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Sterben kann so schön sein...

... oder auch nicht
von
Koautor:  Shizana

Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Eri, halte durch! Rettung ist in Sicht.
Als du zu dir kommst, ist es finster um dich herum. Du realisierst, dass du dich in einer Art Höhle befindest. Draußen ist noch immer der Sturm zu hören, der das Meer gewaltvolle Wellen gegen das Gestein schlagen lässt. Keine Angst, du bist hier oben sicher, sie können dich nicht erreichen.

Aufgabe 1: Kaum dass du zu dir gekommen bist, bemerkst du, dass du nicht allein bist. Dionysos ist bei dir, in seiner Gottform, und umsorgt dich nach seinen besten Möglichkeiten. Frag ihn, was passiert ist. (AW: Er, Apollon und Hades sind zu deiner Rettung aufgebrochen, als ersichtlich wurde, dass du es nicht allein schaffen würdest.)
Aufgabe 2: Frag ihn, ob es Anubis und den anderen gut geht. Frage anschließend, wo Apollon und Hades sind, wenn sie vorhin noch bei ihm waren. (AW: Während sie nach dir gesucht haben, haben sie gesehen, wie etwas anderes vom Himmel ins Meer gestürzt ist. Apollon und Hades suchen nun danach, falls Hilfe benötigt wird.)
Aufgabe 3: Lass dich von Dionysos tadeln, umsorgen und anschließend zurück zum Haus bringen. (Du entscheidest, ob die Tarnung der Götter durch ihre überstürzte Aktion vor Reiji und Shizuku aufgeflogen ist oder nicht.) Dort nimmt dich Shizuku in Empfang und umsorgt dich ebenfalls. Versichere dich, dass es Anubis gut geht (Thoth lässt euch einander nur kurz sehen, da er ihn ebenfalls gerade umsorgt) und beharre darauf, im Wohnzimmer bleiben zu dürfen, um auf Apollon und Hades' Rückkehr zu warten.
Aufgabe 4: Du bist zwischenzeitlich vor Erschöpfung weggenickt. Als du zu dir kommst, bemerkst du ein Gespräch zwischen Dionysos und Thoth in der Nähe. Dionysos verkündet, dass sie "ihn" gefunden haben und fragt Thoth, was sie nun tun sollen. Rapple dich auf und bitte Thoth, dich von Dionysos zu "ihm" bringen zu lassen. Du hast natürlich einen Verdacht, wer gemeint ist. Komplett anzeigen

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Vielleicht

Meine Schritte hallten im Dunkel wider, als ich Schritt für Schritt weiterging, gefolgt von seltsamen Wesen links und rechts neben mir. Yomotsu Shikome, schwarze Schattengestalten mit einer weißen dreieckigen Haube auf dem Kopf und Yomotsu Ikusa, die eine etwas abgemagerte Version von Pyramid Head aus Silent Hill waren, wenn ich mich recht entsinnte. Zumindest sahen sie wie die Wesen aus Persona aus, wodurch ich auch ihre Namen kannte. Sie waren Bewohner der japanischen Unterwelt, des Yomis. Hieß das, dass ich gestorben war? War ich doch nicht die Heldin meiner eigenen Geschichte gewesen, die sich hatte retten können? Tragisch, wenn man bedachte, dass es in Animes und Geschichten immer funktionierte. Aber dies war ja keine Geschichte, sondern die Realität.

Ein leises Seufzen glitt über meine Lippen, wurde aber von den Yomotsus nicht zur Kenntnis genommen. Wahrscheinlich war es ihnen egal, wenn ein Mensch seinem Leben nachtrauerte. Ich konnte keinen meiner Freunde mehr wiedersehen. Nicht mehr mit Franzi shoppen und über Anubis fangirlen... Mist ich hatte eindeutig zu wenig Zeit gehabt um den jungen Ägypter zu bewundern.

Nicht einmal Shicchis Geschichten würde ich noch lesen können. Verdammt, dabei hatten wir doch noch diese Challenge und ich hatte die doch unbedingt gewinnen wollen. Trauriger war es hierbei aber wohl nur um ihr Geburtstagsgeschenk. Sie würde auch niemals erfahren, wie sehr es mich unter Druck setzte, für sie zu schreiben. Argh... es war einfach zum Haare raufen.

Gugu...“

Mein Blick wandte sich zu einer Yomotsu Shikome links von mir, die mir ihre Hand in den Rücken drückte und so zu einer Frau in weißem Gewand, mit langen, grau gewellten Haar stieß. Eindeutig zu viel Persona gezockt. Wobei, wenn die Götter real waren... wieso sollte es dann nicht die Izanami aus Persona 4 sein?

Kind des Mannes... Du hast dir ewige Höllenqualen verdient“, setzte sie an und sah mich missbilligend an.

Was? Wofür?“ Die Worte kamen mir wie selbstverständlich von den Lippen. Sicher, ich war nicht gerade die netteste gewesen in meinem Leben, aber so sehr gesündigt haben, konnte ich doch auch nicht, dass man mich ewige Höllenqualen leiden lassen wollte.

Nicht nur, dass du einfach in die Welt der Götter eingedrungen bist, du hast ihnen auch in ihrer Entwicklung geschadet. Daher habe ich Zeus kontaktieren lassen und er ist einverstanden damit, dass du in dieser Unterwelt deine Sünden für alle Zeit der Unendlichkeit abzuarbeiten hast. Noch dazu... Bist du eine Lügnerin. Du hast jenen die dir helfen wollten, nicht die Wahrheit gesagt und dein Wissen mit ihnen geteilt.“

Meine Augen weiteten sich, mit jedem Wort, das Izanami sprach. Zeus hatte mich wirklich aufgegeben? Er wusste doch, warum ich nicht alles sagen konnte. Warum sollte das nun mein Todesurteil sein?

Wenn du nicht aus dieser Welt treten willst, greife zu deinem Schwert und stelle dich mir und meiner Armee.“

Mein Schwert? Verwundert sah ich an mir hinab und erkannte, dass ich wirklich ein langes Schwert, ein Katana, in der Hand hielt. Wo kam das auf einmal her?

Musik ertönte im Hintergrund, ich kannte sie. Es war die Endkampfmusik aus Persona 4, welches ich noch Tage zuvor rauf und runter gehört hatte.

Als ich meinen Blick wieder zu Izanami wandte, erkannte ich ihre Endbossform. Das rote Skelett, vor dem Izanagi aus dem Yomi geflohen war. Ich hatte wohl eindeutig zu viel Persona 4 gespielt. Das konnte doch nur ein Traum sein. Ein Trau-
 

Mit einem Seufzer der Erleichterung öffnete ich meine Augen, als es auch in mein Unterbewusstsein gesickert war, dass ich nur geträumt hatte. Dieser Traum war nur ein schlechter Traum gewesen. Vielleicht war alles nur ein Traum gewesen. Ein sehr lebendiger, aber Hoffnung bestand doch, dass ich nicht beinahe ertrunken wäre. Wobei, nein, wieso sollte dann Dionysos mich mit besorgten Blick ansehen? Wieso sollte ein warmes Feuer neben mir knistern?

Wäre das ein Traum gewesen, hätte ich im weichen Futon bei Shizuku und Reiji gelegen. Wobei, vielleicht war auch das ein Traum? Vielleicht träumte ich nur, auf Dionysos Schoß zu liegen. Mir fröstelte es und ich zog die Decke näher an mich, wobei ich die Bewegung Dionysos unter mir wahrnahm, gefolgt von einem „Klock“, das klang als hätte jemand mehr Holz in ein prasselndes Feuer geworfen. Doch ein Traum.

Es brauchte etwas, bis auch diese Erkenntnis sickerte. Die Erkenntnis, die mir verriet, dass dies hier kein Traum, sondern die Realität war. Kälte spürte ich in der Regel nicht im Traum. Genauso wenig fühlte sich mein Haar im Traum klamm an. Das hier... war die Realität und ich lag wirklich mit dem Kopf auf Dionysos Schoß.

Schockiert von dieser Erkenntnis, richtete ich mich blitzartig auf, wobei sich genauso schnell ein paar Hände auf meine Schultern befand und mich vorsichtig in die liegende Position zurück drängten.

„Ganz ruhig, es ist alles gut...“, erklärte mir Dionysos sanft. Doch es konnte gar nicht alles gut sein. Ich war ertrunken. Warum war ich hier?

Verwirrt versuchte ich meine neue Umgebung wahrzunehmen. Wir waren in einer Höhle, zumindest konnte ich dank dem Feuer das kalte, nasse Gestein ausmachen. Es wirkte fast schon wie ein Wunder, dass dieses Feuer brennen konnte, da die Luftfeuchtigkeit alles andere als ideal war, um ein Feuer knistern zu lassen. Wahrscheinlich kämpfte es deswegen um sein Überleben und konnte die finstere Höhle nicht weiträumiger erhellen.

Draußen tobte noch der Sturm und das Tosen der Wellen war nur zu deutlich zu hören. Wir mussten also nahe am Wasser sein, denn es hörte sich so an, als ob sich die Wellen am Felsen brachen und wieder ins Meer gleiten ließen, nur um erneut mit aller Macht gegen den Fels zu schlagen. Ich erzitterte bei der Visualisierung dieses Bildes und versuchte diesen furchteinflößenden Gedanken an das alles verschlingende Meer zu verdrängen. Dionysos merkte dies und strich mir sanft über den Kopf.

„Keine Sorge, wir liegen weit genug oben. Dir kann also nichts passieren“, erklärte er mit einem Lächeln und seltsamerweise glaubte ich ihm, auch wenn ich nicht verstand, was er hier machte.
 

Es dauerte einige Zeit, bis ich wieder in der Lage war, klar zu denken und meine Stimme zu erheben. Dionysos hatte mich vorsichtig auf den Boden gebettet, in leicht aufrechter Haltung, gegen einen Felsen gelehnt, wodurch ich erst spürte, dass ich wirklich dünn bekleidet, wenn nicht komplett nackt unter der Decke war. Richtig, ich war im Schlafyukata raus gerannt. Aller Wahrscheinlichkeit nach, war der vollkommen durchnässt und natürlich konnte man mich nicht in klatschnassen Sachen liegen lassen.

„Wie hast du mich gefunden?“

Meine Stimme war ein leises Flüstern, welches dennoch gut hörbar war, da sie an den Felsenwänden abprallte und so auch von Dionysos vernehmbar war, der mir seinen göttlichen Kelch entgegen hielt. Zweifelnd sah ich ihn an, denn er konnte nicht ernsthaft glauben, dass jetzt der richtige Moment für Wein war, oder?

„Es ist nur Saft, trink etwas, damit du wieder zu Kräften kommst.“

Wäre diese Situation nicht so überaus ernst gewesen, hätte ich wohl dreckig lachen müssen. Erneut kam mir der Insider von Dionysos Saft in den Sinn, doch die Situation gebot das einfach nicht. Im Gegenteil, nach meinem Beinahe-Tod war ich wirklich nicht in der Stimmung zu lachen.

„Danke...“

Vorsichtig nahm ich den Kelch entgegen und setzte ihn an meine Lippen. Dionysos hatte wirklich nicht gelogen, es war nur Saft. Der beste den ich seit langen getrunken hatte. Schluck um Schluck trank ich, mich fragend, ob dieser Kelch niemals leer werden würde. Doch wahrscheinlich lag es an Dionysos göttlicher Kraft, dass ich so viel trinken konnte, bis mein Durst gestillt war.

„Also, was ist passiert, nachdem das Boot abgetrieben ist?“, fragte ich schließlich und reichte Dionysos den Kelch wieder.

Nachdenklich sah Dionysos, der in seiner Götterform neben mir saß, in Richtung des Ausgangs der Höhle und schien zu überlegen, ob er mir alles erzählen sollte. Ich ließ ihm diese Zeit, schon allein aus dem Grund, dass ich sowieso noch nicht genug Kraft hatte viel zu reden.

„Nachdem das Boot abgetrieben war, haben wir uns natürlich Sorgen gemacht. Auch wenn du uns irgendwas zugerufen hattest, dass du schwimmen könntest... Schwachsinn bei diesem Wetter. Besonders Apollon hat sich um dich gesorgt, wegen seiner Vision. Er ist dir ohne zu zögern nach, Hades-san und ich sind natürlich mitgegangen, allerdings machte der Sturm und der Regen auch uns einiges an Problemen. Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir das Boot gefunden hatten. Du warst allerdings nicht mehr drauf. Wir sind also davon ausgegangen, dass du vielleicht ins Wasser gefallen bist. Ziemlich dramatisch das ganze. Noch dazu wussten wir nicht, wie weit das Boot von deinem Verlustort abgetrieben war. Hades-san hat es aber geschafft deinen Ort einigermaßen zu lokalisieren und Apollon... Er sagte, er habe deine Stimme gehört. Er ist ohne zu Zögern ins Meer getaucht und als er wieder auftauchte, hatte er dich im Arm. Wir haben dann diese Höhle hier gefunden und alles getan um dich zu reanimieren. Du hast ziemlich viel Wasser geschluckt und dein Puls war schwach.“

Dionysos hielt in seiner Schilderung inne. Die Götter mussten sich wirklich große Sorgen um mich gemacht haben. Noch dazu hatten sie sich für mich in Gefahr begeben. Und ich hatte Zeus gesagt, dass Götter nicht gewillt waren, einem Menschen zu helfen. Ich war so ein Idiot und überheblich oben drein.

„Wo sind Apollon und Hades?“, fragte ich leise, die Knie an meinen Körper ziehend, da mir immer noch etwas kalt war. Die Decke zog ich ebenfalls enger um mich, wobei ich mit einem Mal bemerkte, dass dies hier keine Decke war, sondern ein Teil von Hades Toga. Wenn man genauer hinsah, konnte man sogar sehen, dass er sie wahrscheinlich zerrissen hatte, damit ich mich wärmen konnte. Ich war wirklich ein Idiot.

„Hades-san hatte bei der Suche nach dir etwas vom Himmel stürzen sehen, was uns kurzzeitig auf die falsche Fährte gebracht hatte. Nachdem wir dich hier in Sicherheit wussten, wollten Hades-san und Apollon nachsehen was es war. Für den Fall, dass noch jemand Hilfe braucht.“

Falls jemand Hilfe braucht? Das klang doch arg verdächtig. Noch dazu, wenn etwas vom Himmel gefallen war. Dazu musste man kein Gott sein, um das zu verstehen.

„Was ist mit Anubis, Thoth, Shizuku und Reiji? Geht es ihnen gut? Ist Anubis etwas passiert, als er vom Boot ging?“

Selbst ich wusste, wie seltsam es war, dass ich mir wirklich Sorgen darum machte, wie es den anderen ging, obwohl ich es doch gewesen war, die beinahe gestorben wäre. Vielleicht war ich einfach nicht egoistisch genug, um mich um mich selbst zu sorgen.

„Ihnen geht es gut. Thoth ist bei ihnen geblieben, du musst dir also keine Sorgen machen. … … … Idiotin, dass du zuerst nach den anderen fragst“, nuschelte Dionysos und ich musste gestehen, dass es schon schmerzte, dass er mich als Idiotin bezeichnete.

„Wieso bin ich eine Idiotin?“, fragte ich mit schmollenden Unterton. Ich sah es ja mal so gar nicht ein, dass man mich jetzt als Idiotin bezeichnete, nur weil ich mich um andere sorgte.

„Du bist beinahe ertrunken, und das erste worum du dir Sorgen machst, sind die anderen. Noch dazu... Du rennst da ganz alleine raus, auf ein Boot, auf dem sich ein Gott verkrochen hat. Verstehst du das, Erenya. Anubis ist ein Gott. Er wäre im Fall der Fälle auch alleine und ohne große Widrigkeiten von dem Boot gekommen. Er ist ein Gott und du bist ein Mensch.“

Dionysos Worte klangen harsch, doch er hatte mit allem Recht. Wahrscheinlich hätte Anubis irgendwann seine Götterform aktiviert und wäre von dem Boot gekommen. Sicher und unbeschadet. Ich hingegen... Wir hatten ja gesehen, worin das geendet hatte.

„Gott hin oder her... Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht... Er hatte solche Angst. Wenn ihm was passiert wäre...“

Als ich zu Dionysos aufsah, erkannte ich zwei Finger, die mir sanft gegen die Stirn schnippten. Und doch lag ein Lächeln auf Dionysos Lippen.

„Und deswegen bist du eine Idiotin. Was an dem Satz 'Anubis ist ein Gott' hast du nicht verstanden? Sicher, er hatte Angst, aber aus seinem Instinkt heraus hätte er seine Götterform angenommen und wäre von dem Boot gekommen, bevor es versunken wäre, oder das Meer ihn von Bord gespült hätte. Das liegt in unserer Natur. Wirklich... Du bist wirklich...“

Mir war nicht klar, ob Dionysos das nun böse meinte oder nicht. Ich konnte doch auch nichts gegen meine Natur tun. Das war schon immer so gewesen. Egal wie schlecht es mir ging, der erste Gedanke galt immer den anderen. Dafür biss ich auf die Zähne und verdrängte meine Gründe, warum es mir schlecht ging.

„Ich bin einfach froh, dass es Anubis gut geht. Und den anderen natürlich auch. Außerdem... ich hätte bei jedem von euch wahrscheinlich dasselbe getan, ungeachtet dessen ob Gott oder nicht.“

Ich wusste nicht, wie ich das Dionysos erklären sollte. Ich wusste ja nicht einmal, ob ich Anubis rein aus der Gewohnheit hatte helfen wollen, oder weil es eben Anubis war. Irgendwie entsprach mein Handeln mehr einer Kurzschlussreaktion. Wenn man es recht bedachte, hatte ich bisher viele davon gehabt.

„Weißt du... irgendwie... habe ich vielleicht auf meine Katzenleben vertraut“, merkte ich scherzend an und erinnerte mich nebenbei daran, dass ich damit nicht zum ersten Mal dem Tod von der Schippe gesprungen war.

„Zuhause, als ich Fahrradfahren lernte, wollte ich wie meine Freunde einen Berg runter fahren. Niemand hat mir je gesagt, dass ich bremsen muss. Also bin ich den Berg ungebremst hinabgefahren, mitten auf eine Straße zu. Ganz knapp hinter einem Auto hab ich diese überquert und bin dank Bordstein gebremst worden. Aber gleichzeitig über das Fahrrad geflogen und nichts war mir passiert, abgesehen von ein paar Schrammen. Als ich älter wurde, hatte ich eine Operation an der Hüfte. Aus welchen Gründen auch immer, hatten sie Komplikationen bei der OP und ich wäre beinahe Hops gegangen. Jahre danach hatte ich auf offener Straße einen Blackout und bin bei rot über eine Ampel gegangen, dabei wurde ich von einem Auto angefahren. Ich erinnere mich nicht mehr richtig an diesen Vorfall, eigentlich an gar nichts, außer was man mir erzählte. Und wieder... ich bin immer vollkommen unbeschadet davon gekommen. Schon seltsam, selbst jetzt. Wahrscheinlich werde ich nur eine kleine Erkältung bekommen und das war es.“

Ich lachte leise, auch wenn diese Realität alles andere als zum Lachen war.

„Selbst bei meiner Geburt... Weißt du, meine Mom ist Epileptikerin. Sie hatte mit mir also eine Risikoschwangerschaft. Schon alleine, weil sie starke Medikamente nehmen musste. Diese habe ich ja teilweise durch die Nabelschnur mitaufgenommen. Meine Mom erzählt mir immer, dass ich die ersten Tage nach meiner Geburt viel gebrochen habe. Die Ärzte haben ihr wohl erzählt, dass mein Körper das tat um mich zu entgiften. Und nun sieh mich an, Kerngesund und gewappnet fürs Leben, mehr oder weniger.“

Wirklich, ich musste eine Katze sein. Das waren schon mindestens vier Leben, die ich verbraucht hatte, wobei, mit dem heute fünf. Langsam musste ich wohl vorsichtiger sein.

„Heißt das, du hattest keine Angst zu sterben, weil du darauf vertraut hast, dass jemand dich rettet?“, fragte Dionysos schließlich und sah mich dabei an. Doch ich konnte nicht anders als zu lächeln.

„Ich hatte eine Scheiß Angst zu sterben. Was echt richtig seltsam ist. Sonst immer hatte ich den Wunsch nicht mehr in der Welt zu sein und plötzlich so im Angesicht des Todes, wollte ich nicht vom Leben lassen. Es gibt noch so einiges was ich tun möchte. Noch dazu muss ich Shizanas Geburtstagsgeschenk fertig bekommen, was wiederum bedeutet, dass ich vor ihrem Geburtstag wieder Zuhause sein muss. Und dank euch drein, kann ich das. Es gibt also, einen kleinen Funken Hoffnung, dass sie ihr Geschenk pünktlich bekommt.“

Und wieder waren meine Gedanken bei anderen gewesen. Eine Spirale, die sich wohl irgendwie durchzog. Warum dachte ich so oft an andere, in den bescheidensten Situationen? Schon seltsam. Und doch... Vielleicht war das auch eine gute Seite an mir. Das ich eben nicht durch und durch egoistisch war.

„Danke, Dio. Danke, dass ihr mich gerettet habt. Ich verspreche, ich werde mich irgendwie revanchieren.“

Vorsichtig lehnte ich mich an Dionysos und atmete tief ein. Ja, ich konnte mich auf die Götter verlassen und doch wusste ich, würde ich auch weiterhin die Last der Welt auf meinen Schultern tragen, oder vielmehr die Verantwortung für unsere kleine Reisegruppe.
 

Dionysos gab mir genug Zeit, einigermaßen wieder zu Kräften zu kommen und den Schlafyukata trockenen zu lassen. Auch wenn er immer noch klamm an meinem Körper hing und ich mich schon auf die Sachen freute, die mir die Jungs gekauft hatten, war es doch besser als Hades abgerissenen Toga-Teil zu tragen und so mehr gegenüber Dionysos zu offenbaren, als ich eigentlich wollte.

„Schade, ich werde diesen Anblick vermissen“, scherzte der Gott der Fruchtbarkeit und kam in den Genuss von mir in die Seite geknufft zu werden.

„Würdest du bitte aufhören so vulgär zu sein? Du bist echt unmöglich.“

Auch wenn man Dionysos wirklich für einen feierwütigen Lustmolch halten konnte, so hatte er doch in der kurzen Zeit unserer Zweisamkeit bewiesen, dass er durch und durch anständig war. Er hatte mir immer brav ins Gesicht gesehen und sich weggedreht, als ich in den Yukata geschlüpft war. Ich hatte ihn also Unrecht getan, als ich dachte, dass er wirklich nur an das eine dachte und gleichzeitig hatte ich ihn vollkommen richtig eingeschätzt. Er war mehr als das, was er so offen zeigte. Und das allein machte ihn wieder charmant.

„Ihr könnt also fliegen... Echt erstaunlich. Würde man euch in ein Heldenoutfit stecken, würdet ihr glatt als Superhelden durchgehen.“

Da ich im Gegensatz zu den Göttern nicht fliegen konnte und mir sicherlich auch nicht plötzlich Flügel wuchsen, klammerte ich an Dionysos, der mich fest im Arm hielt und den etwas abgeklungenen Sturm trotzend in Richtung von Shizukus und Reijis Haus flog.

„Nah, wir stehen nicht so auf diese Unterwäsche-über-Kleidung Sache.“

Es kostete mich einiges an Beherrschung, denn so locker wie Dionysos der Satz über die Lippen gekommen war, wirkte er einfach nur belustigend, wenn nicht sogar in seiner Einfachheit albern. Aber gut, Recht hatte er, eine Toga und halb nackt sein war ja um so vieles besser als angezogen die Unterwäsche über der Hose zu tragen.

„Da fällt mir ein... Was ist mit Reiji und Shizuku? Sind sie nicht etwas misstrauisch geworden, als ihr plötzlich einfach so verschwunden seid?“

Da war ja was. Wenn die Jungs einfach so verschwunden waren, hatte das sicher Fragen bei Reiji und Shizuku aufgeworfen. Die Frage war nur noch, wie man das erklären wollte, ohne das die Jungs in ihrer Götterform aufflogen.

„Sie haben sogar gesehen wie wir aufgebrochen sind. Shizuku rief uns auch nach, dass wir gut auf dich aufpassen sollen, wenn wir dich gefunden haben. Sie schien nicht einmal sehr überrascht darüber zu sein, dass wir keine Menschen waren.“

Nachdenklich sah ich zu Dionysos. War Shizuku wirklich nicht überrascht? Wahrscheinlich nicht. Sie war gut darin etwas zu spüren, oder Dinge wahrzunehmen, die anderen Menschen verborgen blieben.

„Die Augen täuschen uns eben doch über die Wahrheit hinweg...“, wisperte ich leise. So etwas in der Art hatte Shizuku mal zu mir gesagt. Wahrscheinlich hatte sie es einfach gespürt. Oder viel mehr auf ihre Art gesehen.

„Scheint wirklich so. Wir werden es den beiden erklären, wenn wir wieder da sind.“

Ich nickte zaghaft, denn irgendwie fragte ich mich immer noch, wie wir das den beiden erklären sollten, ohne dass sie uns sauer waren. Wir hatten die Wahrheit schließlich teilweise verdreht, da es schlicht unklug war damit zu hausieren, wenn man ein Gott war oder nicht.

„Was meinst du, ist da ins Meer gefallen?“, fragte ich schließlich, als wieder etwas Stille zwischen uns eingekehrt war. Ich hatte das Gefühl, Dionysos noch ganz viele Fragen zu stellen, auch wenn ich nicht ganz so wusste, wie ich sie stellen sollte. Zum Beispiel, warum er Apollon gefolgt war. Er hatte keinen Grund dazu, da wir kaum miteinander zu tun gehabt hatten und so wichtig konnte es ihm nicht sein, dass ich seinen Wein probierte.

„Gute Frage. Vielleicht finden wir es raus.“

Vielleicht... Das war wirklich nicht gut. Es gab zu viele Vielleichts auf unserer Reise. Vielleicht würden wir Takeru finden, vielleicht würde er eine Lösung zu unserem Rätsel bereit halten, vielleicht würde Thoth irgendwann wieder mit mir reden... Eindeutig zu viele Vielleichts. Und ich hasste jedes einzelne, denn als Kundenbetreuer bekam man eingebläut, dass wir verbindlich sein sollten. Vielleichts durfte es da nicht geben.

Deprimierter drückte ich mich an Dionysos. Ich hasste Vielleichts. Genauso sehr wie ein Nein. Damit konnte ich einfach nicht umgehen. Zumindest nicht so gut, wie man es von mir erwartete.
 

Auch wenn Dionysos mir gesagt hatte, dass Shizuku und Reiji nun wohl um ihre wahre Identität wussten, hatte er sich dazu entschieden, es nicht zu sehr herauszufordern. Etwas weiter von dem Haus entfernt, war er gelandet und führte mich durch den nassen Sand, in dem meine Füße immer wieder versanken, wodurch es mir schwerer fiel, mich vorwärts zu bewegen. Dionysos bemerkte das und blieb immer wieder stehen, um mir die Zeit zu geben, zu ihm aufzuholen.

„Willst du wirklich in deiner Götterform vor Shizuku und Reiji treten?“, fragte ich, schwer atmend, denn jeder Schritt fiel mir schwer. Ich erkannte deutlich, dass Dionysos nur darauf wartete, dass ich ihn um Hilfe bat, doch er hatte schon weiß Gott genug getan, als das ich mich weiter auf ihn verlassen konnte.

„Du hast wahrscheinlich Recht, allerdings... haben sie uns gesehen wie wir in sie gewechselt sind...“, merkte Dionysos mit einem ernsten Blick an, der mich dazu zwang, stehen zu bleiben. Wenn sie es sowieso wussten, warum hatte er dann soviel Entfernung zwischen unserem Landeplatz und dem Haus der Beiden gehalten?

„Warum, sind wir dann hier?“

Meine Frage kam mir vorsichtig über die Lippen und scheinbar war sie Dionysos unangenehm genug, dass er seinen Blick von mir wandte und weiterging. Etwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.

„Ich wollte noch etwas mit dir reden. Wegen...“ Dionysos hielt inne und seufzte. Wahrscheinlich merkte selbst er, dass es nicht gut war, wenn er um den heißen Brei herumsprach.

„Hast du Gefühle für Thoth-sensei?“ Kaum, dass mir bewusst wurde, was seine Worte genau bedeuteten, spürte ich einen Hauch der Verlegenheit in mir aufsteigen. Wenn Dionysos schon so direkt fragte, konnte das doch nur bedeuten, dass mein Verhalten Thoth gegenüber falsch verständlich gewesen wäre. Was hatte ich getan, dass man meinen konnte, ich sei auffällig und hätte Gefühle für Thoth.

„Was? Nein, nein nein nein! Das verstehst du falsch. Vollkommen falsch. Ich... Er war halt der erste Gott mit dem ich reden konnte. Oder meinst du nun auch gleich, dass ich Gefühle für Apollon habe, nur weil ich mit ihm gekuschelt habe?“

Ich und Gefühle für Thoth? Niemals. Ich war ein Anubis Fangirl, auch wenn man mir das wohl im Moment nicht anmerkte, weil es mit ihm schwer war zu reden. Gefühle für Thoth, das war doch lächerlich. Wie sollte sich das überhaupt anfühlen?

„Aber du behandelst Apollon nicht wie Thoth-sensei. Du siehst ihn nicht an wie Thoth-sensei, du leidest nicht so sehr wegen ihm, wie du es bei Thoth-sensei tust. Solltest du also Gefühle für ihn haben, dann kannst du mich gerne um Rat fragen.“

Wie schaffte es Dionysos nur, so ein peinliches Thema einfach so abzuklären, ohne verlegen zu werden. Mich brachte allein der Gedanke aus dem Konzept, dass da etwas wie Gefühle sein könnten. Oder viel mehr verunsicherte mich die Frage, ob das denn möglich war.

„Red nicht so einen Unsinn, Dio. Ich und Thoth... also wirklich. Da ist es wahrscheinlicher, dass ich für Apollon Gefühle entwickle.“ Ich wusste nicht, ob Dionysos das verstand, weswegen ich an ihm vorbei ging. Ich wollte diesem Gespräch aus dem Weg gehen. Darüber nachzudenken war mit Sicherheit nicht gut und es würde auch nichts gutes dabei herauskommen, soviel war mir klar.

„Wir sollten weiter, Shizuku und Reiji machen sich sicher schon Sorgen. Außerdem muss ich mich noch bei ihnen wegen ihrem Boot entschuldigen.“ Auch wenn ich das Boot bis eben vollkommen verdrängt hatte, fiel es mir auf einmal wieder ein. Was war eigentlich aus dem Boot geworden? Wie sollte ich den beiden nur erklären, dass ich es verloren und noch dazu das Ruder zerbrochen hatte?

Auch wenn meine Gedanken sich gerade wieder auf Reiji und Shizuku fokussierten, wurde ich doch von Dionysos aus eben diesen gerissen, indem er mich am Handgelenk packte und mich dabei ernst ansah. So kannte ich Dionysos gar nicht und wenn ich ehrlich war, machte es mir doch etwas Angst.

„Und damit sind wir bei Punkt zwei angekommen, weswegen wir reden müssen. Ich weiß nicht, ob es dir auffällt, oder nicht... Aber... Verdammt wie sag ich es am besten.“

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als Dionysos so ernste Worte nutzte und scheinbar mit sich rang. Ich spürte die Panik, die immer in mir aufstieg, wenn mein Teamleiter mit mir sprechen wollte. Diese Angst und Nervosität, die mich förmlich anschrie weglaufen zu wollen. Doch ich blieb tapfer und sah Dionysos an, wobei mein Hirn mir befahl etwas zu sagen, denn das herum gedruckse von Dionysos machte die Sache nur noch schlimmer.

„Sag es dann nicht, wenn du nicht weißt, wie du es am besten sagen sollst...“, wisperte ich mehr durch den sich legenden Sturm und entzog meine Hand Dionysos.

„Du machst dich selbst kaputt!“ Als hätte meine Handlung ihn nun dazu genötigt, es doch so direkt wie möglich zu sagen, sprudelte es aus Dionysos heraus, wobei es in mir nur neue Fragen aufwarf. Was meinte er damit?

„Keine Ahnung wie du das meinst, aber wenn du das so siehst...“ Es war mein Sturkopf und mein Stolz, der mir verbot weiter nach zu bohren. Und teilweise auch die Angst, dass mir die Antwort nicht gefallen würde.

„Die meiste Zeit drehen sich deine Gedanken um andere. Genauso rennst du einfach mal so auf ein Boot um einen Gott zu retten. Wann denkst du auch mal an dich?“ Ein stummer Vorwurf klang aus Dionysos Stimme. Mal davon abgesehen, dass er mir schon eine Standpauke wegen Anubis gehalten hatte, war das doch jetzt unnötig. Hatte er Recht?

„Das tue ich viel zu oft. Du kennst mich nicht, also sage nicht, dass ich mich damit kaputt mache. Ich habe genug Menschen mit meinem Egoismus kaputt gemacht und es werden wohl noch viele weitere folgen, wenn ich nicht damit aufhöre.“

Bitter dachte ich an die Freunde zurück, die ich wegen meiner kindischen und egoistischen Taten verloren hatte. Von denen ich nicht einmal bemerkt hatte, wie mein Verhalten sie verletzt oder gar zur Verzweiflung getrieben hatte. Dionysos wusste nichts über mich. Er hatte mich noch nicht richtig kennengelernt, denn gerade dieses Verhalten, dass andere verletzte... es ruhte wie eine tickende Zeitbombe in mir.

„Könnten wir jetzt bitte zurück gehen... Es ist etwas kühl.“ Als wollte ich meine Worte unterstreichen, rieb ich mir mit meinen Händen über die nackten Arme und lief weiter in die Richtung, in der wohl Shizukus und Reijis Haus sich befand.
 

Erleichterung machte sich in mir breit, als ich endlich das sichere Häuschen von Shizuku und Reiji erblickte. Bis vor wenigen Stunden hatte ich nicht mehr daran geglaubt, es wieder zusehen. Im Gegenteil. Ein unerträglich grausames Gefühl hatte mir gesagt, dass ich weder das Haus noch die Götter wiedersehen konnte. Doch nun stand ich hier und es fühlte sich an, als würde ich nach Hause kommen. Dennoch war da diese Unsicherheit in mir, ob ich einfach so klopfen konnte. Mein Blick war starr auf die Holztür gerichtet und meine Hand zögernd in der Luft. Klopfen oder nicht klopfen, dass war hier die Frage. Doch plötzlich, ging eine Faust an mir vorbei und nahm mir die Antwort ab, indem sie gegen das Holz schlug und laut ankündigte, dass wir vor der Tür standen. Verunsichert richtete ich meinen Blick auf Dionysos, der mich, trotz unseres Gespräches anlächelte. Er hatte mir eine Entscheidung abgenommen und damit schon wieder mehr getan als eigentlich notwendig. Ich hasste es.

„Da bist du ja!“

Erschrocken fuhr ich zusammen, als ich mit einem Mal eine Umarmung spürte. Ich wandte mich zu der Person, die mich umarmte und erkannte Shizuku, die mich fest an sich drückte und damit nur deutlich machte, was für Sorgen sie sich um mich gemacht hatte. Schon seltsam, wenn man bedachte, dass wir einander erst kennengelernt hatten. Vorsichtig erwiderte ich diese Umarmung und strich über Shizukus Rücken. Sie musste sich schrecklich gefühlt haben. Vielleicht hatte sie in mir sogar so etwas wie eine Tochter gesehen und der Gedanke, dass Ayane so etwas hätte passieren können... Es musste ihr schwer zugesetzt haben.

„Es ist alles gut, Shizuku. Susanno-o hat schützend über mich gewacht“, wisperte ich und rang mir ein Lächeln ab.

Ich konnte nicht verhindern, dass selbst mir Tränen über die Wangen liefen, denn erst jetzt wurde mir wirklich bewusst, dass ich das ganze überlebt hatte und wie nahe ich an der Schwelle des Todes gestanden haben musste. Es war als würde eine kleine Last oder eher ein riesiger Brocken von meinen Schultern fallen und als konnte ich nun wirklich etwas ruhen.

„Komm rein. Du musst doch frieren. Der Yukata ist auch ganz nass. Du duschst am besten schön warm und ziehst dir dann trockene Sachen an, ich mache dir einen Tee.“

Mit mütterlicher Fürsorge, zog mich Shizuku ins Innere des Hauses, wo auch schon Reiji mit einem Lächeln auf uns wartete. Ihn schien nicht einmal zu interessieren, warum Dionysos noch immer halbnackt herum lief und das bei diesem Wetter. Ein Blick zu dem Gott verriet mir sogar, dass er nicht einmal fror, was schon beneidenswert war. Vielleicht hatten Götter ein anderes Wärmeempfinden.

„Du kannst deinen Freunden wirklich danken, dass sie so schnell gehandelt haben, wer weiß, wie das ganze sonst ausgegangen wäre“, erklärte Reiji zur Begrüßung, wobei seine Worte nicht wie ein Vorwurf klangen. Sowohl für mich nicht, als auch für die Götter nicht, die die beiden in dieser Hinsicht ja belogen hatten.

„Ich weiß, aber es gibt keine Worte, die diesen Dank auch nur irgendwie angemessen ausdrücken würden...“, erklärte ich und sah zu Dionysos, der sich von uns drei abgewandt hatte und stattdessen direkt zum Wohnzimmer ging, in dem wohl noch Thoth und Anubis waren.

„Reiji, es tut mir leid, wegen deinem Boot. Selbst wenn es nicht untergeht, ich habe das Ruder wohl aus versehen kaputt gemacht.“

Das Boot, natürlich war für mich das Boot gerade wichtiger. Auch wenn das dämlich klang, aber es war so gesehen alles meine Schuld gewesen. Selbst wenn es Anubis gewesen war, der in einem Anflug aus Panik das Wohnzimmer verwüstet hatte, so war ich es doch erst gewesen, die Anubis soviel menschliche Nähe zugemutet hatte. Wäre ich niemals einverstanden damit gewesen, dass wir Shizukus und Reijis Haus besuchten, er wäre niemals draußen alleine geblieben. Dann wäre er auch nie panisch geworden und hätte letzten Endes nicht das Boot als seinen Fluchtort gewählt. Noch dazu hatte ich mit meinem Versuch nicht zu kentern wirklich das Ruder zerstört.

„Mach dir doch keine Sorgen um das Boot. Das kann man ersetzen, aber dein Leben, deine Existenz, die kann niemand ersetzen. Niemand kann die Leere füllen, die du hinterlassen würdest, wenn dir etwas passiert wäre.“

Reijis Worte waren logisch. Natürlich konnte keine andere Person eine andere ersetzen. Das war mir in Bezug auf anderen Bewusst. Niemand konnte Plüschi, Rizumu oder Kiba ersetzen und doch... war ich einfach so ersetzt worden. Im Bezug auf anderen, war das wahr. Ich würde niemals Yui ersetzen können, oder eine andere geliebte Person, aber mich... es war einfach mich auszutauschen. Mich durch eine andere Person zu ersetzen und so zu tun, als wäre ich niemals von irgendwem der Bestandteil des Lebens gewesen. Zumindest aus meiner Sicht.

Schweigend sah ich Reiji an, unsicher, ob ich sagen sollte, was mir durch den Kopf ging oder nicht. Sicher würden die beiden mich vergessen, sobald ich nicht mehr da war. Ebenso die Götter.

„Wahrscheinlich hast du Recht, Reiji...“, wisperte ich und zwang mich zu einem Lächeln, während ich mit einem Kloß im Hals kämpfte. Ich durfte ihnen keine Sorge bereiten, weswegen ich einfach lächelte.

„Darf ich vor dem Duschen Anubis sehen?“
 

Ernst sah mich Thoth an, als ich vor ihm stand. Er und Anubis hatten sich ins Gästezimmer zurückgezogen, wo der junge Ägypter scheinbar zur Ruhe kommen sollte. Auf mein Klopfen an der Tür, war schließlich Thoth herausgekommen, mit einem nassen Handtuch im Arm.

„Geht es Anubis gut?“

Thoths Blick hatte mir genug gesagt, weswegen ich einfach sofort auf dem Punkt kam, was ich hier wollte. Mein kleines Abenteuer schien den Gott des Wissens nicht im geringsten gestört zu haben, anders als die Tatsache, dass Anubis so aufgebracht und aufgeregt gewesen war. Er war eben doch so etwas wie eine Vaterfigur für den jungen Gott.

„Er hat sich etwas beruhigt“, antwortete Thoth kühl. Wenn Worte Eisdolche warfen, dann tat er es soeben und das mit aller Präzision, denn ich hätte schwören können, dass ein stummer Vorwurf für alles das was passiert war, in Thoths Stimme lag. Zu Recht.

„Darf ich ihn kurz sehen und vielleicht mit ihm reden?“

Irgendwie fühlte sich diese ganze Situation falsch an. Wenn Thoth Anubis' Ziehvater war, dann war ich wohl gerade der schlechte Einfluss der darum bat, noch einmal mit dem braven Jungen zu spielen, den man ungewollt oder gewollt verzog. Ersteres wäre eher mein Stil gewesen.

„Mach es kurz, ihr beide braucht Ruhe...“

Ihre Beide? Hatte Thoth mich eben eingeschlossen und damit so etwas wie Fürsorge für mich präsentiert? Ich war mir nicht ganz sicher, nachdem seine Blicke eher dazu neigten mir links und rechts eine Ohrfeige zu geben. Zumindest aus meiner Sicht. Dennoch war ich erleichtert, Anubis sehen zu dürfen, weswegen ich mit einem kleinen Lächeln durch die Tür trat, die Thoth für mich öffnete.

Weit in die Ecke zurückgezogen, mit einer Decke über seinen Kopf, saß Anubis. Er wirkte noch etwas aufgeschreckt, doch seine Ohren zuckten, als er die Tür hörte. Sofort sah er auf und unsere Blicke begegneten einander.

„Hey, Anubis.“

Vorsichtig ging ich auf den jungen Ägypter zu, blieb aber einige Meter vor ihm stehen und ging in die Hocke. So waren wir auf Augenhöhe. Ebenbürtig, auch wenn Anubis mir nicht ebenbürtig war, als Gott und das hatte Dionysos mir nur zu gut verdeutlicht.

„Ich bin froh, dass es dir gut geht. Es tut mir leid, dass du wegen mir das alles durchmachen musstest. Wenn ich das wieder gut machen kann, mach es mir deutlich, ja? Und wenn du willst, dass ich bleibe wo der Pfeffer wächst, sag es ruhig, ja?“

Ich lächelte tapfer und versuchte Anubis so zu sagen, dass alles gut war. Das er keine Angst zu haben brauchte. Doch mir war gleichzeitig auch klar, dass er kein Wort von dem verstand, was ich ihm sagte. Es musste doch einen Weg geben, dass wir irgendwann einander verstanden, wenn Worte diese Macht nicht besaßen.

„Bara...“, nuschelte Anubis leise und hob zitternd seine Hand, um mit einem Finger meine Wange zu berühren. Kaum, dass er aber bemerkte, dass er mich wirklich berührte, zog er seine Hand wieder zurück und in seinen Augen leuchtete etwas erleichtertes auf. Hatte er sich etwa Sorgen um mich gemacht?

„Siehst du, alles okay“, erklärte ich lächelnd, als wollte ich damit seine eigene Feststellung, von der ich nicht einmal wusste, was es für eine war, unterstreichen. Immerhin, es ging Anubis gut. Eine Nacht Schlaf und er würde wieder quickfidel sein.

„Ruh dich noch etwas aus. Morgen sehen wir uns wieder.“

Thoth hatte Recht. Anubis brauchte seine Ruhe. Genauso wie ich. Wobei meine Ruhe aus etwas anderem bestand.

Noch einmal winkte ich Anubis zum Abschied, bevor ich das Zimmer verließ um kurz in Ayanes Zimmer zu gehen und dort das Buch und die Stifte zu holen, die mir Apollon und Hades geschenkt hatten. Nach dem Duschen bräuchte ich dringen etwas um den Kopf freizubekommen. Noch dazu brauchte ich meine trockenen Sachen.
 

Die warme Dusche tat wirklich gut, auch wenn sie all die Sorgen und den Kummer in meinem Herzen nicht davon spülen konnte. Dionysos hatte gesagt, dass ich zu selten an mich dachte... da lag er falsch. Ich dachte nur an mich. Als ich die drei bat mitzukommen, war das ebenfalls aus egoistischen Gründen geschehen, genauso wie die Tatsache, dass ich Thoth angeschrien hatte. Alles purer Egoismus. Und aus diesen Egoismus heraus hatte ich Anubis in diese, für ihn unangenehme Situation gebracht. Deswegen hatten Shizuku und Reiji ihr Boot verloren... Alles wegen meinem Egoismus.

Ich atmete tief ein und stützte mich mit den Armen etwas an der Dusche ab. Selbst meine Angst, dass Thoth mich verlassen konnte, oder die anderen, alles egoistisch. Ich musste diese Gedanken loswerden, irgendwie, denn sonst vergraulte ich sie nur. Ich verließ mich zu viel auf sie, war zu abhängig von ihnen.

„Erenya-chan?“

Ich zuckte zusammen, als Shizukus Stimme so plötzlich hinter mir im Bad erklang. Ich sah auf und blickte über meine Schulter, wo sie stand und mir Handtücher auf die Ablage neben meine Sachen legte.

„Tut mir leid, ich beeile mich“, antwortete ich und griff zu dem Wasserhahn, der mit wenigen Bewegungen das Wasser stoppen lassen konnte.

„Nein, nein. Lass dir Zeit, Liebes. Ich wollte nur kurz mit dir reden. Wegen dem, was ihr uns erzählt habt. Reiji und ich machen euch keine Vorwürfe, dass ihr uns nicht die Wahrheit erzählt, aber wir machen uns Sorgen um dich. Ein Mädchen unter Göttern, das kann nichts gutes bedeuten.“

Auch wenn es klar gewesen war, dass nach Apollons, Hades' und Dionysos' überstürzten Aufbruch die beiden ihre wahre Identität erkannt hatten, überraschte es mich, dass Shizuku es nun doch so offen vor mir ansprach, dabei aber in keinster Weise überrascht klang.

„Der Aufbruch der Jungs muss euch wirklich überrascht haben...“, gab ich zu bedenken und seufzte leise, was dank der laufenden Dusche nicht zu hören gewesen war.

„In keinster Weise. Wären sie nicht freiwillig losgezogen, hätte ich sie dazu gezwungen.“ Nun war ich es, die überrascht wurde. Denn das was Shizuku sagte, klang doch glatt danach, als hätte sie das alles bereits gewusst.

„Einen Augenblick, Shizuku...“ Ich drehte hastig das Wasser ab und trat aus der Dusche, woraufhin Shizuku mir ein Handtuch reichte. So zielsicher, so selbstbewusst, dass man es nicht merkte, dass sie wirklich blind war.

„Überrascht? Ich sagte dir doch, unsere Augen täuschen uns über die Wahrheit hinweg. Deine und Reijis Aura, sie ist anders, als die deiner Freunde. Sie haben etwas hoheitsvolles. Etwas, dass ich immer im Tempel sehe, wenn wir ihn besuchen.“

Natürlich, Shizuku konnte man nichts vormachen. Das hätte mir früh genug klar sein sollen und doch, ich hatte es einfach nicht beachtet, das Gespür einer Blinden, die sehen konnte.

„Dir kann man wirklich nichts vormachen. Es tut mir leid, dass wir nicht ehrlich zu euch waren. Aber eine Frage, hat Reiji es bemerkt?“

Das war die einzige Unsicherheit die ich hatte. Wenn Reiji es als Sehender bemerken würde, war es sicher auch für andere Menschen durchschaubar und dann musste ich dringend ein ernstes Wörtchen mit den Jungs reden.

„Erst als Dionysos-san ihn unter den Tisch getrunken hat. In der Regel verträgt Reiji einiges, aber Dionysos-san verträgt ja soviel, dass man ihm sein Angetrunken sein nicht anmerkt, oder er nie betrunken wird.“ Shizuku lachte leise. Also war immerhin Dionysos der Grund dafür gewesen, dass sie aufgeflogen waren. Gut. Solange es nicht im nüchternen Zustand passierte war alles in Ordnung.

„Danke, dass ihr uns nicht böse seid, Shizuku.“

Es war aufrichtige Dankbarkeit für das Pärchen, die ich empfand. Sie bohrten immerhin nicht weiter in unserer Geschichte, obwohl sie nach all der Lügen ein gutes Recht darauf hatten. Und wahrscheinlich brannte es Shizuku auf der Seele, die Wahrheit zu erfahren.

„Darf ich dir etwas erzählen, von dem die Jungs nichts wissen dürfen?“, fragte ich Shizuku schließlich und sah sie an. Ich musste mich einfach einem Menschen mitteilen. Jemanden, der nicht göttlich war und so vielleicht meine Verwirrung auch verstehen konnte.

„Du kannst dich mir ruhig anvertrauen, Erenya-chan.“

Während ich mich in das Handtuch eingewickelt hatte, hatte sich Shizuku es sich zur Aufgabe gemacht, meine Haare trocken zu reiben. Sie hatte mich dafür auf einen kleinen Hocker im Bad gesetzt und sich hinter mir platziert.

„Ich kenne die Jungs in Wahrheit. Wo ich herkomme, habe ich sie auf Bildern und in einer Serie gesehen. Weißt du, ich glaube, ich stamme nicht aus dieser Welt. Irgendwie. Ich hab wirklich keine Ahnung, warum ich bei Thoth und Anubis gelandet bin, aber da ich sie kenne und sie in meiner Welt fiktional sind, können sie nicht real sein, oder?“ Ich hielt inne, als ich mir bewusst machte, was diese Worte in Bezug auf Shizuku und Reiji bedeuteten. Wenn die Götter nicht real waren, dann waren es diese beiden auch nicht. Und doch spürte ich sie so nahe bei mir.

„Meine Welt... eure Welt... das verwirrt mich alles. Aus meiner Sicht ist das alles nicht real und dennoch nehme ich es so real wahr, dass ich nicht akzeptieren kann und will, dass dies hier alles nicht echt ist. Ich meine, ich wäre beinahe gestorben und das hat sich für mich schon sehr real angefühlt. Was ist... wenn ich diejenige bin, die nicht real ist? Wenn ich einfach verschwunden wäre... Was wenn meine geglaubte Realität nur ein Abbild ist und ihr alle die Figuren seid, die vor einer Kerze ihre Schatten, von denen ich glaube, dass sie real sind, auf eine Wand werfen...“

Das Höhlengleichnis. Auf einmal erschien es mir so greifbar. Was, wenn ich wirklich aus meiner Höhle gekrochen war, um zu erkennen, dass alles was ich glaubte für real halten zu können, es nicht gewesen war und das, was ich für nicht real hielt, es doch war? Nur wie sollte ich das herausfinden, wenn sich alles das, die Schatten oder Nicht-Schatten auf einmal so real anfühlten?

„Warum redest du nicht mit Thoth darüber? Er macht mir einen sehr klugen Eindruck.“

Thoth. Natürlich hätte ich ihn fragen können. Aber ich wollte nicht und war obendrein noch unsicher.

„Er würde nur sagen 'Unsinn' und mir erklären, wie dumm ich bin“, konterte ich daher Shizukus Vorschlag und seufzte. Ja, wahrscheinlich würde Thoth genau das machen. Oder er würde schweigen und mir nicht sagen, worüber er nachdachte. Damit wäre meine Frage auch nicht beantwortet.

„Mh... vielleicht aber auch nicht... Fest steht, wenn du alleine darüber nachdenkst, kommst du nicht ans Ziel. Das beste an Freunden und Familie ist immer, dass sie wie du ein Individuum sind und jeder von ihnen die Dinge mit anderen Augen sieht. Wenn man sich also jemanden anvertraut, hat man die Möglichkeit seinen eigenen Horizont zu erweitern und so Antworten auf seine Fragen zu bekommen.“

Wie lange würde es nur dauern, bis ich so weiße werden würde wie Shizuku? Das was sie sagte ergab wirklich Sinn. Und doch... es passte nicht zu mir.

„Vertrauen ist nicht gerade meine Stärke.“

„Und doch vertraust du mir gerade. Vielleicht vertraust du mehr Menschen, als du selbst wahrnimmst.“ Irgendwie hatte Shizuku Recht. Ich vertraute ihr, genauso wie ich Shicchi vertraute, oder Franzi. Wahrscheinlich vertraute ich zu vielen Menschen und machte mich damit zu abhängig von ihnen. Eine Abhängigkeit die ich mir nur ungern eingestehen wollte.

„Es ist nicht falsch anderen zu vertrauen, Erenya-chan. Das bedeutet nur, dass dir diese Personen wichtig sind und dass sie dir auch vertrauen können. Miteinander wird man so stärker und wächst über seine Grenzen hinaus. Natürlich nur, wenn man das zulässt. Man sollte immer im Auge behalten, dass man alleine niemals alle Widrigkeiten im Leben überstehen kann. Manchmal braucht es eben einen Partner, der für einen die Welt malt, oder einen an die Hand nimmt.“

Das Handtuch, mit welchem Shizuku mir die Haare trocken gerieben hatte, entfernte sich von mir, genauso wie Shizuku, die um den Hocker herum ging und mir ein Lächeln schenkte. Ihre Worte, waren eine Reflexion ihrer Beziehung mit Reiji. Er hatte ihre Welt gemalt, sie wieder sehend gemacht, obwohl sie blind war und sie vertraute ihm.

„Danke, Shizuku. Es tut wirklich gut, mit dir reden zu können.“

Auch ich bemühte mir ein Lächeln ab. Eigentlich, hatte mir das Gespräch helfen sollen, doch irgendwie hinterließ es nur noch mehr Fragen in mir. Vertraute ich den Jungs? War das der Grund, warum ich sie dabei haben wollte? War es dann wirklich purer Egoismus gewesen, dass ich sie gefragt hatte, uns auf unserer Reise zu begleiten? War Vertrauen selbst, dann vielleicht Egoismus in einer reineren Form?
 

Shizuku hatte mir wirklich einen Tee gemacht und obwohl sie darauf bestanden hatte, dass ich mich in Ayanes Zimmer wieder zur Ruhe legte, war ich runter ins Wohnzimmer gegangen, wo Dionysos auf der Couch saß und mich ernst ansah.

„Erenya, du solltest dich ausruhen...“, setzte er sofort an, doch ich hob meine Hand, in der ich das Schreibbuch hielt und lächelte.

„Werde ich. Keine Sorge. Ich schreibe hier unten etwas, solange wir gemeinsam auf Apollon und Hades warten.“

Während ich mich umgezogen hatte, hatte ich entschieden, dass ich auf die beiden Götter warten wollte. Immerhin musste ich mich noch bei ihnen dafür bedanken, dass ich noch lebte. Entschlossen sah ich Dionysos an, hoffend, dass er verstehen würde, dass er mir das nicht mehr ausreden konnte. Stur wie immer eben.

„Sicher, dass du nicht lieber schlafen solltest, statt zu schreiben?“

Ich seufzte, als Dionysos seine Zweifel so offen kund machte. Natürlich wäre Schlafen von Vorteil gewesen, aber mit Sicherheit hatte ich dann Albträume, die ich nicht wollte, sodass ich sowieso nicht ruhig hätte schlafen können.

„Mir hilft das Schreiben, okay? Vorher kann ich wohl sowieso nicht richtig schlafen. Bitte, Dio. Lass mich hier mit dir warten.“

Vielleicht war es mein Drängen, oder eher die Tatsache, dass ich ihn förmlich anbettelte, aber Dionysos gab nach und erhob sich von der Couch, um sie mir gänzlich zu überlassen. Er stattdessen setzte sich auf einen Stuhl.

„Versuch wenigstens etwas zu schlafen, wenn du fertig bist.“

Ich nickte dankbar, auf die Bedingung, die mir Dionysos stellte. Etwas zu schlafen sollte ja drin sein, solange ich hier warten und Hades und Apollon begrüßen durfte, wenn sie wiederkamen.
 

Als sie zu sich kam, spürte sie den weichen Sand unter ihren Finger. Sand? Wann war sie an den Strand gegangen? Seltsam. In ihrem Kopf drehte sich noch alles und ihre verschwommenen Erinnerungen wurden langsam wieder klar. Sie war auf dem Weg nach Hause gewesen, in einer Großstadt, fernab eines Strandes. Und doch war sie hier. Sie erinnerte sich genau an den Sturm der gewütet hatte. Mit einem eher belustigten Gedanken hatte sie an den Zauberer von OZ gedacht und sich eine Närrin gescholten, weil sie eben keine Dorothy war oder auch nur annähernd in einem kleinen Farmhaus wohnte, dass wohl wesentlich gemütlicher gewesen wäre als ihre kleine Zwei-Zimmerwohnung, die ihr eher das Gefühl gab in einer kleinen Sardinenenbüchse zu leben. Wobei wohl selbst Sardinen ein besseres Leben in ihrer Mehrsamkeit hatten als sie. Sie war ein einfacher, gescheiterter Single, der in einem Job lebte, den er hasste. Und doch war dieser Job ihr Einkommen, ihr Unterhalt, ihre Lebensgrundlage, die sie davon abhängig machte immer zu lächeln, nett zu allen zu sein und sich von der Gesellschaft wie den letzten Dreck behandeln zu lassen. Abends hingegen, lag sie dann in ihrem Sardinenbett und verfluchte dieses ganze Leben, das für sie hassenswert war. Sie wünschte sich dann, nicht mehr in dieser Welt leben zu müssen. Was in keinster Weise ein Ausdruck von Lebensmüdigkeit war. Vielmehr wollte sie weg, in eine andere Welt, dahin wo sie ein Abenteuer leben konnte.

Doch das waren alles Fantasien. Illusionen. Und nun war sie hier, im Sand, der feucht unter ihr zur gefährlichen Falle werden würde, wenn sie sich nicht bald aufrappelte.

Ihre Glieder schmerzten, als sie sich erhob und hinter sich blickte, wo nichts weiter als das offene Meer war. Möwen flogen über den klaren Himmel, während die Meereswellen an die sie umgebenden Klippen schlugen und sich an ihnen brachen.

Als Stadtmensch, war man diesen Anblick nicht gewohnt. Der Strand, oder viel mehr das Meer waren für sie immer ein unerreichbarer Traum gewesen. Ein Wunsch, für den ihr mickriges Gehalt nicht reichte. Doch wie war sie hierher gekommen? Hatte man sie entführt?

Angestrengt dachte sie darüber nach, was in ihren Erinnerungen noch deutlich vorhanden war. Nein. Sie erinnerte sich nicht daran, dass man sie überwältigt hatte. Warum sollte man das auch tun? Ihre Kleidung zeigte doch schon mehr als deutlich, dass sie durchschnittlich war. Nicht vermögend aber gut genug verdienend, um zu leben. Das einzig wertvolle an ihr waren vielleicht die Ohrringe, die sie von ihrer Großmutter vererbt bekommen hatte und ihr Leben, aber niemand hatte etwas davon, wenn er es ihr stahl. Warum war sie dann also hier? Vor allem mit den Ohrringen ihrer Großmutter?

Ihr Blick glitt über die Weiten des Strandes. Hier gab es nichts. Kein Strandhaus, keine Boote und weiter hinter ihr schien auch nur ein weites Feld aus Wiese zu sein. Wie hatte man sie also in diese Pampa verfrachtet?

Ein Glück bist du wach, das ist ein großes Glück.“

Erschrocken fuhr sie zusammen, als so plötzlich hinter ihr eine Stimme ertönte. Da stand ein Mann, den sie zuvor nicht bemerkt hatte. Wo war er nur hergekommen? So verpeilt konnte sie doch nicht sein, dass sie ihn nicht bemerkt hatte.

Ich habe dich ins Meer fallen sehen und dich raus gezogen bevor du ertrunken bist, genau das habe ich getan, bevor es passierte.“

Der Mann mit dem langen blonden Haar, lächelte sie sanft an. Sie fand ihn seltsam, denn auf seinen Körper rankten verschiedene weiße Tätowierungen. Vielleicht ein Eingeborener? Nein, die sprachen sicher nicht ihre Sprache, noch dazu beantwortete es nicht ihre Frage, wo sie sich genau befand. Dennoch, sie war misstrauisch ihm gegenüber. Was, wenn er ein geisteskranker Entführer war, der sie von irgendetwas überzeugen wollte? Und dann wenn sie ihm glaubte, hatte er seinen Spaß daran ihr das Licht auszuschalten.

Dann wohl Danke...“, antwortete sie kurz angebunden. Wobei, vielleicht hatte er Recht. Ihre Jeans waren nass, ebenso der lange Mantel aus unechten Kaschmir. Der echte wäre vielleicht weniger undankbar gewesen und hätte sie nicht ganz so frieren lassen.

Schon in Ordnung, schon in Ordnung. So etwas gehört zu den Aufgaben eines Gottes. Mein Name ist Helios, genau das ist mein Name.“

Sie glaubte nicht, was der Mann da sagte. Er sollte ein Gott sein? Ein Gott sollte sie vor dem Ertrinken bewahrt haben? Nein, dass konnte unmöglich wahr sein.
 

Ich weiß bis heute noch nicht, wie ich das immer wieder schaffte, während des Schreibens einzuschlafen. Dabei sollte ich hoch konzentriert auf das sein was ich tat und doch glitt mein Geist dabei immer wieder in Morpheus Arme. Dennoch kämpfte sich auch dieses Mal mein Geist wieder aus seinem erholsamen Schlummer und zwischen den Grenzen des Wach-Seins und Schlafes, drangen zwei mir bekannte Stimmen in mein Bewusstsein vor.

„Apollon hat sich gemeldet und fragt, was wir als nächstes tun sollen. Sie haben ihn gefunden.“

Ich kuschelte mich, gegen das Wach-sein mich wehrend, tiefer in die Decke und lauschte der vertrauten Stimme Dionysos. Thoth hingegen schwieg und ließ Dionysos erst einmal die ganze Situation, von der nicht viel in mein Bewusstsein drang, erklären. Nur das sie IHN gefunden hatten, sickerte immer mehr in mein Bewusstsein und wurde zur fesselnden Kette. Ihn... Ihn... Ihn gefunden.

„Sollen wir ihr es sagen? Sie hat immerhin nach ihm gesucht.“

Sie hatte nach ihm gesucht? Sprachen sie von Yui? Nein. Yui war gar nicht da. Dann konnte es nur eines bedeuten. Sie sprachen hier von mir. Allerdings in der dritten Person und ziemlich unpersönlich, wahrscheinlich, weil sie sicher waren, dass ich schlief. Aber wen hatte ich gesucht?

'Takeru...'

Blitzartig und wie ferngesteuert schoss mein Körper in die Höhe. Endlich war ich wach. Das sie Ihn gefunden hatten, hatte mich endgültig aus meinen Träumen schrecken lassen.

Den Göttern war meine abrupte Bewegung nicht unbemerkt geblieben. Sie sahen mich beide an, während ich mir den letzten Schlafdreck aus den Augen rieb und gähnend streckte.

„Ihr habt ihn gefunden? Super. Ich muss dringend ein Wörtchen mit ihm reden. Thoth, darf ich mich von Dionysos zu ihm bringen lassen?“

Da Thoth immer noch so etwas wie der eigentliche Reiseführer war und er der Suche nach Takeru nicht hatte viel abgewinnen können, war es doch nur selbstverständlich, dass ich ihn fragte. Er hingegen verschränkte die Arme und würdigte mich keines Blickes. War das nun ein Ja oder ein Nein?

„Bist du sicher, dass du da noch mal raus willst, Erenya? Willst du dich nicht lieber noch etwas ausruhen?“ Dionysos war wirklich besorgt um mich. Aber andererseits klang es auch mehr danach, als wollten sie nicht, dass ich Takeru traf. Hatten ihm Apollon und Hades vielleicht noch mehr mitgeteilt außer, dass sie ihn gefunden hatten? Musste ich mich vielleicht erneut um mein Leben sorgen? War es wirklich klug den Gott treffen zu wollen, der einen dank seines Sturmes fast ertränkt hatte?

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Diese Reise hatte eindeutig zu viele Vielleichts und wenn ich jetzt kniff, würde ich einige davon nicht eliminieren können.

„Natürlich bin ich mir sicher. Ich habe diese Suche nach ihm nicht begonnen um nun einfach so zu kneifen. Da Thoth scheinbar nichts dagegen hat, bitte ich dich, Dio, bring mich zu ihm.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Irgendwie könnte man auf dieses Kapitel echt ein Trinkspiel machen. So oft wie das Wort "vielleicht" auftaucht. Mag es jemand versuchen?
Oh und... Wie oft war ich eigentlich in dieser FF schon nackt? Gar nicht darüber nachdenken ;___; Komplett anzeigen

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