Between the lines von Erenya (Missing parts) ================================================================================ Kapitel 6: Between the Escape Route ----------------------------------- Wehleidig sah ich auf die Hülle des Spiels, welches ich wohl erst am Abend wieder befingern können. Bis dahin war Arbeiten angesagt. Hart arbeiten. Immerhin wollten wir Queen of Hearts heute aufnehmen. Dafür hatte ich schon ein paar Ideen von denen ich hoffte, dass sie den Jungs gefallen würden. Doch bevor ich diese auf sie loslassen konnte, musste ich noch ein paar Erledigungen machen. Ich ließ meine Wohnung hinter mir und ging zur U-Bahn, die glücklicherweise nicht weit von meinem Wohnhaus entfernt stand. Wenn mein Timing gut war, würde ich alles pünktlich fertig bekommen. Ich hielt aber inne, als mein Handy klingelte. Mira. Ich erkannte den ihr zugewiesenen Klingelton nur zu gut. Gleichzeitig verwunderte es mich, dass sie mich so früh anrief, vor allem nachdem wir uns am Vortag gesehen hatten. „Mira, brauchst du nicht deinen Schönheitsschlaf?“ „Ich muss heute früh ins Studio zu Aufnahmen. Ich rufe dich an, weil ich etwas von dir brauche. Ganz dringend. Es geht sozusagen um Leben und Tod.“ Ich hob eine Augenbraue und starrte verwundert auf das Handy. Mira neigte ja gerne zur Übertreibung, aber dass sie etwas von mir so dringend brauchte, dass es um Leben und Tod ging, war mehr als bloße Übertreibung. „Das klingt etwas übertrieben, Mira. Aber gut. Was brauchst du?“ „Erinnerst du dich an Mikotos Abschiedsgeschenk aus der Akademie?“ „Äh ja. Diese vier oder fünf DVDs mit Auftritten, Ausflügen aus der Schulzeit. Ich glaube jeder von uns hat auch eine DVD bekommen die sehr individuell ist.“ „Richtig. Auf meiner waren alle meine Auftritte, die ich zu unseren Song-Battles und wegen unserer Hausaufgaben hatte. Ich bin mir sicher, bei dir sind alle Songs drauf, die du geschrieben hast. Ich möchte sie gerne sehen. Kannst du sie mir mitbringen?“ Ich überlegte kurz, wo die DVDs liegen könnten und entschied noch einmal zurück zu gehen. Ich hatte Zeit. Es würde also nicht schaden noch einmal meine Wohnung aufzusuchen und das gewünschte zu holen. „Brauchst du sonst noch eine der DVDs?“ „Nein. Den Rest habe ich. Das Theaterstück, unsere Klassenfahrt, Ausflüge mit der Gang und unser Reverse Concert.“ Ausflüge mit der Gang. Dieser Bezeichnung weckte schöne Erinnerungen. Mikoto war ebenfalls ein Mitglieder dieser Gang gewesen, von der ich nur dank Mira ein Teil geworden war. Es war also kein Wunder, dass er alles gefilmt hatte, auch wenn ich betete, dass er die peinlichen Momente nicht unbedingt eingefangen hatte. „Wofür brauchst du die DVDs?“ „Ich wollte nur mal wieder in Nostalgie schwelgen. Ich meine wir haben die Gang schon lange nicht mehr gesehen. Vielleicht sollten wir sie mal wieder zusammentrommeln.“ Sehnsucht also. Ich konnte das Gefühl verstehen. Ich vermisste meine Gang aus meiner Welt. Und auch die aus dieser. An manchen Tagen. Wahrscheinlich hatte ich mir deswegen die DVDs noch nie angesehen. Ich fühlte mich einfach noch nicht bereit genug mich an die neuen Freunde zu erinnern, die ich so lange nicht gesehen hatte. Zumal auch nicht alles aus der Zeit in Saotomes Akademie schön war. Es gab da dieses eine Ereignis... Eines an das ich besser nicht dachte. „Ja, es wäre schön, wenn das mal wieder klappt. Seit unserem Debüt habe ich das Gefühl, wir sind aus der Welt gefallen. Ich meine ich sehe einige von ihnen hin und wieder. Sumire zum Beispiel arbeitet in einem Musikladen und gibt hin und wieder Minikonzerte in Cafés da sie aber nicht unter Vertrag steht und keinen Produzenten oder Manager hat, findet sie kaum Auftrittmöglichkeiten. Juri hat sich wieder für die Mode-Branche entschieden. Seine neuste Kollektion kommt Anfang nächsten Monat raus und sein Hauptmodel ist wie zu Schulzeiten Rihoto. Und Rumi. Beide modeln auch für andere Designer aber hauptsächlich für Juri.“ „Oh richtig, da war noch etwas, dass ich dir sagen wollte.“ Während unseres Gesprächs hatte ich meine Wohnung wieder betreten und war zielstrebig zu einem Regal gegangen, indem ich die DVDs reingestellt hatte, nach meinen Einzug. „Was denn?“ „Ich habe Yurika getroffen.“ Es reichte nur ihren Namen zu hören und ich versteifte mich automatisch. Yurika. Viele schöne Erinnerungen hatte ich nicht an sie. „Ahja...“ „Ich weiß, du bist nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen, nachdem sie dir die Songs gestohlen hat. Aber... sie sagte mir, dass es ihr leid tut und bat mich, dir das zu sagen. Sie wollte dir nie schaden, eben so wenig mir oder Hiroki. Yurika wollte, dass du weißt, dass es nicht ihre Idee war.“ „Nur weil es nicht ihre Idee war, macht es das, was sie getan hat, nicht besser.“ „Sie war aber auch mal ein Mitglied der Gang. Jeder Mensch hat doch eine zweite Chance verdient, warum dann nicht Yurika?“ Ich seufzte leise und dachte über Miras Worte nach. Sie hatte ja Recht. Jeder Mensch verdiente eine zweite Chance, selbst wenn seine Taten absolut verwerflich waren. Und Mira schaffte es sogar, dass ich ihr glaubte und wie gewohnt nachgab. „Ich bin es nicht, die diese Entscheidung alleine treffen sollte. Wenn sollte jeder der Gang seine Meinung äußern. Ich hab nichts dagegen, wenn die Mehrheit auch nichts dagegen hat.“ „Du bist wirklich ein Schatz. Ich liebe dich!“ Es war das, was sie immer sagte, wenn es nach ihrem Willen ging. Aber es war auch nicht fair. Man konnte ihr fast nichts abschlagen. „Ich muss zur Arbeit. Soll ich dir die DVD vorbeibringen?“ „Nein, nein. Es reicht, wenn du sie Sy-cho gibst. Oder einem anderen der Jungs. Sie wissen bescheid, dass ich sie gerne sehen will.“ „Du hast also gestern einen Marathon eingelegt?“ „Und er ist noch nicht vorbei. Ich freu mich also darauf deine DVD zu sehen. Wir hören uns.“ Ich packte die DVD in die Tasche und lief schnelleren Schrittes zur Bahn. Ich würde diese Bahn gerade so noch bekommen, wenn ich das Tempo halten konnte. Soviel stand fest.   Ich beobachtete, wie Sumire innerhalb des Studios liebevoll die Instrumente aufbaute, sie stimmte und dafür sorgte, dass sie diesen gewissen Ton hatten, den Starish nächster Song brauchen würde. Der einzige Haken an der Sache war, dass Sumire nicht wusste, wem sie mit ihren Instrumenten half. Dank Saotome durften wie ja alle Diskretion wahren. Und Sumire, hatte nicht gefragt. Sie gehörte eben nicht zu der neugierigen Sorte, sondern zu jenen die einen bedingungslos vertraute wenn sie einen mochte. „So, die Instrumente sind fertig. Ich werde in den Unterlagen vermerken, dass du sie dir für vier Tage leihst. Danach hole ich sie ab. Die Zusammenstellung ist sehr... jazzig. Was wird das für ein Song?“ Ich schmunzelte und sah Sumire an. Gut, sie war nicht neugierig, aber es hatte einen Grund, warum die Instrumentzusammenstellung sie irritierte. „Ein grandioser. Wir haben eine Flöte und ein Saxophon noch dabei. Das Jazzpiano und der Kontrabass passen einfach dazu. Ein elektronischer Bass bringt keinen so guten Sound rüber wie der Streicher, wenn man ihn zupft. Dazu noch die Gitarre und es ist einfach, perfekt und...“ „Wo sind dann die Drums? Die stehen sicher nicht als Accessoire dort.“ Ich lächelte verschmitzt und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Als hätte ich ihr ein Zeichen dafür gegeben, blies sich Sumire eine ihrer violetten Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Sie machen Bäm im richtigen Moment und reißen den Jazz kraftvoll von den Füßen, um sich leidenschaftlich mit ihm zu vereinen.“ „Achso. Du versucht also einen femininen Touch mit einem männlichen zu mischen, beide ebenbürtig zu machen, und dennoch jeden mal einen kurzen Moment die Führung zu überlassen. Ich bin auf diesen Song echt gespannt. Aber~ Ich habe da noch etwas anderes über dich gehört.“ Sumire näherte sich mir auf etwas unangenehmere Art und Weise und starrte mich mit ihren braunen Augen intensiv an. „U-Und was?“ „Du hast es schon wieder getan.“ „Huh? Was denn?“ Sie hob ihr Handy und aktivierte es um mir eine Seite zu zeigen. Eine Seite die sich mit Idols beschäftigte, wenn ich das richtig deutete. Und mir blinzelte gleich mal ein Eiichi Otori entgegen. Gekleidet in seiner Tracht als Orpheus. „Dieser Artikel war wenige Stunden nach dem Event zu einem Otome-Game online. Und weißt du was interessant ist?“ „Nein. Aber du verrätst es mir sicher, oder?“ Sumire räusperte sich und scrollte im Text auf ihren Handy herum, bevor sie einen Auszug zu lesen begann. „Otori Eiichi, Leader von Heavens trug allerdings eine ganz besondere Rolle: Im Rahmen der Prüfungen, welche die Teilnehmer abzulegen vermochten, stellte er eine ganz besondere Anforderung an eine seiner Jüngerinnen: ein kompletter Song in zwanzig Minuten. Die Auserwählte scheute sich nicht, sich dieser Aufgabe anzunehmen und schaffte es, diese brillant zu meistern. Im Zusammenhang mit den bisherigen Ereignissen, die das Charity-Event und somit Starish und Heavens betreffen, stellt sich die Frage, ob die heutige Einlage nicht sogar ein gewollter PR-Gag war, denn fest steht, dass das Gleis, welches Gerade von den Köpfen Shining Saotome und Raging Renji gefahren wird, untypisch für alles bisherige ist.“ Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Nicht wegen der Tatsache, dass ich in einem Artikel erwähnt wurde, wenn auch nicht namentlich, sondern weil mein Song wirklich dafür gesorgt hatte, dass das Charity-Event erneut in den Fokus geriet. „Ein Song, in zwanzig Minuten. Das ist deine Handschrift. Du hast für Hiroki diese sieben Songs in drei Wochen geschrieben. Und zusätzlich erinnert mich das an einen gewissen Debütsong. Also, wie oft hast du das nun wieder gerissen, so spontane Songs zu schreiben?“ Eines war positiv. Sumire schien nicht zu ahnen, dass das Charity-Medley ebenfalls mein Werk war. Abgesehen von Shining, Raging, den Jungs, Kotaro und mir. „Nicht sehr oft. Das Lied bei dem Event... ja das war mein Song.“ „Immerhin gibst du es zu. Nun frage ich mich aber... Warum sollte Otori dir so eine Aufgabe geben? Laut dem Artikel durften andere verschiedene Rätsel aus der Popkultur lösen, du aber nicht. Otori muss also gewusst haben, dass du dazu fähig bist. Die Frage ist nur woher? Damals wurde bei Hirokis Horrorwoche niemals erwähnt wie lange der Komponist Zeit hatte. Ebenso wenig hat niemand erzählt, wie viel Zeit ihr für den Debüt-Song hattet. Deswegen frage ich dich... Woher kennst du Otori?“ Sumires Blick wurde immer stechender und vor allem auch anklagender. Doch ich durfte es nicht sagen. Immerhin hatte Saotome um Diskretion gebeten. „Durch ihre Arbeit.“ Ich sah hinter mich und erkannte die vier Jungs von Starish, die ich auch heute wieder bei den Aufnahmen des Songs begleiten würde. Sumire folgte meinen Blick und ihre Augen weiteten sich. „Du... Das sind... oh mein Gott.“ Schnappatmung. Sumire rang gerade mit ihrer Selbstbeherrschung. Wahrscheinlich hätte sie sonst lauthals aufgeschrien. „Du arbeitest mit Starish und Heavens zusammen?“ Soviel zum Thema Diskretion. Ich seufzte leise und sah Sumire eindringlich an. Doch sie ignorierte mich und ging stattdessen auf Tokiya zu, der sie stoisch betrachtete. „Dann stimmen die Gerüchte um den neuen Komponisten?“ „Nein. Es wird keinen neuen Komponisten für Starish geben“, erwiderte ich schnell, vielleicht zu schnell, denn Sumire wandte mir ihren Blick zu. „Lady, es wäre hilfreich, wenn du das, was du hier hörst, geheim hältst.“ „Es geheim halten? Wieso? Erenya ist eine gute Komponistin und das sollte die Welt auch wissen. Der Beweis dafür ist, dass sie Songs für euch schreibt.“ „Bitte, Sumire. Shining hat uns dazu angehalten nichts zu sagen.“ „Mein Schweigen kostet.“ Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf. Das sie das nicht ernst meinte, oder zumindest nichts kostspieliges wollte, konnte ich mir bereits denken, aber ich fürchtete das nicht kostspielige, was sie fordern könnte. „Was willst du haben?“ „Ich möchte heute zuhören bei den Aufnahmen.“ Ich sah zu den Jungs, denn ich wusste nicht, ob sie etwas dagegen hätten. Es war immerhin ihr Song den sie schrieben und abgesehen von ihrem Komponisten hatte sie wohl keine Fans bei den Aufnahmen dabei. „Warum nicht? Was meint ihr?“, fragte Cecil strahlend und sah zu den Anderen. Es war ihnen deutlich anzusehen, dass sie unsicher waren. Wahrscheinlich, weil sie Sumire für einen einfachen Fan hielten. „Sumire war damals mit mir in Saotomes Akademie. Wir können ihr vertrauen. Außerdem hat sie die Instrumente gestellt.“ Ich lächelte und sah zu den Jungs. Und schließlich nickten sie.   Wir hatten bereits einige der Instrumente aufgenommen und das Bild nahm langsam Gestalt an. Doch kein Idol sollte den ganzen Tag durcharbeiten. Ich hatte mich daher entschieden ein paar Erfrischungen für alle zu besorgen, was nicht schwer war, da überall in Japan irgendwelche Getränkeautomaten standen. Vor allen in Gebäuden. Sie waren ein Segen und noch dazu günstig. Mit einer Kiste, die ich genommen hatte um alle Flaschen zu transportieren, lief ich gerade zurück zu unserem Studio. Es war nicht das einzige in diesem Gebäude, doch von den anderen Studios konnte man nichts hören. Was kein Wunder war, immerhin waren alle Räume Schalldicht. Niemand sollte merken was für geheime Projekte aufgenommen wurden. Immerhin war dieses Gebäude auch Privatpersonen zugänglich. Es passierte nicht selten, dass kleinere Indiebands ihr Geld zusammenlegten um ein Studio zu buchen und so ihre Tracks aufzunehmen. Sie hatten leider nicht den Luxus, dass eine große Firma wie Shinings oder Ragings ihnen das Studio bezahlte. Ein Debüt zu erlangen und von einer Produktionsfirma unter Vertrag genommen zu werden, war damit wie ein Sechser im Lotto. Wir, die an Shinings Schule debütiert hatten, hatten diesen Sechser gewonnen. Doch was war mit jenen, die es nicht schafften? Würde der Name der Schule reichen? Oder versanken sie in der Flut aus Indie-Idolen? Es gab einige gute Mitschüler, die es verdient hatten zu debütieren. Und anders als einige Mitglieder der Gang, die ihren Weg gefunden hatten und damit zufrieden waren, kämpften sicher einige andere um ihren Platz in der Idol-Welt. Schon der Gedanke war deprimierend. Und traurig. Doch als Komponist konnte ich nicht die Welt retten, genauso wenig wie ich es als Kundenberater, in meiner Welt, gekonnt hatte. Mir blieb nur eine Möglichkeit: Meinen Job mit besten Gewissen erledigen. „Wenn das nicht Tailor ist...“ Ich erstarrte in meinen Schritten, als ich diese Stimme zu meiner Rechten hörte. Ich wandte meinen Blick dahin und erkannte ihn, gekleidet in typischen schwarz, mit weißen Haar und diesen roten Augen. Durch seinen Kleidungsstil wirkte seine Haut noch blasser und vor allem weißer, als sie eigentlich war. „Chiron...“ Ich nickte nur dezent zur Begrüßung, denn wirklich viel Respekt hatte ich für diesen Mann nicht über. „Machst du heute Aufnahmen? Oder hat dich Shining nun zum Liefermädchen gemacht?“ Mit einem Nicken verwies er auf die Kiste in meinen Händen. Nebenbei zog er eine Sonnenbrille aus der Tasche seiner Lederjacke und setzte sich diese auf. „Ersteres. Wir machen nur gerade Pause. Und du?“ „Ebenfalls Aufnahmen. Nach dem Abschluss hab ich mich bei diversen Produktionsfirmen beworben und Blazing Production hat mein Potential erkannt und mich unter Vertrag genommen.“ „Dich? Nicht Lionheart.“ „Bist du immer noch sauer wegen dieser Sache? Keine Sorge, Yurika hat für ihre Unverschämtheit bezahlt. Glaub mir, wenn Lionheart sein Debüt gemacht hätte, wir hätten Shining erklärt wer den Song geschrieben hat. Du hättest genug Anerkennung bekommen. Und wir hätten darauf bestanden, dass du unser Komponist wirst.“ Innerlich knirschte ich mit den Zähnen. Was Chiron da sagte, war der größte Schwachsinn den man innerhalb weniger Atemzüge fabrizieren konnte. „Ich bin ganz glücklich so wie es ist.“ „Bist du? Ich hab schon immer Probleme gehabt dich zu verstehen, Tailor. Shining hält dich immer noch an der Leine. Damals in der Schule schon und auch jetzt. Was hält dich noch bei dem Verrückten?“ „Mein Vertrag? Der Spaß an der Arbeit? Die Herausforderung?“ Chiron lachte leise und emotionslos. Er spielte seine Spielchen, soviel war mir klar. Ich musste also aufpassen nicht in seine Falle zu gehen. „Wirklich? Ich glaube es ist eher falsche Dankbarkeit. Merkst du nicht, dass Shining dich in deinem Tun einschränkt? Ich hab gehört du wohnst nicht im Master Course Gebäude... Du schreibst Songs für wen? Hiroki und Mira? Wie groß ist ihre Reichweite? Mira macht eine Sendung für Kinder. Und Hiroki ist ein Solokünstler zweiter Klasse. Komparsenrollen in Serien, kleine Touren, das ist alles was er zustande bringt. Glaubst du wirklich, du kannst dein Talent entfalten und finden was dir fehlt, wenn Shining dich nicht fördert?“ „Ich denke schon. Und überhaupt, was geht es dich an? Solltest du dich nicht um deine eigene Karriere sorgen?“ „Meine Karriere läuft. Ich habe die Hauptrolle in einer Serie, gebe Konzerte die ausverkauft sind und bin gerade dabei mein neues Album aufzunehmen. Meine neuste Single ist auf Platz fünf in den Charts. Hier.“ Er zog sein Handy und tippte auf den Touchscreen. Als er fand was er suchte, hielt er mir den Bildschirm entgegen. Es waren das Ranking der aktuellen Neuerscheinungen und als ich es sah, rutschte mir das Herz in die Hose. „Unglaublich... Ist das wahr?“, flüsterte ich ungläubig. „Natürlich. Schon bald hat meine neue Gruppe Starish und Heavens überholt. Gerüchten zufolge haben sie einen neuen Komponisten und das wird ihnen das Genick brechen. Shinings Unternehmen wird den Bach runtergehen und was wird aus dir?“ „Sorry ich muss gehen!“ Ich wandte mich von Chiron ab, dem ich sowieso nicht mehr richtig zuhörte. Was auch immer er sich auf seinen fünften Platz einbildete, ich hatte etwas viel großartigeres gesehen. „Tailor!“ Ich hörte noch wie Chiron mir nachrief, doch ich wollte nicht stoppen. Es gab da etwas, dass ich mit den Jungs teilen musste. Etwas, das für diesen Moment alle Sorgen und Ängste dahinschmelzen ließ. Ich stieß die Tür zum Studio auf und sah die Jungs an, welche mir einen fragenden Blick schenkten. „Das Medley! Es ist auf Platz zwei der Neueinsteiger-Charts!“ Es platzte aus mir heraus. Ohne ein weiteres Wort. „Und... Und die anderen beiden Songs, gleich dahinter. Platz drei und vier.“ Ich war fast schon in dem Status der Aufgelöstheit. Nicht weil es mir so nahe ging und ich es schrecklich fand, dass keiner der Songs auf dem ersten Platz war, sondern weil es nicht viele meiner Songs in die Top Ten zum Start geschafft hatten. Selbst Hirokis zwei Songs hatten sich über Wochen ihre Top Ten Plätze erkämpfen müssen. Für Starish und Heavens mochte das vielleicht nichts sein, für mich, war es das größte Ereignis des Jahres. Und doch lächelten mich die Jungs an. „Gratuliere. Deine Arbeit macht sich bezahlt.“ Ich nickte glücklich und musste mich zusammenreißen, Tokiya, der mir so höflich gratuliert hatte, nicht um den Hals zu fallen. „Unsere Arbeit. Und ich danke euch, also Starish und Heavens. Ihr habt diese Songs und das Medley so unglaublich großartig gemacht. Und ihr vier werdet auch 'Queen of Hearts' so einzigartig machen, wie er auch nur sein kann. Ich danke euch, dass ihr meine Songs zu etwas besonderen macht.“ Ich meinte es ehrlich, denn ich wusste, dass meine Lieder wohl nie so weit gekommen wären, wenn es nicht Heavens oder Starish gewesen wären, die sie sangen. „Jetzt schieb ihnen nicht alle Lorbeeren zu. Du weißt doch was wir in der Schule gelernt haben. Ein Song ist eine Symbiose und sie ist erst dann gut, wenn sich die Idole auf ihn einlassen können. Und damit sie das können, müssen sie die Gefühle des Komponisten verstehen und transferieren können. Ebenso muss der Komponist seine Gefühle verständlich machen, bei der Sache sein und doch distanziert. Er muss dem Idol genug Freiraum geben, sich selbst einbringen zu können, sich gegebenenfalls in das Idol hinein versetzten. Das ist ein Talent, dass nicht jeder Songwriter hat und gerade du warst in der Schulzeit Starish und Quartet Night am nächsten. Du warst es, die uns gesagt hat, dass wir wie Starish unsere Zeit an der Akademie nutzen und genießen sollen. Das wir nicht das Unbekannte scheuen sondern es suchen sollen. Du hast so viel gelernt und endlich zeigt sich, dass es nicht umsonst war, Erenya. Deswegen, nimm dir einen Lorbeerzweig und schmücke auch dein Haupt damit.“ Sumire war auf mich zugekommen und hatte meine Hände in ihre genommen. Ihre Worte minderten nicht meine Freude, sondern ließen mich vor Verlegenheit erröten. Ich tat mir immer noch schwer zu glauben, dass auch ich etwas dazu beigetragen hatte. Genauso wie damals. Und die Gang war es gewesen, die mir immer wieder gesagt hatte, dass es auch mein Verdienst war. „Deine poetische Ader kommt wieder hervor“, erklärte ich mit einem Lächeln und drückte ihre Hände zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. „Gratuliere, Erenya“, flüsterte sie mir zu und beugte sich dabei zu mir vor. Sie war mir wieder so nahe wie bei ihrem Verhör, doch in ihren Augen befand sich nichts verhörendes, sondern etwas sanftes. „I-Ich denke wir sollten weitermachen“, erklärte ich und löste mich aus Sumires Nähe. Manchmal war sie mir unangenehm. Vorallem in diesem Moment, in dem auch Cecil und die anderen zugegen waren.   Sumire hatte die Aufnahmen gegen den späten Nachmittag verlassen und nachdem wir alle Instrumente aufgenommen hatten, musste der Tontechniker die Samples nur noch vereinen. Wir lagen gut im Plan, so weit ich das beurteilen konnte. Am nächsten Tag würden wir die einzelnen Stimmen aufnehmen. Der dritte Tag sollte schließlich eine Komplettaufnahme mit Instrumenten und Idolen werden. „Gute Arbeit alle zusammen!“, rief ich den Jungs und Mitarbeitern zu, während ich meine Tasche packte. Der Tag, war abgesehen von der Begegnung mit Chiron gut verlaufen und ich freute mich schon richtig darauf mein neues Spiel weiterzuzocken. Oder viel eher die Visual Novel zu lesen. „Lady, kannst du noch einen Moment warten?“ Ich hatte meine Tasche gerade über meine Schulter geschwungen, als Ren mich daran hinderte durch die Tür zu gehen. Er schien gewartet zu haben, bis die anderen Mitarbeiter gegangen waren. „Uhm, klar. Was gibt es? Ist es wegen Sumire? Tut mir wirklich leid. Sie ist eine Freundin aus der Zeit in Saotomes Akademie und sie arbeitet nun in diesem Musikstore, der uns die Instrumente geliehen hat. Ihr müsst euch keine Sorgen machen, sie wird wirklich nichts verraten.“ Ich befürchtete, dass ich dank Sumire in ein weiteres Fettnäpfchen getreten war, doch die verwunderten Blicke der Jungs straften meine Worte Lügen. Sie wollten nicht wegen Sumire mit mir reden. „Schon in Ordnung. Wir hatten in der Pause Zeit mit Sumire zu reden. Sie ist ein nettes Mädchen und hat einiges über eure gemeinsame Schulzeit erzählt.“ Ich errötete, denn wie ich Sumire kannte, ließ sie dabei nicht die besonders peinlichen Dinge raus. Dinge wie, dass sie mir beigebracht hatte am Ball zu bleiben bis ich das Klavier durch und durch beherrschte. Ebenso hatte sie mir alle ihr bekannten Instrumente nahe gebracht, damit ich ein Gefühl dafür bekam Songs zu schreiben. Einfach nur Noten zu beherrschen, war für mich nicht ausreichend gewesen. So wie Beethoven mithilfe von Vibrationen schrieb, als er taub wurde, schrieb ich mit der Erinnerung daran, wie ein Instrument klang und entschied dann, ob die Instrumente zu dem Lied passten oder nicht. „Wir wollten dich fragen, ob du mit uns zum Master Course Gebäude kommst und wir gemeinsam etwas trinken.“ Ich erinnerte mich daran, schon einmal so eine Einladung bekommen zu haben. Von Rens Rivalen, was das ganze wirklich ironisch wirken ließ. Damals hatte ich abgelehnt, weil ich noch mit Mira eine Verabredung hatte, doch dieses Mal hatte ich keine Verpflichtungen. Nur ein Spiel, dass darauf hoffte von mir beendet zu werden. „Ich weiß nicht, ich hab einen ziemlich weiten Weg zu mir nach Hause.“ „Wir könnten dir einen Fahrer organisieren“, konterte Tokiya meinen Versuch Rens Anfrage abzulehnen. „Wir müssen morgen wieder früh an die Arbeit.“ „Keine Sorge, wir haben alkoholfreie Drinks vorbereitet“, erklärte Cecil mit einem Lächeln. Das wurde echt unfair. Wie sollte man noch Ausflüchte finden, wenn jeder von ihnen scheinbar ein Argument parat hatte. „Und Natsuki hatte mit der Zubereitung nichts zu tun.“ Das war er, ausgeführt von Syo, der Todesstoß in meiner Argumentation. Ich hatte also keine weitere Möglichkeit mehr Nein zu sagen. „Also schön, ihr habt gewonnen, wenn auch die Mittel nicht gerade fair waren.“ Ich verabschiedete mich geistig davon dieses Spiel heute Abend noch einmal zu sehen. Manchmal kam es eben doch anders als man dachte.   Als wären sie wahrlich Prinzen, führten mich die Jungs in den Gemeinschaftsraum, in dem auch der Rest von Starish wartet. Natsuki ließ eine Hand voll Konfetti auf mich herab regnen und neben Starish sah ich auch Mira und Hiroki, die mich schelmisch angrinsten. „Willkommen im Master Course, Nya-chan!“ Verwundert sah ich zu Natsuki, der eine weiter Hand voll Konfetti warf, so dass dieses „Lass uns gemeinsam etwas trinken“-Angebot mehr wie eine Party wirkte. Eine kleine, private Party. „Ähm. Ich gestehe ich bin überrascht und verwirrt“, merkte ich an und sah in die Runde. „Wir... Unser erstes Aufeinandertreffen war nicht sehr optimal. Deswegen dachten wir, dass wir einfach nochmal neu starten und es dieses Mal richtig machen.“ Ruhig und sachlich erklärte Masato, was diese Party sollte und ich musste gestehen, dass ich echt gerührt war. All die Zweifel, ob ich mich in meine Lieblingsgruppe geirrt hatte, waren durch diesen einen Moment wie weggeblasen. Er zeigte mir, dass nicht alles nur Schein war, was Starish ausmachte, sondern das auch jemand wie ich, der nicht Haruka war, etwas von ihrer Liebe, wenn auch nur platonisch, bekommen konnte. „Leider haben wir festgestellt, dass du wahrscheinlich wesentlich mehr über uns weißt, wir aber gar nichts über dich und deswegen...“ „Und deswegen wollen sie die DVDs aus unserer Schulzeit sehen. Klasse oder?“, unterbrach Mira Tokiya, der ihr die DVD gab, welche ich ihm im Studio gegeben hatte. „Und damit du dich nicht unwohl fühlst, haben sie uns gefragt, ob wir mit dabei sein wollen. Oder viel mehr Mi hat uns eingeladen als Natsuki ihr diese Idee nahe gebracht hat.“ Hiroki schien weniger begeistert zu sein, war aber auch nicht abgeneigt wie ich ihn einschätzte. Viel eher hätte er mir aber wohl den Freiraum gegeben etwas mehr Freizeit alleine mit Starish zu verbringen. Doch wenn ich ehrlich war, war ich froh darüber, dass beide hier waren, denn sonst hätte ich, während die DVDs liefen, keinerlei Wort mehr gesagt. „Na dann, lernen wir uns doch mal kennen. Welche DVD schauen wir zuerst?“ „Oh ich weiß, nehmen wir die von unseren Ausflügen.“ Es war ja klar gewesen, dass Mira sofort wusste, welche DVD die beste war, damit Starish mich besser kennenlernen konnte. Und ich ahnte jetzt schon, dass es die wohl peinlichste war. Zum Glück war es auch Hiroki unangenehm.   **~~**   „Also, heute habe ich jemanden dabei, den ihr alle kennt. Nya-Nya-chan. Sie geht in meine Klasse und ihr japanisch ist noch nicht so gut, aber ich denke wir kriegen das hin.“ Ich traute mich gar nicht all den Leuten in die Augen zu sehen, die Mira für die Frühstückspause zusammengetrommelt hatte. Sie nannte sie „Ihre Gang“, wobei es das Wort „Freunde“ wohl eher traf. Ein paar Gesichter erkannte ich. Juri zum Beispiel. Er war in der S-Class. Andere dagegen sah ich eher seltener, was darauf hinwies, dass sie wohl zur B- und C-Class gehörten. Als Mitglied der A-Class hatten wir keinen Unterricht mit diesen, wodurch die meisten Personen zwar wahrgenommen aber nicht bemerkt wurden. Zumindest traf das auf mich zu. Ich hatte allerdings auch ein paar kommunikative Schwierigkeiten, die ich zusammen mit Mira versuchte zu umgehen. „Dann stellt euch mal vor.“ „Sumire Tanaka. Ich gehe in die C-Class, gemeinsam mit Mikoto, der Typ der gerade alles mit der Kamera filmt. Du solltest also nicht schüchtern sein.“ Die Person, Sumire, ein Mädchen mit flammend roten, kurzen Haar und lilafarbenen Strähnen, lächelte und verwies auf Mikoto, einem Jungen, hochgewachsen, mit dunkelbraunen Haar, der eine Kamera vor sich hielt und die Welt scheinbar durch diese zu beobachten schien. „Hi“, sagte er kurz angebunden, aber freundlich und winkte. „Mein Gott, Mikoto, musst du wirklich immer alles filmen. Unsere Ausflüge verstehe ich ja, aber selbst das Mittagessen?“ „Komm schon, Yurika. Das sind doch nette Erinnerungen. Am Ende unseres Schuljahres, wenn wir kaum noch etwas haben, sind es diese Filme, die alles festgehalten haben. Die Hochs, die Tiefs. Wir könnten es als Dokumentation an einen Sender verkaufen, wenn einer von uns Debütiert.“ „D-Dokumentation?“ Ich versteifte noch mehr, als ich das hörte, denn die Chance sich nun vollständig zu blamieren war hoch genug. Und vor allem auch wahrscheinlich. „Keine Sorge, Erenya, Mikoto wird es nicht wagen uns lächerlich dastehen zu lassen, wenn doch, lernt er mich kennen. Ach ja, ich bin Yurika, S-Class, zusammen mit Juri. Aber ich denke das weißt du, wir sehen uns ja regelmäßig.“ Ich nickte zum Zeichen, dass ich sowohl sie als auch Juri schon bemerkt hatte. Was nicht sonderlich schwer war. Juri schien immer zu wissen, was angesagt war oder was seine grünen Augen zur Geltung bracht. Dafür hatte er in der Designstunde immer wieder Komplimente bekommen. Yurika hingegen wirkte wie das einfache Mädchen von Nebenan. Sie trug ihre schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten und wirkte fast schon unscheinbar dank ihrer Brille. Doch wenn sie sang, war sie anders. Einfach göttlich. Eine Stimmgewalt, die ihres Gleichen suchte. „Rihito, reichst du mir mal die Eier?“ Mein Blick wandte sich zu den Zwillingen, die etwas abgeschieden und desinteressiert bei der Gruppe saßen und ihr Mittag verzerrten. Sie waren beide typisch japanisch schwarzhaarig und sicher hatten sie auch braune Augen. Auch wenn Rumis Haare etwas länger waren, so hätte man doch Probleme bekommen beide auseinander zu halten. „Hi-chu! Jetzt stell dich doch auch mal vor.“ „Wofür? Sie kennt mich. Wir gehen in dieselbe Klasse. Außerdem muss ich noch in die Bibliothek.“ Hiroki, ebenfalls ein Mitglied der A-Class, erhob sich von seinem Platz und nahm seine Tasche. Er wirkte auf mich nicht sehr begeistert von der ganzen Sache. Dennoch war er der Gruppe auch nicht vollständig abgeneigt. Das zeigte mir die Tatsache, dass er überhaupt hier war, auch wenn er sich so schnell wieder trennte. „So ein Miesepeter. Egal. Willkommen in der Gang, Nya-nya-chan. Ich bin mir sicher, du wirst dich hier wohl fühlen.“ *** Zweifelnd sah ich zu Juri, der es wirklich für nötig hielt, mir ein Kleid anzufertigen. Auf meinen Protest, dass ich Kleider nicht trug und schon die Schuluniform eine Zumutung für mich war, zumal ich einiges an Pfunden auf den Rippen hatte, reagierte er nicht einmal. „Ich habe eine Vision... Lang, um zu kaschieren, aber dennoch an den richtigen Stellen betont um zu provozieren. Vertrau mir, Ere-san.“ „Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue...“, murmelte ich und sah zu Mikoto, der auf Wunsch Juris das Maßnehmen filmen sollte. Es war mir unangenehm und mit Sicherheit wollte ich niemals den Moment sehen, an dem ich wie ein Walross auf dem Podest stand und Juri immer wieder den Kopf schüttelte, weil er sein Design in Gedanken durchging. Er strich sich hinterher immer eine seiner silbernen Strähnen aus dem Gesicht, bevor er sich erneut an seine Arbeit machte. „Du wirst bezaubernd sein. Außerdem hast du gesagt, wir sollen uns Herausforderungen stellen.“ „Aber ich bin im Komponistenkurs, nicht im Idolkurs. Ich muss keine Kleider tragen. Komponisten arbeiten im Hintergrund.“ „Pah Pah Pah Pah! Kein Wort, Ere-san. Nur weil jemand im Hintergrund arbeitet, heißt es nicht das er aussehen muss als würde er einen Kartoffelsack tragen. Außerdem müssen auch Komponisten zu Preisverleihungen. Es wäre also gut, wenn du ein wenig auf dein Äußeres achtest, zumindest in diesen Momenten. Wenn du nun also hin und wieder Kleider trägst, kannst du dich geistig darauf vorbereiten.“ Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Ich glaubte nicht, dass ich jemals so hoch hinaus kam, dass ich wirklich mal zu einer Preisverleihung musste. Keiner meiner Songs die ich bisher geschrieben hatte, war wirklich über eine drei hinaus gekommen. Ringo verzweifelte sogar fast schon mit mir und meinte mir würde das Gefühl für die Musik fehlen. Erneut fragte ich mich, wie ich es überhaupt in diese Schule geschafft hatte? Mehr als ein paar Noten zusammenzusetzen und zu hoffen dass es gut klang, hatte ich sicher auch vorher nicht getan. *** „Hast du sie drauf?“, rief ich Mikoto zu, der nickte, während Mira zusammen mit Rumi und Yurika auf der Bühne standen und ihre Generalprobe hatten. Es hatte ewig gedauert die Choreo zu proben und noch länger Rumi den Text einzutrichtern. Sie war keine der Personen, die wirklich gut im gesanglichen oder schauspielerischen Bereich war. Dafür glänzte sie aber beim Modeln. Wahrscheinlich war das eher ihre Bestimmung. Ich stellte mich etwas hinter Mikoto und starrte auf den Aufklappbildschirm. Die Welt wirkte wirklich anders durch das Ding. „Yurika, etwas weiter vor. Stopp! Genau da“, rief ich und sah noch einmal auf den Bildschirm. Ihre Positionen waren perfekt. „Legt los!“ Ich wandte mich um und sah in die Richtung, in die auch die Kabine für die Audiotechnik war. Hinter unzerbrechlichen Glas, befanden sich Rihito und Hiroki, die beide für Licht und Musik sorgen sollten, zumindest während dieser Probe. Es musste perfekt sein, immerhin war dies Juris erster Song. *** Zusammen mit Rihito keuchte ich auf dem Laufparkour um die Wette. Wir waren schon weit abgeschlagen von den anderen, was daran lag, dass unsere Kondition gar nicht vorhanden war. „Seitenstechen...“, murmelte Rihito und hielt sich die linke Seite. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich fühlte, denn mir ging es nicht anders. „Hol tiefer Luft...“, keuchte ich, da ich irgendwann mal gehört hatte, dass Seitenstechen durch zu wenig Sauerstoff verursacht wurde. Doch schon diese Worte straften mich mit schweren Schmerzen und einer erneuten Welle von Atemnot. „Ich hasse Sport...“, murmelte Rihito und verlangsamte seinen Schritt um einiges mehr. Etwas wogegen ich seit der letzten Runde ankämpfte, da Ryugas Blicke ernst auf uns ruhten. Gefühlt waren wir beide die letzten auf dem Platz. „Nicht schlapp machen“, murmelte ich und hakte mich bei Rihito ein, um ihn so in mein Tempo zu zwingen. Er ließ es über sich ergehen, mit murren. „Komm schon, du Vorzeigemodel, tu etwas für deine Figur.“ „Ich ess einfach einen Pudding weniger für die Figur.“ Ich lachte kurz, verzog aber schmerzerfüllt das Gesicht. Lachen war beim Laufen definitiv nicht gut. „Wenn wir nicht ordentlich schwitzen, gibt es nie wieder Pudding, für beide von uns.“ *** Die Musik von Hirokis letzten Song verstummte. Ich nippte an meinem Glas und sah in die Songauswahl. Die Frage war, was würde ich an unserem Karaokeabend singen. Oder viel mehr, die Mädels und ich. Wir hatten eine kleine Wette laufen, dass die nächste Runde an die Gruppe ging, die weniger Punkte hatten. Die Jungs hatten mit Poison Kiss echt gut vorgelegt. Wer hätte auch gedacht, dass Mikoto singen konnte. Bisher hatte er nur mit seiner Filmleistung geglänzt. Die Schwierigkeit war nun einen Song zu finden, der stimmlich zu uns passte. Leider konnte ich da nicht mit einem Starish-Song kommen. „Und schon entschieden?“, fragte Hiroki und sah mich herausfordernd an. Ich ignorierte ihn und blätterte eine Seite weiter. Anime-Songs. Passte doch zu mir. So genau es ging sah ich mir einzelne Titel an und stockte schließlich, als ich diesen einen Song sah, den ich neben Starish- und Quartet Night-Songs, aus meiner Welt kannte. „Den perfekten Song gefunden.“ Ich beugte mich zu Mira, Sumire und Yurika und zeigte ihnen das Lied, stumm fragend, ob sie es kannten. „Uh, dieser Song wird uns helfen, dass wir mit ihnen den Boden wischen. Jungs, legt schon mal für die nächste Runde zusammen“, erklärte Yurika herausfordernd und schnappte sich ein Mikrophon. Ich nahm mir das von Hiroki, da er es mir schon entgegen hielt und wählte den Song in der Auswahl. Kaum dass Ruhe einkehrte, begann das langsame, sanfte Intro, gespielt von einem Klavier. Und schließlich, gipfelte es dank Gitarre und weiteren Instrumenten in einen wilderen Beat. I say Hey, hey, hey START:DASH!! Hey, hey, hey START:DASH!! Ubuge no kotoritachi mo Itsuka sora ni habataku Ookina tsuyoi tsubasa de tobu Akiramecha dame nanda Sono hi ga zettai kuru Kimi mo kanjiteru yo ne Hajimari no kodou Ashita yo kaware! Kibou ni kaware! Mabushii hikari ni terasarete kaware START!! Kanashimi ni tozasarete Naku dake no kimi janai Atsui mune kitto mirai o kirihiraku hazu sa Kanashimi ni tozasarete Naku dake ja tsumaranai Kitto (kitto) Kimi no (yume no) chikara (ima o) Ugokasu chikara Shinjiteru yo... dakara START!!   **~~**   „Und wer hat gewonnen?“ Der Clip endete nachdem wir vier gesungen hatten, so dass nur wir Beteiligten wussten, wer gewonnen hatte. Dennoch schien es Otoya zu interessieren, weswegen ich Mira und Hiroki grinsend ansah. „Keiner. Wir hatten exakt dieselbe Punktzahl. Am Ende haben die Jungs für die Mädels die Drinks bezahlt und die Mädels für die Jungs. Aber es war ein echt genialer Tag.“ Mira nickte auf meine Aussage hin. Hiroki hingegen hielt sich zurück. Vor allem weil gerade ein Clip lief, in dem er von Juri Lauftraining in Frauenschuhen aufgebrummt bekommen hatte. „Wie sah es eigentlich mit deiner musikalischen Entwicklung aus? Warum hast du nicht den Idolkurs gewählt, wenn du Probleme mit dem komponieren hattest?“ Tokiya schien wirklich interessiert an meinem Werdegang, zumal deutlich zu sehen war, in wenigen Clips, dass ich einige Herausforderungen hatte, was das Schreiben von Liedern anging. „Nun, ich stand nicht gerne im Rampenlicht. Und ich hasse es immer noch. Zuhause habe ich zwar hin und wieder auf der Bühne gesungen aber naja unsere Idolkultur ist in Deutschland nicht wirklich vorhanden. Mit der Zeit fand ich aber meine Art zu komponieren und meine Noten besserten sich.“ „Sie haben sich nicht nur gebessert. Schüler die Erenya zuvor gar nicht beachtet hatten, baten sie für die Song-Battles zu schreiben“, erklärte Mira begeistert und ich schüttelte den Kopf. „Das war im letzten viertel Jahr. Und es haben gerade mal zwei gefragt.“ „Und Chiron...“, setzte Hiroki nach und versetzte mir damit einen schmerzhaften Stich ins Herz. „Wer ist Chiron?“ Wie gerne hätte ich gerade an diesem Tag diesen Namen vermieden. Aber wahrscheinlich ließ sich das nicht. Vor allem dann nicht wenn Cecil fragte. „Chiron war derjenige, von dem jeder dachte, dass er das Debüt bekommt. Er war Mitglied der S-Class und einer der besten. Dadurch, dass er ein Albino ist, hatte er auch noch ein prägnantes Merkmal, dass es schwer machte ihn zu vergessen. Er war der Leader des Duos Lionheart. Yurika war seine Partnerin.“ So knapp es ging, gab Hiroki die Details zu Chiron wieder, wobei er mich ansah. Fast so als wollte er fragen, ob es in Ordnung war, wenn er über ihn sprach. „Als wir unsere Songwriter suchen sollten, hat Chiron Nya-Nya-chan gefragt.“ „Das wäre eine sichere Sache für sie gewesen, wenn dieser Chiron der Favorit war“, merkte Ren an und sah dabei zu mir. „Warum hast du abgelehnt, Lady?“ Ich überlegte, wie ich es sagen sollte. Wie konnte ich ausdrücken, warum ich Chiron nicht als Songwriter unterstützt hatte? „Er fühlt es nicht. Chiron kann die Musik nicht fühlen. Er ist zwar ein brillanter Schauspieler und Sänger... aber er fühlt es nicht, selbst wenn er andere Glauben machen kann, dass seine Gefühle echt sind. Außerdem... ich habe ihm nicht vertraut.“ „Aber Yurika. Sie war doch auch eine deiner Freundinnen und ebenfalls Mitglied von Lionheart. Du hättest damit auch für sie geschrieben.“ In Natsukis Stimme schwang Verwunderung mit. Was auch immer er dachte, er kannte nicht die ganze Geschichte. „Zu diesem Zeitpunkt, war die Yurika von Lionheart nicht mehr die Yurika mit der ich einst befreundet war. Das hat sie mir hinterher nur zu deutlich gezeigt.“   Wir hatten noch den ganzen Abend die DVDs von Mikoto angesehen. Starish bekam so einen Einblick in meine Entwicklung, nicht nur sozialer sondern auch musikalischer Natur. Es war zwar nicht der Einblick, den ich über sie bekommen hatte, als Anime, aber es kam dem doch schon nahe. Doch auch der schönste Abend musste sich dem Ende neigen. Die Jungs hatten wie versprochen dafür gesorgt, dass ich einen Fahrer bekam, der mich nach Hause bringen würde. Vor dem Haupteingang des Master Course Gebäudes verabschiedete Starish mich, was dafür sorgte, dass ich mich nicht fühlte, als würde ich mich für immer verabschieden. Dennoch würden es diese Erinnerungen sein, die mich wehleidig werden lassen würden, sobald Haruka zurück war. Damit wäre es ratsam gewesen jeden Moment auszukosten. „Danke für den tollen Abend, Jungs. Wir sehen uns morgen.“ Ich winkte Starish zu, bevor ich in den Wagen stieg und mich nach Hause fahren ließ. Müde, aber auch glücklich. Zumal ich heute nicht nur viel Zeit mit Starish verbracht hatte, sondern auch mit den Erinnerungen aus meiner Akademie-Zeit. Schmunzelnd zog ich mein Handy aus der Tasche und wählte Shicchis Namen an. Es war schon einmal eine Nachricht durchgekommen. Vielleicht würde wie durch ein Wunder auch diese in meine Welt gelangen. Mach dir keine Sorgen. Es scheint doch Bergauf zu gehen. Ich werde weiterhin mein bestes geben. Selbst wenn ich dabei dumme Ideen verwirklichen muss. Du kennst mich ja. Hab dich lieb, deine Eri. Ich lächelte sanft und las noch einmal die SMS, die ich an diesen entscheidenden Tag bekommen hatte. Doch jetzt, da ich einen kurzen Moment Ruhe hatte, bemerkte ich etwas. Eine verborgene Botschaft innerhalb von Shicchis SMS. Wir hatten vor wenigen Stunden geskypt... Ich erinnerte mich an den Tag, an dem ich plötzlich aus meiner Welt gerissen wurde. Ich hatte wirklich zuvor mit Shicchi geskypet und dabei versucht zu verbergen, wie dreckig es mir ging. Mit einer Ausrede hatte ich das Gespräch dann schließlich beendet. Ich erinnerte mich sogar genau, was ich zu ihr gesagt hatte. „Ich muss noch etwas für die Storyteller tun. Wir hören uns. Hab dich lieb.“ Shicchi hatte sicher gewusst, dass etwas nicht stimmte. Sie kannte mich gut genug um so etwas zu spüren oder zu wissen. Doch sie hatte nicht nach gebohrt. Doch... wie konnte es nur wenige Stunden her sein, wenn ich doch schon zwei Jahre in dieser Welt festsaß? Lief die Zeit dort anders?   **~~**   Auch am nächsten Tag war ich wieder früher im Studio erschienen. Dieses Mal aber nicht um die Instrumente vorzubereiten, sondern um für genug Getränke zu sorgen. Immerhin wusste ich ja nun, dass Cecil dazu neigte nicht genug zu trinken. Dem musste man entgegen wirken, indem man für genug Vorrat sorgte. Ich stellte die Flaschen auf den Tisch, platzierte die Box mit den Getränken in greifbarer Nähe und sah nach, ob die Mikrofone in der Kabine auf der richtigen Höhe waren. Alles war perfekt und ich hatte keine Zweifel daran, dass auch dieser Tag gut laufen würde. Alles was ich jetzt tun musste, war zu warten, oder mir in der Zwischenzeit ein Frühstück im nahegelegenen Konbini zu besorgen. Da ich erneut früh genug die Wohnung verlassen hatte ohne etwas zu essen, wurde es allmählich Zeit, dass ich das nachholte. Ich wandte mich zum Ausgang des Aufnahmestudios, gefror allerdings in meiner Bewegung als ich sah, wer dort in der Tür stand. „Du komponierst nun also für Starish. Ist ein großer Schritt nach vorne. Die Frage ist nur, wieviele Schritte wirst du zurückgehen, wenn Haruka wieder da ist?“ Die Schadenfreude in seinen roten Augen konnte ich zwar dank der Sonnenbrille nicht sehen, aber ich wusste, dass sie da war. Auch wenn seine Stimme einen gespielten, mitleidigen Unterton hatte. „Woher weißt du das?“ „Mir hat ein Tontechniker gestern Rede und Antwort gestanden. Hier nehmen vier Mitglieder von Starish einen Song auf. Du bist gestern Fluchtartig in dieses Studio verschwunden, glaub mir, ich kann eins und eins zusammen zählen. Dann sind da noch die Gerüchte um einen neuen Komponisten, seit es dieses Medley gibt, dass auf Platz zwei steht.“ Ich schwieg und versuchte seinem Blick nicht zu auffällig auszuweichen. Wer wusste schon, was Chiron tun würde, wenn er die Wahrheit erfuhr. Die Wahrheit, dass dieses Medley wirklich von einem anderen Komponisten, von mir, stammte. „Ich gehe zwar nicht davon aus, dass Shining seinen Goldesel Haruka ersetzen wird, aber er hat temporär jemanden gefunden der einigermaßen an ihr Talent heran reicht. Dich. Es ist nicht so, dass ich mich nicht für dich freue, aber wir beide wissen, dass Shining dich fallen lassen wird, sobald sein Goldesel zurück ist. Du wirst wieder in der Versenkung verschwinden, niemand wird von dir reden und du wirst wieder auf der Stelle treten.“ Chiron war wirklich gut darin Zweifel zu säen. Das wusste ich. Doch bei mir musste er nicht mehr viel säen. Ich wusste das alles. Ich wusste, dass meine Zeit mit Starish nur begrenzt sein würde. Doch ich hatte mir geschworen sie zu genießen, so lange ich konnte. Und vor allem ihnen zu helfen und zur Seite zu stehen. Das hatte ich Haruka stumm versprochen und ich würde dieses Versprechen auch halten. „Tailor, ich mache dir ein Angebot. Ich suche noch einen Komponisten. Einen persönlichen und der Chef von Blast Production versicherte mir, dass ich mir diesen aussuchen darf. Und ich würde es sehr begrüßen, erneut deine Songs zu singen und sie noch größer zu machen als alles, was die Idolwelt aktuell zu bieten. Gemeinsam können wir es schaffen Heavens, Starish und auch Quartet Night von ihrem Thron zu stoßen. Also, was sagst du dazu?“ „Ich lehne ab.“ Ich musste über dieses Angebot nicht nachdenken, denn der einzige der dadurch wohl profitieren würde, war Chiron. Noch dazu konnte ich keine der drei Gruppen so dermaßen verraten, auch wenn Heavens nicht einmal zu Shinings Schützlingen gehörte. „Ich hab gerade ein Déjà-vu. Du hast schon einmal eines meiner Angebote abgelehnt und damals ist es uns beiden nicht gut bekommen. Ich musste Dinge tun, die ich nicht wollte, um zu bekommen, was mir bestimmt war. Und du hattest einen wesentlich steileren Weg zu deinem Ziel vor dir. Was wenn deine Ablehnung auch dieses Mal den Weg nur steiler macht? Was wenn du dieses Mal vor deinem Ziel abstürzt? Ist dir das wirklich wert, Tailor?“ „Wir sind nicht mehr in der Akademie, Chiron. Und ich bin auch nicht allein.“ „Oh natürlich nicht. Wen hast du schon? Shining? Mach die Augen auf, er benutzt dich ohne dich zu schätzen. Ich würde dich gleichermaßen benutzen und schätzen. Die Firma zahlt deine Wohnung, du bekommst Zugang zu allen Events die du willst, persönliche Treffen mit deinen Lieblingsseiyuus, zusätzlich kannst du deine Projekte selbst bestimmen, abgesehen von den fixen mit mir. Du bekommst alle Freiheiten die du willst, ohne an der kurzen Leine gehalten zu werden.“ „Nur zu blöd, dass ich momentan nicht das Gefühl habe an der kurzen Leine zu sein. Deswegen, Angebot weiterhin abgelehnt. Ich bin zufrieden mit dem was ich habe.“ Chiron schwieg, während ich ihn weiter fixierte. So verlockend sein Angebot für andere auch klang, ich hatte alles was ich mir gewünscht hatte. Und selbst wenn die Umstände anders waren, ich wäre zufrieden gewesen. „Wenn du es dir anders überlegst, hier ist meine Karte. Ruf mich an, das Angebot bleibt bestehend.“ Chiron zog eine Visitenkarte und ließ sie vor sich zu Boden fallen. Er wandte sich von mir ab und verließ das Studio wieder. Mein Blick haftete aber auf der Visitenkarte.   **~~**   Es war der letzte Tag für unsere Aufnahmen und wir hatten schneller als gedacht am Vortag alles fertig bekommen. Heute wollten wir nur noch die Feinheiten machen und um diese zu finden, lauschten wir den Klängen des Songs. Oder viel mehr taten die Jungs es. Ich starrte sie abwartend an und prägte mir ihre konzentrierten Gesicht ein. Als die letzte Zeile mit ihren Noten verklang, rutschte ich ungeduldig auf meinem Platz hin und her. „Und? Ist es Starish?“, fragte ich nervös, denn es war eine der Bedingungen gewesen. Jetzt mit dem neuen Arrangement mit den anderen Instrumenten, konnte es immer noch missfallen. „Ich weiß nicht...“, antwortete Syo und verschränkte die Arme, wobei mir das Herz in die Hose rutschte. „Es klingt wie Jinguji, aber hat doch den sanften Unterton von Starish. Aber... da ist noch etwas anderes“, erklärte Tokiya und mein Herz rutschte nun durch eines der Hosenbeine. „I-Ist das schlecht?“ „Mach dir keine Sorgen, Lady. Icchi meint nicht, dass etwas negatives an diesem Song haftet. Es hat diesen Hauch von Starish, aber gleichzeitig ist da etwas, dass es, und ich entschuldige mich für diesen Vergleich, bei Lämmchen nicht gibt. Es ist... frisch.“ Auch wenn Ren sagte, dass es nichts negatives war, so fragte ich mich doch, ob frisch nicht doch vielleicht nicht ganz so positiv sein sollte wie ich es mir erhoffte. „Frisch? Ihr meint, es ist etwas neues?“ „Fast. Irgendwie habe ich das Gefühl eine neue Seite von uns zu sehen. Ich sehe andere Möglichkeiten in uns.“ „Und was heißt das jetzt für den Song? Müssen wir Dinge daran ändern? Wir haben nur noch heute Zeit dafür. Ihr seid diejenigen die entscheidet, ob ihm noch etwas fehlt.“ Ich sah die Jungs gespannt an. Fast schon angespannt. „Mach dir keine Sorgen. 'Queen of Hearts' wird beweisen, dass das Medley von dir nicht nur ein Glückstreffer war. Du kannst stolz auf diesen Song sein und wir werden ihn mit stolz performen.“ Diese Worte von Tokiya zu hören, ließ meine Erleichterung wachsen. Ich würde vielleicht nicht Liebesgeständnisse für meine Lieder bekommen, aber immerhin würden sie diese mit Stolz und Respekt vor mir singen. „Wie wäre es mit einer Mittagpause? Syo und ich holen eine Kleinigkeit“, schlug Cecil vor, nachdem mein Magen vor Erleichterung seine Hymne des Hungers sang. Peinlich genug um mich erröten zu lassen. „Klingt gut. Danach können wir noch einmal das Lied hören. Auf leeren Magen lässt sich nicht gut nachdenken.“ Ren bedachte mich mit einem schmunzeln, scheinbar wissend, dass ich mich bei unserem letzten reinhören kaum auf den Song konzentriert hatte. Ich war viel zu sehr darauf fokussiert gewesen, dass es den Jungs gefiel. Und ihren Segen hatte ich nun. Also war es an der Zeit selbst zu überlegen wo noch ein Feinschliff nötig war.   Wir hatten es uns im Pausenraum mit Tee bequem gemacht und warteten auf die Rückkehr von Syo und Cecil. Stille herrschte zwischen uns drein und machte mir nur deutlich, dass selbst wenn das Eis zwischen uns gebrochen war, mich nicht viel mit Starish verband. Doch ich wollte nicht, dass es so aussah. Ich wollte wenigstens eine Freundin werden. „Also, erzählt mal. Ihr wisst nun einiges über mich. Ich fände es nur fair, wenn ich da auch etwas mehr über euch erfahre.“ Fragend sahen sich Ren und Tokiya an. Scheinbar überlegten sie, was sie mir erzählen konnten, oder was ich erwartete zu hören. „Was willst du denn wissen, Lady?“ Gute Frage. Was würde ich wissen wollen, nachdem ich vieles über die einzelnen Starish-Mitglieder wusste. Ich dachte nach und blickte dabei in meinen Becher Tee. Es gab nur eine Sache, die ich wissen wollte. Doch ich konnte sie nicht in Worte fassen. Vielleicht weil ich fürchtete die Wahrheit zu erfahren. „Eigentlich... Wie ist es so im Master Course zu leben? Ich meine unter denselben Dach wie potentielle Rivalen, als auch Freunde.“ Erneut sahen sich beide an und überlegten scheinbar, wie meine Worte gemeint waren. Dass meine Formulierung zu verwirrend war, weswegen ich entschied, sie noch etwas umzuformulieren. „Ich meine, Hiroki wohnt auch im Master Course und doch gibt es zwischen euch keine Rivalität. Im Gegenteil ihr scheint euch gut zu verstehen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es hin und wieder etwas seltsam ist. Man sitzt im Gemeinschaftsraum, plant den nächsten Song und plötzlich kommt ein anderes Idol herein, sieht wie motiviert ihr arbeitet, wieviel Spaß ihr habt, während dieses andere Idol um jeden Platz kämpfen muss. Das muss doch seltsam sein, oder?“ „Nein, das ist es nicht. Als Hiruchi überlegte ob er seine Horrorwoche vorschlagen soll, haben wir darüber gesprochen. Er war unsicher. Zwar hatte er auch einen Komponisten im Sinn, aber er wusste nicht wie er das ganze aufziehen sollte. Er hat sich dann mit Masato und Cecil besprochen. Wie das ganze Ausging kannst du dir sicher denken.“ Ich war verblüfft, denn ich wusste ja, dass ich diese Idee in Hiroki gefestigt hatte, nicht aber, dass er unsicher gewesen war und deswegen mit jemanden darüber gesprochen hatte. Ich lernte nicht nur eine neue Seite an Hiroki kennen, sondern auch eine am Leben im Master Course. „Kuroda hat immer viel mit Shibuya und Shinomiya gesprochen. Besonders wenn sie die nächste Folge ihrer Show besprochen hat. Wenn es um Themen ging oder um Gäste.“ Meine Überraschung wurde größer. Selbst Mira schien auf ihre Senpai zu vertrauen und sie um Rat und Tat zu bitten. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Sie waren nicht zu mir gekommen, sondern zu jenen, die schon weiter waren. Ich war enttäuscht und fühlte mich betrogen. Wenn meine besten Freunde nicht mit mir über ihre Zweifel sprachen, ich aber mit ihnen über alles, wer war dann der größere Ballast für wen? Ich versuchte diese Gedanken mit einem Schluck grünen Tees zu ertränken. Vielleicht... konnten sie ja nicht über so etwas mit mir reden, weil ich nur eine Komponistin war. „Wenn... wenn ihr Zweifel habt... redet ihr mit Nanami-san darüber?“ „Nicht nur mit ihr. Auch miteinander. Meist braucht es bei Nanami keine Worte um zu merken, dass etwas nicht stimmt.“ Vielleicht war es das, was mir fehlte. Einfühlungsvermögen. Ich hatte nicht gewusst oder bemerkt, das Hiroto und Mira sich Sorgen gemacht hatten. Ich hatte sogar vergessen, wieso ich es nicht bemerkt hatte. Ob es der Groll war, nicht Haruka zu sein oder einfach nur ein Berg an Arbeit den ich bewältigen musste. Was es aber auch war, ich hatte auf einmal das Gefühl, keine gute Freundin gewesen zu sein. Dafür musste ich mich dringend entschuldigen. „Das müsst ihr sehen!“ Die Tür wurde aufgestoßen und Cecil und Syo stürmten herein, bepackt mit Beuteln aus dem Konbini und einer Zeitschrift. Sie fackelten nicht lange und legten die Zeitschrift aufgeschlagen auf den Tisch. Scheinbar hatte Syo die Seite mit dem Daumen markiert um diese sofort wieder zu finden. Gemeinsam mit Tokiya und Ren beugte ich mich vor und sah in das Magazin hinein. Es war eindeutig Klatschpresse. Viele Bilder, wenig Text und eine reißerische Story. Nur das diese Story nicht um irgendein Idol ging, das sich unvorsichtigerweise mit einem Date hatte ablichten lassen. Mir kam die Szene sehr vertraut vor, die wir auf dem Bild sahen. Sie fand vor diesem Studio statt. Eine Frau stieg in eine Limousine, begleitet von Ren, der ihr die Tür aufhielt. Cecil und Tokiya verließen gerade zusammen mit Syo das Gebäude. Ich erinnerte mich an diese Szene. Sie war von dem Abend, an dem mich Starish zu einem Drink eingeladen hatten. Doch die Überschrift deutet nicht auf ein skandalöses „Hatte die Unbekannte ein Date mit Starish?“ nein, sie war viel schlimmer. „Ist sie die neue Komponistin?“ Ich konnte froh sein, dass mein Gesicht nicht zu erkennen war und man nur meinen Hinterkopf sah. Glücklicherweise hatte ich an diesem Tag nicht die Katzenjacke angehabt. Die Wahrscheinlichkeit das man mich als Komponistin erkannte, war also gering, oder das irgendwer mich in der Öffentlichkeit wiedererkennen würde. „Scheint als würde das mit der Diskretion nicht so einfach werden.“ Ich sah mir das Bild an und dachte nach. Es war seltsam. Sehr seltsam. „Hat einer von euch Fotografen bemerkt?“ Ich nahm mir das Magazin und versuchte auszumachen, wer dieses Bild gemacht hatte. „Nein. Ich habe nicht einmal Blitzlicht bemerkt. Bei der Uhrzeit hätte welches benutzt werden müssen“, merkte Tokiya an, der scheinbar genauso misstrauisch war wie ich. „Das Bild wurde noch nachträglich vergrößert. Die Qualität ist nicht gerade gut. Etwas unscharf. Das zeugt davon, dass die Person es von der Ferne gemacht hat. Vielleicht mit einem Smartphone. Auf jedenfall wurde es nicht von einer professionellen Kamera gemacht.“ Tokiya verschränkte auf meine Bemerkung die Arme und nickte. „Richtig. Niemand weiß, dass wir zur Zeit hier aufnehmen. Außer den Angestellten hier und die sind angehalten zu schweigen.“ „Es gibt nur zwei Optionen... jemand ist zufällig vorbeigekommen und witterte seine Chance, oder jemand hat sich nicht an die Schweigepflicht gehalten. Oder...“ Ich schwieg und spielte in Gedanken die Situation mit Chiron durch. Würde er so weit sinken? Die Frage war nur wenn, was würde ihm das bringen? „Oder doch ein Fotograf, der aber informiert wurde und herkam. Nicht sicher ob der Tipp stimmt, weswegen er keine Ausrüstung dabei hatte. Als er die Situation aber sah, konnte er nicht anders, als ein Foto zu machen. Leider kam nicht näher heran, weswegen er die Identität von Tailor nicht aufs Bild bekam. Dennoch ist das Bild genug wert, zumal das Gerücht um einen neuen Komponisten gerade im Umlauf ist.“ „Jemand der also wusste das wir hier sind und Erenya... Und jemand der nicht zu den Arbeitern gehörte...“, merkte Syo an und sah dabei zu mir. Es dämmerte mir, worauf sie hinaus wollten. Es gab nur eine Person mit diesem Profil. Sumire. „Sie würde das nicht tun. Niemals!“ Die Jungs schwiegen und sahen einander an. Ich wollte nicht glauben, dass Sumire mich verraten hatte. Sumire war dafür einfach nicht der Typ. Oder hatte ich mich erneut in einer Freundin geirrt? „Was passiert ist, ist passiert. Wir müssen einfach besser aufpassen. Aber erst einmal... Wie wäre es mit Mittagessen?“ Cecil zog eines der Mikrowellengerichte aus dem Beutel und hielt es mir entgegen. Ich roch Hähnchen und frisch gekochten Reis. Vielleicht sogar etwas Gemüse.   Den Song hatten wir beendet und während meines Nachhauseweges konnte ich mir genug Zeit nehmen um darüber nachzudenken, ob Sumire wirklich zuzutrauen war, dass sie Starish und mich verraten hatte. In dem Artikel hatte kein Name gestanden und ich bezweifelte, dass jemand auf den Bonus verzichtete, den die Identität des Komponisten gebracht hätte. Sie konnte, nein sie durfte es einfach nicht sein. Ich seufzte leise und sah aus dem Fenster der U-Bahn. Die kalten Steinwände zogen dunkel an mir vorüber, so schnell, dass ich bei besprühten Wänden nur Farbnuancen aber keine Tags erkennen konnte. In den letzten Tagen war so viel passiert. Der Abend im Master Course, die Begegnung mit Chiron, die Platzierung in den Neuerscheinungen, der Artikel in der Zeitung... Im letzten Jahr hatte ich weniger Streß. Und nun bekam ich die volle Ladung ohne Gnade. Vielleicht war das der Grund warum Shining mir nie eine Gruppe zugewiesen hatte. Um mich zu schützen. Ich hatte bis zum Charity-Event ein wirklich wohl behütetes Leben. Wie stand Haruka das nur durch? Oder hatte sie das nicht durchzustehen, weil sie von Anfang an die Komponistin war? Oder hatte sie diesen Trouble auch zu ertragen als herauskam, dass sie alle Triple S Songs schreiben sollte. In meinem Kopf drehte sich alles. Wie gerne hätte ich Haruka diese Fragen persönlich gestellt. Als meine Senpai. So wie Hiroki und Mira Senpai hatten, die sie um Rat fragen konnten. Aber wieder einmal, war ich auf mich alleine gestellt. Das kam mir bekannt vor. Zu meiner Akademie-Zeit hatte ich ganz am Anfang auch alleine gestanden, bis Mira aufgetaucht war. Die Gang hatte mir das Gefühl gegeben nicht alleine in dieser Welt zu sein. Doch mit dem Ende der Schulzeit verlor ich auch die Gang. Wir gingen alle unsere eigenen Wege und selbst wenn ich Hiroki und Mira zur Seite hatte, fühlte ich mich einsam. Ich komponierte nicht nur für sie, sondern durfte in jede Richtung arbeiten ohne auch nur einen festen Vertrauten zu haben. Noch dazu hatte mich Saotome nicht im Master Course Gebäude einquartiert. Mir kamen wieder die Worte von Chiron in den Sinn. Das ich ganz alleine war. Angewiesen auf Saotome. Doch ein Teil von mir wollte glauben, dass ich von meinem Boss nicht alleine gelassen wurde. Das, wie so oft, hinter seinem Tun oder eben nicht-Tun, etwas höheres steckte. Ich meine es war Shining. Alles was er tat schien einen Grund zu haben. Cecil in den Master Course einzuladen, die Cross-Units, Heavens Auftritt beim Triple S Entscheid... Und vor allem Haruka war damals zur Prüfung gekommen, obwohl sie zu spät war. Shining hatte alles irgendwie dirigiert. Vielleicht, tat er es auch bei mir und ich musste ihm einfach vertrauen. Wenn man es recht bedachte, hatte ich ein unglaublich freies Leben geführt. Ich hatte Japan kennengelernt, wie ich es im Master Course nicht konnte. Meine eigene Wohnung, mein eigener Lebensunterhalt. Arbeiten im Land, die Sprache perfektionieren, sich alles erarbeiten. Im Master Course hätte ich diese Erfahrungen nicht machen können. Das hatte ich die letzten Tage bei meinen regelmäßigen Besuche gemerkt. Starish musste sich um nichts sorgen. Keine Miete, keine Sorgen, dass das Geld für die Lebensmittel nicht reichte... Sie mussten sich einfach nur auf ihre Arbeit als Idol konzentrieren. Vielleicht war es das gewesen, was Saotome bezweckte. Mich meine Erfahrungen machen zu lassen um daran zu wachsen. Und vielleicht auch um zu finden, was mir fehlte. Ich hatte es mit diesen Gedankengängen erfolgreich geschafft die Gedanken an Chiron abzuschütteln. Gerade rechtzeitig, als der U-Bahn zum stehen kam und ich ins Äußere drang. Nur noch wenige Minuten war ich davon entfernt endlich meinen abendlichen Ausgleich zu bekommen. Ich befand mich immerhin in Thanatos Route und der Kerl war echt tricky.   Ich blieb wie erstarrt vor meinem Haus stehen und starrte auf die Gruppe Reporter, die das Haus belagerten. Sie murmelten aufgeregt und sprachen wirr durcheinander. Doch was ich mitbekam, dass sie jemanden suchten. War ein Star eingezogen, ohne dass ich es merkte? Nicht das ich wirklich viel mitbekam. Ich war fast den ganzen Tag weg und verbrachte meine Zeit lediglich an meinen freien Tagen in meiner Wohnung. Ich kannte nicht einmal meine Nachbarn und hatte erst Monate später von dem Einzugsritual erfahren, dass es hier wohl gab. Und selbst jetzt hatte ich das wieder vergessen. „Da ist sie!“ Ich zuckte zusammen, als einer der Reporter sich umwandte und mich erblickte. Ich versteifte sofort, denn es schien wohl meine Wenigkeit zu sein, die sie suchten. Also war doch kein Star ins Haus gezogen. „Tailor-san, stimmen die Gerüchte, dass sie Nanami-san ersetzen sollen?“ „Was ist mit Nanami-san?“ „Gab es Streit zwischen ihr und Starish?“ „Wie sehen die Pläne für die Zukunft von Starish aus?“ „Waren sie es die beim 4Hearts Event den Song geschrieben haben?“ Fragen über Fragen prasselten auf mich nieder und man ließ mir nicht einmal die Chance zu antworten. „Was ist das für ein Gefühl für Starish zu schreiben?“ „Wir haben gehört sie kommen aus dem Ausland, wie kamen sie an Shining Saotomes Akademie?“ „Was haben sie nach ihrem Debüt gemacht? „War das alles geplant und sie haben sich vorbereitet für zwei der größten Idolgruppen unserer Zeit zu schreiben?“ In meinem Kopf raste es. Ich musste etwas tun um hier weg zu kommen, oder viel eher in meine sichere Wohnung. Nur was? „Miss Tailor, verstehen sie uns?“ Da war es, meine Gelegenheit. Natürlich. Ich hatte doch hoffentlich noch den Ausländerbonus. Ich bemühte mich so verständnislos wie möglich zu gucken und sah zu den Reportern. „Ich verstehe sie nicht...“, antwortete ich im besten Deutsch und brachte damit die Reporter zum Schweigen. „Was wollen sie? Ich verstehe nicht?“ Ich hob meine Tasche und drückte diese fest an mich, so als wollte ich mich damit schützen, während ich deutsch mit den Reportern sprach. Ich entwaffnete sie damit scheinbar und spielte meine Rolle gut genug um glaubwürdig zu wirken. Das war meine Chance. Ich stürmte vor, durch die erschrockene Menge an Reportern, hinein ins Haus. Ich hatte nur ein Ziel, meine Wohnung. Hinter mir hörte ich die Reporter, sie hatten scheinbar verstanden, dass ich sie reingelegt hatte. Doch es war mir egal. Besonders als ich meine Wohnungstür hinter mir zuzog und mich an dieser erleichtert hinab gleiten ließ.   Es dauerte einige Zeit, bis mir klar wurde, was da passiert war. Die Presse stand vor meinem Haus. Sie wussten wo ich wohnte. Und irgendjemand musste ihnen das gesagt haben. Noch dazu hatten sie herausgefunden, dass ich es war, die die Songs geschrieben hatte. Damit war es vorbei mit der Diskretion. Saotome musste davon erfahren. Ich zog mein Smartphone aus meiner Tasche und entsperrte es. Sofort bemerkte ich die Reihe verpasster Anrufe. Saotome schien den selben Gedanken zu haben. Ich drückte die Wahlwiederholung und wartete, bis der Boss ran ging. „Miss Tailor, gut dass Sie zurückrufen.“ „Es tut mir leid. Ich war auf dem Weg nach Hause und... mein Wohnhaus wird von Reportern belagert. Sie haben es rausgefunden. Ich habe natürlich nicht geantwortet, aber ich...“ „Miss Tailor, beruhigen Sie sich. Ich habe mir fast gedacht, dass so etwas passiert. Und ich habe bereits Maßnahmen getroffen. Miss Tailor, packen Sie einige Sachen zusammen. Ich kann nicht zulassen, dass so etwas ihre Arbeit beeinflusst oder stört. Sie werden ein Zimmer im Master Course beziehen. Ein Fahrer wird Sie in zwei Stunden abholen. Reicht die Zeit?“ Meine Augen weiteten sich. Meinte Saotome das wirklich ernst? Ich sollte in den Master Course ziehen? „I-Ich... ich denke schon. Aber... wie lange soll ich da bleiben?“ „Solange wie es nötig ist. Don't worry.“ Gerade weil er das sagte machte ich mir Sorgen. Doch ich konnte schlecht Nein sagen. Er hatte ja Recht. Wenn die Presse mich belagerte, und ich jeden Abend Angst davor hatte zurück zu kommen, wie sollte ich da ungestört arbeiten? „Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Tailor. Mit so etwas ist bei großen Veränderungen zu rechnen. Das ist Teil des Showbiz. Sie werden sich daran gewöhnen und Sie müssen es auch nicht alleine durchstehen.“ Ich hörte Wärme in Saotomes Stimme, scheinbar weil er bemerkte, wie aufgebracht ich war.   Nach gut drei Stunden befand ich mich endlich da, wo Saotome mich haben wollte. Im Master Course. Meine Flucht, und ja so konnte man es wahrlich nennen, war nicht gerade glorreich gewesen. Der Fahrer des Wagens hatte seine weit über seine Pflicht hinaus gehandelt und mich wie ein Bodyguard vor der Menge Journalisten beschützt und von meiner Wohnung zum Wagen geführt. Das alles war ganz schnell gegangen. Ich hatte ganze zwei Stunden damit verbracht meine Koffer zu packen. Darin befanden sich nun Klamotten, ein Großteil meiner Spielesammlung, meine Festplatte, mein Keyboard und andere Dinge, von denen ich der Meinung war, dass sie für mich und meine Zeit hier, wichtig sein würden. Ich hatte innerhalb kürzester Zeit meine kleine Otaku-Wohnung gegen einen kahlen, kalten Raum eingetauscht. Das mir zugewiesene Zimmer befand sich im Mädchentrakt, gleich gegenüber von Harukas Zimmer. Anders als bei ihrem Einzug, wurde ich nicht herzlich begrüßt. Kein Masato reinigte mein Zimmer, ich hatte keine Begegnung mit den Starish-Mitgliedern. Im Gegensatz zu ihr, hatte ich das Gebäude nicht voller Erwartungen betreten, sondern voller Reue und Sehnsucht nach meinen eigenen vier Wänden. Ich fühlte mich, obwohl ich den Jungs so nahe war, wie eingesperrt. Egal welche Probleme ich vielleicht noch haben würde, meine Fluchtroute war versperrt. Ich konnte nicht mehr in mein sicheres Heim zurück. Und die Frage war, ob ich mich nach der ganzen Sache jemals wieder in meinen eigenen vier Wänden sicher fühlen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)