönste Abend musste sich dem Ende neigen. Die Jungs hatten wie versprochen dafür gesorgt, dass ich einen Fahrer bekam, der mich nach Hause bringen würde. Vor dem Haupteingang des Master Course Gebäudes verabschiedete Starish mich, was dafür sorgte, dass ich mich nicht fühlte, als würde ich mich für immer verabschieden. Dennoch würden es diese Erinnerungen sein, die mich wehleidig werden lassen würden, sobald Haruka zurück war. Damit wäre es ratsam gewesen jeden Moment auszukosten. „Danke für den tollen Abend, Jungs. Wir sehen uns morgen.“ Ich winkte Starish zu, bevor ich in den Wagen stieg und mich nach Hause fahren ließ. Müde, aber auch glücklich. Zumal ich heute nicht nur viel Zeit mit Starish verbracht hatte, sondern auch mit den Erinnerungen aus meiner Akademie-Zeit. Schmunzelnd zog ich mein Handy aus der Tasche und wählte Shicchis Namen an. Es war schon einmal eine Nachricht durchgekommen. Vielleicht würde wie durch ein Wunder auch diese in meine Welt gelangen. Mach dir keine Sorgen. Es scheint doch Bergauf zu gehen. Ich werde weiterhin mein bestes geben. Selbst wenn ich dabei dumme Ideen verwirklichen muss. Du kennst mich ja. Hab dich lieb, deine Eri. Ich lächelte sanft und las noch einmal die SMS, die ich an diesen entscheidenden Tag bekommen hatte. Doch jetzt, da ich einen kurzen Moment Ruhe hatte, bemerkte ich etwas. Eine verborgene Botschaft innerhalb von Shicchis SMS. Wir hatten vor wenigen Stunden geskypt... Ich erinnerte mich an den Tag, an dem ich plötzlich aus meiner Welt gerissen wurde. Ich hatte wirklich zuvor mit Shicchi geskypet und dabei versucht zu verbergen, wie dreckig es mir ging. Mit einer Ausrede hatte ich das Gespräch dann schließlich beendet. Ich erinnerte mich sogar genau, was ich zu ihr gesagt hatte. „Ich muss noch etwas für die Storyteller tun. Wir hören uns. Hab dich lieb.“ Shicchi hatte sicher gewusst, dass etwas nicht stimmte. Sie kannte mich gut genug um so etwas zu spüren oder zu wissen. Doch sie hatte nicht nach gebohrt. Doch... wie konnte es nur wenige Stunden her sein, wenn ich doch schon zwei Jahre in dieser Welt festsaß? Lief die Zeit dort anders?   **~~**   Auch am nächsten Tag war ich wieder früher im Studio erschienen. Dieses Mal aber nicht um die Instrumente vorzubereiten, sondern um für genug Getränke zu sorgen. Immerhin wusste ich ja nun, dass Cecil dazu neigte nicht genug zu trinken. Dem musste man entgegen wirken, indem man für genug Vorrat sorgte. Ich stellte die Flaschen auf den Tisch, platzierte die Box mit den Getränken in greifbarer Nähe und sah nach, ob die Mikrofone in der Kabine auf der richtigen Höhe waren. Alles war perfekt und ich hatte keine Zweifel daran, dass auch dieser Tag gut laufen würde. Alles was ich jetzt tun musste, war zu warten, oder mir in der Zwischenzeit ein Frühstück im nahegelegenen Konbini zu besorgen. Da ich erneut früh genug die Wohnung verlassen hatte ohne etwas zu essen, wurde es allmählich Zeit, dass ich das nachholte. Ich wandte mich zum Ausgang des Aufnahmestudios, gefror allerdings in meiner Bewegung als ich sah, wer dort in der Tür stand. „Du komponierst nun also für Starish. Ist ein großer Schritt nach vorne. Die Frage ist nur, wieviele Schritte wirst du zurückgehen, wenn Haruka wieder da ist?“ Die Schadenfreude in seinen roten Augen konnte ich zwar dank der Sonnenbrille nicht sehen, aber ich wusste, dass sie da war. Auch wenn seine Stimme einen gespielten, mitleidigen Unterton hatte. „Woher weißt du das?“ „Mir hat ein Tontechniker gestern Rede und Antwort gestanden. Hier nehmen vier Mitglieder von Starish einen Song auf. Du bist gestern Fluchtartig in dieses Studio verschwunden, glaub mir, ich kann eins und eins zusammen zählen. Dann sind da noch die Gerüchte um einen neuen Komponisten, seit es dieses Medley gibt, dass auf Platz zwei steht.“ Ich schwieg und versuchte seinem Blick nicht zu auffällig auszuweichen. Wer wusste schon, was Chiron tun würde, wenn er die Wahrheit erfuhr. Die Wahrheit, dass dieses Medley wirklich von einem anderen Komponisten, von mir, stammte. „Ich gehe zwar nicht davon aus, dass Shining seinen Goldesel Haruka ersetzen wird, aber er hat temporär jemanden gefunden der einigermaßen an ihr Talent heran reicht. Dich. Es ist nicht so, dass ich mich nicht für dich freue, aber wir beide wissen, dass Shining dich fallen lassen wird, sobald sein Goldesel zurück ist. Du wirst wieder in der Versenkung verschwinden, niemand wird von dir reden und du wirst wieder auf der Stelle treten.“ Chiron war wirklich gut darin Zweifel zu säen. Das wusste ich. Doch bei mir musste er nicht mehr viel säen. Ich wusste das alles. Ich wusste, dass meine Zeit mit Starish nur begrenzt sein würde. Doch ich hatte mir geschworen sie zu genießen, so lange ich konnte. Und vor allem ihnen zu helfen und zur Seite zu stehen. Das hatte ich Haruka stumm versprochen und ich würde dieses Versprechen auch halten. „Tailor, ich mache dir ein Angebot. Ich suche noch einen Komponisten. Einen persönlichen und der Chef von Blast Production versicherte mir, dass ich mir diesen aussuchen darf. Und ich würde es sehr begrüßen, erneut deine Songs zu singen und sie noch größer zu machen als alles, was die Idolwelt aktuell zu bieten. Gemeinsam können wir es schaffen Heavens, Starish und auch Quartet Night von ihrem Thron zu stoßen. Also, was sagst du dazu?“ „Ich lehne ab.“ Ich musste über dieses Angebot nicht nachdenken, denn der einzige der dadurch wohl profitieren würde, war Chiron. Noch dazu konnte ich keine der drei Gruppen so dermaßen verraten, auch wenn Heavens nicht einmal zu Shinings Schützlingen gehörte. „Ich hab gerade ein Déjà-vu. Du hast schon einmal eines meiner Angebote abgelehnt und damals ist es uns beiden nicht gut bekommen. Ich musste Dinge tun, die ich nicht wollte, um zu bekommen, was mir bestimmt war. Und du hattest einen wesentlich steileren Weg zu deinem Ziel vor dir. Was wenn deine Ablehnung auch dieses Mal den Weg nur steiler macht? Was wenn du dieses Mal vor deinem Ziel abstürzt? Ist dir das wirklich wert, Tailor?“ „Wir sind nicht mehr in der Akademie, Chiron. Und ich bin auch nicht allein.“ „Oh natürlich nicht. Wen hast du schon? Shining? Mach die Augen auf, er benutzt dich ohne dich zu schätzen. Ich würde dich gleichermaßen benutzen und schätzen. Die Firma zahlt deine Wohnung, du bekommst Zugang zu allen Events die du willst, persönliche Treffen mit deinen Lieblingsseiyuus, zusätzlich kannst du deine Projekte selbst bestimmen, abgesehen von den fixen mit mir. Du bekommst alle Freiheiten die du willst, ohne an der kurzen Leine gehalten zu werden.“ „Nur zu blöd, dass ich momentan nicht das Gefühl habe an der kurzen Leine zu sein. Deswegen, Angebot weiterhin abgelehnt. Ich bin zufrieden mit dem was ich habe.“ Chiron schwieg, während ich ihn weiter fixierte. So verlockend sein Angebot für andere auch klang, ich hatte alles was ich mir gewünscht hatte. Und selbst wenn die Umstände anders waren, ich wäre zufrieden gewesen. „Wenn du es dir anders überlegst, hier ist meine Karte. Ruf mich an, das Angebot bleibt bestehend.“ Chiron zog eine Visitenkarte und ließ sie vor sich zu Boden fallen. Er wandte sich von mir ab und verließ das Studio wieder. Mein Blick haftete aber auf der Visitenkarte.   **~~**   Es war der letzte Tag für unsere Aufnahmen und wir hatten schneller als gedacht am Vortag alles fertig bekommen. Heute wollten wir nur noch die Feinheiten machen und um diese zu finden, lauschten wir den Klängen des Songs. Oder viel mehr taten die Jungs es. Ich starrte sie abwartend an und prägte mir ihre konzentrierten Gesicht ein. Als die letzte Zeile mit ihren Noten verklang, rutschte ich ungeduldig auf meinem Platz hin und her. „Und? Ist es Starish?“, fragte ich nervös, denn es war eine der Bedingungen gewesen. Jetzt mit dem neuen Arrangement mit den anderen Instrumenten, konnte es immer noch missfallen. „Ich weiß nicht...“, antwortete Syo und verschränkte die Arme, wobei mir das Herz in die Hose rutschte. „Es klingt wie Jinguji, aber hat doch den sanften Unterton von Starish. Aber... da ist noch etwas anderes“, erklärte Tokiya und mein Herz rutschte nun durch eines der Hosenbeine. „I-Ist das schlecht?“ „Mach dir keine Sorgen, Lady. Icchi meint nicht, dass etwas negatives an diesem Song haftet. Es hat diesen Hauch von Starish, aber gleichzeitig ist da etwas, dass es, und ich entschuldige mich für diesen Vergleich, bei Lämmchen nicht gibt. Es ist... frisch.“ Auch wenn Ren sagte, dass es nichts negatives war, so fragte ich mich doch, ob frisch nicht doch vielleicht nicht ganz so positiv sein sollte wie ich es mir erhoffte. „Frisch? Ihr meint, es ist etwas neues?“ „Fast. Irgendwie habe ich das Gefühl eine neue Seite von uns zu sehen. Ich sehe andere Möglichkeiten in uns.“ „Und was heißt das jetzt für den Song? Müssen wir Dinge daran ändern? Wir haben nur noch heute Zeit dafür. Ihr seid diejenigen die entscheidet, ob ihm noch etwas fehlt.“ Ich sah die Jungs gespannt an. Fast schon angespannt. „Mach dir keine Sorgen. 'Queen of Hearts' wird beweisen, dass das Medley von dir nicht nur ein Glückstreffer war. Du kannst stolz auf diesen Song sein und wir werden ihn mit stolz performen.“ Diese Worte von Tokiya zu hören, ließ meine Erleichterung wachsen. Ich würde vielleicht nicht Liebesgeständnisse für meine Lieder bekommen, aber immerhin würden sie diese mit Stolz und Respekt vor mir singen. „Wie wäre es mit einer Mittagpause? Syo und ich holen eine Kleinigkeit“, schlug Cecil vor, nachdem mein Magen vor Erleichterung seine Hymne des Hungers sang. Peinlich genug um mich erröten zu lassen. „Klingt gut. Danach können wir noch einmal das Lied hören. Auf leeren Magen lässt sich nicht gut nachdenken.“ Ren bedachte mich mit einem schmunzeln, scheinbar wissend, dass ich mich bei unserem letzten reinhören kaum auf den Song konzentriert hatte. Ich war viel zu sehr darauf fokussiert gewesen, dass es den Jungs gefiel. Und ihren Segen hatte ich nun. Also war es an der Zeit selbst zu überlegen wo noch ein Feinschliff nötig war.   Wir hatten es uns im Pausenraum mit Tee bequem gemacht und warteten auf die Rückkehr von Syo und Cecil. Stille herrschte zwischen uns drein und machte mir nur deutlich, dass selbst wenn das Eis zwischen uns gebrochen war, mich nicht viel mit Starish verband. Doch ich wollte nicht, dass es so aussah. Ich wollte wenigstens eine Freundin werden. „Also, erzählt mal. Ihr wisst nun einiges über mich. Ich fände es nur fair, wenn ich da auch etwas mehr über euch erfahre.“ Fragend sahen sich Ren und Tokiya an. Scheinbar überlegten sie, was sie mir erzählen konnten, oder was ich erwartete zu hören. „Was willst du denn wissen, Lady?“ Gute Frage. Was würde ich wissen wollen, nachdem ich vieles über die einzelnen Starish-Mitglieder wusste. Ich dachte nach und blickte dabei in meinen Becher Tee. Es gab nur eine Sache, die ich wissen wollte. Doch ich konnte sie nicht in Worte fassen. Vielleicht weil ich fürchtete die Wahrheit zu erfahren. „Eigentlich... Wie ist es so im Master Course zu leben? Ich meine unter denselben Dach wie potentielle Rivalen, als auch Freunde.“ Erneut sahen sich beide an und überlegten scheinbar, wie meine Worte gemeint waren. Dass meine Formulierung zu verwirrend war, weswegen ich entschied, sie noch etwas umzuformulieren. „Ich meine, Hiroki wohnt auch im Master Course und doch gibt es zwischen euch keine Rivalität. Im Gegenteil ihr scheint euch gut zu verstehen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es hin und wieder etwas seltsam ist. Man sitzt im Gemeinschaftsraum, plant den nächsten Song und plötzlich kommt ein anderes Idol herein, sieht wie motiviert ihr arbeitet, wieviel Spaß ihr habt, während dieses andere Idol um jeden Platz kämpfen muss. Das muss doch seltsam sein, oder?“ „Nein, das ist es nicht. Als Hiruchi überlegte ob er seine Horrorwoche vorschlagen soll, haben wir darüber gesprochen. Er war unsicher. Zwar hatte er auch einen Komponisten im Sinn, aber er wusste nicht wie er das ganze aufziehen sollte. Er hat sich dann mit Masato und Cecil besprochen. Wie das ganze Ausging kannst du dir sicher denken.“ Ich war verblüfft, denn ich wusste ja, dass ich diese Idee in Hiroki gefestigt hatte, nicht aber, dass er unsicher gewesen war und deswegen mit jemanden darüber gesprochen hatte. Ich lernte nicht nur eine neue Seite an Hiroki kennen, sondern auch eine am Leben im Master Course. „Kuroda hat immer viel mit Shibuya und Shinomiya gesprochen. Besonders wenn sie die nächste Folge ihrer Show besprochen hat. Wenn es um Themen ging oder um Gäste.“ Meine Überraschung wurde größer. Selbst Mira schien auf ihre Senpai zu vertrauen und sie um Rat und Tat zu bitten. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Sie waren nicht zu mir gekommen, sondern zu jenen, die schon weiter waren. Ich war enttäuscht und fühlte mich betrogen. Wenn meine besten Freunde nicht mit mir über ihre Zweifel sprachen, ich aber mit ihnen über alles, wer war dann der größere Ballast für wen? Ich versuchte diese Gedanken mit einem Schluck grünen Tees zu ertränken. Vielleicht... konnten sie ja nicht über so etwas mit mir reden, weil ich nur eine Komponistin war. „Wenn... wenn ihr Zweifel habt... redet ihr mit Nanami-san darüber?“ „Nicht nur mit ihr. Auch miteinander. Meist braucht es bei Nanami keine Worte um zu merken, dass etwas nicht stimmt.“ Vielleicht war es das, was mir fehlte. Einfühlungsvermögen. Ich hatte nicht gewusst oder bemerkt, das Hiroto und Mira sich Sorgen gemacht hatten. Ich hatte sogar vergessen, wieso ich es nicht bemerkt hatte. Ob es der Groll war, nicht Haruka zu sein oder einfach nur ein Berg an Arbeit den ich bewältigen musste. Was es aber auch war, ich hatte auf einmal das Gefühl, keine gute Freundin gewesen zu sein. Dafür musste ich mich dringend entschuldigen. „Das müsst ihr sehen!“ Die Tür wurde aufgestoßen und Cecil und Syo stürmten herein, bepackt mit Beuteln aus dem Konbini und einer Zeitschrift. Sie fackelten nicht lange und legten die Zeitschrift aufgeschlagen auf den Tisch. Scheinbar hatte Syo die Seite mit dem Daumen markiert um diese sofort wieder zu finden. Gemeinsam mit Tokiya und Ren beugte ich mich vor und sah in das Magazin hinein. Es war eindeutig Klatschpresse. Viele Bilder, wenig Text und eine reißerische Story. Nur das diese Story nicht um irgendein Idol ging, das sich unvorsichtigerweise mit einem Date hatte ablichten lassen. Mir kam die Szene sehr vertraut vor, die wir auf dem Bild sahen. Sie fand vor diesem Studio statt. Eine Frau stieg in eine Limousine, begleitet von Ren, der ihr die Tür aufhielt. Cecil und Tokiya verließen gerade zusammen mit Syo das Gebäude. Ich erinnerte mich an diese Szene. Sie war von dem Abend, an dem mich Starish zu einem Drink eingeladen hatten. Doch die Überschrift deutet nicht auf ein skandalöses „Hatte die Unbekannte ein Date mit Starish?“ nein, sie war viel schlimmer. „Ist sie die neue Komponistin?“ Ich konnte froh sein, dass mein Gesicht nicht zu erkennen war und man nur meinen Hinterkopf sah. Glücklicherweise hatte ich an diesem Tag nicht die Katzenjacke angehabt. Die Wahrscheinlichkeit das man mich als Komponistin erkannte, war also gering, oder das irgendwer mich in der Öffentlichkeit wiedererkennen würde. „Scheint als würde das mit der Diskretion nicht so einfach werden.“ Ich sah mir das Bild an und dachte nach. Es war seltsam. Sehr seltsam. „Hat einer von euch Fotografen bemerkt?“ Ich nahm mir das Magazin und versuchte auszumachen, wer dieses Bild gemacht hatte. „Nein. Ich habe nicht einmal Blitzlicht bemerkt. Bei der Uhrzeit hätte welches benutzt werden müssen“, merkte Tokiya an, der scheinbar genauso misstrauisch war wie ich. „Das Bild wurde noch nachträglich vergrößert. Die Qualität ist nicht gerade gut. Etwas unscharf. Das zeugt davon, dass die Person es von der Ferne gemacht hat. Vielleicht mit einem Smartphone. Auf jedenfall wurde es nicht von einer professionellen Kamera gemacht.“ Tokiya verschränkte auf meine Bemerkung die Arme und nickte. „Richtig. Niemand weiß, dass wir zur Zeit hier aufnehmen. Außer den Angestellten hier und die sind angehalten zu schweigen.“ „Es gibt nur zwei Optionen... jemand ist zufällig vorbeigekommen und witterte seine Chance, oder jemand hat sich nicht an die Schweigepflicht gehalten. Oder...“ Ich schwieg und spielte in Gedanken die Situation mit Chiron durch. Würde er so weit sinken? Die Frage war nur wenn, was würde ihm das bringen? „Oder doch ein Fotograf, der aber informiert wurde und herkam. Nicht sicher ob der Tipp stimmt, weswegen er keine Ausrüstung dabei hatte. Als er die Situation aber sah, konnte er nicht anders, als ein Foto zu machen. Leider kam nicht näher heran, weswegen er die Identität von Tailor nicht aufs Bild bekam. Dennoch ist das Bild genug wert, zumal das Gerücht um einen neuen Komponisten gerade im Umlauf ist.“ „Jemand der also wusste das wir hier sind und Erenya... Und jemand der nicht zu den Arbeitern gehörte...“, merkte Syo an und sah dabei zu mir. Es dämmerte mir, worauf sie hinaus wollten. Es gab nur eine Person mit diesem Profil. Sumire. „Sie würde das nicht tun. Niemals!“ Die Jungs schwiegen und sahen einander an. Ich wollte nicht glauben, dass Sumire mich verraten hatte. Sumire war dafür einfach nicht der Typ. Oder hatte ich mich erneut in einer Freundin geirrt? „Was passiert ist, ist passiert. Wir müssen einfach besser aufpassen. Aber erst einmal... Wie wäre es mit Mittagessen?“ Cecil zog eines der Mikrowellengerichte aus dem Beutel und hielt es mir entgegen. Ich roch Hähnchen und frisch gekochten Reis. Vielleicht sogar etwas Gemüse.   Den Song hatten wir beendet und während meines Nachhauseweges konnte ich mir genug Zeit nehmen um darüber nachzudenken, ob Sumire wirklich zuzutrauen war, dass sie Starish und mich verraten hatte. In dem Artikel hatte kein Name gestanden und ich bezweifelte, dass jemand auf den Bonus verzichtete, den die Identität des Komponisten gebracht hätte. Sie konnte, nein sie durfte es einfach nicht sein. Ich seufzte leise und sah aus dem Fenster der U-Bahn. Die kalten Steinwände zogen dunkel an mir vorüber, so schnell, dass ich bei besprühten Wänden nur Farbnuancen aber keine Tags erkennen konnte. In den letzten Tagen war so viel passiert. Der Abend im Master Course, die Begegnung mit Chiron, die Platzierung in den Neuerscheinungen, der Artikel in der Zeitung... Im letzten Jahr hatte ich weniger Streß. Und nun bekam ich die volle Ladung ohne Gnade. Vielleicht war das der Grund warum Shining mir nie eine Gruppe zugewiesen hatte. Um mich zu schützen. Ich hatte bis zum Charity-Event ein wirklich wohl behütetes Leben. Wie stand Haruka das nur durch? Oder hatte sie das nicht durchzustehen, weil sie von Anfang an die Komponistin war? Oder hatte sie diesen Trouble auch zu ertragen als herauskam, dass sie alle Triple S Songs schreiben sollte. In meinem Kopf drehte sich alles. Wie gerne hätte ich Haruka diese Fragen persönlich gestellt. Als meine Senpai. So wie Hiroki und Mira Senpai hatten, die sie um Rat fragen konnten. Aber wieder einmal, war ich auf mich alleine gestellt. Das kam mir bekannt vor. Zu meiner Akademie-Zeit hatte ich ganz am Anfang auch alleine gestanden, bis Mira aufgetaucht war. Die Gang hatte mir das Gefühl gegeben nicht alleine in dieser Welt zu sein. Doch mit dem Ende der Schulzeit verlor ich auch die Gang. Wir gingen alle unsere eigenen Wege und selbst wenn ich Hiroki und Mira zur Seite hatte, fühlte ich mich einsam. Ich komponierte nicht nur für sie, sondern durfte in jede Richtung arbeiten ohne auch nur einen festen Vertrauten zu haben. Noch dazu hatte mich Saotome nicht im Master Course Gebäude einquartiert. Mir kamen wieder die Worte von Chiron in den Sinn. Das ich ganz alleine war. Angewiesen auf Saotome. Doch ein Teil von mir wollte glauben, dass ich von meinem Boss nicht alleine gelassen wurde. Das, wie so oft, hinter seinem Tun oder eben nicht-Tun, etwas höheres steckte. Ich meine es war Shining. Alles was er tat schien einen Grund zu haben. Cecil in den Master Course einzuladen, die Cross-Units, Heavens Auftritt beim Triple S Entscheid... Und vor allem Haruka war damals zur Prüfung gekommen, obwohl sie zu spät war. Shining hatte alles irgendwie dirigiert. Vielleicht, tat er es auch bei mir und ich musste ihm einfach vertrauen. Wenn man es recht bedachte, hatte ich ein unglaublich freies Leben geführt. Ich hatte Japan kennengelernt, wie ich es im Master Course nicht konnte. Meine eigene Wohnung, mein eigener Lebensunterhalt. Arbeiten im Land, die Sprache perfektionieren, sich alles erarbeiten. Im Master Course hätte ich diese Erfahrungen nicht machen können. Das hatte ich die letzten Tage bei meinen regelmäßigen Besuche gemerkt. Starish musste sich um nichts sorgen. Keine Miete, keine Sorgen, dass das Geld für die Lebensmittel nicht reichte... Sie mussten sich einfach nur auf ihre Arbeit als Idol konzentrieren. Vielleicht war es das gewesen, was Saotome bezweckte. Mich meine Erfahrungen machen zu lassen um daran zu wachsen. Und vielleicht auch um zu finden, was mir fehlte. Ich hatte es mit diesen Gedankengängen erfolgreich geschafft die Gedanken an Chiron abzuschütteln. Gerade rechtzeitig, als der U-Bahn zum stehen kam und ich ins Äußere drang. Nur noch wenige Minuten war ich davon entfernt endlich meinen abendlichen Ausgleich zu bekommen. Ich befand mich immerhin in Thanatos Route und der Kerl war echt tricky.   Ich blieb wie erstarrt vor meinem Haus stehen und starrte auf die Gruppe Reporter, die das Haus belagerten. Sie murmelten aufgeregt und sprachen wirr durcheinander. Doch was ich mitbekam, dass sie jemanden suchten. War ein Star eingezogen, ohne dass ich es merkte? Nicht das ich wirklich viel mitbekam. Ich war fast den ganzen Tag weg und verbrachte meine Zeit lediglich an meinen freien Tagen in meiner Wohnung. Ich kannte nicht einmal meine Nachbarn und hatte erst Monate später von dem Einzugsritual erfahren, dass es hier wohl gab. Und selbst jetzt hatte ich das wieder vergessen. „Da ist sie!“ Ich zuckte zusammen, als einer der Reporter sich umwandte und mich erblickte. Ich versteifte sofort, denn es schien wohl meine Wenigkeit zu sein, die sie suchten. Also war doch kein Star ins Haus gezogen. „Tailor-san, stimmen die Gerüchte, dass sie Nanami-san ersetzen sollen?“ „Was ist mit Nanami-san?“ „Gab es Streit zwischen ihr und Starish?“ „Wie sehen die Pläne für die Zukunft von Starish aus?“ „Waren sie es die beim 4Hearts Event den Song geschrieben haben?“ Fragen über Fragen prasselten auf mich nieder und man ließ mir nicht einmal die Chance zu antworten. „Was ist das für ein Gefühl für Starish zu schreiben?“ „Wir haben gehört sie kommen aus dem Ausland, wie kamen sie an Shining Saotomes Akademie?“ „Was haben sie nach ihrem Debüt gemacht? „War das alles geplant und sie haben sich vorbereitet für zwei der größten Idolgruppen unserer Zeit zu schreiben?“ In meinem Kopf raste es. Ich musste etwas tun um hier weg zu kommen, oder viel eher in meine sichere Wohnung. Nur was? „Miss Tailor, verstehen sie uns?“ Da war es, meine Gelegenheit. Natürlich. Ich hatte doch hoffentlich noch den Ausländerbonus. Ich bemühte mich so verständnislos wie möglich zu gucken und sah zu den Reportern. „Ich verstehe sie nicht...“, antwortete ich im besten Deutsch und brachte damit die Reporter zum Schweigen. „Was wollen sie? Ich verstehe nicht?“ Ich hob meine Tasche und drückte diese fest an mich, so als wollte ich mich damit schützen, während ich deutsch mit den Reportern sprach. Ich entwaffnete sie damit scheinbar und spielte meine Rolle gut genug um glaubwürdig zu wirken. Das war meine Chance. Ich stürmte vor, durch die erschrockene Menge an Reportern, hinein ins Haus. Ich hatte nur ein Ziel, meine Wohnung. Hinter mir hörte ich die Reporter, sie hatten scheinbar verstanden, dass ich sie reingelegt hatte. Doch es war mir egal. Besonders als ich meine Wohnungstür hinter mir zuzog und mich an dieser erleichtert hinab gleiten ließ.   Es dauerte einige Zeit, bis mir klar wurde, was da passiert war. Die Presse stand vor meinem Haus. Sie wussten wo ich wohnte. Und irgendjemand musste ihnen das gesagt haben. Noch dazu hatten sie herausgefunden, dass ich es war, die die Songs geschrieben hatte. Damit war es vorbei mit der Diskretion. Saotome musste davon erfahren. Ich zog mein Smartphone aus meiner Tasche und entsperrte es. Sofort bemerkte ich die Reihe verpasster Anrufe. Saotome schien den selben Gedanken zu haben. Ich drückte die Wahlwiederholung und wartete, bis der Boss ran ging. „Miss Tailor, gut dass Sie zurückrufen.“ „Es tut mir leid. Ich war auf dem Weg nach Hause und... mein Wohnhaus wird von Reportern belagert. Sie haben es rausgefunden. Ich habe natürlich nicht geantwortet, aber ich...“ „Miss Tailor, beruhigen Sie sich. Ich habe mir fast gedacht, dass so etwas passiert. Und ich habe bereits Maßnahmen getroffen. Miss Tailor, packen Sie einige Sachen zusammen. Ich kann nicht zulassen, dass so etwas ihre Arbeit beeinflusst oder stört. Sie werden ein Zimmer im Master Course beziehen. Ein Fahrer wird Sie in zwei Stunden abholen. Reicht die Zeit?“ Meine Augen weiteten sich. Meinte Saotome das wirklich ernst? Ich sollte in den Master Course ziehen? „I-Ich... ich denke schon. Aber... wie lange soll ich da bleiben?“ „Solange wie es nötig ist. Don't worry.“ Gerade weil er das sagte machte ich mir Sorgen. Doch ich konnte schlecht Nein sagen. Er hatte ja Recht. Wenn die Presse mich belagerte, und ich jeden Abend Angst davor hatte zurück zu kommen, wie sollte ich da ungestört arbeiten? „Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Tailor. Mit so etwas ist bei großen Veränderungen zu rechnen. Das ist Teil des Showbiz. Sie werden sich daran gewöhnen und Sie müssen es auch nicht alleine durchstehen.“ Ich hörte Wärme in Saotomes Stimme, scheinbar weil er bemerkte, wie aufgebracht ich war.   Nach gut drei Stunden befand ich mich endlich da, wo Saotome mich haben wollte. Im Master Course. Meine Flucht, und ja so konnte man es wahrlich nennen, war nicht gerade glorreich gewesen. Der Fahrer des Wagens hatte seine weit über seine Pflicht hinaus gehandelt und mich wie ein Bodyguard vor der Menge Journalisten beschützt und von meiner Wohnung zum Wagen geführt. Das alles war ganz schnell gegangen. Ich hatte ganze zwei Stunden damit verbracht meine Koffer zu packen. Darin befanden sich nun Klamotten, ein Großteil meiner Spielesammlung, meine Festplatte, mein Keyboard und andere Dinge, von denen ich der Meinung war, dass sie für mich und meine Zeit hier, wichtig sein würden. Ich hatte innerhalb kürzester Zeit meine kleine Otaku-Wohnung gegen einen kahlen, kalten Raum eingetauscht. Das mir zugewiesene Zimmer befand sich im Mädchentrakt, gleich gegenüber von Harukas Zimmer. Anders als bei ihrem Einzug, wurde ich nicht herzlich begrüßt. Kein Masato reinigte mein Zimmer, ich hatte keine Begegnung mit den Starish-Mitgliedern. Im Gegensatz zu ihr, hatte ich das Gebäude nicht voller Erwartungen betreten, sondern voller Reue und Sehnsucht nach meinen eigenen vier Wänden. Ich fühlte mich, obwohl ich den Jungs so nahe war, wie eingesperrt. Egal welche Probleme ich vielleicht noch haben würde, meine Fluchtroute war versperrt. Ich konnte nicht mehr in mein sicheres Heim zurück. Und die Frage war, ob ich mich nach der ganzen Sache jemals wieder in meinen eigenen vier Wänden sicher fühlen würde. Kapitel 7: Between the front ---------------------------- Mein Wecker war dieses Mal alles andere als willkommen und es brachte auch nichts, dass er gerade den Triple S Song von Heavens spielte. Ich wurde einfach nicht wach, was daran lag, dass ich am Abend spät ins Bett gekommen war. Einen meiner Koffer hatte ich bereits entpackt, doch das Zimmer wirkte immer noch leer. Ich wusste also schon, wie meine abendliche Gestaltung aussehen würde. Zimmer Gestalten. Aber nicht so sehr dass ich mich hinterher ärgerte mir zuviel Mühe gemacht zu haben. Ich nahm mein Handy und versuchte die Müdigkeit von mir abzuschütteln. Erst einmal war arbeiten angesagt und etwas viel wichtigeres. Wo bekam ich mein Frühstück her. Einen Cappuccino zum Beispiel. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass sie hier nur Pfefferminztee hatten. Aber ich kannte noch eine Person, die nur für den Fall der Fälle immer eine Portion, wenn nicht sogar mehr, Cappuccino da hatte. Zielsicher griff ich zu meinem Handy und schrieb eine SMS von äußerster Wichtigkeit. Zumal ich meinen Freunden in dieser Welt das wohl schuldig war. Wobei, es war ja nicht einmal eine SMS sondern ein Chat, den wir uns über eine App ermöglicht hatten. „Morgen ihr beiden. Wollen wir gemeinsam frühstücken? Holt ihr mich ab?“ „Wie dich abholen? Du weißt schon bis zu dir fahren wir mindestens eine halbe Stunde.“ „Uh, Frühstück hatten wir schon lange nicht mehr. Ich bin dabei!“ „Hiro, keine Sorge, so weit ist es nicht mehr. Seit gestern Abend wohne ich temporär im Master Course. Und ich hab ehrlich keine Ahnung wo ihr das Frühstück zu euch nehmt.“ „Du wohnst hier? Das ist toll! Ich hol dich ab, welches Zimmer hast du bezogen?“ „Mi, beruhige dich. Es gibt wichtigeres. Warum wohnst du im Master Course?“ „Mira: Ich wohne gegenüber von Harukas Zimmer. Hiro: Irgendjemand hat der Presse meine Adresse gesteckt und meine Wohnung wird belagert. Shining hat entschieden, dass ich deswegen erst einmal im Master Course unterkommen soll. Also, wie sieht es aus? Frühstück? Mit Cappuccino Caramel für mich?“ „Nya-Nya-chan, ich bin in 20 Sekunden da. Mit Cappuccino Caramel. Oh Gott wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet.“ Ich schmunzelte über Miras Antwort und wusste, just in diesem Moment, dass es nicht nur schlecht war im Master Course zu leben. Ich konnte meinen Freunden näher sein und öfter sehen. Und naja, vielleicht machte das Kochen hier sogar noch mehr Sinn. Immerhin waren hier genug Idols, die nach harte Arbeit hungrig waren. Die Frage würde also nur noch sein, wann wollte ich Zeit zum kochen finden? Mit meinem regulären Arbeitspensum, ja es wäre möglich gewesen, immerhin hatte ich genug Freizeit. Doch wenn ich nun auch noch Harukas Pensum bekam, würde meine Freizeit immer minimaler werden. „Klopf Klopf!“ Sie hatte mit zwanzig Sekunden nicht untertrieben. Sie war pünktlich, was wohl daran lag, dass sie im Mädchentrakt war, ebenso wie ich. Und wahrscheinlich war sie nicht einmal weit entfernt gewesen. „Ich komme!“, rief ich und öffnete die Tür, wobei Mira sah, wie man sie nur selten zu Gesicht bekam. Ungeschminkt, im lässigen Look. Und selbst so war sie noch bezaubernd, auch wenn ihre Haare zerzaust waren und sie nicht mehr wie die Moderatorin aussah, die sie für die Kinder war. „Hier~ Cappuccino für meine Nya-Nya-chan.“ „Du bist meine Heldin“, erklärte ich und umarmte sie. Nach dem vergangenen Abend war das einfach notwendig. Mira schien das zu verstehen und erwiderte meine Umarmung, indem sie mich fest an sich drückte. „Schon gut. Mach dir keine Sorgen. Das wird kein dauerhafter Zustand sein. Ehe du dich versiehst, kannst du wieder nach Hause. Immerhin ist dein Verhältnis mit Starish nun okay, und selbst wenn ihr mal kleinere Probleme habt, Hi-chu und ich sind hier. Und wir sind immer für dich da.“ „Ich weiß und dafür bin euch wirklich dankbar. Ich hoffe ihr wisst, dass ich auch immer für euch da sein werde, wenn ihr mal Hilfe braucht.“ Sie lächelte ihr warmes Lächeln, als sie sich von mir löste und mir über den Kopf strich als sei ich eines der Kinder aus ihrer Show. „Hai Hai. Und nun sollten wir Frühstücken gehen. Ich habe Hunger. Außerdem muss ich noch zu den Aufnahmen für die nächste Folge.“ Ich nickte und obwohl ich noch meinen Schlafanzug trug folgte ich Mira. Bei ihr schien es ja gerade keine andere Kleidung zu sein. Zumindest trug sie den mir vertrauten Einhornpyjama den sie schon in der Schule getragen hatte. Entweder hatte sie sich den auf Vorrat gekauft oder es war immer noch der Alte und sie war einfach keinen Zentimeter gewachsen.   Statt direkt in den Frühstückssaal zu gehen, zeigte mir Mira noch den Weg zum Jungentrakt. Dort wartete bereits Hiroki auf uns, in lässiger Alltagskleidung, aber dennoch besser gestylt als wir beide zusammen. Es gab einfach Menschen die standen wie geleckt auf, oder die wollten diesen Eindruck einfach nur erwecken indem sie so früh schon so gut aussahen. „Morgen, Hi-chu! Also, Nya-Nya-chan, hier ist der Jungstrakt. Betreten nach der Schlafenszeit verboten, ebenso vor dem Frühstück. Du weißt ja, Love is a no-no!“ Ich nickte, denn diese Regel hatte uns Ringo förmlich eingetrichtert. Und sie war selbst nach unserem Debüt noch aktiv geblieben. Was ich seltsam fand, denn eigentlich konnte Shining doch egal sein, ob ich die Liebe meines Lebens fand oder eben nicht. Am Komponieren würde mich das nicht hindern. Noch dazu stand mein Name nur in einem Booklet und mit Sicherheit gab es keine Fans für mich in dem Ausmaß, wie es das bei Idolen gab. „Können wir weiter? Wir haben heute alle einen langen Arbeitstag.“ „Den haben nur du und Mira. Auf meinem Plan steht aktuell nichts. Was mich ehrlich wundert. Der Titelsong für Rens Drama ist fertig. Die Charitysongs werden nun released... und ich habe immer noch keine Nachricht von Shining bekommen.“ Hiroki sah mich überrascht an. Er wusste ja selbst, wie beschäftigt ich in der Regel war und kaum, dass ich nun für Starish und Heavens geschrieben hatte, schien mein Arbeitspegel runtergeschraubt zu sein. „Vielleicht will er dir etwas Pause gönnen. Ich meine der Presserummel ist streßig genug. Vor allem wenn man dem noch nie ausgesetzt war. Und als Komponist wird man in der Regel nicht so belagert.“ „Mira hat Recht. Mach dir einfach keine Sorgen. Komm erst einmal an und danach kannst du Shining immer noch kontaktieren und fragen ob es Arbeit für dich gibt.“ Ich nickte. Beide hatten ja Recht. Ich sollte nicht über einen freien Tag klagen, wenn ich einen in Aussicht hatte. Im Gegenteil, ich sollte mich darüber freuen. Gerade nach dem Vortag konnte ich eine Pause brauchen. Doch egal wie sehr ich versuchte mir das einzureden, ich konnte mir einfach nicht glauben. Ich wollte keine Zwangspause. Ich wollte mich von all den Ereignissen ablenken. Das wusste ich nur zu gut und doch konnte ich Mira und Hiroki das nicht sagen. Nicht nachdem sie sich so sehr bemühten mich aufzumuntern. „Und hier ist der Speisesaal. Meist sehen wir die anderen nur früh hier, aber manchmal nicht einmal das. Hängt eben ganz von den Jobs ab, die wir gerade haben. Wenn Hi-chu in eine Morgenshow eingeladen wird, hat er gar nicht die Zeit um gemütlich mit den anderen zu frühstücken. Oder wenn große Touren sind.“ Ich schmunzelte darüber wie bemüht Mira war mir alles zu erklären. Sie schien aufgeregter über meine Anwesenheit zu sein, als ich es war. Vielleicht war ich auch nur einfach zu müde um so etwas wie Aufregung zu verspüren. Ohne aber weitere Erklärung zu geben, öffnete sie die Türen zum Speisesaal und ich erkannte sofort ein paar bekannte Gesichter. „Guten Morgen!“, flötete Mira fröhlich, wohingegen Hiroki einfach nur die Hand zum Gruß hob und ein „Morgen“ nuschelte. Es war den Jungs deutlich anzusehen, dass sie in ihrer gewohnten Begrüßung inne hielten und mich stattdessen überrascht ansahen. „Schaut mal wer momentan bei uns wohnt. Nur für den Fall, dass ihr sie nicht kennt, das ist Erenya Tailor, meine beste Freundin und Komponistin eines tollen Charity-Medleys von den Stars von Heavens und Starish. Die kennt ihr Jungs doch, oder?“ Irgendwie schaffte Mira es mit ihrer Art die Stimmung, die zwar nicht angespannt war aber dennoch unangenehm, zu lockern. „Guten Morgen, Nya-chan! Setz dich zu uns.“ Lächelnd zog Natsuki den Stuhl zu seiner Rechten weg und ich nickte ihm zu, zum Zeichen, dass ich ihn dafür dankte. Irgendwie hatte ich nicht erwartet Starish schon so früh zu sehen, vielleicht weil ich mir so die unangenehme Erklärung hätte ersparen können. Doch etwas tröstendes hatte meine aktuelle Situation. Ich war nicht unter Fremden. „Ich mach dir deinen Cappuccino. Zeigt ihr jemand wo sie alles für ihr Frühstück findet?“, fragte Mira, die hinter einer kleinen Kochnische verschwand. „Was bevorzugst du? Wir haben Müsli, Brötchen oder Brot, oder ganz traditionell etwas gekochten Reis und Fisch?“ Ich hatte mich kaum gesetzt, da zählte mir Masato, der mir gegenüber saß auch schon auf, was ich hier beim Frühstück erwarten konnte. Immerhin blieb mir der Kulturschock erspart, denn genau diese Auswahl hatte ich auch in der Akademie von Shining gehabt. „Ich denke ich nehme heute das Müsli. Ich kann mich an die traditionelle Art immer noch nicht ganz gewöhnen.“ „Das kenne ich. In meiner Heimat sieht das Frühstück auch ganz anders aus. Aber irgendwie konnte ich mich an den Fisch, oder viel eher an getrocknete Sardinen, gewöhnen.“ Lächelnd sah ich zu Cecil, dem ich wirklich glaubte, dass das Essen in Agnapolis anders aussah. Irgendwie konnte ich ihn mir vorstellen, wie er zum Frühstück Fladenbrot mit Dattelmarmelade dinierte, dazu frische Trauben und Orangen. „Getrocknete Sardinen? Gibt man die nicht für gewöhnlich Katzen?“, fragte ich, wissend dass er die wohl wirklich als Katze bekommen hatte. Aber er musste ja nicht wissen, dass ich es wusste, dass er schwarze Katze unglaublich niedlich gewesen war. „D-Das...“ Cecil errötete und stotterte. Scheinbar wollte er auch nicht, dass man wusste, dass er ein verfluchter Prinz gewesen war. „Schon okay. Getrocknete Sardinen sind echt günstig und ein guter Weg um sich an Fisch zu gewöhnen“, erklärte ich schnell, um ihn nicht noch weiter in Verlegenheit zu bringen. Es war irgendwie ungewohnt hier mit mehreren Menschen zu sitzen und zu Frühstücken. Dadurch das ich kein Morgenmensch war, bevorzugte ich es in aller Ruhe, alleine, bei guter Musik munter zu werden. Doch das hier, war auch nicht schlecht. „Und hier ist dein Cappuccino. Vorsichtig heiß.“ Vorsichtig platzierte Mira die Tasse vor mir, während ich etwas Müsli in eine Schüssel gab. „Danke.“ Ich lächelte Mira wirklich dankbar an, denn mein Morgen war mit dieser Tasse Cappuccino gerettet. Gleichzeitig sagte sie mir, dass ich wohl heute mindestens das Haus verließ um mir noch ein paar Sachen, die ich zum Frühstück bevorzugte, zu besorgen. „Erzähl mal, Erenya, warum bist du auf einmal im Master Course?“ Das die Jungs nun doch neugierig waren, war logisch. Weswegen ich Otoyas Frage nicht unbeantwortet lassen wollte. „Als ich gestern nach Hause kam, stand die Presse vor meiner Tür. Weiß der Teufel woher sie wussten wo ich wohne. Shining meinte ich solle solange der Trubel herrscht erst einmal hier im Master Course wohnen, damit ich mich auf die Arbeit konzentrieren kann.“ „Das ist auch nur vernünftig. Für jemanden der so einen Trubel nicht gewohnt ist, kann die Presse schon sehr beängstigend sein. Aber hier musst du dir keine Sorgen machen. Die Zufahrt ist mit Security bewacht und die Fahrer bringen dich sicher zu deinen Aufträgen. Du musst dir also keine Sorgen machen.“ Was Tokiya erzählte klang gut und vor allem nicht mehr ganz so beängstigend. Ich fühlte mich erleichtert, dass mich ein Presseauftritt zwei Punkt null hier nicht erwarten würde. „Es ist aber schon seltsam, dass die Presse erfahren hat, wo die Lady wohnt. Dazu brauchten sie ihren Namen, doch der Artikel hatte keinen Hinweis darauf, dass er bekannt war.“ Mir war dieser Gedanke noch gar nicht gekommen. Wobei es sicher auch nicht unmöglich war. „Vielleicht ist das Booklet schon geleaked. Laut Shining soll mein Name bei den Credits stehen. Danach ist es ein einfaches herauszufinden, wo ich wohne.“ „Oder aber jemand hat ihnen gesagt wer die Komponistin ist. Jemand der es herausgefunden hat und nicht zur Agentur gehört.“ Ich schluckte schwer, denn mir war klar, worauf Syo hinaus wollte. Auf dasselbe wie schon am Vortag. Sumire. „Sie würde das niemals tun. Sumire mag für euch eine Fremde sein, aber für Hiroki, Mira und mich ist sie eine Freundin. Ich habe sie als ehrliche, und vor allem vertrauenswürdige Person kennengelernt. Ich hätte sie niemals gebeten uns die Instrumente zu leihen, wenn ich ihr nicht vertrauen würde.“ Die Jungs sahen mich schweigend an, wohingegen Mira und Hiroki fragende Blicke miteinander austauschten. Was kein Wunder war, denn sie wussten noch nichts von den Ereignissen des vergangenen Tages. Ich würde es ihnen aber später erzählen, soviel war sicher.   Ich war nun scheinbar noch die einzige im Master Course Gebäude und gerade dabei meine Sachen in einen Schrank zu hängen. Dennoch wirkte er leer, denn wirklich viel hatte ich nicht mitgenommen. Kleidung für ein paar Wochen, sollte ausreichen, hoffte ich. So lange konnte sich die Presse doch nicht an dem „neuen Komponisten“-Quatsch aufhängen, oder? Der nächste Skandal irgendeines anderen Popsternchens lag sicher schon in der Warteschlange. Hoffte ich zumindest. Ich stellte gerade mein Keyboard, denn anders als in Harukas Zimmer, befand sich hier kein Klavier. Vielleicht hätte ich auch eines bekommen, wenn ich ein dauerhafter Gast gewesen wäre, aber es war ja nur temporär und ich komponierte sowieso lieber an meinem sündhaften teuren Keyboard. Oder viel mehr klimperte ich gerne darauf herum. Just for fun, so wie Zuhause. Aber heute blieb es aus einfach darauf herumzuklimpern, denn ich hörte mein Handy, welches sich lauthals bemerkbar machte. Sofort ging ich dran und hörte am anderen Ende nicht Shinings Stimme die zu mir sprach. „Miss Tailor, Raging Otori hier.“ „Uhm, Hallo.“ Ich war überrascht darüber, dass ich mal nicht von Shining direkt hörte, sondern von Raging. Das war irgendwie seltsam. Immerhin gehörte er zu den Konkurrenten von Shinings Agentur. „Es tut mir leid, dass ich mich so spät melde, aber Saotome hat mir erzählt, dass sie gestern eine etwas turbulente Nacht hatten. Nichts desto trotz muss ich Sie nun kontaktieren. Es geht um einen Song den sie für Raging Entertainment schreiben sollen.“ Ich lauschte und hörte Raging zu. So wie es klang, war dieser Auftrag einer, der auch von Shining abgesegnet wurde. Vielleicht war das einer der Gründe gewesen, warum mich Shining am Vortag angerufen hatte. „Uhm, okay. Um was geht es dabei?“ „Ich mag ihren Arbeitseifer. Drei Mitglieder von Heavens wurden gebeten einen Werbespot zu drehen und natürlich auch dessen Jingle zu singen. Wobei sie sich sicher vorstellen können, dass es mehr als nur ein einfacher Werbejingle für eine Bananyan ist.“ Ich nickte, denn ich hatte bereits mit solchen Werbesongs Erfahrung gemacht. Animierte Jingles waren kürzer, schneller geschrieben und hatten nicht wirklich viel Essenz, wenn aber Idole für diese Werbung ihren Kopf hinhielten, war es schon etwas anderes. „Ich verstehe. Wann muss ich wo sein?“ „Es wird heute gegen 17 Uhr ein Briefing im Hauptsitz von Raging Entertainment. Ich soll ihnen von Saotome aber auch noch ausrichten, dass Sie ihn zuvor konsultieren sollen, wenn sie diesen Job annehmen.“ „Das werde ich natürlich. Danke für den Auftrag. Ich werde pünktlich da sein.“ „Ich danke Ihnen Miss Tailor.“ Ich konnte mein Glück kaum fassen, als das Gespräch beendet war. Ich durfte erneut ein Lied für Heavens schreiben. Jetzt fragte ich mich nur noch, wer von den Mitgliedern diesen Song singen sollte und vor allem, worum es in der Werbung ging. Dennoch wollte ich Ragings Vorschlag folgen und wählte die Schnellwahltaste für Shinings Nummer. Mit Sicherheit war er gerade in seinem Büro. Er war immer da und scheinbar wohnte er in seinem Büro. „Miss Tailor, ich habe ich Anruf erwartet. Sie nehmen Otoris Auftrag an.“ „Ja genau. Es klingt interessant und ich hab schon lange keine Musik für Werbung mehr geschrieben. Aber es gibt da noch etwas anderes worüber ich mit Ihnen sprechen muss.“ „Ihre Anwesenheit im Master Course. Wir wissen noch nicht, wann sich der Presserummel legt. Ich würde sie daher bitten nicht mehr das Haus zu verlassen ohne einen Fahrer. Aktuell will jeder etwas über Miss Nanamis Verbleib wissen und über Sie. Es dient nur ihrem Schutz Miss Tailor. Im Master Course sind sie gut aufgehoben und sie sind auch nicht allein. Sie sind unter Freunden.“ Scheinbar hatte Saotome doch mehr Gedanken in meiner Unterbringung gesteckt, als zunächst gedacht. Er hatte gerade etwas von einem Vater der seinem Kind wirklich Mut machen wollte oder Sicherheit. „Da fällt mir ein... Wie haben sie davon erfahren. Die Journalisten meine ich. Das Booklet war noch nicht draußen. Ist es geleakt worden?“ „Ich muss ehrlich gestehen, wir wissen nicht, wie das passiert ist. Und es tut mir leid, dass dies solche Umstände bereitet hat. Aber ich versichere ihnen, wir werden den Schuldigen finden.“ Ich schluckte schwer, denn ich hoffte, dass er nicht von Sumire erfahren hatte. Sie sollte keine Schwierigkeiten bekommen, nur weil ich nicht wusste, wer wirklich Schuld an dem ganzen Schlamassel hatte. „Wie dem auch sei Miss Tailor, ich wünsche ihnen viel Spaß bei ihrem Auftrag. Ich werde sie informieren, sobald sich weitere Aufgaben für sie ergeben.“ „Danke. Ich wünsche ihnen auch einen angenehmen Tag.“ Ich seufzte leise, als das Gespräch beendet wurde und ließ mich aufs Bett fallen. Unglaublich, was ein einziger Song auslösen konnte. Im positiven wie im negativen. Ich wusste nicht, was mir davon schwerer im Magen lag. Wobei die positiven Aspekte bisher alles aufwogen. Immerhin konnte ich mit Starish und Heavens arbeiten. Noch dazu hatte ich in Reijis Auto gesessen. Wieviel Glück konnte man haben?   So wie es Shining gefordert hatte, hatte ich einem Fahrer Bescheid gegeben, damit er mich in die Stadt fuhr. Nahe von Raging Entertainment gab es einen Convinient Store, den ich aufsuchte um mir Cappuccino für die zukünftigen Frühstücke zu besorgen. Noch dazu holte ich mir ein paar Magazine, in denen Heavens, Starish und Quartet Night größere Artikel oder Interviews hatte. Vor allem bei Heavens konnte es ja nicht schaden, wenn ich mehr Informationen bekam. Immerhin sollte auch dieser Song Persönlichkeit haben. Pünktlich 17 Uhr befand ich mich im Konferenzraum, in dem soeben die Präsentation für die Werbung vorbereitet wurde, bei der drei Mitglieder von Heavens eine Hauptrolle spielen würden. Wie ich es gewohnt war, setzte ich mich fernab der Präsentatoren ans andere Ende des Tisches und zog meinen Block aus der Tasche. Ich war bereit für alles was kommen mochte. „Hallo~!“ Die Tür öffnete sich nur wenige Minuten nach mir und herein trat ein kleiner pinkhaariger Wirbelwind, in langärmligen Wollpullover mit Herzchenmuster. Dicht gefolgt von dem ruhigen, schwarzhaarigen Kira, dessen goldenen Augen ruhig auf den Mitglieder der Versammlung ruhten. Das Schlusslicht bildet Shion dessen cremefarbenes Haar wie gewohnt gelockt und wirr war. Damit war meine Frage, welche Mitglieder wohl diesen Werbespot drehen würden beantwortet. Sofort schrieb ich mir ihre Namen auf und überlegte, was ich von den drein wusste. Nagi war das niedlichste Idol das ich kannte, was wohl daran lag, dass er erst 13 war. Er spielte Geige und hatte wie Camus ein zweites Gesicht. In Wahrheit war er der Teufel. Kira hingegen war der Sohn aus gutem Hause. Sehr schweigsam aber mit dem wenigen was er sagte oder tat sehr ausdrucksstark. Außerdem schien er mir immer eine ehrliche Seele zu sein. Und dann war noch Shion. Er war wohl das letzte Mitglied, welches zu Heavens gekommen war und schien einen Hang zur Sternendeutung oder vielleicht Tarot zu haben? Das würde schwer werden. Aber nichts, was ich nicht schaffen konnte. Irgendwie. Direkt neben mir hörte ich das Kratzen von Stühlen auf dem Boden, weswegen ich verwundert aufsah und bemerkte, dass sich die drei Heavensmitglieder direkt zu mir gesetzt hatten. Verwunderlich, denn eigentlich waren sie doch an der Spitze wesentlich näher an den Planern. Das war wohl einer der wesentlichen Unterschiede zu Starish. „Hallo, Eren-chan“, begrüßte mich Nagi mit einem niedlichen Lächeln und ich blinzelte kurz verwundert darüber. „Hi, Mikado-kun. Auf gute Zusammenarbeit.“ Es war wirklich unglaublich, wie schnell mich Nagi aus dem Konzept brachte. Dabei wusste ich doch, dass sein süßes Idol-Selbst gerade nur gespielt war. Selbst ich musste aber eingestehen, dass er irgendwie niedlich war. „Dann sind wir nun alle vollzählig. Danke das ihr drei euch bereit erklärt habt für Strawberry Angels Backmischungen Werbung zu machen. Strawberry Angel ist eine traditionsreiche Firma die sich besonders auf Backwaren und Backmischungen spezialisiert hat und wir denken, dass gerade ihr drei super in das neue Konzept passt. Wir wollen zeigen, das Backen einfach ist und Spaß macht und das jeder es kann. Wir möchten daher, dass ihr einen Werbefilm dreht, indem ihr mit einer unsere Backmischungen einen Kuchen backt. Wir stellen natürlich alles was ihr dafür braucht. Und natürlich hoffen wir, dass ihr auch eigene Ideen einbringt, die dem ganzen euren Charakter verleihen.“ Wie gehabt machte ich mir Notizen. Es musste also ein Song sein, der zu Heavens passte, kraftvoll, kreativ und gleichzeitig süß. Wirklich, das war eine Herausforderung. Gleichzeitig fragte ich mich aber, ob es wirklich nur die Backmischung sein sollte, für die Heavens als Gesicht herhalten sollten. „Entschuldigen sie, wenn ich frage. Soll der Song wirklich nur speziell auf die Backmischung bezogen sein oder auch auf die komplette Produktpalette anwendbar?“ Ich sah zu den Päsentatoren, die einander ansahen und scheinbar so gar nicht mit dieser Frage gerechnet hatten. „Nun, natürlich fänden wir es toll, wenn Nagi-san, Kira-san und Shion-san auch für weitere Produkte unserer Palette werben. Deswegen wäre es nur verständlich, wenn wir einen Song hätten, der sich allgemein auf Strawberry Angel bezieht. So dass der Song immer wieder die Gesichter Heavens in Erinnerung ruft, oder eben Strawberry Angel. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie bitte bescheid.“ „Haben sie einen Katalog ihrer Produkte?“ Die Assistentin des Präsentators nickte und reichte einen Katalog zu mir durch, während ich ein paar Notizen machte. Dieser Job unterschied sich wirklich sehr von den bisherigen Werbesongs die ich geschrieben hatte. Doch das gefiel mir, denn ich mochte Herausforderungen, vor allem dann wenn ich mit den drei Jungs von Heavens arbeiten konnte. „Das ist im Prinzip alles. Wir brauchen in einigen Tagen Bescheid, was ihr für den Dreh braucht. Formen, Backmischungen, sagt es einfach. Meine Assistentin wird alles in die Wege leiten. Und Tailor-san, wenn sie den Song fertig haben, hätten wir gerne ein Demo. Glauben sie, sie schaffen das in sagen wir, einer Woche?“ Ich sah auf und nickte. „Sollte die Zeit nicht reichen, kontaktieren sie uns einfach.“ Erneut nickte ich, notierte mir aber meine Deadline für „in einer Woche“. Wenn alles gut lief und ich eine passende Idee hatte, würde das klappen. Ich wartete, bis die Päsentatoren raus waren und zog den Katalog näher zu mir. „Backen? Moah, das klingt langweilig. Ich esse den Kuchen lieber statt ihn zu backen“, murrte Nagi und machte sich mit dem Oberkörper auf dem Tisch lang. „Ging mir genauso. Aber am Ende hat das Backen immer Spaß gemacht“, erklärte ich und musste wirklich schmunzeln. Irgendwie konnte ich mir Nagi doch schon in der Küche vorstellen. „Außerdem glaube ich, macht es dich noch niedlicher, wenn du backen kannst. Hat einer von euch eigentlich schon mal gebacken?“ Ich sah zu Shion und Kira, die beide aufsahen und nachdenklich schienen. Scheinbar war das meine Antwort. Und sie lautete Nein. „Ich bin mir zwar sicher, dass am Dreh alles perfekt laufen wird, aber... Ich denke für den Song würde es mir helfen zu sehen wie ihr backt. Habt ihr Zeit? Wir könnten uns eine Backmischung kaufen und einen Kuchen backen. Eure Freunde hätten etwas zu essen, ihr könntet üben und ich kann vielleicht eine Inspiration finden.“ Ich lächelte, gespannt zu sehen, wie sie reagierten. Wobei ich schon damit rechnete, dass sie meinen Vorschlag ablehnen würden. Alles in allem klang er ja doch schon ziemlich absurd. Backen für ein Lied. Doch gleichzeitig hoffte ich wirklich eine Melodie zu hören, wenn ich ihre Bewegungen sah, ihre Augen, vielleicht sogar ihre Missgeschicke. Und natürlich den Spaß. „Wir könnten die Küche in der WG nutzen. Eiichi und die anderen sind bis heute Abend nicht da“, merkte Shion an und überraschte mich damit. So schnell hatte ich nicht mit einem Plan gerechnet. „Ich könnte mit Nagi die nötigen Zutaten holen. Shion, zeigst du Tailor-san den Weg zur WG?“ Shion nickte auf Kiras Anfrage. „Wow... das... echt jetzt?“ „Auch wenn es langweilig klingt, aber ja, wenn es dir beim komponieren hilft.“ Es war wirklich eine große Überraschung, dass sie scheinbar sofort darauf eingingen. Doch irgendwie passte mir das ganz gut ins Konzept. „Aber, du musst uns helfen. Wenn der Kuchen misslingt, dann werde ich dir jeden einzelnen Bissen füttern.“ Auch wenn es mich davor gruselte, dass das passieren würde, denn Nagi mutete ich das zu, sogar mit einem Lächeln, dass dem des Teufels Konkurrenz machte. Ich musste mir also Mühe geben, dass dieser Kuchen wirklich essbar war. „Was brauchen wir?“ Kira zog einen Zettel aus seiner Hosentasche hervor und einen Stift. Scheinbar gehörte er auch zu jenen, die immer Schreibzeug dabei hatten. „Also, zu erst einmal eine Backmischung von Strawberry Angel. Dann noch Eier und Laktosefreie Milch, Erdbeeren vielleicht oder anderes Obst. Mh und natürlich etwas um den Kuchen zu verzieren. Dafür könnt ihr alles nehmen was euch einfällt. Lebensmittelfarbe usw. Habt ihr Kuchenformen? Oder Muffinbleche?“ „Eiichi backt hin und wieder. Utensilien haben wir“, erklärte Shion und Kira nickte, wobei er einen Strich unter der Liste machte. „Kira... Bring die Sterne mit.“ „Sterne?“ „Shion meint Kompeitos. Er meint sie sehen aus wie Sterne“, erklärte Nagi und erhob sich von seinem Platz. Kira tat es ihm gleich und faltete andächtig das Stück Papier, welches er zurück in die Hosentasche schob. Shion hingegen signalisierte mir, dass ich ihm folgen sollte, weswegen ich den Katalog und meinen Block in die Tasche packte und ihm folgte. „Ihr wohnt also direkt im Raging Entertainment Gebäude?“, fragte ich neugierig, denn Nagi und Kira trennten sich von uns, als sie sich dem Fahrstuhl näherten, mit dem ich schon in den Konferenzraum gefunden hatte. Shion nickte und hielt bei einem anderen Fahrstuhl inne. Er wirkte etwas pompöser, hatte verzierte Schmuckbalken und die Anzeige schien auch nicht jedes Stockwerk anzuzeigen. Es zeigte sogar ein Stockwerk an, welches der normale Aufzug nicht bediente. „Wir sind so schneller vor Ort. Hier ist auch unser Proberaum, das Aufnahmestudio, der Hauptsitz von Raging Otori, das Tanzstudio...“ Shion zählte mir alles auf und irgendwie machte es zwar wenig Unterschied zu dem was im Master Course alles zu finden war, doch irgendwie fühlte es sich hier ganz anders an. Der Fahrstuhl öffnete sich und Shion zog eine Karte aus, die er vor eine Art Scanner hielt, bevor er den Knopf für die entsprechende Etage drückte. „Oh Verstehe, damit nicht jeder in euren privaten Bereich eindringen kann, muss man eine Zugangs-ID scannen. Das ist cool.“ Irgendwie war es leicht mich für so etwas zu begeistern. Ich begutachtete den Scanner, der nichts weiter war als eine rote runde Scheibe, vor die man seinen Ausweis hielt. Ich kannte so etwas in der Art von meiner Arbeit, doch in einem Fahrstuhl faszinierte es mich. Wahrscheinlich wäre es sogar effizienter gewesen diesen Scanner in den Hauptfahrstuhl zu bauen und erst mit dem Scan bestimmte Stockwerke freizuschalten. „Wir sind da.“ Der Fahrstuhl kam zum stehen und die Tür öffnete sich. Ich staunte nicht schlecht. Es gab keinen Hausflur. Die Fahrstuhltür öffnete sich und man stand inmitten der Wohnung von Heavens. Sie hatten damit eine ganze Etage nur für sich. „Wow. Hat jeder von euch sein eigenes Zimmer?“ Shion schüttelte den Kopf und führte mich in Richtung des Wohnzimmers. Dort stand ein Fernseher, ein kleiner Glastisch diente wohl als Couchtisch und die Couch stand halb rund um diesen. Ich konnte sehen, das diverse Magazine auf dem Tisch lagen. Zeitschriften über Starish und Quartet Night oder andere Idole. Scheinbar schien sich jemand sehr für die Konkurrenz zu interessieren. „Ich teile mir mein Zimmer mit Nagi. Van, Kira und Yamato sind in einem Zimmer und Eiichi teilt sich seines mit Eiji.“ Diese Zusammenstellung war wirklich interessant. Ich hätte zumindest nicht gedacht, das Yamato mit irgendwem in einem Zimmer sein wollte. Aber scheinbar trügte der Schein. Heavens schien mehr als nur eine Zweckbeziehung zu haben. Sie waren Freunde, so wie ich es mir immer gedacht hatte. „Hier ist die Küche.“ Ich folgte Shion vorbei am Wohnzimmer in die geräumige Küche, auf die ich, die nur eine Kochnische hatte, echt neidisch war. Hier konnte man sich sicher austoben und gerade wünschte ich mir, dass ich mal für die Jungs kochen konnte. 'Fokusieren, wir backen heute, für den Song!', mahnte ich mich und beobachtete Shion, wie er in den Schränken nach Formen und Schüsseln suchte, mit denen wir arbeiten konnten. Ich hörte das Scheppern und beobachtete Shion dabei. Doch es war mehr als das Scheppern das ich hörte. Langsam und vorsichtig zog ich mein Notenheft aus der Tasche. Lauschte weiter den Klängen und begann sie schließlich mit einem Bleistift niederzuschreiben. „Ist dir eine Idee gekommen?“, fragte Shion, als das Klappern inne hielt und er mich scheinbar ansah. Ich nickte und lächelte. „Es ist zwar nur ein Anfang, aber es ist besser als gar nichts. Warte ich kann es dir vorspielen.“ Ich zog mein Handy aus der Tasche und öffnete meine Klavierapp. Ich hatte mir dieses Ding irgendwann mal runter geladen, um unterwegs kleine Eingebungen probe zu hören. Ich drehte mein Handy quer und begann die Noten zu spielen, die mir gerade in den Sinn gekommen waren. Es waren nur um die zehn, doch eine Melodie konnte sich daraus schon deutlich zeigen. „In der Mitte... das Gis, es würde runder wirken wenn du daraus vielleicht ein Fis machst.“ Verwundert sah ich zu Shion, spielte aber statt einem Gis das Fis und er hatte recht. Es wirkte melodischer. Runder. „Gutes Gehör.“ „Gute Fantasie“, erwiderte Shion und zeigte mir ein sanftes Lächeln. Ich spürte meine Wangen erröten, fühlte aber so etwas wie stolz, als ich sein Kompliment vernahm. Und das war eines der Dinge, die ich selten spürte. „Der Charity-Song den du für Heavens geschrieben hast, war großartig. Van hatte uns erzählt, dass er dich bereits kennengelernt hatte und du eigentlich einen anderen Song geschrieben hattest. Warum hast du den Song geändert?“ Der rote Schimmer auf meinen Wangen wurde sicher gerade stärker. Ich erinnerte mich noch zu gut an dem Tag, an dem ich Van das erste Mal live und in Farbe gesehen hatte. Er hatte die erste Fassung ihres Songs gehört und just nachdem er es gehört hatte, war ein vollkommen neuer Song entstanden. Der Charity-Song. „Es war mir irgendwie peinlich. Ich wollte unbedingt einen Song schreiben, der Heavens gerecht wird. Und als ich Van sah hatte ich das Gefühl, dass die erste Fassung euch auch nicht im geringsten widerspiegelt. Deswegen habe ich ihn von Grund auf neu geschrieben.“ „Das ist bewundernswert. Van meinte, der erste Song sei schon gut gewesen, aber die zweite Fassung hat wirklich zu ihnen gepasst. Nachdem sie ihn bekommen hatten, haben sie ihn förmlich Tag und Nacht geprobt, um deine Arbeit zu ehren. Eiichi wollte dich schon unbedingt kennenlernen, war aber zu beschäftigt wegen der letzten Aufnahmen für 4heart und dann hat er dich auf dem Event gesehen.“ „Ja und hat mir diese Aufgabe aufgebrummt.“ „Du hättest sie ablehnen können, doch du hast es nicht. Warum?“ Ich setzte mich mit einem Hocker an die Anrichte und sah zu Shion. Wahrscheinlich wusste er schon die Antwort, zumindest reichte ein Blick in seine Augen um mir das Gefühl zu geben, als könnte er in die Tiefen meiner Seele blicken. „Gute Frage. Vielleicht weil ich Eiichis Respekt wollte. Ich hatte so meine kleinen Differenzen mit Starish und ich wollte nicht dasselbe mit Heavens erleben. Und Eiichi ist echt eine harte Nuss. Ein starker Charakter, der Heavens über alles liebt. Ich hatte das Gefühl, dass, wenn ich vor seinem Urteil nicht bestehen kann ich nicht würdig bin weitere Songs für Heavens zu schreiben. Und ehrlich, dass wollte ich unbedingt.“ „Du... magst Heavens?“ Ich kicherte etwas und nickte. „Viel mehr sogar. Ich liebe Heavens. Ich habe euren Song zum Triple S Vorentscheid geliebt und nachdem Heavens pausiert hatte nach dem Uta Pri-Award habe ich immer gehofft, dass ihr wieder auftaucht. Und dann wart ihr da. Mit neuer Formation, neuen Mitglieder und ich war glücklich. Ich hab euch wirklich die Daumen gedrückt und hab an euch geglaubt, selbst als alle eure Auftritte abgesagt wurden. Das war der Moment an dem ich für euch da sein wollte, euch Hoffnung geben wollte. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie wild mein Herz geschlagen hat, als ich erfuhr, dass ich den Charity Song für euch schreiben soll. Das war, als würde ein Wunsch wahr werden und ich will auch ehrlich nicht mehr die Chance verlieren weiter für euch zu schreiben, wenn Shining es erlaubt.“ „Dann schlagen unsere Herzen im selben Takt. Als ich Nagi traf, war ich allein. Ich saß am Tokyo Bay und beobachtete die Sterne. Sie prophezeiten mir eine Veränderung und zum Dank für diese Prophezeihung schenkte ich ihnen ein Lied. Nagi hat das gehört und fragte mich, ob ich nicht bei Heavens singen wollte. Ich kannte Heavens bereits. Ihr Lied hatte mein Herz berührt. Als ich darüber nachdachte, legte ich mir die Karten. Der Narr war ihre Antwort und das ähnelte schon der Prophezeihung der Sterne.“ „Der Narr. Die Arcana die für den Beginn einer Reise steht. Sehr passend.“ „Du kennst dich mit Tarot aus?“ „Nur ein bisschen. Ein Experte bin ich nicht, aber ich weiß, dass die Hauptarcana in gewisser Weise eine Geschichte erzählen. Und dass sie nie nur das sind, was sie nach außen hin zu sein scheinen.“   Shion und ich hatten die Zeit genutzt um uns noch zu unterhalten. Sie war wie im Flug vergangen und schließlich waren auch Kira und Nagi mit vollen Einkaufstüten zurückgekommen. „Wir sind wieder Zuhause!“, rief Nagi und kam sogleich in die Küche gelaufen. „Willkommen Zuhause“, erwiderte ich und war selbst verwundert, wie natürlich mir diese Begrüßung über die Lippen gekommen war. „Wir haben schon alles nötige bereit gestellt und Tailor-san hat bereits ein wenig an unserem Werbesong geschrieben. Es klingt großartig.“ „Wirklich? Ich will das auch sehen. Das ist nicht fair, dass du es vor mir siehst, Shion. Ich bin immerhin dein Senpai.“ Ich schob Nagi meine Partitur zu, so dass er die ersten Anfänge sehen konnte, ebenso die Änderung, die Shion vorgeschlagen hatte. Auch Kira warf einen Blick auf das Papier, während er die Tüten auspackte und alles auf die Anrichte legte. „Moah, das ist nicht fair. Ich wollte doch auch sehen wie sie komponiert. Zeig es mir, Eren-chan!“ Ich lachte leise über die ungestüme Art von Nagi. Er konnte wirklich ein Teufel sein, oder einfach nur ein Jugendlicher, der wusste wie man sich erwachsen verhielt, so dass ich hin und wieder vergaß, dass er eigentlich noch verdammt jung war. „Wir sollten mit dem Backen anfangen. Kira, kannst du mir die Backmischung bitte reichen?“ Ohne etwas zu erwidern reichte mir Kira die Strawberry Angel Backmischung und ich lass mir die Zubereitung auf der Rückseite durch. Es war alles ganz einfach. Backmischung mit Ei und Milch vermengen, alles zu Teig verarbeiten und schließlich in eine Form zum Backen geben. Es war einfacherer Kuchenteig, doch wenn man hier und da noch seine eigenen Ideen einbrachte, konnte man daraus sicher noch die ein oder andere Sensation daraus machen. „Kann man daraus, eine Torte machen?“, fragte Kira nach einiger Zeit und enthüllte aus der Tüte neben Eier auch Sahne zum Schlagen. „Ihr wollt also eine Torte machen? Das ist möglich. Dafür müssen wir nur das Eigelb vom Eiweiß trennen. Das Eigelb geben wir in die Backmischung, schlagen das ganze cremig und das Eiweiß müssen wir zu Schneeschaum schlagen. Das dauert aber.“ „Du hilfst uns beim backen und wir machen dann den Rest“, erwiderte Nagi und grinste breit. Den Rest würden sie wohl selbst machen müssen. Aber nach dem Backen war dies der einfache Part. Kuchen in der Mitte durch teilen, danach etwas Sahne oder Creme verteilen, beide Hälften aufeinander stapeln und schließlich mit Sahne einhüllen und verzieren. „Dann fangen wir mal an. Kira, kannst du die vier Eier aufschlagen und Eigelb vom Eiweiß trennen? Shion, nimmst du bitte den Messbecher und misst fünfzig Gramm Zucker ab? Und Nagi...“ Ich sah zu dem Jüngeren der mir eine Zeitschrift entgegenhielt, die mir sehr bekannt vorkam. Es war dieselbe Zeitschrift, die ich einen Tag zuvor schon von Syo und Cecil gezeigt bekommen hatte. „Du scheinst das Auge des Interesses bei den Medien zu sein. Wie kommst du damit klar?“ Ich verzog etwas das Gesicht und sah über die Zeitung hinweg zu Nagi. Sein Blick machte mir deutlich, dass er es nicht dulden würde, wenn er keine zufriedenstellende Antwort bekam. „Nicht gut. Aber die Presse wird merken, dass ich kein Ersatz bin. Sobald Nanami-sans Urlaub beendet ist, wird sie wieder für Starish komponieren. Und dann wird es auch wieder ruhiger um mich.“ „Und wie geht es dir bei all dem? Was wenn sie deinen Namen erfahren und dich dann belagern? Bist du auf so etwas vorbereitet?“ „Nicht wirklich. Ich hab keine Ahnung wie ich reagieren soll, wenn es noch mal passiert. Aber ich denke Shining wird das nicht zulassen.“ „Raging Otori auch nicht. Deswegen ist das Briefing auch hier her verlegt worden. Dennoch, wäre es vielleicht besser, wenn du dich darauf vorbereitest. Nur weil Haru-chan wiederkommen wird, heißt es nicht, dass die Presse danach das Interesse an dir verliert. Man wird fragen, was aus dem geglaubten Ersatz geworden ist. Ob er nun exklusiv einer anderen Gruppe zugeteilt wird. Wie willst du damit umgehen?“ Nagis Frage war gut. Ich wusste aber keine Antwort darauf. Ich war es viel zu sehr gewohnt im Hintergrund, ungesehen zu arbeiten. „Ich weiß es ehrlich nicht. Aber das sind auch keine Dinge über die ich jetzt nachdenken sollte. Wichtig ist gerade nur euer Song. Also. Nagi, deine Aufgabe ist es Kira und Shion zu überwachen, dass sie auch alles richtig machen.“ Ich zog das Notenheft wieder zu mir und beobachtete Shion und Kira, die bereits mit ihrer Arbeit angefangen hatten, ohne Nagi an seinem Verhör zu hindern. Ich versuchte alles auszublenden. Wichtig war nur das hier.   Die Melodien, die ich hörte, während ich die Jungs beobachtete, waren unglaublich. So leicht, erfrischend und gleichzeitig auch mysteriös. Immer wieder überkamen mich einzelne Parts, welche ich auf die Partitur schrieb. „Wie machst du das?“, fragte Nagi nach einiger Zeit und beugte sich über die ausgebreiteten Blätter. „Wie? Mh... ich erinnere mich. An die Töne von Instrumenten, was sie auslösten, was ich fühlte. Manchmal klappt das auch anders herum. Ich fühle etwas und erinnere mich an die Töne oder an den Klang von Instrumenten und dann schreibe ich das nieder.“ „Woran erinnert dich denn das Eiweiß schlagen? Ich höre nur Lärm.“ Ich schmunzelte, denn es war verständlich, dass diese Frage aufgekommen war. Sie wäre sicher bei vielen gekommen. „Ich erinnere mich an meinen Vater. Er hat immer viel gebacken. Und nebenbei Musik gehört. Gott hat er schrecklich dazu gesungen. Aber ich erinnere mich wie glücklich ich war, wenn ich den Schneebesen ablecken durfte. Oder wenn der Kuchen im Ofen war, der Duft der durch die Wohnung wabbte und wie gerne ich gleich ein Stück vom warmen Kuchen gegessen hätte. Es gibt einfach so viel woran ich mich dann erinnere.“ Nagi sah nachdenklich zu Kira, der immer noch damit beschäftigt war das Eiweiß zu schlagen. Er schien konzentriert zu lauschen. Es schien fast so, als schien Kira just in diesem Moment einen Takt vorzugeben, der begleitet von Nagis Summen wurde. Shion, der ebenfalls vertieft in seiner Arbeit war, schien auf diese Melodie zu reagieren. Du bist mein Schicksalsstern, der mich führt aus meiner Einsamkeit Und darum danke ich in dieser Zeit.   Ich wusste nicht, wohin ich soll, kein Ort schien wie gemacht für mich, doch du warst da und zogst meinen Blick, magisch auf dich. Dein Strahlen war so leuchtend hell und mir war klar, was meine wahre Bestimmung war. Und so folgte ich deinem leitenden Licht.   Dank dir fand ich zurück zu mir, an jenem unbekannten Ort, an dem mein Herz für immer nun gehört. Deswegen gibt es dieses Lied, nur bestimmt für dich, mein Schicksalsstern, bitte wach über mich. Ich hatte inne gehalten, als Shion reagierte, indem er sang. Seine Stimme hatte etwas mysteriöses und doch klares, wie Wasser, dass in einer Quelle floss. Sie war warm und sanft und doch unnachgiebig. „Faszinierend“, flüsterte ich leise und lauschte den letzten Zeilen des Liedes, wobei es mein Herz erwärmte. Shion so zu hören, unterstrich seine Existenzberechtigung bei Heavens, auch wenn ich das, aufgrund seiner stillen Art, vorher nicht gedacht hatte. Doch jetzt wurde es mir nur umso bewusster. „Was ist das für ein Song?“, fragte ich, nachdem Nagi verstummte. „Das Lied, durch das mich Heavens gefunden hat. Wodurch ich Nagi zu mir gerufen habe.“ Ich staunte wirklich und war überrascht darüber, wie viel ich in diesen Moment über Heavens und ihre Geschichte lernte. Es war dieser Moment, in dem ich mich erneut in Heavens verliebte. „Wir müssen nur noch das Lied singen, dass dich zu uns ruft.“ Überrascht sah ich zu Shion, der mich vollkommen kalt erwischte. Wandte jedoch meinen Blick zu Kira und Nagi, in der Hoffnung dass sie mir erklärten, dass Shion das anders meinte, als ich es gerade verstanden hatte. „Es ist schade, dass man sich talentierte Komponisten immer teilen muss.“ „Vor allem mit Starish, schon wieder...“, murrte Nagi auf Kiras Kommentar und ich wollte just in diesem Moment nur in einem Loch verschwinden. Nicht weil ich etwas vollkommen peinliches getan hatte, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass man mir mehr zumutete als ich zustande brachte. Gleichzeitig wollte ich ihre Erwartungen in mich erfüllen. „Es ist schon spät. Ich sollte nach Hause. Ihr müsst die Torte nur in eine Form geben und ungefähr 45 Minuten im Ofen backen. Passt auf, dass er oben nicht zu dunkel wird. Das könnt ihr vermeiden, wenn ihr etwas Alufolie oben drauf macht. Lasst ihn danach gut abkühlen, bevor ihr die Füllung macht.“ Ich suchte meine Sachen zusammen und packte sie in meine Tasche. Fast schon fluchtartig, denn gerade wurde mir das ganze doch unagenehm. „Wann habt ihr Morgen Zeit? Ich würde euch dann gerne einen ersten Entwurf des Songs zeigen.“ „Shion hat morgen früh ein Fotoshooting. Kira hat ein Interview. Wir sind erst ab um eins alle erreichbar. Gegen drei haben wir aber eine Pressekonferenz.“ Ich dachte nach und wog ab, inwiefern zwei Stunden reichen würden. Allerdings war das nicht schlecht. So konnte ich am morgen noch die ein oder andere Notenzeile füllen und vielleicht über das Arrangment der Instrumente nachdenken. „Perfekt. Wie kann ich euch kontaktieren wenn ich da bin?“ „Gib mir bitte dein Telefon.“ So wie es Kira wollte, zog ich mein Handy aus der Jackentasche und reichte es ihm. Er tippte schnell auf dem Display und reichte mir nur wenige Sekunden später mein Telefon, auf dem ich seine Nummer sah. „Danke. Ich melde mich dann morgen.“ „Ich lasse dich runterfahren.“ Shion wandte sich von deiner Arbeit ab und führte mich in die Richtung des Fahrstuhls. Ich dankte ihm mit einem Nicken und betrat den Fahrstuhl, bei dem er kurz seinen Ausweis scannte und mir so die Möglichkeit gab den Etagenknopf zu wählen. „Bis morgen“, sagte ich und lächelte sanft, bevor die Tür sich schloss und sich das Gefühl von Wehmut breit machte, weil ich soeben Heavens Hauptquartier verließ.   Es war ungefähr 21 Uhr als ich nach Hause kam oder viel mehr zurück zum Master Course. Als wollte ich allen aus dem Weg gehen, weil ich soeben viel Spaß mit Heavens, der rivalisierenden Band hatte, schlich ich mich wie eine Ehebrecherin in Richtung meines Zimmers. Ich schwebte irgendwie noch auf Wolken und war geistig dabei den Song zusammenzusetzen. Es fehlten noch einige Verbindungen, welche die Melodie stimmiger machte und die Parts miteinander verschmolz. Das waren immer die nervigeren und schwierigeren Parts. Aber bevor ich anfangen konnte, musste ich noch die letzten Sachen in die Schränke räumen. Es war nicht mehr viel, aber genug, so dass ich die Mailbox abhören konnte. Eine Kurznachricht hatte mir nämlich schon verraten, dass zwei Nachrichten darauf warteten von mir gehört zu werden. Kaum dass meine Zimmertür hinter mir ins Schloss gefallen war, aktivierte ich meine Mailbox, die mir sofort verkündete, dass zwei neue Nachrichten für mich da waren. Die erste war etwas seltsam. Jemand wollte mich treffen, doch der Name der Person sagte mir nichts. Ebenso wenig die Nummer. Ich wusste somit sofort was ich tun würde. Nichts. Ich antwortete nicht auf fremde Nummern oder auf Anfragen von Leuten die ich nicht kannte. Wer wusste schon, was für ein Psychopath sich dahinter verbarg. Doch die zweite Nachricht... ließ mir das Herz zusammenkrampfen. „Hey, ich bin es Sumire. Du hast wahrscheinlich gerade zu tun. Weißt du wer mich eingeladen hat? Richtig. Saotome. Er glaubt, ich hätte deine Adresse an die Presse gegeben, oder verraten, dass du die Komponistin bist. Was hast du ihm für einen Mist erzählt? Ehrlich, ich hätte das nicht von dir gedacht. Tschau.“ Ich schluckte schwer und reagierte förmlich reflexartig, als ich einfach nur nach dem Telefon griff und Sumires Kontakt anwählte um sie anzurufen. Ich hörte das Freizeichen, doch sie nahm nicht ab. Stattdessen ging nach wenigen Klingeltönen die Mailbox dran. Wahrscheinlich, hatte sie mich weggedrückt. „Sumire! Ich habe nichts gesagt. Die Jungs glauben, dass du das warst, aber ich weiß, dass du das niemals tun würdest. Ich verspreche dir, ich werde herausfinden wer es war und werde es Shining mitteilen um deinen Namen reinzuwaschen. Es tut mir leid, dass du da hineingezogen wurdest.“ Ich dachte nicht viel darüber nach, was ich sagen würde, sondern sagte es einfach und wusste im Nachhinein auch, dass ich jedes Wort ernst gemeint hatte. Es wurde Zeit, dass ich mir wirklich Gedanken machte, wem wir diesen ganzen Schlamassel verdankten. Nur wer kam in Frage? Ich zog aus meiner Tasche mein Notizbuch und dabei kam noch mehr zum Vorschein. Eine Visitenkarte hatte sich im Gummiband verheddert und löste sich von diesem um langsam zu Boden zu gleiten. Ich starrte darauf wissend, wem diese Visitenkarte gehörte und ich bereute es, dass ich sie wirklich aufgehoben hatte. „Vielleicht...“, flüsterte ich mir leise zu und fragte mich, ob dass wohl eine Möglichkeit wäre, die er nutzen würde um seine Drohung wahr zu machen. Er hatte mir Songs gestohlen und einen zu unserer letzten Prüfung performt... Das war sein Stil, aber würde er mich wirklich aus dem Schatten zerren, nur um es mir unnötig schwer zu machen, oder um mir zu beweisen, wie einsam ich angeblich war? Ich konnte das nur schwer einschätzen, aber der Gedanke, fraß sich förmlich in meinen Kopf. Er schien der perfekte Täter zu sein.   Obwohl Chiron für mich als Täter fest stand, wog ich noch ab, wie richtig es wäre Saotome darüber zu informieren. Es hielt mich wach, so dass ich entschied die frische Abendluft zu genießen und etwas durch den Garten zu laufen. Ich hatte an diesem Abend kein Ziel. Ich wollte einfach nur laufen und meine Gedanken ordnen. Und vielleicht auch eine Lösung finden. Vergessen waren die tollen Stunden mit Heavens. Oder viel eher verdrängt. Unter den gegebenen Umständen konnte ich allerdings nicht schreiben. Die Frage war nun, was würde noch passieren? Wie weit würde Chiron gehen um mir das Leben schwer zu machen, hoffend, es würde mich in seine Fänge treiben? Würde es Starish oder Heavens Ruf schädigen? „Was soll ich nur machen? Sollte ich Saotome davon erzählen?“ „Wovon willst du Shining erzählen?“ Ich zuckte zusammen, als über mir eine Stimme ertönte. Ich sah mich um und erkannte, auf einem Baum liegend, Cecil. „Aijima-kun? Solltest du nicht schlafen?“ Er kicherte, als er bemerkte, wie verwirrt ich war. Ich meine ich wusste ja schon, dass er die Bäume bevorzugte, für alles. Sei es fürs chillen oder lernen. So spät hatte ich aber nicht mit ihm hier gerechnet und da war er, der Prinz aus meinen Träumen. „Dasselbe könnte ich auch dich fragen. Aber du scheinst den Kopf voll zu haben. Worüber hast du nachgedacht?“ Ich sah ihn weiter an und bemerkte, wie das Mondlicht durch die trockenen Blätter glitzerte. Es beleuchtete Cecils Gesicht und gab ihm ein mysteriösen Touch, der mir den Atem raubte. Cecil war so unglaublich schön, dass ich mir selbst minderwertig in seiner Gegenwart vorkam und gleichzeitig glücklich darüber war, dass ich diesen Moment mit ihm teilen konnte. „Sumire hat mich angerufen und ist sauer auf mich. Sie glaubt ich habe Shining gesagt, dass sie meinen Namen an die Öffentlichkeit gegeben hat. Ich muss unbedingt herausfinden wer es war und es gibt da noch jemanden, der dazu in der Lage wäre.“ Cecil horchte auf und setzte sich etwas aufrechter auf dem Ast hin. Ich hingegen ließ mich an dem Stamm des Baumes hinab gleiten und redete mir ein, die Wärme Cecils in meinem Rücken zu spüren. „Während der Aufnahmen für Queen of Hearts, habe ich Chiron wieder gesehen. Er bot mir an seine exclusive Komponistin zu werden und ich hab abgelehnt. Und daraufhin hat er mir irgendwie gedroht. Dass ich es wieder schwerer haben könnte und dieses Mal aber vielleicht vor dem Ziel abstürze.“ „Es ist aber nicht sicher, dass er das wirklich gemacht hat, oder? Also deinen Namen bekannt gegeben und den Fotografen angeheuert.“ Ich nickte, eigentlich unsicher, ob Cecil das sah. Aber es machte mir noch einmal deutlich, woher meine Unsicherheit kam. „Chiron ist nicht gerade der netteste Typ, auch wenn er vor seinen Fans sehr charmant ist. Aber wir haben schon so viel durch gemacht, dass ich ihm irgendwie alles zutraue. Doch ein kleiner Teil von mir mahnt mich, ihn unrechtmäßig zu beschuldigen.“ „Was ist zwischen euch vorgefallen?“ Ich schloss meine Augen und lehnte meinen Kopf an den Stamm. Ich überlegte inwiefern ich es Cecil erzählen sollte, denn einige Sachen wussten nicht einmal Mira und Hiroki. „Er hat mir Songs gestohlen. Also, mehr als nur Hirokis und Miras Debütsong. Nach unserem Sieg brachte er mir meine Mappe und als ich diese durchsah, fehlten ein paar meiner Kompositionen. Übungslieder, Rohfassungen die ich einfach so gemacht hatte... Ich weiß nicht, ob er sie wirklich hat, aber die Vermutung liegt nahe. Und deswegen vertraue ich ihm nicht.“ „Hat er einen dieser Songs veröffentlicht?“ Ich schüttelte den Kopf. Egal wo ich nachgesehen hatte, keine dieser verschwundenen Kompositionen war aufgetaucht. Seit einem Jahr ruhten sie wie ein verborgener Schatz irgendwo und die einzige, die wusste, dass sie wirklich existierten, war ich. „Mach dir keine Sorgen, Erenya. Shining wird herausfinden wer wirklich hinter allem steckt. Und du bist nicht allein. Egal was für Sorgen du hast, du bist nicht allein und kannst mit uns darüber reden. Immerhin sind wir Freunde.“ Es raschelte über mir und ich spürte wie ein paar trockene Blätter auf mich herabregnete. Etwas weiter vor mir, kam Cecil elegant auf dem Boden auf und sah mich dabei lächelnd an, während seine Silhouette sich glänzend in das Gesamtbild der Nacht einfügte.   **~~**   Wie ich es versprochen hatte, war ich zu Raging Entertainment zurückgekehrt, mit einem Song, den ich noch am Morgen einigermaßen zurecht gekittet hatte. Ganz zufrieden war ich nicht, aber ich war selten zufrieden. Noch dazu war dies nur eine Rohfassung. Es fehlten noch Instrumente und der Song bestand nur aus dem Grundmotiv. Ich hoffte daher, dass die Jungs mir heute noch etwas Input gaben, mit dem ich arbeiten konnte. Gleichzeitig versuchte ich zu verdrängen, was am Abend zwischen Sumire und mir vorgefallen war. Sicher würde sich das wieder legen, irgendwie. Sumire kannte mich doch und musste wissen, dass ich nicht so war. Oder? In Gedanken versunken wartete ich in der Eingangshalle, dass mich einer der Jungs abholte. Immerhin hatte ich keine ID-Karte um zu deren Wohnung zu kommen. Die Nachricht an Kira hatte ich bereits gesandt und nun konnte ich nur noch warten und meinen Gedanken nachhängen. „Entschuldige die Verspätung“, hörte ich plötzlich Kira vor mir und ich sah zu ihm auf. In seinen Augen sah ich dieselbe Gelassenheit wie sonst immer auch. Immerhin das würde sich wohl nie ändern. „Schon okay. Wir sollten zu den anderen gehen und anfangen. Ihr habt heute nicht viel Zeit“, erklärte ich, woraufhin Kira nickte und mich in Richtung des vertrauten, verzierten Fahrstuhls führte. Wir betraten ihn schweigend und fuhren zur Wohnung Heavens, die für mich heute nicht ganz so strahlend erschien wie am Tag zuvor. „Hallo“, grüßte ich Shion und Nagi, die es sich im Wohnzimmer bequem gemacht hatten. Anders als am Vortag, lagen auf dem Tisch keine Magazine mehr, sondern nur eine weiße Schachtel, mit roter Schleife. „Wie sieht der Song aus?“ Nagi kam sofort zum Punkt, weswegen ich meine Tasche öffnete und sofort zwei Partiturenblätter hervorzog. „Es ist noch der Grundriss. Wenn ihr Ideen für Instrumente habt, oder Änderungen, würde mir das helfen, den Song zu beenden.“ Kira nahm mir die Blätter ab und setzte sich zu Nagi und Shion. Stille kehrte ein, während sie den Song überflogen. Ich hingegen nutzte die Zeit um mein Handy hervorzuholen und auf das beleuchtete Display zu starten. Sumire hatte meine Nachricht auf ihre Mailbox sicher schon gehört, doch es gab immer noch keine Antwort von ihr. „Das wird sicher ein guter Song, wenn er fertig ist. Es fehlt nur noch was.“ „Richtig, Heavens Handschrift. Erenya ha-“ Shion stoppte und ich steckte schnell das Handy weg und sah zu ihm. „Ist alles in Ordnung? Du bist heute so ruhig, kein Vergleich zu gestern.“ Mir war ja klar, dass man mir immer leicht anmerkte, wenn etwas nicht stimmte. Besonders wenn man mich kannte. Doch für Heavens war ich eine vollkommen Fremde und doch schienen sie immer zu bemerken wenn irgendetwas im Argen lag. Selbst Yamato hatte das bei den Aufnahmen bemerkt. „Tut mir leid, diese ganze Presse-Geschichte hat ein paar größere Wellen geschlagen. Eine Freundin von mir steht nun im Verdacht, dass sie alles ausgeplaudert hat und sie denkt ich hätte das gesagt. Gestern Abend habe ich ihr auf die Mailbox gesprochen, doch bisher keine Antwort bekommen. Noch dazu ist sie nicht die Einzige die das wusste.“ Schweigend wies Kira mit einer Hand zu einem Platz auf der Couch und ich folgte der stummen Aufforderung, während ich erklärte, was mir gerade im Kopf herum ging. „Und du weißt sicher, wer noch in Frage kommt?“ Ich nickte und sah auf meine Tasche, an deren Reißverschluss ich spielte. So wie ich es immer tat, wenn ich nervös war, oder einfach nicht mehr weiter wusste. „Aber ich will seinen Namen nicht nennen, denn ich habe keine Beweise. Er ist zwar kein netter Mensch, aber ich habe keinerlei Beweise darüber, dass er es wirklich gemacht hat.“ „Das ständige Nachdenken darüber wird dir aber auch nichts bringen. Ich denke, wir sollten an dem Song arbeiten, das lenkt dich ab und vielleicht hilft dir etwas Abstand das zu finden was du suchst. Ich fände an dieser Stelle einen Klavierpart sehr passend. Oder allgemein wenn das Klavier die begleitende Melodie spielt.“ Kira schob mir das Blatt zu und zeigte auf eine Stelle. Kurz nur hielt ich inne und dachte über seine Worte nach. Er hatte Recht. Noch dazu hatte ich diesen Job angenommen und musste professionell sein. Mein Privatleben, auch wenn es hin und wieder mit meinem Arbeitsleben verschmolz, hatte gerade nichts damit zu tun. „Ich will die Bratsche spielen“, setzte Nagi nach und zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht. Ich zog meinen Block aus der Tasche und beugte mich vor um zu prüfen, inwiefern eine Bratsche passen würde. Ich wollte immerhin die Ideen der Jungs auch umsetzen. „Shion, hast du Instrument Wünsche?“, fragte ich und sah zu ihm. Er blickte jedoch nachdenklich auf den Zettel. „Ich kann mit der Bratsche und dem Klavier deutlich Kira und Nagi hören. Was könnte mein Instrument sein?“ „Gute Frage. Etwas, mystisches, helles, klares... Unter keinen Umständen eine Flöte, sonst denkt man am Ende noch ihr wollt Starish kopieren. Aber ein Bläser wäre nicht falsch.“ Ich zog erneut mein Handy aus der Tasche und öffnete eine App, in der ich verschiedene Hörproben für Instrumente abrufen konnte. „Das ist nicht leicht... Shion, hast du eine Präferenz?“ „Ich vertraue deiner Entscheidung.“ Das war alles andere als Hilfreich. Viel mehr hätte es mir geholfen, wenn er mir nun erzählt hätte, dass er ein Instrument spielte. Doch er schwieg. Stattdessen spielte ich ein paar Bläser ab und versuchte Shion darin wieder zu finden. Doch nichts. „Ist das ein Intro?“, fragte Nagi und verwies auf eine Stelle am Anfang. Ich nickte und zog die Notenblätter zu mir. „Da ich nun zwei Instrumente habe, hab ich auch eine Idee wie wir das arrangieren könnten. Hier setzt Shions Instrument ein, Kiras folgt als nächstes und fügt ein neues Thema ein. Ungefähr so.“ Ich schrieb die Noten für ein Klavier auf und wie dieses arrangiert sein könnte. „Wenn ich wirklich einen passenden Bläser finde, dann müssen wir aufpassen, das Shions Stimme nicht untergeht. Die Bratsche könnte zu mächtig sein, weswegen ich sie eher zum Schluss einfügen würde.“ Ich markierte die Stellen und sah zu den Jungs, einfach um zu sehen, wie sie diese Idee fanden. Vor allem bei Nagi war ich gespannt. „Wie die Zutaten für einen Kuchen.“ Verwundert wandte ich meinen Blick zu Shion, auf dessen weichen Zügen ein Lächeln lag. Immerhin hatte meine Idee ihm eine Assoziation zum Backen gebracht. „Die Pressekonferenz ist bald. Wir sollten losfahren. Erenya, vielleicht fällt dir etwas ein, wenn du uns besser kennenlernst. Du kannst gerne mitkommen.“ Das kam unerwartet. Dass ihre Zeit heute etwas knapper war, hatten sie mir ja schon am Vortag gesagt, doch dass sie mich zu der Pressekonferenz mitnehmen wollten, damit hatte ich nun nicht gerechnet. „Nur wenn du nichts vor hast, natürlich. Wir wissen, dass du sicher auch viel zu tun hast.“ „Nein, das ist okay. Ich habe absolut nichts vor.“ „Das trifft sich gut. Dann kannst du uns auch sagen, wie der Kuchen ist. Und ihn vor unseren Augen genießen. Und du wirst ihn genießen.“ Nagi nahm die weiße Schachtel und drückte sie mir ohne Diskussionen in die Hand. „Du kannst ihn im Wagen essen. Wir haben eine kleine Plastegabel mit beigefügt“, erklärte Shion, als er merkte, wie ich die Schachtel öffnen wollte. Ich musste mich also gedulden und warten, wenn ich etwas von dem Backwerk der Jungs probieren wollte.   Ich hatte mir Zeit gelassen und jeden einzelnen Bissen des Stücks genoßen. Die Torte schmeckte frisch, süß, aber nicht überzuckert. Sie war ein angenehmes Dessert, dass mein Herz höher schlagen ließ und mich nicht einmal glauben ließ, dass diese Torte aus einer Fertigbackmischung gemacht wurde. „Und wie ist es?“ Ich hatte noch die Gabel im Mund um wirklich alles von dieser Köstlichkeit bekommen zu können? Besonders Nagi schien aufgeregt und stolz gleichermaßen. Immerhin hatte ich das Stück schon dafür gelobt, dass es gut aussah. „Das war echt lecker. Und ich bin versucht mir selbst eine Backmischung zu holen und es zu probieren. Vor allem wenn man bedenkt, was ihr tolles daraus gemacht habt. Danke dafür.“ Ich lächelte sie an und packte die Gabel zurück in die Schachtel. „Du schuldest uns nun einen Kuchen und der ist besser gut.“ Eine Augenbraue hob sich mir und ich sah zu Nagi. Er war wirklich ein nerviges Blag. Aber gut, ein Kuchen sollte nicht zuviel verlangt sein. Ich brauchte dafür nur etwas Zeit. „Wir sind da.“ Ich spürte wie der Wagen zum Stehen kam und löste meinen Gurt. Hinter den drein stieg ich aus dem Wagen und folgte ihnen in das Gebäude. Dabei achtete ich darauf, dass ich nirgends einen Fotografen sah, der irgendwelche Fotos von mir machen konnte. Doch ich sah niemanden. Erstaunlich, wenn man es so sah. „Keine Sorge. Die Fahrer sorgen immer dafür, dass uns niemand sieht und wir ungestört und pünktlich kommen“, erklärte Kira und lief einen langen Gang entlang. Er schien wirklich zu wissen, wohin er musste, was mich faszinierte. Ich hätte mich schon nach wenigen Metern verlaufen. Doch, er blieb plötzlich stehen und als ich an ihm vorbei sah, erkannte ich wieso. Da stand er, Chiron. „Huh? Tailor?“ Er hatte mich erkannte und ich verfluchte die Tatsache, dass ich neugierig gewesen war und an Kira vorbei gesehen hatte. „Heute ist es also Heavens. Schwer beschäftigt wie ich sehe. Pass nur auf, dass nicht unschöne Gerüchte über deine Arbeit in Umlauf kommen.“ Eine weitere Drohung und ich bekam ehrlich etwas Angst, doch ich konnte das nicht so einfach auf mir sitzen lassen. Zumal ich vermutete, dass er hinter all dem steckte, wofür nun Sumire beschuldigt wurde. „Was sonst? Wirst du der Presse erzählen ich würde die Seiten wechseln?“ Ein Lachen kam von Chiron, als er Kira zu verstehen gab, dass er aus dem Weg gehen sollte. Auch wenn es Kira scheinbar nicht vor hatte, wich er zur Seite und sorgte dafür, dass ich Chiron direkt gegenüber stand. „Nach den Nachrichten stehen deine Songs hoch im Kurs. Vielleicht sollte ich Shining fragen, ob er dich mir ausleiht... wobei... das brauche ich nicht.“ Mir krampfte sich das Herz zusammen, als er mich kalt anlächelte und mir zu verstehen geben wollte, dass ich ihm unterlegen war. „Heavens, nicht wahr? Erlaubt mir euch meine neuste Single vorzustellen.“ Er wandte sich von mir ab und den Jungs zu, die ihn scheinbar ebenfalls keine Sekunde aus den Augen hielten. Summend stimmte er eine Melodie an, die tief in meinen Erinnerung vergraben gelegen hatte und zu den verschollenen Schätzen gehörte. Listen closely the demon arrives   Sein Lied ertönt in finstrer Nacht, und raubt den schlafenden Göttern die Macht. Er ist hier (he arrived) Nicht mehr fern (not far) Und raubt die Herzen jener die ihn hören.   Denn der Himmel wird fallen, und die Sterne auch, mit der vierten Nacht. Wenn ihr Lied dann verklingt und die Glocke ertönt ist der Demon erwacht.   Mach die Augen zu, und lass dich fall'n ergib dich seiner Macht er raubt dein Herz und zeigt dir wahre Leidenschaft. Kapitel 8: Between the noise ---------------------------- Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als Chirons Stimme verstummte und mit größerer Gewissheit klar wurde, dass mir dieses Lied wirklich viel zu vertraut war. Dabei wünschte ich mir, dass es anders wäre. Es hätte niemals auftauchen dürfen, wenn meine Welt heil bleiben sollte. Dabei war sie schon jetzt nicht einmal wirklich heil. „Heeee?“, begann Nagi und neigte dabei seinen Kopf, während er Chiron süß lächelnd ansah. Diabolisch, süß, lächelnd. „Das klingt ja nicht schlecht, aber ich denke unser neuer Song wird vieeeeelllll niedlicher. Pass also auf, nicht dass der Himmel dir noch dein Herz stiehlt.“ Nagi zwinkerte ohne dabei sein Lächeln zu verlieren, doch es lag etwas herausforderndes in seinen Worten. Genauso wie in Chirons Lied eine unausgesprochene Herausforderung lag. „Nagi, unsere Konferenz...“, merkte Shion an und sah zu Chiron, dessen Miene keinerlei Regung zeigte. Er machte nicht einmal deutlich, ob ihm Nagis Worte nahe gingen, oder ob es ihm schlicht weg egal war? „Verzeih, wenn wir unser Gespräch so kurz halten. Aber wir haben einen wichtigen Termin“, erklärte Kira, ebenfalls ohne Emotionen im Gesicht. „Ah, ich verstehe. Wir sehen uns sicher noch oft genug um diese interessante Diskussion fortzuführen. Und... Tailor...“ Er sah zu mir und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. „Ich hoffe du hörst heute Abend Radio. Ich hab ein Interview gegeben und ein bisschen über meinen neuen Song geredet.“ Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig und obwohl alles in mir sich dagegen wehrte, ihm zuzuhören, tropften seine Worte in meinen Geist und hinterließen eine ölige Spur geistiger Verwirrung. Er schien es zu merken, denn mit einem zufriedenen Lächeln setzte er seine Brille auf und lief an uns vorbei. „Wir sollten auch gehen. Die Konferenz beginnt gleich“, erklärte Kira und ich nickte schwach. Die Jungs sollten wegen mir nicht zu spät kommen.   Mein Blick lag auf den drein, während sie souverän ihre Konferenz abhielten. Nagi war so niedlich wie man nur in seinem Alter sein konnte und scherzte mit Shion herum, während Kira den erwachsenen Touch der Konferenz sprachen. Ich bekam nur am Rande mit, dass es bei den Fragen um das Zusammenleben miteinander ging, oder um zukünftige Projekte von Heavens. Sicher würde ich, wenn diese Konferenz ins Internet geladen wurde, dort alles noch einmal ansehen, aber gerade war ich einfach nicht in der Lage zuzuhören. Viel eher hingen meine Gedanken bei Chiron und diesem Song. Nach einem Jahr, nachdem er verschwunden war, war dieser Song wieder aufgetaucht und ich fragte mich, ob die anderen auch in nächster Zeit das Tageslicht erblicken würden. Würde mein Name in den Credits stehen? Wie sollte ich das vermeiden, wenn Chiron das tun wollte? Und vor allem wie sollte ich das Shining erklären? Immerhin hatten Hiroki, Mira und ich ihm nie davon erzählt, dass Chirons Debütsong in der Schule gestohlen war. Hätten wir es damals gesagt und ich erwähnt, dass mir noch Songs fehlten, hätte die Geschichte nun anders ausgesehen, aber so... Was sollte ich tun? Oder viel mehr, was sollte ich nicht tun? Ich wusste nur, dass ich Heavens nicht enttäuschen wollte, doch wenn herauskam, dass dieser Song von mir geschrieben wurde, was würde das für Heavens oder Starish bedeuten? Konnte Shining, wenn er davon erfuhr, überhaupt noch etwas machen? Chiron war immerhin kein Mitglied der Agentur. „Der Kuchen war wirklich lecker. Selbst Yamato hat welchen gegessen und gemeint er sei gelungen“, erzählte Nagi mit einem stolzen Lächeln. Er war wirklich niedlich und irgendwie war es gerade jetzt schade, dass ich nicht bemerkt hatte, wie sie auf den Kuchen zu sprechen gekommen waren. „Dann können sich die Damen also nächstes Jahr auf ein besonderes White Day Geschenk freuen?“ Kira nickte. Wohingegen Nagi diese Frage wirklich aktiv mit Worten bestätigte. „Und natürlich hoffen wir auch im nächsten Jahr ganz viel Schokolade zum Valentinstag zu bekommen.“ „Nagi, wenn du zu viel davon isst, bekommst du nur wieder Bauchschmerzen...“, mahnte Shion das jüngste Mitglied, dass niedlich seine Backen aufblies. „Moah, Shion. Ich mag Schokolade, vor allem die von unseren Engeln.“ Sie waren wirklich ausgelassen, fröhlich und irgendwas in mir sagte, dass es nicht gespielt war. Sie waren wirklich so. Selbst wenn Nagi Privat nicht immer seine Fassade aufrechterhielt. Ich fragte mich, ob ich ihnen als Komponistin gut tat. Ob es nicht vielleicht richtig war, dass ich nicht exclusiv für nur eine einzige Band schrieb. Nicht weil es mich in meiner Entwicklung eingeschränkt hätte, sondern weil ich die Gruppe eingeschränkt hätte, wenn sie zu viel von meinen Problemen mitbekam. So wie Starish auch Harukas Probleme auf ihren Schultern trug. Alles in mir schrie danach, diesen Auftrag abzugeben, doch mein Stolz sagte Stopp. Aufgeben war noch nie eine Option gewesen. Ich musste nur diesen einen Song schreiben, danach konnte ich jeden weiteren ablehnen, oder Saotome erklären dass ich Urlaub brauchte... So etwas in der Art. Doch was würde mit Starish werden? Nein, auch das war keine Option. Sie verließen sich auf mich. Haruka verließ sich auf mich. Ich war gefangen.   Irgendwie hatte ich es nicht ertragen den Jungs weiter zuzuhören, weswegen ich mich in die Umkleide zurückgezogen hatte und auf die Partitur starrte, auf der der Song noch fertig entstehen sollte. Doch die Noten die ich geschrieben hatten, vermischten sich mit den längst verschollenen, die Chirons Lied wieder an die Oberfläche befördert hatte. Ich erinnerte mich an jede einzelne Note, jede Minute in der ich an dem Lied gesessen hatte und daran, für wen es bestimmt war. Es fühlte sich an, als hätte Chiron mir mit diesem Lied ein Stück weit mehr gestohlen als nur Musik. Er hatte mir einen Teil meiner Identität geraubt, meiner Träume und Wünsche. „Hier bist du...“ Ich zuckte erschrocken zusammen, als ich hinter mir eine Stimme vernahm. Wie ein geprügelter Hund, der beim Klau einer Wurst erwischt wurde, wandte ich mich um und sah die drei Jungs, die von ihrer Konferenz zurückgekommen waren. „Du solltest doch auf uns hinter der Bühne warten“, murrte Nagi und kam näher, wobei er einen Blick auf die Partitur erhaschte. „Huh? Du hast nichts geschrieben?“, fragte er und zog mir das Blatt förmlich unter der Nase weg. Panisch wollte ich danach greifen, doch Nagi war schnell und zeigte es Shion und Kira. Ich fühlte mich schlecht, denn die drei verließen sich auf mich und ich... enttäuschte sie in jeglicher Hinsicht. „War der Einblick nicht privat genug?“, fragte Shion besorgt und ich konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln. „N-Nein. Ich... Ich hab nur gerade ein kreatief.“ Ich bemühte mich zu lächeln, witzig zu sein und meine Sorgen nicht anmerken zu lassen. Ich wollte und durfte Heavens nicht damit belasten. Wobei ich mir nicht einmal sicher war, ob es sie belasten würde. Wer war ich schon für sie? Irgendeine Komponistin die einen Sechser im Lotto, in Form von einem guten Heavens Song vollbracht hatte. „Hat es was mit Chirons neuem Song zu tun?“ Ertappt. Mir lief es kalt den Rücken runter, als mich Kira mit seinen goldenen Augen fixierte und auch noch ins schwarze getroffen hatte. Ich überlegte, was ich sagen sollte, was ich sagen konnte, so wie ich es immer tat, wenn ich eine unangenehmen Situation entfliehen wollte. „Was? Der Song? Ach was. Es ist einfach... Uff. Ich bin müde und die Sache mit meiner Freundin Sumire hat mich etwas umgehauen. Aber das wird wieder. Ich denke... Ich sollte nach Hau-“ „Wenn du jemanden zum reden brauchst, kannst du es ruhig tun? Du musst mit deinen Kummer nicht alleine bleiben. Also wenn du etwas auf dem Herzen hast, dann sag es uns jetzt.“ Überrascht wandte sich mein Blick zu Shion, der etwas lauter geworden war und mir damit zu verstehen gab, dass er mir nicht glaubte, und die Anderen wahrscheinlich auch nicht. „Das wäre eine sehr lange Geschichte. Und ihr habt es eilig. Also macht euch keine Sorgen. Morgen bin ich wieder vollkommen auf der Höhe und habe sicher etwas interessantes für euch. Sagt mir einfach Bescheid wann ihr Zeit habt, ich halte mich auf Abruf bereit, versprochen.“ Ich lächelte und sah zu den drein, die sich fragend ansahen. Doch schließlich nickte Kira ihnen zu und blickte wieder zu mir. „Wir melden uns dann. Solltest du aber doch noch reden wollen, wir und auch der Rest von Heavens sind für dich da.“ Ich nickte, dankbar darüber dass sie mir den Freiraum gaben, den ich gerade wünschte. Nur ungern hätte ich ihnen wirklich meine Probleme aufgelastet. Ich hatte das schon in meiner Welt nicht getan und scheinbar konnte ich das auch jetzt nicht. Es war hingegen schon fast ein Wunder, dass ich am Abend zuvor Cecil von dem Diebstahl erzählt hatte. Mehr Menschen mussten das nicht wissen. „Wir sehen uns dann also morgen.“ Ich nahm meine Sachen und packte sie in die Tasche. „Wir können dich noch nach Hause fahren lassen!“, setzte Shion schnell nach, doch ich schüttelte erneut mit dem Kopf. „Schon gut, ich hab noch etwas zu klären. Und was Chirons Song angeht... Macht euch keine Sorgen. Der Song ist alles andere aber nicht gut. Die Melodie ist stümperhaft, das Arrangment klang selbst acapella schwach und ich denke nicht, dass es an einen Starish oder Heavens-Songs rankommt. Das werde ich niemals erlauben.“ Wahrscheinlich wollte ich das mehr mir versprechen als den Jungs. Aber die Tatsache, dass dieses Lied, welches Chiron gespielt hatte ein verlorener Schatz war, konnte mich nur noch mehr anspornen. Heavens Lied würde besser werden.   Ich hatte die Jungs in diverser Weise angelogen, denn ich hatte noch nichts vor. Es stand nur etwas auf dem Plan. Sumire. Mit einem Fahrer konnte ich natürlich nicht vor ihren Laden vorfahren, weswegen ich einen persönlichen Leibwächter lieber ablehnte als zu akzeptieren. Doch Schicksal hatte andere Pläne. Die Hälfte des Weges lag bereits hinter mir, als mein Telefon plötzlich klingelte. Der Klingelton von Cecils Happiness. Im Moment war dieser Song wohl mehr als unpassend. Aber ich war ehrlich zu faul ständig den Klingelton zu ändern, nur weil meine Stimmung nicht zum Song passte. Obwohl es nicht der richtige Zeitpunkt war, nahm ich ab und hörte sogleich Sumires Stimme. Sie schien es eilig zu haben und wollte nicht einmal warten, dass ich sie begrüßte. „Wenn du Zeit hast, lass uns reden. Es mag vielleicht kein neutraler Boden sein, aber komm zu mir. Dort findet dich die Presse nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es in Anbetracht der Tatsache, dass wir Differenzen haben, unangenehm ist und das tut mir leid, aber mach dir keine Sorgen, ich habe dafür gesorgt, dass ich nicht die besseren Karten habe. Also, kommst du?“ Ich schluckte schwer und wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Doch scheinbar waren wir immerhin soweit noch synchron, dass wir unsere Differenzen beilegen wollte. Irgendwie freute mich das, denn dadurch hatte ich das Gefühl, dass wir unsere Probleme doch noch beilegen konnten. Zumindest wünschte ich mir das. „Ist okay, ich bin auf dem Weg. Soll ich noch etwas mitbringen?“ Es hatte sich bei mir in Japan irgendwie eingetrichtert, dass ich anderen Personen, wenn ich sie besuchte. Gleichzeitig taten das meine Gäste, die meist aus meinen Freunden bestanden, und immer etwas mitbrachten, dass ich mochte, oder das wir gemeinsam genießen konnten. „Etwas Zeit wäre gut. Es kann dauern.“ „Verstanden, ich mache mich auf dem Weg.“ Sumire schwieg und sagte nichts mehr zu meiner Ankündigung. Wir waren einander irgendwie nah, doch immer noch entfernt. Ich konnte damit nur hoffen, dass sich in diesen Gespräch unser Problem klärte und wir wieder Freunde wurden.   Mir war wirklich nicht ganz wohl bei der Sache, als ich vor Sumires Wohnung stand. Es war zwar positiv, dass sie bereit war ein Gespräch mit mir zu führen, aber neutraler Boden wäre mir am Ende doch noch lieber gewesen. Sumire wusste das und hatte sich auf ihre Weise entschuldigt. „Es mag vielleicht kein neutraler Boden sein, aber komm zu mir. Dort findet dich die Presse nicht.“ Irgendwie zeigte das, dass sie sich doch Sorgen um mich machte. Dennoch fühlte ich mich verloren. Wie ein Lamm, dass zur Schlachtbank geführte wurde. Konfrontationen waren definitiv nicht mein Ding. Nicht wenn ich sie nicht steuern und lenken konnten. Und wer wusste schon, ob Sumire Recht behielt und wirklich dafür gesorgt, dass sie nicht die Oberhand behielt. In diesem Gespräch wollte ich nämlich nicht zu unrecht in Grund und Boden gestampft werden. „Ah, du bist auch schon da?“ Verblüfft wandte ich mich um, als mir diese fröhliche, vertraute Stimme entgegenkam. „Mikoto? Was machst du denn hier?“ Ich war verblüfft und ließ Mikoto den Vortritt dabei die Klingel zu betätigen. Zielsicher als ich und mit dem Wissen, dass er nichts zu befürchten hatte. „Sumire hat mich gebeten als Mediator zu fungieren. Damit du dich bei ihr nicht zu sehr unwohl fühlst und ihr beide das ganze klären könnt. Ich bin einigermaßen auf dem Stand der Dinge, also mach dir keine Sorgen.“ Kaum dass er mich auf den Stand der Dinge gebracht hatte, öffnete Sumire die Tür und gewährte uns wortlos Einlass. Ich wusste nun, wie sich RPG-Charaktere fühlen mussten, wenn sie wussten, dass hinter der nächsten Ecke ein Bossfight wartete.   Mikotos Anwesenheit half nicht wirklich. Ich war immer noch nervös, als ich auf die Tasse Tee sah, die Sumire mir wortlos hingestellt hatte. Pfefferminze mit Honig. „Okay, dann redet mal, dafür seid ihr schließlich hier. Und vom Schweigen wird sich euer Problem nicht klären“, fing Mikoto nach einiger Zeit an. Scheinbar hatte er bemerkt, dass keiner von uns wusste, wie der Anfang gemacht werden sollte. Doch selbst jetzt hatten weder Sumire noch ich den Mut, den Anfang zu machen. Er seufzte, als er das merkte, und schüttelte den Kopf. „Na schön, ich kann euch ja verstehen. Die Situation ist unangenehm, aber wenn ich alles, was Sumire mir erklärt hat, richtig verstanden habe, dann handelt es sich hier um ein Missverständnis. Ich frage dich deswegen, Sumire, hast du Beweise dafür, dass Erenya dich bei Shining verpetzt hat?“ „Nein... Aber sie wollte mir ja nicht einmal erzählen, dass sie für Starish komponiert. Das heißt doch, dass sie mir nicht vertraut.“ Es tat weh das zu hören, denn am liebsten hätte ich allein meinen Freunden davon erzählt, doch Shining hatte eine klare Arbeitsanweisung gegeben, die wir am Ende doch nicht einhalten hatten können. „Sumire... ich kann verstehen, dass dich das verletzt. Mir würde es nicht anders gehen, aber Shining hatte eine klare Anweisung gegeben, nachdem die Pressekonferenz wegen dem Charity-Song nicht so ideal gelaufen war.“ „Es war also nicht deine Entscheidung Sumire das zu verschweigen?“, fragte Mikoto und ich nickte. „Starish hatte dennoch kein Problem damit es mir zu sagen.“ „Wie hätten sie sonst reagieren sollen, als du mich verhört hast und die Wahrheit wissen wolltest? Außerdem wie hätten sie ihre Anwesenheit im Tonstudio, wo wir beide waren, erklären sollen?“ Sumire sah mich an und ich wusste, dass sie die Situation noch einmal im Kopf durchspielte. „Wenn ich das alles richtig verstehe, gab es keine andere Möglichkeit. Dennoch sehe ich damit keinen Beweis dafür, dass Erenya deinen Namen ins Spiel brachte. Nachdem was du mir zuvor schon erzählt hattest, warst du dann den ganzen Tag bei den Aufnahmen des Songs. Das wiederum bedeutet, dass Starish, Tontechniker, der Regisseur der Serie und noch ein paar andere Leute dich gesehen, deinen Namen bemerkt und diesen Shining mitgeteilt haben könnte. Selbst wenn es nur ein Vorname war, hätte diese Information für Shining gereicht, um auf dich zu kommen.“ Sumire schwieg, sah mich aber an. Wahrscheinlich war es wirklich gut, dass Mikoto da war, denn sie wurde immer vernünftig, wenn er mit seiner Logik kam. Im geheimen hatte sie mir mal erzählt, dass sie ihn dafür gleichermaßen schätzte wie hasste. „Du denkst also nicht, dass ich der Presse von dir erzählt habe?“ Ich schüttelte den Kopf und sah Sumire ernst an. „Wir sind Freunde. Ich vertraue dir und egal was Starish sagte, ich habe dir immer vertraut. Ich habe viel eher jemand anderen im Sinn, der es getan haben könnte.“ Erwartungsvoll sahen mich Mikoto und Sumire an. Es war mir klar, dass ich ihnen irgendwann alles sagen musste. Vor allem, wenn ich wollte, dass mir Sumire wieder vertraute und glaubte. „Ich vermute, dass es Chiron war. Ich habe ihn gesehen und erneut ein Angebot abgeschlagen. Daraufhin drohte er mir und schwupp waren da die Bilder und die Presse. Ich habe aber keine Beweise dafür, daher kann ich Shining noch nichts von meiner Vermutung mitteilen.“ „Du brauchst also Beweise... Wird schwer die zu bekommen, denn Chiron wird kaum zugeben, dass er es war“, merkte Mikoto an und Sumire nickte zustimmend. „Ehrlich gesagt habe ich ihn heute gesehen und indirekt darauf angesprochen. Er hat es nicht einmal abgestritten.“ Ich blickte in den Becher mit Tee, der bereits abgekühlt war. Chirons Lied war wieder in meinen Gedanken, ebenso seine Bemerkung, dass meine Songs hoch im Kurs standen. Er wollte diesen Umstand nutzen. „Selbst wenn sie Beweise hat, wird es schwer...“, merkte Mikoto an und ich sah fragend zu ihm auf. Wie hatte er das gemeint? Ich brauchte doch nur einen Beweis. „Chiron ist jemand der sich nimmt was er will und wenn er es nicht bekommt, greift er zu jedem Mittel, dass ihm zur Verfügung steht. Yurika ist der beste Beweis dafür. Ich schlage vor, du ignorierst ihn und machst einfach deine Arbeit.“ „Mikoto hat Recht. Chiron wird es mehr aufregen, wenn du nicht anbeißt. Genauso wie es ihn damals aufgeregt hat, als er nicht mit deinem Song gewonnen hat. Er wird merken, dass seine Bemühungen vergeblich sind.“ Ich sah zu Sumire und Mikoto und war dankbar, dass ich mit Menschen reden konnte, die meine Situation von damals noch kannten. Doch genauso gut mussten sie wissen, dass ich es nicht einfach dabei belassen konnte.   **~~**   „Warte kurz, Yurika. Ich hab die Aufzeichnungen irgendwo hier.“ Ich suchte in meinem Ordner nach der Liste von Songs, die bisher bei den Song Battles performt wurden. Sie hatte mir gesagt, dass sie eine handvoll Songs hatte, aber nicht mehr wusste, welcher noch nie aufgeführt wurde. Als gute Freundin wollte ich ihr natürlich helfen, auch wenn ich keinen Song mehr für sie schreiben würde. Doch sie hatte mir versichert, dass sie einen guten Komponisten gefunden hatte, der ihr einen Solo-Song schreiben würde. Ich war verwundert darüber, denn aus allen Ecken und Kanten hörte man die Gerüchte, dass sie mir Chiron ein Duett singen wollte. Scheinbar stimmten die Gerüchte aber nicht, was mich ehrlich gesagt erleichterte, denn ich hätte nur ungern Yurikas Talent bei Chiron verschwendet gesehen. „Sind denn die Komponisten noch alle frei?“, fragte ich, während ich den nächsten Ordner hervorzog und darin kramte. „Keine Sorge, wir haben das mit Ryuga-sensei abgeklärt. Er meinte die Hauptsache sei nur, dass der Song noch nicht öffentlich performt wurde. Dank Starish wurden die Regeln für die Abschlussprüfung stark gelockert.“ „Das ist unser Glück. So können sich auch Paare und Gruppen finden. Das steigert die Chancen für alle. Selbst wenn Chiron als Favorit zählt.“ „Du hättest auch die Chancen, wenn du für Chiron schreibst. Aber du willst ja lieber ein Duett für Mira und Hiroki komponieren.“ Ich schmunzelte etwas, während ich auf den Stuhl stieg um an das oberste Regal zu gelangen, in dem ich noch ein paar Ordner hatte, in denen ich die Liste vermutete. „Ich brauche keine sichere Chance. Ehrlich gesagt will ich mir meinen Erfolg lieber verdienen als einfach nur auf der sicheren Seite zu stehen. Das ist vielleicht etwas masochistisch, aber ich gehe lieber den schweren Weg.“ „Hey, ist das deine Kompositionsmappe?“ Ich sah kurz über die Schulter, bereute es aber, als ich spürte wie ich das Gleichgewicht verlor, weswegen ich schnell wieder nach vorne sah um mich zu fangen. Der kurze Blick hatte aber gereicht um zu erkennen, dass sie meine Cecil-Mappe in der Hand hielt. Diese trug ich so ziemlich überall mit mir herum, zusammen mit einem Schreibblock und genügend Stifte um eine halbe Armee zu versorgen. „Jap. Du kannst sie dir gerne ansehen. Da sind alle Songs drin, die ich im letzten Jahr geschrieben habe. Und noch ein paar mehr. Einige von denen werden aber wahrscheinlich nie das Tageslicht erblicken, weil... Naja die Personen für die ich sie geschrieben habe, werden diese Songs niemals sehen.“ „Ich sehe schon, ein Starish Song? Echt jetzt?“ Ich lachte leise, auch wenn es wehtat. Denn scheinbar mutete mir nicht einmal Yurika zu, dass dieser geheime Traum irgendwann mal wahr wurde. Aber ehrlich gesagt, glaubte ich selbst nicht einmal daran. Sie hatten Haruka, warum also sollte jemand wie ich, den sie noch nicht einmal kannten, für sie schreiben können? „Quartet Night... Reiji? Ranmaru? Ich dachte du kannst keinen Rock?“ „Ich kann selbst keinen Rock singen, aber komponieren ist was anderes. Aber beim komponieren ist es leicht. Wie sagte Ringo-sensei, es gibt keine Grenzen beim Rock, man kann experimentieren, ausprobieren und sich neu definieren. Außerdem beim schreiben fühlte ich mich Ranmaru nah und diesem Gefühl zu rebellieren und gleichzeitig frei zu sein.“ „Der Song ist wirklich sehr experimentell. Aber er passt zu Ranmaru. Hoffen wir einfach, dass du dein Debüt machst, dann kannst du ihm diesen Song vielleicht geben. Das heißt dazu musst du das Debüt bekommen. Vielleicht solltest du dann doch mit Chiron arbeiten. Noch kannst du dich um entscheiden.“ „Yurika, ich habe bereits den Song für Mira und Hiroki geschrieben. Jetzt einen neuen Song zu schreiben ist fast unmöglich.“ Ich sah in den letzten Ordner den ich vermutete. Endlich hatte ich was ich wollte. Die Liste, nach der mich Yurika gefragt hatte. „Hier ist sie. Brauchst du sonst noch etwas?“ „Nein, ich hab damit alles was ich brauche. Gehst du heute zur Probe? Ich würde gerne hören, was für einen Song du für Mira und Hiroki geschrieben hast.“ „Wir müssen ja mal proben. Also denke ich schon. Wir sehen uns also da?“ „Klar und dich wird mein Song von den Socken hauen.“ Yurika lächelte mich an, als sie mir half, vorsichtig wieder vom Stuhl zu kommen, und mir schließlich auch die Liste abnahm. „Dann bis später.“ Ich sah Yurika nach, die zur Tür ging und winkte ihr. Es war ein gutes Gefühl einer Freundin geholfen zu haben.   Ich kramte panisch in meinem Ordner herum und war verwirrt. Er war um so vieles dünner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Aber bei meiner Ordnung wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn ich den ein oder anderen Song in einen anderen Ordner einsortiert hatte. Blöd nur, dass Hirokis und Miras Song mit darunter war. „Wir haben echt Glück, dass wir uns den Song kopiert haben. Du würdest deinen Kopf verlieren, wenn der nicht angewachsen wäre“, neckte mich Hiroki liebevoll und durfte meinen schmollenden Blick ertragen. „Das kann jeden Mal passieren. Der Song liegt sicher zwischen den ganzen Ordnern die ich heute hervor gezerrt habe und ich kam noch nicht dazu die wieder einzusortieren.“ „Ich bin schon so gespannt, wie sich der Song singen lässt!“ Ich schmunzelte, als Mira irgendwie das Thema wechselte. Meine Ordnung war kein Thema, dass ich ihren Song verlegt hatte auch nicht, für sie zählte nur noch diesen Song zu singen oder viel mehr das erste Mal zu proben. Und wenn ich ehrlich war, war ich auch gespannt darauf, wie er klingen würde, denn danach konnte ich noch entscheiden, was für Verbesserungen ich durchführen musste. „Wer ist eigentlich vor uns dran?“, fragte Hiroki und sah zu Mira, die einen Plan mit der Aufstellung bei sich hatte. „Chiron und Partnerin... Das ist nicht fair.“ „Machst du dir nun Sorgen, dass er und seine Partnerin besser sind als wir?“, fragte Hiroki verwundert und verschränkte die Arme. „Nein. Aber wir müssen dann noch mehr unser Bestes geben, damit wir das Publikum wieder in Stimmung bringen, nachdem er und seine Emotour sie versaut haben.“ Ich kicherte über Miras Kommentar. Sie hatte es wieder einmal geschafft, zumindest mir die Sorgen nach der Hiobsbotschaft zu nehmen. Der Frust würde erst wieder aufkommen, wenn wir gleich Chiron und seine Partnerin hörten und bemerkten, dass ihr Song einfach unglaublich war. Chiron war mit seinen Songs immer unglaublich, wenn auch sehr leblos, aber er schaffte es, dass ich ihn als einen wirklich ernstzunehmenden Rivalen sah. „Oh seht, Yurika ist auf der Bühne!“ Freudig zeigte Mira auf die Bühne, auf der die Probe derzeit stattfanden. Ich war gespannt zu hören, was für einen Song sie singen würde und vor allem, wer ihr Komponist war. Mir waren einige ihrer Klassenkameraden bekannt und ich schätzte sie, denn ihre Kompositionen hatten mir oft dabei geholfen, neue Wege für mich zu finden, neue Ideen umsetzen zu wollen und den Mut zu haben, das zu tun, was mir im Kopf herumschwirrte. Sie zögerten nämlich nicht alle ihre Ideen aufs Papier zu bringen. Ich hingegen überlegte viel zu oft, was die passende Musik wäre. Wie ich dem Performer schmeicheln konnte, welche Instrumente richtig waren und noch viel mehr Dinge. Selbst jetzt fragte ich mich noch, ob der Song für Mira und Hiroki wirklich passend war. Ich kannte von beiden die Stimmlagen, hatte verschiedene Versionen mit Instrumenten getestet und schließlich einen Song gefunden, von dem ich der Meinung war, dass er gut war. Nicht perfekt, aber gut. Ich merkte, dass ich in Gedanken abschweifte und holte mich in die Gegenwart zurück. Gerade zählte nur Yurikas Song. Ich wollte ihr hinterher ehrlich meine Meinung mitteilen und ihr vielleicht sogar gratulieren bei ihrer Wahl. Meine Hoffnung, schienen berücksichtigt worden zu sein. Aber vollkommen anders als gedacht. Die Melodie die ertönte, kam mir sehr bekannt vor. Doch nicht nur mir. Mein Blick richtete sich auf Mira und Hiroki, die fassungslos zu Yurika sahen... und ihrem Partner, der die ersten Zeilen des Songs sang, der eigentlich Mira und Hiroki gegolten hatte. Mutig und ungestüm, mit voller Kraft, haben wir uns in die Schlacht gewagt, Ohne daran zu denken, was wir heute riskieren.   Gib nicht auf, hör auf uns, denn die Wahrheit sagen wir, unsere Lied ist unser Bann, der das Dunkel weichen lässt.   Wir sind Lionheart, mutig und stark, bereit für den Schicksalskampf. Ohne zurück zu sehen, in die Knie zu gehen, geh'n wir auf den Sieg zu!   Hör unser Siegesbrülln. Diese Melodie, kann kein anderer Spieln, sie ist für uns gemacht, für diese Schlacht, die uns nur stärker macht.   Schließ dich uns an.   „Mira und Hiroki, ihr seid die nächsten. Habt ihr euren Song fertig?“ Mir lief es kalt den Rücken hinab, als ich Ringos Stimme hörte. Er hatte uns drei bemerkt und war zu uns gekommen, noch während Yurika und Chiron ihren Song performten. Meine Freunde konnten unmöglich noch mit diesem Lied auftreten. Sie hätten sich dafür disqualifiziert, denn am Ende hätte jeder gedacht, dass wir Yurika und Chiron den Song gestohlen hätten. „Nein, wir wollten einfach nur hören, was die anderen so für Songs haben. Unserer ist noch nicht fertig.“ Ich war erstaunt darüber, wie ruhig Hiroki seine Lüge vorbrachte. Mein Blick wandte sich zu ihm und neben ihm stand Mira, die fröhlich wie eh und je lächelte. „Ihr habt nicht mehr viel Zeit um einen Song zu schreiben. Lasst euch also nicht zu viel Zeit.“ „Sie kennen doch, Nya-nya-chan. Sie würde uns niemals mit einem imperfekten Song auf die Bühne lassen. Aber keine Sorge, wir haben rechtzeitig unseren Song fertig. Allerdings... uhm... Kann es sein, dass wir die Generalprobe nicht schaffen.“ Ringo seufzte und schüttelte den Kopf, wobei er mich ernst ansah. „Ich werde mit dem Chef reden, aber Erenya-chan, sei dir im klaren, wen du am meisten schadest, wenn du nicht rechtzeitig fertig wirst. Manchmal ist es besser wenn ein Song seine Ecken und Kanten hat, dann lebt er. Nicht jeder kann Emotionen so gut vorspielen wie Chiron. Deswegen, spiele es nicht vor, sondern lass sie zu.“ Ich fühlte mich ertappt. Ringo hatte ja Recht, ein perfekter Song war nichts wert, wenn er keine Emotionen vermittelte, wenn er nicht ehrlich war. Noch dazu wäre es nicht fair meinen Freunden gegenüber gewesen. Egal was für einen Song ich geschrieben hatte, sie gaben immer ihr bestes. „K-Keine Sorge, Ringo-sensei. Der Song ist rechtzeitig fertig und wird demonstrieren, was wir drei gelernt haben.“ Ich schulterte mir eine unglaubliche Last auf. Das wusste ich, kaum, dass ich meine Worte ausgesprochen hatte. Und ich bereute sie. Wir hatten nur noch zwei Wochen, um einen neuen Song zu schreiben und ich hatte nicht einmal den Hauch einer Idee, was für einen Song ich ihnen schenken sollte.   **~~**   Ich hatte nicht nur Mira und Hiroki damals ein Versprechen gegeben, sondern auch Heavens. Und wie damals saß ich in meinem Zimmer am Keyboard und spielte lediglich die Parts, die bisher geschrieben waren, ohne das zu finden was ich suchte. Shions Stimme. Ich wusste zwar, dass es ein Bläser sein sollte, aber mir missfiel der Gedanke, ihm eine Flöte auf den Leib zu schneidern. Schon die Tatsache, dass Kira ein Klavier spielte und der Counterpart zu Masato war, missfiel mir. Ich wollte nicht, dass Heavens als Kopie von Starish galt. Genauso wenig wollte ich, dass meine Songs als eine Kopie von Chirons galten. Doch das war nicht so leicht. Immerhin war sein neuster Song meiner. Wie von selbst wechselten meine Finger die Melodie zu dem ersten Song, den mir Chiron gestohlen hatte. Oder viel mehr Yurika. Auch wenn ich geglaubt hatte, diese ganze Sache hinter mir gelassen zu haben, bewies die Tatsache, dass ich den Song noch spielen konnte, dass dem nicht so war. Es machte mich wütend, denn ich wollte die schlimmen Dinge die in der Schulzeit passiert waren, hinter mich lassen, doch mit einem Mal, war der gesamte Berg wieder da. Unmotiviert und meiner Wut freien Lauf lassend, drückte ich unmelodisch alle Tasten, die meine Finger berührten, runter, so dass mein Keyboard schräge Töne von sich gab, die wohl genauso grausam waren, wie das, was Natsuki gerne mal zusammen kochte. Es brachte im Moment nichts, weswegen ich das Keyboard abschaltete und mich stattdessen an den Schreibtisch setzte um im Internet zu surfen. In der Regel hätte ich nun zur Ablenkung nach neuen Otome-Games gesucht, die bald released werden sollten. Heute war aber ein anderer Tag. Ich forschte nach. Suchte nach Interviews die Chiron vor kurzen gegeben hatte, um seinen neuen Song zu promoten. Und ich wurde tatsächlich fündig. Bei einem Internetradio konnte ich ein aktuelles Interview mit Chiron hören. Auch wenn sich alles in mir sträubte und ich besser auf mein Bauchgefühl gehört hätte, konnte ich nicht anders, als es mir anzuhören. „Chiron, schön dich bei uns zu haben. Deine letzte Single ist ja noch nicht einmal ein Monat draußen und schon veröffentlichst du die Nächste. Wie kommt es dazu?“ „Nun, Shinji, ich sage immer, wer rastet der rostet. Außerdem ist es an der Zeit, dass auch kleinere Künstler an der Revolution teilnehmen, die Starish begonnen hat. Leider sind die Jungs etwas zu ruhig geworden als noch wirklich von einer Revolution reden zu können. Irgendeiner muss wieder das Zepter in die Hand nehmen.“ Der Moderator lachte, denn obwohl Chirons Worte nicht gerade freundlich gegenüber Starish waren, brachte er seine Message doch sehr charmant und vor allem witzig rüber. Das war etwas, dass er schon immer gut konnte. „Das klingt als würdest du Starish herausfordern. Dabei sind es doch deine Senpai. Ihr wart immerhin alle mal in Shining Saotomes Schule.“ „Nur weil sie meine Senpais sind, muss ich mich ihnen ja nicht unterordnen. Außerdem je stärker die Konkurrenz ist, desto mehr kann man an ihr wachsen. Starish haben es schließlich auch geschafft, ihre Senpai zu übertrumpfen.“ „Du bist ja bekannt dafür ambitioniert zu sein. Meinen Informationen nach, ist das einer der Gründe, warum Blazing Masamune auf dich aufmerksam geworden ist. Was sind noch eure Pläne für die Zukunft?“ „Nun, wir planen in der Zukunft meine Präsenz zu erhöhen. Das heißt mehr Singles, mehr Fernsehauftritte, darunter auch Rollen in Serien. Ich habe sogar schon ein paar Anfragen für Modelauftritte bekommen. Wir werden also voll durchstarten und deutlich machen, dass Blazing Production nicht länger ein kleines Indie-Label ist, sondern durchaus mit Shining Agency und Raging Entertainment mithalten kann.“ Ich spürte wie sich meine Hand zur Faust ballte, denn es nervte mich, dass er glaubte, dass er dafür wirklich alle Mittel nutzen konnte. „Dein neuer Song ist, genau wie deine Worte, eine Herausforderung an die Gruppen dieser Firmen. Blazing Production macht ein großes Geheimnis darum, wer der Komponist ist. Magst du uns einen Hinweis geben?“ „Nun... Viel verraten kann ich leider nicht. Aber die Person, die den Song komponiert hat, ist jemand besonderes. Ich respektiere natürlich ihren Wunsch nicht zu sehr in der Öffentlichkeit stehen zu wollen, weswegen wir ihren Namen nicht direkt öffentlich machen wollen.“ Diese Entscheidung von Chiron verwunderte mich, weswegen ich einen zweiten Task öffnete und versuchte mehr über die neuste Single zu erfahren. Mithilfe von diversen Suchmaschinen fand ich einen Scan des Booklets, wie es erscheinen würde. Er hatte nicht gelogen. Beim Komponisten stand kein Name, dabei hätte ihn gerade das noch mehr Aufmerksamkeit beschert, wenn dort mein Name gestanden hätte. „Wir haben uns natürlich das Booklet mal genauer angesehen und in den „Special Thanks“ steht eine alte Schulkameradin von dir, die Gerüchten zufolge gerade durchstartet. Inwiefern hat sie bei dem Song geholfen?“ Mir lief es kalt den Rücken hinab, als ich hörte, was der Moderator sagte. Sofort scrollte ich bei dem Booklet runter und entdeckte den Namen, von dem er gesprochen hatte. Meinen. „Du meinst Eri-chan? Sie ist meine Muse und Inspiration. Man könnte sagen, dass wir eine große gemeinsame Geschichte haben und wir einander zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Ich schätze sie dafür sehr und hoffe, dass wir gemeinsam an dem ein oder anderen Song arbeiten können.“ „Na na, Chiron, du wirst den Damen da draußen doch nicht etwa das Herz brechen und nun öffentlich deine Liebe für Tailor-san gestehen?“ Sowohl der Moderator als auch Chiron lachten auf. Scheinbar empfanden beide den Witz gut, wenn auch jeder aus anderen Gründen. Chiron konnten niemanden lieben, dass wusste er. „Keine Sorge und selbst wenn es so wäre, Eri-chan würde mir nicht glauben.“ „Da du aber so gut mit Tailor-san befreundet bist, was denkst du über die Gerüchte? Ist sie die neue Komponistin für Starish?“ „Du wirst das vielleicht langweilig finden, Shinji, aber wenn wir einander sehen, reden wir mehr über unsere Vergangenheit. Wir schwelgen dann gerne in der Nostalgie. Über die Arbeit reden wir eher weniger. Auch wenn ich etwas enttäuscht bin, dass wir beide für die Konkurrenz arbeiten. Ich hätte gerne einen Song von ihr gesungen. Sie hat sich wirklich gut entwickelt und ich denke sie kann sogar Nanami-san übertrumpfen, wenn man ihr die richtigen Jobs gibt. Sollte sie also für Starish und Heavens schreiben, dann ist das der Moment, an dem sie zeigen kann, was wirklich in ihr steckt.“ Ich konnte das nicht mehr anhören und schaltete den PC aus. So, wie man es für gewöhnlich nicht machen sollte. Was Chiron da von sich gab, war genau das, was Mikoto in unserem Gespräch bereits angemerkt hatte. Chiron nahm sich was er wollte, mit allen Mitteln. Und er baute gerade ein Szenario auf, dass es mir unmöglich machte, öffentlich bekannt zu machen, dass dieser Song gestohlen war. Wahrscheinlich hoffte er damit, mich in die Ecke zu treiben, denn er wusste, dass ich wusste, dass er auch meine anderen gestohlenen Songs hatte. Dieser sollte mir nur sagen, dass er damit tun konnte, was er wollte. Sie waren sein Druckmittel. Ich hasste ihn dafür.   Mir fiel erneut die Decke fast auf den Kopf, was echt seltsam war. In meiner eigenen Wohnung hatte ich nie die Neigung empfunden das Haus zu verlassen. Viel mehr hatte ich mich dann in eine kuschelige Decke gehüllt und vor die Konsole gesetzt um mir von meinen liebsten Seiyuus süße Worte zuflüstern zu lassen. Hier im Master Course hatte ich aber keine Konsole oder einen Fernseher, den ich unentdeckt nutzen konnte. Die Jungs wussten ja schon, dass ich ein Fangirl war, dass ich das noch auf die Otaku-Spitze brachte, mussten sie nicht wissen. Immerhin wusste ich nun, wie sich Kae im Manga „Küss ihn, nicht mich“ gefühlt hatte, wobei sie doch wesentlich lässiger mit ihrer Leidenschaft umging, seit die Jungs davon wussten. Mir wäre es aber selbst dann noch unangenehm. Ich wollte, dass sie mich ernst nahmen und nicht einfach nur das Fangirl sahen. Mir war das schon immer bei meinen Freunden in meiner Welt peinlich, auch wenn ich mit Freunden wie Shicchi Fangirlen auf hohen Niveau konnte. Da ging es eben nicht nur darum, dass Charakter A so süß und niedlich war. Natürlich, dass war auch ein Thema aber wir redeten viel über ihre Hintergrundgeschichten, darüber was uns noch fehlte, was an der Serie besonders gut gefiel, was vollkommen daneben war und so weiter. Hier, in dieser Welt fehlte mir so eine Freundin. Sicher, ich hatte Mira, aber Mira interessierte sich mehr für niedliche Dinge, statt für Otome-Games. Jedenfalls, im Master Course hatte ich keine wirkliche Ablenkung, so dass ein Spaziergang im freien der perfekte Tapetenwechsel war und eine der Ablenkungen, die ich in nächster Zeit bevorzugen würde. Mit aufgesetzten Kopfhörern, lief ich den selben Weg, den ich schon am Abend zuvor gegangen war und der mich irgendwie zu Cecil geführt hatte. Vielleicht hoffte ich, nicht nur Cecil singen zu hören, sondern ihn wieder zusehen, denn seine Gegenwart beruhigte mich zumindest für die Zeit, in der er bei mir war. Die Hoffnung starb zuletzt, so hieß es doch und wenn ich schon im Master Course verweilte, konnte ich doch hoffen ihn das ein oder andere Mal häufiger zu sehen. Er war noch dazu der einzige, der von den gestohlenen Songs wusste und der vielleicht auch meine Situation verstanden hätte. Anders als am Vortag war es noch nicht dunkel. Die Sonne neigte sich gerade einmal dem Horizont zu und färbte den Himmel in ein farbenfrohes Orange. Es mischte sich mit dem blau und zeigte an diversen Orten ein sanftes Rosa. Es war eine malerische Szene, an diesem See, der selbst im schwachen Sonnenlicht noch glitzerte, als würden Perlen an seiner Oberfläche schwimmen. Das Master Course Gebäude hatte schon etwas sehr szenarisches und vor allem entspannendes. Die Bäume die hier standen und Schatten im Sommer boten, oder eben Zuflucht. Starish schien immer denselben Gedanken zu haben, dieses Mal hatte sich Masato an diesen Ort zurückgezogen. Ich bemerkte ihn, während ich die Szenarie an mir vorbeistreifen ließ. Er saß dort, unter einem der Bäume und las ein Buch. Die Sonne, schien ihm noch genug Licht zu spenden, so dass er die Buchstaben lesen konnte. Es zeigte mir, dass sie in der Lage waren von der Arbeit abzuspannen. Beneidenswert. Wie gerne hätte ich einfach nur diesen Song fertig geschrieben und mich danach ebenfalls bei einem Otome-Game entspannt. Oder einfach mal wieder eine Geschichte geschrieben. Das tat ich viel zu selten. Zuletzt in meinem Urlaub und mein Blog brauchte mal wieder ein paar Updates. Doch mit Chiron an meiner Ferse würde das nicht so schnell passieren. Noch dazu hatte Sumire mir nicht klar und deutlich gesagt, ob sie mir wirklich glaubte. Doch unser Abschied war auch nicht zu unterkühlt ausgefallen. Eher so, als ob man einen Bekannten verabschiedete. Vielleicht hatte Mikotos Statement noch nicht alle Wogen geglättet, doch ich war mir irgendwie sicher, dass es wieder werden würde. Wenn nicht, würde ich alles versuchen, damit es besser wurde. Wie üblich, wenn ich meinen Gedanken nachhing, und nicht mehr auf den Weg achtete, musste passieren, was passierte. Ich übersah einen Stein, der aus dem Boden hervor sah und stolperte. Doch nicht in der Art, dass man sich noch fangen konnte. Nein, es riss mich total aus dem Gleichgewicht, so dass ich mich ganz ungraziös auf die Nase legte. „Autsch...“ Vergessen war meine Umgebung, wer in der Nähe war oder das mich immer noch Cecils zauberhafte Stimme belagerte. Dennoch war mir die linke Seite der Kopfhörer rausgefallen, so dass ich ein Rascheln in meiner unmittelbarer Nähe wahrnehmen konnte. „Ist alles in Ordnung?“ Ich sah auf, als mir diese ruhige Stimme entgegenschlug und erkannte Masato, der mir seine Hand reichte, um mir aufzuhelfen. Ich nahm sie dankbar an und gewährte ihm mir aufzuhelfen. Er ließ meine Hand los, als er sicher war, dass ich sicher auf den Füßen stand und beobachtete mich, wie ich mir den Dreck von der Hose klopfte. „Danke. Ich bin momentan nicht ganz bei der Sache, egal was ich tue“, erklärte ich und seufzte. „Immer noch die Sache mit deiner Freundin?“ „Wir hatten heute ein Gespräch und haben versucht das ganze aus der Welt zu schaffen. Aber da ist noch mehr, was mir im Kopf herum schwirrt“, erklärte ich und versuchte dabei zu vermeiden, zu erwähnen, worum es genau ging. „Ich kenne jemanden, der dir vielleicht helfen kann, deine Gedanken zu ordnen.“ „Huh?“ Ich sah zu, wie Masato sein Handy zog und eine Nummer wählte. Verwundert darüber, was er tat, beobachtete ich ihn und lauschte, als scheinbar die Person am anderen Ende ran ging. „Kurosaki-senpai, Hijirikawa hier. Wir haben eine Herausforderung. Nein, es keine persönliche von Starish. Tailor-san hat sich mit einer Freundin zerstritten und das scheint ihr schwer in Gedanken umher zu gehen. Warum dich? Vielleicht, weil du eine ähnliche Situation hattest... Ich... Du willst mit Tailor-san reden? Ja, ich reich sie dir.“ Ich bekam nur Bruchstücke von dem Gespräch mit, dass Masato wohl mit Ranmaru führte. Zumindest konnte ich mir anhand von Masatos Worten nur zu gut vorstellen, wie das Gespräch wohl lief. Dennoch reichte mir Masato sein Handy. Ich wusste ehrlich nicht, was ich mit Ranmaru besprechen sollte, doch ich wollte seine Bemühung seinen Senpai kontaktiert zu haben, nicht umsonst gewesen sein. „Tailor hier. Kurosaki-senpai, es tut mir wirklich leid da-“ „Du solltest dir nicht zu viele Gedanken darum machen, ob die Probleme mit deiner Freundin sich klären und dich auf deine Arbeit konzentrieren. Denn sonst leidet deine Musik darunter.“ Ich stockte, da Ranmaru mir nicht wirklich die Chance gab, mich zu rechtfertigen oder dafür zu entschuldigen, dass Masato ihn wahrscheinlich bei seiner Arbeit störte. „Uhm, es ist nicht nur Sumire. Es geht auch um ein anderes Idol, dass mich ziemlich in die Ecke drängt. Damals in der Schule wie auch heute. Ich weiß nicht so recht, wie ich mit der Situation umgehen soll, zumal er jemand ist, der sich nimmt was er will und dafür zu allen Mitteln greift. Ich habe einfach Sorge, dass ich anderen damit schade, dass ich nicht einfach nachgebe. Damals habe ich das mit Hiroki und Mira schon durchgemacht und-“ „Du bist nicht die Einzige die entscheidet, ob es den anderen schadet. Wenn du so wenig vertrauen in deine Arbeit und die anderer hast, wäre es vielleicht besser, wenn du aufgibst. Oder ihn konfrontierst und sagst, dass du das nicht mit dir machen lässt.“ Ranmarus Worte glichen einer Standpauke, doch er hatte Recht und das wusste ich. Dennoch schrie alles in mir danach, seinen Rat zu folgen. „Ich bin nicht wie du, Kurosaki-senpai. Ich kann niemanden konfrontieren, der alle Stricke in der Hand hält und weiß wie man alle um sich herum manipuliert. Aber ich kann auch nicht die Musik aufgeben.“ „Dann konfrontiere ihn auf einer Ebene, auf der er dich und andere nicht manipulieren kann. Mach einfach deinen Job.“ Es waren die letzten Worte, die er mir sagte, bevor er auflegte und damit auf seine Weise deutlich machte, dass dieses Gespräch vorbei war. Ich seufzte aber nur und schüttelte den Kopf, während ich Masato sein Handy zurückgab. „War das nicht hilfreich?“ „Zumindest hat er mir nichts gesagt, was ich nicht schon irgendwie wusste. Ich denke aber nun, ich weiß was ich tun muss.“ „Und was?“ „Ich muss einen Song für Heavens schreiben. Ich glaube ich weiß was Shions Stimme ist.“ „Und deine Freundin... oder die andere Person?“ „Es bringt für den Moment nichts zu viel darüber nachzudenken. Sumire und ich... das wird schon. Was die andere Person angeht... Sagen wir es so, Musik ist der einzige Angriff um ihm zu sagen, dass ich seine Konfrontation nicht fürchte.“ Ich versuchte zu lächeln. Auch wenn ich nicht wusste was noch vor mir lag. Chiron war stur und durchtrieben, doch ich war ebenfalls ein Dickkopf und genau das war meine Stärke. Denn nur dadurch konnte ich in kurzer Zeit einen Song komponieren, den wahrscheinlich kein anderer komponieren konnte. Weder Haruka, noch sonst eine Person. Kapitel 9: Between the fun -------------------------- Ich hielt die Songs umklammert, als wären sie eine Rettungsleine, die mich vor dem unvermeidbaren bewahren konnten. Die Meinung der Jungs. Die ganze Nacht hatte ich daran gearbeitet. Und keiner gefiel mir so recht. Sie hatten alle irgendwie einen gewissen Charme. Schlecht waren sie auch nicht, und für die Werbung hätte man sie sicher nehmen können, doch es fühlte sich nicht wie ein gemeinsamer Song für die drei Jungs an, sondern wie einzelne Singles. Ich war mir sicher, dass sie das merken würden und doch wollte ich es ihnen zeigen, denn sonst hätte es sich nur angefühlt, als hätte ich meine Zeit am Abend irgendwie verschwendet. Immerhin konnte ich ihnen so zeigen, was für Instrumente ich im Sinn hatte und wer wusste schon, vielleicht konnte ich doch noch den ein oder anderen Tipp finden, der zur Erschaffung des endgültigen Songs führen würde. Ich wollte Kira, Shion und Nagi unter keinen Umständen enttäuschen, doch gerade fürchtete ich, dass es passieren würde. Wie schon die Tage zuvor wartete ich unten am Haupteingang. Der Termin war festgelegt gewesen, nachdem sie mir eine SMS geschrieben hatten. Wie üblich war ich zu früh und nutzte die Chance noch einmal über die Songs zu gucken. Wahrscheinlich starb die Hoffnung wirklich zuletzt. Irgendwie wollte ich, dass mir noch das Fünkchen in den Sinn gab, dass einen dieser Songs zu etwas atemberaubendes, überraschendes machen würde. „Wie ich sehe, bist du früh dran. Das gefällt mir.“ Ich hatte gerade den ersten Song in Begutachtung genommen, als eine vertraute Stimme aus der Richtung des Fahrstuhls kam. Er war der letzte, mit dem ich heute gerechnet hatte und doch stand er gerade live und Farbe vor mir. Eiichi Otori, der größte Idiot den Heavens haben konnte. Und gleichzeitig mein Lieblingsidiot. „Otori-san, oder soll ich dich Orpheus-sama nennen?“ Ich konnte mich nicht beherrschen ihm so eine Begrüßung zugute kommen zu lassen. Wahrscheinlich lag das an seinem Charakter, der manchmal seltsam war. Aber irgendwie auch liebevoll. Auf seine Art und Weise. Er lachte und es war keinesfalls ein belustigtes, sondern eines, dass deutlich zeigte, dass ihm diese Art von Begegnung gut gefiel. „Hervorragend! Dann war das zum Event nicht nur Show. Das gefällt mir. Komm mit, die Anderen warten auf dich.“ Mit seinem selbstgefälligen Grinsen wandte sich Eiichi von mir ab und betrat den Fahrstuhl. Ich folgte ihm und musste gestehen, dass mir nicht ganz wohl bei der Sache war. Alleine mit Eiichi in geschlossenen vier Wänden war eine genauso gute Idee wie in ein Fass voller Sprengstoff zu steigen. „Der Song, ist fertig geworden? Kira hat erzählt, dass du gestern nicht ganz bei der Sache warst, wegen diesem Chiron.“ „Naja ich hab drei Rohfassungen fertig. Dennoch fehlt dem Endergebnis sicher viel Arbeit.“ Ich hatte bemerkt, wie Eiichis Blick sich seitlich zu mir gewandt hatte, als er Chiron erwähnt hatte. Doch ich versuchte tunlichst, dieses Thema zu vermeiden, damit es mich nicht erneut herunter zog. Ich hatte mir geschworen, dieses Problem mit den gestohlenen Songs zu ignorieren, indem ich einfach bessere Songs als damals schrieb. Das musste doch möglich sein, immerhin hatte ich im letzten Jahr praktisch noch viel mehr gelernt. „Wir sind da.“ Mit einer Handbewegung machte mir Eiichi klar, dass er mir den Vortritt ließ. Alles in allem konnte er ja doch ein Gentlemen sein. Auch wenn er sicher unangenehm werden konnte, mit seinem Ego und seinem Wissen. „Danke.“ Ich verließ den Fahrstuhl als erstes und erkannte im Wohnzimmer, wie am Tag zuvor, die drei Mitglieder von Heavens, die sicher einen tollen Song erwarteten. Der Fluchtgedanke war wieder da, doch ich konnte nicht fliehen. Hinter mir stand Eiichi und die Jungs vor mir hatten mich bemerkt. „Guten Tag!“ Ich näherte mich den Drein und sah, dass Kira mich mit einem Nicken begrüßte. Shion hingegen erwiderte meine Begrüßung mit einem Lächeln. Nagi allerdings erblickte sofort den Ordner in meiner Hand und zeigte auf diesen. „Ist da der Song drin?“ Ich nickte und näherte mich ihnen, wobei ich noch während des Gehens die drei Songs hervorzog und jeden einen hinlegte. „Das sind drei Rohformen. Ich konnte mich für keinen entscheiden. Das sind bisher die besten Versionen, die ich zustande gebracht habe. Ich habe natürlich auch eure Wünsche respektiert, was die Instrumente angeht un-“ „Stopp. Bevor wir uns in die Arbeit stürzen, wollten wir wissen, wie es dir geht?“ Es war Shion der mich unterbrach. Keiner von ihnen hatte die Songs auch nur angesehen, stattdessen sahen sie auf mich. „Uhm... Ja, es geht wieder etwas besser. Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Dennoch danke.“ Ich lächelte und verwies mit einem Kopfnicken zu den Songs. Dieses Mal, nahmen die Jungs den Wink wahr und blickten auf die Lieder, wobei ich sah, dass Eiichi an mir vorbei ging und sich selbst zu jedem Mitglied gesellte und selbst einen Blick auf die Songs zu werfen. Das war irgendwie klar. Er wollte für Heavens nur das Beste und sah das wahrscheinlich auch als seine Verantwortung als Leader. „Ich dachte mir eine Okarina als Shions Stimme würde gut passen. Sie hat etwas mystisches und geheimnisvolles an sich. Ich denke, dass passt auch gut zum Konzept der Backmischung, immerhin weiß man nicht, was man daraus zaubern kann.“ „Das passt wirklich. Ich mag die Melodie, aber... es fühlt sich an, als wären Kira und Nagi außen vor.“ „Dasselbe kann ich über dieses Lied sagen. Es fehlt irgendwie Nagi und Shions Stimme.“ „He? Bei euch auch. In dem hier fehlen Shions und Kira.“ „Ich weiß. Das ist das Problem. Ich habe Probleme damit irgendwie alles in Harmonie zu bringen. Es scheint irgendwie nicht zu passen.“ Ich sah zu den Jungs und dachte selbst darüber nach, wie man eine gemeinsame Harmonie schaffen konnte. Es war nicht leicht, allein schon weil die Jungs unterschiedlich waren. Noch dazu ging es hier um eine Backmischung oder eher ums Backen. Da einen Heavens-Song zu schreiben, war nicht einfach. „Unsinn... Erkläre mir, wie das sein kann?“ Verwundert sah ich zu Eiichi, der die Arme verschränkte und alles andere als erfreut schien. „Otori-san?“ „Was ist das hier? Die Songs sind okay, aber die Songs sind nicht du. Wie kann es sein, dass dir so eine Kleinigkeit solche Probleme bereitet, wenn du innerhalb kürzester Zeit einen kompletten Song geschrieben und vor Publikum vortragen konntest? Diese Songs sind nicht das, was du wirklich kannst. Was ist also los? Was hemmt dich?“ Ich seufzte und rieb mir mit der Hand über die Augen. Ehrlich gesagt, hätte ich wohl damit rechnen müssen, dass besonders Eiichi es merkte, wenn etwas nicht stimmte. „Chiron hat damit etwas zu tun, oder?“, fragte Kira und unterstützte damit seinen Leader, dessen Blick immer bohrender wurde. „Es ist also, so offensichtlich? Das Chiron der Grund dafür ist?“ „Laut Nagi verhältst du dich so seit gestern. Als du Chirons neuen Song gehört hast. Es muss also mit diesem Song zu tun haben.“ Was anderes hätte ich von Eiichi wohl nicht erwarten sollen. Er hatte damals bei Otoya bemerkt, dass in seinem Inneren eine Dunkelheit lebte und wahrscheinlich ahnte er indirekt auch, was für ein Geheimnis ich mit Chiron teilte. Um mir also seelische Qualen zu ersparen, war es wohl besser, wenn ich mit der Sprache raus rückte. „Du musst dir keine Sorgen machen. Er hat uns herausgefordert, aber er wird es nicht so einfach haben.“ „Darum geht es nicht einmal. Ja, Chiron fordert euch alle heraus. Aber dieser Song... Ich hab ihn geschrieben. Damals in Shinings Schule. Und es ist nicht einmal so, als hätte ich ihm diesen Song gegeben. Er hat ihn mir zusammen mit anderen Songs gestohlen und es auch nicht das erste Mal, dass ich erleben muss, wie er das abzieht. Schon in der Schule, vor unserem Abschluss hat er mir den Song für Mira und Hiroki gestohlen. Ich hatte danach nur noch zwei Wochen Zeit um einen neuen Song zu schreiben. Es wäre beinahe alles schief gegangen. Und das hat er nur getan, weil ich nicht für ihn schreiben wollte. Genauso macht er das jetzt nur, weil ich sein Angebot ausgeschlagen habe. Er ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Sumire und ich Streit haben. Ich vermute, dass er die Presse informiert hat und das wurmt mich. Ich weiß, dass er durchtrieben ist, dass er zu jedem miesen Trick greift und ich weiß nicht, was er noch abziehen wird um zu erreichen, was er will.“ Es war raus und irgendwie war ich erleichtert, denn nun machte mein Verhalten nicht nur für mich Sinn. „Das ist wirklich verabscheuungswürdig. Jemanden seine Arbeit zu stehlen und dann auch noch so einzusetzen, dass man keine Chance hat. Erenya, wenn er weitere Dinge tut, die dein Herz bedrücken, zögere nicht mit uns darüber zu sprechen. Du musst mit deinen Kummer nicht alleine bleiben und wenn du mit Starish nicht darüber reden kannst, weil sie dir nicht vertrauen, wir vertrauen in jeglicher Hinsicht und deswegen, schenke uns etwas von deinem.“ Eiichi hatte sich mir direkt gegenüber gestellt und sah auf mich hinab, was mir noch einmal verdeutlichte, wie winzig ich eigentlich war. Seine violettfarbenen Augen, sahen mich ernst an und doch lag da etwas aufrichtiges in ihnen. „Und wenn Chiron öffentlich macht, dass ich diesen Song geschrieben habe? Was wenn ich Heavens damit schade. Ihr bemüht euch so sehr und dann kann so etwas...“ Eiichi legte seine Hand auf meinen Kopf und wuschelte mir behutsam durchs Haar. Ich war so überrascht von dieser Tat, dass ich inmitten meines Satzes inne hielt. „Du bemühst dich auch. Für uns, für Starish, für Haruka und auch für unsere Fans. Wir werden dich also keinesfalls fallen lassen. Wir glauben an dich und an dein Talent. Selbst jetzt, habe ich festes Vertrauen darin, dass du dieses Lied schreiben kannst. Selbst wenn es unharmonisch klingt und nichts zu passen scheint, du wirst es schaffen. Und dann überlass den Rest uns, wir lassen dich nicht im Stich.“ „Aber... was soll ich tun... wie kann ich...“ „Wie du dafür sorgen kannst, dass Chirons Song, der ebenfalls deiner ist und wirklich gut geschrieben, unsere nicht in den Schatten stellt?“ Ich nickte, als Nagi meine Gedanken vervollständigte. Doch das jüngste Idol lächelte süßlich diabolisch. „Schreib einfach bessere. Du hast es schon einmal geschafft und du wärst heute nicht hier, wenn du nicht das Talent dazu hättest. Raging Otori würde es nicht erlauben, dass nur die zweite Wahl Songs für uns schreibt. Er will immer noch den Sieg über Shining Saotome, also ist nur das Beste gut genug. Und Eiichi hat ja schon getestet, ob du das Beste bist. Also mach dir keine Gedanken. Es ist wie Eiichi sagt, mach einfach das, was du kannst und wir werden danach alles tun, damit deine Arbeit uns gut in Szene setzte und von allen gehört wird.“ Es klang so leicht was Nagi sagte und im Prinzip war es genau derselbe Tipp, den mir Ranmaru schon am Vorabend gegeben hatte. Es gab keine Möglichkeit Chiron anders zu konfrontieren. Außer diesen Song schreiben. Dennoch waren da noch die Sorgen darüber was Chiron tun würde. Aber... ich war nicht allein. Heavens wusste nun die Wahrheit. Cecil wusste von den gestohlenen Songs und es gab noch andere Personen, die es verdient hatten, endgültig die Wahrheit zu erfahren. „Schon verstanden. Gebt mal her. Ich glaube ich weiß wie man es passend machen kann.“ „Das sind aber drei verschiedene Melodien. Wie willst du das passend machen?“ Shion sah ungläubig auf die Songs, während ich mich auf der Couch niederließ und aus meinem Ordner ein paar leere Partituren zog. Ich war erleichtert und mit dieser Last nicht mehr alleine zu sein. Noch dazu wusste ich, dass sie Recht hatten. „Ich lass euch dann mal arbeiten. Und, Engel...“ Ich sah zu Eiichi, der mir scheinbar noch etwas zu sagen hatte, obwohl ich geistig schon im Arbeitsmodus war. „Ich freu mich schon auf unsere nächste Begegnung.“ Er grinste selbstsicher und ich freute mich ehrlich über diese Worte. Sie hatten nichts endgültiges und sagten mir, dass Eiichi auch nach diesen Problemen vor hatte mich weiterhin als Heavens Komponistin zu akzeptieren. „Bis zum nächsten Mal, Orpheus-sama.“ Ich kicherte erleichtert und wandte mich kopfschüttelnd meiner Partitur zu, auf der ich die ersten Noten schrieb.   Es war später Abend, als ich im Master Course ankam. Der Song war noch nicht ganz fertig, aber er fühlte sich richtiger an, als seine drei Geschwister, die zwar, wie Eiichi festgestellt hatten, gut waren aber eben nicht Heavens-würdig. Bei dem neuen Song, fühlte es sich besser an. Aber noch nicht perfekt. Der Abend würde also wieder dafür drauf gehen, dass ich noch schreiben würde. Doch zuvor, wollte ich etwas tun, dass ich selbst schon lange nicht mehr getan hatte. „Nya-nya-chan!“ Meine Schritte hatten mich geradewegs in Richtung des Speisessaals geführt, durch den ich musste, wenn ich in die Küche wollte. Ich hatte die Tür nicht einmal einen Spalt weit geöffnet, als Mira mir entgegen sprang und mich umarmte. „Keine Sorge, ich bin bei dir. Wenn du weinen willst, tu es einfach. Ich trage gerade das Oberteil mit den Schulterpolstern.“ „Hä?“ Es war vielleicht nicht höflich meiner Verwirrung so Ausdruck zu verleihen, doch Mira war wirklich gut darin ohne Einleitung gleich mal mit der Tür ins Haus zu fallen und dabei so kryptisch zu wirken wie ein Rätsel der Sphinx. „Das Interview von Chiron. Ich hab es im Internet gelesen und... Er hat es wieder auf dich abgesehen, oder? Was hat er dieses Mal gemacht.“ Ich seufzte und drückte Mira sanft von mir, was echt nicht leicht war, da sie mich im liebevollen Würgegriff hatte. Doch ich schaffte es, irgendwie. „Wenn du mir beim Backen hilfst, erzähle ich dir alles. „ „Backen? In so einer Situation?“ „Gerade in so einer Situation sollte ich backen. Das lenkt mich ab, bringt mich auf andere Gedanken und andere haben was davon. Ich hab ein paar Backmischungen gekauft.“ „Also schön, aber du musst uns alles erzählen!“ „Uns?“ „Ja, ich hole Hiroki. Wir sind deine besten Freunde, also ist es doch nur verständlich, dass du ihm auch alles erzählst.“ Ich lächelte und nickte. Nachdem ich sowieso entschieden hatte, ihnen alles zu erzählen, war es doch nur selbstverständlich, dass ich Hiroki nun nicht aus diesem Geheimnis ausschloss.   Der Teig war zähflüssig genug, dass wusste ich, als ich kleine Muffinförmchen damit fühlte. Zum viertel zumindest. Ich setzte die Schüssel ab und nahm jene mit den Kirschen, die Hiroki entkernt hatte. „Chiron hat dir damals also nicht alle Songs wieder gegeben.“ „Nope. Ich hätte aber nicht gedacht, dass er diese Song noch verwendet.“ Erklärte ich Hiroki, der ein paar Orangen schälte, während Mira im Hintergrund die Sahne für das Topping schlug. „Der Moment ist wirklich zu ideal. Gerade jetzt.“ „Und weil gerade jetzt. Nya-nya-chans Name ist nun im Umlauf. Im Booklet steht er und damit steigt auch ihr Kurs. Sich jetzt mit ihr in irgendeiner Weise in Verbindung zu bringen, bringt ihn natürlich auch ins Gespräch.“ „Unglaublich, kluge Worte von dir Mira. Das ich das mal erlebe.“ „HEY!“ Ich kicherte, als Hiroki Mira liebevoll neckte und sie mit dem Schneebesen wedelte und sich so die Wange mit halb geschlagener Sahne bespritzte. Die beiden waren wirklich eine Wucht in solchen Momenten. „Sumire und Mikoto meinen ich soll ihn einfach lassen. Am Ende spiele ich ihn sonst noch in die Hände.“ „Sehe ich auch so. Er ist gut darin Menschen zu manipulieren. Und nur weil er jetzt eine Firma hinter sich hat, heißt es nicht, dass er damit durch kommt. Also, konzentriere dich einfach auf die Arbeit.“ „Oder auf das backen. Und erklär mir, was du mit dem Frischkäse und den Beeren vor hast. Das passt doch nicht.“ Angewidert sah Mira zu der Frischkäse-Creme, die ich mit Beeren und etwas Honig vermischt hatte. „Das ist eine Cremefüllung für die Torte, deren Böden gerade im Ofen backen.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das schmeckt. Frischkäse ist doch so... unsüß.“ „Schon mal süß und sauer gemixt. In Deutschland hat eine Freundin von mir Scheibenkäse und Marmelade zusammen gegessen. Ich dachte erst das ist eklig aber das schmeckt echt gut. Das Herbe vom Käse passt unglaublich gut zu süß. Und Frischkäse kann man doch auch als Buttersatz verwenden. Warum sollte es als Creme also nicht auch gut zu Früchten passen.“ „Ihr Deutschen seid echt seltsam.“ „An diesen Satz erinnere ich dich, wenn du die Torte fast alleine isst, Mira.“ Aus dem Hintergrund konnte ich Hiroki lachen hören. Es war eine Diskussion die wir auch schon in der Schule geführt hatten. „Außerdem ihr Japaner habt Meereseis. Wenn ich mir eure Eissorten ansehe, frage ich mich, wer seltsam ist.“ „Oi, nichts gegen Meereseis. Das Zeug ist lecker.“ „Dann eben Spinateis... oder Haifischeis... muss ich noch mehr aufzählen.“ „Okay, einige Sorten sind schon stark over the top. Und ja, ich werde wohl die Torte essen. Und wahrscheinlich wird sie auch schmecken. Es wäre nicht das erste Mal, dass du Dinge tust, die seltsam erscheinen aber einfach passen.“ „Oh, nenne mir nur ein einziges Mal, an dem ich etwas seltsames getan habe und dabei was gutes rauskam.“ „Unser Song“ „Unser Song“ Unisono antworteten Mira und Hiroki auf meine Frage und ich hob eine Augenbraue. Beide schienen sich ja wirklich einig zu sein, was das anging. „Inwiefern war das bitte seltsam?“ Das war eine Antwort, die mich doch nun sehr interessierte. Ich hatte immerhin nur einen Song geschrieben, den sie dringend benötigt hatten. „Aus verschiedenen Gründen. Du hast ihn um die Lyrics herum geschrieben, damit wir nicht mehr soviel lernen mussten. Du hast außerdem ein abgeändertes Intro von dem alten Song geschrieben. Und das wichtigste... Du hast einen Song geschrieben, der zu Mira und mir gepasst hat, obwohl wir verschieden sind.“ Ich blinzelte und sah zu den beiden. Irgendwie schien sich das Szenario von dem Tag bei Heavens zu wiederholen. „Zwei gegen einen ist unfair. Und das wisst ihr. Wie soll ich mich wehren?“ „Gar nicht. Genieß einfach das wohlverdiente Lob.“ Ich seufzte und schmiss erneut eine Kirsche in den viertel Teig. Irgendwie konnte ich mich heute wohl darauf verlassen, dass man mich mit Komplimenten in Verlegenheit brachte und vor allem damit, dass man mir zumutete, als ich es selbst tat. „Erzählt mal, wie sieht es bei euch aus? Wir scheinen immer nur über mich zu reden. Ich höre kaum noch etwas von euch.“ Ich gab mein bestes das Thema zu wechseln und musste noch während ich sprach selbst feststellen, dass meine Worte wahr waren. Ich wusste nichts mehr über Hiroki oder Mira und das alles hatte begonnen mit meiner Arbeit für das Charity-Event. „Nun, es ist nicht so spektakulär. Ich werde diesen Monat noch meine neue Single rausbringen. Wobei ich glaube, dass kaum einer darüber reden wird. Umso mehr wird es alle interessieren, dass ich in einem Film für Kinder die Hauptrolle bekommen habe. Und meine Sendung hat eine weitere Staffel genehmigt bekommen. Die Einschaltquoten sind auch weiterhin gut. In einer der nächsten Folgen habe ich sogar einen ganz besonderen Co-Star.“ Mira grinste bis über beide Ohren und ich ahnte fast schon, wer das sein würde. „Natsuki?“ „Nein, auch wenn er ein sehr beliebter Gast bei den Kindern ist. Es ist Nagi.“ Ich konnte mir das irgendwie nicht vorstellen. Nagi in einer Kindersendung? Aber okay, als jüngstes Mitglied würde das passen und ich war mir sicher, das Mira ihm die ein oder andere kindliche Seite hervor kitzeln würde. Diese Sendung musste ich unbedingt sehen, auch wenn ich dafür so früh wie noch nie aufstehen musste. „Heavens scheint nun wirklich überall zu sein. Dass sie bei Triple S nicht gewonnen haben, schadet ihnen nicht im geringsten“, merkte Hiroki an und schob sich ein Stück Apfelsine in den Mund. „Mich freut das total. Ich bin mir gespannt, dass wir mit Nag-chan viel Spaß haben werden.“ „Erzähl ihr doch mal von deiner anderen Rolle.“ Fragend sah ich zu Hiroki, der noch ein Stück Apfelsine nahm und es in die Richtung seiner Lippen führte. „Andere Rolle?“ „Oh ja, das Angebot kam erst vor kurzem. Während die nächste Staffel für meine Sendung vorbereitet wird, soll ich in einer Sendung mitspielen die für das Erwachsene Publikum ist. Es geht um eine Geheimagentin die zusammen mit ihrem Partner verschiedenen Schurken das Handwerk legt. Geplant ist nur eine Staffel dafür. Shining meint es sei eine gute Rolle für mich, damit ich auch mal was anderes mache außer Kindersendungen. Allerdings bin ich ehrlich unsicher.“ „Unsicher? Du? Komm schon Mira, nur weil es keine Rolle für eine Kindersendung ist, heißt es nicht, dass du das nicht kannst. Du bist tough und kreativ. Ich denke das sind genau die Eigenschaften die eine Geheimagentin braucht.“ „Ihr Problem ist, dass sie mit ihrem Partner einige Liebesszenen drehen muss.“ „Das ist eben gar nicht mein Image, Hi-chuu. Ich mache Unterhaltung für Kinder.“ „Wer ist eigentlich dein Partner?“ „Ca-chuu“ „Ca-chuu?“ Ich kniff die Augen zusammen und dachte darüber nach, wenn sie mit Ca-chuu meinen könnte? Mir fiel aber nichts ein. „Sie meint Camus von Quartet Night.“ „Oh. Dann verstehe ich das Problem. Es ist nicht mal, dass sie nicht in die Rolle passen könnte, sondern das sie glaubt Camus passt zu ihr nicht. Verstehe.“ „Er ist so ernst und immer soooooo vorbildlich vor der Kamera. Ohne Zweifel wird er kein Problem damit haben seine Rolle zu spielen. Aber ich weiß jetzt schon, dass er mich für jeden Fehler schelten wird.“ Ja, dass klang so ziemlich nach Camus. Allerdings glaubte irgendetwas in mir auch nicht, dass es so schlimm werden würde. „Sieh es nicht als Nachteil. Auch wenn Camus streng ist, er ist es nur weil er das beste in einem hervorbringen will. Du kannst in der Zeit viel von ihm lernen. Frag Cecil, er hat sich immerhin lange Zeit ein Zimmer mit ihm geteilt. Gib dem ganzen einfach eine Chance und gib dein bestes.“ Ich war beruhigt zu erfahren, dass ich immerhin nicht die einzige war, die Probleme hatte. Und genauso wie meine Freunde für mich da waren, so wollte ich auch für sie da sein und ihre Sorgen ein wenig schmälern. „Siehst du, Erenya sieht es nicht anders wie ich. Nutze diese Rolle als Chance um dich als Idol weiter zu entwickeln. Außerdem die Chance von einem so erfahrenen Senpai zu lernen hat man nicht alle Tage.“ „Sagt der, der Probleme damit hat diesen Song mit Kuro-chan zu singen.“ „Ein Duett? Und wer ist Kuro-chan?“ „Sie meint Ranmaru Kurosaki. Und ich habe kein Problem damit. Es ist nur... Obwohl wir beide zwar musikalisch dieselbe Richtung haben, habe ich das Gefühl, dass wir doch verschieden sind in unserer Art zu spielen.“ „Verschieden? Also in Anbetracht eures Backgrounds seid ihr schon verschieden. Aber der Grund warum ihr euch dem Rock verschrieben habt, scheint mir nicht so unterschiedlich zu sein. Außerdem glaube ich, dass eure Stimmen gut harmonieren können. Mit dem richtigen Song und euren Talent werdet ihr die Charts rocken.“ Ich lächelte Hiroki an und nahm ihm die Schüssel mit den Apfelsinenstückchen ab, in die er erneut gegriffen hatte. „Außerdem... Sei stolz darauf. Ranmaru war doch schon immer dein Vorbild. Es ist also für dich eine unglaubliche Chance mit ihm gemeinsam einen Song aufzunehmen und wer weiß, das führt vielleicht dazu, dass ihr ihn gemeinsam performen könnt. Wie auch schon Mira hast du damit die unglaubliche Chance viel von ihm zu lernen. Sowohl musikalisch also stilistisch.“ „Sag ich doch auch schon die ganze Zeit. Also Hi-chuu, machen wir einen Deal. Wenn ich mich der Agentenserie mit Camus stelle, wirst du den Song mit Ranmaru aufnehmen.“ Hiroki seufzte, nickte aber, was mich lächeln ließ. Wir alle hatten unser Päckchen zu tragen und dennoch stellten wir uns auf unsere Art und Weise den Herausforderungen.   Hiroki und Mira hatten sich am späten Abend von mir verabschiedet. Im Gegensatz zu mir, mussten sie am Morgen früh raus. Ich hingegen musste nur noch den Song schreiben und das konnte ich auch, während die Torte im Ofen vor sich hin entwickelte. Mein Handy war dafür geeignet genug. Noch dazu, hatte mir das Gespräch mit Mira und Hiroki geholfen einiges zu verstehen, etwas, dass ich vollkommen vergessen hatte, weil Chiron mich aus dem Takt gebracht hatte. Und nach all den Gesprächen mit Heavens und Mira und Hiroki hatte ich wieder Stückweit in meinen Rhythmus gefunden. Ich wusste, dass nur noch ein kleines Müh fehlte, um diesen Song der meine Aufgabe war, den letzten Touch zu verleihen. Ich tippte auf den Tasten des Displays und spielte Noten, die alles andere als zusammenhingen. Es half mir meist den Kopf frei zu bekommen und anhand einer Note die Melodie zu hören, die helfen konnte. Mein Vorhaben wurde aber je gestört, als ich eine SMS erhielt. Verwundert, wer mir um diese Zeit schrieb, öffnete ich sie und mein Herz schien zum zweiten Mal in meinem Leben hier still zu stehen. Genauso wie die Zeit selbst. Immer langsam, ich verstehe nicht was los ist? Wo bist du? Ich kann dich nicht anrufen. Womit geht es bergauf? Und warum hast du mir so viele SMS geschrieben? Shicchi. Ein zweites Mal bekam ich eine SMS aus meiner Welt. Und mir war klar, dass Shicchi verwirrt sein musste. Ich wäre es an ihrer Stelle wohl auch gewesen. Immerhin war ich erleichtert, dass meine Nachrichten wohl doch zu ihr durchkamen. Die Frage war nur warum und vor allem wie? Obwohl die Neugier groß war, entschied ich mich eine weitere SMS an sie zu schreiben. Wenn es wie das letzte Mal lief, würde ich keinen Anruf bekommen. Soviel stand fest. Das ist wirklich schwer zu erklären. Aber ich vermisse dich und ich bin froh nochmal von dir zu hören. Ich würde gerne deine Stimme hören, doch das wird wohl nicht klappen. Auslandsgespräche sind teuer. XD Ich versuchte das ganze etwas herunter zu spielen. Wenn sie das nächste Mal eine Nachricht von mir bekommen würde, würde sie das sicherlich irgendwie beruhigen. Auch wenn sie mich indirekt vielleicht für verrückt erklären würde. Ich wollte gerade zurück in die App, als mein Handy klingelte und ich Shicchis Avatar-Bildchen im Display sah. Ein Anruf von Shicchi. Ich wusste nicht wie mir geschah, aber mir klopfte das Herz bis zum Hals und ich war hin und her gerissen. Sollte ich annehmen? Sollte ich nicht annehmen? Galt das dann als Auslandsgespräch? Es dauerte einige Sekunden, bis ich aus dem Bauchgefühl heraus, einfach das Gespräch annahm. „Was soll das heißen, Auslandsgespräche sind teuer? Wo bist du? Du hast mir das noch immer nicht gesagt.“ Mein Herz machte einen Hüpfer, als ich Shicchis vertraute Stimme hörte. Ich war so froh darüber, auch wenn sie mir gleich eine Standpauke hielt. „Wie schon gesagt, dass ist schwer zu erklären. Und es ist schön dich wieder zu hören. Das letzte Mal ist eine Ewigkeit her.“ „Eine Ewigkeit? Es sind gerade mal drei Stunden seit unserem letzten Gespräch vergangen? Bist du Zuhause?“ „Irgendwie.“ „Was heißt hier irgendwie? Eri, jetzt ernsthaft, sag schon was los ist? Arbeitest du an einem neuen MSP? Was haben deine Nachrichten zu bedeuten?“ Ich schwieg und wusste nicht so recht wie ich das Shicchi erklären sollte. Es klang einfach zu unglaubwürdig. Allerdings war Shicchi meine beste Freundin und würde mir doch glauben, oder? „Nun ja... wäre das ein MSP wäre ich wohl darin gefangen. Seit zwei Jahren. Und ich würde dann gerade vor einigen Differenzen stehen. Das übliche halt. Ich müsste dann einen Song für eine Backmischung-Werbung machen. Und in der Werbung würden dann Kira, Shion und Nagi spielen und ich hab keine Ahnung wie ich das passend machen soll. Ich hab zwar drei Songs, aber die sind nicht wirklich unglaublich und ich muss das in vier Tagen schaffen, aber von Grundauf was neues zu komponieren ist einfach nicht drin.“ Ich hörte am anderen Ende ein Seufzen und fragte mich ob Shicchi mich nun für komplett verrückt erklärte. „Seit unserem MSP weiß ich, dass du es hasst Dinge umzuschreiben oder komplett neu zu machen. Egal wofür du dich entscheidest, das wird ganz pornös. Und von Grundauf musst du es ja auch nicht schreiben. Wenn du bereits weißt, dass die anderen drei Songs gut sind, warum nimmst du dann nicht von jedem etwas?“ „Aber das passt nicht. Sie sind so verschieden. Ich weiß nicht ob ich daraus etwas pornöses machen kann.“ „Du hast mir an einem Tag 10.000 Wörter vor dem Latz geknallt. Und der Inhalt war gewohnt gut. Warum solltest du das also nicht schaffen? Oder viel mehr dein Fanfiction-Ich? Wenn du etwas Abstand nimmst, fällt dir sicher etwas ein.“ Ich ließ mir Shicchis Worte durch den Kopf gehen. Wenn es ums Geschichten schreiben ging, hatte ich vielleicht hin und wieder mal eine Inspiration, aber komponieren war so anders. Nur wie konnte ich das Shicchi klar machen. „Du hast mir dennoch nicht meine Fragen beantwortet und lenkst wieder ab.“ „Welche Frage?“ „Wo du gerade bist? Und vor allem was los ist? So sehr kann dich ein MSP gar nicht in die Verzweiflung treiben, schon gar nicht wenn es neu ist. Deine SMS beinhalten aber Stoff für mehrere Kapitel.“ „Es ist kompliziert und eigentlich vollkommen unglaubwürdig. Aber ich bin wirklich froh dich nach so langer Zeit zu hören.“ „Maus, muss ich mir Sorgen machen, wenn ein paar Stunden eine lange Zeit für dich sind? Gibt es da wieder etwas, dass du mir nicht erzählt hast? Du weißt, du kannst mir erzählen, wenn dich etwas bedrückt.“ Es war wirklich seltsam, aber nicht ungewohnt. Ich hatte die Chance mit Shicchi zu reden und statt über mein Hauptproblem zu reden, schilderte ich nur die kleinen Dingen und schwieg die großen aus. Wahrscheinlich, weil es eigentlich immer die selben Dinge waren und ich Angst hatte, dass mich Shicchi irgendwann leid wurde. „Alles okay. Mach dir keine Sorgen.“ „Du weißt, nur weil du das sagst, mache ich mir nicht weniger. Noch dazu wenn ich weiß, dass eben nicht alles okay ist. Deine SMS zeigen das eindeutig. Irgendetwas verheimlichst du mir.“ „Nicht wirklich. Ich hab dir alles geschrieben und... Darf ich dir weiter schreiben?“ Irgendwie war das meine einzige Sorge. Shicchi nicht mehr schreiben zu dürfen. Ihr nicht mehr berichten zu können was mich bewegte. „Du kannst mich auch anrufen.“ „Das wird wie schon erwähnt schwer. Ich bin ehrlich sogar verwundert, dass wir gerade jetzt reden können. Ich frage mich, wie das in der Rechnung aussieht. Gilt das als Auslandsgespräch?“ „Gera gilt mit Sicherheit nicht als Ausland, nur weil ich umgezogen bin.“ „Das meine ich nicht. Stell dir vor in deinem MSP würdest du mit mir telefonieren können. Von der Welt, in der du dich gerade befindest. Wie würde das berechnet?“ „Vielleicht wie ein Auslandsgespräch... ich glaube kaum, dass es für Dimensionsübergreifende Gespräche eine Tarif gibt. Oder deckt Vodafone das seit neusten ab?“ „Nicht das ich wüsste. Ich bin aber schon zu lange aus der Materie raus.“ Ich musste über diesen Gedanken lachen, denn es war einfach nur hochgradig albern. „Dennoch, dass ist ein interessanter Gedanke, den man sicher gut in einer FF unterbringen könnte. Wir könnten das auch als Aufgabe für das Projekt nehmen.“ „Ich glaube nicht, dass jemand einen Weblogeintrag über Dimensionsübergreifende Gespräche mit dem Handy schreiben will.“ „Wer sagt, dass es nur mit dem Handy ist. Stell dir mal vor, du würdest plötzlich eine E-Mail bekommen, oder einen Brief. So ganz normal wie es in deiner Welt wäre. Was würde das bedeuten? Hieße das, die Person die dich kontaktiert in derselben Welt wäre? Das sind doch interessante Fragen die man aufarbeiten kann. Das wäre sicher interessant zu lesen, was die anderen dazu denken.“ Da waren wir wieder. In einem typischen Gespräch, dass ich nur mit Shicchi führen konnte. Ungezügelt, ohne ein festes Thema. Und wenn wir eines hatten, wechselte sich das schneller als ein Womanizer seine Unterwäsche. „Was meinst du, wie könnte so eine Verbindung entstehen? Ich meine es muss ja eine geben, damit Kommunikation möglich ist?“, fragte ich. Es war wirklich ein Gedanke, der mich seit dem ersten Mal beschäftigte und Shicchi war genau die richtige so etwas aus Sicht eines Autoren zu betrachten. „Vielleicht ist irgendeine Bedienung erfüllt wurden und diese Art der Kommunikation ist eine Belohnung.“ „Dazu müssten dann aber immer wieder in gewisser Weise dieselben Bedienungen erfüllt sein. Z.b. das bestehen einer Herausforderung.“ „Das liegt im Ermessen der Gottheit würde ich sagen?“ „Und wenn es keine Gottheit gäbe? Woran würde sich das dann richten?“ „Kommt auf das Fandom an.“ „Nehmen wir Uta Pri als Beispiel?“ „Nun da könnte man ja auf das Spiel referieren. Cecils Route war mit Seth ja doch mystischer. Vielleicht ließe es sich mit schwächer werdender Magie erklären? Mh... das ist schwer. Aber Broccoli würde da sicher etwas einfallen, dass jeglicher Logik widerspricht.“ „Darin sind Broccoli Meister.“ „Idea Factory aber auch. Da nehmen sich beide manchmal nicht viel.“ „Wobei Idea Factory noch etwas logischer ist, was seine Storys angeht.“ „Ja a-“ Shicchi brach mitten im Satz ab. Gerade hatte ich alles um mich herum vergessen, doch dieses abrupte Ende holte mich in meine Realität zurück. „Shicchi? Hey!“ Keine Antwort, einfach nur Stille. Ich sah auf das Display meines Handys, welches sich verfinstert hatte. Nervös drückte ich auf den Homebutton. Keine Reaktion. Scheinbar war mein Handy vollkommen leer gelutscht. Es grenzte schon an ein Wunder, dass es überhaupt so lange durchhielt, nachdem ich es für fast alles benutzte. Schreiben, Komponieren, spielen, telefonieren... Dennoch, Wehmut machte sich breit. Ich hatte mit Shicchi gesprochen und wer wusste schon, wann das wieder passieren würde. Vermutlich war dies meine letzte Chance gewesen mit ihr zu reden, auch wenn es nicht einmal direkt meine Probleme betraf. Aber es tat mir immer gut, in schwierigen Zeiten ihre Stimme zu hören. Noch dazu, hatte es auf einmal Klick gemacht. Ich wusste, was für einen Song ich für die drei Jungs und Strawberry Angel schreiben wollte.   **~~**   Ich lauschte dem Lied, welches ich in der Nachtschicht komponiert hatte, während ich müde gähnend Teile des Kuchens in Kartons packte. Ich hatte versucht alles fair zu teilen, so dass wirklich jeder von dieser Backkunst probieren konnte. Mein Tag war dahingehend also vollgepackt. Erst würde ich Heavens besuchen, den Song und ein paar Überraschungen abgeben, danach musste ich zu Saotome, zumindest hatte er mir früh am Morgen eine Nachricht geschickt, die mir mitteilte, dass er mich sprechen wollte. Auf dem Rückweg konnte ich dann vielleicht noch ein Kuchenpäckchen bei Quartet Night abgeben. Immerhin war einer der Angestellten hier so freundlich und hatte mir mitgeteilt, wo die vier nun wohnten. Ob das noch unter Datenschutz fiel und legitim war, war mir aber egal. Es ging hier ja nur um Kuchen. Ich gab mir Mühe die Kuchen anständig zu arrangieren. Immerhin aß das Auge ja mit und ich wollte mein bestes geben um es so ansprechend wie möglich zu gestalten. Es war das letzte Stück Kuchen, dass ich in den letzten Karton räumte. Ich band nur noch eine Schleife darum und hing das Zettelchen dran, was deutlich verkündete, dass dieser Kuchen für Mira und Hiroki war. Ein weiterer stand dort für Starish. Stolz betrachtete ich die Kartons, als mein Handy klingelte. Sofort griff ich danach, bemerkte aber enttäuscht, dass es nicht Shicchi war, die ein zweites Mal glorreich einen überdimensionalen Anruf getätigt hatte. „Tailor hier.“ „Miss Tailor, entschuldigen Sie die frühe Störung. Ich weiß, dass Sie momentan noch mit ihrem aktuellen Auftrag beschäftigt sind und unser Treffen erst am Nachmittag ist, aber ich denke es ist wichtig, dass wir uns doch schon zeitiger treffen. Ein Fahrer wird sie ins Büro bringen. Machen sie sich bitte fertig.“ Wie üblich hatte sich Saotome kurz gefasst und das Gespräch beendet. Doch ich fragte mich, was so dringend war, dass Saotome das Treffen vorverlegt hatte. In der Regel geschah das selten bis nie. Aber nun fragte ich mich, ob das irgendetwas zu bedeuten hatte. Ich seufzte leise und nahm die Kartons mit dem Kuchen für Quartet Night und Heavens. Mein Plan hatte sich damit verschoben, weswegen ich eine SMS an Kira sandte. Ich musste sie immerhin informieren, dass ich mich wahrscheinlich etwas verspätete und hoffte, dass es mit ihrem Terminkalender kombinierbar waren. Da ich den Fahrer nicht lange warten lassen wollte, ging ich in mein Zimmer und packte schnell das Wichtigste ein. Schon jetzt fühlte ich mich gestreßt und dabei hatte der Tag noch nicht einmal richtig begonnen.   Es war gerade mal eine Stunde vergangen und schon saß ich im Büro von Shining vor eben jenen, der seinen Kopf auf seine Hände abstützte. Vor ihm lagen zwei Briefumschläge auf dem Tische, welche gar nicht ins Bild passten und die Neugier in mir weckten. Ich hätte nur zu gerne gewusst was sich darin befand. „Miss Tailor, es wird sie sicher freuen, dass ich bereits den nächsten Auftrag für sie habe.“ Verwundert sah ich zu Shining an. Es schien nun wieder alles so zu sein wie vorher. Kaum dass eine Arbeit beendet war, hatte ich die nächste. Ich war froh darüber, Heavens Song fertig zu haben, denn so konnte ich mir direkt an das nächste Projekt wagen, von dem ich ehrlich gespannt war, worum es gehen würde. „But... Mister Chiron gat für großen Trubel mit seinem Interview gesorgt. Vor allem auch in Bezug auf sie, Miss Tailor. Die Credits sind nun öffentlich und jeder weiß, dass Sie den Song geschrieben haben. Wie ich Masamune einschätze, wird er diese Informationen nutzen um auch Mister Chiron zu promoten.“ Ich seufzte leise und sah auf meine Hände. Ich wusste zwar, dass ich nicht alleine war, aber nur weil man nicht alleine war, hieß es nicht, dass man alles ertragen konnte. Und ich wusste nicht, wie lange ich das durchhalten würde. „Miss Tailor, Es wird eine harte Zeit auf uns alle zukommen. Sie werden alle Kraft brauchen, die Sie aufbringen können und deswegen schlage ich vor, dass Sie einen Kurzurlaub machen.“ „Jetzt? Gerade jetzt sollte ich nicht gerade einen Kurzurlaub machen.“ „Option number two... Sie machen eine Dienstreise. Sie haben die Wahl, Miss Tailor.“ Während er sprach, schob er die beiden Briefumschläge vor sich näher zu mir. „Hier werden sie alles finden, was sie für ihren Kurzurlaub brauchen. Und in diesem Umschlag finden sie alle wichtigen Informationen für ihre Dienstreise.“ Ich sah fragend auf beide Umschläge und überlegte. Was war mir lieber? Ein durchgeplanter Urlaub, bei dem ich nicht tun durfte was ich wollte, oder eine Dienstreise, die wahrscheinlich auch ein Urlaub hätte sein können? „Allerdings!“ Ich horchte auf und sah zu Shining, der scheinbar immer noch das ein oder andere Ass im Ärmel hatte und es mir nun verkünden würde. „Vor Antritt des Urlaubs und der Reise werden Sie ihr Smartphone abgeben. Sie sollten diese Zeit nutzen um etwas Abstand von den Medien zu bekommen. Außerdem dürfen Sie zwei Sachen bestimmen, die nicht auf den Listen stehen, die sie gerne mitnehmen würden.“ Shining lehnte sich zurück, nachdem er gesagt hatte, was er zu sagen hatte und beobachtete mich. Ich konnte seine Beweggründe schon verstehen und wahrscheinlich war selbst die Dienstreise mehr Urlaub als wirklich dienstlich. Er wollte also, dass ich etwas Abstand gewann und wahrscheinlich war das wirklich gut Abstand von den Medien zu bekommen. In meinem Zimmer hätte ich das nicht bekommen, ebenso wenig mit dem Smartphone. Auch wenn an diesem mehr hing, als nur die Möglichkeit Informationen aus dem Internet zu beziehen. Und wenn ich wirklich Abstand nehmen wollte, war der Urlaub wohl doch die bessere Alternative. Hatte ich mir nicht sogar vor einigen Tagen noch Urlaub gewünscht? Warum also diesen abschlagen, wenn Shining ihn schon so gönnerhaft verschenkte? Ich dachte nicht lange darüber nach und zog den Briefumschlag, der für den Kurzurlaub stand, näher zu mir heran. „Und der neue Auftrag?“ „Don't worry. Der Auftrag kann noch bis nach dem Urlaub warten. Sie sollten sich jetzt darum kümmern die Anweisungen im Brief zum erfüllen. Ich denke das wird Sie heute noch den ganzen Tag beschäftigen.“ Er drehte sich in seinem Stuhl um, so dass er aus dem Fenster sah, was ein deutliches Zeichen für mich war, dass er dieses Gespräch als beendet sah. „Dann... Danke“, antwortete ich und packte den Briefumschlag in meine Tasche, bevor ich das Büro meines Bosses verließ.   Es war also der letzte Tag mit meinem Handy, vor meinem Urlaub. Soviel stand fest. Und ich musste diesen Tag noch nutzen. Ohne darüber nachzudenken, suchte ich wieder Shicchis Kontakt und schrieb eine SMS. Sorry wegen gestern. Akku war leer. Ich stockte und sah auf die ersten Worte. Es waren sicherlich wieder nur ein paar Minuten oder Sekunden in meiner Welt vergangen. Sicher würde das „Wegen Gestern“ Shicchi verwirren. Aber es war ja auch nicht gelogen. Ich werde einen Kurzurlaub machen. Ich hab Handyverbot. Werde also erstmal nicht schreiben können. Aber danach erzähle ich dir wie es war. Hab dich lieb. Eri Ich wusste schon jetzt, dass diese Nachricht verwirren würde. Aber damit konnte ich irgendwie leben. Nach den gefühlten fünf Milliarden Nachrichten war sie sicher schon verwirrt genug. Ich hatte kaum die Meldung „Ihre Nachricht konnte nicht gesendet werden“, erhalten, als mein Handy in meiner Hand vibrierte und ich anhand der Mitteilung erkannte, dass ich eine SMS von Kira erhalten hatte. Tut mir leid, wir haben heute leider keine Zeit. Hyuuga-san ist aber vor Ort und kann den Song entgegen nehmen. Wir sind gespannt auf das Ergebnis und teilen dir unsere Meinung zeitnah mit. Überraschend war die Tatsache, wie viel Kira in so einer SMS mitteilen konnte. Gleichzeitig fand ich es schade, dass ich den Song nicht den drein geben konnte. Vor allem mit dem Kuchen. Aber so war es eben. Idole hatten viel zu tun und konnten nicht immer nur für einen Komponisten auf Abruf bereit sein. Das war Schade. Seufzend packte ich das Smartphone in die Tasche und zog den Briefumschlag aus meiner Tasche. Ich war schon neugierig zu erfahren, was sich darin befand und ob es mir einen Tipp geben würde. Vorsichtig öffnete ich den Umschlag und zog ein einzelnes, weißes, mit schwarzen Schriftzeichen bedrucktes Papier hervor. Triple Night Die ersten zwei Worte wirkten wie eine Überschrift. Oder der Name einer Gruppe. Wahrscheinlich verrieten sie mir aber eher, wie lange mein Kurzurlaub andauern würde. Drei Nächte also. Der Restliche Part sah hingegen eher unspektakulär aus. Mehr wie eine Liste. Sonnenbrille Badeanzug Stift Papier Schwimmring Sonnencreme Sommerkleidung Strandtuch Anhand der Liste ahnte ich bereits, wohin es gehen sollte. Irgendwohin wo es sommerlich war und sonnig. Es würde ein Ort sein, der absolut nicht mein Stil war. Und doch musste ich da nun hin, ob ich wollte oder nicht. Das einzige Problem war, dass ich weder ordentliche Sommerkleidung noch einen Badeanzug besaß. Das hatte Shining also gemeint damit, dass es ein langer Tag werden würde. Wahrscheinlich wusste er, dass ich die ein oder anderen Sachen noch einkaufen musste. Na super. Ich richtete mein Augenmerk wieder auf den Zettel und las die letzten Zeilen, die noch den restlichen, wichtigen Inhalt inne hatten. Morgen um 9 werden Sie abgeholt. Halten sie ihr Gepäck bereit. Jegliche Kommunikationsmittel sind verboten, Verbindungen ins Internet aufzubauen ist strikt untersagt. Shining war das was anging also wirklich sehr strikt. Gleichzeitig würde ich heute alle wichtigen Telefonate führen müssen, die es zu führen gab. Im Klartext, was nicht erledigt war, musste heute getan werden. Das betraf vor allem den Song für Heavens und die Verteilung des Kuchens.   Mir war nicht wohl dabei, dass ich den Song nicht persönlich an Nagi, Kira oder Shion geben konnte und es stattdessen an einen Boten übergeben musste. Gleichzeitig empfand ich das als nicht schlecht, denn es bot mir die Chance auch die anderen Mitglieder von Heavens wieder zu sehen. Dennoch war ich nervös, als ich an der Rezeption von Raging Entertainment stand und auf jemanden wartete, der alles entgegen nehmen sollte. Die Dame hatte dafür gesorgt, dass jemand darüber informiert und so stand ich hier, mit den Karton voller Kuchen auf dem Arm und einem Ordner, indem sich das wohl wichtigste befand, weswegen ich hier war. „Ere-chan~“ Ich konnte ihn wohl genauso gut schon von weitem sehen, wie er mich sehen konnte und ohne, dass ich es kontrollieren konnte, musste ich einfach lächeln. „Kiryuin-san. Schön dich wieder zu sehen.“ „Ja. Es fühlt sich an, als hätten wir uns schon eine Ewigkeit nicht gesehen. Ich freue mich.“ Mein Lächeln wurde breiter, als ich ihm die Hälfte des Weges entgegen kam. Es war wirklich schön ihn zu sehen und auch noch zu bemerken, dass sich mein erster Eindruck von dem was ich jetzt erlebte, unterschied. „Oh? Was hast du da? Ist der Song so gigantisch, dass du ihn in einem Karton transportieren musst?“ Ich lachte leise und wedelte dabei, so gut es ging mit dem Ordner, in dem sich der Song befand. „Nein nein. Der ist im Ordner. In diesem Karton ist eine Kleinigkeit für euch alle. Ich hab gestern etwas gebacken und naja ich dachte ich teile es mit euch. Ihr tut immerhin soviel um mir zu helfen und da wollte ich Danke sagen.“ Lächelnd nahm mir Van den Karton ab, zusammen mit dem Ordner. Ihm war die Freude deutlich anzusehen. „Wenn du magst, können wir hochgehen und ich mache uns einen Tee.“ „Es tut mir leid, ich muss dein Angebot erneut ablehnen. Mein Tag ist heute sehr voll gepackt.“ „Huh? Hast du noch einen weiteren Job an dem du arbeiten musst?“ „Nope, aber ich muss mich auf meinen Kurzurlaub vorbereiten. Und ich brauche noch ein paar Sachen, wie einen Badeanzug, oder sommerliche Kleidung. Davon ist in meinem Kleiderschrank so gut wie nichts da.“ Nachdenklich sah mich Van an, doch sein nachdenklicher Blick wich schließlich einem Lächeln. Es stand ihm und ich ertappte mich dabei, im innersten gerade zu fangirlen und mir zu wünschen, dass er sich nicht in Haruka verliebt hätte. „Dann kann ich dir helfen. Ich kenne da einen passenden Laden.“ „A-Ach das musst du nicht tun. Ich meine, du hast sicher auch noch einiges zu tun.“ „Keine Sorge, heute ist mein freier Tag, ich habe also genug Zeit für eine kleine Shoppingtour mit dir.“ Es war mir unangenehm, dass Van mich wirklich begleiten wollte, auch wenn ich mich wirklich freute, denn das hieß, dass ich noch etwas Zeit mit einem Heavens Mitglied verbringen konnte. Gleichzeitig war es mir peinlich, denn Klamotten shoppen hieß immer, Klamotten anzuprobieren, was bedeutete, dass Van mich in diesen sehen würde. „Ich lasse dieses Mal ein Nein nicht gelten. Komm mit.“ „Aber der Song und der Kuchen...“ „Das läuft nicht weg. Wichtig ist, dass man sich auf seinen Urlaub gut vorbereitet. Und ich helfe dir gerne dabei.“   Van hatte mir wirklich keine Chance gegeben. Wie auch, sein spontaner Ausbruch hatte mich Schachmatt gesetzt und so stand ich nur eine halbe Stunde später vor einer kleinen Boutique, deren Schaufenster mir den Atem raubten. Die Kleider, die in diesem ausgestellt waren, raubten mir den Atem. „Wow.“ „Vertrau mir, wir finden hier sicher etwas, dass zu dir passt. Der Besitzer und Designer ist vielleicht etwas schrullig aber doch sehr begabt.“ Ich konnte nicht anders als Van zu vertrauen, denn er war niemand, der jemanden lobte, wenn dem nicht so war. „Du scheinst ihn ja gut zu kennen.“ „Ich hatte mal einen Job mit ihm. Er ist anders als andere Designer, mit denen ich bereits gearbeitet habe. Er konnte sich gut in die Haut eines Idols fühlen, fast so, als hätte schon mal selbst erfahren was es heißt ein Idol zu sein.“ Je mehr Van erzählte, desto gespannter war ich darauf diese Person kennenzulernen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht so viele Designer kannte. „Na dann, komm mit. Mal schauen was wir schönes finden.“ Van griff nach meiner Hand und zog mich ins Innere der Boutique. Kaum, dass er die Tür geöffnet hatte, kamen uns sanfte Klänge entgegen, und der blumige Duft von Rosenpotpourri stieg mir in die Nase. Der Besitzer schien nicht nur großen Wert auf seine Designs zu legen, sondern auch darauf, was für eine Feeling sein Laden gab. „Willkommen. Oh Van, schön dich zu sehen. Was treibt dich her?“ Ich blinzelte ein paar Mal, als ich diese Stimme hörte. Sie hatte einen russischen Akzent, wirkte aber sanft und liebevoll. Genau so, wie die eines guten alten Bekannten. „Ju-chan, schön dich heute hier zu sehen. Ich bin hier wegen einer Freundin.“ Mit einem Lächeln zog mich Van hinter sich hervor, so dass ich erkennen konnte, wer dieser Ju-chan war. „Erenya?“ „Hi Juri. Lange nicht gesehen. Ich wusste nicht, dass du eine Boutique hast.“ „Ihr kennt euch?“, fragte Van und schien dabei überrascht zu sein. „Wir sind ehemalige Schulkameraden und gute Freunde. Ich hätte nie gedacht, dass sie mal einen meiner Läden besucht. Sie ist ein richtiger Modemuffel.“ „HEY!“ „Was? Oh... warte... Als er Freundin sagte, meinte er da 'feste Freundin'? Also so wie in ihr seid ein Paar? Ist das ein Date? Dann... vergiss was ich sagte, Van. Sie ist die perfekte Anziehpuppe.“ Van lachte, kaum dass Juri seine Frage stellte und ich einfach nur verlegen errötete. Das war einfach zuviel. „Wir sind nur Freunde wie in Freunde. Nicht mehr. Und wir sind hier, weil Van meinte, du würdest mir helfen können und ich nicht wusste, dass er dich meinte. Also... kannst du mir helfen?“ „Schwierig. Was brauchst du?“ „Ich-“ „Sommerkleidung und einen Badeanzug.“ Juris Augen weiteten sich. Wahrscheinlich dachte er genau dasselbe wie ich, als ich die Liste das erste Mal gelesen hatte und tiefer gesunken war, was für Worte dort gestanden hatten. „Ich weiß gerade nicht, was ich unglaublicher finde. Dass Erenya in einer Boutique ist, oder dass sie wirklich Sachen sucht, die mehr Haut zeigen, als ein Trainingsanzug.“ Verwundert sah Van zwischen Juri und mir hin und her. Ich wusste genau was er meinte und musste ihm wirklich recht geben. Beides war ein Ding der Unmöglichkeit. Aber in diesem Fandom hatte ich schon viele Unmöglichkeiten mitgemacht. Und das schien eine weitere in meiner langen Liste zu sein. „Van... das wird eine schwierige Mission. Selbst wenn wir es schaffen sollten, Erenya in einen Badeanzug zu stecken, wird sie sich uns nicht zeigen.“ „Ah, ich verstehe. Ere-chan ist schüchtern. Seltsam, dass hätte ich irgendwie nicht von ihr erwartet. Aber ich denke wir bekommen das hin.“ Van zwinkerte mir zu und ich konnte nicht anders als wegzusehen. Schon der Gedanke daran, mich ihm in einen Badeanzug zu präsentieren, bereitete mir Unbehagen. „Fangen wir mit einem Kleid an.“ Er war wie ein Wirbelwind, der mich und Juri zu erfassen drohte. Ohne dass ich eine Entscheidung treffen konnte, lief Van bereits durch den Laden, gefolgt von Juri. Ich hingegen blieb alleine zurück, zweifelnd, was aus dem ganzen werden sollte.   Ich gestehe, Kleider waren nie mein Ding gewesen. In meiner Welt. Ich mochte sie als kleines Mädchen, weil es da Wertungen wie „Dick und hässlich“ nicht gab. Je älter ich wurde, desto mehr hasste ich sie. Ich fühlte mich nie wohl, wenn jemand mich im Kleid sah. Zumindest in einem, dass über meinen Knien endete. Persönlich fühlte ich mich zwar in meinem Körper solange wohl, wie ich in keinen Spiegel sah. Ich hatte Angst, dass ich mich in dem Kleid hässlich finden würde, oder in dem Badeanzug und damit Van vielleicht so sehr verschreckte, dass er nicht mehr mit mir reden würde. Dabei schätzte ich ihn nicht einmal als so eine Person ein. Doch die Angst was dies betraf, war gerade zu einem viel zu treuen Begleiter geworden. „Ere-chan? Willst du nicht auch schauen, ob du etwas findest? Sonst musst du im Urlaub mit einer Wahl an Sachen fahren, die ich getroffen habe.“ Ich fragte mich kurz, ob Van mir gerade drohte, oder ob das ein liebevoll gemeinter Scherz war. Doch ein Blick durch den laden sagte mir, dass ich nichts finden würde, was mich wirklich interessierte. Das passierte mir immer wenn ich shoppen war. Nur deswegen entstand der Eindruck, dass ich kein Modebewusstsein hatte. Vielleicht entstand er auch, weil ich wirklich keines besaß. „Uhm... Juri hat leider Recht. Ich bin ein Modemuffel. Ich werde nie das Prinzip von Farben die zueinander passen verstehen, oder von diversen Schnittarten, was meine Figur betont, was ihr schmeichelt oder auch nicht. Noch dazu fühle ich mich nicht so wohl wenn andere mich in Sachen wie zum Beispiel einem Badeanzug sehen. Daher... ich wüsste nicht, was ich hier finden sollte.“ „Dann, suchen wir gemeinsam. Und wenn du etwas findest, denk nicht darüber nach und probier es einfach. Ich denke, das schönste Kompliment für einen Designer ist es, wenn du etwas findest, dass du von ihm magst und das du dann mit stolz trägst. Also, darf ich bitten?“ Er hielt mir die Hand entgegen, als wollte er mich zu einem Tanz einladen. Ich war erstaunt darüber, wie ernst er sein konnte, wenn er wollte. Und wie Recht er hatte. Ich mochte Juri und seine Designs. Auch wenn ich mich nie in einem von diesen sah. Vielleicht hatte Van Recht und ich sollte einfach mal das tragen was mir gefiel, ungeachtet dessen, was andere denken konnten. Me-Cha-Ku-Cha Ha-Cha-Me-Cha Doki-Doki-Now! hitome de mune no doa keyaburu you na inazuma kokoro ga ubawarete yume no naka shibireru kurai ni nokkuauto! ichi do kiri nara shinken ni Love is perfect! (Love is perfect!) otona no aji wa nigami ari yoyuu de ajiwau sa! saijou (my cutie) saikou (my cutie) I’m crazy! (crazy!) crazy! (crazy!) crazy for you! subete wo (my cutie) idaki yose (my cutie) tsurasa datte nani datte jinsei marugoto uketomeru! bouken shiyou? “mottou” tereta me wo nozokikomu ironna kakudo kara nagametai kawai sugiru kara zenbu! Just wanna be with you! You are the one for me! oimotomereba hanareteku Love is blind! (Love is blind!) amasa dake de wa koerarenai koi wa suriringu ni! honki no (my cutie) honki de (my cutie) I’m crazy! (crazy!) crazy! (crazy!) crazy for you! koukai (my cutie) sasenai (my cutie) sekaijuu dare yori mo… Das Lied welches Van summte, während er mich durch den Laden begleitete, kam mir sehr bekannt vor. Es war sein Solo-Song den Haruka für ihn komponiert hatte. Mir flatterte das Herz, als ich es hörte, zum ersten Mal live und gleichzeitig sorgte es dafür, dass ich wesentlich beschwingter war und wirklich einige sommerliche Kleider in etwas helleren Farben ausprobierte. Mir wurde erneut bewusst, wie talentiert Juri war. Er beherrschte es, stilvolle Sachen zu kreiiren, oder ausgefallene. Selbst seine gewöhnlichen Alltagssachen waren auf ihre Weise etwas besonderes. Wenn ich ehrlich war, hatte ich sogar Spaß, zumal mir Van nie das Gefühl gab, dass mir eines der Kleider nicht stand. Ich hatte so nicht einmal mehr Angst vor dem Badeanzug. Auch wenn mir das Herz bis zum Halse schlug, als ich mein Spiegelbild in der Umkleidekabine beobachtete. Da stand ich, spärlich eingehüllt in einen dunkelblauen Bikini, der hellblaue Rüschen hatte. Da er am Unterteil verknotet wurde, war er alles andere als zum schwimmen gedacht, doch das störte mich eher weniger. Schwimmen war eh nicht so mein Ding. Aber so sah ich vielleicht etwas kunstvoller aus. „Ere-chan? Passt der Bikini?“ „Hai~. Sieh selbst.“ Ich schob den Vorhang zur Seite und präsentierte mich Van. Deutlich konnte ich spüren, wie meine Wangen erröteten, während er mich ansah und mir mit einer Handbewegung verdeutlichte, dass ich mich drehen sollte. Ich tat es und empfand so etwas wie Wehmut, als ich ihn seufzen hörte. „Da fehlt noch etwas. Juri, darf ich?“ „Nur zu Van.“ Ich wandte mich um, verwundert darüber, was er meinte. Doch schon stand er ganz dicht vor mir und schob mir etwas ins Haar. Aus Reflex tastete ich mit meinen Fingern danach und bemerkte etwas kühles. Eine Spange. Mit den Fingerspitzen, tastete ich mich weiter voran und konnte etwas filziges erfühlen. Ein Blick in den Spiegel verriet mir schließlich, dass es sich hier im die Klischeeblume im Haar handelte. Und dich... er hatte Recht. Es war so, als hätte sie wirklich gefehlt, um mein Bikini-Outfit zu vervollständigen.   Mit vollpackten Taschen, hatte ich, zusammen mit Van Juris Boutique verlassen und war in gewisser Weise zufrieden. Die Sachen gefielen mir wirklich gut und ich war Van dankbar, dass er mich so liebevoll genötigt hatte. „Danke für euren Einkauf. Wir sehen uns wieder denke ich?“, fragte Juri und sah dabei mehr zu Van als zu mir. Scheinbar kannte er bereits meine Antwort und verübeln konnte ich es ihm nicht. Ich war eben ein Modemuffel. Ein guter Tag würde daran nichts so schnell ändern. „Ja. Sag Bescheid wenn du Hilfe brauchst um deinen Laden zu promoten. Ich bin gerne dabei.“ „Sicherlich werde ich darauf zurückkommen.“ Juri verbeugte sich vor uns, bevor er wieder zurück in seinen Laden ging und ich zu Van aufsah. Scheinbar verstanden er und Juri sich wirklich gut. Und irgendwie freute mich das. Ich hoffte, dass Van mehr war als ein Klient, für den ich gearbeitet hatte und in Zukunft vielleicht noch den ein oder anderen Job machen würde. „Hast du noch etwas vor heute?“, fragte Van nach einiger Zeit und ich fühlte mich halbwegs schlecht dabei ihm zu sagen, dass ich noch ein Kuchenpaket bei Quartet Night abgeben musste. Immerhin hatte ich ihn schon einmal eine Einladung ausgeschlagen. „Ich wollte meinen Senpais noch Kuchen bringen. Quartet Night meine ich. Sie haben mir in letzter Zeit, jeder auf seine Weise, viel geholfen.“ „Verstehe. Sie werden sich sicher freuen. Auch wenn ich ehrlich gesagt nicht ganz so glücklich damit bin, dass auch andere deinen Kuchen bekommen. Es ist eine Geste, auf die viele Männer warten. Einen Kuchen nur für ihn.“ Ich hob eine Augenbraue und sah zu Van. Er lächelte und ich war mir gerade nicht sicher, ob er scherzte oder es ernst meinte, zumal er ja Haruka seine Liebe gestanden hatte. Es hätte ihn unglaubwürdig gemacht, wenn er so schnell auf ein anderes Mädchen umschwengte. „Du musst vor mir keine Rolle spielen, Kiryuin-kun. Ich meine, ich glaube dir, dass du dich gefreut hast über den Kuchen und das auch andere sich darüber freuen werden, aber ich denke nicht, dass es auch nur einen Mann in meiner Gegenwart gibt, der sich darüber freuen würde, wenn er einen Kuchen nur von mir bekäme. Die Person auf die du wartest, die dir etwas selbstgemachtes gibt, ist Nanami-san.“ Ich sah ihn ernst an und bemerkte, wie ihm das Lächeln aus dem Gesicht wich. Es lag etwas wehmütiges in seinem Blick und es tat mir fast schon leid, dass ich das gerade gesagt hatte. „Tut mir leid ich...“ Ich stockte und sah weg wobei ich darüber nachdachte, was ich sagen sollte und ob es etwas gab, dass das ganze kitten konnte. „Der Song den du vorhin gesungen hast... Der stammt aus Nanami-sans Feder. Ich... Ich kenne ihre Arbeit sehr genau und weiß, was ihre Handschrift ist. Ich bewundere sie wahrscheinlich im selben Maße wie ich sie auch beneide. Ich will nicht sagen, dass sie ein einfaches Leben als Komponistin hat, aber sicher muss sie sich nicht mit ehemaligen Klassenkameraden herumschlagen die in der Lage sind ihr Leben zu versauen. Sie war auch nie zweite Wahl. Und...“ Ich biss mir auf die Unterlippe, durfte ich sagen was ich gerade dachte und empfand? Nachdem Heavens mich so professionell aufgenommen hatte? „Und... ich fürchte den Tag an dem sie wieder da ist. Wenn Starish, Heavens und Quartet Night wieder ihre Songs spielen und singen und alle Welt toll findet. Alle Welt, mich eingeschlossen. Ich liebe Heavens, ich liebe eure Songs, egal ob Solo oder als Gruppe ich liebe sie und ich denke mir jedes Mal, dass ich vielleicht niemals so gut werden kann. Nanami-san hat ein Talent was ich nicht besitze. Sie sieht die Menschen, hört ihre Musik und wenn diese Personen ihre Vorstellungen mit ihr teilen, dann kann sie die Musik sofort hören und weiß, was die Person für einen Song verkörpern soll. Ich hingegen... Weiß immer noch nicht ob ich damals die richtige Wahl getroffen habe oder warum ich eigentlich hier bin.“ Was war das nur für ein Frust, der sich auf einmal entlud und warum ausgerechnet jetzt? Warum ausgerechnet Van gegenüber, der nun wirklich nichts böses getan hatte, damit ich einen driftigen Grund hatte so zu explodieren? Doch statt das er mir böse wurde, strich er mit seiner Hand sanft über meinen Kopf. „Du brauchst den Urlaub wirklich. Da hat sich eine Menge Frust aufgestaut. Aber erlaube mir eines zu sagen. Meine Gefühle für Haru-chan haben nichts damit zu tun, dass ich dich und deine Arbeit wirklich respektiere. Du bist für Heavens, mich eingeschlossen, keine zweite Wahl auch wenn deine Songs anders sind als Haru-chans. Das macht sie aber nicht schlechter. Nachdem wir dich kennenlernen durfte, musst du auch nichts mehr fürchten. Heavens lässt keinen seiner Engel in Stich, schon gar nicht einen, der Heavens nicht im Stich lässt.“ Ich sah auf und bemühte mich, die Tränen zurück zu halten. Ich konnte es eigentlich gar nicht glauben, wie freundlich Van zu mir war, obwohl ich ihn gerade so dermaßen zusammengefaltet hatte. Und doch lächelte er freundlich. „I-Ich... Muss dann mal. Vielleicht sehen wir uns nach meinem Urlaub wieder.“ Mir war diese ganze Situation unangenehm und ich wollte ihr nur entfliehen. Vielleicht war ich es einfach nicht gewohnt, dass man nach meinen Ausbrüchen so freundlich reagierte. Abgesehen von Shicchi, die mir selbst dann nicht von der Seite wich und einfach nur ehrlich sagte, was meine Worte ihr angetan hatten.   Ich hatte genug Zeit gehabt mich abzureagieren, als ich endlich vor dem Haus stand, in dem Quartet Night wohnten. Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass vielleicht niemand zu Hause war. Diese Blöße wollte ich mir nun nicht geben, weswegen ich einfach zum Concierge ging, der mich freundlich und willkommen anlächelte. „Kann ich ihnen helfen?“ „Uhm... Ich habe hier etwas für Kotobuki-senpai, Kurosaki-senpai, Mikaze-senpai und Camus-senpai. Würden Sie das bitte den viern geben?“ „Nun, wenn sie wollen, kann ich Kotobuki-san runterkommen lassen. Er ist noch zu Hause.“ Mir stockte der Atem für einen kurzen Moment. Sollte das wirklich so einfach gehen? Fragte sich der Concierge nicht, wer ich war und warum ich etwas für Quartet Night hatte? „N-Nein, das ist schon okay. Ich... Hab es leider eilig. Ich danke Ihnen, dass sie es den Jungs zukommen lassen werden.“ „Sind Sie sicher?“ Eigentlich hätte ich schon gerne Reiji oder einem der anderen Jungs den Kuchen persönlich gegeben, aber gerade jetzt, nachdem ich mich alles andere als stabil fühlte, wollte ich ihnen nicht unter die Augen treten. „Ja. Aber... Haben sie einen Stift und Papier? Ich würde gerne noch eine kleine Nachricht hinterlassen.“ „Selbstverständlich.“ Behände griff der Concierge unter den Tresen und zog Papier und Stift hervor, welches er mir freundlich reichte. Ich beugte mich über dieses, nahm den Stift und begann eine kurze Nachricht zu schreiben. Ich habe gestern Kuchen gebacken und dachte, dass ich ihn mit euch als Dankeschön teile. Lasst ihn euch schmecken. Grüße Erenya. Ich las noch einmal drüber und entschied, dass es so ausreichend war. Ich reichte dem Concierge den Zettel und den Karton mit den Kuchen. Es wurde allmählich Zeit nach Hause zu gehen.   **~~**   Erneut hatte ich eine schlaflose Nacht hinter mir. Ich war damit beschäftigt gewesen meine Tasche zu packen und zu überlegen, was genau ich noch einpacken sollte. Shining hatte mir ja nur zwei weitere Gegenstände gewährt. Dank der Tatsache, dass er bereits Stifte und Papier auf der Liste stehen hatte, fiel das schon einmal weg. Nun hätte ich natürlich Platz für meine Games, aber da mein Handy zu Hause bleiben sollte und ich jeden Kontakt zur Außenwelt am besten mied. Eine Spielekonsole, die einen funktionierenden Internetzugang haben konnte, war da eher weniger das, woran Shining wahrscheinlich gedacht hatte. Es hatte damit so ziemlich die ganze Nacht gedauert, bis ich mich für ein Otome-Kuscheltier entschieden hatten und einen kleinen Stapel Magazine entschieden hatte. Dank der Arbeit waren sie noch ungelesen und das obwohl ich ein paar Artikel zu Heavens, Quartet Night und Starish darin lesen wollte. Als ich dann schließlich entschieden hatte, dass ich fertig war und ins Bett gehen wollte, klingelte bereits mein Handy. Verwundert darüber, weil ich meinen Wecker noch nicht gestellt hatte, nahm ich das Gespräch an und hörte sogleich am anderen Ende Kira. „Guten Morgen, Tailor-san. Ich hoffe ich hab dich nicht geweckt.“ Ich nahm kurz das Handy vom Ohr um nach zusehen, wie früh es denn war. Acht Uhr. Ich hatte also nur noch eine Stunde. Schlafen konnte ich also vergessen. Stattdessen würde ich schnell was essen, mich frisch machen und anziehen, bevor ich in der Eingangshalle darauf wartete abgeholt zu werden. „Nein, keine Sorge.“ „Ich wollte dich erreichen, bevor du in den Urlaub fährst. Raging Otori hat uns erzählt, dass du erst einmal nicht da bist.“ „Richtig. Drei Nächte bin ich nicht da. Und das Handy muss ich auch abgeben Saotome möchte, dass ich mich etwas ausruhe und Abstand von der Öffentlichkeit bekomme. Ist der Song okay?“ „Deswegen rufe ich an.“ Ich schluckte schwer. Es war bei Kira immer verdammt schwer auszumachen, ob es gut oder schlecht war, was ich fabriziert hatte. „Die vier Songs sind genau das was wir brauchten. Und der Kuchen war auch köstlich. Tailor-san... Du hast aus den drei Songs einen gemacht, obwohl sie nicht passten. Aber irgendwie hast du sie in Harmonie gebracht.“ „Ich bin wirklich froh, dass sie euch gefallen und der Kuchen euch geschmeckt hat. Es tut mir leid, dass es mit dem Song so lange gedauert hat. Ich hoffe ihr könnt damit arbeiten.“ „Mach dir keine Sorgen. Wir werden daran arbeiten und etwas schaffen, auf das du stolz sein kannst. Deine Mühe soll nicht umsonst sein. Vertrau uns.“ Kiras Worte klangen so sanft und vertrauenswürdig. Wie hätte ich Heavens auch nicht vertrauen können, dass sie aus dem Song das beste machen würden. „Ach, da fällt mir ein. Ich weiß ihr schreibt die Lyrics selbst aber... Wenn ihr eine Möglichkeit findet den Namen der Firma einzubauen, dann macht das. Es ist ein Werbesong und wenn man ihn hört, sollte man an die Firma denken.“ „Mach dir keine Sorgen, Tailor-san. Genieß einfach deinen Urlaub.“ „Danke, werde ich. Ich melde mich, wenn ich zurück bin“, erklärte ich und lächelte dabei sanft. Es schien nicht so, als hätte Van irgendwas von meinem Ausbruch am Tag zuvor gesagt. So hatte ich wenigstens ein besseres Gewissen während meines Urlaubs. Kira hatte den Wink verstanden und verabschiedete sich höflich, bevor er das Gespräch beendete und auflegte. Auch für mich wurde es allmählich Zeit die letzten Vorbereitungen zu treffen. Aus einem Stapel Kleidung, den ich achtlos zu Boden geworfen hatte, da ich den Koffer benötigte. Ein T-Shirt und eine Jeans, die bis über die Knie ging, würde reichen. Schließlich drohte der Strand warm zu werden, wenn Shining schon anordnete, dass ich Sommerkleidung mitbringen sollte.   Es war kurz vor neun, als ich müde auf meinem Koffer in der Eingangshalle saß und darauf wartete, dass man mich abholte. Unsicher, ob ich auch nichts überlesen oder falsch verstanden hatte, las ich noch einmal über die Liste, die mir Shining gegeben hatte. Dort stand eindeutig, um neun sollte ich abgeholt werden. Nicht aber wo ich genau warten sollte. Mein Handy hatte ich im Zimmer liegen gelassen und hoffte, es würde auch noch dort liegen wenn ich zurück kam. „Ohayou~“ Die Tür wurde, nur wenige Sekunden vor Punkt neun Uhr, aufgestoßen und herein trat Reiji, mit einem wirklich munteren, glücklichen Lächeln. „Guten Morgen, Kotobuki-senpai.“ Ich beugte mich etwas zur Seite und hoffte etwas sehen zu können, was vor der Tür stand. Ein Wagen, an dem vielleicht ein Fahrer lehnte, der darauf wartete, dass ich heraus kam. „Bist du bereit, Ere-chan?“ „Bereit?“ Ich blinzelte ein paar mal. Entweder war ich zu müde, oder es war eindeutig zu früh um zu verstehen, was Reiji genau meinte. „Genau. Bereit für den Urlaub. Myu-chan, Ran-Ran und Ai-Ai warten schon im Auto auf dich. Komm mit. Ich trage deinen Koffer.“ „Was?“ „Hat Shining dir nichts gesagt? Du machst mit uns gemeinsam Urlaub.“ Nein, das hatte Shining nicht erwähnt, wobei... Ich sah erneut auf den Zettel und las die Überschrift. Triple Night... Sollte das etwa ein hinweis auf Quartet Night sein? Wenn ja, dann war das wirklich ein mieser. „Wir werden gemeinsam so viel Spaß haben, verlass dich drauf. Du wirst den Arbeitsalltag vollkommen vergessen können. Also komm, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Es steht Spiel und Spaß auf dem Programm.“ Reiji packte sanft meinen Arm und zog mich auf die Füße, damit er mir im wahrsten Sinne des Wortes des Koffer unter dem Po wegziehen konnte. Er war voller Übermut und vollkommen aufgeregt. Nicht das ich Reiji nicht mochte, aber ich fürchtete, dass er mir auf mehrere Tage gesehen doch etwas anstrengend werden würde. Dennoch, ich hatte diese Wahl getroffen und musste mich nun in diesem Schicksal ergeben. Immerhin konnte ich mir vorstellen, dass ich nicht die einzige war, die Reijis Begeisterung nicht nachempfinden konnte. Zumindest das wurde mir bewusst als ich Reiji zu einem Kleinbus geführt wurde. Hinten saßen bereits Camus und Ai, wobei Ranmaru auf dem Beifahrersitz saß. Besonders Camus und Ranmaru schienen nicht begeistert von der Idee nun auch noch den Urlaub gemeinsam verbringen zu müssen. Wahrscheinlich war das die Idee ihres Bandleaders. Gut vorstellbar war es zumindest. „Guten Morgen.“ „Guten Morgen...“ „Hmpf...“ Irgendwie waren typische Reaktionen. Immerhin Ai grüßte zurück. Ranmarus Hmpf konnte man ja so halb als Begrüßung sehen und bei Camus war Schweigen wahrscheinlich wirklich gold. „Kommt schon~ Freut euch. Wir haben Urlaub und wir werden ganz viel Spaß haben. Heute können wir unser erstes gemeinsames Bento genießen.“ Reiji gab sich wirklich Mühe alle zu überzeugen, doch er blieb der einzige, der wirklich überzeugt schien, dass dieser Urlaub etwas ganz tolles werden würde. Schon jetzt fragte ich mich, ob ich das wirklich überstehen würde. Ich schnallte mich dennoch an und lehnte mich in meinen Platz zurück. Müde von der Nacht lehnte ich den Kopf zurück und schloss die Augen. Immerhin um Heavens Song musste ich mir keine Sorgen machen, dass war doch schon mal was.   Wie es Reiji gesagt hatte, waren wir pünktlich zur Mittagszeit am Strand angekommen. Ich hatte immerhin zwei Stunden in Morpheus Armen verbracht und war so etwas ausgeschlafener, als ich aus dem Bus stieg und meine Arme reckte. „Da sind wir! Ein Strand nur für uns alleine!“, verkündete Reiji, der vor uns vieren stand, mit einem sonnigen Lächeln, ausgebreiteten Armen und voller Vorfreude. Ich hingegen ließ lieber das auf mich wirken, was mich hier erwartete. Ich konnte in etwas weiterer Entfernung eine Holzhütte sehen. Da Reiji uns nicht zu einem Hotel gefahren hatte, ging ich davon aus, dass dies wohl unsere Unterkunft war. Wahrscheinlich persönliches Eigentum von Shining. Selbst der Strand vor uns schien nicht gerade öffentlich zu sein. Er war leer und das obwohl das Wetter bombastisch war. Die Sonne schien, die Temperaturen waren gestiegen und würden sicher auch noch mehr ansteigen. Die idealen Umstände also um einen Strandurlaub zu genießen, wenn man so etwas mochte. Und selbst ich hätte mich in so etwas verlieben können. Immerhin war der Strand weiß und sauber. Keine Fußspuren, kein Müll. Er schien förmlich darum zu betteln, dass man sein Handtuch nahe des Meeres niederlegte. Das Meerwasser glänzte ruhig im Sonnenlicht und lediglich ein paar, vom sanften Wind getriebenen Wellen, wagten sich vor an das sandige weiß. Selbst wenn ich viele andere Dinge nicht mochte, schwimmen im Meer, schmoren in der Sonne und das am Strand liegen im Bikini, ich wollte einen Sonnenuntergang hier erleben. Ich wollte die Farben in meine Erinnerung brennen, damit ich sie niemals wieder vergaß. „Wir sind nun hier und werden viel Spaß haben, das sollten wir feiern!“ Ein Ruck zog durch meine Schultern, als Reiji mich vorsichtig packte und zurück zum Auto zerrte. „Kommt her, wir machen ein Gruppenfoto.“ „Reiji... Es wird kein Gruppenfoto, wenn einer fotografieren muss, das ist unmöglich ohne eine Kamera mit Stativ.“ „Keine Sorge, Ai-Ai. Wir machen erst ein Gruppenselfie, dann ein Gruppenfoto indem wir die Kamera auf den Bus stellen und den Selbstauslöser drücken. Ran-Ran, Myu-chan kommt her. Ihr müsst auch auf das Gruppenfoto.“ „Tch... Zeitverschwendung. Wir sollten unsere Sachen in die Hütte bringen.“ „Unter keinen Umständen werde ich mit ihm auf einem Foto als Freunde posieren.“ Das Camus und Ranmaru nicht begeistert waren, war logisch. Beide schienen nach außen hin nicht viel von einander zu halten, doch in Wahrheit waren sie wohl gute Freunde. Zumindest wenn man den Spielen einigermaßen glauben konnte. „Moah! Ran-Ran, Myu-chan... kommt schon. Ein Gruppenselfie tut niemanden weh. Wir wollen doch viele schöne Erinnerungen an unseren Urlaub machen.“ „Ha... Dann bring es hinter dich...“, gab Ranmaru nach und stellte sich neben Ai, dem das ganze egal zu sein schien. Vielleicht durchsuchte er auch nur seine Datenbank nach den passenden Gründen, warum ein Gruppenfoto vollkommen unnötig war. „Das ist das erste und Letzte.“ Seltsam, dass Camus so schnell Kleinbei gab. Aber vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass sie wirklich versuchten mehr miteinander klar zu kommen. In der vierten Staffel hatten sie ja damit ein paar Probleme gehabt, bis sie verstanden hatten, dass es Reiji war, der die Gruppe zusammen hielt und dass sie ihn nicht verlieren wollten, weil sie Quartet Night nicht verlieren wollten. „Also gut, dann alle Lächeln.“ Reiji drückte sich fester an mich, so dass ich mehr Ai rutschte und deutlicher Ranmaru in meinem Rücken spüren konnte. Ich wusste genau, ohne dass ich ihn ansehen musste, wie jedes einzelne Mitglied auf diesem Foto aussehen wusste und das Reiji wohl der einzige war, der breit grinste. „Cheesu!“, sagte er und drückte ab. Ein kurzer Blitz flammte auf und leitete den Urlaub mit Quartet Night ein, von dem ich nicht wusste, ob man wirklich von einem Urlaub reden konnte. Kapitel 10: Between the break ----------------------------- Ich hatte wirklich ein schlechtes Gewissen, als ich Ranmaru dabei beobachtete, wie er meinen Koffer durch den Sand zog. Ich hätte ihn auch irgendwie alleine getragen, doch Reiji hatte darauf bestanden, dass ich einen von ihnen meine Sachen bis zur Hütte tragen ließ. Am Ende hatte sich Ranmaru erbarmt, während ich tatsächlich versucht hatte mit Reiji zu diskutieren. Geistig hatte ich bereits entschieden, dass ich mich irgendwie bei Ranmaru erkenntlich zeigen musste. Eine Möglichkeit musste es geben. Und ich würde sie finden, immerhin verbrachte ich die nächsten Tage mit ihm unter einem Dach. Noch dazu würde ich sowieso nicht viel machen, außer außerhalb der Sonne sitzen und etwas Kellerlicht auf mich scheinen zu lassen. Davon bekam ich immerhin keinen Sonnenbrand. An der Hütte angekommen, zog Reiji einen Schlüssel aus einem Briefumschlag und öffnete die Tür. Neugierig darüber, wie es im Inneren eingerichtet war, sah ich an Ranmaru vorbei und erblickte sogleich das Wohnzimmer, an dem auch die Küche grenzte. Es war ausgestattet mit einer Couch, auf der viele farbenfrohe Kissen lagen, ein kleiner Holztisch bildete den Mittelpunkt, denn ich konnte auch noch einen Sessel erkennen. Sicher war dies der Bereich um sich nach einem anstrengenden Meerausflug zu erholen. Mein Revier also. „Immer rein in die gute Stube“, verkündete Reiji und öffnete die Tür noch weiter, so dass wir alle eintreten konnten. Ranmaru ging vor mir, aber hinter Ai und Camus rein. Wie seine Vorgänger stellte auch er die Koffer vorerst rechts von der Eingangstür ab und machte so platz, dass auch ich eintreten konnte. Es schien grundlegend alles hier aus Holz zu sein. Die Möbel passten sich der Farbe der Holzhütte an, und das einzige was farblich hervorstach, war ein Kühlschrank, der weiß leuchtend in der Küche stand, neben einem Hängeschrank. „Das sieht gemütlich aus. Wir werden hier viel Spaß haben“, verkündete Reiji, während der Rest sich umsah. Abgesehen von Camus, der es sich bereits in einem Sessel bequem machte. Die Haltung die er dabei eingenommen hatte, schrie förmlich danach, dass dieser Platz seiner war. Ai hingegen sah sich in der Küche um. Die Schränke waren gefüllt mit Geschirr, und als er den Kühlschrank aufmachte, konnte ich erkennen, dass dort einiges an Lebensmitteln waren. Genug für drei Tage. „Reiji, es scheint, als hätten wir zu viel mitgenommen...“, murmelte er und ging etwas zur Seite, so dass Reiji sehen konnte, dass der Kühlschrank voll war. „Es kann nie zu viel sein. Wir haben einen vollen Plan und wir werden jeden Funken Kraft brauchen, den wir kriegen können.“ „Vergiss nicht, dass wir hier sind um Urlaub zu machen, nicht um uns noch mehr zu erschöpfen...“, murrte Ranmaru und ging in Richtung einer Tür, hinter der das Bad zum Vorschein kam. Ich folgte dem Rocker und blickte ebenfalls rein. Es war klein aber groß genug, dass man Platz für eine Dusche gefunden hatte. Und ein Waschbecken mit Toilette. Eindeutig nur ein Bad, dass man für kurze Zeit nutzte, nicht jeden Tag. „Ich bezweifle, dass die zwei Räume dort noch ein Bad hervor zaubern...“, murmelte ich leise und Ranmaru nickte. Scheinbar auch neugierig, öffnete er eine der verbleibenden Türen. Es stellte sich heraus, dass es ein Schlafzimmer war. Mit zwei Doppelstockbetten und einem Feldbett, das aufgestellt war. Der Raum daneben schien so etwas wie ein Büro oder dergleichen zu sein. Dort stand ein Schreibtisch und ein Bücherregal, dass mit verschiedenster Literatur gefüllt war. Und ein paar Instrumente. Vor allem das rotbraune Klavier stach mir ins Auge. „Was hätte Shining gemacht, wenn es Starish gewesen wären?“, fragte Ranmau und erntete dabei verwunderte Blicke von mir. „Starish?“ „Ach mach dir keine Gedanken, Ere-chan. Ran-Ran macht sich nur Sorgen darum dass unsere Kouhai zu viel Arbeiten. Nicht wahr, Ran-Ran?“ Mit einem strahlenden Lächeln umarmte Reiji Ranmaru und pokte ihn sanft mit dem Zeigefinger in die Wange. „Oi, Reiji!“ „Es gibt dennoch ein Problem bei der Raumgestaltung...“, merkte schließlich Ai an, der scheinbar jede Ecke der Küche bereits untersucht hatte. Fragend sahen wir zu dem Idol mit dem cyanfarbenen Haar. „Wer schläft in welchem Bett?“ Nachdenklich sahen wir in den Raum und erst jetzt fiel mir auf, das wir fünf Schlafplätze in einem Raum hatten. Fünf... für vier Jungs und ein Mädchen. Shining hatte Humor und wusste scheinbar nicht einmal wie schlimm es um mein Schamgefühl stand. „Ähm, Jungs. Ich will ja nicht meckern aber... gehe ich Recht in der Annahme, dass ich mir ein Zimmer mit euch teilen soll?“ „Huh? Warum denn nicht, Ere-chan?“ Ich errötete, als Reiji so unschuldig fragte und sah weg. Scheinbar machte es ihnen nichts aus. Mir aber schon ein wenig. „Mir ist egal wer sich die Doppelbetten teilt, ich nehme das Feldbett“, erklärte Camus und überging damit diesen unangenehmen Fakt, dass ich im selben Zimmer schlafen sollte wie Quartet Night. „Das liegt nicht an dir allein das zu entscheiden...“, murrte Ranmaru und sah Camus dabei giftig an. „Du glaubst doch nicht, dass ich mir ein Bett mit einem von euch teile?“, erwiderte Camus und warf dem Rocker dabei einen ebenso giftigen Blick zu. „Grundlegend würdest du dir mit niemanden ein Bett teilen. Noch dazu sagen die Daten, dass ein Doppelstockbett wesentlich bequemer ist als das Feldbett. Daher solltest du diese Entscheidung vielleicht noch einmal überdenken“, erklärte Ai und ich fragte mich, ob das seine Art war zwischen Ranmaru und Camus zu vermitteln. „Ich hab eine lustige Idee! Lasst uns auslosen wer welches Bett bekommt!“, erklärte Reiji mit einem breiten Grinsen. „Entscheiden wir das doch mit Schere-Stein-Papier. Der Gewinner bekommt das Feldbett. Der zweite und dritte Platz teilen sich ein Doppelstockbett und der vierte und fünfte Platz ebenfalls.“ Ich hob eine Augenbraue und sah zu den anderen drein von Quartet Night. Sie schienen mindestens genauso begeistert von der Idee zu sein wie ich. Doch es war Ai, der als erstes seine Faust in die Mitte hielt. Er schien damit das Signal für Camus und Ranmaru zu geben, die widerwillig ebenfalls mitmachten. „Beim nächsten Mal ziehen wir Stäbchen...“, murmelte ich und legte meine Faust ebenfalls in den Kreis.   Ich hatte schon in der ersten Runde verloren, dicht gefolgt von Reiji, mit dem ich mir nun ein Doppelstockbett teilen würde. Besonders traurig schien er über seine Niederlage nicht zu sein. Anders sah es da mit Ranmaru und Camus aus, die sich beide ebenfalls ein Doppelstockbett teilen durften. Der glückliche Gewinner für das Feldbett war damit Ai. In einem kurzen Gespräch hatten Reiji und ich uns schließlich geeinigt, dass ich das untere Bett bekam und Reiji über mir einzog. „Die Bettenfrage ist nun geklärt. Was machen wir mit dem Küchendienst? Wer kocht?“ „Wir sollten auf Nummer sicher gehen und denjenigen das Kochen überlassen, die mehr Talent dafür haben. Der Rest macht den Abwasch. Laut meinen Daten sind es Reiji, Ranmaru und Erenya, die diese Fertigkeiten am besten ausfüllen.“ „Mikaze-senpai, es tut mir leid wenn ich frage, aber woher wollen deine Daten wissen, dass ich Fertigkeiten für das kochen habe?“ Ai verwunderte mich immer wieder aufs Neue. Ich kochte nun wirklich nicht schlecht, aber ich hätte mich nicht aus dem Fenster gelehnt und gesagt, dass es reichte um eine Gruppe und vor allem Camus Gourmetgaumen zu gefallen. „Deine wöchentlichen Ausgaben weißen nicht daraufhin, dass du oft ins Restaurant gehst. Nach genauer Recherche zeigte sich auch, dass du nur zu 40% zu Fertiggerichten greifst. Noch dazu wohnst du alleine, was wiederum bedeutet, dass du dich alleine versorgen musst irgendwie. Der Kuchen den du gebacken hast, war zudem auch von guter Qualität was davon zeugt, dass du weiß, was du tust.“ Ai wurde gerade, just in diesem Moment gruselig. Wenn er wusste, was meine wöchentlichen Ausgaben waren, wusste er sicher auch, was ich monatlich für Merchandise ausgab. Peinlich. Denn das würde bedeuten, dass er auch wusste, dass ich ein gigantischer Otaku war. Noch peinlicher. Gerade wollte ich mich unter einer Decke verkriechen. „Wie wäre es mit einem Kochwettbewerb heute Abend? Die zwei besten Gerichte gewinnen und die Gewinner sind fürs Kochen verantwortlich?“, fragte Reiji, der erneut irgendwie alles in die Hand nahm. Wenn Quartet Night nur so funktionierte, dann grenzte es irgendwie an einem Wunder, dass die Gruppe immer noch zusammen war. „Warum nicht. Auch wenn ich mich nun nicht ums Kochen geprügelt hätte, aber es ist zumindest fair“, merkte ich an und sah zu Ranmaru, der alles andere als Feuer und Flamme schien, sich aber irgendwie darin ergab. „Dann ist das ja entschieden. Das wird sicher ein Spaß. Aber bevor der Spaß losgeht, sollten wir essen. Ich habe für uns alle ein Bento gemacht. Ere-chan, ich hoffe du magst Yakitori und Tamagoyaki.“ „Ich liebe Yakitori. Und Tamagoyaki. Warum auch nicht? Ich hatte ja zwei Jahre Zeit mich an die japanische Küche zu gewöhnen.“ Ich wusste nicht warum, aber Reiji erntete just, als ich das gesagt hatte, böse Blicke die mich doch schon sehr verwunderten. Hatte er gerade was falsch gemacht? Zumindest konnte ich einen Hauch Anspannung spüren, der mit einem Mal aufgelöst wurde, als mein Magen sich knurrend und bedrohlich meldete. „Klingt als könnte es Ere-chan kaum abwarten von meinem Bento zu probieren.“ Stolz, fast schon glücklich, ging Reiji zu den Taschen und zog aus einem Rucksack fünf Bentos hervor.   Gemeinsam am Tisch saßen wir uns aßen unser Bento. Wobei mir auffiel, dass einige der Mitglieder diverse Änderungen in ihrem Bento hatten. Camus hatte eine Jasminblüte auf seinem Reis, was ich zuletzt nur bei Jamie Oliver gesehen hatte, als er Jasmin-Reis gemacht hatte. Ranmaru hatte besonders viel Fleisch in seiner Box. Ai und Reiji hingegen schienen eine normale Portion von allem zu haben. In meinem Bento hingegen befand sich etwas weniger Reis als bei den Jungs, was ich dankbar hin nahm. Denn sonst hätte ich wahrscheinlich nichts von dem Yakitori oder dem Tamagoyaki probiert. Oder von dem Gemüse, dass sich seltsamerweise in meiner Box befand. Wollte mir Reiji damit irgendetwas sagen? Ich dachte nicht weiter darüber nach, sondern genoss diese Mahlzeit und die Tatsache, dass so ein großartiges Idol wie Reiji dieses Bento für mich bereitet hatte. So schmeckte es gleich noch viel besser. Noch dazu war dieses Bento auch mein Frühstück. „Was habt ihr Jungs eigentlich vor? Es ist immerhin auch euer Urlaub“, fragte ich nach einiger Zeit. Denn nach dem Essen würden wir sicher nicht am Tisch sitzen bleiben. Jeder hatte doch seine Ideen, was er machen wollte. „Mh... Also ich werde den Spielenachmittag Querstrich Abend vorbereiten. Anwesenheit ist für alle Pflicht“, verkündete Reiji freudestrahlend und ich konnte schon die „Begeisterung“ in den Blicken der anderen sehen. Doch sie sagten nichts, was seltsam war. Hatten sie schon immer hingenommen, wenn Reiji die Planung in seine Hand genommen hatte? „Mir 'alle', meinst du da auch mich, Kotobuki-senpai?“ „Jap. Immerhin machen wir diesen Urlaub gemeinsam. Und Gruppenaktivität schließt dich mit ein, Ere-chan.“ Staunend sah ich zu Reiji und den anderen. Wenn das Saotomes Plan war, dann hatte er wohl die richtige Gruppe gewählt um mir das Gefühl von Gruppenzugehörigkeit zu geben. Immerhin war jeder Charakter von Quartet Night so individuell, so dass es eigentlich nicht zu passen schien. Und doch, passte es. Ihre Harmonie in der Musik war unglaublich und selbst jetzt schafften sie es hier zu sitzen, ohne sich gegenseitig umzubringen. Wobei ich das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht irrte ich mich aber auch. In Staffel vier hatten sich Quartet Night immerhin sehr gut zusammen geschweißt. Es konnte also durch aus sein, dass dies die neue Form von Quartet Night war. „Ich werde mir die Bücher im Arbeitszimmer ansehen. Ich habe ein paar Werke entdeckt, die in meiner Datenbank noch nicht gespeichert sind.“ „Klingt interessant. Wenn du ein empfehlenswertes Buch findest, sag Bescheid. Und was macht ihr, Camus-senpai und Kurosaki-senpai?“ Ich sah die verbliebenen Mitglieder an, doch scheinbar wollten Camus und Ranmaru gerade nicht reden, was ich einfach mal so stehen ließ. Dabei hatte ich gehofft, dass ich mir so noch eine Idee holen konnte, was ich tun wollte. „Und was hast du vor, Ere-chan?“ Nun konnte ich der Frage ja nicht ausweichen und musste mir etwas einfallen lassen, was ich selbst tun konnte. Ich war an einem fremden Ort und würde noch genug Zeit mit diesen vier Männern verbringen. Viel zu viel Zeit. Wenn Reiji wirklich einen Plan für den Nachmittag und Abend hatte, dann brauchte ich meine Ruhe vor den Sturm. Geistige Vorbereitung sozusagen. Noch dazu musste ich hinauszögern meinen Badeanzug anzuziehen. „Ich denke ich werde mich hier etwas umsehen. Das Wetter ist zu schön um nur herumzugammeln. Und vielleicht finde ich eine gute Inspiration.“ „Nein, das geht nicht, Ere-chan. Wir sind im Urlaub, da wird nicht an die Arbeit gedacht. Oder komponiert.“ Ich hob eine Augenbraue und sah zu Reiji. Ich hatte bei der Suche nach Inspiration nicht gerade ans komponieren gedacht. Sondern an etwas ganz anderes. „Sie meinte sicher, dass sie Inspiration für ihre Geschichten hofft zu finden. Ihr Internet-Blog weißt neben Erzählungen aus dem Alltag auch eine hohe Publikation an Geschichten auf. Die beliebteste mit den meisten Aufrufen ist eine Geschichte, die bereits einige Kapitel umfasst und von einem Mädchen aus einer anderen Welt erzählt, das plötzlich in die Rolle einer Komponistin schlüpft. Die Welt in der sie gelandet ist, ist eine voller Musik und Magie. Es hat ein paar Autobiographische Züge, doch der Fantasieanteil überwiegt“, erklärte Ai und versetzte mich damit in Staunen. Ja, es gab diese Geschichte auf meinem Blog. Ich hatte lange Zeit überlegt, ob ich es als Tagebuch schreiben wollte, doch während ich angefangen hatte, war da diese magische Komponente hinzugekommen. Außerdem wollte ich nicht, dass jemand erfuhr, dass es wirklich eine Geschichte war, die über mich erzählte. Diverse Charaktere hatten sogar sehr viel Ähnlichkeit mit denen aus Uta no Prince-sama und gerade jetzt, da meine Protagonistin für die sieben Sternenprinzen, die vier Götter der Nacht und die sieben Himmel komponieren musste, war die Ähnlichkeit kaum noch abzustreiten. Ich konnte also froh sein, dass Ai dies nicht erwähnte, auch wenn es ihm wohl in gewisser Weise bewusst war. „Huh? Ere-chan schreibt Geschichten? Dann kann sie uns ja eine vorlesen oder erzählen!“ Ich errötete sofort, als von Reiji dieser Vorschlag kam. Das würde ich garantiert nicht machen. Es war immerhin viel zu peinlich. „Ähm... das vorlesen oder Geschichten erzählen lassen wir besser. Ich hab mein Handy nicht mit und mir ist untersagt Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Das schließt meinen Blog wohl ein. Und so schnell kann ich keine Geschichte erfinden die Erzählenswert ist.“ „Awww... Dann ein anderes Mal.“ Reijis Worte ließen mein Herz vor Freude flattern. Genauso wie es Vans Worte getan hatten. Sie hatten nichts endgültiges und entflammten erneut einen Funken Hoffnung, dass ich Quartet Night noch häufiger sehen würde. „A-Also ich geh dann mal... mich umsehen. Wir sehen uns dann zur Gruppenaktivität.“ Ich erhob mich von meinem Platz, der sich direkt neben Ai befunden hatte, hielt aber inne, als er mich am Handgelenk vorsichtig aber doch bestimmend festhielt. Verwundert sah ich zu ihm und beobachtete, wie er in seiner Hosentasche nach etwas suchte. Und nach einigen Sekunden zog er einen I-Pod hervor. Cyanfarben und mit Earplugins. „Ich habe dir hier alle Lieder drauf gespielt, von denen meine Daten sagten, dass du sie mögen würdest. In deinem Blog hattest du mal geschrieben, dass du unterwegs gerne Musik hörst und dich von ihr und der Umgebung inspirieren lässt.“ Ungläubig sah ich auf den I-Pod, den mir Ai entgegen hielt. Ich selbst besaß keinen, sondern hatte meine Lieblingssongs auf dem Handy. Was ich nun nicht dabei hatte. Ai schien das bedacht zu haben. Es war fast schon gruselig, wie gut vorbereitet er war. Es schien so, als hätte er mich ausgiebig studiert. Die Frage war nur warum? „D-Danke. Ich bring ihn dir wieder.“ Es war wohl das Dümmste was ich sagen konnte. Natürlich würde ich ihm den I-Pod wieder bringen. Ich hatte ja nicht einmal die Chance damit, wie eine Irre kichernd, wegzulaufen und das dann als Diebstahl zu deklarieren. Bei meinem Glück hätte mich Ai sogar noch eingeholt.   Er hatte wirklich meinen Musikgeschmack getroffen. Musik aus Animes, Spielen und natürlich von Heavens, Quartet Night und Starish. Es war ein bunter Mix, aber einer der mein Herz höher schlagen ließ. Was mich nur noch mehr verwundert hatte, waren die Songs, die ich geschrieben hatte und auf die ich selbst sehr stolz gewesen war. Ai schien wirklich alles zu wissen. Doch während ich den Strand entlang lief, empfand ich es als eher beruhigend. Zu wissen, dass ich mein Leben hier mit genug Informationen gefüllt hatte, dass Ai etwas finden konnte. Zu wissen, dass ich nicht nur ein leeres Buch war, sondern wirklich beschriebene Seiten hatte. Zwei Jahre Zeit waren es also wert gewesen und das machte mich irgendwie stolz. Während ich am Strand entlang lief, sah ich hin und wieder hinter mich. Ich hinterließ selbst hier auf dem unschuldigen weißen Sand meine Spuren. Aber nicht nur auf ihm... Und auch nicht nur auf meinem Blog. Ich hinterließ Spuren bei Menschen. Erinnerungen, Gemeinsamkeiten, Freundschaften, Emotionen. Es wurde mir ein weiteres Mal bewusst, wie real ich in der Welt von Uta no Prince-sama geworden war und das obwohl es sich manchmal genauso surreal anfühlte wie die Serie in meiner Erinnerung war. Nur das ich die meisten Episoden jetzt nicht nur vor meinem PC mitverfolgt hatte, sondern in real. Ich schaltete den I-Pod ab, als sich gerade ein Anime-Song dem Ende neigte. Es war ein guter Moment diese Gefühle aufzuschreiben. Die Protagonistin meiner autobiographischen Geschichte, fühlte sich sicher genauso. Auch wenn sie eine handvoll weniger Probleme hatte. In ihrer Geschichte gab es keinen Chiron der sie daran hindern wollte ihren Weg zu gehen. Es gab keinen wirklichen Antagonisten. Weil ich sie zu einem gemacht hatte. Auch wenn sie sich dessen noch nicht bewusst war. Sie war der Grund warum die Welt der Musik aus dem Gleichgewicht geraten war. Warum diverse Melodien in Vergessenheit gerieten, die Natur verrückt spielte und sich diverse Wesen nicht mehr singen konnten. Bisher hatte sie es zwar geschafft die meisten Missstände zu beseitigen, doch jede ihrer Taten schien ein neues Unheil hervor zu beschwören. Es konnten nur noch die achtzehn heiligen Stimmen etwas dafür tun, dass die Welt doch nicht mehr unterging. Und das hieß für meine Protagonistin, sie alle kennenzulernen. Ich konnte wirklich nur hoffen, dass Ai nicht bemerkt hatte, wie große Ähnlichkeiten einige Charaktere mit seinen Kouhai hatten. Oder mit Quartet Night und Heavens, denn sonst hätte er wohl auch gewusst, dass ich für Cecil schwärmte. Immerhin hatte meine Protagonistin sich in den Stern der Musen verliebt. Hals über Kopf. Bisher war ich noch nicht in die Verlegenheit gekommen, ihnen die ein oder andere romantische Szene zu bieten, was ganz einfach daran lag, dass ich selbst keinerlei Romantik in dieser Welt erlebte. Ich hatte mich stumm damit abgefunden, dass alle hier Haruka liebten und so taten, als sei sie die einzige Frau in der gesamten Welt. Die Jungs würden vielleicht meine Songs mögen, aber niemals tiefere Emotionen für mich entwickeln. Das war eine Tatsache, die ich mittlerweile erkannte hatte. Vor allem, als mir Van „My Cutie... Drive me Crazy“ vorgesungen hatte. Noch dazu gab es da diese eiserne Regel, dass Liebe ein „No-No“ war. Und doch, auch wenn ich mich damit abgefunden hatte, mein Herz schien sich insgeheim doch danach zu sehnen. Gerade in Momenten, in denen ich alleine war, wurde dieser Gedanke laut. Doch dieser durfte sich niemals laut erheben. Dich zu greifen gelingt mir nicht, meine Unruhe will nicht enden... Ganz egal wohin ich auch geh... steh da mit leeren Händen.   Was mir fehlt danach frag ich dich auf die Suche mach ich mich. Hoffentlich finde ich, in der Dunkelheit das Licht. Vielleicht suchte ich am falschen Ort und fand die Lösung nicht. Sehe ich... hinein in mich... dann finde ich... Es war nicht das erste Mal, dass mir dieses Lied so spontan über die Lippen kam. Und meist wenn es das tat, stockte ich nach dieser letzten Zeile. Nicht weil ich den Text vergessen hatte, sondern weil das Schicksal immer für eine Unterbrechung sorgte. Ich stockte daher bei diesen Zeilen und lauschte. Niemand rief nach mir, keine Möwe drohte mich anzugreifen und es gab auch keinen Graf der mich über den Haufen rannte. Und doch brachte ich es nicht übers Herz die nächsten Zeilen zu singen. Sie schwangen wie ein Damokles Schwert über mir. Warum? Weil Catty Noir in diesem Lied ebenfalls etwas gesucht hatte. Ihre Musik. Ich suchte aber nicht nach meiner Musik. Ich suchte nach etwas, dass mir fehlte, von dem ich aber nicht wusste was es war, weil Shining es nicht für nötig hielt es mir zu sagen. Seit meinem Abschluss hatte er das auch nicht mehr so oft erwähnt. Woher sollte ich also wissen, ob ich nicht vielleicht schon gefunden hatte was ich suchte. Oder ob ich nahe dran war. Da ich sowieso nicht mehr in die Melodie zurück fand, schaltete ich wieder den I-Pod an und machte mich daran zurück zur Hütte zu gehen.   Pünktlich zu Reijis Nachmittagsunterhaltung war ich zurück am Strand und konnte beobachten, dass Reiji eine Plane in den Sand gelegt hatte, bei der er versuchte so viel Sand wie möglich zu entfernen. Er war auch der erste, der mich bemerkt hatte und mir fröhlich lächelnd zuwinkte. „Ere-chan! Du solltest dich umziehen. Es wird gleich sehr heiß her gehen. Vergiss nicht dich gut einzucremen. Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid, ich helfe dir gerne bei den schwierigen Stellen.“ Kaum das ich das hörte, errötete ich aus verschiedenen Gründen. Grund eins, ich vermutete, dass Reiji implizierte, dass ich endlich meinen Badeanzug anziehen sollte. Schon in Gedanken wollte ich nur noch fliehen. Ich, im Badeanzug, vor Quartet Night. Besonders vor Reiji. Ich wollte schon jetzt vor Scham im Boden versinken. Grund Nummer zwei war die Tatsache, dass Reiji mir anbot mich einzucremen. Da ich wusste, dass er ein ziemlicher Hentai sein konnte, war er der Letzte, dem ich erlauben wollte mich zu berühren. Zumindest solange es sich vermeiden ließ. „Schon okay... ich geh mich mal umziehen. Bis gleich.“ Ich verschwand lieber schnell zurück in die Hütte, bevor Reiji merkte, dass er mich verlegen gemacht hatte. Ich wollte ihm keine Angriffsfläche für einen seiner „Just kidding“ Momente geben. Die sollte er besser mit Haruka haben. Die Hütte zu betreten stellte sich aber als nicht sonderlich hilfreich heraus, wenn ich wollte, das meine Verlegenheit wich. Denn dort sah ich bereits den Rest von Quartet Night. Gekleidet in Badehosen und mit nackten Oberkörper. Eigentlich hätte dies der Traum meiner schlaflosen Nächte sein müssen, denn die Jungs sahen echt gut aus. Nicht überdurchschnittlich durchtrainiert, aber deutlich ohne eine Gramm Fett zu viel. Wahrscheinlich hatte der Strand doch etwas gutes. Ich konnte diesen Anblick genießen, ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, dass es falsch war. Immerhin hatte ich keine andere Wahl als das zu sehen. „Wisst ihr was Reiji mit der Plane vor hat?“, fragte ich, um nicht einfach nur schweigend zu starren, sondern auch irgendein Thema zu finden. „Eines seiner seltsamen Spielchen. Zieh dich schnell um, dann können wir sehen was er wieder vor hat“, merkte Ranmaru und verwies dabei auf das Schlafzimmer. „Wir warten draußen auf dich.“ „Lass uns nicht zu lange warten.“ Es war als wüsste Camus, dass ich vor hatte mir ganz viel Zeit zu lassen. Doch egal was er erwartete, ich würde mir soviel Zeit wie möglich nehmen. Ich brauchte geistig immerhin Vorbereitung.   Wild klopfte mein Herz, als ich vor der Tür stand und überlegte, ob ich sie öffnen sollte. Ich trug den Badeanzug, den ich zusammen mit Van gekauft hatte, doch ich hatte neben der Spange noch ein weiteres Accessoire hinzugefügt. Ein langes T-Shirt, dass genug von dem Anblick des Badeanzuges verbarg, so dass ich mich nicht gleich nackt fühlte. Dennoch zeigte es zu viel Bein. Aber damit konnte ich leben. Ich holte noch einmal tief Luft und öffnete die Tür um hinaus ins freie zu treten. „Das ist kindisch...“, hörte ich es schon von Camus murren und dachte, dass ich direkt in den nächstbesten Streit gestolpert war. „Ere-chan! Hier her!“ Es war als ignorierte Reiji Camus, kaum das er mich gesehen hatte. Er machte es deutlich, indem er mir winkte. Vorsichtig ging ich auf die Gruppe zu, die sich vor der Plane versammelt hatte. Reiji hatte wirklich ganze Arbeit geleistet den Sand von dieser fern zu halten. Seine Sachen hingegen... lagen im Sand. Er hatte sich, bis auf die Badehose, welche er wohl schon getragen hatte, entblättert und wurde damit zur Nemesis meines Schamgefühls. „Hä? Stand auf deiner Liste nicht ein Badeanzug?“, fragte Reiji enttäuscht, als er bemerkte, dass ich dieses große T-Shirt trug. „D-Doch. Aber ich dachte mir... naja... Was steht eigentlich auf dem Plan?“ Ich versuchte abzulenken, denn mir war das ganze hochgradig peinlich. Für einen Mann mochte es ja nicht schlimm sein, sich halb nackt zu präsentieren, aber für mich war Bademode immer noch sowas wie Unterwäsche und selbst in der präsentierte ich mich vor niemanden. „Es stehen Strandspiele auf dem Plan. Sandburgen bauen, Wasserball und....“ Aus einer Kühltruhe zog Reiji eine Melone. Groß, rund und absolut begehrenswert. In den zwei Jahren die ich hier verbrachte, hatte ich nicht wirklich oft die Chance eine Melone zu essen, geschweige denn eine am Strand zu zerdeppern, so wie ich es aus diversen Spielen kannte. Ich hatte das schon immer mal machen wollen und war irgendwie, Feuer und Flamme dafür. „Super, also der Part mit der Melone. Wer verbindet mir die Augen?“ Meist war diese Art von Spiel schnell durchgeführt. Jemanden wurden die Augen verbunden und der Rest musste Richtungsangaben machen. Da derjenige, der die Melone zerschlagen sollte mehr zu tun hatte, wollte ich natürlich diejenige sein, der die Augen verbunden wurden. „Seht ihr. Das wird ein Spaß. Also dann holen wir uns das köstliche Rot!“ Ohne länger zu fackeln oder zu hinterfragen, warum ich keinen Badeanzug trug, verband mir Reiji die Augen und drückte mir einen Stock in die Hand. Er drehte mich drei mal im Kreis, so dass ich meine Orientierung verlor und nicht mehr wirklich wusste, wo die Melone abgelegt worden war. Ich war bereit loszulegen. Doch es herrschte Stille um mich herum. Niemand sagte was. Nicht einmal Reiji. „Jungs, dass wird nicht funktionieren, wenn ihr mir nicht die Richtung sagt. Und glaubt mir, ich bin ganz scharf auf ein Stück Melone.“ Oh ja, dass war ich und wenn sie weiter schwiegen, würde ich einfach losschlagen und hoffen dass ich die Melone traf. „Links...“, hörte ich plötzlich Ais Stimme und wandte mich nach Links. „Drei Schritte.“ „Ai-Ai so spielt man das nicht. Rechts, Ere-chan!“ „Die Angaben sind zu ungenau. Woher soll sie wissen wo die Melone ist, wenn man sie so ungenau anleitet.“ „Das ist doch gerade der Spaß an der Sache“, erklärte ich und schlug zu meiner Rechten, wobei ich ein leises „uff“ vernahm. „Du musst weiter links gehen!“, murrte Ranmaru, wobei ich vermutete, dass ich ihn wohl beinahe getroffen hatte. Immerhin brachte ich ihn so dazu mit zuspielen. „Tch bist du blind auf den Augen. Sie muss etwas zurückgehen um die Melone zu treffen.“ Nun war es auch Camus der mitspielte. Seltsam, denn selbst jetzt stritten sie sich und doch gaben sie mir genaue Anweisungen wie ich gehen musste. Das Schweigen war gebrochen und auch wenn es länger dauerte, ich schaffte es. „Du bist da, Ere-chan! Schlag zu.“ „Wohin?“ „Links von dir“, antwortete Camus. Und so wie es der Graf aus eisigen Lande geraten hatte, schlug ich zu. Ich spürte den Widerstand und genauso, dass dieser nicht nachgab, weswegen ich erneut zuschlug. Doch immer noch nicht platzte die Melone. „Kotobuki-senpai, hast du einen Stein statt einer Melone hingelegt?“, fragte ich und schlug erneut drauf, mit etwas mehr Kraft. Dieses Mal gab sie nach und ich konnte spüren wie mir etwas feuchtes entgegen spritzte. „Getroffen! Gratuliere, Ere-chan!“, jubelte Reiji und nahm mir die Augenbinde ab. Ich hatte die Melone wirklich getroffen und war froh darüber. „Das war lustig. Danke. Will wer Melone?“, fragte ich und hob ein Stück von der Plane auf. Die Melone war zwar nicht geschnitten und wirkte mehr zerbrochen als wirklich Akkurat. Das Stück welches ich aufgehoben hatte, war zu groß für mich. Ich reichte es Ranmaru, der neben mir stand. „Oh ich weiß was gut passen würde. Ai, ist Eiscreme im Kühlschrank?“ Da er es gewesen war, der den Kühlschrank untersucht hatte, war ich mir sicher, dass er auch die Antwort wusste. Und er nickte. Nun war für mich nur noch eine Frage, wie ich diese Bruchstücke transportieren wollte. Mir fiel nur eines ein, weswegen ich mein Oberteil auszog und auf den Boden legte. Ich bemerkte jetzt erst das etwas nicht stimmte, als ich die Melone gut eingepackt hatte und zu den Jungs sah. Sie starrten mich an, wortlos oder viel eher sprachlos. „Was?“, fragte ich und sah an mir hinab, wobei ich jetzt bemerkte, was ich unbewusst getan hatte. Ich stand vor ihnen, im Badeanzug. Leicht bekleidet. Sofort als mir das richtig bewusst wurde, errötete ich und ich drückte mein selbst gepacktes Päckchen fest an mich. „Ich mach uns mal die Erfrischung.“ Fast schon als wäre ich auf der Flucht, lief ich zur Hütte zurück und verschwand in ihrem Inneren, mit klopfenden Herzen. Ich schelte mich dafür, dass ich vergessen hatte, was unter meinem Oberteil war. Doch ich hatte mich so wohl bei den viern gefühlt, dass ich alle Scham für einen kurzen Moment vergessen hatte.   Auf einem Tablett standen sie. Fünf Eisbecher mit Melone. Das T-Shirt war dahin, zu feucht um es noch wieder anzuziehen. Doch ich hatte entschieden mich nicht mehr zu verstecken. Die Jungs hatten den Badeanzug eh gesehen und beim Wasserball spielen würde das Oberteil sowieso nass werden. Ich konnte also im Badeanzug bleiben und mich den Jungs präsentieren. Sicherlich hatten sie auch etwas besseres zu tun als mich im Badeanzug anzustarren. Entschlossen trug ich das Tablett hinaus zu den Jungs, die in meiner Abwesenheit die Plane weggeräumt und dafür Sandspielzeug wie Eimer und Schaufeln hervorgeholt hatten. Ich fragte mich, ob sie gleich Sandburgen bauen wollten, oder sich doch erst mit der Melone und dem Eis abkühlen wollten. „Kotobuki-senpai, lässt deine Planung zu, dass wir erst ein Eis genießen können?“ Ich lächelte die Jungs an und bemerkte erneut ihre Blicke auf meinem Körper. Noch schützte mich das Tablett aber schon jetzt war s mir eindeutig zu viel Haut die ich zeigte. Bloß nicht daran denken, schwor ich mir und näherte mich ihnen, wobei ich jedem das Tablett entgegen hielt, so dass er sich ein Eis nehmen konnte. „Gerne doch. Dann genießen wir das Eis und ziehen währenddessen Stäbchen, um zu entscheiden wer in welchem Bauteam ist.“ Ich war erleichtert, dass sie mich nicht all zu sehr ansahen. Ich fühlte mich dadurch nicht schlecht oder mir war auch nicht unwohl. „Hier, Ere-chan. Du ziehst zuerst. Ich habe drei blaue und zwei rote Stäbchen vorbereitet. Diejenigen die die gleichen Farben ziehen, sind in einem Team. Wir haben alles da. Von Eimern bis hin zu Schaufeln und anderen Hilfsmitteln.“ „Ich muss ehrlich gestehen, mir tut mein Team jetzt schon leid. Ich bin nicht sonderlich gut darin visuelle Kunst zu schaffen. Aber gut.“ Ich stellte das Tablett mit meinem Eis auf den Boden und ruckelte etwas, damit es einen festen Stand bekam. Schließlich näherte ich mich Reiji und zog ihm eines der Stäbchen aus der Faust. Blau. Ich war also im Dreier-Team. Nun konnte ich nur noch gespannt abwarten, wer meine Kollegen sein würden. Vielleicht entschuldigte der Eisbecher schon im voraus meine Unfähigkeit. Ich setzte mich neben das Tablett und zog den Löffel aus dem Glas. An ihm klebte rosafarbenes Erdbeereis und vermischte sich mit dem Schokoladeneis, dass eine flüssige Spur von dem Wasser der roten Melone hatte. Ich liebte diese Mischung. Das erfrischende, süße von der Melone, mit dem herben Geschmack dunkler Schokolade und der sanften Säure welche das Erdbeereis inne hatte. Sicher hätte kaum einer aus Deutschland mir bei dieser Beschreibung zugestimmt. Deutsches Eis war anders. Und man konnte diesen natürlichen Geschmack aus Japan nur replizieren, indem man das Eis selbst machte. Und dann musste man auf Milch verzichten. Ich hatte erst einmal in meinem Leben Eis aus Sojamilch gemacht. Gekauftes aus dem Laden und es war widerlich gewesen. Doch das japanische Sojaeis, hatte es mir irgendwie angetan. Und das verdankte ich Mira, sie hatte mich in unser Lieblingseiscafé geschleift und so mit dem japanisch, cremigen Eisgeschmack vertraut gemacht. Lieber war mir nur das italienische Café. Dort bestand das Eis noch aus Milch doch die Auswahl war nicht groß. Dafür produzierte man das Eis dort selbst, so dass es immer, jeden Tag verschiedene Sorten gab. Während ich das Eis genoss und damit auch dieses Stück von Frieden und Harmonie eines perfekten Urlaubs, beobachtete ich Reiji, der jedem die restlichen Stäbchen entgegen hielt. Ranmaru zog nach mir. Rot. Damit also kein Mitglied meines Teams. Camus zog blau und schien entweder wegen meiner Ansage, oder wegen der Tätigkeit alles andere als begeistert. Ich war es auch nicht, denn der Graf aus eisigen Land machte mir Angst und weckte bei mir nicht gerade Sympathien. Ich sah mich im Prinzip mit dem zweiten Mitglied unserer Gruppe schuften, während er Anweisungen gab oder nicht zufrieden mit unserem Ergebnis war. „Ai-Ai, es entscheidet sich nun zwischen uns“, verkündete Reiji und wirkte dabei etwas herausfordernd. Es war seltsam, denn wir waren hier zum Spaß und doch schien es ihm wichtig zu sein, in welches Team er kam. Und Ai schien es zu verstehen, denn er zog sein Stäbchen ohne zu zögern und... Rot. Damit war entschieden, dass Reiji in meinem und Camus' Team war. Das konnte wirklich heiter werden. „Also schön, der Wettbewerb ist eröffnet!“, begeistert griff Reiji zwei Eimer und drückte mir sanft einen in die Hand, als ich den Eisbecher weggestellt hatte. „Wir schaffen das Ere-chan. Wir bauen die schönste Sandburg, die du je gesehen hast“, garantierte er mir lächelnd und sah zu Camus, als wollte er eine Bestätigung seiner Worte. Der Graf aus eisigen Lande schwieg aber. Dennoch, egal was wir bauen würde. Es würde auf ewig in meiner Erinnerung bleiben. Soviel war mir klar.   Wir legten gemeinsam nur noch die letzten Handgriffe an unsere Sandburgen. Mit verschiedenen Eimern hatten wir genug Sand geschöpft, um runde Türme zu erzeugen, welche in die Luft ragten. Reiji hatte schließlich mit einer Schaufel dafür gesorgt, dass die Dächer einigermaßen kegelförmig aussah. Ich war stolz auf unser Werk, auch wenn es nicht perfekt war. Es war mehr als der Durchschnitt und mehr als ich alleine geschafft hätte. Camus selbst hatte sich sogar als sehr nützlich erwiesen, denn mit filigranen Bewegungen und einem benutzten Eislöffel, hatte er kleine Fenster in das Gemäuer gemacht, ohne alles zu zerstören. „Okay, die Zeit ist um!“, verkündete Reiji obwohl er genau wusste, dass wir noch nicht fertig waren mit dem Feinschliff. Er reckte sich und sah, genau wie ich, zum ersten Mal zu Ranmarus und Ais Sandburg die einfach nur... unglaublich war. Die beiden hatten es wirklich geschafft in kurzer Zeit ein detailgetreues mittelalterliches Schloss zu erschaffen. Ai ritzte gerade noch die letzten Fugen für Ziegel ein, während Ranmaru einen letzten Eimer voll Wasser in einen Burggraben kippte. Just in diesem Moment sah ich wohl genauso verdattert und dämlich drein wie Reiji. „Ai-Ai! Ran-Ran... Das sieht... unglaublich aus.“ „Wow. Ihr habt sogar einen Burghof gebaut.“ „Naja, das ist okay, aber nicht wirklich Realitätsgetreu.“ Innerlich verdrehte ich die Augen, denn Camus schien einfach nicht über seinen Schatten springen zu können und sagen zu können, dass Ai und Ranmaru wirklich ganze Arbeit geleistet hatten. Faszinierende Arbeit. Wobei ich gestehen musste, dass ich auch in Camus Worten so etwas wie ein Kompliment verbarg. Ein kleines, hauchdünnes. Aber es war da. „Ich würde sagen, Mikaze-senpai und Kurosaki-senpai haben das Sandburgen bauen gewonnen. Was ist ihr Preis, Kotobuki-senpai?“ „Die Anerkennung aller“, verkündete Reiji so stolz als wäre die Anerkennung aller der Oskar selbst. Mir hätte es ja klar sein müssen, dass es keinen wirklichen Preis gab aber ich wollte mich nicht beschweren, denn irgendwie hatte es ja doch Spaß gemacht. Auch wenn wir gefühlt hundert Mal von vorne anfangen mussten, weil der Sand in sich zusammen gefallen war. Wir hatten ewig gebraucht, bis wir auf die Idee gekommen waren, den Sand mit einer Wassersprühflasche zu befeuchten. „Dann kommen wir nun zum sportlichsten Part. Es ist warm geworden und wir brauchen alle eine Abkühlung. Es wird Zeit für eine Runde Wasserball. Wir ziehen wieder Stäbchen. Ai-Ai, bist du unser Schiedrichter?“ Ai nickte und erhob sich vom Boden. Er ging in die Richtung, in der ein Handtuch auf dem Boden lag. „Also schön. Wir spielen in zwei Zweierteams. Jedes Mal wenn der Ball auf der Wasseroberfläche aufkommt, gilt es als ein Punkt für das gegnerische Team. Und dieses Mal gibt es einen Preis. Der Gewinner wird nicht in Sand ein gebuddelt. Also gebt euer bestes.“ Reiji griff wieder zu den Stäbchen und mischte sie in seiner Faust, so dass niemand von uns noch wusste, welche Farbe wo war. Das er geschickt mit den Händen war, wusste ich, denn immerhin war er auch ein begnadeter Zauberer. Irgendwann, dass beschloss ich just in diesem Moment, musste er mir eine private Magievorstellung geben. Wie schon vor dem Sandburgen bauen hielt er mir die Stäbchen als erstes entgegen. Ich zögerte nicht und zog dieses Mal rot. Insgeheim hoffte ich nun natürlich, Reiji wieder als meinen Partner zu haben. Bisher hatte das Schicksal es ja recht gut gemeint. Wobei ich ehrlich gesagt Ranmaru und Camus bemitleidet hätte, wenn sie miteinander spielen mussten. Nach mir zog Ranmaru. Seine Farbe war dieses Mal blau. Meine Chance wuchs also auf fünfzig Prozent, damit Reiji in meinem Team war. Grinsend hielt er Camus die letzten zwei Stäbchen entgegen und ich drückte fest die Daumen, dass es Reiji war, der am Ende in meinem Team sein würde. Ich hielt den Atem an, als Camus Stück für Stück das Stäbchen hervorzog und seufzte innerlich enttäuscht auf. Rot. Camus war also in meinem Team.   Es gab keine genaue Linie dafür was unsere oder die Seite der anderen war. Solange wir Knietief im Wasser standen war alles okay. Nicht zu leicht, nicht zu schwer. Einfach perfekt. Und Ai hatte selbst von seiner Entfernung noch genug Einsicht um entscheiden zu können, ob ein Punkt erzielt wurde oder nicht. Camus und ich hatten uns gar nicht abgesprochen wie wir standen oder vorgehen wollten, doch ich merkte, dass Camus nicht wirklich auf das Spiel fokussiert schien, sondern viel eher auf Ranmaru, der seinen Blick herausfordernd erwiderten. In einem Anime wären es nun Reiji und Ich gewesen, die sich ganz gechillt zurücklehnen und den beiden zusehen konnten. Und ja, es passierten viele Anime-Klischees in Uta no Prince-sama und eigentlich erwartete ich auch dieses. Dennoch ich ließ mich immer wieder gerne überraschen, zumal ich einige Male mit meiner Art und Weise dafür gesorgt hatte, dass viele Klischees ausgehebelt und durch andere ersetzt worden. „Ai-Ai, walte deines Amtes“, erklärte Reiji und lächelte seinem Freund zu, der den Wasserball nahm und hochhielt. „Sobald der erste den Ball berührt, gilt er als im Spiel. Wer als erstes zehn Punkte beim gegnerischen Team gelandet hat, gewinnt die erste Runde. Wir spielen vier Runden. Sollte es in diesen keinen eindeutigen Sieger geben, wird eine finale fünfte Runde entscheiden, wer das Spiel gewinnt.“ Ai gab noch die letzten Regeln für das Spiel bekannt, bevor er uns den Ball entgegenwarf. Sofort, ohne dass ich auch nur eine Sekunde Reaktionszeit hatte, rannten Ranmaru und Camus los um den Ball als erstes zu berühren. Es war Ranmaru, der das Rennen machte und den Ball mit aller Kraft auf mich zu schmetterte. Aus einem Instinkt heraus, der vielleicht noch wegen meiner kurzen Zeit in einem Volleyballverein geschuldet war, ging ich etwas in die Knie und bot dem Ball meine Unterarme dar. Er kam gezielt auf diese zu und selbst wenn es nur ein mit Luft gefüllter Wasserball war, es würde dezent zwiebeln. Aber das war ich ebenfalls vom Volleyball gewohnt. Doch bevor der Ball bei mir ankam, hatte sich Camus zwischen mich und ihm gestellt und zurück zu Reiji und Ranmaru gespielt. „Hast du es wirklich so nötig, dass du denkst du müsstest auf das schwächste Glied meines Teams zielen?“, murrte er. Und auch wenn ich unterbewusst wahrnahm, dass er es wohl nur gut meinte und vielleicht ein bisschen Sorge hatte, dass ich mich verletzte, ging das zu weit. Was ich deutlich machte, indem ich ihn mit Wasser bespritzte. „Du wagst es-“, knurrte er und bekam just in diesem Moment die zweite Wasserwelle von mir ab. „Ja, denn ich hätte diesen Ball bekommen und mir wäre egal, ob es wehtut. Ich wäre dir also sehr verbunden, wenn du mir etwas zumutest und mich mit spielen lässt. Übrigens...“ „Was?“ „Ball...“, flüsterte ich beleidigt und eher leise, denn er sah mich wütend an. Er konnte aber nicht mehr rechtzeitig reagieren und der Ball, den Reiji gespielt hatte, traf ihn am Hinterkopf. Immerhin war der Ball so nicht auf das Wasser gekommen und es lag an Ranmaru und Reiji diesen Ball zurück zu spielen. Doch da Camus' Kopf scheinbar nicht genug Schwung mit sich brachte und Reiji und Ranmaru nicht schnell genug laufen konnten, kam er auf dem Wasser auf. „Punkt für Camus und Erenya“, rief Ai und obwohl Camus mich finster ansah, konnte ich nicht anders als zu grinsen. „Gutes Teamwork.“ Mir verstarb das Lächeln recht schnell, denn Camus revanchierte sich bei mir, indem er mir eine volle Ladung Wasser ins Gesicht spritzte. Hätte ich eine Frisur besessen, wäre diese nun ruiniert gewesen. Ich blies mir nämlich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Camus an. Er sah mich an und wir beide schwiegen unseren Disput aus, bis ein Ball platschend neben uns aufkam und uns beide mit einer Fontäne bespritzte. Unisono glitt unser Blick zum Übeltäter, der sich als Reiji herausstellte. Zumindest versuchte er sich hinter Ranmaru zu verstecken, als wir ihn böse anblitzten. „Camus-senpai...“ „Ich verstehe... Ich überlasse es dir ihm das Lebenslicht auszuknipsen.“ Wir verstanden uns auf seltsame Art und Weise. Ich nahm also den Ball, warf ihn etwas in die Luft und schmetterte ihn auf Reiji zu. Dieser wich panisch aus, denn ich hatte auf sein Gesicht gezielt, so dass der Ball erneut im Wasser landete. „Damit steht es zwei zu eins für Camus und Erenya“, hörte ich Ai von weitem den Punktestand ansagen. Doch das war sowohl mir als auch Camus egal. Rache war Blutwurst.   Schwer atmend waren wir zu viert aus dem Wasser gekommen. Das Ergebnis stand nach fünf Runden fest und mehr hätten es weiß Gott nicht sein dürfen. „Ich erkläre Erenya und Camus zum Gewinner“, verkündete Ai. „Beide haben in drei von fünf Runden die Führung inne gehabt. Das Teamwork war zwar etwas fragwürdig, aber noch weniger vorhanden war das Teamwork von Reiji und Ranmaru. Die besten Angriffe lieferte Ranmaru, wohingegen Erenya die furchtlosere Abwehr war.“ Furchtlosere Abwehr, das klang doch mal nach einem Titel, der albern war. Ich wusste nicht einmal, ob Ai nicht vielleicht scherzte. Aber mit einem hatte er Recht, ich hatte keinen der Angriffe von Ranmaru gescheut, was wahrscheinlich daran lag, dass ich auch schon im Sportunterricht nie die Volleys der Jungs gefürchtet hatte. Wenn andere Mädchen schreiend zur Seite gewichen war, hatte ich sie im Bagger angenommen und mir dabei einen süßen Schmerz der Zufriedenheit hinzugefügt. Diese „Furchtlosigkeit“ war wahrscheinlich der Grund, warum ich immer wieder gefragt wurde, ob ich nicht im Team dabei sein wollte, wenn es wieder einmal Wettbewerbe gab. „Gute Arbeit, Camus-senpai. Wo buddeln wir die beiden ein?“ „Nahe am Meer. Dann sind wir zwei Probleme los.“ Meine Augen weiteten sich und hörte schon Reiji im Hintergrund zetern, dass Camus doch so gemein war. Der Graf blieb jedoch unbeeindruckt. Ich hingegen konnte mir ein fieses Grinsen, zumindest war es für meine Verhältnisse fies, nicht verkneifen. „Vergraben wir sie doch hier und bedecken ihre Köpfe mit einem Eimer.“ „Nicht du auch noch, Ere-chan! Warum seid ihr immer so fies zu mir?“ Reiji war durch und durch ein Idol, denn er konnte auf Knopfdruck losweinen. Zumindest liefen an seinen Wangen Sturzbäche von Tränen entlang. Etwas das ich schon in der Serie nicht mochte, weil ich dann immer Mitleid mit ihm bekam und ihn umarmen wollte. „Awww, Kotobuki-senpai, nicht weinen. Das waren die Regeln. Ich füttere dich auch mit Obst, wenn du dich brav einbuddeln lässt.“ Da war es wieder. Das liebe Mädchen, das ich sein konnte, wenn ich jemanden helfen wollte. Und kaum, dass ich das gesagt hatte, verschwanden Reijis Tränen und zurück blieb nur eine feuchte Spur. Stattdessen änderte sich sein Ausdruck zu einem zweideutigen Grinsen und ich bereute sogleich, dass ich gesagt hatte, was ich eben gesagt hatte. Doch Reiji schwieg. Ich wollte nicht wissen, was in seinem Kopf vor sich ging.   Am Abend, ausgebuddelt aus Sand, trocken und gekleidet in Kleidung, saßen wir beisammen am Tisch und sahen auf das Abendessen, welches Ranmaru, Reiji und ich in einem kleinen Wettbewerb erschaffen hatten. Seltsamerweise hatte ich mich sehr von Reiji beeinflussen lassen, denn ich hatte es wirklich ernst genommen und mir etwas ausgesucht, dass nicht gerade so einfach war wie ein Salat, den Ranmaru bereitet hatte. Reiji hingegen hatte sich richtig Mühe gegeben und Okonomiyaki gemacht. An mir hingegen war das Dessert hängen geblieben. Ganz passend also, denn ich liebte es Desserts zu machen. Auch wenn japanische Desserts nicht ganz so mein Ding waren. Da ich bereits gebacken hatte, nahm ich Abstand davon und entschied, ein Tiramisu zu machen. Nicht japanisch, aber dennoch sehr lecker. Auch wenn ich etwas improvisieren musste. Hätte ich mein Handy dabei gehabt, wäre mir das improvisieren viel leichter gefallen. Ich hatte etwas Quark mit Frischkäse vermischt und mit Vanillezucker gesüßt. Da ich keinen Löffelbisquit hatte, griff ich auf Kekse zurück, die im Schrank standen. Es war also mehr eine besondere Art kalter Hund, statt ein Tiramisu. Ein Fake-Tiramsu also. Ich hoffte dennoch, dass es schmeckte. Mir persönlich mundete die Käse-Quarkcreme und ich war mir sicher, dass die anderen sie auch nicht schlecht finden würden. Das Beisammen sein am Tisch hatte noch einmal etwas schönes für den Abend. Etwas das ich sehr aus meiner Welt vermisste, weswegen ich dankbar über jedes gemeinsame Essen mit Freunden war. Auf ein gemeinsames Essen mit meinen Eltern musste ich ja verzichten. „Ich denke wir wissen nun wer für den Küchendienst verantwortlich ist“, erklärte schließlich Reiji, noch bevor wir überhaupt die Chance hatten auch nur etwas der zubereiteten Dinge zu essen. „Ran-Ran und ich werden es übernehmen.“ „Das entspricht nicht den vereinbarten Regularitäten des Kochwettbewerbs. Wir hatten nicht die Möglichkeit alle Gerichte zu werten und zu entscheiden, ob dies wirklich die beste Wahl wäre. Erenya sollte dieselbe Chance bekommen“, erklärte Ai, der scheinbar mein Entsetzen mitbekommen hatte. Denn wenn ich ehrlich war, fühlte ich mich von Reiji übergangen, indem er das einfach so entschieden hatte. Gleichzeitig fragte ich mich, was ich in der Küche falsch gemacht haben konnte, dass Reiji sich nun so benahm. „Ere-chan soll sich doch in ihrem Urlaub erholen. Zu kochen zählt da nicht dazu. Für den Abend als ein Wettbewerb zum Spiel ist okay, aber nicht die ganzen drei Tage. Ere-chan, lass dich einfach verwöhnen und genieß deinen Urlaub in vollen Zügen.“ Reiji lächelte und irgendwie ging mir das nahe. Er hatte diese Entscheidung nicht getroffen weil mein Essen schlecht sein könnte, sondern weil er sich vielleicht irgendwie um mich sorgte. Und das war doch irgendwie süß. Noch dazu, wenn ich es recht bedachte, hatte ich den Tag über doch eine Menge Spaß gehabt. Auch wenn mich der Gedanke, dass er die Planung übernommen hatte, doch schon dezent aufgeregt hatte. „Solltet ihr nicht auch euren Urlaub genießen? Immerhin habt ihr etwas mehr zu tun wie ich. Wäre es da nicht fair, wenn ich auch hin und wieder das Kochen übernehme?“ Die Jungs sahen einander an. Ihre Blicke waren seltsam. Fast so fragten sie sich, ob ich etwas nicht verstanden hatte. Doch Reiji lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein nein. Das ist schon okay. Wir sind das gewohnt und haben genug Ruhepausen. Bei dir ist die Lage etwas anders im Moment. Sag, Ere-chan, hast du nicht manchmal Heimweh?“ Ich blinzelte als Reiji mich das so direkt fragte. Natürlich hatte ich Sehnsucht nach meiner Heimat. Seit zwei Jahren vermisste ich neben Shicchi auch meine Eltern, meine Freunde und doch, führte für mich kein Weg nach Deutschland. Denn dieses Deutschland würde wohl nicht meines sein. „Hin und wieder schon. Aber die Arbeit lenkt mich ganz gut ab.“ „Deine Eltern sind auch noch in Deutschland, oder?“, fragte Ranmaru und verwunderte mich damit, dass er mir diese Frage überhaupt stellte. „Ja das sind sie.“ „Menschen würden wohl sagen, dass es sehr mutig ist, dass du ohne deine Eltern hier bist. Was mich interessiert, machen sie sich keine Sorgen?“ Ais Worte versetzten mir einen sanften Stich. Hätten meine Eltern gewusst wo ich war, oh ja, sie hätte sich Sorgen gemacht. So große, dass ich es nicht geschafft hätte sie zu beruhigen. „Schon ein wenig. Vor allem aber macht sich meine Mutter Sorgen. Ich bin ein Einzelkind und ihr größter Schatz, was daran liegt, dass sie an Epilepsie leidet. Als ich zur Welt kam, sagten ihre Geschwister und ihre Mutter, dass sie mich niemals damit großziehen könnte, aber sie hat es geschafft und ich denke ich bin auch irgendwie anständig geraten. Mein Vater hingegen... naja er sieht das etwas cooler. Er ist nicht gerade der überemotionale Typ. Sicherlich macht er sich auch Sorgen, aber er lässt mich machen und vertraut mir, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe.“ Wehmütig dachte ich an meine Eltern zurück, die ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich vermisste sie wirklich, vor allem von meiner Mutter wollte ich wissen, ob es ihr gut ging. Nicht übers Telefon sondern persönlich. Sobald ich zurück war, würde ich sie wieder besuchen. Soviel stand fest. „Sind deine Eltern auch musikalisch tätig?“ Ich musste lachen, als Camus das fragte und schüttelte den Kopf. Die Vorstellung war wirklich zu absurd. „Nein. Mein Vater singt zwar in der Küche beim kochen und backen, oder in der Wanne, aber von Talent kann man bei ihm nicht reden. Er ist so musikalisch wie eine Kettensäge. Meine Mutter hingegen hat in ihrer Jugend mal im Chor gesungen. Mehr aber auch nicht. Immer wenn sie meine Lieblingsmusik hörte, meinte sie, dass die auch im Radio laufen würde. Dabei hörte ich schon damals bevorzugt Musik aus Japan und die wurde bei uns in Deutschland kaum bis gar nicht gespielt. Sie hat also nicht wirklich ein Ohr für Lieder. Für sie klingt wahrscheinlich alles gleich. Wobei sie immer sagt meine Singstimme hätte ich von ihr.“ „Das klingt sehr unlogisch. Sie hat lediglich das biologische Erbmaterial mitgegeben, welches deine Musikalität begünstigt.“ Das Ai alles wieder etwas rein rationaler und biologischer sah, war irgendwie verständlich. Ich konnte nicht abstreiten, dass er Recht hatte und ich selbst meine Mutter hin und wieder unlogisch fand, das aber von einem Fremden zu hören war irgendwie... doof. Niemand sollte meiner Mutter nachsagen das sie unlogisch war, abgesehen von mir. „Dennoch, ich liebe beide mit ihren Macken und positiven Seiten, denn egal was passiert ist, sie haben immer zu mir gehalten. Und selbst als ich an Shinings Schule wollte, haben sie alles getan, damit ich mir diesen Wunsch erfüllen kann. Deswegen darf ich nicht, egal was passiert, das Handtuch werfen. Sicher, meine Eltern würden nicht schlecht von mir denken, aber für mich würde es sich anfühlen, als hätte ich ihnen keine Ehre gemacht.“ Ich war mir sicher, dass gerade als Japaner, zumindest was Reiji und Ranmaru anging, die Jungs das verstehen würden. Doch als ich zu Camus sah, nickte er verständnisvoll. Wie ging es wohl ihm? Er war immerhin der Graf aus eisigen Lande, der seine Königin über alles respektierte und verehrte. Zumindest wenn man den Spielen glaubte. Wahrscheinlich war sein zweites Gesicht seiner Königin geschuldet, die er nicht enttäuschen wollte. Und vielleicht war sein zweites Gesicht auch nur Ausdruck dessen, dass er selbst hin und her gerissen war zwischen seiner wahren Leidenschaft für Musik und dessen was seine Königin unter Umständen von ihm erwartete. Wenn dem so war, dann hatte ich heute in einigen kurzen Moment Camus wahres Gesicht gesehen. Etwas, worauf ich sehr stolz war.   Der Abend und die Nacht vergingen wie im Flug und der neue Morgen kam, noch bevor ich auch nur einen Tropfen Erholung wirklich einziehen konnte. Ich wehrte mich geistig gegen die sanfte Berührung und das Rütteln an meiner Schultern. Doch ich ergab mich der penetranten Schüttelei und mein Geist entschwand Morpheus Umarmung. Ich bereute es aber, als ich die Augen öffnete und mich Reiji mit einem strahlenden, blendenden Grinsen ansah. „Guten Morgen, Ere-chan! Die Sonne lacht und es wird Zeit den Tag zu begrüßen.“ „Oh... du bist es nur...“, murrte ich und drehte mich um, wobei ich mir die Decke etwas mehr über den Kopf zog. Okay, ja, ich offenbare mein wohl schlimmstes Geheimnis. Etwas, dass niemand der mich einigermaßen gut kannte, wusste. Ich war ein Morgenmuffel. Selten hatten meine Freunde in meiner und in dieser Welt mich so erwischt, wie es gerade Reiji tat. Meist bemerkten meine Freunde nur, dass ich etwas ruhiger am morgen war. Von dem Muffel bemerkten sie selten was, denn ich brauchte mindestens eine Stunde um vernünftig munter und damit wieder menschlich zu werden. Davor war ich nur grantig, mies, gemein und ein Monster, dass sich nach jeder Sekunde Schlaf sehnte. Lediglich meine Mutter kannte diese Seite und sie schwor Brief und Siegel, dass ich es von meinem Vater hatte. Sie empfand es sogar als traurig, denn in jüngeren Jahren hatte ich es sogar geschafft vor meinen Eltern aufzustehen. Er zog mir, ganz wie meine Mutter, die Decke weg und grinste weiter, verspielt und schelmisch. So als kannte er Tricks wie er mich zum aufstehen bewegen konnte. Dieser Mann lief gerade auf gefährlich dünnem Eis und wahrscheinlich war ihm das nicht einmal bewusst. „Das Frühstück ist fertig.“ „Mir egal...“, murrte ich und rollte mich wie eine Katze ein, hoffend, dass er diesen Wink verstehen würde und mich endlich alleine ließ. Mir war das Frühstück wirklich egal, ich nahm es regulär nur zu mir, weil es hieß, dass Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages war. In meiner Welt war Schlaf das wichtigste, aber nach meiner Meinung fragte gerade keiner. „Awww was ist das denn?“ Etwas wurde neben mir weggenommen. Ich spürte es deutlich, denn der warme Stoff des Kuscheltieres, oder viel eher der Puppe, welche ich mitgenommen hatte, war plötzlich weg. Diese Puppe, die so viel über mich aussagte. Schlagartig wurde mir das bewusst und ich erhob mich viel zu schnell und griff nach dem Plüschtier. „Huh? Ist das nicht eine Puppe von einem Charakter, den Cechan gesprochen hatte? Hat Nya-chan etwa eine Schwäche für-“ „Das ist einfach mein Lieblingscharakter der Serie. Ich hab auch Schlüsselanhänger von Charakteren, die du gesprochen hast. Weil ich sie mag“, murrte ich und drückte die Puppe fest an mich, wobei ich versuchte sie zu verstecken, genau wie den roten Schimmer auf meinen Wangen. „Wirklich? Naja, mach dich fertig, Sonnenschein, wir haben auch heute wieder viel vor.“ Auch wenn ich nicht wirklich begeistert war, früh aufzustehen begeisterte mich nie, nahm ich mir doch vor erst einmal abzuwarten, was kommen würde. Immerhin hatte der Tag zuvor auch unerwartet Spaß gemacht. Dennoch hoffte ich, dass ich auch mal die Zeit finden würde meine Magazine zu lesen.   „Wandern? Echt jetzt?“, fragte ich, während ich an einem Milchkaffee nippte, der ursprünglich mal ein Kaffee war. Nun bestand er aus dreiviertel Milch und einem viertel Kaffee. Ranmaru hatte mich strafend angesehen, als er meine Mischung bemerkt hatte. Aber damit musste er leben, immerhin hatten sie keinen Cappuccino. „Ja! Gestern habe ich bemerkt, dass hier ein Wald in der Nähe ist. Das wird unser Abenteuer des Tages. Wir gehen wandern und erkunden den Wald. Ich mache Bentos die wir dann gemeinsam essen können.“ „Ich weiß nicht...“ Ich wusste wirklich nicht, ob ich diese Idee so toll finden sollte, immerhin hatte ich schon während der Schulzeit das Wandern gehasst. Damals in der ersten Klasse, wenn es hieß, es würde einen Wandertag geben. Wobei ich gestehe, ich hatte selbst diese Wandertage damals herbei gesehnt, denn Wandertage hießen immer Taschengeld. Aber dieses Mal konnte mich kein Taschengeld locken. Nicht einmal Reijis Bento. „Das wird ganz toll. Oder... willst du lieber etwas Zweisamkeit mit mir haben?“, fragte Reiji mit einem Grinsen das mir sagte, dass diese Zweisamkeit mir sicher unangenehm wäre, auf die ein oder andere Weise. „Nein nein. Ich denke Wandern ist ganz okay, solange die anderen auch mitkommen.“ „Natürlich, das ist Part zwei unserer Gruppenaktivität während dieses Urlaubs. Nicht wahr?“ Strahlend sah Reiji zu den anderen Mitgliedern von Quartet Night, von denen ich hoffte, dass sie widersprechen würden, doch sie schwiegen, wenn auch eher unerfreut. Kein Gemurre, keine Diskussion... Das war unheimlich. Schon am Vortag war mir aufgefallen, wie wenig sich besonders Ranmaru und Camus gestritten hatten. Sicher, da war diese eine Episode beim Wasserball gewesen, und bei der Bettenwahl, aber sonst war es doch recht ruhig. Viel zu ruhig und alles andere als harmonisch. „Da kann ich ja vom Glück reden, dass ich keine Absatzschuhe trage und keine mit habe...“, murmelte ich alles andere als glücklich und nahm einen erneuten Schluck von meinem Milchkaffee. Ich war wirklich nicht sehr zufrieden mit der Tagesplanung. Doch niemals hätte ich zu diesem Zeitpunkt gedacht, was diese Wanderung auslösen würde. Hätte ich es gewusst, ich wäre im Bett geblieben und hätte das Drama verschlafen.   Der Weg zum Wald war schon eine Wanderung für sich und wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir, kaum dass wir ihn erreicht hatten, wieder umgekehrt. Noch dazu sah der Wald sehr dicht aus und ich fragte mich, was Reiji sich von einer Wanderung erhoffte. „Da sind wir. Auf geht’s.“ „Hast du eine Karte?“, fragte Ai und sah zu Reiji, der vollkommen euphorisch war. „Keine Sorge, Ai-Ai ich habe alles nachgelesen. Vertraut mir.“ Ich wusste, dass es niemals etwas Gutes bedeutete. Vor allem nicht, wenn es jemand wie Reiji war. Selbst einem Natsuki oder einer Mira hätte ich nicht vertraut und letzteres war schon stark tragisch. „Können wir nicht einfach wieder zurück?“, fragte ich leise, fühlte mich aber von Reiji dezent übergangen, als dieser meine Hand nahm und mich hinter sich ins Innere zehrte. Ein Blick zurück verriet mir, dass die anderen drei uns folgten. Scheinbar waren sie nicht sonderlich begeistert, doch erneut gaben sie Reiji nicht viel Konter. Nein, hier stimmte etwas ganz und gar nicht.   Wir liefen gefühlt eine Ewigkeit. Alles was ich nur sah waren Bäume, Bäume und noch viel mehr Bäume. Man hätte sogar schon sagen können, dass ich sie allmählich leid wurde, denn es gab keine Abwechslung, abgesehen von den Vögeln, die immer wieder ein anderes Lied anstimmten. „Wohin gehen wir genau, Kotobuki-senpai?“, fragte ich nach einiger Zeit in der wir Reiji einfach nur stumm folgten. Er hatte irgendwann meine Hand losgelassen, so dass ich selbst etwas zurück gefallen war, aber ihm immer noch näher war als dem Rest der Gruppe. „Es soll hier einen See geben, inmitten des Waldes. Zumindest habe ich das auf der Karte im Internet gesehen. Ich dachte, wir könnten dort ein Picknick machen, miteinander reden, ein paar Spiele spielen und einfach die Natur genießen.“ Reiji sah zu mir und lächelte aufmunternd, was mir doch einen kleinen Teil meiner Energie zurück gab. Er hatte etwas interessantes erwähnt, einen Ort, den ich nur zu gerne sehen wollte. Ein See im Wald hatte für mich immer etwas bezauberndes, mysteriöses. Zumindest in meiner Fantasie. Ich wollte einfach abgleichen, ob meine Fantasie der Realität entsprach. Es war schon seltsam, dass ich mich so leicht von Reiji begeistern ließ, obwohl ich dagegen sein wollte. Gegen den Badeanzug, gegen das Spielen am Strand, gegen Fotos, und ja es waren bereits ein gutes Dutzend entstanden, und gegen eine Wanderung im Wald. Er hatte es irgendwie geschafft, mich für alles zu begeistern oder mir zumindest jeden negativen Gedanken zu beseitigen. „Meinen Berechnungen zufolge sind wir nicht richtig gelaufen um inmitten des Waldes anzugelangen. Ich kann auch keine Geräusche von Wasser aus der näheren Umgebung hören“, erklärte Ai und mischte sich damit in das Gespräch von Reiji und mir ein. „Keine Sorge, Ai-Ai wir sind höchstens etwas vom Weg abgekommen.“ „Wie weit vom Weg?“, fragte Camus erbost, was auch Reiji deutlich wahrnehmen musste. Er blieb stehen und sah zu den anderen zurück, mit einem Lächeln, dass ihnen sagen sollte, dass sie sich keine Sorgen machen mussten. Doch etwas an diesem Lächeln wirkte gezwungen. Panik stieg in mir auf. „Nur ein kleines bisschen“, erwiderte Reiji, dass Lächeln nicht verlierend. „Wieviel ist ein kleines bisschen? Sag schon!“, knurrte Ranmaru alles andere als erfreut. Was ich verstehen konnte, denn gerade deutete sich mein größter Albtraum an. „Wir sind sicher bald wieder auf dem richtigen Pfad“, antwortete Reiji und lenkte dezent vom Thema ab. Wobei er genau das sagte, was wir alle wohl schon längst befürchteten. „Es scheint als hätten wir uns verlaufen“, schlussfolgerte Ai monton und machte deutlicher, was Reiji nicht aussprechen wollte. „Das reicht!“ Ranmaru ging an mir vorbei und näherte sich Reiji, wobei er sich bedrohlich vor ihm aufbaute. Es schien als würde sich auf einem Schlag eine Spannung entladen, die es bereits seit einem Tag gab. „Wir haben dir die Planung überlassen, weil wir dachten, dass du am besten geeignet bist um sie während des Urlaubs abzulenken!“ „Das mag für dich stimmen. Ich wollte einfach nur zum Urlaub meine Ruhe haben. Und davon hatte ich bisher nicht viel.“ „Ran-Ran, Myu-chan... Habt ihr denn keinen Spaß?“, fragte Reiji, wobei er ziemlich weinerlich klang. Ja, dass war schon eher ein Bild das mir vertraut war. Doch etwas war anders. Ranmaru und Camus meinten es ernst. „Es macht sicher keinen Spaß sich zu verlaufen“, erklärte Camus und verschränkte die Arme, wobei er sich abwandte. „Ich gehe zurück zur Strandhütte. Wir dürften aus dieser Richtung gekommen sein.“ „Tch... jemand wie du hat doch keinen Orientierungssinn. Wir sind aus der Richtung gekommen“, konterte Ranmaru und verwies in die komplett entgegengesetzte Richtung. „Mein Orientierungssinn ist ausgezeichnet. Bei dir bin ich mir nicht so sicher, denn du scheinst immer noch nicht zu wissen in welche Richtung du willst.“ „Was?!“ „Ran-Ran, Myu-chan, bitte streitet nicht. Wir hatten doch gesagt, dass wir uns zusammenreißen während des Urlaubs.“ Reiji versuchte zu vermitteln doch zwei paar erboster Augen betrachteten ihn. „Wir würden nicht streiten, wenn du nicht immer deinen Kopf durchsetzen müsstest“, murrte Ranmaru und zum ersten Mal waren er und Camus sich wirklich einig. „Du hast in der Vorbereitung versagt. Wie dilettantisch.“ „Er hätte die Karte aus dem Internet zumindest ausdrucken können....“, erklärte Ai und reihte sich damit in die Reihen der enttäuschten ein. „Mein GPS funktioniert hier draußen nicht.“ Ich hob eine Augenbraue und sah zu Ai. Das er ein Android war, war mir ja klar, nicht aber das er bei sich GPS eingebaut hatte. Aber das war vermutlich logisch wenn man bedachte, dass er wahrscheinlich auch eine integrierte Datenbank als Gehirn hatte. „Ihr macht Ere-chan Angst“, versuchte Reiji alle zu beschwichtigen, nachdem er meinen Blick gesehen hatte. Doch die restlichen Mitglieder Quartet Nights schienen die Situation anders zu deuten. „Der einzige der ihr Angst macht, bist du mit deinen Schnapstideen. Mit Starish im Urlaub wäre sie wahrscheinlich besser bedient gewesen und es wurmt mich, dass ich das zugeben muss!“, murrte Camus und offenbarte zum zweiten Mal etwas, dass mir längst hätte bewusst sein müssen. Das ich eine Wahl getroffen hatte. „Ich gehe zurück, macht ihr doch was ihr wollt.“ Mit diesen Worten ging Camus in die Richtung, von der er wohl glaubte, dass es wirklich der Weg zurück an den Strand war. „Ich versuche Empfang zu finden und eine Karte herunter zu laden“, sagte Ai und lief in eine Richtung, in der die Bäume lichter wurden. Ranmaru hingegen sagte nichts und ging in die entgegengesetzte Richtung von Camus. Ein bitterer Nachgeschmack blieb und meine erste Sorge galt irgendwie Reiji, dessen aufgesetztes Lächeln verschwunden war. Stattdessen sah er stumm und finster gen Boden. Kapitel 11: Between the showtime -------------------------------- Schweigend lief ich hinter Reiji her, der sich wider erwarten nicht dran gemacht hatte seine Gruppenmitglieder einzusammeln. Stattdessen war er einfach den von ihm bestimmten Weg weitergegangen. „Kotobuki-senpai?“ Er blieb stehen, kaum dass ich seinen Nachnamen ausgesprochen hatte. Ich schrack innerlich zusammen, als er seinen Blick düster zu mir wandte. „Es tut mir leid, wir haben uns verlaufen. Willst du nicht lieber zu Ai-Ai oder Ran-Ran oder lieber alleine zurück?“ Reijis Worte hatten etwas bitteres mit einem Unterton von Wut und... Verzweiflung. Es war schwer zu verstehen, was gerade in ihm vor sich ging. Und doch wollte ich wissen was es war. Was er fühlte. „Also... Alleine verlaufe ich mich ohne Wiederkehr. Ich hab nen schlechten Orientierungssinn und zweitens... Du musstest ganz schön einstecken und da möchte ich dich ungerne alleine lassen.“ Ich näherte mich Reiji vorsichtig. Ich konnte ihn gerade so gar nicht einschätzen und das machte mir Angst. Das war eine Seite, die ich nicht kannte, weder aus der Serie noch aus den Gesprächen mit Shicchi, die hin und wieder das Spiel betrafen. „Ich hab dieses Mal alles falsch gemacht, oder?“, fragte Reiji nachdem ich ihm gegenüber stand und er seinen Blick erhob. Verschwunden war die Bitternis und die Wut zurück blieb nur die Verzweiflung und Angst. „Inwiefern?“, fragte ich und war ehrlich verwundert darüber, inwiefern er alles falsch gemacht hatte. „Sie haben mir gesagt ich solle nicht zu viel auf einmal planen und dich fragen was du in deinem Urlaub machen willst. Oder was du gerne isst. Ich habe nicht auf sie gehört und gedacht, es wäre besser dich nicht zu sehr zu belasten. Du solltest deinen Urlaub genießen.“ Er hatte es gut gemeint. Vielleicht zu gut. Genauso wie er es immer gut mit seiner Gruppe meinte und sein bestes gab. Er gab ihnen den Antrieb und war der Kleber, der alles zusammenhielt, auch wenn man meist nicht verstand warum er tat, was er eben machte. „Mh... Wandern gehört nun nicht gerade zu meiner Lieblingsbeschäftigung. Aber... Ich würde gerne den See sehen von dem du gesprochen hast. Außerdem der Tag gestern war lustig. Dennoch, heute Nachmittag solltest du vielleicht jemand anderen die Planung überlassen. Und vielleicht nicht nur heute Nachmittag.“ „Wie meinst du das?“ „Nun... Ihr habt euch für mich so zusammen gerissen euch nicht zu streiten, dass wart nicht ihr. Ihr seit so verschieden, dass ich mir gut vorstellen kann, dass ihr häufiger mal streitet. Jeder von euch ist ein etwas speziellerer Charakter.“ Ich gab mir Mühe meine Worte so zu formulieren, dass es ihn nicht verletzte. Gerade jetzt schien er mir ungewohnt verletzlich. „Ere-chan, kennst du das Gefühl, dass man sich zu viel Mühe gibt und am Ende alles umsonst ist? Ranmaru sagte... ich würde immer meinen Kopf durchsetzen. Ist das falsch?“ „Es ist schwierig bei euch.“ „Das kannst du laut sagen. Manchmal frage ich mich... ob ich richtig entschieden habe.“ Ich war verwundert und sah zu Reiji. Ob er richtig entschieden hatte? Ich fragte mich, was er meinte und ob ich ihm vielleicht helfen konnte. „Wie richtig entschieden?“, fragte ich daher um mehr zu erfahren. Nur so konnte ich doch wissen, was es zu tun gab. Und ich wollte etwas tun. „Ob Quartet Night die richtige Entscheidung war. Ich frage mich hin und wieder ob wir wirklich dasselbe von Quartet Night denken und ob es nicht doch besser wäre, wenn wir unsere eigenen Wege gehen. Wir streiten viel, ich versuche das zusammen zu halten, doch in Momenten wie diesen frage ich mich, zu welchem Preis.“ Mir kam das was er erwähnte so vertraut vor. Wie oft hatte ich mich schon gefragt, ob ich damals den richtigen Weg gewählt hatte? Oft genug und selbst jetzt, da es so gut lief, fragte ich mich undankbarer Weise ob es richtig war, den Weg eines Komponisten gewählt zu haben. „Darf ich dir meine Meinung sagen?“ Ich fragte vorsichtig, denn gerade dann wenn jemand einen Tiefpunkt erreicht hatte, wollte er nicht wirklich die Meinung anderer hören. Zumindest ich war so. Ich wollte mich dann einfach in meinen negativen Gefühlen ertränken und hoffte, dass der Schmerz und das Leid, welches ich dann nur sah, einfach verschwand. Eine Hoffnung die nie erfüllt wurde. „Nur zu, Ere-chan.“ Erleichtert hörte ich, dass er es mir gestattete und ich meine Gedanken nicht hinter dem Berg lassen musste. „Es war kein Fehler. Auch wenn es Momente gibt, die dich zweifeln lassen, so sollten es diese Zweifel sein, die dir sagen, dass es richtig war. Denn je wichtiger uns etwas ist und je mehr es uns bedeutet, desto häufiger zweifeln wir. Quartet Night ist dir wichtig und es geht den anderen drein sicher nicht anders. Aber gleichzeitig... nun, ihr solltet darüber reden. Sonst könnte das was ihr eigentlich bewahren wollt, kaputt gehen. Und vielleicht, Kotobuki-senpai, solltest du hin und wieder gemeinsam mit den anderen etwas planen. Du musst nicht die gesamte Last auf deinen Schultern tragen.“ Ich wusste nicht ob Reiji wirklich verstand was ich versuchte auszudrücken, denn er hatte mir wieder den Rücken zugewandt und war weiter gegangen. Ich folgte ihm, stieß aber gegen seinen Rücken, als er abrupt stehen blieb. Fragend sah ich zu ihm auf, denn ich befürchtete bereits, dass ich etwas falsches gesagt hatte. „Wir sind da!“ Freude lag in Reijis Stimme und ich blickte vorsichtig an ihm vorbei. Zwischen den Bäumen erblickte ich ein glitzern. Ein sanftes Rauschen legte sich über das Rascheln der Blätter. Meine Augen wurden größer, denn all die Geschichten, in denen eine Lichtung mit einem See beschrieben waren, wirkten auf einmal so real. Ich kam hinter Reiji hervor und bestaunte die Schönheit noch ausgiebiger. Dort stand auf einer saftigen grünen Wiese, ein alter Baumstumpf. Vermutlich hatte mal ein Naturereignis diesen Baum gerodet, denn es schien mir nicht so, als hätte ein Mensch jemals Gewaltsam Hand angelegt. Der See war ebenfalls ein Zeuge dessen, denn er leuchtete in einem grünlichen blau und erinnerte mich an diesen einen See in Italien, den ich in der zehnten Klasse mit meinen Klassenkameraden gesehen hatte. Damals, als mit ihnen wandern gegangen war und wir uns dann an den Aufstieg eines Berges gewagt hatten um die Aussicht zu genießen. Schon damals hatte ich das Wandern gehasst, doch der Wunsch oder viel mehr die Hoffnung einen atemberaubenden Ausblick zu haben, hatte mich dazu genötigt die Strapazen dennoch auf mich zu nehmen. Und bis heute war diese Hoffnung nie enttäuscht worden. „Ich denke, wir sollten hier eine Pause machen und unser Bento essen. Was meinst du, Ere-chan?“ Ohne nachzudenken, nahm ich als Antwort meinen gepackten Rucksack runter. Mir hing der Magen nun doch in den Kniekehlen, denn dank unserem kleineren Umweg hatte ich nun doch großen Hunger. „Sag mal, machst du dir keine Sorgen um die anderen?“, fragte ich, kaum dass wir uns niedergelassen hatten. Reiji packte in der Zwischenzeit sein Bento aus, zusammen mit einer Bananenstaude, die mich doch schon sehr stark an Ranmaru und sein „Banana is perfect“ erinnerte. „Keine Sorge, keine Sorge. Sie finden entweder uns oder die Strandhütte.“ „Ich hoffe mal auf ersteres, dann könnt ihr euch wieder vertragen. Je länger es dauert, desto schwerer wird es euch fallen.“ „Richtig, wir haben ja vorhin darüber gesprochen. Warum glaubst du, dass die anderen auch zweifeln?“ Ich hatte nun für meinen Teil mein Bento ausgepackt und war verwundert darüber, wie mädchenhaft es gestaltet war. Meines Wissens nach, hatte es Ranmaru fertig gemacht. Auch wenn Reiji angekündigt hatte das Bento für alle zu machen, so hatte Ranmaru erneut ein weiches Herz bewiesen, indem er seinen Bandleader mit dessen und meiner Box geholfen hatte. „Nun... Das ist schwer zu sagen, aber ich glaube nicht, dass ihnen Quartet Night egal ist. Oder du. Es heißt ja auch immer, dass man sich nur mit den Menschen streitet die einen wirklich etwas bedeuten und wichtig sind. Ihr seid zwar nicht so dicke wie Starish oder Heavens, aber ihr habt eine eigene Dynamik und ein eigenes spezielles Band. Ich muss gestehen ich finde das irgendwie faszinierend und cool.“ Mit den Stäbchen nahm ich ein Würstchen auf, dass warum auch immer eine Blumenähnliche Form hatte. Ich kannte das ja von Obst, aber nicht von Wurst. Ranmaru hatte wirklich ganze Arbeit darin geleistet mich erneut zu verblüffen. „Du hast mir vorhin meine Frage nicht beantwortet. Habe ich übertrieben?“ „Jap. Aber du wärst nicht du, wenn du nicht übertreibst. Allerdings, solltest du vielleicht einen Gang runter schalten. Und auch die anderen Fragen was sie wollen. Vielleicht ihnen mal die Planung überlassen.“ „Aber wenn ich es nicht tue... macht es keiner.“ „Sicher? Ich meine ja, du bist so in der gesamten Dynamik die treibende Kraft, aber hin und wieder solltest du vielleicht einfach warten, dass sie auf dich zukommen. Sei es mit einem „Mir ist langweilig, haben wir heute was zu tun?“ oder dergleichen. Gerade deswegen denke ich, das es wichtig ist, dass ihr mal offen redet und jeder von euch offen sagt, was ihr erwartet und was ihr wollt.“ Ich steckte mir das Würstchen in den Mund und kaute darauf herum. Es schmeckte wirklich ausgezeichnet. Ranmaru schien es noch mit irgendetwas mariniert zu haben. Ich konnte nur nich so richtig einschätzen was es war. „Wenn ich ehrlich bin, weiß ich manchmal nicht, wie ich mit ihnen reden muss. Meist stört es mich nicht, aber...“ Reiji stockte und ich sah zu ihm. Er hatte sein Bento noch nicht einmal ausgepackt, sondern hatte sich einfach auf den Baumstumpf gesetzt und starrte zu Boden. „Aber die Zweifel sind da, huh? Kann ich verstehen. Das zeigt erneut, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast. Und das dir die anderen etwas bedeuten. Du solltest einfach darauf vertrauen was dein Herz dir sagt. Und wenn du nicht die passenden Worte findest um mit ihnen zu reden, dann finde einen anderen Weg zu kommunizieren.“ Mit den Stäbchen nahm ich etwas von dem Reis auf und schaufelte mir diesen förmlich in den Mund. Eine Gabel wäre wohl einfacher gewesen als Stäbchen, aber ich wollte mich nicht beschweren. Vielleicht bemerkte ja Reiji meine Inkompetenz mit Stäbchen und brach in schallenden Gelächter aus. Bei Mira und den anderen hatte das immer geklappt. „Einen anderen Weg? Was schwebt dir da vor?“ Ich dachte nach und wusste selbst nicht genau, was mir da vor schwebte. Wie so oft hatte ich einfach nur gesagt was ich dachte. „Keine Ahnung. Aber mir fällt sicher was ein. Erst einmal sollten wir uns darum keine Gedanken machen und das Bento essen.“ Mit den Stäbchen verwies ich auf Reijis Box, die immer noch ungeöffnet neben ihm stand. Er folgte dem gewiesenen Weg mit den Augen und nickte schließlich. Ich behielt ihm genau im Blick und wollte die Reaktionen auf die Bentobox sehen. Denn ich war mir sicher, dass sich Ranmaru auch mit seiner Mühe gegeben hatte. Es war so wie ich es mir dachte. Ranmaru hatte diese Box ebenso mit den Gedanken an Reiji vorbereitet und statt Würstchen, befanden sich Karaage darin. Reijis Augen weiteten sich, doch schnell zeichnete sich ein breites, glückliches Lächeln auf seinen Lippen ab. „Karaage! Ich liebe Karaage. Willst du mal probieren?“, fragte Reiji und nahm ein Stück mit seinen Stäbchen auf und hielt es mir entgegen. Natürlich wusste ich, dass er Karaage liebte, aber das musste er ja nicht wissen, was ich wusste. Gerade in diesem Moment wollte ich auch vergessen, was ich alles über ihn wusste. Es war viel schöner in so in freier Wildbahn kennenzulernen. Ich gab seinem Angebot nach und näherte mich ihm wobei ich meinen Mund öffnete und darauf wartete, dass er mich mit der wertvollen Karaage fütterte. Er ließ mich nicht lange zappeln, sondern kicherte verspielt, als er mir den Bissen vorsichtig in den Mund schob. „Das zählt nun als indirekter Kuss, Ere-chan“, scherzte er und trieb mir damit die Schamesröte ins Gesicht. „Ich hätte dich gestern ersaufen lassen sollen, Kotobuki-senpai“, murrte ich, und kaute dennoch genießend auf dem Stück frittierten Fleisch herum. „Wie gemein.“ Reiji und ich sahen einander an und lachten just im selben Moment los. Ausgelassen und so als gäbe es kein Zeichen von Anspannung mehr bei ihm. „Ne, Ere-chan, eigentlich waren wir verantwortlich dafür, dass du dich wieder besser fühlst. Aber scheinbar brichst du alle Regeln und hilfst stattdessen mir.“ „Kotobuki-senpai, ich habe noch nicht einmal angefangen dir und den anderen zu helfen. Ich bin einfach da und esse dein und Ranmarus leckeres Essen. An sich tue ich gar nichts. Wobei... Würdest du mir für den restlichen Nachmittag die Gruppenaktivität überlassen?“ Fragend blinzelte Reiji, nahm aber nachdenklich ein Stück Karaage in den Mund. Sein Blick wandte sich in Richtung der Baumkronen die einen recht gesitteten runden Kreis um die Lichtung bildeten, so dass wir den blauen Himmel sehen konnten. „Wir sollten die anderen fragen ob sie damit einverstanden sind“, gab er schließlich zu bedenken und ließ mein Herz einen Hüpfer vollführen. Immerhin gaben seine Worte zum Ausdruck, dass er auf mich hören und einfach mal etwas runterfahren wollte. „Einverstanden. Aber wenn sie zustimmen, würdest du mir einen Gefallen tun?“ „Einen Gefallen?“ „Jap, der Chef hat mir verboten mein Handy mitzunehmen. Ich geh aber davon aus, dass dieses Verbot nicht für euch gilt, richtig?“ „Richtig.“ „Würdest du meine Freundin Mira dann anrufen? Ich geb dir auch ihre Nummer. Ich kenne sie auswendig. Du müsstest ihr nur sagen, dass Operation Showtime umgesetzt wird. Und natürlich wo wir uns befinden.“ „Du hast auch Verbot bekommen, Kontakt zur Außenwelt zu bekommen.“ „Zur Außenwelt aber nicht zu meinen Freunden.“ Ich grinste breit und sah zu Reiji. Er wusste scheinbar, was für einen Wink ich ihm mit dem Zaunpfahl geben wollte. „Nun, von mir wird niemand was erfahren. Aber mal sehen was die anderen sagen.“ „Danke, Kotobuki-senpai.“   Die Bentos waren leer, der Kummer etwas vergangen und Reiji und ich unterhielten uns angeregt und spielten ein paar kleine Spiele wie „Ich sehe was das du nicht siehst.“ Der einzige Grund warum wir das taten war der, dass wir einfach nicht die Lichtung verlassen wollten, ohne zu wissen wo die anderen waren. „Und Ranmaru war wirklich von einer Schar Katzen umgeben?“ „Ja und das nur weil er zu viele getrocknete Sardinen mit hatte. Aber bei Katzen wird er einfach weich.“ Ich kicherte, als mir Reiji gerade eine weitere Anekdote aus dem Alltag Quartet Nights erzählte. Es war schön zu hören und noch schöner, sie mal so andere kennenzulernen. „Wenn er wüsste, dass ich dir das erzählt habe, würde er mit mir schimpfen. Immerhin ist das nicht ganz sein Image.“ „Ich glaube um euer Image muss sich keiner von euch bei mir fürchten“, erklärte ich und lächelte dabei zufrieden. „Ah richtig, du schienst nicht verwundert zu sein über unseren Streit. In der Öffentlichkeit reißen wir uns häufig zusammen, weswegen bei kleineren Ausbrüchen hin und wieder die Frage kommt, ob wir uns nicht mögen würden.“ „Ja ja, die perfekte Welt der Idole. Ich glaube ich arbeite schon zu lange in eurer Welt um mich von Glanz und Gloria noch blenden zu lassen. Es hätte mich eher gewundert, wenn ich euch zu gut verstehen würdet. Deswegen... vor mir müsst ihr euch nicht verstellen, ebenso wenig vor meinen Freunden.“ Ich log nicht. Am eigenen Leib hatte ich bereits Ranmarus harte Schale bemerkt, oder Camus' Backstage-Gesicht. Noch dazu hatte ich den Streß mit Starish nicht vergessen, oder Chiron, der wie Camus ein Künstler der Maskerade war. Und ebenso hatte ich an Shinings Schule viel gelernt. Vor allem was das Idol-Sein betraf. „Da fällt mir ein, was ist Mission Showtime?“ Ich horchte auf, als Reiji mir diese Frage stellte und musste selbst unwillkürlich lächeln, als er mich das fragte. „Das ist eine Show, die meine Freunde und ich in der Schule hin und wieder gefilmt haben. Mein Freund Mikoto ist nun Kameramann, aber er hat schon damals viel und regelmäßig für seinen Blog gedreht. Mission Showtime ist so etwas wie eine Karaoke-Show die immer unter einem anderen Motto läuft. Moderiert wird sie von Mira und meist einem anderen, männlichen Co-Star. Die Kostüme hat meist Juri entworfen. Die Instrumente für die Live-Musik spielte meist Sumire. Und der Rest performte.“ „Du auch?“ „Ich? Nein. Ich bin nicht für die Bühne gemacht. Ich meine... Es ist schön im Scheinwerferlicht zu stehen und zeigen zu können was man kann. Aber mir wird das ab einen gewissen Punkt unangenehm. Selbst wenn man meine Lieder in den Himmel lobt, ist mir das mehr peinlich, denn ich habe noch genug Luft nach oben.“ „Und du hast dich nie gefragt, wie es wäre auf der anderen Seite zu stehen? Ein Idol zu sein?“ Überrascht sah ich Reiji an und fragte mich, ob es so auffällig war, dass ich mich selbst heute hin und wieder fragte, ob ich die richtige Position gewählt hatte. Doch just in diesem Moment hatte ich nur eine Antwort, die auch die Richtige war. „Dank meiner Freunde habe ich immer wieder die Chance, diese Zweifel zu zu überdenken. Ein Karaoke-Abend in einer Bar, oder ein Auftritt bei einem Wettbewerb, egal wann ich zweifel, sie finden immer einen Weg mir die Zweifel zu nehmen, indem ich mal komplett was anderes mache und zum Beispiel singe.“ Reiji schwieg und hörte mir einfach zu. Ich dachte mit Freuden an meine Freunde zurück. Daran, was wir in der Schule erlebt hatten. Wie sie mir einmal die Chance gegeben hatte ein Idol zu sein, ohne dass es jemand bemerkt hatte. Und damit meinte ich nicht die eine Aufgabe, in der jeder mal dem Rollentausch zu Opfer fiel. Eine mystische Melodie, gesungen von dem zweiten Gesicht, die Maske die ein jeder trägt, wird heute angelegt.   Persona, die kalte Melodie Ein Schauspiel jeden Tag, doch dieses endet nie. Wie von selbst kam mir der vertraute Text über die Lippen und mit den Händen klopfte ich den Takt und hörte im Rauschen der Blätter an den Bäumen das Lied, welches einzig und alleine mir gehörte. Kämpfe nicht dagegen an, es ist unsere reine Natur Es ist ihre Melodie, die uns verführt, damit du sie im Herzen führst.   Tausend Masken, trage ich in mir. Du kennst sie alle nicht. Doch Stück für Stück, wenn du sie alle abnimmst, erkennst du mein wahres Ich. Tausend Masken, es ist wie ein Theaterspiel, die Bühne des Lebens ruft, wenn du sie alle abnimmst, weißt du das der Vorhang fällt. Reiji hatte geschwiegen während ich aus meinem Gedächtnis heraus Zeile um Zeile sang, die Melodie aus meiner Erinnerung spielend. Die Natur wurde mein Orchester, denn ich passte mich ihr an, als hätte ich selbst gerade eine Maske angelegt. Ein Cosplay, dass mich zu einem Waldgeist machte. „Ich hab sie gefunden!“ Ich stockte, als ich Ranmarus Stimme hörte, die das Spiel der Natur unterbrach. Mir blieb das Lied förmlich im Halse stecken und ich wollte nicht, dass es noch jemand hörte. Was seltsam war, wenn man bedachte, dass ich zum Otome-Event wirklich vor Publikum gesungen hatte. „Meine Daten waren also richtig, dieses Lied kam von hier“, erklärte Ai, der hinter den Büschen hervorkam. „Reiji, beeil dich, wir wollen zurück.“ „Ihr habt nach mir gesucht?“, fragte Reiji fast schon glücklich, doch Ranmaru zeigte mit der Hand auf mich und gab deutlich zu verstehen, dass er wohl dieses Mal mehr mein Anhang war, als ich der seinige. „Wir haben sie gesucht. Immerhin hat sie uns für ihren Urlaub gewählt, also sollten wir das beste draus machen.“ „Meine Daten sagen außerdem, dass verlaufen nicht in den Top Ten der erholsamsten Urlaubsabenteuer ist.“ Der Streit hatte etwas verändert. Die Atmosphäre wirkte nicht mehr so angespannt, sondern irgendwie befreiter. Fast so als hätten die Jungs einfach nur Dampf ablassen müssen, um wieder ganz sie selbst zu sein „Und vielleicht haben wir festgestellt, dass wir etwas zu hart zu dir waren“, ergänzte Camus Ranmaru und Ai. Wobei Reiji ein Lächeln auf den Lippen bekam. Zuvor hatte er noch gezetert, ganz in Reiji-Manier, wie gemein Ai und Ranmaru waren, doch dieses kleine Eingeständnis schien ihn zu erleichtern. „Ich sagte vielleicht. Es ändert nichts an der Tatsache, dass wir uns wegen deinem Dilettantismus verlaufen haben.“ „Mengo Mengo. Ich hab es diesmal übertrieben und das tut mir leid. Ich könnte verstehen, wenn ihr eure Ruhe wollt, heute Nachmittag aber...“ „Du hast noch einen Spieleabend geplant?“ Ich konnte förmlich sehen wie Ranmaru und Camus sich bereit machten Reijis Spieleabend mit einem „Nein“ abzuschmettern, doch Reiji lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, aber Ere-chan würde gerne diesen Abend gestalten. Können wir ihn dennoch gemeinsam verbringen und Ere-chan das überlassen?“ Ich sah gespannt zu den drei Jungs, denn sie entschieden nun darüber ob Mission Showtime an den Start gehen konnte oder nicht. Und ich hoffte sehr, dass es ersteres war. „Wird es streßig?“ Ranmaru sah mich ernst an und drohte mir fast schon ein „Wehe“ an. Wahrscheinlich erwartete er ein Streßpotential im Rahmen von Reiji. Wenn ich es aber recht bedachte, war ich wohl die einzige, die an diesem Abend Streß haben würde. „Nein. Ihr werdet zwar auch etwas mitmachen müssen, aber es ist nichts, dass nun in große Schwerstarbeit mündet.“ Das war zumindest meine Sicht der Dinge. Was die Jungs am Ende davon hielten, war ja nicht mehr mein Problem. Wichtig war nur, dass sie sich vertrugen und dabei sollte Mission Showtime helfen. „Ich denke, solange Reiji den Abend nicht gestaltet ist das okay.“ „Sie wird allerdings Zeit brauchen um ihren Abend vorzubereiten, daher wäre es besser wir beeilen uns nach Hause zu kommen“, merkte Ai an, der scheinbar auch nichts dagegen hatte, dass ich der Organisator des Abends werden sollte. Damit konnte die Mission starten. Nun musste nur noch Reiji seinen Auftrag erfüllen.   Das Arbeitszimmer mit dem Klavier hatte ich zur Sperrzone erklärt. Niemand abgesehen von mir durfte rein. Kaum dass wir angekommen waren, hatte ich mich dorthin verzogen, eingeschlossen und arbeitete fleißig an ein paar Kärtchen, einer Liste und anderen Dingen, die ich alleine ohne Probleme erledigen konnte. Ich musste Vorarbeit leisten, denn wenn die Gang kam, waren sie sonst noch enttäuscht darüber, dass ich einfach nur Däumchen gedreht hatte. Das sollten sie weiß Gott nicht denken. Die Zeit tröpfelte so vor sich hin, bis der der späte Nachmittag angebrochen war. Vom Fenster aus hatte ich beobachten können, wie Ranmaru schwimmen war, Camus sonnte sich in der Sonne und Ai hatte sich scheinbar dazu entschieden am Strand spazieren zu gehen. Während ich diese Szenarie beobachtete, riss es mich aus meinen Gedanken, als es am anderen Ende der Tür lauter wurde und schließlich klopfte. „Ere-chan... deine Freunde sind da. Voll bepackt.“ Sofort hatte ich mich vom Schreibtisch erhoben und war zur Tür gerannt, wo mich auch schon, kaum dass ich sie aufgerissen hatte, dass Lächelnde Gesicht von Mira begrüßte. „Wo sollen wir aufbauen?“ Ja, unsere Begrüßungen waren wirklich sehr speziell. So speziell, dass selbst Hiroki wieder murrte, dass sie es ja erst einmal mit einem „Hallo“ versuchen konnte. Ich war aber froh das sie da waren. Egal ob mit Begrüßung oder Ohne. „Sind alle da?“, fragte ich und sah an Mira vorbei. Allerdings konnte ich nur Rumi und Rihito ausfindig machen. Scheinbar war Sumire mir immer noch nicht ganz so positiv gesinnt und der Rest war einfach zu beschäftigt. „Mikoto und Juri bauen draußen auf. Wobei Juri wissen will, wo er seine Sachen abladen kann. Sumire ist dabei den Ton ordentlich zu erstellen. Mikoto filmt wie gewohnt alles und Yurika-“ „Yurika?“, fragte ich scharf und mir zog sich alles im Magen zusammen. Sie war nun wirklich die letzte die ich hier sehen wollte. Aber scheinbar hatte Mira unser letztes Gespräch zum Anlass genommen auch Yurika einzuladen. „Jap. Auch Yurika ist hier. Sie hat drauf bestanden zu kommen und meinte, sie müsse ein paar Dinge erledigen.“ „Ein paar Dinge...“ Schon das zu hören machte mich misstrauisch. Irgendwie konnte ich es einfach nicht. Yurika vollständig vertrauen. Sie hatte mich verraten. Und wer sagte mir, dass sie es nicht wieder tun würde, dass sie nicht immer noch auf Chirons Seite stand, auch wenn dieser angedeutet hatte, dass er sich von ihr gelöst hatte. „Also, was sollen wir tun?“, fragte Mira und riss mich aus meinen Gedanken. Ich musste mich konzentrieren. Denn dieser Abend war nicht dazu da, um meine Probleme zu lösen, sondern um die Zweifel von Reiji zu nehmen und vielleicht auch von zwei weiteren Menschen.   Camus war nicht sehr begeistert gewesen, als ich ihm erklärt hatte, was meine Idee für den Abend war. Dennoch hatte er murrend seine Moderationskärtchen genommen und begonnen sie zu lesen. Ranmaru hingegen schien begeistert von der Idee, Gitarre spielen zu können. Denn ganzen Abend, bis ihm die Finger bluteten. Letzteres erfreute ihn nicht ganz so, noch weniger, dass er seine feste Freundin nicht dabei hatte um sie zu befingern. Aber da musste er nun durch. Ai hingegen überließ ich es, dass er sich mit Sumire um die Musik kümmerte. Und Reiji, nun er hatte keine feste Aufgabe, sondern sollte überall helfen wo Not am Mann war. Sei es musikalisch als auch im Backstage-Bereich. Hilfe konnte man bei einer Show immer und überall gebrauchen. Ich hingegen hatte noch daran gearbeitet, nachdem ich von Yurika erfahren hatte, auch ihr ein bisschen Showtime zu geben, indem ich die Setliste noch einmal überarbeitete. „Das ist eigentlich dein Urlaub, Ere-chan und da solltest du nicht arbeiten. Wenn Shining davon erfährt-“, fing Reiji an, doch ich gab mein Bestes ihm sofort ins Wort zu fallen. „Wird er nicht. Ich meine es sind ja nur wir. Also mach dir keine Sorgen.“ Ich lächelte Reiji an und merkte, wie sein Blick zu Mikoto glitt, der mit seiner Kamera alles filmte, was in seiner Welt wohl filmenswert war. Davon gab es eine Menge. „Ach du machst dir Sorgen wegen Mikotos Kamera. Er lädt das Live in seinen Blog hoch, allerdings hat der gerade mal Hundert Viewer. Also keine Sorge.“ „Ich glaube es sind Hunderttausend...“, murmelte Rihito, der wie ein Schatten neben mir aufgetaucht war und mich zusammen schrecken ließ. Wie so oft. Selbst nach einem Schuljahr hatte ich es nicht geschafft einfach damit zu rechnen, dass er plötzlich da war. „Äh... Ich bin mir sicher es waren vor ein paar Tagen nur Hundert“, konterte ich, denn Reiji sollte die wahre Zahl nicht erfahren. Damit wuchs nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass Shining davon erfahren würde und ich einen Mordsärger bekam. „Ein Glück, ich dachte schon ich müsste mir sorgen machen, weil ich erlaube, dass du arbeitest. Dabei hat die Arbeit dir momentan so viel Streß bereitet.“ Ich schmunzelte und gab Reiji einen sanften Klaps gegen die Brust. Hinter dem perversen, dauergrinsenden Launemacher steckte doch auch eine Person die sich aufrichtig sorgte. Ein Bild, dass ich bereits gesehen hatte, im Wald. „Kotobuki-senpai... Ich glaube nicht, dass du daran zweifelst, dass Quartet Night die richtige Entscheidung war. Ich denke eher, dass du Angst hast, dass alles umsonst war. Nicht für dich, aber für die anderen drei. Du würdest dir Vorwürfe machen, wenn Quartet Night auseinander bricht und wahrscheinlich würdest du dich eher fragen, was du anders hättest machen können, damit es nicht geschehen wäre. Doch... Ich denke du musst diese Ängste nicht haben, Kotobuki-senpai. Sie werden dich nicht im Stich lassen, genauso wie du sie nicht im Stich lassen wirst. Und wenn du mir nicht glaubst, erlaube mir heute, die Regeln in jeder Hinsicht zu brechen.“ Reiji sah zu mir hinab und ich fragte mich, was ihm gerade durch den Kopf ging. Es war schwer seine Gedanken zu erahnen, vor allem wenn er einen so ernst ansah. Just in diesem Moment ließ er, wehrlos seine Maske sinken. „Zweimal in Folge, Stalker-chan. Ich weiß nicht wie du das machst, aber ich hoffe, du hast Recht.“ Ich konnte nicht anders als einen Schmollmund zu ziehen, immerhin hatte er mich gerade erneut als Stalker bezeichnet. Wie damals im Wagen. Scheinbar hatte ich erneut einen Treffer versenkt. Was mich eigentlich eher stolz machte als beleidigte. „Manchmal bin ich eben gut in dem was ich tue. Also dann, wir sollten Mikotos Hundert Zuschauern eine gute Show liefern. Und vor allem müssen wir unsere Sternchen des Abends glänzen lassen.“ Reiji und ich grinsten einander an und sahen zu Mira und Camus, die beide erneut den Text durchgingen. Sie passten wunderbar, auch wenn es seltsam schien. Genauso hatten Ranmaru und Hiroki eine gewisse Chemie, als sie miteinander absprachen, wer bei welchen Song die erste und zweite Gitarre war. Im Nachhinein würden sich sowohl Mira als auch Hiroki fragen, warum sie sich Sorgen gemacht hatten.   Die Moderationen waren wirklich gut gemacht. Mira hatte dieses Mal eine andere Form. Ernster, Erwachsener. Mit Camus an ihrer Seite hatte sie nicht mehr viel von der Person, die sie in der Kindersendung darstellte. Wenn Camus das nicht bemerkt hatte, während sie als Moderatoren durch den Abend führten, dann verstand er es spätestens, als Mira zusammen mit Hiroki „Toukaden“ spielte. Sie sang und er begleitet sie mit der E-Gitarre. Erneut erkannte ich wieder, was ich damals in der Schule gesehen hatte. Ihre Gefühle für einander, die dafür sorgte, dass sie einander erstrahlen lassen konnten. Gefühle, die sie niemals laut auszusprechen wagten, weil es da diese eine Regel gab. Ich beneidete sie dafür. Nicht weil sie nicht dazu stehen konnten, sondern weil beide irgendwie in dieser Sicherheit schwelgten, dass der andere ebenso empfand. In ihrer Musik, ihren Bewegungen, mit ihren Blicken, sie sendeten sich unmissverständliche Signale und doch schien es, als konnten nur sie es verstehen und deuten. „Wow. Ich habe Mira noch nie so erlebt. So kämpferisch, wild und Erwachsen. Als wäre sie ausgetauscht worden. Und Hiroki...“ Reiji hielt inne und suchte nach den passenden Worten. Worte, die selbst mir hin und wieder fehlten, wenn ich Hiroki auf der Bühne stehen sah. „Das ist das Beste an ihnen. Mira ist immer für eine Überraschung gut. Sie selbst merkt davon nichts, aber sie kann sich unglaublich gut in Personen versetzen, ob Real oder nicht. Wenn sie für die Kinder Mirai ist, dann fragt sie sich, 'Wie kann ich ihnen ein Lächeln auf die Lippen zaubern' und dann tut sie es einfach. Bei Camus fragt sie sich wohl gerade, wie sie ihm am besten keine Schande machen kann. Sie ist gut darin sich anzupassen. Manche würden glauben es macht einen Menschen krampfig, aber bei Mira wirkt es immer natürlich.“ Ich strich ein Lied von meiner Liste ab und sah zu Mira, die bereits den nächsten Song gemeinsam mit Camus ankündigte. Immer noch als Mira, aber doch wie eine andere Version von ihr. Es machte Spaß sie zu beobachten, vor allem weil sie es mit so viel Leidenschaft tat. „Hiroki ist eine Stimmgewalt. Er kann von flauschigen Balladen bis hin zu harten Rock alles umsetzen. Er ist dadurch vielseitig einsetzbar. Was er wohl seinem Vater verdankt. Auch wenn Ai sagen würde, dass Talent nicht vererbbar ist. Auch er hat das Problem, dass viele ihn aber nicht ernst nehmen. Eben weil er so vielseitig ist. Er hat dadurch keine feste Richtung, doch gerade das macht er zu seiner Stärke. Hiroki überrascht immer wieder. Sei es, dass er eine Geschichte mit seinem Album erzählt, oder ein Duett mit einem anderen Idol schmettert, obwohl er diese Richtung noch nie hatte. Er bleibt so im Gespräch und ist damit eine wahre 'Ein-Mann'-Band.“ Ich sah zu, wie Rumi und Rihito unsere spontan erbaute Bühne betraten. Sie wirkten wie in unserer Schulzeit. Desinteressiert, fast so, als würden sie in ihrer eigenen Welt leben. Ihre Blicke waren kühl, fast schon leer, als sie zu den Mikros griffen und sich mit ihrer stummen Art der Kommunikation zu verstehen gaben, dass sie bereit waren. „Und die beiden? Sie scheinen nicht sonderlich großes Interesse an Auftritten zu haben.“ „Ja, das mag stimmen, Kotobuki-senpai. Aber das ist ihr Geheimnis. Unauffällig hinter der Bühne und dann-“ Die Musik begann und schlagartig änderte sich die Aura um Rumi und Rihito. Ihre Augen wurden lebendig, ihre Körperhaltung stolz und aufrecht. Wie zwei mächtige Löwen die allen zu verstehen gaben, dass sie die Könige dieser Bühne waren. „Verwandeln sie sich. Rumi hat zwar Probleme dabei Texte zu lernen, aber wenn sie mit anderen singt, gleicht es dieses Problem aus. Sie muss sich dann weniger Text merken. Und kann sich mehr aufs tanzen konzentrieren. Sie ist nicht nur fürs Modeln gut geeignet mit ihrem Feingefühl für Bewegungen. Anders als Rihito ihr Bruder. Er hat eine Kondition die unterirdisch ist. Viel tanzen ist da also nicht drin. Dafür kann er mit seiner Aura fesseln, was wichtig fürs Modeln ist. Und auch als Sänger auf der Bühne. Er weiß außerdem seine Aura zu lenken, so dass das Augenmerk auf die wichtigen Dinge ruht. Der Kleidung, oder wie jetzt auf Rumi. Man könnte sagen sie sind eine Person auf der Bühne.“ „Können sie das auch in anderen Paarungen abrufen?“, fragte Reiji und schien interessiert zu sein. „Jap, aber die Wirkung ist nicht so umwerfend, wie wenn sie zusammen sind. Es funktioniert und wirkt, aber ich denke, du wirst den Unterschied noch merken.“ Da ich das Programm für den Abend kannte, wusste ich, wer wann noch einen Auftritt haben würde. Und eigentlich hatte ich alle eingeplant. Abgesehen von mir, die es genoss einfach im Hintergrund die Fäden zu ziehen und alles vorzubereiten für das große Finale. „Du kennst deine Freunde wirklich gut, mh?“ „Wäre besser wenn ich es täte, oder? Wir haben gemeinsam ein Jahr verbracht. Jeder von ihnen hat an seinen Talenten gearbeitet und sie perfektioniert. Auch wenn sie jetzt alle andere Wege gehen, so hat die Schule ihnen geholfen ihren Weg zu finden. Juri zum Beispiel hat im Komponisten-Kurs gelernt. Er hat ein feines Gefühl dafür Dinge zusammenzusetzen, so dass sie gut klingen oder ästhetisch erscheinen. Für die Musik ist er damit nicht geschaffen, weil er vollkommen Risiko-frei komponiert. Er kann zwar auch anders aber dabei fühlt er sich nicht wohl. Visuell ist er aber mutiger und lebt sich mehr aus und bringt einen anderen Glanz zum Ausdruck. Schau dir Rihito und Rumi an. Seine Mode verstärkt ihre Aura. Sie passt zur Musik, zu den beiden und lässt sie noch mächtiger wirken.“ „Die Sachen sind also von Juri entworfen... Er hat wirklich ein gutes Auge für Farben. Vielleicht sollten wir ihn mal bitten ein Bühnenoutfit zu entwerfen.“ Ich kicherte auf Reijis Bemerkung hin, errötete aber, als ich bemerkte wie Mikoto mit seiner Kamera auf mich und Reiji zielte. Aus einem Reflex heraus versteckte ich mich so gut es ging hinter dem Idol. „Noch einer mit dem guten Blick. Mikoto. Er fängt die besten Momente ein. Manchmal ist er wie ein Ninja. Echt gruselig. Aber in ihm steckt mehr. Er war im Idol-Kurs, hielt sich aber eher von der Bühne fern. Er bevorzugt es andere Idole auf seinen Bildern einzufangen“, flüsterte ich Reiji zu und lugte an ihm vorbei, um zu prüfen, ob Mikoto immer noch filmte. Seine Kamera war wieder auf das wesentlichste gerichtet.   „Erenya, wir brauchen dich in den Umkleidekabinen.“ Verwundert sah ich zu Juri, als er sich vor mir platzierte und mir den Plan für die Show aus der Hand nahm. Ich wusste was als nächstes kam und war fast schon neidisch, dass sie gerade jetzt meine Hilfe brauchten. „Was ist das Problem?“ „Rumi“, antwortete Juri kurz angebunden und sorgte dafür, dass mir eine Augenbraue in die Höhe schoss. Was auch immer das Problem war, wenn Juris Antworten so einseitig waren, dann musste ich einfach neugierig werden. „Kotobuki-senpai, der nächste Song ist wichtig. Sorg dafür, dass ihn jemand singt.“ Ich erhob mich von meinem Platz und folgte Juri in Richtung der kleinen Umkleidekabine, in die ich mich reinzwängte. Doch da war keine Rumi, sondern Yurika, neben der ein Kimono auf einer Bank lag. Meine Neugier hatte mich so eben in die Hölle geführt. „Du bist eindeutig nicht Rumi...“ „Nein und du bist auch nicht hier, weil sie ein Problem hat. Sondern du.“ Ihre Worte waren unterkühlt, wahrscheinlich genauso wie meine. Es war fast schon ironisch, dass sie mir das Gefühl gab, dass ich etwas falsch gemacht hatte. „Ein Problem?“ „Hiroki hat sich erkundigt. Bei Van. Er hat ihm von deinem Ausbruch erzählt. Und dann die Mission Showtime... die Tatsache, dass du dir soviel Zeit für Reiji nimmst.“ Just in dem Moment als sie das gesagt hatte, erklang das Lied, welches ich für Reiji bestimmt hatte. Um ihm zu zeigen, dass Quartet Night ihm mehr bedeutete und nicht nur ihm. Auf dem Plan stand niemand der ihn singen sollte. Denn es war ein Quartet Night Song. Ah sora ni shibatataku kimi no Star Light    mayonaka no sabishisa sae    Uh kirameki ooi dakishimetai Love Ich schmunzelte als ich hörte, dass alle vier synchron, als wäre es eine Gewohnheit, einsetzten. Und damit unterstrichen, dass Quartet Night viel zu wichtig war, als dass so ein Streit sie in die Knie zwingen würde. Und vielleicht verstand Reiji auch, dass er niemals eine falsche Entscheidung getroffen hatte. sukitootta Night hitomi e to utsuru Dream hikaru SUTĒJI de kokyuu o kasane kimi ga itsumo mitsumete kureru youni    hoshi mo kimi o omotteru kara Für diesen kurzen Moment vergaß ich, wo ich war. Und vor allem wer mit mir in dieser Kabine stand. Doch Yurika wusste, wie sie mich zurückholte. „Du hast auf einen Schlag, viele Probleme gelöst. Viele Zweifel beseitigt und doch sind es nicht alle. Die eigenen Zweifel kann man meist nicht alle beseitigen. Und deswegen sind deine Freunde hier. Deswegen bin auch ich da.“ Ich sah Yurika an die mir eine Maske entgegen hielt, die mir nur zu vertraut vorkam. Eine Erinnerung an einen Moment, den ich mit meinen Freunden gemeinsam in der Schule von Shining erlebt hatte und der unser gemeinsames Geheimnis war. „Ich weiß, ich bin wahrscheinlich die letzte Person, von der du Hilfe willst... Und ich kann das verstehen. Was ich aber nicht verstehen kann, ist wieso du damals den Komponisten-Kurs gewählt hast und nicht den Idol-Kurs, wenn es doch das ist, was du eigentlich willst. Jeder von uns weiß, dass du ihn nur gewählt hast, weil Sumire und die anderen dich dazu gedrängt haben. Du hast es dir damit schwerer gemacht, als es hätte sein müssen.“ Ich schwieg während sie mir Vorhaltungen machte. Mein Blick lag gebannt auf der Maske, welche sie noch immer in den Händen hielt. „Mädels, ich will euch ja nicht bei der Versöhnung hetzten, aber ihr könnt euch Nettigkeiten an den Kopf werfen, während sie sich umzieht.“ Ich sah von der Maske auf und zu dem Vorhang, hinter dem scheinbar immer noch Juri wartete. Sicherlich hatten sie es geplant, damit es hier drinnen nicht zu Mord und Totschlag kam. Besser war es wohl. „Dann spielt doch noch G.O.D. Star. Sicherlich werden Quartet Night uns Zeit verschaffen. Zur Not schiebe noch einen sexy Song für Mira und Rumi rein. Das geht immer“, antwortete Yurika, die die Maske ablegte und stattdessen nahm sie eines der Teile für den Yukata und hielt es mir entgegen. „Warum ich den Komponisten-Kurs gewählt habe? Weil ich nicht exotisch sein wollte. Jemand der nur geordert wird, weil er ein Ausländer ist. Ich wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Als Komponist zieht man keine Aufmerksamkeit auf sich, denn diese gehört jenen, die deine Lieder performen, ihnen mehr Leben einhauchen.“ „Im Klartext du hattest Angst. Und doch... ich kann dir nicht sauer sein. Was du dir erarbeitet hast... verdient Respekt und ich habe deine Arbeit mit Füßen getreten. Doch deswegen bin ich hier. Ich werde es wieder gut machen und ein paar der Songs ihren rechtmäßigen Besitzern geben.“ Ich horchte auf, als ich gerade in die Unterbekleidung des Kimonos schlüpfte. Ein paar der Songs? Ich wusste das einige fehlten, hätte aber nie gedacht, dass sich Chiron und Yurika diese geteilt hatten. „Oh... dann kommen ein paar meiner Werke also zu mir zurück?“ „Nein.“ Ihre Antwort kam schnell und machte deutlich, dass ich mich wohl doch geirrt hatte. Meine Hoffnungen wurden erneut betrogen. „Wem willst du sie dann geben?“ „Jenen Personen für die du sie geschrieben hast. Ich habe alle Songs, die ich eindeutig für andere Personen identifzieren konnte, vor Chiron gerettet. Doch... Bevor ich sie dir wieder gebe, gebe ich sie lieber jenen für die du sie geschrieben hast, denn sie wären zu schade um in einer Mappe zu vergammeln.“ Ich wusste, dass egal was ich sagen würde, Yurika doch ihren Kopf durchsetzte. „Mach was du willst. Aber lass es bleiben, wenn sie mich wegen der Songs hassen würden.“ „Ich bezweifle, dass sie es täten. Immerhin sind die Songs von der Erenya erschaffen worden, die keinen Druck hatte, keine Sorgen. Sie sind denen ebenbürtig, die Chiron hat.“ „Und meine jetzigen Songs sind es nicht?“ Ich erwischte mich dabei, dass mir Yurikas Meinung wichtig war. Dass ich von ihr hören wollte, dass ich mich entwickelt hatte. „Auf einer anderen Ebene schon. Aber ihnen fehlt was.“ Ich zuckte innerlich zusammen. Wieder sagte mir jemand, dass meinen Songs etwa fehlte. Wenn selbst Yurika das bemerkte, was mir Shining gesagt hatte, war es wohl wahr. „Was fehlt mir? Was fehlt meinen Songs?“ Da Shining es mir nie sagen wollte und ich in einem Jahr scheinbar keinen Fortschritt gemacht hatte, wollte ich diese Chance nutzen und herausfinden was es war. Wenn ich es wusste, konnte ich daran arbeiten. Soweit war es mir klar. „Gute Frage... Ich weiß die Antwort nicht. Aber es fühlt sich nicht vollständig an. Wobei... Ich auch einen Unterschied sehe. Zwischen den Song, den du für Heavens und den du für Starish geschrieben hast. Ebenso unterscheiden sie sich von dem Song für Cecil.“ „Willst du mir also sagen mir fehlt das Herz?“ „Nein, dass findet man in jedem deiner Songs. Deine Gefühle, deine Gedanken, sie spiegeln sich in jedem Song wieder. Damals wie heute. Vielleicht... Ist es nicht einmal ein Gefühl das dir fehlt... Sondern jemand der dich ergänzt. So wie Rumi Rihito ergänzt, Haruka Starish, Reiji Quartet Night. In den zwei Jahren die ich dich beobachten konnte habe ich dich für viele Künstler komponieren sehen. Für viele Idole... Aber keiner von ihnen scheint dich zu vervollständigen.“ Ich schwieg und dachte über ihre Worte nach. Ich hatte das ganze noch gar nicht so gesehen. Shining wusste wahrscheinlich, was mir wirklich fehlte. Er konnte, anders als Yurika vielleicht den Finger darauf legen. „Ich kenne eine Person die dich vervollständigen würde.“ „Wer?“ „Chiron.“ Ihre Antwort riss mir den Boden unter den Füßen weg. Denn sie war die letzte die ich erwartet hatte. „Chiron hat keine Gefühle, er kann sie aber gut spielen. Du hingegen hast viele Gefühle. Ich habe diesen einen Song gehört, der seine Herausforderung an die drei größten Idol-Gruppen unserer Zeit ist. Der Song war einer von deinen und Chiron webt damit seinen Bann, um in die Fänge zu kriegen was er will. Ruhm, Fans, den Sieg und... deine Songs.“ Ernst sah ich zu Yurika, die mir den Kimono umlegte und mit dem Obi verschnürrte. Sie war geschickt, nicht nur beim Anlegen der Kleidung, sondern auch in der Art wie sie mit mir sprach. „Du willst also Chiron helfen?“, fragte ich, denn das war alles was bei mir ankam. Es klang zumindest nicht so als wollte sie mich davon abbringen Chiron zu wählen. „Nein. Das hat er nicht verdient, nachdem er mich als Sündenbock dastehen lassen hat. Allerdings... Wie oft willst du noch den schweren Weg wählen? Damals in der Schule hast du das zweimal getan. Als du dich für den Komponisten-Kurs entschieden und als du in kurzer Zeit einen neuen Song geschrieben hast. Du musst das nicht dein ganzes Leben tun. Das wäre masochistisch.“ Ich schwieg und sah zu dem Obi. Er war wunderschön. Selbst ich als wandelndes Modedebakel konnte erkennen, dass er mir schmeichelte. Ich hatte schon immer einen Kimono tragen wollen und nun, hatte ich die Chance. Wenn auch für einen kurzen Moment. „Ich habe noch nie den einfachen Weg bevorzugt. Und ich werde auch nicht akzeptieren, dass mir jemand fehlt, den ich nicht ausstehen kann. Ich werde finden, was meine Songs vervollständigt, ohne dass ich mit Chiron den einfachsten Weg gehe.“ Yurika seufzte, doch ein Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, was ich deutlich erkennen konnte, weil sie vor mir stand und mir eine Perücke aufsetzte. Scheinbar hatte ich ihr die Antwort gegeben, die sie irgendwie erhofft hatte. „Dann geh deinen Weg. Ohne zu zögern, ohne ständig zurück zu blicken. Geh einfach gerade aus und folge deinem Herzen.“ „Sehr poetisch für deine Verhältnisse. Klingt wie eine Zeile aus einem Songtext.“ „Klingt eher nach etwas, dass dir ein Starish-Song mitteilen würde. Fertig. Fehlt nur noch die Maske und das alte Geheimnis lebt wieder auf.“ „Eine Frage, Yurika...“, begann ich, als ich die Maske von ihr entgegen nahm. Ich wartete, bis sie mich ansah, bevor ich die Maske aufsetzte und ihr erlaubte sie zu richten. „Weiß Chiron von dem alten Geheimnis?“ „Ich gestehe, er weiß vieles, dass er gegen dich verwenden könnte. Aber nein, dass weiß er nicht. Sonst würde er seinen Kampf anders führen.“ „Gut. Dann kann man ihn ja immer noch überraschen.“   Wie damals hatte Rumi sich eine Perücke aufgesetzt, so dass sie aussah wie ich. Wir hatten ungefähr dieselbe Größe und da sie ein Bewegungsgenie war, hatte sie recht schnell gelernt sich wie ich zu bewegen. Niemand würde merken, dass ich es in Wahrheit war, die auf der Bühne stand. Abgesehen von jenen, die in das Geheimnis eingeweiht waren. Die Gang und ich. Von der kurzen Distanz konnte ich hören, wie die Flöte, gespielt von Mira einsetzte, gefolgt von Hirokis Gitarrenspiel. Das Lied war perfekt gewählt worden. Zwar nicht mein originales, aber immerhin eines, dass mein Herz höher schlagen ließ. Ich wollte es singen. Egal wer mich von den Hundertausend Leuten singen hören würde. Es war sogar egal, dass meine Senpai dabei waren. Die Maske schützte mich vor der Aufmerksamkeit. Ich musste nichts zurück halten. Fukiareru ichijin no kaze ni Komiageru atsui kimochi Mitsumeau hitomi no oku kakugo wo yadoshite Hiiro ni somaru daichi de Shinjiru ga mama kokoro wo tokihanasu Toki wo tayutau gouka no hana yo Sono inochi hateru made omoi wo moyase Tatoe kono sekai ga setsunaku tomo Kamawanai dokomademo anata to tomo ni Midare saku ouka no gotoku So gut ich ging, bewegte ich mich zu dem Lied, auch wenn ich mich mehr auf das Standmikrofon stützte. Ich vergaß wirklich alles um mich herum und war für einen kurzen Moment die Person, die ich vielleicht hätte sein können, wenn ich den Idol-Kurs gewählt hätte. Und doch wurde mir wieder klar, warum ich nicht diesen genommen hatte. Ich konnte nur auf der Bühne stehen, weil ich eine Maske trug. Doch ich hasste es, dass man mir sagte was ich tragen sollte, dass man meine Songs wählte. Mir war die Kamera unangenehm, die Mikoto auf mich richtete. Das Wissen, das auf der anderen Seite seine Zuschauer saßen, von denen ich nicht wusste, was sie wirklich über mich dachten. Mich, das maskierte Idol. Gleichzeitig hasste ich die Tatsache, dass sie nur zusahen, weil sie hofften, dass ich meine Maske abnehmen würde. Ein Ereignis, auf das sie ewig warten würden, denn nach diesem Auftritt würde das maskierte Idol wieder verschwinden. Das allein nahm mir den Druck diesen Auftritt zu genießen und diesen kleinen Traum einfach zu leben. Diesen Moment zu erleben.   Meine Freunde waren verabschiedet und die Dusche im Bad war erholsam gewesen. Dennoch zog es mich raus aus der Hütte, zurück an den Strand. Die Sterne leuchteten hinab und gaben mir genau das, was ich brauchte um runter zu kommen. Ich war müde, doch das Adrenalin floss noch durch meine Venen und hinderte mich daran zu schlafen. Und scheinbar war ich nicht die einzige, die nicht schlafen konnte. Was mich ehrlich gesagt schmunzeln ließ. „Mr. I-stole-your-girlfriend-with-my-band, ich dachte du bist nach all der Arbeit totmüde.“ Auch wenn er mir nicht erlaubte, dass ich mich neben ihn niederließ, tat ich es einfach. Er hatte immerhin auch nicht deutlich gemacht, dass ich gehen sollte. „Und, wie fandest du Mission Showtime?“ Ich sah zu Reiji, dessen Gesicht im Licht des Mondes silbern erleuchtet wurde. Sein Blick war ernst und doch stand es ihm. Er war, wunderschön und schon alleine dass ich das dachte, ließ mich erröten. Ich war eindeutig von zu vielen hübschen Männern umgeben. Wie sollte man sich da denn beherrschen? „Als Starlight Memory erklang... wollte ich nicht dass es stumm bleibt. Auf dem Plan stand niemand der es singen würde und dann... Hab ich es einfach gesungen und festgestellt, dass es den anderen wohl genauso ging. Sie sind immer recht gemein zu mir, ignorieren mich oder sind genervt aber... anders würde ich es mir nicht vorstellen können. Ich war erleichtert, dass sie mit mir gemeinsam gesungen haben.“ Ich lauschte Reiji und war froh, dass zu hören. Es wirkte so, als wären all die Zweifel von ihm gefallen und als hätte er Sicherheit gewonnen. Ich war erleichtert, denn eine Welt ohne Quartet Night hätte ich mir irgendwie nicht vorstellen können. „Also war Mission Showtime ein Erfolg.“ „Ich hab zumindest gemerkt, das Quartet Night, so wie wir sind, gut passen. Auch wenn wir da noch die ein oder andere Baustelle haben. Aber niemand ist perfekt.“ „Schon gar nicht so krasse Charaktere wie ihr. Ihr werdet es gemeinsam schaffen. Wenn ihr auf einander zu geht. Schritt für Schritt. Und wenn es mal wieder zu deprimierend wird, ich geb dir gerne meine Nummer. Dann kannst du noch einmal Mission Showtime fordern.“ Mein Blick wandte sich zum Meer, denn ich wollte irgendwie nicht, dass unsere Blicke sich trafen. Ich wollte nicht wissen wie tief ich noch in die Grube der Verlegenheit sinken konnte. „Ich glaube da bin ich nicht der Einzige, oder? Wie ist eigentlich dein Name als maskiertes Idol?“ Ich hob eine Augenbraue und fragte mich, wie es Reiji erkannt hatte. Gleichzeitig überlegte ich, ob ich es abstreiten sollte, oder nicht. Doch wie ich Reiji einschätzte, war er zu clever um mir eine Lüge abzukaufen. „Es gibt keinen Namen. Ein Name würde nur absichern, dass es immer wieder passiert. Oder dass die Masse jemanden zum Ansprechen hat, wenn sie mehr wollen. Daher... lassen wir es beim maskierten Idol. Und dabei, dass niemand erfährt, wer sie ist.“ „Ein weiteres Geheimnis also? Mh~ Wenn ich es wahre, schuldest du mir aber etwas, Ere-chan.“ Ich konnte sein Grinsen förmlich sehen, auch wenn ich ihn nicht ansah. Was auch immer er dachte ich war hin und her gerissen zwischen es wissen wollen und am besten dumm bleiben. „Und was?“ Ich wählte das Wissen wollen und sah zu Reiji, der wirklich genauso breit grinste wie ich es verstanden hatte. Gleichzeitig schoss mir wieder die Röte in die Wangen, denn seine grauen Augen fixierten mich verspielt und ließen mein Herz höher schlagen. „Denk darüber nach, wie du mir die Lippen versiegeln kannst.“ Wäre ich eine Animefigur gewesen, wären mir nun kleine Dampfwölkchen aus den Ohren geschossen. Gleichzeitig fühlte ich mich bedroht. Bedroht davon die „Love is a No-No“-Regel auch noch zu brechen. „Nur ein Scherz. Ich verspreche dir, dass dein Geheimnis bei mir sicher ist.“ Fast schon beleidigt sah ich weg und schmollte innerlich. So etwas hatte er auch bei Haruka abgezogen. In Verbindung mit einem Liebesgeständnis. Bei ihr hatte er gelogen, doch ich war mir sicher, dass er bei mir wirklich gescherzt hatte. Nur um mich in Verlegenheit zu bringen. Was nicht schwer war. „Wir hätten dich doch nahe am Wasser verbuddeln sollen“, murrte ich und bemerkte, dass der Tag zuvor uns einen Insider-Joke beschafft hatte. „Wie gemein, Ere-chan. Das kannst du deinem Senpai doch nicht antun.“ Erneut war er weinerlich. Gespielt, aber es wirkte doch authentisch. Ich konnte aber nicht anders als zu lachen und hörte, das Reiji in dieses einstimmte. „Ere-chan, danke. Aber du solltest nun schlafen gehen. Morgen haben wir viel vor.“ „Schon wieder eine Wanderung?“ „Nein, keine Sorge. Bis zum Abend steht keine Gruppenaktivität an. Du kannst also tun wonach du Lust hast. Aber der letzte Abend ist der wohl längste, deswegen solltest du gut ausgeruht sein.“ Ich seufzte und sah ihn an. Er setzte scheinbar schon wieder seinen Willen durch. Aber gut, es sollte ja nur ein weiterer Abend sein. „Na schön. Wir sehen uns dann morgen zum Frühstück. Schlaf gut, Mr. I-stole-your-girlfriend-with-my-band.“ „Die auch eine gute Nacht, my masked Idol.“ Ich erhob mich vom Boden und schmunzelte. Ein weiteres Geheimnis gab es also zwischen uns beiden. Und ich hoffte wirklich, dass er es geheim halten würde.   **~~**   Ich erwachte ohne das jemand mich weckte. Reiji und die anderen hatten mich schlafen lassen, doch scheinbar war ich gerade rechtzeitig wach geworden um mit ihnen gemeinsam zu frühstücken. Schweigend setzte ich mich an den Platz, der auch schon die letzten Tage als meiner deklariert war. Scheinbar hatte jeder von uns so seinen Platz. Ai zu meiner rechten, Ranmaru zu meiner Linken. Neben Ranmaru saß Reiji und ihm gegenüber Camus. Ob das ihre gewohnte Sitzordnung war? Ich hatte mich das schon am ersten Tag gefragt, aber nicht für nötig befunden wirklich zu fragen. „Hier, dein Milchkaffee.“ Lächelnd nahm ich die Tasse entgegen, in der eine hellbraune Flüssigkeit schwappte. Kaffee mit viel Milch. „Und Zucker?“, fragte ich, wobei mir Ai vorsichtig das Zuckertöpfchen entgegen schob. „Danke.“ Ich nahm das Töpfchen und löffelte drei Teelöffel Zucker in das Gebräu. Mir entging nicht, wie Ranmaru sein Gesicht verzog. Scheinbar empfand er meine Art Kaffee zu trinken immer noch eklig, aber er sagte nichts. Und ich störte mich daran. Auf Arbeit war es mir auch egal dass alle dachten ich ertränke meinen Kaffee in Milch. Scherzeshalber fragte ich sogar gerne, ob ich noch etwas Kaffee auf meinen Zucker bekommen könnte. „Und was macht ihr heute so?“ „Endlich den Urlaub genießen“, antwortete Ranmaru und warf dabei einen bösen Blick zu Reiji. Dabei war ich genauso schuldig wie er. Immerhin hatte ich den vergangenen Abend verplant. Aber gut, solange ich nicht die Böse war, würde ich nichts sagen. Stattdessen griff ich zu einer Scheibe Toast und schmierte sie mit etwas Marmelade. „Ich fahre zu einem Aussichtspunkt. Du kannst gerne mitkommen, Ere-chan, dann können wir fortführen, wo wir gestern Abend waren.“ Ich beherrschte mich, denn sonst hätte ich Reiji meinen beschmierten Toast ins Gesicht geworfen. Gewalt war aber immer noch keine Lösung. Vor allem nicht bei Reiji. Am Ende würde sich herausstellen, dass er auch noch darauf stand. „Ich verzichte. Lieber schließe ich mich im Arbeitszimmer ein und schreibe an einer Geschichte.“ 'Oder komponiere...', ergänzte ich in Gedanken, denn es juckte mir in den Fingern. Ich wollte irgendwas komponieren, eine Melodie aus meinem Herzen sprießen lassen, ohne ein Ziel, ohne an jemanden zu denken. Einfach nur Musik. Schon der Gedanke daran einfach nur zu spielen ließ Vorfreude in mir erwachen. Doch mir fiel auch etwas ein. Es war der letzte Tag hier am Strand. Der letzte Tag an dem ich Quartet Night monopolisieren konnte. Die letzte Chance mit ihnen alleine etwas Freizeit zu haben. „Ähm, darf ich darum bitten, dass wir heute zum späten Nachmittag grillen? Meines Wissens nach haben wir noch einiges an Fleisch da und es wäre schade wenn das schlecht wird. Außerdem scheint das Wetter heute perfekt zu sein um zu grillen. Was haltet ihr davon?“ Wartend sah ich zu den Jungs. Reiji hingegen schien kurz überrascht, doch er hatte schnell ein Lächeln auf den Lippen. „Dann haben wir ja alle denselben Gedanken. Wir hatten gestern zu viert entschieden heute Abend am Strand ein Barbecue zu machen. Mit Musik und Geschichten am Lagerfeuer und einer besonderen Überraschung.“ „Eine Überraschung?“ Ich sah von einem zum anderen, doch sie schwiegen. Keine Antwort. Und das wiederum weckte meine Neugier. Ich hasste so etwas. „Was für eine Überraschung?“ „Es wäre keine, wenn wir sie dir verraten würden, oder Ere-chan? Hab Geduld und du wirst es erfahren.“ Schmollend sah ich zu den Jungs. Jetzt musste ich mich wirklich noch mit komponieren oder schreiben ablenken, denn sonst würde ich wahnsinnig werden. Soviel stand fest.   Ich sah aus dem Fenster, während ich das Blatt mit den Notenzeilen vor mir hatte. Was war das nur für eine Überraschung? Es ging mir einfach nicht aus dem Kopf, weswegen ich gerade hier saß und eigentlich mehr die Jungs beobachtete, als wirklich mit dem komponieren beschäftigt war. Ich konnte die Jungs von hier aus gut beobachten. Abgesehen von Reiji, der gleich nach dem Frühstück sein Vorhaben in die Tat umgesetzt hatte und los gefahren war um zur Aussichtsplattform zu fahren. Camus hingegen hatte sich an den Strand gewagt, in Badehose. Sehr eng und hübscher als die Modelle, die ich in Free gesehen hatte. Eindeutig bevorzugte er das Sonnen mehr als das Schwimmen. Ebenso Ai, der mit einem Sonnenschirm am Strand entlang spazierte, seinen weißen Hoodie tragend und die Badehose. Er hielt sich bewusst vom Wasser fern, schien aber auch nichts dagegen zu haben den Sand unter seinen Füßen zu spüren. Was er wohl dachte? Wie gerne hätte ich das gewusst. Doch direkt hätte er mir das nicht gesagt. Vielleicht hätte er mein Interesse sogar als unlogisch empfunden. Wobei, war dieser Ai noch der Ai, den ich in Staffel 2 als Senpai von Natsuki und Syo hatte kennenlernen dürfen? Also in meiner Welt? Oder hatten diverse Kleinigkeiten dafür gesorgt, dass er mehr war als ein Android? Würde er dann meine Neugier vielleicht sogar verstehen? Ich stützte meinen Kopf auf den Arm, den ich am Tisch aufgelegt hatte und blickte auf die leere Partitur. Hatte ich mich verändert? Ein wenig vielleicht? War ich noch dieselbe wie vor zwei Jahren? Es waren Dinge, die mir wie selbst verständlich durch den Kopf schossen, vor allem nach dem Gespräch mit Yurika. Sie hatte mir den leichten Weg, Chiron, empfohlen und andererseits... irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie hoffte, dass ich doch wieder den schwereren Weg gehen würde. Ich dachte an damals, als ich mich für das Komponieren entschieden hatte. Kurz fragte ich mich wieso? Hatte Yurika Recht und es lag wirklich nur daran, dass mich die anderen überzeugt hatten? Ich schloss die Augen und versuchte mir jede Einzelheit in Erinnerung zu rufen.   **~~**   Ringo hatte die Deadline endgültig gesetzt. Ein viertel Jahr hatte ich sowohl als Komponistin als auch als Idol meine Noten verdient und eine der Leistungen würde für die Katz sein, wenn ich meine endgültige Entscheidung traf. Fakt war nur, dass ich mich nicht wirklich entscheiden konnte. Vor mir lag eine Liste mit Pro und Contra für jeden Kurs. Pro beim Idol-Kurs: Bessere Noten, mein Schreibtalent, mehr Chancen an meine Lieblingsidole zu kommen. Contra: Die Sprache (bevorzugt Japanisch), Zuviel Öffentlichkeit, Medien, Mangelndes Rythmusgefühl, knappe Klamotten unter Umständen, Chiron. Das Pro für den Komponistenkurs: Mehr Kreativität, ich könnte für meine Lieblingsidole komponieren, Harukas Fußstapfen Contra: Die Kommunikation (auch bevorzugt japanisch), die schlechteren Noten, Kaum Erfahrung mit dem Komponieren, Haruka als Rivalin, wenn ich es schaffen sollte, Chiron, einfach null Talent. Wenn ich mir beide Listen ansah, schien das komponieren sogar schon die schlechtere Alternative zu sein und doch wollte ich sie nicht einfach so mir nichts dir nichts abschreiben. Vielleicht lag es daran, dass Sumire mir gerade half die „Sprache der Instrumente“ zu verstehen und meine letzte Arbeit immerhin statt einer vier eine drei wert war. Für mich war das fast schon so gut wie eine eins. Irgendwie wollte ich es mehr versuchen. Mehr komponieren. Und doch... ich konnte es auch nicht sein lassen singen zu wollen, auch wenn ich selbst noch keinen einzigen Band-Battle bestritten hatte und ich, laut Ringo, beim nächsten antreten musste, wenn ich mich entschied ein Idol zu sein. Durch Mira und Hiroki hatte ich aber eine gute Vorstellung wie schwer das sein würde. Ich meine ich war nicht schlecht. Meine Noten als Idol standen auf zwei aber mir fehlte so das gewisse Etwas wie Tanzen. Ich bewegte mich wirklich wie ein nasser Kartoffelsack und wenn ich ehrlich war, wollte ich das nicht der ganzen Schule präsentieren. An sich war das schon ein Grund sich für das Komponieren zu entscheiden, doch etwas hielt mich zurück. Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken heraus und verwundert glitt mein Blick zur Uhr. Es war 22 Uhr. Eine unchristliche Zeit für anständige Besuche. Ich konnte mir aber ahnen, wer es war, denn es gab nur eine Person die unchristliche Zeiten mochte. Seufzend erhob ich mich von meinem Platz und ging zur Tür, die ich sogleich aufmachte. Ich konnte wirklich froh sein, dass ich ein Einzelzimmer hatte, was wohl der ungerade Zahl an weiblichen Mitschülern verschuldet war. So musste ich mich immerhin bei niemanden entschuldigen, wenn Mira, wie jetzt auch, ihren spontanen Besuch durchzog. „Guten Abend~ Komm mit, wir treffen uns alle draußen.“ Von langen Erklärungen hielt Mira nicht viel. Stattdessen griff sie meine Hand und zog mich hinaus. In Schlafklamotten. „Wie wir treffen uns?“ „Na die Gang. Wir müssen über wichtige Dinge reden. Also komm. Wir haben nicht viel Zeit. Am Ende erwischt uns die Security. Du weißt, es ist längst Schlafenzeit.“ Ich seufzte und gab nach. Wie so oft. Mira wusste einfach mich zu überzeugen. Vor allem dann wenn die Security ins Spiel kam. Natürlich wollte ich nicht, dass meine Freunde Ärger bekamen. „Beeil dich!“ Sie zog an mir und ich hatte sowieso keine andere Wahl als nachzugeben. Sonst hätte sie mir wahrscheinlich noch den Arm ausgerissen. Mira konnte das ganz gut. Sie war eben keine Person die sich einfach so etwas sagen ließ und meist ihren Kopf durchsetzte.   Es waren nicht ganz alle da. Nur die Mädchen. Wir hatten uns einen Mädchentreffpunkt unter dem Pavillon gemacht. Einer bei dem Haruka Tokiya getroffen hatte. Er hatte was magisches, behauptete ich, denn scheinbar gab es hier die schicksalhaftesten Begegnungen. Mira hatte mich dort das erste Mal wirklich gesehen, laut ihrer Aussage und hier war ich offiziell in die Gang aufgenommen worden. Irgendwie gab mir sogar das Gefühl, dass ich auch heute hier ein schicksalhaftes Ergebnis haben würde. Vor allem dann wenn die Mädels da waren. Alle. Was schon fast verwunderlich war. In der Regel fehlten Yurika und Rumi zu dieser Stunde, denn beide bevorzugten ihren Schönheitsschlaf. Doch sie waren hier, was mir verriet, dass es um ein wohl sehr ernstes Thema gehen musste. „Da sind wir. Also dann, reden wir darüber wie wir Nya-nya-chan davor bewahren von der Schule zu fliegen.“ „Hä?“ Das war wohl die uncleverste Antwort die man auf so eine Ansage geben konnte. Doch wie gesagt, Mira hatte es drauf solche Ansagen zu machen. Noch dazu fragte ich mich, woher sie wissen wollte, dass mir ein Rauswurf drohte. „Mira hat heute bei deinem Gespräch Ringo gelauscht und erzählt sie würden dich rauswerfen, wenn du dich nicht endlich für einen Kurs entscheidest.“ „Das ist so. Ringo-sensei sagte: 'Wenn du keine Entscheidung treffen kannst, müssen wir einen klaren Schlussstrich ziehen.'“ Ich nickte verstehend und wusste genau was sie meinte. Sie hatte mal wieder nur die Hälfte des Gesprächs mitbekommen. Wahrscheinlich war sie nach diesem Satz sofort losgestürmt und hatte die Mädels zusammen getrommelt. Das wäre eine typische Handlung für sie gewesen. „Verstehe. Nein, ich werde nicht von der Schule fliegen. Aber... Ja ich muss mich entscheiden, denn sonst wird Shining und die Lehrerschaft mir diese Entscheidung abnehmen. Das wäre katastrophal für mich.“ „Kann ich verstehen“, antwortete Sumire und setzte sich etwas aufrechter hin. „Einen Kurs zu machen, für den man sich nicht entscheiden konnte, lässt einen immer die Zweifel, was gewesen wäre, wenn man selbst entschieden hätte. Unter Umständen kann es passieren, dass man das was man tut hasst und dann versagt. Ich würde sogar meinen, dass sie Erenya eher in den Idol-Kurs stecken. Ihre Noten dort sind besser.“ Sumire sah mich prüfend an. Scheinbar wollte sie eine Reaktion auf ihre gesagten Worte. Doch ich konnte nicht reagieren. „Wenn sie im Idol-Kurs besser ist, ist die Entscheidung doch leicht. Ihr bringt ein Kurs nichts, der sie schlecht dastehen lässt“, konterte Yurika und reckte sich. „Aber sie hat viele Defizite im Idolkurs. Sachen die wichtig sind. Diese müsste sie nicht im Komponistenkurs ausgleichen“, erwiderte Rumi gähnend und rieb sich müde die Augen. Scheinbar hatte sie ihre Wachphase schon bei weitem überschritten. „Aber sie hätte es viel schwerer. Und die Chance, dass sie ihr Debüt bekommt sind gleich null.“ Harsche Worte von Yurika, aber ich wusste auch, dass sie Recht hatte. Diese Rechnung hatte ich selbst schon gemacht. Daher fiel es mir ja so schwer mich zu entscheiden. „Dann entscheiden wir eben für Nya-Nya-chan!“ Verwundert sahen wir alle zu Mira, die uns ihr strahlendstes Lächeln schenkte. Ich wusste nicht einmal, ob sie sich die Argumente der anderen angehört hatte, oder einfach nur wieder aus einer Laune heraus präsentierte, warum sie so etwas wie die geheime Anführerin war. „Wäre das nicht dasselbe wie wenn Shining entscheidet?“ Sumire hatte Recht. Miras Vorschlag ergab keinen Sinn und doch, irgendwas war anders. Ihr Vorschlag löste in mir ein anderes Gefühl aus, als wie bei Ringo, als er mir gesagt hatte, was passieren würde, wenn ich mich nicht entscheiden konnte. „Mh... Vielleicht. Aber wenn sie nicht entscheiden kann, wäre es doch blöd, wenn die Lehrer entscheiden. Sie kennen Nya-Nya-chan nicht so gut wie wir. Immerhin sind wir nicht nur ihre Klassenkameraden, sondern auch ihre Freunde. Wir kennen ihre Stärken, wissen was wir ihr zumuten können und werten nicht einfach nur nach Noten. Die Lehrer hingegen werden eher nach den Noten gucken, weswegen es offensichtlich ist, dass sie in den Idol-Kurs kommen wird.“ Kurzes Schweigen machte sich breit. Was sie sagte, klang wirklich logisch und irgendwie glaubte ich, dass es vielleicht nicht falsch war, das Ruder loszulassen. Vielleicht halfen mir die Argumente der anderen sogar mich selbst für eine Richtung zu entscheiden. „Dann bin ich für den Idol-Kurs. Sie kann gut singen und überzeugt zumindest mich. Das mit dem Tanzen wird sie noch hinbekommen.“ „Ich bin eher für den Komponisten-Kurs. Sie wird nicht tanzen können. Ihre Haltung zeigt das nur zu deutlich. Es würde Jahre dauern und die Zeit hat sie nicht, denn man müsste viel an ihrer Haltung korrigieren. Noch dazu hat sie ein Problem mit zuviel Aufmerksamkeit.“ Rumi machte ein paar Punkte noch deutlicher, die ich sowieso schon wusste, doch von der Haltung, dass die daran Schuld war, dass ich nicht tanzen konnte, hatte ich nichts gewusst. „Wenn sie mehr im Rampenlicht stehen würde, könnte sie selbst sicherer tanzen. Haltung kommt mit Selbstbewusstsein.“ „Und Selbstbewusstsein baut sich nicht einfach von heute auf Morgen auf, Yurika. Ich gebe Rumi Recht. Der Komponisten-Kurs wäre besser für sie.“ „Aber sie hat einen großen Rückstand, denn sie aufholen müsste. Und von heute auf morgen lernt man nicht das perfekte komponieren wie Nanami-san.“ Ich verschränkte die Arme und war fasziniert, wie leidenschaftlich Yurika gerade um meine Zukunft an dieser Schule kämpfte. Ich spürte, dass sie nur das Beste für mich wollte, doch irgendwie fragte ich mich, ob der Idol-Kurs nicht der Weg wäre, der zu leicht war. Sicher, mit viel Glück konnte ich mich irgendwie durchmogeln. Aber wollte ich das? Konnte ich dann stolz auf mich sein? „Aber sie hat Talent. Und sie lernt schnell. Noch dazu kann sie als Grundlage etwas Klavier spielen. Hast du schon mal gehört wie sie spielt, wenn sie einfach nur spielt? Da ist Potential. Sicher es wird nicht leicht, aber wenn sie sich traut, glaube ich sogar, dass sie bessere Chancen hat, als im Idol-Kurs.“ Schweigen bei Yurika, als Sumire ihre Argumente hervor brachte. Scheinbar ließ sie sich ihre Worte durch den Kopf gehen, ebenso wie ich. Das waren Dinge, die ich selbst nicht gesehen hatte. Ich persönlich hätte nie von Talent gesprochen. Vielleicht von ausbaubaren Grundlagen, aber mehr nicht. „Was meinst du, Mira? In welchem Kurs wäre sie besser aufgehoben?“ Mira neigte den Kopf von links nach Rechts und dachte mit geschlossenen Augen nach. Sie war das Zünglein an der Wage. Wenn sie Yurika zustimmte, dann wäre es unentschieden und ich wäre wohl genauso weit gewesen wie am Anfang. Oder aber sie entschied für den Komponisten-Kurs. „Schwer schwer... Komponist oder Idol... Ich denke Nya-Nya-chan könnte beides meistern. Deswegen ist das so schwer.“ „Mira, du hast die Regel aufgestellt, dass wir entscheiden...“, murrte Yurika und schüttelte den Kopf über unsere Anführerin, die auf einmal so unentschlossen wirkte. „Deswegen werfe ich eine Münze.“ Grinsend zog sie eine Münze aus ihrer Taschen hervor und warf sie in die Luft, noch ehe wir einen Einwand dagegen erheben konnten. Aus der Luft heraus fing sie diese und legte sie sich auf den Handrücken. „Die Stunde der Wahrheit...“, erklärte sie und hob die Hand, mit der sie die Münze verdeckt hatte.   **~~**   „Miau!“ Ich zuckte zusammen und drückte unkontrolliert eine Taste auf dem Klavier, wodurch das Stück aus meiner Erinnerung ins wanken Geriet. „Miau! MIAU!“ „Pstt, nicht so laut. Sie kann sonst nicht komponieren, du kleiner Rocker.“ Ich hörte eindeutig Ranmaru und erhob mich neugierig von meinem Platz. Das Maunzen kam klar und deutlich von draußen, aus der Nähe, in der sich das Fenster befand. Ich kletterte etwas auf den Sekretär und blickte hinaus, erkannte aber erst nur Camus, der etwas vom Boden aufhob und gen Sonne hielt. Nach kurzer Zeit nickte er und steckte es in einen Eimer, in dem noch andere glänzende Schalen waren. Muscheln, wenn man mich fragte. Doch interessanter war das Maunzen, weswegen ich das Fenster etwas öffnete und förmlich zu meiner rechten erkennen konnte, dass Ranmaru dort saß und liebevoll eine Katze kraulte, die freudig maunzte, was er immer noch als Geschrei abtat. „Ist ja gut, ich hab hier noch etwas für dich. Da.“ Er griff in seine Hosentasche und zog ein paar getrocknete Sardinen hervor, auf die sich die weiße Katze mit dem rosafarbenen Innenohren, stürzte. „Scheint dir ja sehr zu schmecken.“ Es war ein süßer Anblick, von dem ich froh war, ihn live zu sehen. Nun war dieses Bild mehr als eine Erinnerung aus der Serie, oder eine Geschichte die mir Reiji erzählt hatte. Sie war eine Wirklichkeit geworden.   Irgendwie war das Lied doch noch fertig geworden, auch wenn ich genug Ablenkung hatte. Ich starrte es fast schon bewundernd an, bevor ich mich daran erinnerte, dass der späte Nachmittag als Zeitpunkt für ein besonderes Date bestimmt war. Ich packte den Song also in meinen Block und lief hinaus zum Strand, wo die Jungs bereits ein Lagerfeuer entzündet hatten. Daneben noch einen Grill. Über dem Feuer hing ein großer Braten von dem ich mich fragte, wie das Ding in den Kühlschrank gepasst hatte und vor allem wo die Jungs ihn versteckt hatten. Reiji oder Ai hatten sogar einen Baumstumpf hergetragen und zu einem Tisch umfunktioniert, auf dem nun einige andere, fleischlose Leckerein standen. Wie Salat und kleine Häppchen. „Ah, da bist du Ere-chan! Gerade rechtzeitig, wir wollten gerade anfangen.“ Reiji hatte mich als erster entdeckt und winkte freudig mit einer Hand, in der er einen aufgespießten Fisch hielt. Ich erkannte, dass nicht nur Fleisch über dem Feuer hing, sondern auch Fische. Satte werden, würden wir alle Male und es würde wohl auch noch genug für ein Heimfahrtsbento am nächsten Tag sein. „Natürlich. Ich hab es doch versprochen.“ „Komm her, hier ist noch ein Platz neben mir frei.“ Übermütig klopfte Reiji neben sich, doch nicht nur er schien Platz für mich zu machen. Ranmaru griff zu einer Akkustikgitarre, die er wohl von Sumire am Vortag geliehen hatte. Er zupfte ein paar Saiten und tat so, als wollte er spielen, doch irgendetwas sagte mir, dass der harte Rocker nichts dagegen hatte, wenn ich mich neben ihm platzierte. Da es der kürzeste Weg war, tat ich das auch. „Also, Geschichten und Musik?“, fragte ich und sah Ranmaru an, der eine leise rockige Ballade begann. Er summte erst die Melodie der Gesangsstimme, ließ aber recht schnell von seiner ruhigen Art ab. Call me the number one, if you want to hear me, I know you can't go on, a secret you'll see.   In einer Sternenacht, heiß und voller Leidenschaft, räckelst du dich in meinem Arm. Von deinen roten Lippen, sehe ich es zittern, den stummen Wunsch nach mir.   Ich gebe dir, was du willst, bis es deinen Hunger stillt. Lauter und wilder, heißer und härter, wirst du heute MEIN. Ich konnte mich richtig in seiner rauen Stimme verlieren. Auch wenn die Textzeilen mich erröten ließen. Der Song war heiß und doch... etwas war seltsam. Ein Déjà-vu. Ich hörte eine Melodie, die ich verloren glaubte und die wieder ans Tageslicht kam. Und dunkel erinnerte ich mich an etwas, dass Yurika gesagt hatte. Das sie etwas ihren wahren Besitzern wieder geben würde. Ich wollte gar nicht wissen, wie sie dann die anderen Songs ihren „Besitzern“ vermitteln wollte. Denn davon gab es ein paar. Einen für Eiichi, wenn ich mich dunkel daran entsinnte, einer für Cecil, ein Gruppensong für Starish... „Ran-Ran, wo hast du diesen Song her?“, fragte Reiji begeistert und überrascht. Ranmaru antwortete aber nicht und ließ die Melodie noch ein paar Mal auf der Gitarre erklingen. Scheinbar war er mit dem Text noch nicht fertig geworden. Viel Zeit hatte er wohl nicht. Doch das was er mir präsentierte war eindeutig unglaublich. „Dieses Lied klingt nach...“ Ai hielt inne und sah abwartend zu mir. So als wollte er Reiji damit den Hinweis geben, den er brauchte. Und als wollte er mich fragen, ob es in Ordnung war, wenn er es ausplauderte. „Das ist doch nicht wichtig, oder? Es klingt toll. Ich bin gespannt, wie es ist, wenn es fertig ist.“ Ich lächelte und versuchte irgendwie das Thema zu wechseln. Ich wollte nicht unbedingt erneut die Geschichte erzählen, warum Yurika einen meiner Songs an Ranmaru geben konnte und ich es nicht selbst getan hatte. „Was ist eigentlich mit dem Song den du geschrieben hast, Ere-chan? Ai-Ai meinte du hast komponiert. Dürfen wir ihn hören?“ Ich errötete und sah zu, wie mir Ranmaru die Gitarre reichte. Ich zögerte, bevor ich sie nahm und mich kurz entsinnte, wie ich sie greifen musste, um die Noten zu spielen, die ich für gewöhnlich auf dem Handy einfach nur antippte. „Ich bin nicht gerade fit mit der Gitarre, aber ich denke das wird irgendwie gehen.“ Ich spielte ein paar Noten, einfach nur um zu prüfen, ob sie wirklich die waren, die ich vermutete. Erst als ich absolut sicher war, spielte ich sie. Anders als mit dem Klavier aber doch im selben Rhythmus und in der selben Melodie. Spontan, frisch, sanft, aber irgendwie liebevoll. Fast schon ein wenig frei. Während ich sie spielte, zeichnete sich in meinen Gedanken das Bild einer Person ab, von der ich ahnte, dass sie dieses Lied verkörpern konnte. Ich konzentrierte mich auf diese Person, darauf, wie seine Stimme klingen konnte. Ja, es passte und das wurde mir bewusst, je weiter ich das Lied beendete. Denn es löste in mir dieselbe Sehnsucht aus, die ich nach ihm und seinen Freunden hatte. Die Melodie verstummte und ich sah die Jungs an. Ich wollte wissen wie sie es fanden, ob ich gute Arbeit geleistet hatte. Doch alles was ich von Reiji bekam, war ein inbrünstiges Seufzen. „Das ist nicht fair. Ran-Ran hat einen Song bekommen und der ist auch für jemand anderen. Ere-chan, wann schreibst du für mich?“ „Reiji... benimm dich nicht wie ein kleines Kind. Wir bekommen sicher auch noch die Chance einen ihrer Songs zu spielen, sollte Nanami nicht bald wieder kommen.“ Camus war es, der Reiji zur Fassung zwang. Und er hatte Recht, Reiji schmollte wie ein kleines Kind, aber irgendwie war das auch niedlich. „Aber, ich möchte das Ere-chan auch was für mich alleine tut. Zum Beispiel einen Kuchen nur für mich backt. Der letzte war so lecker.“ Ich errötete, als Reiji mir dieses Kompliment aussprach. Auch wenn er von mir sprach als wäre ich nicht einmal am selben Ort wie er. „Anzahltechnisch hast du das meiste von dem Kuchen bekommen. Dabei hätte Camus gerne von den anderen Stücken auch probiert. Und der Kuchen mit der Käsecreme und den Beeren, den sich Ranmaru zur Seite gestellt hatte, hast du auch gegessen.“ Ein Murren kam von Ranmaru und er erhob sich von seinem Platz, wobei er Reiji bedrohlich ansah. „Ah! Ai-Ai das war ein Geheimnis. Ich hatte solchen Hunger und der Kuchen war so unglaublich lecker und erfrischend.“ „Reiji!“, grollte Ranmaru und Reiji zuckte etwas zurück. Ja, das waren Quartet Night, wie ich sie von Anfang an erwartet hatte. Freunde, die sich hin und wieder stritten, sich verziehen und am Ende. Ein leises Lachen kam mir über die Lippen, was die Jungs aufhorchen ließ. „Ich werde euch noch einmal einen Kuchen backen. Versprochen. Sobald ich weiß, wann ich für komponiere, feiern wir das mit einem Kuchen. Und Kotobuki-senpai bekommt einen nur für sich alleine.“ Ein Jubeln kam von Reiji, doch ich wusste jetzt schon, dass er am Ende darüber jammern würde, wie gemein ich doch war. Er würde einen ganzen Kuchen bekommen. Einen kleinen.   Die Stimmung war ausgelassen, das Fleisch gut durch und Reiji präsentierte ein paar Zaubertricks, die mich lange genug staunen ließen. Zumindest so lange, bis Ai sie erklärte und Reiji resignierte. Dennoch die Show war gut und ich genoss wirklich jede Sekunde. „Reiji...“, fing Ai schließlich an und nickte Reiji zu, der verstehend nickte. Er erhob sich von seinem Platz und zeigte in den Himmel. Bedeutungsvoll und ohne das ich vermeiden konnte, seinem Fingerzeig zu folgen. „Und nun das große Finale unseres Urlaubs. Die Reise der Sterne. Heute ist die Nacht, in der alle Wünsche in Erfüllung gehen können.“ Kaum dass Reiji seine Erläuterung beendet hatte, erkannte ich die erste Sternschnuppe, die den Himmel schnell durchzog. So schnell, dass ich nicht einmal an einen Wunsch denken konnte. Doch sie blieb nicht allein. Eine weitere folgte und noch eine. Es ging so schnell, dass es aussah, als würden auf dem dunkelblauen, fast schwarzen Nachthimmel silberfarbene Streifen gezogen. Als ich realisierte, dass es sich um einen Sternschnuppenregen handelte, faltete ich die Hände zu einem Gebet. Genau wie Reiji. Es gab nur einen Wunsch den ich hatte. Einen der eigentlich vollkommen absurd war. Denn ich hätte wahrscheinlich tausend andere äußern können. Sachen wie „Ich will das Cecil sich in mich verliebt“. Oder „Heavens soll mich fest einstellen.“ Es war nichts von diesen Dingen. Sondern ein einfaches, kleines Gebet. 'Bitte lass Haruka schnell wieder fit und kreativ sein.' Kapitel 12: Between the character --------------------------------- Ich war etwas wehmütig, als ich den Strand und damit auch meinen Urlaub hinter mir gelassen hatte. Doch nicht nur den Urlaub, auch Quartet Night, die mich netterweise wieder beim Mastercourse abgesetzt hatte. Sie selbst mussten wohl direkt zum Boss fahren und sich den nächsten Auftrag abholen. Oder einfach nur Bericht erstatten, so genau wusste ich das nicht. Es wunderte mich sogar, dass ich nicht auch schon jetzt zu Shining sollte und ich erst, laut Reiji am Nachmittag mich darum bemühen musste. Ich war jetzt schon nervös wenn ich daran dachte, gegen was für Regeln ich insgesamt verstoßen hatte. Mit etwas Glück wusste er aber nichts von Mission Showtime und hatte es noch nicht bemerkt. Auf Glück konnte ich mich aber, was das anging nie verlassen, also betete ich zu den Göttern. Doch Gedanken konnte ich mir darum später machen. Für den Moment reichte es, wenn ich mich darum kümmerte, dass meine Sachen gewaschen und der Rest meines Gepäcks wieder ordentlich verstaut wurde. Die Frage war nur, wo fand ich hier eine Waschmaschine? „Erenya-chan?“ Ich sah zu meiner linken als ich eine Stimme neben mir vernahm. Sie war nicht wirklich vertraut, aber auch nicht fremd. Schon gar nicht war mir die Person fremd, die sich als Harukas beste Freundin Tomochika herausstellte. „Uhm... Hallo, Shibuya-senpai.“ Ich verneigte mich etwas zur Begrüßung und versuchte damit Anstand und Höflichkeit zu wahren. Meine Mutter hatte ja kein unhöfliches Kind erzogen. Tomochika lächelte und ich musste eingestehen, dass sie mit diesem Lächeln noch schöner wirkte. Sie war so erwachsen und ihr Modestil war das komplette Gegenteil von Mira. Ihre dunklen pinkfarbenen Haare saßen wie gewohnt adrett und passten sogar farblich zu ihren Sachen. „Wir haben uns zwar noch nicht kennengelernt, doch es freut mich dass wir endlich mal miteinander reden. Wie war dein Urlaub? Ich habe gehört, du warst mit Quartet Night am Strand. Wie war das so?“ Ich hatte schon das Gefühl, dass die Stimmung zwischen uns etwas gedrückter war. Vielleicht lag es daran, dass wir eben noch nicht viel Kontakt zueinander hatten. Sie meinte es sicher nicht böse. Soviel war mir klar. „Er war irgendwie chaotisch. Kotobuki-senpai hatte die ersten zwei Tage fast vollständig verplant. Und er hat total viele Bilder gemacht. Ich hoffe da sind keine zu peinlichen dabei.“ Ich musste an ein paar Momente denken, in denen Reiji Fotos von seinen Kollegen gemacht hatte. Wer versicherte mir, dass er vor mir zurück geschreckt hatte? „Ja Kotobuki-senpai ist wirklich manchmal etwas übereifrig. Aber es klingt, als hättest du eine Menge Spaß gehabt.“ „Sehr viel sogar. Gestern Abend haben wir am Strand gegrillt und später sogar den Sternschnuppenschauer beobachtet. Das war ein wirklich gelungener Abschluss. Sie sind wirklich unglaubliche Senpai.“ „Das sind sie wirklich. Starish hatten wirklich Glück soviel von ihnen lernen zu können. Und selbst jetzt schaffen es Quartet Night die sieben zu immer besseren Leistungen anzutreiben.“ Ich nickte und stimmte Tomochika bei ihren Gedanken zu. Ich fand allgemein die Chemie zwischen den drei Bands unglaublich toll. „Da fällt mir ein. Kira von Heavens war gestern hier und bat mich, dir einen Brief zukommen zu lassen. Ich habe ihn dir in dein Zimmer gelegt und hoffe, es ist nicht schlimm.“ Ich war verwundert, denn ich hatte viel eher damit gerechnet, dass Heavens mich wenn dann übers Handy kontaktierte. Wobei ein Brief doch schon Stil hatte. Was klassisches. „Nein das ist schon in Ordnung. Danke dafür.“ „Du schreibst nun auch für Starish und Heavens. Wenn Haruka davon hört, wird sie sicher erleichtert sein. Sie hat sich immer Sorgen um die Jungs gemacht. Besonders um Starish.“ Mir schnürrte es etwas das Herz zu. Denn mir war ja bekannt, dass Starish für Haruka eine Herzensangelegenheit waren. Gleichzeitig fragte ich mich aber, ob Tomochika vielleicht doch mehr wusste und doch noch was von Haruka erfahren hatte. Ich konnte es mir zumindest gut vorstellen, dass Haruka ihre beste Freundin doch nicht zu lange in Ungewissheit sitzen ließ. „Hast du etwas von Nanami-san erfahren?“ Tomochika schüttelte den Kopf und zerschlug damit meine Hoffnung. Scheinbar schwieg Haruka auch ihr gegenüber. Was fast schon fies war, denn ich war eine wildfremde Person und selbst mir hatte sie sich, wenn auch nur durch einen Brief, anvertraut. Umso mehr hoffte ich, dass mein Wunsch an die Sternschnuppen in Erfüllung ging, auch wenn ich wusste, dass nur ein Aberglauben war. Doch das hier war die Welt von Uta no Prince-sama hier passierten so viele Dinge, die einfach nur seltsam waren. „Da fällt mir ein, weißt du schon, wo du deine Sachen waschen kannst? Ich weiß ja, dass du noch nicht so lange im Mastercourse bist und sicher ist dir hier alles noch fremd.“ „Ich glaube die Waschküche ist etwas das Mira bei ihrer Tour ausgelassen hat.“ „Kein Problem, ich zeig sie dir. Folge mir.“ Die Anspannung, die zuvor zwischen Tomochika und mir geherrscht hatte, war nun wie weggeblasen. Ich empfand es sogar sehr angenehm mal mit einem Senpai zu reden, der auf seine Art und Weise irgendwie normal war. Noch dazu war sie freundlich. Da konnte man doch nicht in schlechter Stimmung sein.   Die Sachen waren in der Waschmaschine verstaut und der Rest entpackt. Alles in allem war der Morgen ereignislos und doch voll bepackt gewesen. Gegen Mittag hatte ich schließlich Zeit, endlich mein Zimmer zu betreten, meine Nachrichten zu checken. Viel war auf meinem Handy aber nicht passiert. Die einzige Nachricht die vorzufinden war, war eine von Saotome, der mich bat am Abend in sein Büro zu kommen. Er wollte scheinbar mit mir über den neuen Auftrag sprechen, von dem er vor meinem Urlaub bereits berichtet hatte. Ich war gespannt zu erfahren, worum es ging. Doch vorerst musste ich mich gedulden und nutzte die Zeit stattdessen mit dem Brief, den mir Tomochika auf den Schreibtisch gelegt hatte. Der Umschlag war schmucklos. Reines weiß, keine Unterschrift, keine Beschriftung für wen der Brief war. Kein Wunder wenn man bedachte, dass Heavens ihn persönlich vorbei gebracht hatte. Aber irgendwie hatte ich dennoch erwartet in filigraner Schrift meinen Namen auf der Vorderseite zu sehen. Wobei das wahrscheinlich auch nicht Heavens Stil gewesen wäre. Vorsichtig zog ich ein Blatt Papier aus dem Briefumschlag und entfaltete diesen, wobei mir ein weiteres, kleines Stück Papier entgegen segelte. Eilig ergriff ich es und bemerkte, dass es ein Ticket war. Es stand nicht viel auf diesem, nur ein Ort und das Wort „Privatkonzert“. Irgendwie war das wie ein Traum. Ein Privatkonzert, nur für mich? Ich schmunzelte, schüttelte aber den Kopf. Sicher meinten sie aber, dass dies eine besondere Veranstaltung war, zu der nur bestimmte Personen eingeladen waren. Doch was genau los war, würde mir wohl eher der Brief verraten als nur das Ticket selbst. Auch hier vermisste ich die filigrane Schrift. Es war mit Computer geschrieben. Wahrscheinlich hatte man vermeiden wollen, dass ich am Ende gar nichts lesen konnte. „Heavens lädt dich ein zu einem Demovortrag für Strawberry Angels neuen Werbesong. Wir freuen uns darauf zu erfahren, was du von dem Endergebnis hältst. Für Getränke und Essen ist gesorgt. Außerdem wird man dich abholen und zum Ort des Vortrages bringen. Es gibt keinen Dresscode, etwas Zeit solltest du dennoch mitbringen.“ Es waren nicht viele Zeilen, doch sie klangen so persönlich, dass ich mich fragte, wer sie geschrieben hatte. Und irgendwie freute ich mich auch darüber. Noch dazu war es die beste Gelegenheit jemanden einen Song zu geben, wenn dieser Jemand auch vor Ort war. Damit ich es nicht vergass, packte ich den Song auch sogleich, bewahrt von einem Schnellhefter, in meine Tasche, welche ich auf dem Bett ablegte, bevor ich in meine Reisetasche blickte und überlegte, was ich anziehen sollte. Keine Sommerkleidung. Davon hatte ich für die nächste halbe Ewigkeit genug. Ebenso würde ich auch sicher kein Kleid anziehen, nicht das ich eines besaß. Irgendwie war das erleichternd. Ich schmunzelte, schrack aber zusammen, als mein Handy lauthals verkündete, dass ich eine Nachricht erhalten hatte. Verwundert griff ich danach und erkannte, dass es eine Mail von Reiji war. Und der Anhang war gigantisch. „Hier die Fotos von unserem Urlaub. Damit hast du auch ein paar nette Erinnerungen an die schöne Zeit.“ Ich schmunzelte und öffnete die Datei, wobei ich durch die Fotos scrollte. Reiji hatte wirklich einige gemacht. Das Gruppenfoto, ein Foto von dem Blindekuh Spiel. Unsere Sandburgen. Reiji hatte wirklich keinen Moment ausgelassen um ihn fest zu halten. Verwundert war ich nur darüber, dass er sogar Fotos von Mission Showtime gemacht hatte. Fotos davon wie wir alles aufgebaut hatten. Fotos von den Auftritten selbst. Fotos von Juri, der gerade zu überlegen schien, welche Kleidung er für das nächste Set zurecht legen sollte. Ein Foto von Yurika mit Ranmaru. Ich hielt bei diesem Bild inne und blinzelte, denn ich konnte nur zu deutlich sehen, dass sie ihm ein Blatt Papier reichte. Reiji hatte damit wohl die Szene fotografiert, in der Yurika den Song seinem „rechtmäßigen“ Besitzer gegeben hatte. Und ich hatte mich schon die ganze Zeit gefragt, wann und wie sie Zeit hatte. Das Bild beantwortete alle Fragen. Als ich auf der Bühne stand. Clever von ihr.   Wie angekündigt wurde ich abgeholt. Von einem Fahrer den Heavens wohl beauftragt hatten und der zu Raging Entertainment gehörte. Er schwieg während der Fahrt, erkundigte sich gerade mal darüber, ob es mir gut ging, oder ich für die Fahrt ein Getränk haben mochte. Was ich ablehnte. Er erwähnte nur noch, wo ich was im Fall der Fälle finden würde. Ich war daher froh, als ich endlich am bestimmten Ort angekommen war. Aus dem Fenster heraus hatte ich bemerkt, dass wir auf dem Gelände von Raging Entertainment gefahren waren. Doch nicht zu einem der Hauptgebäude, sondern zu einem Park, der wohl ein Teil davon war. „Wir sind da, Miss Tailor. Gehen Sie einfach in den Park. Heavens erwartet Sie bereits.“ Ich nickte und stieg aus dem Wagen aus. Erst als die Tür hinter mir zufiel, bemerkte ich, was er da gesagt hatte. Heavens erwartet mich. Der Himmel erwartete mich. Das war wohl wirklich so. Ein Privatkonzert, selbst wenn noch andere beteiligt waren, war ein kleiner Traum für mich. Ich betrat den Park und merkte schnell, dass ein Privatkonzert wohl das war, was ich zu beginn vermutet hatte. Die Gruppe und ich. Nur dass Heavens nirgends zu sehen war. Lediglich eine kleine provisorische Bühne war aufgebaut worden. Mit Vorhang. Sicher ein Zeichen dafür, dass Eiichi mit seinem Perfektionismus einen Vorhang gefordert hatte. Abseits von der Bühne stand ein Tisch mit Bechern und ein paar Leckereien. Backwerk. Perfekt für einen Song der für eine Firma für Backwaren geschrieben wurde. Ob die Jungs das wieder selbst gemacht hatten? Hoffentlich, denn die Erinnerung an ihre Torte war noch zu lebendig und vor allem war sie lecker gewesen. Ich stand nur ein paar Minuten vor der Bühne, genug Zeit um mich umzusehen, als die Scheinwerfer angingen und eine Stimme, verstärkt durch ein Mikrofon erklang. „Willkommen zu dieser privaten Vorstellung, Engel. Du bist heute hier, weil drei von uns deinen Song zu einem Meisterwerk gemacht haben. Das sieht selbst der Produzent des Werbespots so. Wir hoffen du genießt das Ergebnis und freuen uns natürlich über jeglich positives Feedback.“ Eiichis Stimme war wirklich unverkennbar. Noch dazu schien er wirklich mehr als nur überzeugt zu sein, dass ich das Ergebnis nicht schlecht finden würde. Umso gespannter war ich also, das Lied zu hören. Die Melodie setzte ein, gespielt von einem Klavier. Es war vertraut, was kein Wunder war, immerhin hatte ich diesen Song geschrieben. Das Arrangement war leicht verändert. Vollkommen normal. Jeder Künstler änderte noch was am Arrangement ab. Selten gab es Lieder die unverändert einfach so übernommen wurde. Strawberry Angel Mysterious Magic Strawberry Angel Wave the magic Der Song begann ruhig. Die Zeilen waren gesungen worden, als wären sie ein Flüstern. Mysteriös, zärtlich und zuckersüß. Mir lief dabei ein angenehmer Schauer den Rücken hinab. Gleichzeitig wollte ich mehr hören. Wollte den Zauber sehen, den Kira, Shion und Nagi weben würden. Eine vergessene Geschichten (being untold) Über alte Magie, habe ich gehört Ihr süßer Zauber (waving unknown) Erobert dich im Sturm.   Sie ist so alt (awaken again) Wie die Liebe selbst Und du vollbringst sie (mysterious spell) Es ist die mysteriöse Kraft, deine Magie!   Strawberry Angel in vielen Formen und so kreativ, selbst wenn es nicht funktioniert wird der der es probiert von dir betört.   Strawberry Angel, so geheimnisvoll und mehr als es scheint, denn jeder kann sie wirken, in seiner Art, die alte Magie von Strawberry Angel. Ich verlor mich förmlich in den Song und hatte meine Augen auf die drei Künstler gehaftet. Der Song passte perfekt. Er war süß, geheimnisvoll, entspannend und doch machte er Appetit auf mehr. Das Lied war wie ein Versprechen, was die Backmischung von Strawberry Angel gab. Und noch viel mehr. Es spiegelte die Erfahrung wieder, welche die drei gemacht hatten. Einfach perfekt. „Du lächelst, also hat dich der Zauber betört?“, hörte ich eine Stimme nah an meinem Ohr und bemerkte just in diesem Moment, wie zufrieden ich gelächelt haben musste. Ich erschrak und errötete, zumal es Van gewesen der mir unbemerkt so nahe gekommen war. „Kiryuin-san. Erschreck mich nicht so. Aber ja. Das Lied ist wirklich Zauberhaft. Noch dazu bekommt man Lust auf Süßes.“ „Dann musst du unbedingt die Macarons probieren, die habe ich gemacht.“ Ich blinzelte und sah Van etwas fassungslos an. Irgendwie hatte ich ihn nie für den Typen Mann gehalten, der backen würde. „Du?“ „Wir alle haben was gebacken. Unter den aufmerksamen Augen der drei. Die einzigen die wohl weniger Probleme hatten, waren Eiichi und Yamato. Aber ich denke die meisten Desaster konnten wir retten.“ „Das ist etwas, dass du einer Frau nie sagen solltest, wenn du ihr dein Backwerk anbietest. Ich fürchte gerade zu sterben.“ Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. Dabei blieb mir nicht das Lächeln von Van verborgen. „Keine Sorge, Tailor-san. Wir haben alles vorher probiert. Van-san übertreibt nur.“ Ich sah zum Tisch wo die Macarons aufgebahrt waren und sah, wie Eiji sich einen sicher und selbstbewusst in den Mund steckte. Wenn Eiji sie essen konnte, war es ja nicht falsch sie auch mal zu probieren. „Also schön. Wenn sie gut sind, bekommst du eine Belohnung, Kiryuin-san.“ Ich grinste und ging zu dem Tisch und nahm mir einen der Macarons. In der Regel war es ein leichtes Gebäck. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, was für ein Desaster bei dessen Herstellung passieren sollte. Wahrscheinlich hatte Van übertrieben, um die Neugier zu steigern. Noch dazu hatte Eiji selbst ja gesagt, das Van übertrieb. Unbesorgt griff ich also zu den Macarons, wobei ich mir ein braunes nahm. Schokolade würde ich meinen. Ich steckte mir den Macaron in den Mund und spürte sogleich die Süße der Schokolade. Der gebackene Teig schmolz förmlich in meinem Mund und vermischte sich mit der herben Schokolade, die benutzt wurde. Also kein einfaches Kakaopulver. Die Süße wirkte daher nicht beherrschend, sondern unterschwellig. Fast so, als schmeckte ich sie nur, weil ich sie erhoffte. „Backmischung?“, fragte ich Eiji, der mit einem Lächeln nickte. „Nachdem du Kira, Nagi und Shion gezeigt hattest, dass man aus einer Backmischung mehr machen kann, haben sie uns das gezeigt. Sie wollten noch etwas für den Werbedreh üben aber nicht alleine. Also haben wir noch mitgeholfen.“ Das Ergebnis ließ sich erneut sehen. Und das war nicht fair. „Wie gemein. Ihr könnt echt alles. Ihr seht gut aus, könnt super singen, tanzen, schauspielern und-“ Ich stoppte und sah zu Eiji, auf dessen Wangen sich ein verlegener Schimmer zeigte. Das hatte ich vollkommen vergessen. Er zählte ja zu jenen, die etwas schüchtern waren. Wahrscheinlich war das aber nur falsch gedeutet. Er war nicht schüchtern, sonst hätte er kaum mit mir gesprochen. Stattdessen war er einfach leicht in Verlegenheit zu bringen und eine sanfte Seele. „Also, Ere-chan, habe ich meine Belohnung verdient?“ Ich hatte gerade zu meinem zweiten Macaron greifen wollen, als ich Van neben mir vernahm und schmollend die Hand zurück zog. Ich fühlte mich ertappt dabei, dass ich diese Dinger wirklich lecker fand. „Schon gut. Schon gut. Du bekommst dein Geschenk. Ein Souvenir aus dem Urlaub sozusagen.“ Zielsicher griff ich in meine Tasche und holte den Schnellhefter hervor, in dem sich das Lied befand, welches ich am letzten Tag des Urlaubs geschrieben hatte. Vielleicht nicht bewusst für ihn, aber dennoch sehr passend. „Shion meinte, ihr habt den Song noch nicht gefunden, der mich zu euch ruft. Dann gebe ich euch hiermit eine weitere Chance.“ Verwundert schlug Van den Hefter auf, wobei er genug platz machte, so dass auch Eiji hineinsehen konnte. Seine Augen weiteten sich aber, kaum dass er verstand, was das hier war. Ich hingegen nutzte die Chance mir noch ein weiteres Macaron zu stibitzen. „Du solltest dir ein paar Vitamine zuführen. Ich habe Obstkuchen im Glas gemacht.“ Blinzelnd sah ich auf das Glas, welches vor mir gehalten wurde. In ihm befand sich etwas das mich an die Koppenrath und Wiese Kuchen im Becher erinnerte. Ich sah deutlich etwas Kuchenteig, gebacken. Dazwischen eine Creme und bunte Früchte. Erdbeeren, Orangen... ich glaubte auch Äpfel zu erkennen. Ganz so sicher war ich nicht. Mein Blick wandte sich zu Yamato. Er sah immer noch so ernst drein und es fiel mir schwer zu entscheiden, ob er wirklich wollte, dass ich mich gesünder ernährte, oder ob er mir einfach sein Backwerk präsentieren wollte. Ich entschied mich für letzteres. Hinter Yamatos harter Schale steckte immerhin ein weicher Kern. Zumindest seit seinem Fight mit Syo. „Danke, Hy-“ „Yamato!“ Ich zuckte zusammen und zog meine Hand von dem Glas zurück, da Yamato mich bei meinem Dank irgendwie unterbrach. „Für dich Yamato. Wir sind ungefähr gleich alt, also benimm dich auch so.“ Er drückte mir das Glas mit dem Obstkuchen in die Hand und wandte sich um. Scheinbar war er wirklich nicht so der Typ, der offen zu seinen Gedanken und Gefühlen stand. „Danke, Yamato-kun.“ Zufrieden nahm ich einen Löffel und probierte von dem Obstkuchen. Er war erfrischend. Kühl. Nicht zu süß sondern fruchtig säuerlich. Und das weiße, was ich für eine Creme gehalten hatte, war Mascarpone gemischt mit Vanille und eben dem Zucker der Früchte. Es war richtig gut. Erstaunlich. Wahrscheinlich hätte ich die Mascarpone sogar ohne Kuchenstück gegessen, aber es war eben einer und da brauchte man auch etwas, dass im Ofen gebacken hatte. „Du traust dich wirklich noch soviel Kuchen zu essen?“ Ich leckte gerade etwas Creme vom Löffel als Nagi von der Bühne auf mich zukam. Seine Ansage verwunderte mich doch, denn der Kuchen war mir doch zum Essen gegeben worden, oder nicht? „Wieso sollte ich nicht?“ Das Grinsen der diabolischen Art auf Nagis Gesicht wurde nur größer. Irgendetwas schlimmes ging ihm durch den Kopf. Ich konnte förmlich sehen wie die bösen Gedanken blühten. „Du hast in deinem Urlaub zugenommen. Dein Gesicht ist aufgequollen wie ein Hefekuchen“, erklärte er und piekste mir sanft in die Wange. Ich fiel vom Glauben ab und fragte mich, ob ich wirklich soviel gegessen hatte. Sicher es gab einiges und vor allem gutes Essen, aber innerhalb von drei Tagen konnte man eine Gewichtszunahme doch nicht merken, oder? „Kotobuki-senpai und Kurosaki-senpai können echt gut kochen. Und soviel habe ich gar nicht gegessen. Noch dazu haben wir uns ganz viel bewegt. Am ersten Tag haben wir Wasserball gespielt und blinde Kuh. Und am zweiten Tag waren wir ganz lange wandern. Und am Abend hatte ich noch etwas zu tun. Ich hatte also genug Bewegung.“ „Heh? Wirklich. Ich könnte schwören du siehst anders aus als vor deinem Urlaub.“ Anders? Ich konnte irgendwie nicht glauben, was Nagi da sagte. Ich empfand mich nicht als anders. Zumindest nicht nach diesen drei Tagen. „Nagi hat Recht. Du wirkst erholter als zuvor. Fröhlicher. Sorgloser. Der Urlaub scheint dir wirklich gut getan zu haben“, erklärte Shion, der Nagi brüderlich durchs Haar wuschelte. Was das anging, da musste ich ihnen wohl Recht geben. Erholter fühlte ich mich allemal. Ich hatte noch dazu viel zu viel Spaß gehabt, als das ich die Zeit gefunden hätte an all das negative in der Heimat zu denken. Und selbst jetzt wollte ich nicht daran denken. Ich wollte meine Zeit genießen, solange es ging. Denn der nächste große Knall kam garantieren. Irgendwann. „Es war mega anstrengend. Kotobuki-senpai hat am Anfang echt alles in die Hand genommen. Und dann haben sich die Jungs auch noch so zusammengerissen, dabei streiten die sich ständig. Das war echt gruselig, als es nur böse Blicke und ein paar Spitzen gab. Am dritten Tag hatte sich das aber gegeben.“ „Das ist doch erbärmlich sich zu verstellen. Als würde man nicht genug Feingefühl besitzen um das zu bemerken“, mischte sich Eiichi ein und nahm sich ein leeres Glas, in das er sich etwas Limonade einschenkte. „Erbärmlich würde ich es nicht nennen. Sie haben versucht Sorgen und Co. von mir fernzuhalten. Ich denke mal nicht, dass sie wussten, dass es mir damit nur unangenehmer wurde. Außerdem im Endeffekt war es doch eine schöne Zeit. Wenn ihr wollt kann ich euch Fotos zeigen. Kotobuki-senpai hat sie mir heute geschickt.“ Ich zog sofort mein Handy aus der Tasche und öffnete den Bilderordner. Ein Glück hatte ich eine Speicherkarte noch drin, sonst hätte ich diesen Ordner wohl nicht bei mir halten können. „Hier sind wir angekommen. Eigentlich hatte keiner von uns so wirklich Lust auf ein Gruppenfoto, aber Kotobuki-senpai hat darauf bestanden. Und hier... Ich frage mich immer noch wie er das Foto gemacht hat. Da durfte ich die Melone zerschlagen. Ich hab dabei hin und wieder mehr nach Camus-senpai und Kurosaki-senpai geschlagen. Die beiden haben mir echt immer doofe Richtungen genannt. Und das sind unsere Sandburgen.“ Ich spürte, dass die Jungs etwas näher gerückt waren um die Fotos zu sehen, weswegen ich sie ihnen einfach zeigte und zu jedem noch eine kleine Anekdote zu berichten hatte. In meinem Kopf spielte sich noch einmal der gesamte Urlaub ab. „Das hier war witzig. Camus-senpai und ich waren im selben Team und mussten gegen Kurosaki-senpai und Kotobuki-senpai spielen. Wir waren uns nie so einig wie zu diesem Moment. Und haben gewonnen. Wir durften danach die Verlierer im Sand einbuddeln. Am Ende war irgendwie Kotobuki-senpai der Einzige der eingebuddelt wurde.“ Ich hatte gerade das Foto offen, in welchem nur noch der Kopf von Reiji aus dem Sand luggte und er verzweifelt versuchte sich zu befreien. Noch immer hallte in meinen Ohren sein Gejammer wieder, da wir wirklich vor hatten ihn dort bis zum Abend schmoren zu lassen.   Wir hatten an diesem Nachmittag über vieles gesprochen. Darüber wie der Song Strawberry Angel vervollständigt wurde, was die letzten Interviews der Jungs gewesen waren, mein Urlaub und auch noch andere Dinge, die zum Großteil nicht einmal was mit der Arbeit zu tun hatten. Kleine Geschichten eben, die die Jungs gemeinsam erlebt hatten und die mir Heavens einen Stück näher brachten und mir erneut zeigte, dass ich die Jungs liebte. Ich war daher etwas wehmütig, als ein Blick auf die Uhr mir verriet, dass ich allmählich zurück zum Master Course musste um mich dort für den Termin bei Shining vorzubereiten. Natürlich hatten die Jungs mir noch ein paar Stück Kuchen für den Weg mitgegeben. Allein weil ich alles so lecker fand. Nagi hatte sich dennoch nicht verkneifen können mir zu sagen, dass ich nicht alles auf einmal essen sollte, denn ich könnte mir das nicht leisten. Dieser Teufel. Es war Eiichi, der mich zu einem Wagen brachte, der wohl augenscheinlich seiner war. Unglaublich, dass er auch selbst fuhr. Es war ein Sportwagen, silber. Sehr schnittig, auch wenn ich keine Ahnung von Autos hatte, wusste ich, dass er wohl nicht gerade billig gewesen war. „Danke, dass du mich fährst, Otori-san.“ „Schon okay. Ich tue das nur um etwas Zeit mit dir alleine zu haben.“ Ich blinzelte und bereute es irgendwie gerade in den Wagen gestiegen zu sein. Wenn ein Eiichi Zeit mit jemanden alleine wollte, endete das nie in etwas gutes. Die Episode mit Otoya hatte das nur zu deutlich gezeigt. „Weswegen?“, fragte ich und wirkte dabei wohl misstrauischer als geplant. Verdammt. „Hast du morgen schon was vor?“ Die Frage kam unerwartet. Fast schon überraschend. Und irgendwie wusste ich auch nicht so richtig, was ich sagen sollte. Ich meine mein Herz schrie „Nein ich bin vollkommen frei!“ doch mein Verstand erinnerte mich daran, dass ich heute, gegen Abend, erfuhr was mein nächster Auftrag war. Mit etwas Pech hätte ich keine Zeit. Wobei ich meist sehr frei arbeitete und bei meinen Deadlines nun nicht wirklich jeden Tag an den Songs arbeitete. Das war noch nie meine Arbeitsweise gewesen und das würde sie auch nie sein. „Ich weiß noch nicht. Der Boss gibt mir heute einen neuen Auftrag. Ich könnte dir nur spontan Bescheid sagen.“ „Brauchst du nicht. Es wird gut in deinen Plan passen wenn wir morgen gemeinsam was unternehmen.“ Woher nahm dieser Typ nur diese Selbstsicherheit? Vor allem, warum fragte er, wenn er sowieso schon entschieden hatte, dass ich Zeit mit ihm verbringen würde? Vielleicht versuchte er einfach nur höflich zu wirken. So ein Jerk. „Du wirst ein Nein also nicht akzeptieren. Dann habe ich ja keine andere Wahl als Zeit zu haben.“ „Gut. Ich hole dich morgen ab. Dann können wir uns besser kennenlernen.“ Mir schoss das Blut in die Wangen, zumindest fühlte es sich so an täte es das. Ich spürte die Hitze der Verlegenheit, denn wenn ich ehrlich war, war so ein Date, es klang für mich als forderte er ein Date, unglaublich. Vor allem wenn es mit Eiichi war. Mit Cecil wäre das noch mal ne Nummer unglaublicher gewesen. „Du hast auch sicher schon was geplant, oder?“ „Zumindest ein Tisch für das Abendessen ist reserviert. Mehr verrate ich aber nicht.“ Er grinste und brachte damit mein Herz dazu, dass es einen oder zwei Schläge aussetzte und ich nicht so richtig wusste, was ich erwidern konnte. Eiichi hatte schon eine sehr mächtige und beeinflussende Persönlichkeit. Das Schlimmste daran war, er wusste davon und setzte sie auch gezielt ein, wenn es sein musste. „Dann lasse ich mich wohl überraschen. Auch wenn ich nach meinem Urlaub-“ „Keine Sorge, es wird nicht so unreif wie bei Quartet Night sein. Du wirst merken, dass Heavens reifer ist.“ „Also keine Autorennen? Schade.“ Ich grinste breit und lugte seitlich zu Eiichi, dessen Augen nur einen kurzen Moment überrascht aufblitzten. Er fing sich aber schnell erlangte sein Selbstbewusstes selbst wieder. „Du magst also solche Dinge? Dann müssen wir das beim nächsten Mal machen. Es gibt hier eine gute Kart-Rennstrecke. Wir könnten da sicher ein Rennen fahren.“ So wie ich mir das ganze gedacht hatte, funktionierte es nicht. Eiichi konnte echt nichts überraschen oder aus der Ruhe bringen. Mich hingegen erwischte er eiskalt indem er meine Frage zurück an Absender schickte und sogar ein nächstes Date in Aussicht stellte. „Glaub mir das willst du nicht. Mein Vater war nie sonderlich begeistert, wenn wir gegeneinander auf der Konsole gespielt haben. Ich bin ziemlich unfair oder vielleicht auch unfähig dafür.“ Ich musste schmunzeln, denn ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie mein Vater und ich auf der PSOne Formel eins gezockt hatten und ich immer von hinten das Feld aufgeräumt hatte, indem ich den Fahrern vor mir einfach liebevoll hinten drauf fuhr. „Keine Sorge, so schnell lasse ich mich nicht schlagen. Das solltest du aber am besten wissen.“ Er sah mich aus den Augenwinkel heraus an und ich konnte spüren, wie meine Wangen heiß wurden. Natürlich würde Eiichi sich nicht einfach so von mir besiegen lassen. Wäre ja auch zu schön gewesen. Es gab auf der Welt sicher nicht viele Menschen, die ihm das Wasser reichen konnten. Und mit diesem unglaublichen Typen würde ich ein Date haben. Mein erstes, in zwei Jahren, in dieser Welt. „Da fällt mir ein... gestern kam uns eine Freundin von dir besuchen. Sie hatte etwas für mich.“ Eiichi hatte noch nicht einmal alles erzählt und schon zog sich mir innerlich alles zusammen, denn ich konnte mir bereits denken, wer diese Freundin war und ich fand es ganz und gar nicht gut, dass sie es wirklich wagte. „Sie sagte mir, dass sie es dir in der Schulzeit gestohlen hätte und es nun seinen rechtmäßigen Besitzer zurück geben wollte.“ Ich schluckte und hoffte nur, dass Eiichi nicht über diesen Song lachte oder etwas sagen würde, dass mir in weniger als einer Sekunde das Herz brechen konnte. „Er liegt im Handschuhfach. Wenn du ihn geschrieben hast, solltest du ihn auch zurück bekommen.“ Irritiert über das was er sagte, öffnete ich das Handschuhfach und entdeckte das Blatt mit der Partitur. Ein Blick darauf verdeutlichte mir, dass es wirklich eines meiner verlorenen Kinder war. „Danke?“ Etwas gefiel mir an der Situation nicht. Mal davon abgesehen, dass ich nun endlich einen der verloren geglaubten Lieder wieder hatte, war da auch ein Funken Enttäuschung. Enttäuschung darüber, dass Eiichi diesen Song nicht wie Ranmaru einfach angenommen und daraus etwas unglaubliches gemacht hatte. Vielleicht hatte Yurika mir auch einfach nur bewusst gemacht, dass es wohl wirklich richtig war, wenn jene, für die diese Songs bestimmt waren, sie auch wirklich erhielten. In einer Mappe brachte ihnen das nichts. „Versteh mich nicht falsch. Ich wäre erfreut diesen Song zu performen. Er ist gut geschrieben. Hier und da müsste man vielleicht noch Verbesserungen vornehmen aber im gesamten Konzept ist er gut. Aber so will ich diesen Song nicht als mein Eigentum ansehen. Ich will, dass du es bist, die ihn mir gibt. Genauso wie du es warst, die Van seinen Song gegeben hat. Alles andere würde sich nicht richtig anfühlen.“ Meine Augen weiteten sich, als ich Eiichi zuhörte und verstand, was er da forderte. Doch mein Blick heftete sich wieder auf die Partitur. Er hatte Recht, hier und da ein paar Verbesserungen und der Song wäre vorzeigbar. Wahrscheinlich hätte ich mich zu Tode geärgert, wenn Eiichi den Song, so wie er jetzt war, performte. „Irgendwann... Und dann bekommst du einen viel besseren“, gestand ich ihm zu und verstaute den Song sicher in meiner Tasche.   „Hast du Mira gesehen?“ Natsuki sah mich verwundert an, als ich in den Wohnbereich stürmte. Dort lief wieder seine Sendung, die ich laut und deutlich von draußen gehört hatte, weswegen ich mir sicher gewesen war, dass Natsuki sich hier befinden musste. Mit etwas Glück mit Mira. Doch ich sah sie nirgends. „Mirai-dayo? In der Küche. Sie wollte für uns einen Eisbecher zaubern.“ Natsuki strahlte bis über beide Ohren, als er davon sprach, dass Mira einen Eisbecher machen wollte. Das konnte ich gut verstehen. Ihre Eisbecher waren legendärer als der Eisberg der Titanic. Und vor allem auch wesentlich ungefährlicher. Außer für die Hüften vielleicht. „Danke, Shinomiya-san. Ich leih mir Mira nur mal ganz kurz.“ Ohne zu zögern lief ich in die Küche und entdeckte Mira dort, die in grazilen Bewegungen eine Handvoll Streusel auf einen Becher mit Eiskugeln platzierte. „Hallo, Nya-nya-chan. Willst du auch einen Eisbecher? Wir können uns mit Nacchan gemeinsam Piyo-chan ansehen und danach noch eine andere lehrreiche Sendung.“ Sie lächelte breit, während sie schon drohte einen dritten Becher aus einem der Hängeschränke zu holen, um diesen für mich vorzubereiten. „Nein nein! Dafür hab ich keine Zeit. Ich muss dir was erzählen. Ich hab ein Date!“ Ich hörte und sah, wie der Löffel von Mira in die Packung des Erdbeereis fiel. Ihre Augen wurden groß und hatten nicht nur den Ausdruck von Überraschung sondern auch von Unglauben inne. „Wer? Sag schon. Mit wem brichst du die No-No Regel?“ „Nun ob es ein Regelbruch ist, weiß ich ja nicht... Ich meine es ist nur Eiichi, er macht sowas sicher öfter.“ „Otori Eiichi?“ „Kenne ich einen anderen?“, fragte ich und grinste schelmisch. Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie Mira hinter der Theke hervorkam und mich herzlich in ihre Arme schloss. So als hätte mir diese Verabredung mit einem Jungen das Leben gerettet. „Oh Nya-nya-chan... Ich hatte schon nicht mehr geglaubt, dass du jemals ein Date hast. Das ist toll. Weißt du aber auch was das bedeutet?“ Ich blinzelte ein paar Mal, denn ich wusste nicht, worauf Mira hinaus wollte. Was sollte ein Date schon bedeuten? Abgesehen davon, dass wohl ein Wunder geschehen war und ich wirklich von einem Mann zu einer Verabredung mit Essen eingeladen wurde. „Was bedeutet es denn?“ Auf Miras Gesicht zeichnete sich ein breites Grinsen ab. Eines das mir sofort signalisierte, dass ich es bereits bereute gefragt zu haben. „Du musst einen Rock tragen. Oder ein Kleid. Auf alle Fälle etwas, wodurch er dich mit anderen Augen sieht.“ „Können wir ihm nicht einfach andere Augen geben?“ „Scherzkeks. Du weißt wie ich es meine. Wenn du Erfolg bei einem Jungen haben willst, musst du dich für ihn herausputzen. Damit sich dein Anblick in sein Gedächtnis brennt und er Tag und Nacht nur noch an dich denkt.“ Was Mira erklärte klang nach einem Klischee aus einem dieser Musicals wie Grease. Es fehlte nur noch, dass wir nun anfingen zu singen getreu dem Motto „Tell me more“. „Ich ziehe keinen Rock an... und auch kein Kleid. Eiichi muss mich nehmen wie ich bin.“ „Du kannst gerne das übliche tragen, aber Kleidung spricht eine eindeutige Sprache. Du servierst ihn mit deiner Kleidung ab, bevor überhaupt eine Chance erblühen konnte.“ Ich murrte innerlich, denn was die Liebe anging, so konnte Mira wohl eine hoffnungslose Romantikerin sein. Oder aber sie wünschte sich für mich, dass ich einmal deutliches Interesse an einem Mann oder Jungen zeigte. „Wir reden hier von Eiichi Otori... Wenn er auf ein Date mit mir geht, dann plant er sicher etwas. Ich gehe davon aus, dass es nicht so ist, dass irgendwas erblühen kann.“ „Und doch machst du dir so etwas wie Hoffnung. Du nennst es ein Date und hoffst, dass er vielleicht nicht nur jemanden in dir sieht, der mit ihm arbeitet. Noch dazu schwärmst du immer von Eiichi wenn er mal zum Thema wird.“ Eine Augenbraue hob sich bei mir. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass ich schwärmte. Sicher ich verteidigte ihn, aber das tat ich bei jedem Charakter, von dem ich glaubte, dass er etwas unfair behandelt oder nicht mit allen Facetten gesehen wurde. Wobei ich bei diesem Gespräch eine Art Flashback hatte. Ich hatte das Gefühl, es schon einmal geführt zu haben. Nur nicht in dieser Welt und auch nicht mit Mira, sondern mit Shicchi. „Ich schwärme nicht. Er ist und bleibt ein Jerk. Was auch immer er plant bei diesem Date, ich muss auf der Hut sein. Sonst frisst er mich mit Haut und Haaren.“ Mira kicherte und schob sich einen Löffel Eis in den Mund. Ich konnte förmlich sehen, was hinter diesem verschmitzten Lächeln gerade verborgen lag. Und es gefiel mir gar nicht. „Und deswegen, musst du in den Angriff gehen und ihm zeigen, dass er dieses Mal nicht alle Zügel in der Hand hält. Er rechnet sicher nicht mit einem Style-Wandel von dir. Du sagtest ja mal, Otori ist immer gut informiert. Das heißt er wird wissen, dass du selten bis gar nicht Kleider und Röcke trägst.“ Mira hatte Recht. Eiichi war wirklich meist gut informiert. Ich erinnerte mich nur zu gut an die Otoya-Folge. Er hatte sich gut über seinen Partner auf Zeit informiert. Und wahrscheinlich tat er das bei jedem. Ich war da ja nicht anders. Auch ich sammelte immer Informationen für das Produkt, die Serie oder das Spiel. Manchmal sogar über die Person die meine Songs performen würde. Einfach damit ich wusste worauf ich mich einließ oder was für Erwartungen ich zu erfüllen hatte. „Also schön... ein Kleid oder einen Rock... wobei... zum Shoppen ist keine Zeit. Ich muss gleich noch zum Chef.“ „Kein Problem. Wir haben ja auch nicht immer das Geld für die teuren Designer-Kleider. Hier im Master Course gibt es einen Klamotten-Verleih. Die neuste Mode zum spazieren führen. Die haben sicher was für dich dabei.“ Mir wurde unwohl bei dem Gedanken, dass ich diesen Luxus genießen sollte, zumal ich ja eigentlich keine Bewohnerin des Master Courses war. „Shining wird das erlauben?“ „Warum sollte er nicht? Er kann ja nicht davon ausgehen, dass du genug Sachen für deinen Verbleib hier hast. Mach dir also keine Sorgen. Solange du hier bist, bist du eine Bewohnerin des Master Courses und hast damit alle Rechte wie jeder andere auch. Also, komm wir suchen dir ein paar Sachen raus.“ Mira zwinkerte aufmunternd und stellte zwei Eisbecher auf ein Tablett. Immerhin musste Natsuki nicht auf sein Eis verzichten. Ich hingegen musste nun darauf vertrauen, dass Mira wirklich etwas fand, dass mir gefiel und gleichzeitig Eiichi den Atem raubte.   Die Kleidung war gewählt und pünktlich, wie es mir aufgetragen wurde, stand ich vor dem Büro von Shining Saotome, welches sich im Master Course befand. So sparte ich mir wenigstens die Reise in die Stadt. Und nicht nur ich. Auch die anderen Bewohner fanden es sicher praktisch, wenn sie an einem freien Tag nicht erst das Haus verlassen mussten um vielleicht Einzelheiten für den nächsten Tag zu besprechen. Für Shining hingegen war es wohl eher mit Planung verbunden. Denn mit Sicherheit musste er so mehr terminieren. Dafür respektierte ich ihn. Gleichzeitig fragte ich mich, was für einen Auftrag er mir besorgt hatte, dass er nicht die Eile verspürte ihn mir so früh wie möglich zu geben. Mit klopfenden Herz stand ich vor seiner Tür und klopfte an. „Kommen Sie herein, Miss Tailor!“ Ich öffnete die Tür wie man es mir von der anderen Seite gesagt hatte und trat ein. Dort saß er, in einem Büro, dass dem in der Stadt ähnelte und blinzelte mich hinter seinen finsteren Sonnenbrillengläsern an. „Miss Tailorrrrrr~ Nice to see you. Sie sehen erholt aus. Great.“ Ich nickte und folgte dem Wink meines Chefs, und trat näher zu seinem Schreibtisch heran, wo ich mich an dem Platz vor ihm niederließ. „Es war auch sehr schön. Diese Auszeit hat mir wirklich gut getan und Quartet Night sind echt toll gewesen. Ich habe viel von den Jungs gelernt und auch über sie. Danke für diese Chance.“ Ein Lächeln kam über meine Lippen, als ich an die Jungs zurück dachte. Selbst wenn Haruka vorzeitiger wieder kommen würde und ich so nicht die Chance hätte mit Quartet Night zu arbeiten, der Urlaub hatte mich dafür entschädigt. „Kann ich das so verstehen, dass Sie sich besser fühlen?“ Wie von selbst nickte ich und bestätigte damit Saotomes Eindruck. Er war zudem auch nicht der erste gewesen, der bemerkt hatte, wie erholt ich mich fühlte. „Dann scheint Mister Kotobuki Recht mit seinem Eindruck zu haben. Er erzählte mir, dass Sie eine Menge fun hatten. Sie scheinen einen guten Impression bei Quartet Night hinterlassen zu haben. Das kann sich nur positiv auf zukünftige Projekte auswirken“, erklärte er und ich konnte verstehen was er meinte. Oft genug hatte ich schon in den letzten Monaten bemerkt, dass eine gute Chemie zwischen Komponist und Idol eine gute Grundlage für den perfekten Song war. „Heißt das, Sie wissen etwas von Nanami-san? Wie geht es ihr?“ „Miss Tailor~ Ich sagte ihnen bereits, dass Sie sich keine Sorgen machen müssen. Miss Nanami ist nicht ihr problem. Sie sollten sich auf Ihren nächsten Auftrag konzentrieren.“ Ich fühlte mich gescholten, immerhin wollte ich wirklich wissen, wie es Nanami ging. Es war nicht so, dass ich weg wollte von den Jungs, von denen ich so lange geträumt hatte, aber ich wollte irgendwie Gewissheit, wie lange ich diese Chance noch genießen durfte. „Worum geht es bei meinem nächsten Auftrag?“ Da Saotome mir nichts sagen wollte, beließ ich es aber dabei. Die Arbeit war nun das, was wichtig war. „Jemand hat ausdrücklich Sie gewünscht. Er soll das Gesicht einer Kampagne sein, die für ein neues Männerparfüm von Zeus werben soll. Es soll die Eigenschaften seines Namens widerspiegeln. Apollinisch, heroisch, innovativ und charismatisch. Eben das was der Gott Apollon selbst verkörperte.“ Ich hob eine Augenbraue und fragte mich, ob Apollon wirklich diese Eigenschaften hatte. Allerdings kannte ich auch nur Broccolis Apollon. Auf ihn hätte das wohl sogar zugetroffen. Irgendwie. Doch wer könnte einen solchen Apollon verkörpern? Otoya vielleicht? Gut möglich. Vielleicht auch Reiji. „Wer hat mich gefordert?“ „Mister Eiichi Otori.“ Dahin war die Freude über ein Date und erneut erinnerte ich mich nur zu gut daran, dass Eiichi ein verdammter Planer war. Wie ich ihn einschätzte, würde er am nächsten Tag alles tun, um die Eigenschaften des Parfüms zu repräsentieren. „Dieser verdammte Jerk.“ „Hoo? Kommen sie nicht gut mit Mister Eiichi Otori aus, Miss Tailor?“ „Was? Nein nein. Alles gut. Ich freue mich schon darauf mit Otori-san zu arbeiten. Nur frage ich mich, warum er gerade mich fordert. Ich dachte immer er ist ein Perfektionist.“ Saotome musterte mich, als würde er prüfen wollen, ob ich mich wirklich freute. Natürlich tat ich das. Wir sprachen hier von Eiichi, den Mann den ich respektierte und gleichzeitig so gerne überrascht hätte, dass ich mich selbst aufopferte und für ein Date mit ihm einen Rock tragen würde. Dieser hatte sich nun aber erledigt. „Er scheint von ihnen fasziniert zu sein. Als Grund nannte er eine Aufgabe die Sie bei einem seiner Events gemeistert haben. Er meinte, dass er sich vorstellen kann, dass Sie seine Persönlichkeit und die Wünsche des Auftraggebers erfüllen können. Und ihre Songs, Miss Tailor, haben für Aufsehen gesorgt. Auch Zeus ist der Meinung, dass Sie ihre Wünsche erfüllen können.“ Ich dachte kurz nach. Von Zeus, einer japanischen Parfümmarke, wusste ich nur, dass ihre Düfte meist nach den Göttern des Olymp benannt wurden. Was absurd war. Sie hätten sich wohl besser Olymp genannt und nicht nach dem Göttervater. Dennoch war es eine Ehre für sie zu komponieren. Denn sie suchten nicht nur die größten und strahlendsten Idole, sondern auch die besten Komponisten. Auserwählt zu werden war damit eine Ehre. „Also der Song soll im Prinzip die Eigenschaften des Parfüms unterstreichen und Otori-sans Charakter wieder geben. Gibt es sonst noch Wünsche?“ Shining öffnete eine Schublade an seinem Schreibtisch und holte einen Umschlag und einen kleinen Flakon hervor, welches er auf dem Tisch stellte und auf mich zu schob. Es war unglaublich wie schnell sich Shining daran gewöhnt hatte, wie ich arbeitete. Egal was war er hatte immer die Sachen die ich brauchte um mich an meine Arbeit zu machen. „Der Song soll etwas über eine Minute lang sein. Damit liegt er unter der normalen Norm. Aber ich denke Mister Eiichi Otori wird ihn da noch ein paar Zusatzwünsche nennen.“ Ich nickte, denn ich war mir sicher, dass Eiichi noch den ein oder anderen Sonderwunsch äußern würde. Spätestens am nächsten Tag würde ich das erfahren. Dennoch war ich bereits bereit an dem Song ein wenig zu arbeiten. Ich hatte eine Duftprobe und konnte mir damit einen ersten Eindruck von der Ware machen. „Alles klar. Ich werde mich bemühen beide Seiten zufrieden zu stellen.“ Ich prüfte den Verschluss des Flakons, der scheinbar zum drehen war. So konnte ich immerhin sicher gehen, dass es mir in der Hosentasche auslaufen würde. „Noch etwas, Miss Tailor“, setzte Shining an und zog so erneut meine Aufmerksamkeit auf sich. Es schien, dass da noch mehr zu sagen war. „Wie Sie sicher bemerkt haben, bekommen Sie immer mehr Aufmerksamkeit auch als Komponistin. Auch Raging Entertainment scheint großes Interesse zu haben. Was natürlich not bad für Sie ist, Miss Tailor. Aktuell sind Sie noch ein Teil der Shining Agency, but mir ist auch klar, dass man niemanden an einem Ort binden sollte, an dem er nicht sein sollte. Solange Miss Nanami aber nicht erholt zurückkehrt, kann ich Sie nicht ziehen lassen. Es wäre wohl auch zu früh. Sie müssen lernen mit dieser Aufmerksamkeit und mit allem was mit ihr verbunden ist, zurecht zu kommen, Miss Tailor. Erst dann kann ich ihnen auch die Entscheidungsgewalt überlassen. Solange werden Sie als Springer arbeiten. Das heißt, sowohl Raging Entertainment als auch Shining Agency werden ihnen regelmäßig Aufträge zukommen lassen.“ Es brauchte einige Zeit, bis ich verstand, was Shining mir gerade offenbarte. Eine Möglichkeit, einen neuen Weg für die Zukunft, wenn alle anderen Widrigkeiten aus dem Weg waren. Eine Entscheidung, von der ich nicht wusste, ob sie eine leichte sein würde. Vor allem nicht in meiner aktuellen Verfassung. Ich zweifelte noch zu oft und konnte mit dem ganzen Trubel nicht umgehen. Gerade wenn ich aber für Heavens oder andere Gruppen komponieren wollte, musste ich das. Wahrscheinlich war meine vergangene Einstellung, dass ich als Komponist nur Backstage war, nicht die Angemessenste gewesen. Ich konnte nicht immer Urlaub nehmen, wenn wieder mal ein Mediensturm über meine Persönlichkeit hinwegfegte. Die Zeit in Shingings Agency konnte ich also noch gut nutzen um die ein oder andere Lektion zu lernen.   Zurück in meinem Zimmer sah ich auf das Outfit, welches Mira mir ausgesucht hatte. Wir hatten beide den Gedanken gehabt, dass es ein Date sein musste und nun war es für Eiichi wohl viel eher eine Möglichkeit wieder einmal seine Muskeln spielen zu lassen. Damit war dieses Outfit vollkommen nutzlos. Und doch... Ich nahm den Rock und hielt ihn mir an die Hüfte. Er endete direkt über den Knien. Schon zu kurz für meinen Geschmack aber irgendwie war er doch niedlich. Es war mir da sogar egal, dass er fliederfarben war. Die Farbe würde mir am besten schmeicheln, meinte Mira zumindest. Genauso wie die schwarze Bluse, auf der an der rechten Seite „Rock hard“ aufgestickt war. Sie ließ sich einfach nicht überzeugen, dass ich nicht die Verkörperung des Rocks war. Aber ich konnte mir dennoch gut genug vorstellen diese Bluse zu tragen. Der Gedanke, dass sie umsonst gewählt waren, wollte mir nicht gefallen. Stattdessen festigte sich die Entschlossenheit, auf Mira zu hören und es einfach mal zu versuchen. Ich wollte mich ändern. In vielerlei Hinsicht. Das war vielleicht nur eine Möglichkeit. 'Okay, Operation Otori Eiichi fassungslos machen, beginnt morgen.'   **~~**   Ich hatte eine kleine Handtasche gepackt und wartete nur noch darauf, dass ich eine Nachricht bekam wo wir uns trafen. Wobei Eiichi ja gesagt hatte, dass er mich abholen wollte. Allerdings hatte er nie die Uhrzeit erwähnt. Um meine Nervosität zu zügeln, hatte ich den Morgen damit verbracht bereits den Song für Eiichi zu schreiben. Die Eigenschaften, die das Parfüm hatte, waren zwar nicht direkt jene, die ich mit Eiichi verband, aber der Duft hatte etwas, dass mich an ihn erinnerte. Er war warm, strahlend und so umhüllend. Dieser Duft nahm alles ein, so dass ich ihn selbst nach über zwei Stunden zu riechen glaubte. Genauso wie Eiichi es schaffte meine Gedanken durch und durch auszufüllen, wenn er es nur wollte. Genauso jetzt, da ich darauf wartete, dass er mich abholte. Ich konnte nur an ihn denken, an seinen Song. Ein erneuter Blick im Spiegel, der in der Eingangshalle stand, zeigte mir, dass ich gut aussah. Nicht wie gewöhnlich. Ich tat mich sogar schwer damit zu glauben, dass diese Person ich war. Und gleichzeitig hoffte ich, dass Eiichi von diesem Anblick mehr als überrascht sein würde. Ganz so sicher war ich mir aber nicht. Eiichi war nicht der Typ, der sich überrennen oder überraschen lassen würde. Die Klingel ertönte und mein Herz klopfte wild. Eilig ging ich zur Gegensprechanlage, von der aus man Kontakt mit dem Security-Mann am Eingang aufnehmen konnte. Er ließ niemanden durch, der nicht zur Agentur gehörte, oder er gab Bescheid, dass jemand auf dem Weg zum Gebäude war, damit man auch pünktlich vor der Tür erschien. Ich nahm den Hörer ab und antwortet mit meinem gewohnten „Ja“, so wie ich es auch beim telefonieren tat. „Tailor-san? Otori Eiichi fährt gerade vor. Er sagte sie hätten eine Verabredung.“ Die tiefe Stimme des Sicherheitsmannes ging mir immer noch durch Mark und Bein. Doch ich beschwerte mich nicht. Er war ein netter Mann, mit dem ich sogar die Leckereien von Heavens geteilt hatte. Viele Freuden hatte er immerhin nicht in seinem Häuschen. Abgesehen von einem Fernseher. „Danke Yukimura-san. Brauchen sie etwas aus der Stadt? Vielleicht kann ich ihnen was mitbringen.“ Es war seltsam, dass ich diese Frage regelmäßig stellte. Es war fast schon eine Art Tradition in so kurzer Zeit geworden. Und absolut typisch ich. Selbst auf Arbeit hatte ich immer meine Kollegen gefragt ob ich was mitbringen sollte, wenn ich in meiner großen Pause raus ging. „Schon gut, Tailor-san. Genießen Sie ihren Tag mit Otori-kun. Aber passen Sie auf.“ „Werde ich machen, Yukimura-san. Danke noch mal.“ Ich setzte den Hörer auf die Gegensprechanlage und machte mich auf den Weg zur Tür. Ich war wirklich nervös und irgendwie freute ich mich auch darauf Eiichi wieder zu sehen. Ich war gespannt zu hören, was er über mein Outfit sagen würde. Ich öffnete die Haustür und trat hinaus, Schon von weitem sah ich den Wagen vorfahren. Es war nicht der Sportwagen vom Vortag, sondern ein ganz normaler schwarzer PKW mit abgedunkelten Scheiben. Ich bezweifelte anhand dieses Wagens, dass Eiichi fahren würde, was aber nicht schlimm war, denn so hatte ich genug Zeit mit ihm zu reden und eine Vorstellung davon zu bekommen, was für einen Song er sich wünschte. Ich wartete bis der Wagen zum stehen kam und beobachtete, wie die Hintertür sich öffnete. Heraus kam Eiichi, der mir mit einem Wink zu verstehen gab, dass ich zu ihm kommen und einsteigen sollte. „Hallo, Otori-san. Schön dass du da bist. Also, wohin geht es?“ Er hielt mir die Tür auf und als ich ihm näher kam, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Seine gesamte Aura war... anders. Nicht so einnehmend. Sie hatte eher etwas abschreckendes. „Lass dich überraschen. Steig ein.“ Seine Stimme klang anders, fast schon genervt. So als wäre diese Verabredung ihm gerade nicht recht. Und doch hatte er sich zu mir getraut. „Danke.“ Auch wenn es seltsam war, stieg ich ein. Vielleicht legte sich das ganze ja wieder. Auch wenn es schade war, dass Eiichi kein Kommentar über meine Kleidung hinterließ und auch kein bisschen überrascht schien. „Übrigens ist es nicht nett von dir, dass du mir nicht gesagt hast, warum du mich eingeladen hast. Du hättest auch einfach sagen können, dass es mit einem Song für dich zu tun hat.“ „Was sollte es sonst sein?“ Seine Antwort kam unterkühlt rüber. Gar nicht so, wie ich es von ihm erwartet hätte. Ich erschrak sogar ein wenig. Der Gedanke, dass dies ein Date hätte werden können, verpuffte, stattdessen wollte ich nun wissen was mit ihm los war. Doch ich musste subtil vorgehen. Wie ein Ninja. Immerhin wusste ich nicht so genau, ob er einfach nur deprimiert war oder schlecht gelaunt. Alles was nicht seinem üblichen Selbst glich schien identisch zu sein. „Ein Date hätte es sein können“, antwortete ich, ohne darüber nachzudenken wie unangenehm es eigentlich war das einzugestehen. „Hast du es für eines gehalten?“ Ich blickte an mir hinab und hob geistig eine Augenbraue. Innerlich schrie ich förmlich 'Nein ich laufe gerne in Röcken herum.' Diesen Kommentar verkniff ich mir aber. Ich wollte ihm irgendwie keine Genugtuung geben, nur für den Fall, dass seine Stimmung sich besserte. Und dafür würde ich versuchen zu sorgen. „Nein. Es gibt bei uns die No-No Regel. Das heißt Liebe und Dates sind tabu. Außer Shining schickt uns auf eines, um medienwirksam irgendetwas zu hypen.“ „Mmph...“ Deprimiert war er definitiv nicht. Seine Antwort klang mehr als ob er sauer wegen etwas war. Und doch bemühte er sich, diese Wut nicht an mir auszulassen. Er versuchte normal zu wirken. Erbärmlich, wie er es am Tag zuvor bei Quartet Night genannt hatte. Ich schwieg aber, denn wenn er schon angepisst war, wollte ich das Feuer nicht noch schürren. Ich beschloss daher eine andere Strategie zu fahren. „Sag mal, Otori-san, wie hast du dir diesen Song vorgestellt.“ Behände griff ich aus meiner Tasche einen Blog und einen Stift. Wenn nötig, würde ich Wort für Wort mitschreiben. Immerhin wusste Eiichi immer genau was er wollte. Er fürchtete dabei nicht einmal andere Eindrücke von sich zu geben. „Du wirst schon was passendes komponieren...“ Das war nun wirklich nichts, was ich von Eiichi erwartet hatte. Er schien wirklich gerade in keiner passenden Stimmung zu sein. Alles andere als das, was das Parfüm verkörpern sollte. „Okay, dann also ganz viel Dub-step und Chachacha und Jazz. Oh ja das klingt nach einer sehr... innovativen Mischung“, scherzte ich provozierend und sah zu Eiichi. Immer noch keine Reaktion. Das war doch deprimierend.   „Ich nehme dich heute mit auf eine grandiose Weltreise!“ Das war es, was ich von Eiichi erwartete zu hören, als wir vor der Culture Mall standen. Es war ein Einkaufszentrum in dem vorwiegend Läden waren, die sich auf ausländische Waren spezialisierten. Darunter auch Miras und mein Lieblings-Eiscafé. Die Mall war mir also nicht fremd, aus vielen verschiedenen Gründen. Doch das was ich von Eiichi zu hören erwartete kam nicht über seine Lippen. Er sagte nichts, als er mich aus dem Wagen ließ und mir die Mall präsentierte. Es lag also an mir wieder die Initiative zu ergreifen. „Okay, was genau hast du hier geplant?“ Ich blickte zu Eiichi auf, der direkt neben mir stand und kühl auf die Mall blickte. Ich wusste, dass er sich bei seiner Ortswahl etwas gedacht hatte, aber mir war nicht klar, was genau. Und er sagte auch nichts. War seine Laune wirklich so schlecht? Wie konnte ich das beheben? Und vor allem was war passiert, das ein gestandener Mann wie Eiichi so dermaßen mies drauf war? Ich konnte mir nach allem was ich wusste, nur eines vorstellen. Sein Vater war die Laus, die ihm über die Leber gelaufen war. „Es gibt hier ein tolles italienisches Café. Mira hat es mir gezeigt. Wir müssen da unbedingt hin, das heißt, wenn du nichts anderes geplant hast.“ Da Eiichi mir nicht sagen wollte, was er vor hatte, beschloss ich, ihm in die Parade zu grätschen. Ich wollte nicht in dem Wissen hier sein, dass dies wohl das unangenehmste, erste Date meines Lebens werden würde. „Können wir gerne machen.“ Ich hatte wirklich etwas mehr Widerstand erwartet, doch scheinbar wollte Eiichi immer noch nicht anspringen. Als Frau musste ich also tun, was ich am besten konnte. Ihn zu seinem Glück zwingen und selbst dafür sorgen, dass er sich aus seiner miesen Laune zog. Ohne lange zu fackeln, oder groß nachzudenken, griff ich nach Eiichis Hand und zog ihn hinter mir her, hinein in die Mall.   Es war wie immer eine schwere Entscheidung, als ich in die Karte blickte und versuchte darüber zu entscheiden, welches Eis ich wählen würde. Ich überlegte, ob ich vor Eiichi mutig sein und etwas neues probieren, oder würde ich wie gewohnt zu zwei Kugeln, einmal Minze, einmal Pistazie, greifen? „Haben Sie sich schon entschieden?“ Die Kellnerin bewies wirklich Ausdauer, denn sie war schon das zweite Mal zum Tisch gekommen. Doch wie schon zuvor lugte ich über die Karte, hoffend, dass Eiichi den Anfang machte. Ich hatte mir geschworen mich nach dem zu richten was Eiichi bestellte. Würde er ein Eis nehmen, würde ich das auch machen. Wenn er aber nur ein Getränk nahm, dann musste ich mich von dem Gedanken eines Eis verabschieden. „Einen doppelten Espresso. Und ein Stück von der Mascarpone-Torte“, orderte Eiichi schließlich und legte die Karte beiseite. Damit stand es fest, ich durfte mehr als ein Getränk haben. Strike. „Und Sie?“, fragte die Kellnerin zu mir gewandt. „Latte Macchiato Karamell und zwei Kugeln Eis. Einmal Minze und Pistazie.“ Ich würde niemals mutig sein, wenn ich wusste, dass diese Kombination einfach göttlich war. „Wäre es schlimm, wenn im Minzeis Schokostückchen sind? Wir haben heute nur das After Eight Eis“, erklärte die Kellnerin mit einem entschuldigend Blick. Wobei sie mich mit ihren Worten nur mehr überzeugte. „Machen sie nur. Die Schokolade macht es nur besser.“ Ich grinste breit und legte die Karte ebenfalls beiseite, wobei ich zum Wasserglas griff und schnell einen Schluck trank. Lokale in Japan waren schon praktisch, sie stellten IMMER ein Glas Wasser hin, selbst in denen die sich mehr ans Ausland orientierten. „Sehr schön, ich werde Ihnen ihre Getränke gleich bringen. Haben sie noch etwas Geduld.“ Noch während ich meinen Schluck aus dem Glas Wasser nahm, beobachtete ich Eiichi. Er nickte der Kellnerin zu. Kühl aber doch höflich und zuvorkommend. Es war seltsam ihn so zu sehen und vor allem zu wissen, dass wir gerade wo anders hätten sein können, wenn seine Stimmung nicht so untypisch wäre. „Wie kam es eigentlich, das die Leute von Zeus dich wollten für die Werbekampagne.“ Erneut holte ich meinen Block aus der Tasche und versuchte mehr herauszufinden. Etwas, dass diesen Song wirklich innovativ machen würde. Oder heroisch. Ich ließ ihn nicht aus dem Blick und bemerkte, dass er auf sein Telefon neben sich starrte. Wartete er auf einen Anruf? „Mh? Oh... Sie hatten Heavens schon lange im Visier, waren sich aber nicht sicher, wer das Gesicht für das neue Produkt werden sollte. Aber als sie von dem 4Heart Event hörten schien die Entscheidung gefallen zu sein.“ Es klang nicht gerade wie die heroische Geschichte, die ich von ihm erwartet hatte. Und doch zeigte sich deutlich, dass es wirklich Eiichi war, der sie mir erzählte. Kein „Ich“ sondern nur ein „Wir“. „Verstehe. Du hast Orpheus wirklich gut verkörpert. Leider hat das ganze in den letzten Wochen mich daran gehindert die Route deines Charakters zu erreichen. Ich hab zwar einiges gelesen über die verschiedensten Charaktere, aber dennoch, es selbst spielen ist eine andere Erfahrung.“ Eiichi sah mich nicht an. Er starrte immer noch auf sein Handy, welches kurz aufleuchtete. Er berührte das Touchpad, seine Miene verzog sich. Da war also etwas, dass ihm deutlich nicht schmeckte. „Er denkt wirklich...“, grummelte er leise, schien sich aber schnell zu erinnern, wo er hier war und vor allem mit wem. Mir hingegen machte er klar, von wem er wohl sprach. Es gab nur einen Menschen, der ihn so dermaßen anpissen konnte. Sein Vater. Es musste also etwas zwischen diesen beiden Ego-Giganten vorgefallen sein. Etwas das Eiichi verstimmte. Mir waren nicht viele Dinge bekannt, die ihn verstimmen konnten. Wahrscheinlich hatte es etwas mit Heavens zu tun. „Ein wichtiges Date?“ „Nein, schon in Ordnung, es ist nichts. Es betrifft dich nicht.“ Irgendwie kam das unerwartet. Warum erwähnte er dass es mich nicht betraf? Was für einen Sinn machte das? Viel Zeit zum nachdenken, blieb mir aber nicht. Denn Eiichis Telefon leuchtete auf und ich konnte gerade so auf dem Display das Bild seines Vaters sehen. Und das Zögern in Eiichis Hand, als er überlegte, ob er das Telefonat annehmen sollte. Mir hingegen fiel es nicht schwer eine dumme Entscheidung zu treffen. Ich meine es war Eiichis Vater. Der Mann, der Heavens zweimal aufs Spiel gesetzt hatte um wie ein bockiges Kind seinen Willen durchzusetzen. Ich musste einfach handeln. Um Eiichis Willen, um Heavens Willen. Gedankenlos, griff ich zu Eiichis Handy, nahm das Gespräch an und begann in bester Call-Center Manier zu sprechen. Verstellt, unerkannt, wenigstens das hatte mein Job mich gelehrt. „Der gewünschte Gesprächspartner ist vorübergehend nicht zu erreichen.“ Keine Ahnung, ob man das auch in Japan hörte, wenn man keine aktive Mailbox besaß. Es war mir aber egal. Stattdessen erwiderte ich während des Sprechens Eiichis Blick, der überrascht schien, vielleicht auch ein wenig verwundert. Es war ein kurzes Gespräch, denn Raging legte schnell auf und schien nicht verwundert über diese Nachricht zu sein. Scheinbar hatte er mir das abgekauft. Erstaunlich. „Sorry. Ich hatte das Gefühl du wolltest nicht mit ihm reden“, entschuldigte ich mein Tun bei Eiichi und reichte ihm sein Handy. „Wenn du wirklich nicht mit ihm reden willst und noch ein Zweit-Telefon hast, kannst du eine Rufnummernumleitung einrichten. Sobald er diese Nummer anwählt, wird er dann automatisch auf die andere geleitet.“ Eiichi nahm mir das Handy ab und schwieg. Doch er wich meinem Blick nicht aus. Es war schwer aus seinem Blick zu lesen, was er gerade dachte. Denn erst im Nachhinein machte ich mir Gedanken darüber, ob er mir sauer war. „Danke für den Tipp“, antwortete er schließlich und wandte sich seinem Telefon zu, auf welchem er ein paar Codes eingab, bevor er es endgültig in die Tasche steckte. Ich lächelte und fragte mich, ob seine Laune sich bessern würde.   Seine Stimmung taute genauso wenig auf, wie das Eis, welches mir minzig kalt den Rachen runter rutschte. Gerade weil es seine Stimmung nicht änderte, fragte ich mich, was zwischen ihm und seinen Vater wohl vorgefallen war und ob es wirklich sein Vater gewesen war, der ihm die Stimmung so gehörig verhagelt hatte. Vielleicht war ich einfach zu voreilig gewesen. Allerdings hätte er sich doch nicht bedankt, wenn sein Vater ihn nicht gestört hätte, oder? Gleichzeitig musste ich nun überlegen, wie ich ihn anders aufmuntern konnte. Ohne das er merkte, dass ich es wollte. Am Ende hätte er sich nur eingeredet, dass ich ihn mochte oder mir Sorgen machte. Nicht das er damit falsch gelegen hätte. „Na schön, versuchen wir mal was anderes. Gib mir deine Hand, Otori-san.“ Ich reichte ihm meine, mit dem Handrücken zur Tischplatte gerichtet, so dass ich Eiichis Hand nehmen konnte, wenn er sie mir reichte. „Wofür?“ „Ich werde dir aus der Hand lesen.“ Eine Augenbraue hob sich zweifelnd bei Eiichi, ich zog meine Hand aber nicht zurück. Ich hatte mir das immerhin gerade eben in den Kopf gesetzt. Ich würde aus einer Hand lesen. Mehr oder weniger. Eigentlich wollte ich nur seine Hand halten, denn manchmal konnte es unglaublich helfen, egal in was für einer Situation oder welchem Moment, wenn man die Hand gehalten bekam von irgendjemanden, der einem gut gesonnen war. Vielleicht verstand Eiichi das, denn er gab nach und reichte mir seine linke Hand, mit der Handfläche zu mir zeigend. Ich lächelte ihn dankbar an und nahm sie vorsichtig mit der anderen Hand und fuhr streichend die Linien in seiner Innenfläche nach. Ich spürte, dass er hart arbeitete. Seine Haut wirkte zwar glatt und sanft, doch auf der Innenfläche konnte ich Hornhaut spüren. Er packte also hart an. Oder lag es an dem Instrument das er spielte? Mit der Hand, mit der ich seine hielt, spürte ich sogar die Adern und Knochen, die leicht hervortraten. Während ich über seine Innenfläche strich, spürte ich ein Zucken. War er kitzelig? Dort an dieser Stelle? Ich sah kurz auf und hielt inne in meinem Tun. „Mh... wusstest du, dass die Hände eines Menschen manchmal mehr über ihn verraten als er nach außen hin vor gibt?“, fragte und begann kreisende Bewegungen mit dem Daumen am Handballen durchzuführen. Er war verspannt, dass spürte ich deutlich, weswegen ich den Druck dezent erhöhte, aber Eiichis Gesicht nicht aus den Augen ließ, denn ich wollte wissen ob ich ihn auch nicht verletzte. „Gehört das noch zum Handlesen?“, beantwortete Eiichi meine Frage, ließ aber weiterhin zu, dass ich tat was ich wollte. Ich zog meine andere Hand unter seiner hervor und begann nun auch mit dieser kreisende, massierende Bewegungen zu tätigen. „Natürlich. Das ist doch der Witz an Vorhersagen. Man kann sie am besten machen, wenn man mehr über die Person erfährt. Zum Beispiel erfahre ich durch deine Hand, dass du ein harter Arbeiter bist. Was dafür spricht, dass dir nicht alles in den Schoss gefallen ist und du dir alles mühevoll aufgebaut hast. Deine Nägel sind sauber, das zeugt dafür dass du ehrlich bist... Oder ein Idol, dass gute Handpflege betreibt.“ Ich grinste breit und führte die Handmassage fort. „Aber, ich kann dir auch sagen, dass dein Weg auch weiterhin steinig sein wird. Nicht nur in beruflicher Natur, sondern auch in privater, denn gerade für dich wird es nicht immer leicht sein, privat von beruflich zu trennen. Heavens sind mehr als nur Kollegen für dich. Sie sind Freunde. Ebenso ist dein Vater nicht nur ein Vater für dich, sondern auch dein Boss. Umso bitterer werden vielleicht manche Entscheidungen wiegen, die er treffen wird oder will und die du nicht nachvollziehen kannst. Doch du solltest dich davon nicht beeinflussen lassen und deinem Weg weiter folgen.“ Kaum dass ich das gesagt hatte, zog Eiichi seine Hand zurück. Er sah sie kurz an, fuhr mit der anderen jede einzelne Stelle nach, die ich berührt hatte. „Ich... gehe bezahlen. Willst du noch irgendwo hin?“ „Jap. In die deutsche Bäckerei hier.“   Es war nicht fair, dass ich nicht die gesamte Bäckerei kaufen konnte. All diese Leckereien, die mich an meine Heimat erinnerten. Spritzringe, Schwarzwälder Kirschtorte... All die Dinge die ich sonst immer mochte. Ich aß sie im Moment nur selten, zumal ich auch nicht oft diesen Laden besuchte. Und doch hatte ich eine Art Freundschaft mit dem Besitzer geschlossen, der es immer bevorzugte, wenn er deutsch sprechen konnte. „Erenya, wie schön dich zu sehen. Huh? In männlicher Begleitung? Ist er dein Date?“ Der Besitzer hatte mich sofort entdeckt und fackelte nicht lange zu demonstrieren, dass er neugierig war. Der Einzige der allerdings nicht viel von dieser Szene verstand, war Eiichi, der mich fragend ansah. Deutsch stand scheinbar nicht auf seiner Liste der Perfektion. Vielleicht konnte ich das irgendwie ändern. „Nein nein, er kein Date. Er ist viel mehr die Arbeit. Und leider ist er wohl schlecht drauf. Ich dachte daher, wir könnten ihm hier ein paar Glücklichmacher besorgen. Was kannst du empfehlen?“ Ich sah in die Auslage und überlegte, blickte aber durch das Glas auch zu dem deutschen Bäcker, der sogleich ein paar Spritzringe hervor holte. „Wie wäre es mit ein paar deutschen Donutkringel?“ „Sie meinen Spritzringe? Die sehen gut aus. Aber ich weiß nicht. Er ist ein Idol und eigentlich sollten die ja auf ihre Figur achten.“ „Ach mach dir darum keine Sorgen. Männer verbrennen dutzende von Kalorien, wenn sie mit einer hübschen Dame unterwegs sind. Ich habe mit Miwako 10 Kilo in einer Woche abgenommen und das nur weil sie bei mir war.“ Ich kicherte und schüttelte amüsiert den Kopf. Er schien wirklich zu glauben, dass es seine Liebe zu Miwako war, die ihn zum Gewicht Verlust geführt hatte und nicht die Umstellung seines Essverhalten. „Was sagt er?“, fragte Eiichi schließlich und holte mich in das Land zurück, in dem wir uns eigentlich befanden. „Er sagt uhm... Das du etwas Süßes bekommst. Irgendwelche Wünsche? Wenn nicht, er empfiehlt die Spritzringe. Hier, dass sind die Dinger die wie Donuts aussehen.“ Ich verwies auf die Auslage. Eiichi beugte sich drüber und folgte meiner Handbewegung. Er schien nachzudenken, war aber unsicher. „Ihr habt ganz schön viel gesprochen nur dafür?“ Ich nickte, denn unter keinen Umständen würde ich ihm auf die Nase binden, was es wirklich war, worüber wir gesprochen hatten. „Wir haben noch Grüße ausgetauscht. Mehr nicht. Möchtest du einen Spritzring?“ „Sie... sind wirklich... wirklich sehr gut“, sagte der Bäcker in gebrochenen Japanisch und schien fast schon stolz darüber zu sein. Dass er diese Worte beherrschte. Das konnte er auch, denn wie ich damals, tat auch er sich schwer. Dank der Tatsache, dass seine jüngste Tochter nun zur Schule ging, lernte er die Sprache aber mit ihr gemeinsam. Zumindest hatte er mir das bei seinem letztem Besuch erzählt und er machte Fortschritte. „Er lernt eure Sprache gerade. Für einen Europäer ist das nicht gerade leicht. Ich weiß wovon ich spreche“, antwortete ich, als ich Eiichis zweifelnde Blicke sah. „Stimmt, du kommst ja aus Deutschland. Ich hab das vollkommen verdrängt, da du unsere Sprache bereits so gut sprichst.“ „Das verdanke ich Mira. Ich hatte am Anfang Probleme und Englisch schien nicht gerade die Lieblingssprache meiner Mitschüler gewesen zu sein. Aber Mira hat sich mit englisch echt bemüht und da konnte ich doch nicht einfach Sprachverweigerer spielen. Ich habe mit der Zeit immer neue Möglichkeiten gefunden, die Sprache zu festigen. Animes, Mangas, Bücher und ich habe bei jeder Gelegenheit versucht japanisch zu sprechen. Es war nicht leicht, aber mit meinen Freunden wurde ich schnell Sprachfest.“ Ich beobachtete, wie der Bäcker, auch wenn Eiichi die Bestellung noch nicht bestätigt hatte, zwei Spritzringe in eine Tüte packte. Viel von unserer Unterhaltung bekam er sowieso nicht mit. Höchstens ein paar Brocken. „Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet. Auf solche Freunde kann man stolz sein und man sollte sie sich lange am Herzen halten.“ „Das gilt auch für dich Otori-san. Du musst nicht immer alles alleine machen, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Du kannst auf alle Mitglieder von Heavens bauen und auch auf mich.“ Ich nahm die Tüte mit den Spritzringen, die mir der Bäcker reichte und lächelte Eiichi an. Irgendwie wollte ich, dass er auf mich baute, dass er darauf vertraute, dass ich ihm wirklich helfen konnte. Doch Eiichi würde entscheiden, ob ich eine starke Schulter für ihn werden konnte. Vor allem in Momenten wie diesen.   Während wie uns weiter in der Mall umsahen, aßen wir unsere Spritzringe und schwiegen. Wir hatten gerade die oberste Etage der Mall erreicht, da wo das Kinderparadies war. Spielzeuge aus anderen Ländern, eine Hüpfburg, ein Bällebad und so weiter. Hin und wieder gab es hier auch Puppentheater für die Kleinen. Theater, welches Geschichten aus anderen Ländern erzählte. Die einzige düstere Wolke in diesem Paradies, hörte auf den Namen Otori Eiichi. Obwohl ich mich so bemühte und er nicht meckernd an seinem Spritzring aß, lockerte sich seine Stimmung nicht auf. War ich es falsch angegangen? Konnte man ihn überhaupt aufmuntern? Ich biss in meinen Spritzring und sah zu Eiichi, der zu meiner Rechten lief, da wo der Eingang zum gigantischen Bällebad war. Es störte mich, dass er nichts sagte. Dass er nicht mit mir redete. Noch dazu hatte er das doch indirekt von mir verlangt, als ich diese Probleme mit den gestohlenen Songs hatte und nun verweigerte er sich meiner Hilfe? Mit dem letzten Bissen des Ringes nahm ich auch all meinen Mut zusammen. Ich schluckte ihn herunter und sah zu meiner Rechten. „Schau mal, Otori-san!“ Ich zeigte in Richtung des Bällebades und Eiichi fiel tatsächlich auf diesen läppischen Trick herein. Er drehte sich um und zeigte mir seinen Rücken. Mit einem kräftigen Schubs und dank dem Moment der Überraschung beförderte ich Eiichi in das Bällebad. „Was zum...!“ Es war deutlich zu hören, dass er wütend war und auch kurz davor stand, es mir zu demonstrieren. „Okay, was ist mit dir los, Otori-san. Du benimmst dich nicht, wie du dich sonst benehmen würdest. Und mal ehrlich, ich hab gerade das Gefühl, das Parfüm hast du vollkommen umsonst angelegt.“ Ich konfrontierte ihn nun direkt. Wenn er im Moment nicht mit mir arbeiten wollte, würde ich ihn in gewisser Weise dazu zwingen. Soviel stand fest. „Ja ich hab es bemerkt, denn ich hab ebenfalls eine Probe erhalten. Die Tatsache das du es trägst und das ich glaube dich einigermaßen gut einschätzen zu können, verrät mir, dass du den Tag heute wohl durchgeplant hattest. Aber irgendetwas hat deine Stimmung verhagelt. Gewaltig. Was echt schade ist, denn ich hatte mich tierisch auf diesen Tag gefreut.“ „Warum? Warum würdest du dich freuen mit mir einen Tag zu verbringen?“, fragte Eiichi und schien dabei verwundert. Ich hockte mich an den Eingang zum Bällebad und lächelte. „Natürlich. Du bist ein Jerk und mit dir wird es nie langweilig. Auch wenn ich mich nach außen hin immer aufregen würde über dich. Weißt du, ich dachte gestern sogar bis vor meinen Treffen mit meinem Boss, dass wir ein Date hätten. Und Gott war ich nervös. So nervös, dass ich Mira bat mir zu helfen. Ich wollte dich überraschen, vielleicht auch etwas aus der Fassung bringen, weswegen ich nun Sachen trage, die ich für gewohnt nicht anziehen würde. Alles nur wegen dir.“ Es schien als wäre seine Wut just in diesem Moment verpufft. Dennoch sah er mich weiterhin an und schien nicht einmal vorzuhaben von mir wegzublicken. „Weißt du, ich liebe Heavens und ich will mein bestes geben euch zu helfen. Und ehrlich gesagt, ich war total happy als ich für euch komponieren durfte. Ich hätte mir nie zu träumen gewagt, das tun zu dürfen. Und das ihr scheinbar zufrieden mit meiner Arbeit seid, macht mich noch glücklicher. Ich war sogar geehrt als Shion meinte ihr müsstet noch den Song finden, mit dem ihr mich zu euch ruft. Dabei braucht ihr das nicht. Mit dem Herzen bin ich schon lange zu hundert Prozent für Heavens da. Es ist wahrscheinlich sogar viel eher so, dass ich noch den Song finden muss, mit dem ich EUCH zu mir rufe.“ „Uns zu dir rufen?“, fragte Eiichi und schien verwundert darüber zu sein, dass ich es so formulierte. Ich nickte aber nur und lächelte auch weiterhin. „Ich habe das noch niemanden gesagt, aber ich fühle mich Heavens aus so vielen Gründen verbunden. Wir sind uns ähnlich. Mich sieht die Presse vielleicht nur als Ersatz für Nanami-san, euch hingegen als Kopie von Starish. Ihr und Ich geben unser bestes, diese Vorurteile loszuwerden. Ihr wollt Starish besiegen, in einem freundschaftlichen Wettstreit und ich... Ich will aus Nanami-sans Schatten treten und zeigen, dass ich mehr bin als nur ein Ersatz. Das einzige Problem, dass ich aber scheinbar habe ist... das mir etwas fehlt. Zumindest sagte Shining das. Bis heute weiß ich nicht was es ist, aber ich würde es gerne finden. Bisher habe ich es alleine probiert, doch seit ich Heavens und Quartet Night so hautnah kennenlernen durfte, frage ich mich, ob ich es nicht mit euch gemeinsam finden könnte. Seite an Seite. Deswegen freut es mich so, wenn ihr oder Quartet Night, scheinbar meine Nähe genießen. Von Starish erwarte ich das nicht einmal. Sie gehören zu Nanami-san. Sie ist das geheime achte Mitglied und von diesem Platz will ich sie nicht verdrängen. Denn dank Nanami-san gibt es Starish und dank Starish hatte ich die Möglichkeit euch und Quartet Night kennenzulernen. Und deswegen... sieh es als miesen Trick von mir euch zu mir zu rufen, erlaube mir euch zu helfen, wenn es euch nicht gut geht. Oder einfach für euch da zu sein, wenn eure Laune in den Keller geht. Denn ich bin leider nicht verblendet genug um so etwas nicht zu merken. Und dann habt ihr ein Problem, denn ich werde alles tun, damit es euch besser geht. Selbst wenn ich meinen Lieblings-Jerk dafür in ein Bällebad schubsen muss.“ Ich grinste und sah zu Eiichi, der sich meine Worte scheinbar durch den Kopf gehen ließ. Doch nach einiger Zeit streckte er mir die Hand entgegen. Sie erschien für mich wie ein kleiner Sieg, als ich sie wortlos entgegen nahm und... Eiichi mich zu sich ins Bällebad zog. Kapitel 13: Between the news ---------------------------- Seine Stimmung schien sich nach dem Bällebad deutlich gebessert zu haben. Der Eiichi den ich kannte und schätzte erstrahlte wieder in vollem jerkigen Glanz. Es war deutlich wohl gelaunter. Es zeigte sich zumindest, als er Mission „Parfüm Forschung“ anstrebte und mich in eine französische Parfümerie zog. Der Laden erinnerte mich irgendwie an die Geschichte „Das Parfüm“. Wir sahen uns Flakons an, probierten Düfte, was seltsam war, denn Apollon hatte bereits einen Duft. Warum also mehr probieren? „Das passt sicher.“ Ich zuckte zusammen, als Eiichi mich ansprach und ich plötzlich eine feuchte Brise auf meinem Hals spürte. Aus einem Reflex heraus berührte ich ihn und könnte die hauchzarten Tropfen an der Haut meiner Finger fühlen. „Du weißt schon, dass man das eigentlich auf so nen Papierstreifen macht. Was wenn ich allergisch wäre?“ Eiichi grinste auf mein Veto. Es hatte eigentlich keine Worte mehr gebraucht um zu verstehen was er meinte und doch antwortete er. „Ich hätte es nicht getan, wenn du allergisch wärst. Deine Krankenakte sagt aber nichts dazu. Eigentlich... ist es sogar erstaunlich. Du siehst immer so blass aus, deine Krankenakte verrät aber, dass du kerngesund bist.“ Ich schmollte etwas, gleichzeitig gruselte ich mich. Genauso wie bei Ai, denn wer wusste, was er noch alles über mich in Erfahrung gebracht hatte. „Ich bin halt nicht sonderlich leicht zur Welt gekommen. Meine Mutter hat mir immer erzählt, dass ich quer lag. Der Kaiserschnitt drohte, doch letzten Endes habe ich mich gedreht. Noch dazu ist meine Mutter Epileptikerin. Das heißt sie hat während der Schwangerschaft ihre Tabletten nehmen müssen, welche ich irgendwie über die Nabelschnur ja auch aufgenommen habe. Doch ich habe die Giftstoffe bei der Geburt... beseitigt. Man sagt ja, Kinder die es schwerer hatten, sind gesünder.“ Ein Schmunzeln zeichnete sich auf Eiichis Gesicht ab und seine Lippen formten ein stummes „Ii“ oder um es auf deutsch zu sagen „gut“. Es war creepy und passte zu ihm als Jerk ausgezeichnet. „Du scheinst auch unter den geborenen Menschen nicht den leichten Weg zu bevorzugen“, erklärte er, ohne mir aber zu verraten, was wirklich gerade in seinem Kopf vor sich gegangen war. Ich wusste nur eines, es war sicher ein berechnender, gruseliger Gedanke, für den ich ihn wahrscheinlich einen schmerzhaften Knuff in die Seiten verpasst hätte. „Oh meinst du wegen dem wie es aktuell bei mir läuft? Oder hast du mich bestalkt und erfahren was in meiner Schulzeit so los war?“ „Vielleicht ein bisschen von beiden?“ „Uh, hast du eben zugegeben ein echt gruseliger Stalker zu sein? Soll ich das noch auf meine Liste der Creepyness, im Bezug auf dich, setzen?“ Eiichis Grinsen wich nicht. Einen Penny für seine Gedanken, wirklich mal. Doch ich war froh ihn nun so zu sehen. Im Gegensatz zu zuvor war das genau der Eiichi den ich heute erhofft hatte. „Wusstest du eigentlich, wie viele Gedanken Menschen in ein Parfüm stecken? Es ist wie die Komposition eines Liedes. Erst kommt der Duft, zusammengestellt aus verschiedenen Aromen und Düften“, ändert Eiichi plötzlich das Thema und bedachte die Flasche mit dem Parfüm, welches er mir auf den Hals gesprüht hatte. „Und dann kommt da noch der Flakon, der das Parfüm irgendwie verkörpern soll. Oder viel mehr der Name. Meist wird er schon gewählt bevor das Parfüm entsteht. Die Chemiker müssen sich dann Gedanken darüber machen, wie sie die genannten Eigenschaften der kreativen Köpfe umsetzen müssen. Meist steht zu diesem Zeitpunkt schon der Name. Selten wird erst das Parfüm erschaffen und dann der Name. Weißt du aber was der interessanteste Aspekt eines Parfüms ist?“ Eiichi sah mich erwartungsvoll an und ich fragte mich, was er wohl meinen könnte. Mir fiel nur ein Gedanke ein, von dem ich aber wusste, dass er falsch war, denn sicher hatte Eiichi nicht soviel Humor ausgerechnet nach so einer ausgiebigen Erklärung so etwas zu erwähnen. „Dass Walkotze ein Bestandteil der meisten Parfüms ist und verdammt wertvoll noch dazu?“ Ich erwischte ihn damit wohl kalt. Denn kurz, aber doch lange genug sichtbar hatte er diesen überraschten Gesichtsausdruck. „Eigentlich wollte ich darauf hinaus, dass jedes Parfüm wie der Titelsong eines jeden Menschen ist. Denn egal wer es trägt, dass Parfüm wird niemals gleich riechen. Es verbindet sich mit dem individuellen Duft des Trägers und wird damit zu einem Unikat.“ „Oh, sag das doch, dass du darauf hinaus wollte.“ Er kicherte und bedachte mich mit einem eindringlichen Blick, der gleichzeitig auch sehr amüsiert schien. „Ich habe für den Werbesong eine Vorstellung.“ Als ich das hörte, wollte ich schon in meine Tasche greifen und den Block hervor holen, doch Eiichi hielt mich am Handgelenk fest und hinderte mich so an jeder weiteren Bewegung. „Glaub mir, dass musst du nicht aufschreiben. Es ist nämlich nicht viel.“ Ich sah in seine lilafarbenen Augen und fragte mich erneut, was in seinem jerkigen Kopf vor sich ging. Und ob ich seine Vorstellung erfüllen konnte. Denn ein Eiichi gab sich nicht mit kleinen Sachen zufrieden. Er hatte ein Ziel. Immer. „Okay. Was für eine Vorstellung hast du für den Song?“, fragte ich vorsichtig und mein Herz schlug auf einmal höher, während ich mich in seinen Augen verlor. „Es soll ein Song werden, den nur ICH singen kann.“ Seine Vorstellung riss mich von den Füßen und das obwohl sie vollkommen nach etwas klang, dass ein Jerk wie er fordern würde. Was er indirekt forderte war ein Parfüm, für dem er eine chemische Komponente war. Die Wichtigste, Tragende Unveränderbare. Eine Herausforderung. Denn gerade im Karaoke Zeitalter wurden viele Songs gecovert und egal wie schief oder unpassend die Stimme war, das Lied wurde immer erkannt. Er wollte nun aber einen Song, der nur mit seiner Stimme vollständig wurde, den keiner kopieren oder replizieren konnte. Der mit jedem anderen Sänger anders klang. Wie der Duft eines Parfüms. „Meinst du, du schaffst das?“ Ich war sprachlos und unsicher zugleich. So einen Song hatte ich noch nie geschrieben. Eine Haruka konnte das sicher, aber ich? Noch dazu war der Song kurz. Wie sollte ich also in wenigen Tönen einen Eiichi komponieren? „Ist das jetzt die Rache für die Walkotze?“ Erneut ein Kichern von Eiichi, der diesen Kommentar aber unbeantwortet ließ. Gleichzeitig drängte er mich auch nicht zu einer Antwort. „Du hast Zeit für den Song. Er wird sicher genau so wie ich ihn mir vorstelle.“ Er hatte wirklich nicht viele Ansprüche, aber große. Wahrscheinlich ahnte er nicht einmal wie sehr er mich damit unter Druck setzte, denn ich wusste wirklich nicht ob ICH so einen Song schreiben konnte. Aber wahrscheinlich musste ich das, wenn ich Heavens mit einem Song zu mir rufen wollte. Außerdem glaubte ich irgendwie daran, dass Eiichi mir keine Aufgabe gestellt hätte, von der er nicht glaubte, dass ich sie erfüllen konnte. „Also schön, wohin geht es als nächstes?“ „Erst einmal an die Kasse. Und danach in amerikanischen Modeladen. Wir brauchen noch ein Outfit für das Restaurant.“ Ja, das war definitiv der Eiichi den ich kannte, auch wenn ich mich fragte, was er an der Kasse bezahlen wollte. Ich folgte ihm daher schweigend, wobei mir auffiel, dass er eine Verpackung von dem Parfüm genommen hatte, mit dem er mich besprüht hatte. „Ist es ein Geschenk für jemand Bestimmtes?“, fragte die Kassiererin, wobei Eiichi sie mit einem nachdenklichen Blick bedachte. „Ein Geschenk für jemand Spezielles trifft es eher“, antwortete er ihr, wobei sie nickte und sich sofort daran machte das Parfüm zu verpacken. „Sag mal, Otori-san, wie heißt das Parfüm eigentlich?“ Ich hatte nicht genau auf den Namen geachtet und wusste nur, dass der Duft ein leichter war. Fast schon beflügelt, aber mit einer sanften Süße. Vielleicht lag es nur daran, dass Eiichi ihn gewählt hatte, aber irgendwie mochte ich diesen Duft und von meinem nächsten Gehalt würde ich ihn mir holen. „Angel.“ Nun war ich es, die verwundert und verwirrt war. Was ich wohl deutlich genug zum Ausdruck brachte. „War das gezielt oder zufällig?“, fragte ich, denn es erschien mir schon zu gezielt, dass er ein Parfüm als gut an mir befand, was Engel auf deutsch hieß. „Zufällig. Ich dachte erst, ich probiere es mal. Aber auf dem Streifen... fehlte eine Komponente. Ich dachte vielleicht fehlt dem Parfüm dein Eigenduft um gut zu sein und nun... Ja, so stelle ich mir vor, dass ein Engel riecht.“ Ich verbog mich dezent um etwas an mir zu schnuppern. Ich roch das Parfüm, was sich wohl schon mit meiner eigenen Duftnote verbunden hatte, doch ich selbst stellte mir nicht vor, dass Engel so rochen. Nur langsam sickerte bei mir durch, was Eiichi eben gesagt hatte. Er meinte damit sicher nicht all ihre Fans, die Heavens ja als „Engel“ bezeichneten, sondern wirklich mich. „Okay, ich korrigiere mich, du bist kein Jerk... Du bist ein Creep.“ Eiichi lachte leise auf und nahm das verpackte Parfüm von der Kassierin. Im Gegensatz gab er ihr ein paar Scheine, die wohl das Parfüm vom Wert her aufwiegen sollten. „Du bist solche Komplimente also nicht gewohnt?“ „Ich weiß nicht wo das ein Kompliment war.“ Und ob ich es wusste. Ich wollte es nur nicht zugeben, weil mein Herz gerade bis zum Halse schlug und ich dieses Herzklopfen nicht erlauben wollte. Denn es würde nur bedeuten, dass ich Eiichi verfallen war. Auf irgendeine Art und Weise. „Aber viel wichtiger... Wem willst du das Parfüm schenken? Einer Verehrerin?“ Ein verschmitztes Grinsen lag auf seinen Lippen, als er mir das Geschenk entgegen streckte. Ich blinzelte kurz und war unsicher, ob er es ernst meinte und ich das Geschenk annehmen sollte, oder nicht. „Es ist für dich. Als Entschädigung dafür, dass ich dir dein vermeintliches Date versaut habe. Und als Dankeschön, dass du für mich da warst, als ich einen Freund brauchte. Ich denke dies ist ein Geschenk, dass perfekt zu dir passt.“ Ich spürte die Hitze in meine Wangen steigen und hätte schwören können, dass ich auch errötete. Nur hoffte ich, dass Eiichi diesen rosigen Wangen nun nicht mehr beimaß als sie eigentlich waren. Ich entschied mich, nach seiner Erklärung, dass Geschenk, auch wenn es vom Wert wahrscheinlich höher war als ich für mein Tun verdient hatte, anzunehmen. „Nein, du bist kein Creep... du bleibst ein Jerk“, murmelte ich verlegen und sah auf das hübsche Geschenkpapier. Ich wusste, dass ich dieses Parfüm nur für besondere Gelegenheiten benutzen würde. Oder für meine Treffen mit Heavens. „Dennoch, danke, Otori-san.“ „Also, dann mal los die Abendgarderobe besorgen.“   Der Blick in den Spiegel log. Das war doch nie und nimmer ich. Zumindest glaubte ich das, als ich mich im Spiegel betrachtete, wie ich dieses lange himmelblaue Abendkleid mit den breiten Trägern trug. Es lag eng an, was meine Figur betonte, die ich mir nach zwei Jahren japanischer Lebensweise besorgt hatte. Angehungert klang so falsch, weil ich ja genug aß. Doch mir war nie wirklich bewusst gewesen, wie dünn ich geworden war. Ehrlich, ich hatte es nie so empfunden, was wahrscheinlich daran lag, dass ich immer noch weitere Kleidung bevorzugte und meinen Körper bestmöglich versteckte. Doch der Blick in den Spiegel, strafte mich meiner eigenen Lügen. Ich sah darin eine junge Frau mit angenehmen Proportionen. Vielleicht nicht Modeldünn, aber mit keinen Gramm zu viel Fett am Körper. Ich wirkte dadurch nicht mehr klein, sondern etwas größer. Vielleicht lag es aber auch nur an den hochhackigen Schuhen die mich in wenigen Stunden umbringen würden. Ich verdankte es nur Juri, dass ich darin laufen konnte. Mit ein wenig Make-Up hatte man aus meinem kindlichen Gesicht das einer ernst zu nehmenden Frau gemacht, die wirklich so aussah, als würde sie nicht das erste Mal in ein schickes Restaurant gehen. Ich hatte Bammel. Sehr große Bammel, denn wenn ich schon so aussah, musste ich auch so erwachsen wirken, oder? Vor allem wenn ich mit Eiichi unterwegs war. Ich wollte weder ihn, noch Heavens blamieren. „Ii. Das Kleid war wirklich die richtige Wahl.“ Ich zuckte zusammen und sah über meine Schulter hinweg Eiichi in einem Anzug. Es war nicht so einer wie zum ersten Triple S Entscheid, sondern ein bescheidener schwarzer. Und trotzdem sah er unglaublich gut darin aus. Das war doch einfach nicht fair, das Idole echt in allem gut aussahen. Aber gut, damit musste ich mich wohl abfinden. Immerhin machte ich ihm aussehenstechnisch keine Schande. „Soll das ein Kompliment an mich oder dich sein?“ Eiichi ließ meine Frage unkommentiert, hielt mit aber seinen angewinkelten Ellenbogen entgegen, so dass ich mich einhaken konnte. „Ich denke, wir sind bereit für einen angenehmes Abendessen.“ Ich nickte und freute mich darauf. Ein Abend mit Eiichi. Auch wenn ich wusste, dass er etwas speziell war, langweilig würde das sicher nicht werden. Noch dazu hegte ich die Hoffnung, etwas mehr über ihn zu erfahren.   Das Ambiente war wirklich hervorragend und niemals im Leben wäre ich in so ein Restaurant gegangen. Das ein Eiichi Otori es nicht nur kannte, sondern auch einfach so für ein dienstliches Treffen aussuchte. „Wärst du volljährig würde ich dir einen Merlot Noir empfehlen. Aber nach japanischen Recht bist du noch nicht volljährig, deswegen stellen wir uns einfach vor dieser Traubensaft ein Rotwein ist.“ Es war wirklich lästig nicht volljährig zu sein. Naja hier in dieser Welt. In meiner war ich es ja mit fast dreißig und irgendwie trauerte ich den alkoholischen Genüßen wie Likör hinterher. Aber gut, mit Traubensaft konnte ich auch leben. Noch dazu würde ich so keinen Unsinn erzählen, wenn mir der Alkohol den Geist vernebelte. Das perfekte erste Date also. „Ich trauere dem nicht nach. Lieber erinnere ich mich an diesen Abend klar und deutlich statt mich zu fragen, ob ich nicht einfach zu viel getrunken habe. Dabei will ich mich an alles erinnern was du mir erzählst, denn ich will mehr über dich erfahren.“ Verwundert sah mich Eiichi an, doch er lächelte schließlich und griff zu seinem Glas Saft. Ich war gespannt zu erfahren, ob er mir mehr von sich erzählen würde. Mehr als das was man aus Magazinen lesen könnte. „Dabei hatte ich das Gefühl du kennst uns schon sehr gut“, antwortete er stattdessen und sorgte dafür, dass ich einen Schmollmund zog. Ich wollte unbedingt mehr von ihm hören. „Komm schon, erzähl mir was von dir und Eiji-kun. Wie seit ihr aufgewachsen?“ Ich beobachtete Eiichi während er einen Schluck aus dem Glas nahm und wie er es danach wieder abstellte. „Als unsere Mutter noch lebte, sind wir in einer liebevollen Umgebung aufgewachsen. Sie hat uns immer etwas vorgesungen oder auf der Koto vorgespielt. Und am Abend wenn sie Eiji und mich ins Bett brachte, hat sie uns aus unserem Lieblingsbuch immer eine Geschichte vorgelesen. Dabei benannte sie die Hauptcharaktere immer nach meinem Bruder und mir. Eiji war zum Beispiel mal ein Vogel der auf Reisen einen Prinzen half seine Prinzessin zu finden.“ Eiichi lächelte, als er das erzählte. Ein deutliches Zeichen dafür, dass ihn diese Erinnerung wirklich sehr am Herzen lag. „Was war deine Rolle in dieser Geschichte? Der Prinz?“, fragte ich wobei Eiichi leise lachend den Kopf schüttelte. „Wie du sicher bemerkt hast, bin ich alles andere als Prinzenhaft. Wie jedes Mitglied von Heavens. Nein, ich war in der Geschichte ein Zauber, der als Antagonist den Prinzen verhexte indem er ihm einen magischen Apfel gab. Doch Eiji der Vogel bat eine Hexe um Hilfe und sie verwandelte Eiji in das Ebenbild des Prinzen, damit er die Verabredung mit de Prinzessin einhalten konnte.“ „Warte, deine Mutter hat aus dir den Bösewicht gemacht?“ „Nun das Buch umfasste viele Geschichten die aufeinander aufbauten. Darunter auch die Geschichte des Zauberers die erklärte, warum er getan hat, was er tat. Mutter sagte immer, dass hinter jeder Tat ein Grund liegt. Sie bewies das anhand einer Fotographie von Vater und ihr. Sie sagte manchmal sind Gut und Böse wie die zwei Hälften eines Apfels, von der eine vergiftet wurde.“ „Ich würde deinen Vater jetzt nicht unbedingt als Böse bezeichnen. Ein wenig ambitioniert und fehlgeleitet vielleicht. Aber ich denke er wird auch noch verstehen, was wirklich wichtig im Leben ist.“ Eiichi schwieg und sah mich an. Er schien sich meine Worte wirklich durch den Kopf gehen zu lassen, auch wenn mir klar war, dass er in seiner Meinung fest eingefahren war. Verübeln konnte ich es auch nicht, nachdem was er alles gemacht hatte. „Ich habe eine Frage an dich. Was glaubst du, ist der richtige Weg für Heavens? Eine Evolution oder eine Revolution?“ Der spontane Themenwechsel warf mich nun aus der Bahn. Ich hätte bei der Frage mit allem gerechnet aber nicht damit, dass er von mir wissen wollte, was der richtige Weg für Heavens war. Ich brauchte bei dieser Frage nicht einmal lange darüber nachdenken, was Heavens Weg sein sollte. „Weder noch. Ihr seid nicht Quartet Night, die schon weit oben sind und sich noch Entwickeln können. Ihr seid auch nicht Starish, die einen Wandel bewirken können. Aber...“ Ich sah Eiichi an, einfach um zu prüfen, ob ich ihn vielleicht verärgert hatte. Das war immerhin das Letzte was ich wollte. „das heißt nicht, dass ihr nicht in einer Liga mit ihnen spielt. Ihr habt aber bereits eure Revolution und Evolution durchgemacht. Als ihr von drei zu sieben Mitglieder gewechselt seid. Alles was ihr jetzt tun müsst, ist rebellieren. Gegen Vorurteile, gegen Raging Entertainment, gegen die Probleme die kommen könnten. Deswegen, euer Weg ist meiner Meinung nach eine Rebellion.“ Es war merkwürdig. Wenn ich es recht bedachte, war es nicht einmal ein Themenwechsel gewesen. Wir hatten schließlich von seinem Vater gesprochen und nun erklärte ich, dass Heavens rebellieren sollte. Gegen Raging Entertainment, was ja auch die Firma seines Vaters war. Nur kurz fragte ich mich, ob es bei dieser Frage überhaupt eine richtige Antwort gegeben hätte, weswegen ich Eiichi wartend ansah. „Ich empfehle übrigens die Lachstartar mit dem Kräuterbrot. Eiji war damals begeistert, als wir hier waren. Sie machen in diesem italienischen Restaurant ausnahmslos alles selbst. Die Vorspeise sollte nicht zu wuchtig sein, denn die Hauptspeisen sind sehr groß. Selbst wenn man die mit Frischkäse gefüllten Hackbällchen nimmst bekommst du so viel dass du wirklich ein Dessertliebhaber sein musst um danach noch einen Nachtisch zu wollen.“ Ich konnte mir wirklich gut vorstellen, dass die Portionen wuchtig waren. Ich hatte noch kein Restaurant in Japan gefunden, bei dem ich nicht den Anstandsbissen auf dem Teller oder in der Schüssel ließ. „Ich glaube ich hab gestern genug Nachtisch für einen ganzen Monat bekommen. Auch wenn der nicht schlecht war.“ Ich lächelte Eiichi an und überließ ihm das bestellen. Es war seltsam, obwohl er ein Jerk war, vertraute ich ihm. Ich genoss es sogar irgendwie mit ihm zu reden. Mehr von ihm zu erfahren und so auch Heavens näher zu kommen, war auf eine gewisse Weise toll. „Also schön, ich hab dir eine Geschichte aus meiner Jugend erzählt, wie wäre es, wenn du mir nun aus deiner eine erzählst.“ Ich grinste breit und nahm mein Glas. Ich nahm einen Schluck aus diesem und sah schließlich zu Eiichi. „Eigentlich sind wir quitt. Ich habe dir gestern schon eine Anekdote erzählt. Ich erzähle dir aber gerne noch etwas von mir, wenn du mir mehr über dich erzählst.“ Mein Lächeln verstarb nicht, ebenso wenig wie ich den Augenkontakt mit Eiichi abbrach. „Also schön. Das klingt nach einem guten Deal. Also, erzähl mir was von dir und deiner Zeit aus Deutschland.“ Ich dachte kurz nach, was ich Eiichi erzählen konnte. Ich musste immer noch vorsichtig sein, da ich zum einen hier keine 29 war und zum anderen nicht genau wusste, was dieses Ich wirklich in dieser Welt erlebt hatte. „Schon Zuhause habe ich viel mit Musik zu tun gehabt. Als ich in die Grundschule kam, war meine Klassenlehrerin so begeistert von meiner Singstimme, dass man für mich eine Ausnahme machte und ich im Chor singen durfte. In der Regel war das immer erst ab der zweiten Klasse erlaubt. Gemeinsam mit dem Chor haben wir im Altersheim gesungen, oder zu unserer Vorführung des Geschichte von Jesus Geburt. Ich habe das Singen schon immer geliebt und sogar mit einem Kinderkeyboard das spielen gelernt. Wobei man sagen könnte, dass ich es mehr durch das Xylophon gelernt. So wirklich viel Auswahl hatten wir da in der Schule nicht.“ „Und nach der Mittelschule hast du entschieden nach Japan zu kommen um an Shining Saotomes Schule zu lernen?“ Ich kicherte und war gerade jetzt froh, dass ich einen einzelnen Brief von Erenyas Mutter gefunden hatte, in dem es um das Thema ging. Die Geschichte dahinter war so vollkommen ich, dass es fast schon gruselig war. „Nein, eigentlich nicht. Meine Eltern und ich haben hier Urlaub gemacht. Der fiel interessanterweise in die Zeit, als man sich an Shinings Schule bewerben konnte. Just for fun habe ich mich also an der Schule eingeschrieben und bin zur Prüfung gegangen. Wirkliche Chancen hatte ich mir nicht ausgemalt. Aber wie du siehst, es hat gereicht. Was meine Eltern ehrlich überraschte. Und ich war mir auch ehrlich nicht sicher was ich machen sollte, nachdem ich die Aufnahmebestätigung bekam. Meine Eltern sagten aber ich soll es versuchen. Im Prinzip ging für diesen Versuch das gesamte Sparbuch für meine Ausbildung drauf. Weswegen ich mehr oder weniger hier fest hänge. Ich habe mir selbst vorgenommen, dass ich erst zurück nach Deutschland gehe, wenn ich meine Ziele erreicht habe. Aber mit der Zeit... was das einzige Ziel nur noch zu finden was mir fehlt. Seit Shining Saotome mir gesagt hat, dass meiner Musik etwas fehlt, suche ich danach, doch ich hatte nie das Gefühl wirklich nahe zu sein. Abgesehen von jetzt. Ich weiß nicht, aber seit ich Heavens, Starish und Quartet Night kennengelernt habe, fühle ich, dass ich diesem Ziel ein Stück näher gekommen bin.“ Meine Erklärung endete gerade rechtzeitig denn ein Kellner servierte uns die Vorspeise. Ein Lachstartar mit Kräuterbrot, dass sogar noch dampfte. Es schien frisch aus dem Ofen zu kommen. Aufgebacken oder erwärmt, aber nicht komplett frisch gebacken. Wobei das auch nicht unmöglich war, denn die Menge des Brotes entsprach eher einem kleinen Laib. „Entschuldigen Sie, ich hab eine Frage. Aus welchem Fleisch ist dieses Carpaccio? Es war in der Karte nicht deutlich genug ausgeschildert.“ Fragend sah ich auf den Teller von Eiichi und erkannte rohes Fleisch, welches mit Salat und einem Dressing serviert wurde. Die Farbe war dunkel, was für mich deutlich auf Rind hinwies. „Es ist Rentier.“ Fast schon fassungslos sahen Eiichi und ich den Kellner an und dann einander. Es klang einfach absurd, dass das hier Rentier sein sollte. „Das ist ein Scherz, oder?“, fragte ich sicherheitshalber, doch der Kellner verzog keine Miene. „Nein, es ist Rentier. Wir belieben nicht zu scherzen.“ Mein Blick glitt zu Eiichi, der sich schneller gefasst hatte als ich. Wäre ich an seiner Stelle, ich hätte das Carpaccio nicht gegessen und es zurück gehen lassen. „Scheinbar belieben Sie doch zu scherzen. Auch wenn Rentierfleisch die gleiche dunkle Farbe hat wie Rind, so kann ich Rentier ausschließen. Dieses Restaurant ist dafür bekannt jedes italienische Gericht nach originalen Rezept zu bereiten. Und ein echt italienisches Carpaccio wird nur mit Rind gemacht.“ „Sie sind wirklich gut informiert. Ja, ich habe wirklich einen Scherz gemacht. Es tut mir leid wenn dieser doch etwas zu weit ging.“ Der Kellner verbeugte sich etwas und wandte sich von unserem Tisch ab. Es war unglaublich, dass Eiichi nicht nur wusste wie Rentierfleisch aussah, sondern auch, dass der Kellner wirklich gescherzt hatte. Ich hätte ihm geglaubt, aber was war ja normal für mich. „Wow. Einfach nur wow. Ich hätte ihm das jetzt abgekauft und-“ „Das Carpaccio zurückgehen lassen?“ Eiichi beendete meinen Satz und lächelte. Ich fühlte mich ertappt und gleichzeitig wusste ich, wie gut er mich bereits studiert hatte. Das war unheimlich. Und nahm so ein wenig das Ausmaß eines Stalkers an. „Man sagte mir schon, dass du Leichtgläubig bist.“ Man? Ich fragte mich, wer ihm das wohl gepetzt hatte. Doch dafür musste ich erfahren, wen Eiichi kannte. Von Hiroki wusste ich ja, dass er und Van sich scheinbar etwas besser verstanden. Ebenso Juri, für den Van mal gemodelt hatte. Ich bezweifelte aber, dass Hiroki oder Juri Van so etwas erzählt hatten. „Wem meiner Freunde darf ich dafür die Leviten lesen?“ „Du solltest wirklich dein Tartar essen. Fisch schmeckt am besten wenn er frisch zubereitet wurde. Ebenso das Brot.“ Ich seufzte und ergab mich. Er hatte ja Recht, was den Fisch und das Brot anging. Außerdem hatte ich einen Bärenhunger und war gespannt ob ich Eiichis kulinarischen Gaumen auch in Zukunft vertrauen würde.   Er war wirklich viel zu perfekt. Wenn er in guter Form war. Das war mir nach dem Essen bewusst geworden. Wäre Eiichi nicht in meiner Gegenwart gewesen, ich hätte mich in die Limosine geflätzt und alle viere von mir gestreckt. Aber er war ja da, als saß ich vernünftig auf meinem Platz, ihm gegenüber. „Ich hoffe der Tag hat dir dennoch gefallen und du hast ein paar Ideen für den Song bekommen“, erklärte Eiichi, woraufhin ich natürlich nickte. Ich hatte schon den ein oder anderen Plan. Die Frage war nur, ob ich damit seine Vorstellung für den Wunsch erfüllen konnte. Einen Song wie ein Parfüm und doch sollte nur er diesen Song, der ja für ihn bestimmt war, singen können. Kein leichtes Ding, wenn man bedachte, dass auch der Auftragsgeber noch ein paar Wünsche hatte. „Nun ja noch ist er nicht vorbei und du schuldest mir noch eine Geschichte.“ „Dein Gedächtnis ist also ganz gut. Na schön. Das ist ein Ereignis, dass eigentlich noch gar nicht so lange zurück liegt. Ich denke mal du weißt, dass es zum Uta Pri Award hieß, dass die Gruppe, die verlieren würde sich auflösen müsste. Es war der wohl schlimmste Moment für Heavens. Ich hatte wirklich in diesem Moment Sorge, dass all das was Nagi und Kira getan hatten nun umsonst war. Wenn Starish nicht eingegriffen hätten. Nachdem die Awards vorbei waren, wollte ich in unsere Kabine gehen. Dabei beobachtete ich, wie ein paar Bühnenarbeiter über Heavens redeten. Eigentlich nichts, dass ich nicht gewohnt war, doch ein Mädchen mischte sich plötzlich ein. Sie verteidigte jeden einzelnen von uns und...“ Ich errötete ich als ich zuhörte und sah gespannt zu Eiichi, als plötzlich inne hielt. Die Situation kam mir doch arg bekannt vor. Auch wenn ich mich nur daran erinnerte, dass ich mich vor Eiichi bis auf die Knochen blamiert hatte. „Ich war erstaunt. In der Regel merkt niemand, dass Kiras Nicken ein Gruß ist. Wir mussten ihn deswegen immer erziehen, dass er wenigstens vor der Kamera eine tiefere Verbeugung macht, damit es offensichtlicher ist. Nagi ist in der Tat ein Teufel, wie du ja mitbekommen hast, aber ihn trotz allem als aufrichtig zu bezeichnen, hat mich fasziniert, denn Nagi ist wirklich niemand der lügt, auch wenn er seine Worte durchaus netter verpacken könnte. Und dann... sprach sie von mir. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer gedacht, dass Eiji, Nagi und Kira die einzigen sind, die mich wirklich verstehen. Oder so durchschauen können und dann erklärte sie dass mir Heavens wichtig war und gar nicht ich selbst. Diese Maske, sie hat diese starke Maske durchschaut. Ich konnte es einfach nicht ertragen zu sehen, dass jemand wie sie von den Mitarbeitern schlecht behandelt wird. Deswegen habe ich mich eingemischt. Ihre Freunde haben sie dann aber mitgenommen, so dass ich mich nicht mehr bei ihr bedanken konnte.“ Bedanken? Eiichi hatte sich bei mir bedanken wollen? Das war einfach nur seltsam. Wäre ich nur ein paar Minuten länger da gewesen, so hätte ich doch allen ernstes ein Gespräch mit Eiichi führen können. Und nun erkannte er mich nicht einmal. „Ich habe nach den Uta Pri Awards wirklich viel darüber nachgedacht, was Heavens Ziel sein sollte. Es ging in diesem Moment nicht mehr nur noch darum Preise zu gewinnen oder an der Spitze zu stehen. Kira, Nagi und ich... wir wollten unsere Fans nicht enttäuschen. Jene die auch während unserer langen Pause nicht aufhörten an uns zu glauben. Und... wahrscheinlich wünschte ich mir so, sie wieder zu sehen oder viel eher sie nicht zu enttäuschen, denn sie hatte etwas in mir gesehen, was nicht viele sahen.“ Wie gerne hätte ich gesagt „Ich bin es gewesen“, doch es war so schwierig. Ich hatte mich in der Zeit ziemlich verändert. Haartechnisch, Diättechnisch und so weiter. Wie sollte mir Eiichi da also glauben? „Ich bin mir sicher sie war total begeistert als ihr zurück kamt. Selbst wenn ihr Verstärkung mitgebracht habt. Und noch sicherer hat sie auch Van, Yamato, Shion und Eiji ins Herz geschlossen.“ „Sag mal, Erenya. Was denkst du über unsere vier Neuen?“ Ich blinzelte und dachte nach. Es war nicht leicht in Worte zu fassen, was ich von den vier anderen Mitgliedern hielt. Und doch, fiel mir zu jedem etwas ein. „Kiryuin-san ist irgendwie cool. Wenn auch gefährlich. Er kann einen ganz schnell in seinen Bann ziehen und wie eine Welle überrollen mit seiner Spontanität. Nach außen hin mag er immer etwas unvorbereitet wirken, aber ich habe das Gefühl er tut nur so, um am Ende alle zu überraschen. Ich halte ihn für sehr talentiert und intelligent. Ich glaube sogar ich hab den Film mit ihm und Jinguji-san sicher mindestens vier Mal im Kino gesehen. Und ich werde mir wohl auch die DVD holen und ihn jedes Mal im Fernsehen wenn er läuft. Was Yamato angeht, so macht er mir ehrlich dezent Angst. Er ist ziemlich grob in seiner Wortwahl und manchmal etwas harsch. Aber irgendwie hat er ein gutes Herz. Er macht sich Sorgen um andere, auch wenn er es nicht so wirken lässt. Dein Bruder hingegen ist sehr umgänglich. Sehr freundlich, wohl erzogen und sanftmütig. Viele mögen denken er ist schüchtern aber das liegt wohl eher daran, dass er einfach leicht in Verlegenheit zu bringen ist. Aufgrund seines Talentes ist er eine enorme Bereicherung für Heavens. Ich mochte seinen Part in eurem Song für das Triple A. Der schwierigste ist wohl Shion. Am Anfang dachte ich „boah ist der mysteriös“ aber jetzt da ich ihn live treffen konnte ist mir eines aufgefallen. Er liebt Heavens wahrscheinlich genauso sehr wie du. Er gibt daher immer sein Bestes. Ich glaube er hängt sehr an euch als Freunde. Ihr habt seinem Leben die Einsamkeit genommen.“ Als ich darüber nachdachte, musste ich sogar gestehen, dass mich gerade Shions Verhalten mir gegenüber wunderte. Er hatte mich sofort aufgenommen. Ohne Misstrauen. Und er hatte gesagt, sie müssten den Song finden, der mich zu ihnen rief. Hieß das, Shion hatte mich bereits als ein Teil von Heavens akzeptiert? „Es klingt als würdest du uns schon länger kennen oder hättest uns gut genug beobachtet.“ „Ich analysiere euch. Zumindest versuche ich das. Ich kaufe jedes Magazin, dass einen Artikel oder ein Interview von euch hat. Und meist versuche ich auch jede Sendung zu gucken bei der ihr dabei seit. Natürlich nur wenn die Arbeit es zulässt. Anhand dieser Dinge versuche ich mehr über euch zu lernen. Aber nichts ist besser als euch in Natura und persönlich zu sehen“, erklärte ich und versuchte etwas wegzusehen, damit Eiichi nicht erkannte, wie verlegen ich mich gerade selbst gemacht hatte mit diesem Geständnis. „Nun bin ich mir noch sicherer, dass du einen grandiosen Song für mich schreiben wirst.“   Eiichi hatte mich so ziemlich bis vor die Haustür gefahren und mich aus der Limosine gelassen. Die Zeit war leider viel zu schnell vergangen. Aber damit musste ich jetzt leben. „Ich danke dir, dass du heute Zeit für mich hattest. Wenn du mit dem Song fertig bist, melde dich. Ebenso wenn du Inspiration brauchst. Es kann aber sein, dass ich morgen nicht viel Zeit habe. Heavens hat morgen früh ein gemeinsames Training, danach bin ich bei Zeus wegen dem Parfüm.“ ich nickte verstehend und speicherte diese Information im Hinterkopf ab. Ich war mir sowieso sicher, dass ich am nächsten Tag damit beschäftigt sein würde an dem Song zu schreiben. Bei der Kürze die er inne hatte, würde das, sobald ich eine gute Idee hatte, nicht lange dauern. Wahrscheinlich würde ich mehr Zeit mit dem herum experimentieren verbringen als mit dem eigentlichen komponieren. „Ich geb dir dann Bescheid sobald ich den Song fertig habe.“ „Danke. Und bitte kein Dubstep, Chachacha und Jazz. Es wäre innovativ aber ich bin mir nicht sicher, dass es passt.“ Wir beide lachten gemeinsam, als Eiichi diese Anmerkung machte. Immerhin hatte er mir trotz schlechter Laune zugehört. Das war doch schon mal etwas. „Nein. Dafür aber ganz viel Goth Metal und Blues“, kicherte ich und sah zu wie Eiichi mit einem Lächeln zurück in die Limousine stieg. „Schlaf gut.“ „Danke, Otori-san. Du auch. Und grüß die anderen von mir.“ Ich winkte ihm, bevor der Wagen losfuhr und ich mich zurück ins Gebäude des Master Courses verzog. Irgendwie hatte sich das Treffen mit Eiichi ja doch noch wie ein Date gewirkt. Zumindest aus meiner Sicht. Wie er es sah, stand da in den Sternen. Aber das war egal, denn ich war glücklich und konnte zumindest in dieser Nacht ganz gut schlafen.   **~~**   Mira hatte mich am frühen Morgen geweckt, auf ihre liebevolle Art und Weise, und hatte mich dazu genötigt Frühstücken zu gehen. Ich war eigentlich zu müde um Hunger zu haben, doch sie versprach einen Latte Macchiato Karamell. Da konnte ich doch nicht nein sagen. Nicht wenn mein Lieblingsgetränk noch in Sicht war. „Du wirst heute also komponieren?“, fragte Mira und sah mich an, während sie gemeinsam mit mir den Weg zum Speisesaal ging. „Jap. Ich hab förmlich von dem Song geträumt. Otori-san macht es einen echt nicht leicht, aber wenn es um ihn geht, dann nehme ich die Herausforderung an.“ Ich war wirklich Feuer und Flamme und es war auch nicht gelogen, dass ich die Noten geträumt hatte. Wieder und wieder spielte ich die Melodie im Kopf ab. Veränderte ein paar Töne, Akkorde und so weiter. Ich war gespannt, wie das Endergebnis sein würde und vor allem was Eiichi dann davon hielt. „Ich bin wirklich auf das Ergebnis gespannt. Aber noch gespannter bin ich gerade auf das Frühstück. Was werde ich wohl heute essen?“ Ich schmunzelte und sah zu Mira. Es gab eine Sache die sich wohl nie ändern würde. Die Frage was Mira an diesem Morgen essen würde. Sie machte an manchen Tagen mal eine Wissenschaft draus und ich hoffte, dass heute keiner dieser Tage war. Vorfreudig öffnete Mira die Tür und offenbarte mir, dass die Hälfte von Starish bereits zum Frühstück eingetroffen war. Syo, Natsuki, Otoya und Ren. Keine wirklich seltsamen Kombinationen, wenn man es recht bedachte. „Guten Morgen, Mirai-dayo!“, begrüßte Natsuki Mira, kaum dass er sie erblickt hatte. Sie hingegen setzte ihr schönstes Lächeln auf und winkte in verspielter Kinderidol-Manier. „Einen strahlenden guten Morgen, Na-Piyo!“ Ich schüttelte innerlich den Kopf über diese Art der Begrüßung und ging zu einem freien Platz nahe an Otoya und noch näher an Mira, die mir ein Päckchen Instant-Cappuccino reichte. Ich nahm ihn dankbar an und fühlte meine Tasse damit. Fehlte nur noch ein Schuss Milch und Wasser. Ich stellte mein Geschirr an meinem Platz und ging zu einer kleinen Anrichte, auf der Brötchen und verschiedene Marmeladen standen. Irgendwie war heute einer dieser Pflaumenmus Tage. Wobei mein Heißhunger eher auf Eierkuchen mit Pflaumenmus plädierte. Doch darauf musste er verzichten, bis ich mal wieder Zeit zum kochen fand. „Hey, Tailor-san...“ Fragend sah ich über meine Schulter zu Syo, der nach einiger Zeit scheinbar geplant hatte mich anzusprechen. Vielleicht um mich daran zu erinnern, das ich dank Mira die Begrüßung vergessen hatte. Ich hatte bewusst darauf verzichtet, denn durch Natsukis und Miras Gequitsche konnte eh keiner ein Wort verstehen. „Ah, Kurusu-san. Entschuldige. Ich wünsche euch allen einen guten Morgen.“ Ich lächelte doch, doch blickte nur in Syos ernste Miene. Er schien verärgert zu sein. Vielleicht hatte Natsuki ihn wieder in ein Kleid gesteckt oder dergleichen. Mir verhagelte das ja auch regelmäßig die Stimmung wenn Mira das versuchte... oder Juri in der Vergangenheit. „Was ist das mit dir und Eiichi Otori?“ Ich hatte meinen Teller gerade auf den Tisch gestellt, als Syo gerade heraus seine Frage stellte. Eine die mich ehrlich gesagt sehr verwunderte. Denn was sollte das schon sein? „Könntest du deine Frage bitte mehr definieren? Ich glaube ich verstehe dich nicht.“ Es war keine Lüge, denn ich vermutete, dass Syo seine Frage anders meinte als sie für mich klang. „Ich habe dich und ihn gestern Abend gesehen. Ihr wirktet sehr vertraut. Dir ist schon klar, dass er und Heavens für Raging Entertainment arbeiten und du für Shining Agency?“ Ich nickte und ging zurück zum Wasserkocher um meinen Cappuccino auf zu gießen. Mir war irgendwie klar worauf Syo hinaus wollte, aber es war ein Job, den ich erledigen musste. „Das ist mir sehr wohl bewusst. Otori-san und ich haben aber einen gemeinsamen Auftrag. Wir haben gestern dafür Inspirationen gesammelt.“ „Oh richtig, das geglaubte Date. Und wie war es? Du musst mir alles erzählen!“, schaltete sich Mira ein und schien nicht zu merken, was sie damit gerade auslöste bei Syo. Sie hatte manchmal echt kein sonderlich großes Feingefühl für den richtigen Moment, wenn sie neugierig genug war. „Geglaubtes Date?“ Ich seufzte innerlich und stellte meine Tasse auf den Tisch und rührte mit dem Löffel um, so dass das Pulver sich vollständig lösen konnte. „Er hatte gefragt, bevor ich von dem Auftrag wusste. Der Gedanke an ein Date kam da nahe. Aber am Ende war es nur ein Treffen, damit wir über den Song reden können.“ An sich gab es da ja kein Problem dabei, außer damit, dass ich mir wirklich eingeredet, dass es ein Date hätte sein können. Das war deprimierend und peinlich, weil ich es Eiichi auch noch gestanden hatte. „Du solltest aufpassen, dass du nicht anfängst auf der falschen Hochzeit zu tanzen.“ Ich hob die Augenbrauen und sah zu Syo. Seine Miene hellte sich nicht auf, sondern schien sich mehr zu verdunkeln. Das gefiel mir ehrlich gesagt nicht. „Ich mache meine Arbeit. Mehr nicht. Und wenn meine Arbeit sagt, dass ich mit Heavens zusammen arbeiten soll, dann ist es eben so. Ich sehe also nicht wo dein Problem ist, Kurusu-san.“ Er schlug frustriert mit der Hand auf den Tisch, wodurch das Geschirr etwas schepperte und ich zusammen zuckte. „Das Problem ist, dass du verdammt viel mit Heavens arbeitest, obwohl du zu Shining Agency gehörst. Gerade jetzt wo die Aufmerksamkeit auf dir liegt, solltest du überlegen was du tust und was nicht. Es ist ja auch nicht so, als hättest du nicht die Wahl einen Auftrag abzulehnen!“ Sein Tonfall wurde harscher und lies mich doch noch etwas zusammen zucken. Noch dazu verletzte es mich, was er sagte, denn er gab mir das Gefühl, dass ich eine Verräterin war. „Sy-chan~“ Mira hatte sich zu mir gesellt und stellte hörbar ihre Tasse Tee ab. Ich sah zu ihr und erkannte dieses Lächeln. Das bedrohliche Lächeln, das ankündigte, dass sie wütend war. „Allmählich solltest du dich beherrschen. Was geht es dich an, für wen Nya-nya-chan arbeitet. Heavens haben ihr im Gegenteil zu Starish und besonders zu dir, nicht das Leben schwer gemacht. Es ist doch kein Wunder, dass sie sich bei Heavens wohl fühlt. Noch dazu dachte ich ihr seid über diese Rivalität hinweg.“ „Abe-“ „Wenn du jetzt 'Aber' sagst, schwöre ich dir Sy-chan, bin ich das größte Problem das du jemals bekommen wirst.“ Syo hatte in diesem Moment wohl den einzigen Fehler begangen denn man begehen konnte, wenn Mira allmählich in Fahrt kam. „Sie sollte wissen wo ihr Platz ist. Das hat nichts damit zu tun wer ihr das Leben schwer macht und wer nicht. Wenn sie nicht mit Konflikten leben kann, dann hat sie nichts in dieser Branche zu suchen!“ Es schmerzte Syo das sagen zu hören und ich musste schon schwer schlucken. Doch ich klammerte mich an meinen Cappuccino und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Ich versuchte zu ignorieren was er sagte, auch wenn ich wusste, dass er Recht hatte. Doch wahrscheinlich war ich für keinen Job geeignet, wenn ich einfach zu empfindlich war. „Es reicht Kurusu Syo! Du weißt nichts über sie und maßt dir an zu urteilen? Hast du eine Ahnung was sie alles durchgemacht hat? Nein. Und daher sollte es nicht egal sein wer ihr das Leben schwer macht. Vor allem du nicht. Als ihr verdammter Senpai solltest du ihr zur Seite stehen, ihr Tipps geben und-“ Mir hielt in ihrer Standpauke inne, als die Tür aufging und Hiroki herein kam, der sich verschlafen umblickte. Seine Haare standen ungekämmt ab, was mir nur zu deutlich sagte, dass er wohl heute nicht viel zu tun hatte. Sprich ein freier Tag, an dem er machen konnte, was er wollte. „Oh mann, Mira... so früh schon eine Standpauke? Was ist denn nun wieder los?“ „Sy-chan beschwert sich, dass Nya-nya-chan viel Zeit mit Heavens verbringt“, erklärte Mira und klang dabei weinerlich so als hätte Hiroki sie gerade beschuldigt über empfindlich zu sein. Sie zog einen Schmollmund, wobei sie einen giftigen Blick zu Syo und den anderen warf, die scheinbar nicht vor hatten sich in dieses Gespräch einzumischen und Syo zurück zu halten. Für Mira war das so, als hätten sie sich auf seine Seite geschlagen. „Ich beschwere mich nicht! Sie soll sich nur klar sein, zu wem sie gehört. Sie gehört nicht zu Raging Entertainment und sollte aufpassen was sie tut!“ „Mh... ich sehe ehrlich nicht wo dein Problem ist, Syo. Es wäre im Showbiz nicht unnormal, wenn ein Komponist die Firma wechselt. Und vielleicht liegt ihre Zukunft ja gerade bei Raging Entertainment. Ich glaube zumindest nicht, dass sie auf Dauer glücklich bei Shining Agency wird, wenn sich immer alles nur um Haruka dreht. Und sobald sie wieder da ist, werden Quartet Night und Starish wieder ihre Songs singen. Für Erenya wäre es dann wieder zuvor. Warum also nicht die Zeit finden und den Fuß in die Tür von jemanden bekommen, der sie wirklich zu schätzen weiß?“ Es war unglaublich wie ruhig Hiroki sein konnte und vor allem wie geistig fit er war, obwohl er noch nicht ausgeschlafen schien. „Aber noch arbeitet sie für Shining Agency und es ist Verrat wenn sie jetzt schon gezielt eine Gruppe von einer anderen Firma favorisiert.“ „Ich glaube man nennt das Professionalität wenn man Aufträge bearbeitet die man bekommen hat und diese nicht ablehnt. Außerdem woher kommt auf einmal dieses Gerede von Verrat? Wenn Haruka für Heavens komponiert hat, schien es damit doch kein Problem zu geben. Für mich scheint es so, als würdest du mit doppelten Maß messen.“ Hiroki hatte Syo kein einziges Mal angesehen, während er seine Meinung kund getan und sich eine Tasse Kaffee geholt hatte. Mira allerdings schien sich alleine durch Hirokis Eingreifen beruhigt zu haben, was mich persönlich beruhigte, denn viele Dinge konnten kaputt gemacht werden, in einem einzigen emotionalen Moment. Ich wusste das nur zu gut. Ich nahm einen großen Schluck von meinem Cappuccino und erhob mich von meinem Platz, ohne auch nur mein Frühstück angerührt zu haben. Der Hunger war mir vergangen und ich wollte nicht länger in diesem Raum bleiben. Mir war dabei nicht wohl. Vielleicht weil ich fürchtete, dass Syo Recht hatte? Oder weil ich ein schlechtes Gewissen hatte? Mir war es nicht klar, aber ich wollte weg. „Lasst euch euer Frühstück schmecken. Ich gehe den Song schreiben.“ „Aber Nya-nya-chan!“ Ich wusste, dass Mira ahnte, warum ich wirklich gehen wollte. Ihre Stimme klang etwas betrübt, doch ich lächelte sie an. Es war nicht fair, dass sie und Hiroki meine Schlachten schlugen. Ich hätte sie alleine führen müssen. „Wir reden später, wegen gestern“, erklärte ich Mira noch und versuchte mich an einem beruhigenden Lächeln. Sie sollte sich keine Sorgen um mich machen. Das hätte sie nicht verdient. Mir nickte aber verstehend und ließ mich gehen. Sie wusste scheinbar gut genug, wie ich mich fühlte, oder was gerade in mir vor sich ging. „Erenya, im ersten Stock das Klavierzimmer sollte heute frei sein“, rief mir Hiroki noch zu, was ich seltsam fand. In der Regel hätte ich mich in mein Zimmer verzogen und an meinem Keyboard komponiert, wie gewohnt auch. „Der Klang vom Klavier ist unbeschreiblich“, setzte er noch nach. Ich fragte mich, was für eine verborgene Botschaft er mir damit sandte, aber vielleicht meinte er damit auch nur, dass ich mich dort musikalisch austoben konnte. Etwas, dass ich in Momenten wie diesen brauchen konnte.   Hiroki hatte recht behalten. Der Klang des Klaviers war unbeschreiblich und noch dazu nicht vergleichbar mit einem Keyboard, dass zwar ein Klavier imitieren aber niemals komplett an dieses herankommen würde. Ich lauschte den Klängen die ich im Schlaf gehörte hatte und organisierte sie zu einem Lied, dass mein Herz flattern ließ. Es zog mich an, lächelte mir förmlich zu und wirkte nicht wie ein Werbesong. Es brach aus dem gewohnten Prinzip heraus, allein aus dem Grund, weil man dabei irgendwie nur an Eiichi denken konnte. Ich hörte seine Stimme in meinem Kopf, wie er Zeile um Zeile der Melodie ergänzte. Ein wohliges Gefühl machte sich breit. Ich fühlte mich beschützt und gut aufgehoben, so als wäre ein Ritter in glänzender Rüstung bei mir, der mich vor allem Unheil bewahren konnte. Ich hielt inne während des Spielens und sah auf die Partitur. Ob der Auftraggeber es auch so sehen würde. Heroisch... apollinisch... innovativ... charismatisch. Obwohl ich das alles nicht wirklich in Eiichi sah, ich hatte das Gefühl alles miteinander vereint zu haben und dann noch den Wunsch von Eiichi gerecht zu werden. Ich hielt inne und lauschte nun doch mehr dem Knurren meines Magens, als irgendeiner Melodie. Ich bereute langsam, dass ich mein Frühstück nicht wenigstens mitgenommen hatte, aber gut, ich würde wohl bald eine Pause machen und zumindest einen kleinen Snack zu mir nehmen. Zumindest dachte ich das, bevor es an der Tür klopft. Verwundert, wer vorbei sehen würde, sah ich zur dieser, als sie sich öffnete und der Rotschopf von Starish hereinsah. „Ittoki-san? Braucht ihr das Zimmer?“ Es war seltsam, dass dies der einzige Gedanke war, der mir just in den Sinn kam, warum Otoya das Zimmer aufsuchen sollte. Ein verlegenes Lächeln strafte meiner Vermutung aber Lügen. „Nein nein. Ich dachte... naja nicht nur ich. Natsuki, Ren und ich dachten, da könntest vielleicht allmählich am Hungertuch nagen. Deswegen wollte ich dir ein paar Sandwichs und etwas Tee vorbei bringen.“ Um seine Worte zu unterstreichen, hob er einen kleinen Lunchkorb und eine Thermoskanne. Wie als hätte mein Magen, und nicht meine Augen das gesehen, knurrte dieser laut los und trieb mir die Verlegenheit in die Wangen. „Gerade rechtzeitig, huh?“, fragte Otoya lächelnd und trat nun ins Zimmer ein, wobei er die Tür hinter sich schloss. „Meine Rettung könnte man meinen. Ich dachte schon mein Magen will mich fressen.“ Ich klappte die Tastaturabdeckung des Klaviers herunter und setzte mich zu Otoya, der sich an einem kleinen Tisch im Zimmer niedergelassen hatte. Heißhungrig öffnete ich das für mich bereitete Fresspaket und zog ein Sandwich heraus. „Uhm... Erenya... Ich weiß es mag seltsam klingen, aber bitte nimm Syo nicht übel was er gesagt hat. Er macht sich Sorgen um dich, auch wenn das vielleicht ein wenig falsch rüber kam. Es geht ihm nicht darum, dass du dich gut mit Heavens verstehst, sondern eher um Raging Entertainment. Du weißt sicher, was die Firma alles mit Heavens getan hat, oder?“ „Mhm“, merkte ich an und aß das erste halbe Sandwich, Ei mit Schinken und Käse und etwas Salat, auf. Irgendwie machte das Sinn. Ich war nicht gerade die stärkste Person und wer wusste schon, wie ich reagieren würde, wenn man mir sagte meine Songs dürften nicht gespielt oder gesungen werden. Ein echte mieses Gefühl, was vollkommen an meinem Selbstvertrauen kratzen würde. „Noch dazu könnte es auf die Presse einen falschen Eindruck machen, wenn du als Komponistin von Shining Agency plötzlich zu viel für Raging Entertainment komponierst. Auf die Masse an Veröffentlichungen gesehen hast du sogar schon mehr für Heavens komponiert als Haruka.“ Ich griff zum nächsten Sandwich und sah zu, wie mir Otoya etwas Tee in den Becher der Thermoskanne eingoß. Ich hatte es noch gar nicht so gesehen, dass sich Syo vielleicht nur Sorgen machte. Dass er nicht mal Sorgen hatte, dass ich Shining Agency verriet, sondern dass ein Wechsel zu Raging Entertainment mich verraten würde. „Und ehrlich gesagt, mache auch ich mir Sorgen um dich. Eiichi kann ziemlich einnehmend und fordernd sein. Deswegen, wenn du Hilfe mit dem Song brauchst, ich kann ja versuchen dir zu helfen.“ Ich leckte mir gerade die Käsecreme von dem zweiten Sandwich von den Fingern und lauschte Otoya. Ich wusste, was er meinte, aber irgendwie, obwohl ich dieselbe Sorge hatte, war diese unbegründet. „Mh... Otori-san ist nicht leicht von seinem Charakter. Er ist ein Perfektionist und hat große Ambitionen, aber er weiß auch was er von einer Person erwarten kann. Sicher es ist nicht leicht, was er wollte, aber gerade weil er es erwartet und ich ihn einschätze, dass er nichts unmögliches von mir verlangen würde, weiß ich, dass ich es kann. Allgemein... Ich fühle mich Heavens so nahe. Sie haben so viele Widrigkeiten zu bekämpfen. Die Presse, die sie als schlechteren Starish Klon sieht, Otori-sans Vater der denkt sie wären seine Werkzeuge, das Showbiz im allgemeinen... Sie machen aber dennoch weiter. Und ich glaube auch ich kann weiter kämpfen, wenn ich sie an meiner Seite weiß. Weißt du, ich habe das Gefühl, dass vor allem die Presse mich nur als einen Ersatz für Nanami-san sehen. Ich stand noch nie so im Fokus wie jetzt. Und dann ist da noch die Sache mit Chiron. Wenn Shining mich nicht aus dem Vertrag lässt, würde ich auch nicht gehen und weiterhin mein bestes hier geben. Noch dazu steht ja nicht fest, ob ich wirklich gehen will. Aktuell würde ich Heavens mehr schaden als helfen. Und das will ich natürlich nicht.“ Ich nahm einen Schluck von dem Tee und erhob mich danach. Es gab eigentlich nur einen Weg Otoya zu zeigen, was ich wirklich meinte. Ich stellte den Becher Tee ab und ging zurück zum Klavier. Vorsichtig öffnete ich den Deckel von den Klaviertasten und setzte mich auf die Bank vor dem Klavier. Ich holte tief Luft und begann die ersten Noten zu spielen. Wie schon vor Otoyas Besuch, fing mich das Lied ein. Ich fühlte mich Eiichi just in diesem Moment so nahe, obwohl wir einander doch so fern waren. Ich nahm dennoch wahr, dass Otoya lauschte und mir die Zeit gab diesen Werbejingle zu spielen. Er ging wie geordert nicht lange. Nur eineinhalb Minuten, was mich doch dezent traurig stimmte, da ich gerne mehr mit der Melodie und mit den Klängen gespielt hätte. Noch trauriger war aber nur, dass der Song nur fünfzehn Sekunden zu hören sein sollte. Das war so als hätte ein Künstler nur wenige Striche von einem kompletten Kunstwerk machen dürfen. Der Song endete und mein Blick wandte sich zu Otoya. Er sah mich mit großen Augen an, schien sich aber schnell wieder zu fassen. „Ich denke Syo irrt sich. Du tanzt nicht auf der falschen Hochzeit und wahrscheinlich müssen wir uns keine Sorgen um dich machen.“ Seine Worte fühlten sich gut an, denn sie gaben mir wirklich das Gefühl, dass auch Eiichi diesen Song mögen würde.   Obwohl der Song fertig war vom Prinzip hatte ich bis zum Nachmittag noch meine Zeit im Klavierzimmer verbracht um einfach die Noten nieder zu schreiben. Und es waren ja nicht nur die Noten für das Klavier. Gitarre, Drums, Bass und eine Harfe waren dazu bestimmt in diesem Stück zu spielen. Gerade die Harfe wirkte absurd, aber sie gab dem Song etwas seltenes. Ich musste die Melodie also komplett neu umsetzen. Verschiedene Stimmen und zusätzlich noch Eiichis einmalige Stimme, die diesen Song komplett machte. Es war nicht leicht, aber gegen Nachmittag hatte ich gröbsten Teil erledigt. Es war Zeit für eine Belohnung. Ein Stück Kuchen oder ein Eis. Irgendetwas Süßes. Was mich dazu bewegte, dass ich in Richtung Küche unterwegs war. Den Ordner mit den Partituren fest umklammert. „Erenya!“ Ich erschrak, als ich so plötzlich eine Stimme hinter mir hörte und wandte mich um. Da stand er, mein Lieblingsprinz aus Agnapolis. Sein Gesicht war voller Sorge und es zerriss mir fast das Herz. Was könnte diese schönen grünen Augen nur so traurig machen? „Ein Glück habe ich dich gefunden. Ich muss dir unbedingt etwas zeigen.“ Er eilte förmlich auf mich zu und zog mich zur Seite , so dass wir nicht mitten im Weg standen. In seiner Hand hielt er ein weißes Tablett, welches er behände bediente und was mich ehrlich verwunderte, denn ich hatte Cecil nie als wirklich technikaffin gesehen. Doch scheinbar hatte er sich das ein oder andere beigebracht. Ich beobachtete, wie seine Finger über das Display strichen und er schließlich eine Internetnewsseite öffnete, auf der ein großes Bild von Eiichi prangte, der mit weiblicher Begleitung, die mir gut vertraut war, in einer Parfümerie stand. Das Bild wirkte zweideutig, denn er hatte sich etwas zu der Frau im Bild runter gebeut und ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Ich erinnerte mich nur zu gut an diese Szene. Komponistin über den Weg vom Herz zum Himmel Das stand als Überschrift geschrieben und mir wurde kurz schlecht. Gleichzeitig konnte ich nicht anders als den Artikel zu überfliegen. Man sprach von einer Person die aktuell in den Medien überall war und nun scheinbar mehr als nur für Heavens arbeiten würde. Auch wenn man bemüht war meinen Namen nicht zu nennen, so ließ man doch nicht davon ab, eindeutige Hinweise zu streuen Thesen aufzustellen, ob Eiichi und ich eine geheime Beziehung zueinander pflegten. Das war also das Starleben und ich war endgültig da angekommen, was mir eigentlich nicht passte. Mal ehrlich, wer wollte schon eine Liebesbeziehung angedichtet bekommen? Und doch, ich hatte entschieden stark zu werden. Ich kannte die Wahrheit. Bei dem Treffen mit Eiichi hatte es keine solchen romantischen Gefühle gegeben. Es war ein Arbeitstreffen gewesen, mehr nicht. „Die Musen machen sich Sorgen. Und ich auch. Als ich das gesehen habe, erinnerte ich mich an die letzten Artikel und wie du reagiert hast. Ich wusste nicht, ob ich es dir sagen sollte, oder dich davon abhalten sie überhaupt zu sehen. Deswegen habe ich Camus angerufen und gefragt was ich tun sollte. Er sagte aber nur, ich solle tun was ein Freund eben tut. Nicht sehr hilfreich. Aber...“ Cecil hielt inne und sah mich an. Sein erster Blick bohrte sich tief in meine Seele so als ob er gerade versuchte zu erkennen wie tief erschüttert ich war. „Wenn was ist, ich bin für dich da. Wenn du jemanden zum reden brauchst, oder jemand der dich ablenkt oder... irgend etwas anders, sag es einfach.“ Cecils Angebot war wirklich niedlich und Gott wäre ich nur etwas mieser gewesen hätte ich gesagt „Umarme mich“ oder „sing ein Lied für mich“. Ich brachte es aber nichts übers Herz. Er liebte Haruka, dass hatte er in der Serie sehr deutlich gesagt. „Ich wollte gerade eine Pause machen und etwas Kuchen essen. Hast du Lust mitzukommen? Wir können noch etwas reden. Ich muss ehrlich gestehen mich interessiert die Kultur von Agnapolis sehr und ich würde gerne mehr erfahren.“ Ich lächelte. Aufrichtig. Denn ich log nicht damit, dass mich Agnapolis interessierte. Ich hatte mich häufiger in meiner Welt gefragt, wie Agnapolis war. Was man für Instrumente dort spielte, wie Cecil insgesamt groß gezogen wurde, wie es kam, dass man die Musen dort verehrte. Cecil schien überrascht, lächelte aber schließlich. „Ich habe Apfelkuchen gesehen. Aus Bishous Konditorei“, erklärte Cecil und hatte dabei wohl das verschmitzeste Lächeln, dass ich je bei ihm gesehen hatte. Es hatte sogar etwas kindliches, so als freute er sich darauf jemanden ein Stück Kuchen wegzuessen. Vielleicht freute er sich auch einfach darauf Kuchen von Bishous zu essen, was ich nachvollziehen konnte, denn sie hatten wirklich tollen und leckeren Kuchen. „Ich glaube der Kuchen wird nicht mehr lange leben“, konterte ich diabolisch und griff nach Cecils Hand. Mir war just in diesem Moment egal, wer in dieser Welt gegen mich war, welche Presse Lügen erzählte, solange ich mir sicher sein konnte, dass Cecil sich als einer meiner Freunde sah.   **~~**   „Du musst es Eiichi unbedingt erklären!“ Ich blinzelte als die Tür zu meinem Zimmer aufflog und das die ersten Worte waren, die Mira mir entgegen schleuderte. In der Hand hielt sie ihr Handy, welches sie mir entgegen streckte und sich mir näherte. „'Komponistin macht sich für Exklusivität an Heavens Leader ran' schreiben sie nun schon. Eigentlich weiß jeder der auch nur wirklich das Idol-Geschäft ernsthaft betreibt, dass das nur Enten sind aber...“ Hiroki war nach Mira eingetreten und zitierte die Überschrift des Artikels, den Mira mir zum durchlesen zeigte. Es war gerade mal ein Tag vergangen und die Schlagzeilen überschlugen sich förmlich. Plötzlich tauchten Personen auf, die behaupteten mich zu kennen. Einige sprachen von leidenschaftlichen Gefühlen für Eiichi, andere machten Andeutungen, dass es ein Werbegag von Shining Agency und Raging Entertainment war. Eine Zeitung hatte sogar von der tragischen, modernen Romeo und Julia Geschichte der Idolwelt gesprochen. Fakt war, überall zerriss man sich online das Maul. Und das Schlimmste daran war nicht einmal die Presse, sondern die Fans, die darüber debattierten. Von „Sie ist nicht so schön, was will er von ihr“ oder „Sie macht für ihre Karriere die Beine breit“ war wirklich alles dabei. Doch der Artikel jetzt war einfach nur... das Letzte. Man konnte mir ja viel nachsagen aber so etwas? Es stand geschrieben dass ich mir wohl auch im Urlaub Quartet Night warm gemacht hätte um ein Hintertürchen offen zu haben, falls es mit Heavens nicht klappte. Erneut waren wieder Augen- und Ohrenzeugen aufgetaucht, die mich unmöglich kennen konnten. „Mh... du meinst wenn Eiichi das liest, könnte er das falsch verstehen? Ich denke mal nicht, dass er so ist“, erklärte ich und sah erneut auf den Artikel. Ich glaube Eiichi gut genug zu kennen und vor allem auch einzuschätzen, dass an diesen Artikeln nicht viel dran war. Immerhin hatte er mich zu diesem Treffen eingeladen. „Selbst wenn. Du solltest es ihm dennoch direkt von Angesicht zu Angesicht sagen“, erklärte Mira und nahm ihr Handy von mir wieder entgegen. „Außerdem hast du den Song fertig und kannst ihm diesen gleich geben. Danach kann sich alles wieder beruhigen. Mehr Stress brauchst du wirklich nicht.“ Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich Eiichi irgendwas erklären musste, allerdings ich wollte ihn sehen und hören was er von dem Song hielt. Und wenn ich nebenbei erwähnte „Eiichi ich war nicht mit dir unterwegs um mich bei Heavens einzuschleimen.“ wäre das ja auch nicht so schlimm. „Na schön, die Frage ist nur wie komme ich hier raus. Die Presse wird sicher vor dem Gelände lauern und draußen sollte ich auch nicht unbedingt mit Eiichi gesehen werden. Das könnte unter Umständen die Gerüchteküche nur noch mehr anheizen.“ Mira und Hiroki sahen einander an. Ich hasste es wenn sie das taten, denn gerade führten sie eine stille Diskussion darüber, was man wohl tun könnte. Wahrscheinlich war das so ein Pärchending, dass ich niemals verstehen würde. „Kümmerst du dich um Eiichi?“, fragte Mira schließlich, so als hätten sie verstanden, dass ich ihre Unterhaltung nicht mitbekommen hatte. „Ich werde Van schreiben. Sicher lässt sich da was einrichten. Wir brauchen aber einen Ort der möglichst unbeobachtet ist. Parks, Restaurants und öffentliche Plätze fallen da weg.“ „Sumires Laden können wir auch nicht nehmen... Wenn das jemand mitbekommt macht ihr Chef Streß. Wie sieht es bei Juri aus?“ Hiroki schüttelte den Kopf, wobei ich sehen konnte, dass es ebenfalls durch seinem Kopf ratterte. „Sie haben bei Juri ebenfalls Leute stationiert. Hat Juri mir zumindest heute früh geschrieben. Wir könnten Mikoto fragen, er kennt die meisten von der Presse und kann daher sicher herausfinden, wo sie am wenigsten suchen würden.“ „Uh, die Idee ist gut. Schreib ihm gleich mal. Ich werde mich um Nya-nya-chans Verkleidung kümmern.“ „Tu das. Aber übertreib es nicht. Denk dran was Ringo sagte, je dezenter desto unauffälliger.“ „Was denkst du eigentlich von mir, Hi-chu?“ Dieses Mal sahen Hiroki und ich einander an. Zweifelnd, denn wir beide wussten wie gut und unauffällig Mira immer war. Eine dicke Sonnenbrille und ein Cappi waren da noch als dezent zu sehen. „Das du eigentlich die letzte Adresse bist, wenn man jemanden unauffällig verkleidet haben will.“ „Ist ja gut, Hi-chu. Ich werde To-chan um Hilfe bitten.“ Ich ging im Geiste alle hier ansässigen, mir bekannten Bewohner durch und fragte mich, wer wohl wieder To-chan war. Aber letztenendes kam ich auf Tomochika. Und ja, ihr traute ich eine unauffällige Verkleidung für mich zu. „Gut. Sagen wir um fünf ist das Treffen. Ich teile dir dann noch den Ort mit. Kümmer dich um Erenya.“   Unter all den Touristen fiel ich mit der schwarzen Perücke und dem Make-Up nicht auf. Tomo hatte wirklich nicht viel getan und sie meinte auch, dass man nicht viel tun müsste. Etwas Make-Up andere Kleidung und eine Perücke die authentisch aussah und schon würde mich keiner mehr erkennen. Sie begründete es damit, dass ich recht natürlich war, was Make-Up und Kleidungsstil anging. Hiroki hatte von meiner Verkleidung ein Foto gemacht und es Van geschickt, damit wenigstens Eiichi mich erkannte. Ich war nervös und blickte immer wieder in meine Tasche. Der Song war noch da. Natürlich, wo auch sonst? Ich hatte ihn nie raus genommen, damit konnte ich den Song auch nicht verlieren. „Und wie nennst du dich in dieser Verkleidung?“ Ertappt sah ich mich von meiner Tasche auf und erkannte sofort Eiichi, der ohne Brille und lässiger Alltagskleidung vor mir stand. Scheinbar war weniger wirklich mehr. Ich erkannte ihn zwar, aber hätte ich nicht gewusst, dass er hier her kommen würde, ich hätte vielleicht geglaubt, dass jemand anderes einfach nur wie Eiichi Otori aussah. „Machen wir es ausländisch. Christine wäre gut. Oder?“ „Klingt wie ein Horrorroman von Stephen King.“ Ich lachte leise und schüttelte geistig den Kopf. Ja, dass hörte ich hin und wieder in meiner Welt, wenn ich mich vorstellte. Aber gut, dass musste ich ja Eiichi nicht auf Nase binden. „Van sagte, du wolltest dringend mit mir reden. Gibt es Probleme mit dem Song?“ Ich konnte es eigentlich kaum glauben. Er hatte nicht im Sinn, dass es wegen der Tratschpresse war, sondern wirklich nur wegen dem Song. Irgendwie erleichterte mich dass, denn ich bekam so dass Gefühl, dass er mich nicht so einschätzte, wie die Medien mich darstellten. „Das ist es nicht. Du hast sicher die Nachrichten gehört. Man hat uns gesehen bei unserem Arbeitstreffen und nun kursieren Gerüchte ich würde mich an Heavens-“ „Stopp.“ Mit sanfter Stimme fiel mir Eiichi ins Wort, weswegen ich verstummte und mich selbst wieder runter fuhr. Es war seltsam. Ich hatte gesagt, dass Eiichi mir glauben würde. Dass ich mir sicher war, dass er nicht so von mir dachte und doch hatte ich just in diesem Moment wirklich Angst Heavens wegen so etwas als Freunde zu verlieren. „Bleib ganz ruhig. Weder die anderen noch ich haben jemals geglaubt, dass du dich an uns ranmachst nur um exklusiv für uns komponieren zu können. Andersherum wäre das vielleicht ein Stück weit richtiger. Es tut mir leid, dass das passiert ist. Ich hätte damit eigentlich rechnen müssen, aber ich habe nicht aufgepasst. Deswegen, überlass das uns, wir werden das regeln.“ Es war seltsam wie stark ich ihm glaubte. Ich wusste, dass er und Heavens sich darum kümmern würden. Auch wenn es mir nicht einmal um die Gerüchte ging, sondern viel mehr darum, dass mein Verhältnis zu Heavens nicht bröckelte. „Allerdings, solltest du in Zukunft dennoch vorsichtiger sein. Nicht das sie noch herausfinden, wer das maskierte Idol bei Quartet Night war.“ Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht, als ich Eiichis Andeutung verstand. Er wusste es. Genauso wie Reiji es wusste. Dabei war es ein Geheimnis, dass nur zwischen mir und meiner Freunde bestehen sollte. „Sag es bitte niemanden.“ Ernst sah ich Eiichi an, der meinen Blick ebenso ernst erwiderte. Ich konnte ja irgendwie damit leben, dass er es wusste, aber nicht, wenn ich diese Maske verlor. „Dann erzähle mir, warum du kein Idol bist. Soweit ich weiß gibt es den Idolkurs an Shinings Schule.“ Irgendwie war es ja klar, dass er es wissen wollte. Er war aber sicher keiner dieser Personen der sich nun damit abspeisen ließ, dass ich eben nicht gerne im Mittelpunkt stand. Ihm musste ich wohl die gesamte Geschichte erzählen. „Also schön“, gab ich nach und kramte in meinem Hinterstübchen. Diese Geschichte war nämlich etwas tiefer als nur die Entscheidung von Miras Münzwurf abhängig zu machen.   **~~**   Ihr Münzwurf hatte entschieden, dass ich mich nur noch darum kümmern sollte eine Komponistin zu werden. Und doch haderte ich mit dieser Idee, als ich auf meinem Weg zu Shining Saotomes Büro war. War es wirklich eine gute Entscheidung, obwohl ich sie nicht selbst getroffen hatte. In der Regel neigte ich ja dazu, Dinge erst ernst zu nehmen wenn ich mit Feuereifer dabei war. Aber irgendwie wusste ich nicht, ob ich diesen Feuereifer auch für diese Tätigkeit empfinden würde. Immerhin musste ich noch einiges lernen. Und es wäre der schwierigere Weg. „Die Gerüchte besagen, dass sich heute entscheidet, ob sich die Gaishin von der Schule fliegt oder bleibt. Eigentlich ist es ja egal ob sie geht oder nicht. Das Debüt hast du schon in der Tasche, Chiron.“ Aus einem der Seitengänge hörte ich eine Stimme von einem Klassenkameraden aus der S Class. Ich wusste das sie von mir sprachen, denn früh genug hatte ich den „Spitznamen“ Gaishin bekommen, wobei der nicht einmal als Spitzname galt sondern einfach „Ausländer“ bedeutete. Dennoch die Art wie sie dieses Wort aussprachen klang verächtlich kalt und ich hasste es. „Ihr seid wirklich so dumm auf diese Gerüchte zu hören? Shining wirft niemanden von der Schule nur weil er sich nicht entscheiden kann. Wahrscheinlich wird er dann nach den Fähigkeiten entscheiden, welcher Kurs besser zu ihr passt. Es würde mich nicht wundern, wenn sie sein Liebling ist und er dann alles daran setzt, dass sie das Debüt bekommt.“ Chiron. Ich erkannte seine Stimme klar und deutlich und drückte mich an die Wand. Keine Ahnung warum ich es tat, aber ein innerer Drang zwang mich, es zu tun. „Quatsch. Alle wissen das du es bekommst. Es gibt niemanden der dich aufhalten kann. Wie sollte sie das tun? Sie hat eine allerweltstimme, mehr nicht. Und vom komponieren hat sie keinerlei Schimmer.“ „Idiot!“ Seine Stimme kam heraus als hätte er seinem Gesprächspartner eine Ohrfeige verpasst.Ich hörte wie sein gegenüber erschrak und zusammen zuckte. „Hör dir das an.“ Ich wartete gespannt und lauschte mehr in die Stille. Ich hörte plötzlich eine leise Melodie am Klavier gespielt und zog die Luft scharf ein. Ich erkannte sie. Ich hatte sie just for fun zusammen gestückelt, als ich mal etwas freie Zeit im Musikzimmer verbrachte. Dabei hatte ich mich unbeobachtet gefühlt und nun war es hier, dieses Lied. Sieh dich nicht um, dies ist nun meine Welt, doch ich weiß nicht, was mich in ihr hält. So sage mir, was ist mein Ziel, denn ich weiß nicht mehr wohin. Leise erklang meine Stimme, während ich spielte. Nicht komplett gerade, was aber eher der Improvisation zu schulden gekommen war. Dennoch es ergab sich eine Melodie, auf die ich im tiefsten Inneren sogar stolz war. Umso mehr hasste ich es, dass Chiron sie gehört hatte und nun mit einem seiner Anhänger teilte. Dieser ferne Ort ist mir so fremd, und doch nicht unbekannt. Doch ich gehör nicht her, in diese Welt ich verlier meinen Verstand.   Möge dieses Lied erklingen und mir Erlösung bringen, wie ein kleiner Zauberspruch, doch selbst Magie hilft hier nicht mehr, ich gehör einfach nicht her und doch muss ich weiter gehen... Meine Kehle schnürte sich mir zu, denn die Zeilen waren genau das was ich empfand, was ich dachte und was meine Existenz beschrieb. Wie unbedacht hatte ich mir diese Worte von der Seele gesungen. Es war nicht einmal professionell geschrieben, so dass man künstlerische Kreativität geltend machen konnte. „Wenn sie mehr so was produziert und so etwas mit einem talentierten Schüler aufführt, ist mein Debüt gefährdet.“ „Wer sollte dich schlagen können, Chiron?“ „Es gibt einige gefährliche Kandidaten in der A-Class und eben so in der S-Class. Jetzt bereits davon auszugehen, dass ich keine Konkurrenz habe wäre dumm. Ich muss sie ausschalten, solange ich kann.“ Ich konnte es irgendwie nicht glauben. Chiron sah mich wirklich als Konkurrenz wenn ich den Komponistenkurs ablegte. Es war seltsam. Denn nie hatte einer mir wirklich große Chancen auf das Debüt ausgemalt und doch schien Chiron mich so genau beobachtet zu haben, dass er wusste, was ich besser nicht wurde, um ihm nicht gefährlich zu werden. „Dennoch über die Gaijin sorgst du dich zu sehr. Selbst wenn sie als Komponistin gut sein könnte, ihr fehlt die Erfahrung. Die kann sie in einem Jahr nicht aufholen. Sie wird keine Gefahr für dein Debüt sein.“ „Du bist wirklich ein Idiot. Haruka Nanami hat in einer Woche Noten lesen und spielen gelernt. Warum sollte es da für sie unmöglich sein. Das Klavier beherrscht sie und wenn sie sich anstrengt, ist der Rest vielleicht nicht leicht, aber immerhin machbar für sie. Noch dazu scheinst du zu vergessen, wer alles hinter ihr steht. Sumire ist ein Genie was Instrumente angeht. Sie kann ihr sicher das ein oder andere beibringen. Juri weiß sicher auch ihr zu helfen, er hat sich ja auch für Komposition eingetragen. Und dann ist da noch Mira...“ „Du meinst die kleine die davon träumt ein Idol für Kinder zu werden? Komm schon, wie soll sie der Gaijin helfen? Sie ist naiv und einfältig.“ Ich konnte hören, wie Chiron scharf die Luft einzog. Etwas an dem Kommentar seines Freundes schien ihm nicht gefallen zu haben. „Du bist mehr als nur ein Idiot. Jemand wie du hat keine Chance in der Welt der Idole. Mira ist gefährlich weil sie naiv und einfältig ist. Sie weiß zu begeistern und kann andere mitreißen. Es scheint auch nichts zu geben, was sie deprimiert. Menschen die selbst in schweren Situationen lächeln können, sind gefährlich, merk dir das. Denn das sind die Personen bei denen man nicht weiß, was ihnen durch den Kopf geht. Unterschätz sie besser nicht.“ Wenn ich es recht bedachte, dann hatte Chiron Recht. Mira war der Antrieb unserer Gruppe, jemand der uns immer wieder voran trieb. Auch wenn sie mein Schicksal mit einem Münzwurf entschieden hatte. Aber ich konnte ja noch den Idol-Pfad wählen. Und doch, wollte ich es nicht mehr. Wenn Selbst ein Chiron sagte, dass ich als Komponistin zur Gefahr für sein Debüt werden konnte, dann sollte ich es, auch wenn es nicht leicht werden würde, einfach versuchen.   **~~**   Ich war auf dieselbe Art und Weise wieder nach Hause gekommen, wie ich zum Treffpunkt gelangt war. Doch ich war froh, als ich endlich wieder den Mastercourse betrat und die Perücke vom Kopf zog. Endlich konnte mein eigenes Haar wieder atmen. Und doch schien es kein Stück ruhiger zu werden, als ich das Gebäude betrat. Im Empfangsbereich sah ich Starish, die sich auf der Couch nieder gelassen hatten und zu Shining Saotome sahen, der scheinbar etwas zu vermitteln hatte. „Ah Miss Tailor, good, dass Sie da sind. Ich habe eine wichtige Information zu vermitteln, die auch Sie betreffen wird. Kommen sie bitte her and sit down.“ Mir wurde etwas mulmig im Magen, als ich das hörte, doch ich näherte mich der Gruppe und setzte mich neben Cecil, der etwas für mich zur Seite gerutscht war, damit ich mich auch setzen konnte. „Wissen sie etwas von Nanami-san?“, fragte Masato sofort und ich konnte hinter Shinings Brille ein Leuchten sehen. Fast so als hätte Masato den Nagel auf den Kopf getroffen. „Great news! Ich habe einen Brief erhalten, in dem Miss Nanami mir mitteilte, dass sie in drei Wochen zurückkommen will.“ Ich konnte sehen, wie sich die Gesichter der Starish-Mitglieder aufhellten. Das waren wirklich großartige Neuigkeiten für sie. Ich selbst war mir aber nicht sicher, wie ich diese Neuigkeiten finden sollte. Einerseits, war es sicher gut. Andererseits fürchtete ich, dass ihr Erscheinen das Ende für meine gemeinsame Arbeit mit Heavens bedeuten konnte, oder dass ich wieder da weitermachte wo ich aufgehört hatte, vor ihrer Pause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)