Sterben kann so schön sein... von Erenya (... oder auch nicht) ================================================================================ Kapitel 20: Von Fallen und Traps -------------------------------- Mein Verstand schrie mir förmlich entgegen, dass etwas vollkommen schief lief, als ich die Silhouetten der Götter verschwinden sah. Ich zerrte an den Lichtfesseln, die mir Amaterasu aufgezwungen hatte, auch wenn eine Gewissheit in mir sagte, dass es besser war, wenn ich es noch nicht tat. Doch ein anderer Teil von mir wollte zurück. Zurück zu den Göttern, zurück dahin, wo ich jetzt nicht um meine Existenz in dem selben Ausmaß fürchten musste, wie bei Amaterasu. Es dauerte einige Zeit bis ich wieder eine klare Sicht bekam. Zum einen legten wir wohl einiges an Entfernung zurück als wir durch das gleißende Licht flogen und zum anderen brauchten meine Augen einiges an Zeit sich wieder an die normalen Lichtverhältnisse gewöhnen. Amaterasu hatte damit augenscheinlich kein Problem, denn er flog so gezielt in eine Richtung, dass ich mich fragte, wie er sich orientierte. Ich hatte bereits jegliche Orientierung verloren und wusste nicht einmal mehr, in welcher Richtung meine Freunde waren. Der Sandstrand unter uns schien in identischer Abfolge an uns vorbei zu ziehen. Sand, ein paar Felsen, Klippen, mehr Sand, Meer, noch viel mehr Sand. „Hey, was soll das! Wohin bringst du mich? Weißt du das Entführung widerrechtlich ist?!“ Warum ich ausgerechnet einem Gott eine Predigt über das menschliche Recht hielt, war mir nicht klar, aber es schien Amaterasu sowieso nicht zu interessieren. Er flog voran und zog mich wie einen Hund an der Leine hinter sich her, nur dass ein Hund wahrscheinlich mehr Bewegungsfreiheit besaß als ich. „Wohin bringst du mich?“, fragte ich erneut, als Amaterasu nach dem ersten Mal nicht antwortete. Erneut schien er mich zu ignorieren. Dennoch verzog er das Gesicht zu einer Grimasse, die seine feminine Schönheit entstellte. „Unglaublich...“, nuschelte er, würdigte mich aber keines Blickes, so dass ich nicht wusste, ob er mich meinte oder mit sich selbst sprach. „Wovon redest du?“ Erneut bekam ich keine Antwort und scheinbar konnte ich auch keine erwarten, denn Amaterasu schien nicht gewillt mit jemanden wie mir zu reden. In mir keimte sogar kurz der Gedanke auf, warum Zeus jemanden wie ihn nicht in die Schule verfrachtet hatte. Denn augenscheinlich hatte Amaterasu es nötig eine andere Sicht auf die Menschen zu bekommen. „Antworte mir! Was bringt dir das alles?“ „Das ausgerechnet ich es bin, der sich zu solchen niederen Arbeiten herablassen muss... Wenn es nicht wegen Anii wäre...“ Verwundert sah ich zu Amaterasu. Es war seltsam, durch die Spoiler die ich mir bezüglich des Spieles selbst gegeben hatte, wusste ich ja bereits, dass er Tsukito nicht viel abgewinnen konnte und stattdessen versuchte Takerus Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Wieso war mir absolut nicht klar, denn in der Mythologie war es so, dass Susanno-o einen Groll gegen Amaterasu zu hegen schien und Tsukiyomi den Part des Mediators inne hatte. Doch in der Realität schien es keinen Mediator zu geben. „Da erscheint es mir recht passend...“, nuschelte Amaterasu, als er sich auf einen Wald zubewegte. Kurz kam mir die Frage auf, wie weit ich wohl von den anderen entfernt war und ob es Thoth überhaupt möglich sein würde mich zu finden... Mich zu finden... Ich tat genau das, was ich an den Otome-Mädchen hasste. Jungfrau in Nöten spielen und darauf hoffen, dass mich jemand retten würde. Ich hatte mein ganzes Leben lang niemanden der mir half. Dass ich jetzt in Begleitung von Göttern war, würde das auch nicht ändern. Vielleicht nur für diesen Augenblick, aber wenn ich wieder zurück in meiner Heimat war, würde es niemanden mehr geben, der mir half oder mich aus einer schwierigen Lage befreite. Niemanden außer mir. Das war eben das Gesetz der Natur nach dem ich zu leben gelernt hatte. Ich war froh, als ich endlich wieder Boden unter den Füßen spürte. Es war immerhin meine Chance irgendwie von Amaterasu wegzukommen, oder es zumindest zu versuchen. Jetzt konnte er mich schließlich nicht mehr einfach so fallen lassen. Damit war ich mehr oder minder außer Gefahr. Noch bevor Amaterasu sich selbst orientiert hatte, wandte ich mich in die Richtung aus der wir gekommen waren. Ein Ruck durchfuhr aber meinen Körper und ich wurde zurück gezogen. Dieses verdammte Licht, welches mich mit Amaterasu verband wirkte wie eine Hundeleine. Ich musste sie loswerden. Die Frage war nur wie. Es war immerhin göttliche Magie, oder wie sich das nannte. Noch dazu waren mir die Arme fest am Oberkörper gebunden. Viel Bewegungsfreiheit hatte ich damit auch nicht. Das Amaterasu sie mir abnahm, wenn ich lieb darum bat, brauchte ich gar nicht erst hoffen. Er hörte mir nicht einmal zu. „Bring mich zurück zu den Anderen! Ich habe keine Zeit mich in deine Probleme mit Takeru zu hängen!“, murrte ich, und zog weiter an meinen Fesseln und versuchte meine Füße fest genug auf dem Boden zu halten, so dass ich mich entgegen die Richtung stemmen konnte in die Amaterasu gehen wollte. „Halt deine Klappe! Du bist nur ein nichtswürdiger Mensch und wagst es so mit mir oder Anii zu reden?“ Ich zuckte zusammen, als Amaterasu herumwirbelte und mich anschrie. Seine sonst so schönen Züge war durch diesen wütenden Ausdruck verzerrt und hatten nichts mehr von der edlen Trap. Genauso hatte sich seine Sprechweise mir gegenüber verändert. Seine Stimme war voller Hass und Abscheu. „I-Ich... Es... tut mir leid...“, wisperte ich mehr aus Reflex heraus als dass ich es wirklich so meinte. „I-Ich meine nur, es wird dir nichts bringen, wenn du mich von ihnen trennst.“ „Ich sagte, halt die Klappe!“ Amaterasus Hand schoss schneller mir entgegen, als das ich reagieren konnte. Sein Griff um meinem Hals war erbarmungslos und schnürte mir die Luft ab. „Ihr Menschen seid so gebrechlich. Das Anii und Tsukiyomi so tief sinken, wegen einem Menschenmädchen, ist einfach entsetzlich.“ Mit jedem Wort, welches Amaterasu sagte, drückte er fester zu. Mir entwich immer mehr der kostbaren Luft, die mich nur wenige Millimeter von meinem Ende trennte. Seine Haltung, sein Wortlaut, seine Ausstrahlung, das alles hatte sich in wenigen Sekunden verändert und ich war seiner Gnade ausgeliefert, denn selbst ich wusste, dass er mich ohne mit der Wimper zu zucken töten konnte. Selbst wenn er kein Gott gewesen wäre. „Wie kann jemand wie du, jemand so Einfaches, so Unauffälliges, Aniis Aufmerksamkeit bekommen haben? Reicht es nicht, dass ich Anii mit diesem... diesem Fehler von einen Mondgott teilen muss? Anii gehört zu mir!“ Ich würgte, während ich meine Hände an seine Hand legte und versuchte seinen Griff irgendwie zu lockern. Wie eine Stahlkette wand sie sich um meinen Hals, unzerbrechlich und tödlich, wenn ich auch nur eine falsche Bewegung machte. „Dann hast du Tsukiyomi...“, würgte ich heraus, auch wenn meine Worte eher kratzig und gepresst klangen. „Halt die Klappe! Ich wünschte ich hätte! Aber ich würde niemals einen Finger an Tsukiyomi legen.“ Er hatte also nicht gelogen. Soviel verrieten mir seine Worte. Diese Wut, die aus ihm sprach konnte unmöglich gespielt sein. „Deine Existenz... hat für Chaos gesorgt! Also muss ich wieder für Ordnung sorgen! Und das ist das Schlimmste an der ganzen Sache! Das ICH es sein muss, weil es sonst keiner tut!“ Sein Griff war erbarmungslos, ebenso wie die Kühle in seinen Augen. Doch er schien sich eines besseren zu belehren, schien um seine Fassung zu ringen und schließlich ließ er von mir ab. Wie ein nasser Sack fiel ich zu Boden, hustete und fluchte innerlich über den Schmerz in meinem Hals. Mal davon abgesehen, dass meine Stimmbänder so schon nicht die Besten waren, tat mir diese Würgeattacke sicher nicht gut. „Du hast Glück, dass ich mich nicht mit etwas wie dir beschmutzen möchte.“ Ich hustete erneut, hatte aber keine Zeit mich von diesem mörderischen Gespräch zu erholen, denn Amaterasu setzte seinen Weg fort, ohne sich um mein Wohlbefinden zu scheren. Ich stolperte daher, als ich versuchte schnell auf die Beine zu kommen, denn ich war immer noch an den Gott gebunden. „Ich muss dieses Ding loswerden, bevor es mir noch mehr auf die Nerven geht... Und dann sollte ich irgendwie Anii beruhigen. Mittlerweile wünschte ich wirklich, ich hätte bei dem Gespräch mit Tsukiyomi mehr getan als nur ein paar Bemerkungen gemacht. Wieso musste der Idiot danach auch einfach verschwinden. So hätte es nicht unbedingt geschehen sollen.“ Ein Seufzen kam über Amaterasus Lippen, der mich erneut ignorierte, aber sein Tempo von zuvor beschleunigt hatte. Ich stolperte regelmäßig, versuchte dabei aber zu vermeiden auf die Knie zu gehen, denn ich war mir sicher, dass Amaterasu mich sonst hinter sich her schleifte. Für ihn waren wir Menschen immerhin nur putzige Tiere. Und so würde er mich auch behandeln wenn ihm danach war. Wie ein Tier. Einen Hund an der Leine. „Es hätte mir klar sein müssen, dass Anii so ausrastet. Seine kurze Zündschnur hat er eindeutig von Vater... Begreift er denn nicht, dass ich das alles nur für ihn tue? Weil er mit wichtig ist!“ Ich bekam nur halb mit, was er alles nuschelte. Manche Worte die er sagte, wurden lauter ausgesprochen, andere wieder leiser. Er führte einen Monolog, der dem eines Wahnsinnigen glich. Ich sah sogar, oder zumindest bildete ich es mir ein, wie sich sein ordentliches Haar zerzauste und diesem Wahnsinn Ausdruck verlieh, indem ihm einige Strähnen unordentlich ins Gesicht fielen. Ungefähr so stellte ich mir wohl eine Yandere vor, die plötzlich in den „Irren-Modus“ wechselte. Auf jeden Fall war es besser, wenn ich Vorsicht walten ließ. Amaterasu war gefährlich, schon allein aus dem Grund weil er Menschen nicht wertschätzte. In der Hinsicht hatte er die Ohrfeige mehr verdient als Takeru, der wenigstens etwas über Menschlichkeit gelernt hatte. „Endlich...“, seufzte er erleichtert, als wir in den Tiefen des Waldes vor einer Höhle angekommen waren. Harsch zog Amaterasu an dem Lichtseil, welches mich mit ihm verband. Ich stolperte nach vorne, so dass er mich packen konnte. „Du wirst erst einmal hier bleiben, bis ich weiß, was man mit dir macht. Rechne aber nicht damit, dass du so bald hier heraus kommst.“ „Wa-“ Ich wollte gerade fragen was er damit meinte, als er mich ins Innere der Höhle stieß. Der Faden um mich verschwand, was für mich die Gelegenheit war. Ich konnte fliehen, bevor Amaterasu tat was er tun wollte. Ich lief auf den Ausgang zu, vor dem Amaterasu immer noch stand. Doch er schubste mich erneut hinein, während seine andere Hand aufleuchtete und ein Grollen im Inneren widerhallte. Durch den Stoß den er mir versetzt hatte, war ich zu Boden gegangen und die Erschütterung die von draußen kam, die Höhle aber ebenfalls im Innern beben ließ, machte es mir nicht leichter wieder auf die Beine zu kommen. Ich blickte auf, wollte Amaterasu fragen, was er da machte, als ein riesiger Fels sich vor meine Sicht am Ausgang schob und zu Boden ging.   Ich hatte geschrien, gegen den Felsen gehämmert, noch mehr geschrien und war schließlich zu dem Entschluss gekommen, dass es keinen Sinn machte. Müde hatte ich mich zu Boden gesetzt, an die Wand gelehnt und über meine Situation nachgedacht. Irgendwie war ich dadurch eingeschlafen, was wohl auch der Dunkelheit in der Höhle verschuldet war und hatte dabei einen einen Albtraum. Nur schwach erinnere ich mich daran, was es für ein Traum war. Irgendwie handelte es von den Göttern. Hades hatte mich mit traurigen Blick angesehen hatte, während Apollon sagte dass er mich doch vor diesem Schicksal hatte bewahren wollen. Thoth hingegen hatte nur argumentiert, dass es vollkommen klar gewesen war, nachdem wir so lange herumgespielt hatten. Das Verwirrendste war aber Anubis, der in meinem Traum plötzlich mehr als nur Ka Bara Bara sagte. Es war dennoch unverständlich. Aber die Art wie er sprach, zerbarst mein Herz. Er wirkte so leidend, als hätte ich etwas getan, dass ihn quälte. Vielleicht war das auch der Fall. Was würde passieren, wenn ich starb? In welchem Totenreich würde ich landen? Würde ich überhaupt in einem Totenreich enden oder einfach verschwinden, so wie Apollon es gesehen hatte. Der Gedanke einfach verschwunden zu sein, ohne Erinnerungen an meine Existenz, ließ mich erwachen. Es war immer noch dunkel und lediglich ein paar schwache Strahlen drangen am Rand der Höhle, die vom Felsen nicht hermetisch abgeriegelt werden konnte, hinein. Conan Edogawa würde also auf meinen Mörder kommen können. Ebenso Sherlock Holmes. Dafür musste man mich allerdings erst finden und befreien. Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf. Befreit werden... Es war doch lächerlich wie häufig ich über die Otome-Mädchen fluchte, wenn sie sich wie die Jungfer in Nöten retten lassen mussten, weil sie einfach unfähig war. Wie oft hatte ich gedacht 'Ich hätte das anders gemacht!' und nun... Saß ich in der Klemme und betete wieder dafür gerettet zu werden. Doch wer sollte schon mein Ritter sein? Thoth? Nein danke. „Thoth würde nur darüber meckern, dass ich so blöd war mich entführen zu lassen. Ich glaube diese Standpauke kann er sich schenken.“ Seltsam war, dass mir Thoth als erstes in den Sinn kam, von denen die mich retten konnten. Dicht gefolgt von Apollon. Allerdings wusste ich nicht, wie er mich retten würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass er panisch werden und ich ihn beruhigen musste, war größer. Aber um mich zu retten mussten sie mich erst einmal finden. „Auf Takeru brauche ich gar nicht hoffen. Der wird sicher damit beschäftigt sein Amaterasu zu finden und ihm die Leviten zu lesen. Das ihm das nichts bringt, wird er nicht wissen... Verdammter Bruderkomplex.“ Ich dachte daran, was ich unter all dem Genuschel von Amaterasu gehört hatte, eben dass dieser Tsukito nichts getan hatte. Er hatte nicht gelogen, doch Takeru würde das nicht erfahren. Ich seufzte und war schon ein wenig deprimiert. Zumindest der Autor in mir war es, denn er würde nie erfahren wie diese Geschichte ausging. Zumindest nicht so lange ich in dieser Höhle saß. Wenn ich das ändern wollte, musste ich erst einmal hier raus. Die Frage war nur wie? „Schon mal nicht indem ich hier einfach herum sitze... Das steht fest“, murmelte ich mir zu und erhob mich von meinem Platz. Etwas besseres hatte ich ja eh nicht zu tun als mich etwas umzusehen. Vielleicht fiel mir noch etwas ein, wie ich herauskommen würde, wenn ich nicht unbedingt ein paar Schilder fand, die mir aufzeigten, wo der Notausgang war. „Immer positiv denken... auch wenn das nicht gerade deine Königsdisziplin ist. Du bist gerade der Protagonist deiner eigenen Geschichte, hast ein paar heiße Götter um dich herum, die du erfolgreich noch nicht angeschmachtet und angesabbert hast. Also wirst du auch erfolgreich diese blöde Höhle verlassen. Komm schon, jede Protagonistin hat das verdammte Glück irgendwo einen Ausgang zu finden. Das wäre doch eine blöde Geschichte wenn ich hier verrotten würde.“ Zufrieden mit meiner Erklärung dass es einen Ausweg geben würde, blickte ich ins Innere der Höhle, die scheinbar noch tiefer führte. Ich konnte nur hoffen, dass hier kein gruseliger Mitbewohner wie ein hungriger Bär war, der nur darauf wartete mich zerfetzen zu können. Immer positiv denken. Vorsichtig setzte ich einen Schritt vor den anderen, mich an die steinige Wand der Höhle klammernd und betend, das sowohl Spinnen als auch hungrige Bären mir vom Leibe blieben.   Spinnen blieben mir leider nicht vom Leibe. Ich erzitterte jedes Mal, wenn mir etwas über die Hand krabbelte und ich nur hoffen konnte, dass es nichts Giftiges war. Und selbst wenn, solange es mich nicht biss, konnte es mir egal sein. Der hungrige Bär blieb aus. Ebenso ein anderes, hungriges Tier. Allerdings fand ich auch keinen Ausgang, weswegen ich dahin zurückgekehrt war, wo ich herkam. Vielleicht, auch wenn es unwahrscheinlich war, konnte ich den Felsen verschieben. Der Weg zurück war erneut beschwerlich, aber ich schaffte es Schritt für Schritt zurück, bis ich schließlich wieder das Licht ringförmig eindringen sah. „So muss Sadako sich in ihrem Brunnen gefühlt haben...“, nuschelte ich, schüttelte diesen absurden Gedanken aber ab. Sadako hatte es immerhin schlimmer. Sie hatte einen Brunnen hinauf krabbeln müssen. Einen Brunnen der verschlossen worden war. Ich musste nirgendwo hinauf krabbeln. Damit hatte ich es wesentlich besser als Sadako. Als fürchtete ich, dass der Fels mich angreifen könnte, was Schwachsinn war, näherte ich mich diesem vorsichtig und klopfte ihn ab. Was auch immer das bringen sollte, es passierte nichts, außer dass ich mir etwas die Hand ankratzte. Es schmerzte kaum obwohl sich ein paar blutige Tropfen bildeten. Eins stand nach meiner Klopfaktion aber fest. Der Stein war massiv. Ich konnte also nicht hoffen, dass er zerbersten würde, wenn ich fest genug dagegen schlug. Schieben würde demnach auch schwerer sein, doch ein Versuch war es wert. Es war zumindest besser als die Jungfer in Nöten zu spielen und untätig zu bleiben. Mit meiner gesamten Körpermasse stemmte ich mich gegen den Felsen und suchte mit dem Füßen am Boden festen Halt. Ich drückte gegen das Gestein, versuchte es irgendwie zu schieben, doch abgesehen von meinen Füßen die rutschten, gab der Fels nicht nach. „War ja klar...“, wisperte ich und seufzte leise. „Hab wohl keine andere Wahl als die Jungfer in Nöten zu sein. Man kann immerhin nicht behaupten, dass ich nichts versucht hätte...“, murmelte ich leise, als wollte ich rechtfertigen, warum ich es nicht geschafft hatte. Mir hätte aber wahrscheinlich niemand einen Vorwurf gemacht. Niemand, außer mir. „Und was mache ich nun? Ich hab nichts zu essen, nichts zu trinken... drei Tage werde ich zwar überleben... ungefähr vielleicht...“ Es kam nicht gewollt, aber natürlich erhoben die negativen Gedanken ihr grausiges Haupt und spielten mir gerade die schlimmsten Horrorszenarien vor. Ich sah mich schon wie eine vertrocknete Pflaume, ausgehungert, am Boden liegen. Ich war in meiner Fantasie nicht mehr als ein Skelett das aufgrund seiner Kleidung identifiziert werden konnte. Allerdings setzte das voraus, dass ich mich nicht vorher in Wohlgefallen auflöste, bevor ich verhungert war. „Ablenken... ich muss mich ablenken... Alles wird gut. Es muss gut werden. Auch diese Geschichte wird ein Happy End haben. Das haben sie immer. Ich bin nicht auf dem OP-Tisch gestorben, ich bin nicht bei den Unfällen die ich hatte verreckt. Alles wird also gut. Ich muss mich nur ablenken.“ Ich holte tief Luft und versuchte mein Herz zu beruhigen. Mir wurde erst mit diesen Atemzügen bewusst, wie aufgebracht ich eigentlich war. Und es gab niemanden der mich gerade beruhigen konnte, außer mir selbst. „Komm schon, du hast keine Zeit für einen Herzinfarkt. Dafür bist du eindeutig zu jung.“ Ich atmete noch ein paar Mal tief ein und schließlich beruhigte sich mein Herzschlag einigermaßen. Damit war ich wieder ruhig genug um zu überlegen wie ich weiter vorgehen würde. „Ich sollte schauen, was ich bei mir trage“, murmelte ich und begann meine Jackentaschen zu durchsuchen. Ich fand allerdings nicht, außer... Das Buch und einen der Stifte, die mir, seit ich sie durch Hades bekommen hatte, einen guten Dienst erwiesen hatte. Ich ließ mich also nahe des Felsens nieder, so dass ich von der kleinen Lichtquelle in Form der Strahlen, genug beleuchtet wurde, um schreiben zu können.   Alicia sah sich staunend um. Die Welt der Götter oder zumindest der Markt der Götter, wie Helios ihr gesagt hatte, war nichts im Vergleich zu den Märkten die sie kannte. Überall waren Stände aufgebaut die Gegenstände anboten die in diversen Götterreichen wohl als Regional galten. Von Lebensmitteln, die sie wohl selbst als Mensch in ihrer Heimat hätte erwerben können, bis zu magischen Gegenständen war alles zu finden. „Bleib nicht zurück...“, grummelte Djehuti, als Alicia zum gefühlt hundertsten Mal vor einem der Stände stehen geblieben war und sich dessen Waren näher betrachtet hatte. „Was machen wir eigentlich hier? Ich dachte wir müssen Poseidon mit einem Problem helfen.“ „Tun wir.“ „Inwieweit?“, fragte Alicia und hoffte natürlich, dass ihr irgendjemand antworten würde. „Meine liebste Selene wurde von Sol entführt. Zumindest sagen das Gerüchte. Und das passt ganz gut, denn ich habe Selene seit Tagen nicht mehr gesehen“, erklärte Poseidon und blickte dabei ernst auf dem Weg vor sich. Verwundert, sah Alicia zu dem Meeresgott, der ihr bisher mehr als unhöflich erschienen war. Sie konnte kaum glauben, dass er so etwas wie eine Geliebte hatte, oder das eine Frau bei seinem Temperament überhaupt bei ihm blieb. „Entführt? Warum sollte Sol das tun?“ „Weil Poseidon ihren Antrag abgelehnt hat, hat er.“ „Wie sollte ich auch eine Sonnengöttin heiraten die nicht aus meinem Reich stammt? Jeder kennt die Regeln, das ist verboten. Außerdem ist Selene die einzige Person die ich liebe.“ „Noch dazu ist Selene die einzige, die Poseidon beruhigen kann, wenn er mal wieder aufbrausend wird“, merkte Liber belustigt an. „Sei ruhig!“ „Ach, Poseidon, mein Lieber. Wünschen wir uns nicht alle eine Frau die uns zu bändigen weiß?“, fragte Liber und zwinkerte Alicia dabei vielsagend zu. Alicia räusperte sich und sah schnell wieder weg. „Nun gut, ich habe verstanden wen wir suchen, aber warum hier auf dem Markt? Sollten wir nicht vielleicht eher dann zu Sol gehen?“ „Und dann? Freundlich anklopfen?“ Natürlich war das nicht im Sinne von Alicia gewesen, allerdings hätte Poseidon sein Gegenargument etwas freundlicher gestalten können. „Dann sagt mir doch, was wir hier wollen.“ Ein Seufzen kam von Poseidon, dem Alicia scheinbar wirklich auf die Nerven ging. Allerdings verstand er auch, dass sie nicht weit kommen würden, wenn das Menschenmädchen ihm weiter Löcher in den Bauch fragte. „Hier gibt es einen magischen Spiegel. Jeder der in diesen blickt, verliebt sich in sein eigenes Spiegelbild.“ „Ihr wollt also Sol veralbern? Auf ihren Gefühlen herum trampeln und sie verzaubern statt mit ihr zu reden?“ „Wenn du Sol kennen würdest, wüsstest du, dass es keine anderen Weg gibt. Sol ist... speziell.“ Alicia verstand nicht, was die Götter ihr damit sagen wollten. Allerdings empfand sie es als unfair Sol gegenüber, dass die Götter sie so hereinlegen wollten. Noch dazu blieb ihr der Sinn verborgen, wie das helfen sollte Selene zu finden.   Ich seufzte leise, denn das Licht schwand und von Minute zu Minute fiel es mir schwerer mich mit dem Schreiben abzulenken. Gleichzeitig fehlte mir gerade mein Smartphone, mit dem ich im Fall der Fälle recherchieren konnte. Wie zum Beispiel über einen Sonnengott aus einer anderen Mythologie. Ich hatte den Namen Sol einfach gewählt, weil er sonnig klang. Mehr Begründung brauchte ich für meine Wahl nicht. Ich klappte das Buch zu und seufzte. Schreiben machte keinen Sinn mehr, wenn ich nichts mehr sah und so musste ich mir eine andere Beschäftigung suchen. Ich lehnte meinen Kopf gegen das Gestein, das nicht gerade bequem war, aber immerhin einen gewissen Halt bot und dachte an meine Heimat. Ob man mich vermisste? Was würde wohl Shicchi machen, wenn ich einfach verschwand? Mit wem würde sie über Uta no Prince-sama reden? Oder wie sah es mit meinen anderen Freunden aus? Würden sie mich vermissen? Würden sie sich überhaupt an mich erinnern, wenn meine Existenz einfach so im Nichts verschwand? Wie würde das sein, einfach so zu verschwinden? Wäre das als hätte man nie existiert? So viele Fragen holten mich in diesem Moment der Stille ein, doch sie machten mir keine Angst. Sie schienen mich eher vorzubereiten. Wahrscheinlich rechnete ich schon gar nicht mehr damit gerettet zu werden. Auch wenn es sich nicht so anfühlte, als hätte ich aufgegeben. Mit etwas Glück würde das Buch zurück bleiben und die Welt hätte wenigstens eine Hinterlassenschaft von mir. Ich lächelte leicht bei diesem Gedanken. Nicht nur dieses Buch wäre eine Hinterlassenschaft. Auch meine Geschichten auf Animexx würden noch existieren, oder? Hoffentlich, denn das Grausigste am Verschwinden wäre doch, nichts von sich in dieser Welt zu hinterlassen. Ein Rascheln auf der anderen Seite des Felsen holte mich aus meinen Gedanken. Ich sah verwundert auf und lauschte in die Stille. Hatte ich mich getäuscht? Nein. Erneut war da dieses Rascheln. Es grenzte an ein Wunder, dass ich es hörte, doch vermutlich lag es daran, dass diese Höhle nicht hermetisch abgeriegelt war. Wenn die Sonne rein schien, kam auch Luft rein und natürlich Schall. Ich lauschte weiter und versuchte geistig einzuordnen, was ich da hörte. Ein Hase der durch das Gestrüpp sprang? Ein Fuchs? KLOPF KLOPF! Ich schreckte hoch, als es plötzlich gegen das Gestein klopfte. Hauchzart, aber doch irgendwie hörbar. Nein. Das konnte kein Tier sein. Ein Tier würde nicht so gezielt gegen den Stein klopfen, oder? „Bara?“ Mein Herz blieb stehen vor Schreck, als ich dieses vertraute Bara hörte. Konnte das wirklich sein, dass ausgerechnet er der Prinz war, oder viel mehr der Gott, der zu meiner Rettung kam? „Ka bara bara?“ Eine Welle von Freudentränen stiegen auf, als ich erneut Anubis Stimme von der anderen Seite hörte. Doch zum Flennen hatte ich keine Zeit. „ANUBIS!“, rief ich so laut ich konnte und näherte mich dem Felsen ein kleines Stück. „Ka bara!“ „Du bist es wirklich. Ein Glück. Sind die anderen bei dir?“ Es war eigentlich dumm ihm Fragen zu stellen, denn ich wusste doch, dass er mich nicht verstand. Aber ich war gerade so erleichtert, dass er überhaupt da war. Das seine Stimme mir Hoffnung gab nicht einfach so im Nichts zu verschwinden. „Bara bara ka bara bara ka ka bara“, antwortete mir Anubis aufgeregt. Obwohl ich ihn nicht verstand, glaubte ich zu kapieren, was er mir sagen wollte. Zumindest war ich noch klar genug bei Verstand um eins und eins zusammenzuzählen. Wären die Anderen in Anubis Nähe, hätten sie sicher schon geantwortet. Anubis war demnach alleine. In meinem Kopf reimte ich mir sogar zusammen, dass Anubis durch Thoth irgendwie von meinem Verschwinden erfahren und sich dann selbstständig auf die Suche nach mir gemacht hatte. In Ägypten hatte er mich schließlich auch erschnüffelt. Warum also nicht jetzt? Amaterasu war ja nicht die ganze Zeit mit mir geflogen. Alles was Anubis gebraucht hatte, war eine Richtung. Und Zeit. „Anubis... du bist einfach toll. Danke, dass du hier bist“, sagte ich ohne nachzudenken. Ich musste meiner Freude und Erleichterung einfach Luft machen. Irgendwie. „Kaaaaa~“, kam es plötzlich angestrengt von der anderen Seite des Felsens. Scheinbar versuchte Anubis gerade bemüht irgendetwas zu bewegen. Den Felsen? Die Frage war, in welcher Form war Anubis gerade da? In Götterform oder als Mensch? Und wenn es ersteres war, hatte er solche Mächte wie Amaterasu? Wenn ich mich recht erinnerte hatte dieser auch seine Sonnenmächte, oder was es war, benutzt, um den Felsen zu verschieben. „Baaaaaraaaaaaaa!“ Egal wie es Amaterasu geschafft hatte, weder Anubis noch ich waren dazu in der Lage diesen Felsen zu verschieben. „Anubis, lass es uns zusammen versuchen. Von dir aus gesehen, wohin versuchst du den Felsen zu verschieben?“ „Bara?“ Richtig, da war ja was. Er verstand mich nicht. Wie konnte ich mich nur mit ihm verständigen? „Ich stehe hier!“, rief ich von meiner linken Seite aus und klopfte gegen die Stelle. Ich konnte nur hoffen, dass Anubis einigermaßen verstand was ich ihm sagen wollte. Es klopfte. Zu meiner Rechten. Hieß das Anubis stand da? Ich ging die paar Schritte zu meiner Rechten, klopfte wieder und erhielt eine Antwort. Anubis stand da, genau auf der anderen Seite von mir. „Gut. Dann schieben wir nach links. Auf drei.“ Ich versuchte wie schon zuvor einen festen Stand zu bekommen, um den Felsen mit Hilfe von Anubis verrücken zu können. „Eins, zwei.... DREI!“ „Baaaaraaaa!“ Als hätte er wirklich verstanden, was ich gesagt hatte, ertönte von Anubis ein Laut der Anstrengung. Ich konnte mit ihm fühlen, denn mir ging es nicht anders als ich versuchte den Felsen ebenfalls zu verschieben. Und obwohl wir beide unsere Kräfte vereinten, bewegte sich der Felsen keinen einzigen Millimeter. Erschöpft ließen wir beide nach einiger Zeit ab und ich hörte ein frustriertes „Ka bara“ von der anderen Seite. „Keine Sorge, wir schaffen das irgendwie, Anubis. Zwei Köpfe sind klüger als einer“, antwortete ich und lächelte dabei. In meinem Beruf hatte ich immerhin gelernt, dass man das Lächeln in der Stimme hörte. Und das war kein Gerücht, sondern die reine Wahrheit. „Ka bara bara bara!“, kam es aufgeregt von der anderen Seite. Scheinbar machte sich Anubis Sorgen. „Nein, nur nicht nervös werden. Mir geht es gut. Du bist bei mir, da habe ich keine Angst. Wir schaffen das gemeinsam. Nichts schlimmes wird passieren“, versicherte ich ihm, weiter lächelnd. Ich wusste nicht einmal mehr, wen ich beruhigen wollte. Mich oder Anubis. Egal wer es war, es wirkte. „Bara...“ Anubis schien sich beruhigt zu haben und ich hörte etwas rascheln. Es schien so, dass Anubis sich auf der anderen Seite des Felsens runter gleiten lassen hatte und nun selbst dort saß um nachzudenken. „Ka bara bara?“ „Ja, es ist alles in Ordnung.“ „Bara?“ „Wirklich. Ich hab die Höhle schon abgesucht. Außer Spinnen gibt es hier keine gefährlichen Tiere. Wir haben also Zeit. Es gibt nichts, was mir hier schaden kann“, erklärte und lächelte weiterhin. „Ka...“ Ich ließ mich ebenfalls an dem Felsen runter gleiten und schloss die Augen. Ohne Witz, ich hätte schwören können die Wärme von Anubis Rücken an meinem zu spüren. Ich fühlte mich trotz dieses gigantischen Felsens zwischen uns so nahe. Näher als gewohnt. Selbst unsere Unterhaltung schien diese Nähe zu demonstrieren. Es fühlte sich an, als verstand er mich. Und obwohl er ebenfalls eine andere Sprache nutzte, schien mein Herz genau zu wissen, was er sagte. „Du musst mit deinem Herzen hören...“, flüsterte ich und Anubis hörte das scheinbar. „Ka bara?“ „Ah, dass war ein Zitat aus einem Disneyfilm. Aus Pocahontas. Pocahontas ist die Prinzessin eines Indianerstammes gewesen und sie sprach mit Großmutter Weide. Diese gab ihr diesen Rat. Pocahontas traf schließlich auf den Entdecker John Smith und obwohl sie beide einander nicht verstehen konnten, gelang es ihnen zu kommunizieren. Indem sie einfach mit ihren Herzen hörten.“ Ich schwieg einen Augenblick und dachte darüber nach. Es stimmte schon. Es gab viele Möglichkeiten von Kommunikation und selbst mit meiner Freundin Shicchi kommunizierte ich auf eine spezielle Art und Weise. Wir hatten eine Verbindung, die es sogar ermöglichte, dass ich Dinge instinktiv wusste die ich gar nicht wissen konnte. Vielleicht lag das einfach daran, dass ich Shicchi schon so gut kennengelernt hatte und wir einander, trotz unserer verschiedenen Charaktere, so ähnlich waren. Genau so eine Verbindung wünschte ich mir... mit Anubis. Ich wollte ihn wortlos verstehen, wollte wissen wie er sich fühlte. „Anubis... es tut mir leid... Die ganze Zeit... in der ich hoffte das du mich irgendwann verstehst, habe ich vergessen, dass ich auch dafür etwas tun muss. Wir Menschen sind, was das angeht etwas egoistisch. Wir erwarten immer, das alle etwas über uns lernen. Ich glaube... ich bin wie John Smith. Du wärst mir erst nahe gewesen, wenn du mich verstehst, doch wirklich nahe sind wir einander, wenn das auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn auch ich dich verstehe.“ Ich lächelte traurig, vielleicht sogar ein wenig angeschlagen. Was ich gerade dachte, traf nicht nur auf Anubis zu, sondern auch auf Thoth und die anderen Götter. Ich hatte gefordert und gefordert und erwartet... Doch wie hatte ich es ihnen gedankt? „Wenn ich hier raus komme... werde ich das versuchen zu ändern. Anubis... auch wenn du nicht viel von Menschen verstehst, verstehe ich nicht viel über euch Götter. Ich kann aber nicht nur erwarten, dass ihr Menschen versteht, auf sie Rücksicht nehmt, weil ihr eben mächtiger und unsterblich seid. Auch ihr habt Gefühle, auf die wir Menschen Rücksicht nehmen müssen. Ich muss wohl auch noch eine Menge über euch Götter lernen. Über Apollon, über Hades, Dionysos, Takeru, Thoth, Amaterasu und vor allem über dich.“ „Bara...“ Ich sah auf, als neben einem Bara von Anubis auch ein Scharren zu vernehmen war. „Anubis?“, fragte ich und lauschte. Das Scharren ging weiter. „Ka Bara bara!“, antwortete der Ägypter und das Scharren ging zu einem Laut über der mich stark an das Buddeln im Sandkasten erinnerte. „Warte du...“ „Bara ka bara!“ „Verstehe!“ Ich lächelte und rutschte etwas von dem Felsen weg. Anubis schien wirklich vorzuhaben sich auf die andere Seite zu buddeln. Für einen Menschen wäre das mit bloßen Händen unmöglich gewesen, nicht aber für einen Gott. Und dennoch, ich wollte ihm nicht die ganze Arbeit überlassen, weswegen ich das Buch nahm, welches ich geschenkt bekommen hatte und versuchte damit im Boden zu graben. Auch wenn Anubis wahrscheinlich wesentlich schneller war als ich, jedes bisschen was ich schaffte, brachte mich Anubis näher. „Bara!“ „Wir schaffen das!“ Ich bemühte mich mein Tempo beizubehalten, während ich Stück für Stück eine größere Kuhle im Boden grub. Mir rann der Schweiß etwas von der Stirn, da ich die Anstrengung deutlich spürte, doch ich wollte ihn sehen. Ich wollte unbedingt Anubis Gesicht sehen. Ich wollte ihm das Lächeln zeigen, dass er gehört hatte, wollte ihm so versichern, dass er sich wirklich keine Sorgen machen musste. Er war mein Ziel, der Grund warum ich mich gerade bemühte. „Wenn du eine Pause brauchst, mach eine!“, sagte ich, während ich grub. Ich machte mir doch auch Sorgen um Anubis. Das die Erde über ihn einstürzte, dass er vielleicht bis zur Erschöpfung grub und so weiter. Das sollte weiß Gott nicht passieren. „Ka...“, kam es von der anderen Seite und ich musste doch schon dezent lächeln. Ihn zu hören gab mir unglaublichen Mut.   Ich hatte selbst die ein oder andere Pause nehmen müssen und blickte auf die Kuhle, die schon eine gute Breite hatte. Mit Sicherheit würde Anubis ohne Probleme durch diese kommen können, wenn sich da durch buddelte. Von der anderen Seite hörte ich, wie immer wieder die ein oder andere Ladung Erde auf dem Boden aufkam, was mir sagte, dass Anubis unermüdlich buddelte. Hin und wieder hörte ich auch ein leises „Ka“ oder „Bara“. Seine Worte waren allerdings immer dumpfer geworden, was wohl der Tiefe geschuldet war. „Weiter geht’s...“, murmelte ich und erhob mich wieder, um an meiner Kuhle zu graben. Auf Knien krabbelte ich auf diesen zu der Kuhle, bei der ich plötzlich etwas Bewegung sah. Neugierig betrachtete ich, wie langsam ein paar Ohren hervorstieß und schließlich der schwarze Kopf des Ägypters. „A-Anubis...“, flüsterte ich dankbar darüber, dass er es geschafft hatte. Er hörte sofort meine Stimme, grub sich noch aus seinem Loch und klettert aus dem Loch hervor. Nicht gerade elegant, aber dennoch war er wohl das Schönste was ich aus der Erde hervorstoßen sah. „Ka Bara!“ Mit seinen strahlenden Augen sah mich Anubis an. Diese amethystfarbenen Augen die mich gerade so warm und erleichtert ansahen. Ich konnte es einfach nicht aufhalten, dass mir Tränen der Erleichterung kamen. Anubis war wirklich hier. Hier für mich. „Ka Bara!“ Ich wusste nicht wie mir geschah, als er mich in seine Arme zog und an sich drückte. Er roch nach frischer Erde und Datteln. Der Duft der Freiheit klebte an ihm. Doch das war mir egal. Ich konnte die Tränen nun gar nicht mehr zurückhalten, sondern weinte, meinen Kopf an Anubis Brust vergraben. Ich klammerte an ihm und war einfach nur froh, seine Wärme tatsächlich spüren zu können. Nicht durch einen Felsen, sondern Haut an Haut. „Danke...“, weinte ich erleichtert und genoss einfach den Moment in dem ich Anubis so nahe sein konnte. „Danke, dass du da bist... Danke Anubis... Danke...“   Anubis ließ mich ein paar Minuten lang weinen, ohne etwas zu sagen, ohne sich von mir zu lösen. Er gewährte mir diesen Augenblick freiwilliger Nähe. Er hatte mir sogar beruhigend über den Kopf gestrichen und wahrscheinlich war ich ihm in diesem Moment wirklich näher als sonst gewesen. Dem Gott, der in der Serie mein Liebling gewesen war. Dem Gott dem ich nahe sein wollte. „Danke“, flüsterte ich ein weiteres Mal, als Anubis mich betrachtete. Es erinnerte mich an diesen einen Moment, in den Büschen, als er mich abgetastet hatte, so als wollte er sicher gehen, dass es mir wirklich gut ging. „Keine Sorge. Alles ist okay. Mir geht’s wirklich gut.“ Erneut sah Anubis mir tief in die Augen. Er schien etwas in meinen zu suchen und zu finden. „Bara“, sagte er schließlich überzeugt. „Bara Bara“, setzte er nach und kletterte zurück ins Loch, wobei er seinen Kopf erneut heraushob und mit der Hand winkte. Ich verstand, was er mir damit sagen wollte. Er wollte, dass ich ihm folgte und das tat ich mit dem größten Vergnügen. Ich machte mir nicht einmal Sorgen, dass der gegrabene Tunnel einstürzen konnte. Solange Anubis bei mir war, fühlte ich mich irgendwie sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)