Schwarzgrün von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 21: ------------ [center"]* „Wieso macht ihr so ein Aufheben um die Blätter?“, wollte Izuna wissen, als Madara an ihm vorbeiging, offensichtlich zu Sakura. Er vermutete richtig, dass es sich nicht um etwas Unbedeutendes bei dem Papier handelte. „Es sollte ursprünglich eine Überraschung werden“, antwortete Madara. Er tauschte Blicke mit Sakura aus und fügte dann hinzu: „Wir wollen mit dir für ein paar Tage verreisen.“ Sakura sah Madara mit großen Augen an. Es erstaunte sie, dass er so unverblümt geworden war. „Verreisen?“ „Ans Meer, Izuna.“ Izuna stockte irritiert. „Ans Meer?“, wiederholte er, so als begreife er die Bedeutung der Worte nicht. „Verstehe ich das richtig? Ihr habt vor, mit mir zusammen ans Meer zu fahren?“ „Es sollte eigentlich eine Überraschung werden“, erklärte Sakura an Madaras Stelle. „Nachdem du verlangt hast, das erste Treffen mit der Hautärztin abzusagen, habe ich mich gefragt, ob wir das Ganze nicht vorerst verwerfen sollten. Aber Madara war dagegen.“ Sakura lächelte schief. „Ich schätze, nun ist es keine Überraschung mehr.“ „Wann… Wann wollen wir denn fahren? Oder besser gesagt: Wann hattet ihr vor, zu fahren?“, erkundigte Izuna sich. Er klang weder sonderlich begeistert noch klang er wie jemand, dem der Gedanke von Grund auf missfiel. Izuna wirkte eher wie jemand, der mit einer unerwarteten Wahrheit konfrontiert worden war und sie nun zu akzeptieren suchte. „Anfang August“, sagte Sakura. Izuna dachte an das Meer. Er dachte an die Klassenfahrt, die schon lange Jahre zurück lag. Er dachte an das Mädchen, mit dem er Händchen gehalten hatte – es hatte Angst davor gehabt, zu tief ins Meer hineinzugehen. Und Izuna dachte an die zahlreichen Geschichten vom Meer, die er gelesen hatte; an die Beschreibungen des magischen Rauschens, der wunderbaren Luft, des warmen Sandes unter den Fußsohlen. Aber er dachte auch an die beschriebenen Stürme und Katastrophen, an Schiffbrüche, und dennoch war das Meer ein Ort, an den er hinwollte. Über das Meer lesen war seine Art und Weise gewesen, seiner Sehnsucht nachzujagen. „Möchtest du mitfahren?“ Izunas Kopf zuckte hoch. „Ja, natürlich!“, rief er wie im Reflex aus und spürte, wie ihn ein Gefühl der nie zuvor dagewesenen Lebendigkeit befiel. Leidenschaftlich, fast schon feierlich fügte er an: „Natürlich!“ Er passte in diesem Augenblick überhaupt nicht hinter den Esstisch, sondern hinter einem Rednerpult auf einem Podium. „Ich könnte sofort meine Sachen packen!“ Madara und Sakura lachten und er drückte sie seitlich an sich. „Lief doch besser als erwartet“, meinte Madara später, als sie im Wohnzimmer unter sich waren. Sakura tippte auf ihrem Mobiltelefon herum, während Madara in einem dünnen Büchlein las. Sakura summte zustimmend. „Es macht mich wirklich froh, ihn glücklich zu sehen.“ Neben dem Spaziergang bei Wind und Wetter, dem Lesen und den sportlichen Einheiten dreimal die Woche kam bald eine weitere Beschäftigung hinzu, die zur Konstante wurde: Telefonieren. Nach dem zweiten erfolgreichen Treffen, das auf Wunsch der Frau mit den mechanischen Beinen am gleichen Ort stattfand wie beim ersten Mal und bei dem Izuna von Anfang an viel selbstsicherer war, erhielt Izuna ihre Telefonnummer und sie begannen, einmal in der Woche und einmal am Wochenende miteinander zu telefonieren. Die Telefonate waren gefüllt mit unterschiedlichsten Themen, aber am meisten redeten sie über Literatur. Sie beide schienen die gleichen Bücher gelesen zu haben, denn wann immer der eine einen Titel nannte, sagte der andere: An das Buch kann ich mich erinnern, ja! Was mir besonders im Kopf geblieben ist, ist… Und dann redeten sie unermüdlich über Funktionen und Motivationen. Manchmal waren ihre Telefonate nur vierzig Minuten lang, und manchmal redeten sie zwei Stunden quasi ununterbrochen, bevor sie sich voneinander verabschiedeten. Gelegentlich wurde Izuna bei seinen Telefonaten von Sakura oder Madara belauscht, und Letztere besprachen die eine oder andere Sache im Schlafzimmer vor dem Schlafengehen. Die Zeit verging für jeden von ihnen schnell. Eltern sahen ihrem Kind beim Erwachsenwerden zu, sahen ihm dabei zu, wie er Neues entdeckte und darüber staunte – und Madara und Sakura sahen Izuna dabei zu, wie er Stück für Stück zu dem Leben zurückkehrte, das er vor dem Eintreten der Blindheit geführt hatte. Gelegentlich schien Izuna zu vergessen, dass er irgendwann in der Lage gewesen war zu sehen, so sehr gewöhnte er sich an seinen Zustand und das Wahrnehmen der Dinge um ihm herum mit den anderen Sinnen. Wenn er sich aber an manchen Tagen die Zeit in Erinnerung lief, als er mit seinen Augen die Welt hatte erfassen können, ließ er es zu, traurig zu sein und in Nostalgie zu verfallen, aber er ließ es nicht zu, dass er andere mit seiner Traurigkeit verletzte. Er hatte Menschen an seiner Seite, die mit ihm auch durch schwierige Zeiten gehen würden. *[/] Am Tag der Abreise konnte Izuna nicht die Füße still halten. Unaufhörlich ging er in der Wohnung auf und ab. Die Koffer waren bereits gestern gepackt worden und standen im Wohnzimmer. Es handelte sich um zwei kleine Koffer, und mehr brauchte man nicht für einen Kurzurlaub, den man überwiegend am Meer verbringen würde. Sie würden mit dem Auto fahren. Die Fahrt würde zweieinhalb Stunden dauern. Izuna hätte nicht gedacht, jemals wieder so aufgeregt zu sein. Doch es war eine positive Aufregung, die an Vorfreude gekoppelt war. Er konnte es kaum erwarten, an den Strand zu gehen, durch den Sand zu wandern, die frische Luft einzuatmen und neue Eindrücke zu sammeln. Vier Tage würden sie im Hotel bleiben und er würde nach der ersten Nacht dort jeden Tag morgens und abends an den Strand gehen. „Wir können los“, hörte er Sakuras Stimme. Mittlerweile konnte er einordnen, aus welchem Raum eine Person zu ihm sprach. Sie hatte Madaras Schlafzimmer verlassen und war nun im Flur. Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen eilte er geschmeidig wie eine Katze in den Flur. „Gut“, sagte er lakonisch, als er anhielt. Beinahe wäre er in Sakura hineingelaufen, die nach seinen Oberarmen griff, so als wollte sie ihn aufrichten, nachdem er umgefallen war. Madara und Sakura trugen beide Koffer zum Auto und Madara verstaute das Gepäck im Kofferraum. Wie auch die letzten Male saß Izuna hinten, ausgestattet mit Musik und Hörbüchern. Zur Vorbereitung auf den Urlaub hatte Sakura ihm stundenlanges Meeresrauschen und Vogelschreien heruntergeladen, die er auch während der Fahrt hörte. Sie kamen am späten Abend am Hotel an. Ihr Hotelzimmer verfügte über zwei Räume, ein Badezimmer und einen Balkon. Izuna durfte ein ganzes Zimmer für sich alleine haben, und er entschied sich für das, das dem Balkon am nächsten stand. Izuna setzte sich auf die weiche Matratze und zückte sein Mobiltelefon, um seine Freundin anzurufen. Sie hatte ihn darum gebeten, sie anzurufen, sobald sie im Hotel angekommen waren. Sie waren seit einem Monat ein festes Paar und hatten sich für die Zukunft so einiges vorgenommen. Die drei waren nach der Reise reichlich erschöpft, sodass sie sich ein gutes halbes Stündchen ausruhten, bevor Madara und Sakura sich zum Spazierengehen entschlossen. Izuna wollte nicht mit, hatte aber keinerlei Probleme damit, auf sich alleine gestellt zu sein für einen kleinen Zeitraum. Madara und Sakura sahen sich zuerst im Hotel um, inspizierten den Speisesaal und das Schwimmbecken und gingen dann erst nach draußen. Direkt gegenüber befand sich ein weiteres Hotel. Eine Allee verlief rechts scheinbar in die Unendlichkeit; links waren nur einige Bäume präsent, hinter denen ein tintenfarbener Himmel lag. Dort war der Strand. Sie würden morgen gemeinsam dorthin aufbrechen. Sie hielten Hände und genossen den Abend, der still und angenehm lau war. „Hast du nachgedacht?“ Sakura sah zu Madara. „Ja“, antwortete sie, ohne sicherzugehen, was er meinte. Es gab sonst nichts, worüber sie sich Gedanken hätte machen müssen. Sie konnte es selbst kaum glauben, aber die Beziehung zwischen ihm und ihr war alles in allem unkompliziert. In den letzten Monaten hatten sie ein einziges Mal eine Auseinandersetzung gehabt, bei der sie ihn getriezt hatte. Aber die Auseinandersetzung war nicht ausgeartet. Vielleicht würde das in Zukunft anders aussehen, aber aus der gegenwärtigen Perspektive betrachtet bestand zwischen ihnen kein hohes Konfliktpotenzial. Sakura lächelte verlegen. „Es wird sich merkwürdig anhören, wenn ich es ausspreche.“ Madara hielt an und Sakura tat es ihm nach. Sie sahen einander in die Augen und Sakura konnte mit Sicherheit sagen, dass er wusste, wofür sie sich entschieden hatte. „Ich würde schon sehr gerne mit dir zusammenziehen. Mit euch. Ich werde mich in der Nähe nach Jobs umsehen. Und meine Eltern wissen alles. Sie machen sich Sorgen und ich denke, das werden sie die erste Zeit nach dem Umzug auch tun. Aber sie haben… Sagen wir es so: Deren Segen haben wir.“ Madaras Gesicht war ausdruckslos, was Sakura verunsicherte. „Stimmt etwas nicht? Hast du es dir anders überlegt oder wieso machst du so ein Gesicht?“, wollte sie sichtlich nervös wissen. Sie fühlte sich zurück in die Zeit versetzt, als sie zu den Uchiha-Brüdern gekommen war. Sie dachte daran, wie einschüchternd Madaras Präsenz gewesen war und wie unheimlich er gewirkt hatte. Madara lachte rau, und Sakuras Rücken rann ein eiskalter Schauer herab. Sanft legte er ihr die Hände auf die Schultern. Seine Lippen umspielte die Andeutung eines Lächelns. „Das ist schön“, sagte er und küsste sie auf die Stirn. Mehr sagte Madara nicht. Vielleicht wäre eine andere Frau an Sakuras Stelle enttäusch gewesen. Aber Sakura war es nicht. Sie hatte von Anfang an nicht mit Freudensprüngen und überschwänglichen Umarmungen gerechnet. Das war nicht Madaras Art. Tief in seinem Inneren war er froh, erleichtert und glücklich darüber, dass Sakura zu ihm ziehen würde, das wusste sie. Er ergriff ihre Hand und die fuhren den Spaziergang fort. * Izuna hatte die halbe Nacht nicht geschlafen; zu groß war die Aufregung gewesen. Dennoch fühlte er sich an diesem Morgen erstaunlich wach und war voller Energie, darauf eingestellt, zum Strand aufzubrechen. Doch zuerst stand das Frühstücken im Speisesaal an, danach wurde das Wichtigste organisiert, die Körperstellen, die der Sonne ausgesetzt sein würden, dick eingecremt, und kurz vor elf brachen Madara, Sakura und Izuna schließlich zum Strand auf. Sie mussten nichts weiter tun, als nach dem Verlassen des Hoteleingangs nach links abzubiegen und dann dem Fußgängerweg geradeaus zu folgen, der sie innerhalb weniger Minuten zum Strand brachte. Eine Treppe führte hinein in den Sand. Izunas Herz klopfte freudig, als er die Stufen langsam herunterstieg. Schließlich kamen seine Füße mit Sand in Berührung und es war für ihn, als hätte er ein neues Land, wenn nicht gar eine neue Welt betreten. Der Sand war nicht heiß, sondern noch lauwarm, und jetzt erst drang zu ihm das Rauschen des Meeres herüber. Nie hätte er gedacht, sich eines Tages am Meer wiederzufinden. Aber er hätte auch nie gedacht, eine Frau kennenzulernen, die über seine Blindheit hinwegsah. Er sagte sich selbst, dass es die absolute Reizüberflutung sei. Madara und Sakura breiteten an einem günstigen Plätzchen Tücher aus und installierten den Sonnenschirm. Izuna blieb im Sand stehen und glaubte, jedes Korn zu erfühlen. Er störte sich nicht an der Gegenwart der anderen Anwesenden. „Ich glaube, er ist hin und weg“, bemerkte Sakura leise mit einem Lächeln, als sie sich setzte. Madara wollte gerade etwas erwidern, als er eine ihm zu bekannte Stimme vernahm. Er wollte es nicht so recht wahrhaben, als Hashirama in einer bunten Badehose vor ihm stand, und zweifelte an seiner visuellen Wahrnehmung. Innerhalb weniger Sekunden erfuhren Madara, Sakura und Izuna, dass Hashirama mit seiner Frau seit drei Tagen hier war und noch vier vor sich hatte. „Ich freue mich, dich hier anzutreffen. Was für ein schöner Zufall! Du kamst mir nie wie der Strandurlaubsmensch vor.“ Izuna ließ sich von Hashiramas unerwartetem Erscheinen nicht aus der Ruhe bringen, sondern drehte sich um und sagte: „Ich würde gerne ins Meer gehen.“ Von allen wurde er angesehen, und schließlich stand Sakura auf. „Ich komme mit dir.“ Madara wurde zurückgelassen und starrte ungläubig auf Sakura und Izuna, die sich nach ihm nicht einmal umdrehten. Sie hatten ihn im Stich gelassen. Jetzt musste er sich mit Hashirama ganz alleine abgeben. „Mito und ich haben uns nach langer Zeit endlich Urlaub gegönnt. Die Kinder haben wir bei den Großeltern gelassen“, sagte Hashirama gut gelaunt, und Madara seufzte. Man konnte Hashirama nicht entkommen, nicht einmal, wenn man ans Meer fuhr. „Hat denn deine Ehefrau nichts dagegen, dass du hier bist und nicht bei ihr?“, fragte Madara trocken und sah an Hashirama vorbei zu Mito Senju, die mit einem Buch ausgestattet auf einem Handtuch lag. „Ach was. Ich bleibe auch nicht lange, falls es eine versteckte Aufforderung gewesen war“, winkte Hashirama ab. „Hör zu, ich wollte mit dir über etwas sprechen.“ Hashirama machte es sich etwas bequemer unter Sakuras und Madaras Schirm. „Es geht um Änderungen bei den Modulen.“ „Schon wieder?“, fragte Madara gereizt. Hashirama nickte, hob aber abwehrend die Hände, als er Madaras finsterem Blick begegnete. „Dieses Mal ist das nicht meine Initiative, es haben sich viele Studenten beschwert. Und ich wollte mich mit dir beraten, bevor ich handele.“ Madara hob die Brauen, dachte nach und erwiderte: „... Ich verstehe. In Ordnung, dann lass uns reden.“ Madara sah kurz zu Izuna und Sakura, um zu wissen, was die beiden machten, bevor er seine Aufmerksamkeit Hashirama widmete. Sakura und Izuna waren kurz davor, ins Wasser hineinzugehen. Sakura hatte sich bei ihm eingehakt und wartete darauf, dass er den ersten Schritt tat oder etwas sagte. Erst Izunas linker, dann rechter Fuß fand den Weg in den feuchten Sand. Das Meer hatte sich zurückgezogen und schnellte nun vor, begrub seine Füße unter der lauwarmen Nässe. Izuna bekam Gänsehaut. Die nächsten Schritte machte er nicht sofort, sondern wartete ein wenig, und als seine Gesichtszüge von Entschlossenheit eingenommen wurden, ließ Sakura von ihm ab. „Ich bin hier“, teilte sie ihm mit, obwohl er nicht vermutet hätte, dass sie sich vollends von ihm entfernen würde, und beobachtete ihn bei seinen nächsten zwei Schritten. Izuna spürte, wie das Wasser seine Füße umschmeichelte, sich kurz zurückzog, nur um dann wiederzukehren wie eine Geliebte. „Ich wünschte, sie wäre jetzt hier, ehrlich gesagt“, sagte er zu Sakura. „Ich bin mir sicher, dass ihr die Möglichkeit bekommen werdet, zusammen an den Strand zu fahren“, versicherte Sakura ihm und drehte den Kopf nach Madara, der immer noch von Hashirama belagert wurde. Izuna hätte stundenlang so stehen können, bis alles Blut in seine Beine geflossen war. Sakura hatte aber anderes im Sinn. Da es am Strand viele Steine gab, animierte sie Izuna zu einem Spiel: Izuna sollte in die Hocke gehen, Steine aufsammeln und sie würde ihm beschreiben, wie die Steine aussahen, die er aufgehoben hatte. Die schönsten Steine würden sie mit nach Hause nehmen. Eine halbe Stunde später kehrten sie zu Madara zurück. Hashirama war fort. Izuna legte sich auf ein Tuch und vergrub die Hände in den Sand, der im Schatten deutlich kühler war. Er hatte so einige schöne Steine gefunden und fühlte sich wohl. Madara und Sakura redeten über etwas, aber Izuna verstand nicht, worüber. Er fühlte sich so wohl, dass er mit einem seligen Ausdruck im Gesicht einnickte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)