Sterben kann so schön sein... von Erenya (... oder auch nicht) ================================================================================ Kapitel 8: Konfrontation ------------------------ Kaum dass sich die Türen hinter Thoth und Anubis geschlossen hatten, hatte sich Zeus erhoben und mir angewiesen ihm zu folgen. Es gefiel mir ehrlich gesagt gar nicht, alleine mit dem Göttervater des Olymps zu sein. Nicht nur weil er mit allen und jeden umsprang als konnte er es, sondern auch weil ich ihn einfach nicht einschätzen konnte. Was dürfte ich sagen, was nicht? Ich wusste es nicht. Zuvor hatte ich Thoth bei mir gehabt, der immer für mich eingesprungen war, wenn ich absolut nicht sicher wusste, was ich sagen sollte, doch Thoth war nicht da. Mir war demnach nicht ganz wohl dabei dem Göttervater einfach so in diesen einen Raum zu folgen. Ich fühlte mich wie ein Beutetier, dass nur den richtigen Moment abwartete um fliehen zu können. Doch diese Möglichkeit ließ mir Zeus nicht. Nicht in seinem Revier, dem Olymp. Das machte er mir nur zu deutlich klar, als die Tür des kleinen Raumes, den wir betreten hatten, hinter mir ins Schloss fiel und ein Klacken nur zu gut verlauten ließ, dass abgeschlossen war. „Die Ereignisse des letzten Tages müssen dich wirklich mitgenommen haben. Apollons Vision hat dir sicher auch noch zusätzlich zugesetzt. Selbst ein Gott würde das Wissen, dass Nichts in seiner Zukunft liegt, verunsichern.“ Mein Körper versteifte sich, als Zeus das Wort erhob und deutlich machte, dass er von Apollons Vision wusste, obwohl er selbst nicht zugegen gewesen war, als Apollon das „Nichts“ gesehen hatte, welches in meiner Zukunft lag. Woher wusste Zeus das also? Hatte Apollon ihm davon berichtet? Undenkbar war es nicht. Auch wenn es nicht den Anschein hatte, standen sich die beiden doch in gewisser Weise nahe. „Noch verängstigender muss es aber sein, den Sitz der Götter zu betreten und den Göttervater selbst belügen zu müssen, dass man nicht mehr zu den Lebenden gehört obwohl man bereits die Wahrheit kennt und weiß, dass der eigene Name nicht auf Hades Liste stehen wird.“ Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Woher wusste Zeus soviel? Hatte ich mich doch zu dämlich angestellt? Dabei hatte ich mich immer für eine akzeptable Schauspielerin gehalten. „Einen Lebenden umgibt eine besondere Aura, die man bei einem Toten nicht sehen wird.“ Wild schlug mein Herz mit jedem Wort, das Zeus sprach. Er schien mich von Anfang an durchschaut zu haben. Wozu waren dann all die Lügen gut gewesen, wenn Zeus sie ganz Gary-like, ohne mit der Wimper zu zucken durchschauen konnte? Ein Blick zu dem Gott, dessen goldene Augen scheinbar alles durchdrangen, ließ mich noch mehr erschaudern. Sie gingen tief in meine Seele und ich hatte plötzlich das Gefühl, vollkommen nackt vor ihm zu stehen. Auch wenn es in meinem Kopf wild arbeitete und ich bereits eine Ausrede nach der anderen erschuf, kamen mir die Worte einfach nicht über die Lippen. Zeus Ausstrahlung gebot es mir für den Moment nicht und ich schluckte jeden Gedanken runter, wartend darauf, was Zeus noch sagen und wissen würde. „Da wir nicht viel Zeit haben, möchte ich dennoch ein paar Fakten zu deiner Person prüfen. Du bist 27 und kommst aus Deutschland. Dein Name ist Erenya und deine Leidenschaft scheint dem Schreiben zu gehören.“ Wahrscheinlich nahm ich gerade in diesem Moment die Hautfarbe eines Zombies an, denn ich hatte nie ein Wort mit Zeus gesprochen und abgesehen von meinem Namen hätte er nicht alles mitbekommen dürfen. Ich hatte einiges Apollon erzählt und Dionysos. Selbst mit Hades hatte ich das ein oder andere Wort gewechselt, aber meist war Zeus nicht in unmittelbarer Hörweite gewesen. Woher wusste er also so viel? „Richtig...“ Es kostete mich Kraft und Mühe dem Göttervater zu antworten, auch wenn die Wut in meinem Magen rumorte, denn ich fühlte mich wie ein Spielball. Etwas, dass ich in Augen der Götter wohl wirklich war. Eine Spielfigur, klein und schwach. „Und doch... Ist das nicht alles. Du verbirgst etwas vor uns und ich will wissen was es ist.“ Mein Körper versteifte sich mehr, als die Worte Zeus mit dunkler, tiefer Stimme in mein Unterbewusstsein vordrangen. Natürlich gab es da das ein oder andere Geheimnis, dass ich sicher nicht ausplaudern würde. Was erwartete Zeus? „Mir ist aufgefallen, wie vertraut du mit meinem Bruder und meinen Söhnen gesprochen hast. Ich gehe davon aus, dass dasselbe auch auf Anubis und Thoth zutrifft, selbst wenn ihr schon eine Zeit länger unterwegs seid. Ich frage mich also, wieso?“ Er hatte es gemerkt. Etwas dass nicht einmal mir aufgefallen war. Ich hatte mich viel zu sehr auf die Jungs eingelassen und war ihnen wahrscheinlich gekommen, als den Menschen bei mir auf Arbeit oder in meiner Umwelt. Vermutlich lag es daran, dass sie mir durch die Serie so vertraut waren. Aber konnte ich das Zeus auf die Nase binden? „Es ist eben einfach mit ihnen zu reden. Sie geben einen nicht wie du das Gefühl, minderwertig zu sein... Ich konnte ihnen bisher ganz gut ebenbürtig gegenübertreten. Abgesehen von Thoth, bei ihm fällt es leicht weil..“ Gute Frage, warum fiel es mir so leicht mit Thoth zu reden? „... weil er mich einfach zur Weißglut bringt.“ War es wirklich nur das? Warum war es so leicht mit Thoth zu reden? Er war arrogant, unverschämt und nicht gerade das was ich als angenehmen Gesprächspartner ansah. Und doch war es einfach. „Was tut das überhaupt zur Sache? Natürlich habe ich Geheimnisse! Jeder Mensch hat das. Ich werde dir sicher nicht auf die Nase binden, dass ich sozial absolut nicht kompetent bin. Oder das ich mit zwei Puppen in meinem Bett schlafe, damit ich mich etwas besser fühle. Das geht dich absolut nichts an!“ Wahrscheinlich hätte ich mir den Kopf gegen die Wand geschlagen, wenn ich selbst mitbekommen hätte, was ich da gerade erzählt hatte. Denn gerade die Geschichten, die eigentlich nicht viele von mir wussten, hatte ich so einfach in einem Anflug der Panik ausgeplaudert. „Es gibt also auch nicht viele Menschen, mit denen du so leicht reden kannst?“ „Nein. Ich habe eben ein Problem mit Menschen, die ich nicht kenne!“ Ein zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf Zeus Lippen ab. Hätte ich auch nur eine Sekunde nachgedacht, hätte mich diese ganze Situation an Sokrates Hebammenkunst erinnert. Verdammt seien die Griechen, dass Sokrates ihnen gehörte. Verdammt sei die Tatsache, dass mein Studium mir zwar solches Wissen mitgegeben hatte, ich es aber nicht anwenden konnte, wenn ich damit konfrontiert wurde. „Mit Menschen die man kennt fällt es wohl wirklich leichter zu reden. Dasselbe trifft auch auf Götter zu. Nach der Reaktion meiner Söhne und von Hades, scheint dies aber eine einseitige Bekanntschaft zu sein. Würdest du mir bitte erzählen, woher du sie kennst?“ Zeus hatte mich in die Ecke gedrängt. Definitiv. Es gab für mich einfach keinen Spielraum mehr dieser Frage auszuweichen, außer mit grausamer Ehrlichkeit. Mit Sicherheit wusste Zeus genauso wie Thoth was über die Götter alles im Internet stand, oder in Büchern. So konnte ich mich also nicht rauswinden. „Aus dem Internet. Auch wenn man es nicht richtiges kennen nennen kann. Man könnte sagen, ich habe sie beobachtete, so halb von der fernen Nähe...“ Und doch war ich so dämlich und versuchte es damit. Sicher, es war keine Lüge, aber allein mein Wortlaut demonstrierte nur zu deutlich, dass ich mir unsicher war, ob Zeus mir das glauben würde. Ich selbst hätte mir zumindest nicht geglaubt und das wurde mir auch just in dem Moment bewusst, als ich mir klar wurde, was ich gerade gesagt hatte. Doch ich konnte Zeus doch nicht die grausame Wahrheit sagen. Ich war mir nicht einmal sicher, was diese Wahrheit war. „Ehrlich... Es tut mir leid, aber ich kann es nicht sagen. Ich weiß nicht wo ich bin, ob ihr real seid, ob ich real bin oder was ich hier soll. Als ich Anubis traf, dachte ich noch, dass ich tot sei, aber das bin ich ja augenscheinlich nicht. Dann bleibt dennoch die Frage wie komm ich her? Hat sich plötzlich ein Loch im Boden aufgetan, als die Decke über mich einstürzte, oder wurde ich weg teleportiert? Vielleicht liege ich ja auch im Koma und träume das alles nur. Ich hab echt keine Ahnung. Wie soll ich dir dann bitte sagen, was ich verheimliche und was nicht, wenn ich mir selbst nicht einmal darüber im klaren bin, ob es die Wahrheit ist oder nicht? Selbst wenn ich wollte, ich könnte dir nicht sagen was ich verheimliche, ohne nicht selbst noch mehr ins Zweifeln zu geraten, deswegen bitte ich dich... lass es. Die Antwort würde dich nicht zufrieden stellen.“ Es hatte mich gerade alles an Kraft gekostet, diese Worte zu formulieren, ohne zuviel auszuplaudern. Zuviel, über das ich mir selbst nicht sicher war. Logisch betrachtet war meine Anwesenheit hier, vor Zeus nämlich unmöglich. Kamigami no Asobi war ein Anime, ein Game, aber nicht real. Und doch... hatte ich Apollons Hand gehalten, Anubis Körper so nahe an meinem gespürt. Ich hatte mich beinahe mit roter Bohnenpaste umgebracht und in Milch und Honig gebadet. Das konnte doch nicht alles nur Einbildung sein, oder doch? Welche Realität war das hier? Meine, die der Götter? Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts, wie sollte ich da also dem Göttervater antworten, ohne mich selbst noch mehr zu verwirren oder weiter von dem eigentlichen Problem abzudrängen? Warum sollte ich darüber nachdenken wo ich hier war, wenn ich nicht wusste wodurch, oder wieso? „Dachte ich es mir...“ Zwischen all den konfusen Gedanken, die mit einem Mal die Oberhand ergriffen, hörte ich Zeus Murmeln, dass mich zurück in meine momentane Realität führte und an das Gespräch von Zeus und Thoth erinnerte. Zeus wusste also wirklich etwas. Und er weigerte sich, Thoth an seinem Wissen teil zu haben. Dabei dachte ich wirklich, dass sie so etwas wie Freunde waren, doch in Wahrheit war Thoth für Zeus wohl nur eine weitere Spielfigur. „Thoth hatte Recht, du weißt mehr als du zugibst. Warum willst du ihm dann nicht helfen?“ Die Verzweiflung ebbte ab und machte der Wut Platz, die ich immer noch nicht abgelassen hatte. Doch Zeus antwortete nicht einmal auf meine Frage. Im Gegenteil, er sah mich geduldig an, als wartete er darauf, dass ich dieser Wut Luft machte. Oder war er einfach nur zu sehr von sich selbst eingenommen, dass er einer Sterblichen nicht Rede und Antwort stehen musste? „Sag was! Warum hilfst du Thoth nicht, wenn er Hilfe gerade benötigt? Bist du schon so Weltfremd als Göttervater, dass es dir egal ist, ob einer deiner Freunde Hilfe braucht? Hast du vergessen, dass es hier um ein Menschenleben geht? Ich will mir ja nicht einbilden, dass ich so besonders wäre, dass du als Gott mir helfen musst, weil ich eben keine Fähigkeiten haben, aber an meiner Stelle könnte jeder andere Mensch der Welt stehen. Sind wir dir so egal, dass du dich weigerst auch nur einen Finger krumm zu machen, um uns aus so einer Notsituation zu helfen? Ist das wirklich zu viel verlangt? Der einzige, dem ich wahrscheinlich vertrauen kann, aktuell ist Thoth. Und ich hasse es, dass ich ihm in keinster Weise helfen kann, dieses Problem zu lösen. Er hat versprochen mich nach Hause zu bringen, wenn er das Problem gelöst hat, aber wenn er weiter so im Trüben fischt, komme ich wahrscheinlich niemals wieder nach Hause. Auch wenn ich mein Leben teilweise hasse, sind da aber doch noch genug Gründe zu Hause, warum ich zurück will. Z.B. meine Freunde und meine Familie. Und natürlich meine Wünsche und Träume, die ich doch schon gerne mal erreichen würde, irgendwann und irgendwie. Ehrlich ich verstehe diese ganzen Gottesgläubigen nicht, die sich so an euch klammern und meinen ihr würdet sie von allem Leid erlösen. Ich habe noch nie dieses göttliche Wunder gesehen, dass auch nur irgendeinen Menschen von seinem Leid erlöst hat. Alles was ich sah, waren menschliche Wunder. Menschen die einander helfen, sich die Hand reichen und dafür sorgen, dass kleine Wunder doch noch geschehen und der Glaube an sie nicht verloren geht. Wenn ihr Götter so über super seid und besser als wir Menschen, warum seid ihr dann nicht fähig einander die Hand zu reichen und zu helfen, wenn ein Freund in Not ist? Zeigt doch wenigstens einmal, dass ihr besser als wir verdammten Menschen seid und zeigt was von eurer Perfektion! Oder seid ihr im Endeffekt nicht mehr als Menschen die einfach mal besondere Kräfte bekamen?“ Zweifel aus den Jahren meines Lebens machten sich breit. Ich hatte als Jugendliche häufiger über die Götter nachgedacht. In den Texten wurden sie immer als etwas besonderes beschrieben, doch wenn man sich die reale Welt ansah, mit all seinem Leid, dann kam man ins Zweifeln. Was erwarteten die Götter von den Menschen? Oder erwarteten wir Menschen zuviel von den Göttern? Wenn man wirklich jeden Text über sie las und interpretierte, erkannte man, wie menschlich sie waren. Sie betrogen einander, liebten einander und litten selbst. Mit diesem Wissen, mit diesen Ansichten, verloren sie alles an Göttlichkeit. Zurück blieben Menschen mit besonderen Fähigkeiten, aber nicht mehr. „Gerade weil Thoth mein Freund ist...“, antwortete Zeus ruhig, obwohl ich gedacht hatte, dass meine unüberlegte Wut, vielleicht seinen Zorn geschürt hatte. Seine Antwort war leise, aber doch machtvoll in der Tonalität wie er sie ausgesprochen hatte. „Weil er dein Freund ist, willst du ihm nicht helfen?“ Das war doch absurd. Einem Freund half man doch. Vor allem dann, wenn er in Not war. Und Thoth war gerade in Not. Zumindest wäre er niemals so wütend gewesen, wenn da nicht ein Funken Verzweiflung sich gemischt hatte. Er, Thoth war immerhin der Gott des Wissens. Etwas nicht zu wissen, wenn Zeus es aber wusste, musste wirklich hart sein. „Jeder von uns, Götter wie Menschen, hat seine Grenzen. Obwohl Thoth wirklich alles Wissen der Welt besitzt, ist er im Augenblick, wegen dieses Rätsels, an seine Grenze gelangt.“ „Und gerade du als Freund, solltest ihm dann zur Seite stehen!“ Ich zuckte zusammen, denn kaum, dass ich erneut forderte, dass Zeus Thoth ein guter Freund war, erhob er sich von seinem Platz. Als hätte er gemerkt, dass mir gerade diese Form, diese Haltung von ihm einen Schrecken einjagte, nahm er seine kindliche Form an. Seine harten Gesichtszüge wurden weicher, fast schon liebenswürdiger. Ebenso wurden seine Augen aufrichtiger, vielleicht hatte ich diese Aufrichtigkeit aber nicht zuvor gesehen. „Schwesterchen...“ Jetzt kam er mit im Shota-Outfit auch noch so. Wieso? Nahm er das ganze nicht ernst? „Alles im Leben braucht seine Zeit. Ein Mensch braucht Zeit zu wachsen. Thoth brauchte Zeit um alles Wissen zu sammeln. Apollon brauchte Zeit um über seine Trauer hinwegzukommen. Hades brauchte Zeit um sich zu öffnen... Anubis wird noch Zeit brauchen um das menschliche Herz und die Herzen anderer Götter zu verstehen. Ob Gott oder Mensch, wir unterliegen alle Chronos Gesetz. In dieses Gesetz einzugreifen, hat noch nie zu positiven Ergebnissen geführt.“ „Das mag ja alles schön und gut sein, aber was hat das bitte damit zu tun, dass Thoth gerade an seine Grenzen gekommen ist? Was hat das damit zu tun, dass du ihm nicht hilfst?“ Ich hatte das Gefühl, dass Zeus auch mir nicht alles sagen wollte. Er versuchte sich regelrecht davor zu drücken, ehrlich und offen alles zu sagen. „Warum setzt du dich so für Thoth ein, obwohl du weder zu seiner Kultur gehörst, noch an Götter im allgemeinen glaubst?“ Die Frage Zeus' klang viel eher danach, als wollte er das Thema wechseln, doch wieder einmal gelang es ihm, dass ich mich von den ursprünglichen Gedanken abhalten ließ und meine Gedanken auf Thoth fokussiere. Seine Frage war gut, warum setzte ich mich so für Thoth ein? „Weil er mich nach Hause bringen wollte...“, antwortete ich leise und sah zu Zeus. Natürlich, Thoth hatte mir versprochen mich nach Hause zu bringen, aber war das alles? „Und weil...“ Mein Kopf hatte nun endgültig ausgesetzt und allen Emotionen Platz gemacht, die in irgendeiner Weise in mir brodelten. „Ich will ihm helfen. Auch wenn ich halt nicht viel kann. Ich möchte... dass er dieses Rätsel löst und zufrieden damit sein kann. Es würde ihm als Person ja nichts bringen, wenn er unzufrieden mit sich selbst ist. Und wenn er meint, dass Antworten von dir der Weg sind, dann will ich ihm helfen, das er diese Antworten bekommt.“ „Und der einfache Weg würde ihn glücklich machen und wäre für dich auch richtig?“ Der einfache Weg? Wäre es wirklich der einfache Weg, wenn Zeus ihm das sagte? Wäre Thoth dann zufrieden? Er war schon ziemlich zielstrebig und es störte ihn etwas nicht zu wissen. Irgendwie war er sogar sehr menschlich auf die Art, wie er Antworten forderte. Es gab viele Menschen, die dann aber damit nicht zufrieden waren. Mit dem einfachen Weg. Es war immer ein besseres Gefühl, wenn man über seine eigene Grenzen ging und daran wuchs. War es das? Wollte Zeus, dass sein Freund an diesem Rätsel wuchs? „Ich kenne Thoth leider nicht gut genug um zu wissen, ob es ihn glücklich machen würde, den einfachen Weg zu gehen. Ich kann also nicht sagen, ob richtig oder falsch wäre.“ Ich konnte es wirklich nicht sagen. Ich kannte weder Zeus noch Thoth wirklich. Auch wenn ich wohl von Thoth schon mehr Ahnung hatte, wie er wohl tickte. Er war immerhin besorgt und hatte mich sogar in Ägypten gesucht. Was also, wenn er auf einmal alle Antworten hatte? Würde das Thoth helfen? Wären damit alle Widrigkeiten aus dem Weg geschafft? „Okay, Zeus, gehen wir davon aus, dass Thoth der einfache Weg, die Antwort auf das Rätsel auf dem Silberteller, nicht glücklich macht. Was soll ich dann hier? Das hättest du ihm sicher auch ganz gut unter vier Augen klar machen können. So verbohrt ist er dann auch nicht.“ Ich verschränkte die Arme und sah Zeus ernst an. In der Tat, da war doch sicher nicht der Grund warum ich hier stand und nicht Gott. „Weil es hier um dich geht und nicht um Thoth. Warum bist du hier? Was willst du?“ Es ging nicht um Thoth? Sicher, es ging auch um mich, aber warum stellte mir Zeus sollte Fragen? Ich war hier im Olymp, weil Thoth mich mitgenommen hatte. Und warum ich hier war, woher sollte ich das wissen, wenn nicht einmal Thoth das wusste. „Jetzt kommst du mir mit genau den Fragen, die ich hasse... Ich bin bisher lediglich Thoth gefolgt. Mehr nicht. Ich hab doch keine Ahnung was er hier will... oder warum ich überhaupt hier bin.“ Es war deprimierend. Ich hasste es, auf solche Fragen keine Antwort zu finden. Was wollte ich hier? Warum war ich hier? Mich hatte eine Decke erschlagen, war das nicht Antwort genug? Gut ich wusste nicht wieso ich hier war... „Denk daran, dass es gerade nur um dich geht. Warum bist du hier und was willst du?“ Erneut wiederholte Zeus seine Fragen. Fragen auf die ich doch keine Antwort hatte, über die ich auch nicht wirklich nachgedacht hatte. Wahrscheinlich, weil es mir schwer fiel. Nur schon über diese Fragen nachzudenken, fegte meinen Kopf leer. Genauso wie mir mein Kopf immer leer gefegt wurde, wenn ich über die Warums und Wiesos und Was' meines Lebens nachdachte. „Ich hasse dich...“, murrte ich leise und wandte mich von ihm ab, so dass ich ihn nicht ansehen musste. Dass diese Worte nicht ganz der Wahrheit entsprachen, musste er ja nicht wissen. „Warum ich hier bin? Ich weiß das noch nicht... Schicksal würde ich meinen. Aber was ich will? Ich weiß nicht. Ich wünsche mir typische Mädchensachen. Die große Liebe, meinen Traumjob, von dem ich nicht mal weiß, ob er wirklich so traumhaft wäre. Aber wirklich wollen...“ Ich dachte angestrengt nach. Was wollte ich hier? Keine Ahnung. Ich war ja wirklich nur Thoth gefolgt. Ohne Wissen, ohne Wünsche, ohne eine Ahnung. „Es gibt viel was ich will. Ich will Menschen glücklich machen, dafür schreibe ich. Ich will Menschen helfen, deswegen arbeite ich in meinem Job, auch wenn ich ihn vermutlich hasse... Ich will Thoth helfen. Ich will auch gerne Anubis näher kennenlernen und ihn verstehen. Irgendwie würde ich auch gerne von Dionysos Wein probieren., denn eigentlich liebe ich Wein und Dio hat sicher ein paar gute Tropfen, die er empfehlen kann. Irgendwie will ich sogar... naja auch wenn das absurd klingt, weil er einfach ein Idiot ist, etwas Zeit mit Apollon verbringen. Und ich will Hades ein Lächeln entlocken, so ganz ohne Erdbeerdaifuku. Da gibt es wirklich noch viel mehr was ich will. Ich will mehr von dieser Welt sehen, auch wenn ich genauso gerne so schnell wie möglich nach Hause will. Das ist alles was ich sagen kann. Wenn das nun nicht die Antwort auf deine Frage ist, dann tut es mir leid, aber im Augenblick kann ich mir nicht mehr vorstellen, was ich wollen könnte.“ Mein Blick war starr auf Zeus gerichtet, der nun wieder seine erwachsene Form annahm und schweigend darüber nachdachte, was ich gesagt hatte. Die Stille die er damit hinterließ, war aber unangenehm, da ich nicht wusste, ob ihm meine Antworten nun genügten oder nicht. „Nichts geschieht ohne Grund...“ Verwundert sag ich zu Zeus, der plötzlich die Stille durchbrach und seine Gedanken laut äußerte. Er bemerkte, dass seine Worte Verwunderung bei mir auslösten, wahrscheinlich, weil dieser Ausdruck mehr als eindeutig zu lesen war bei mir. „Das du zu Anubis und Thoth gekommen bist und wir jetzt hier reden, ist sicher nicht ohne Grund passiert. Allerdings ist mir dieser Grund noch nicht im vollen Ausmaß klar. Deswegen, so wie du mir aus Unsicherheit heraus nicht alles sagen kannst, kann ich das auch nicht. Dennoch, werde ich dir, so gut es geht helfen, damit du wieder nach Hause kommst.“ Zeus wollte mir helfen? Diese Tatsache war doch überraschend. Hatten all seine Fragen nur den Sinn gehabt, mir in irgendeiner Weise helfen zu können? Einer die für mich ideal war? „Ich bin mir sicher, dass du deinen Weg zurückfinden wirst.“ Ich wusste nicht, ob ich Zeus hassen sollte oder nicht. In seinem Blick lag so etwas wissendes, dass einfach unerträglich war. Wie gerne hätte ich dieses Wissen besessen, so wie er es tat, aber wahrscheinlich war es gut unwissend zu bleiben. Wenigstens für diesen Moment. Denn dadurch konnte ich den Göttern näher sein als in meinen Träumen. „Wie dem auch sei, ich hatte euch bereits gestern empfohlen, den Olymp frühst möglich zu verlassen. Du solltest also alles was du brauchst zusammen sammeln. Und vielleicht magst du ja noch mit dem ein oder anderen reden. Hades wird erst zum Mittag in sein Reich zurückkehren können.“ Erneut lag auf Zeus Lippen dieses Lächeln. Hatte er mir eben einen Hinweis gegeben? Wollte er mir sagen, dass ich genug Zeit hatte, um mich von Hades und den anderen Göttern zu verabschieden? „Thoth hat Recht, ein Spätzünder...“, gab Zeus belustigt von sich preis und entlockte mir ein entrüstetes: „Hey!“ Wenn sich dieser Spitzname noch durchsetzte, warf das kein all zu gutes Licht auf mich. So schlimm war meine Auffassungsgabe doch nicht. „Ein Ausflug würde Apollon, Dionysos und Hades sicher gut tun.“ Zweifelnd hob ich eine Augenbraue. Warum sagte Zeus das? Sollte ich seine Söhne und seinen Bruder einfach mitnehmen? Wobei, wenn er ihnen so einen Ausflug könnte... vielleicht konnte ich sie dann ja mal fragen, vorausgesetzt ich traute mich. Nach dem Gespräch mit Zeus war der Göttervater mit mir zurück zu Thoth und Anubis gegangen, die wirklich vor den Toren des „Thronsaals“ gewartet hatten. Das zu sehen, ließ mir einen Stein vom Herzen fallen, der mich gleichzeitig auch mit den Tränen kämpfen ließ und mit dem Zwang auf beide zuzugehen und sie zu umarmen. Das wäre einfach nur zu peinlich gewesen. Vor allem vor Zeus. „Was hat er dir erzählt, Spätzünder?“ Vollkommen überrascht von Thoths wirklich stürmischer und aufgebrachter Begrüßung, wich ich zurück und stieß dabei gegen Zeus. Einen kurzen Moment spürte ich dabei eine schwache, elektrische Ladung durch mich fahren, weswegen ich erneut die Richtung wechselte. „Thoth... Wir sollten noch einmal miteinander reden. Dieses Mal wirklich ungestört unter vier Augen.“ Der Ton den Zeus' Stimme annahm, machte mich verlegen. Wahrscheinlich hatte er mit Thoth wirklich noch mehr reden wollen, dank meiner und Anubis' Lauschattacke, war dies aber nicht mehr möglich gewesen. „Wartet hier!“, befahl Thoth. Es war deutlich, dass er immer noch mies gelaunt war und ich hoffte, dass ich seine Laune nach dem Gespräch, welches ihm nun bevorstand, vielleicht bessern konnte. Als arroganter, allwissender Gott war er schon unangenehm, aber wenn er so wütend war, mutierte er zu einer tickenden Zeitbombe. „Keine Sorge. Wir gehen nicht ohne dich“, versuchte ich die Atmosphäre etwas aufzulockern. Natürlich war klar, dass wir ohne ihn nicht gehen konnte. Er war unser Reiseleiter und der einzige Gott, den ich verstehen konnte. Etwas erleichternd ließ ich meine Schultern hängen, als sich Thoth entfernte und Zeus in die Richtung folgte, aus der ich mit dem Göttervater gekommen war. Dieses Gespräch würde garantiert ungestört laufen, das wusste ich ja nun aus Erfahrung. „Ka bara...“ Ertappt zuckte ich zusammen als ich hinter mir plötzlich Anubis Stimme hörte. Der junge Gott sah mich erwartungsvoll an, als hoffte er, dass ich ihm sagen würde, was ich mit Zeus besprochen hatte oder als wüsste ich, was Zeus noch mit Thoth zu bereden hatte. „Frag nicht mich... ich hab keine Ahnung“, antwortete ich. Anubis schien das verstanden zu haben, oder er war einfach nur enttäuscht darüber, dass er mich nicht verstand und er glaubte, dass etwas informatives in meinen Worten gelegen hatte, und wandte sich von mir ab. Wirklich, alleine mit Anubis zu sein, war schon nicht leicht. Noch dazu war Thoth nicht gerade der angenehmste Gesprächspartner auf Zeit. Wenn nur ein zwei Götter bei mir wären. Wen hätte ich dann vorgezogen? Hades. Ja mit Hades konnte man gut reden, allerdings musste ich befürchten, dass seine negative Einstellung auch schon mal ins negative bei mir schlagen konnte. Ich selbst neigte nicht gerade wenig dazu, in eine depressive Stimmung zu fallen. Am Ende gab sich Hades dann noch die Schuld und das würde mich nur noch depressiver machen. Mit Apollon hingegen hätte ich keine Zeit depressiv zu werden. Und wenn gelang es dem sonnigen Gemüt sicher, mich irgendwie aufzumuntern. Eine schätzenswerte Eigenschaft an Apollon, auch wenn er teilweise wirklich nervig war. Aber mit Sicherheit konnte man das übersehen, wenn dann noch sein Bruder dabei war, der einen mit Wein abfüllte, so dass die Welt schon viel bunter erschien. Nicht das ich scharf darauf war als Alkoholleiche zu verenden, aber Dionysos hatte mich neugierig gemacht. Ich wollte schon gerne mal von seinen Weinen probieren. Als Gott der Fruchtbarkeit musste er definitiv viel von seiner Arbeit verstehen und von der Kelterei. An sich konnte ich ja alle drei fragen, ob sie mit wollten. Zeus hatte zumindest gesagt, dass ein Ausflug ihnen gut täte. Sicherlich war das seine Art zu sagen, dass der Olymp auch kurzzeitig ohne die drei auskam. Die Frage war nur, traute ich mich zu fragen? Oder viel mehr, würde Thoth erlauben, dass wir noch ein paar Begleiter mitbekamen? „Anubis~“, fing ich an und sah zu dem Gott, der bei seinem Namen aufsah und mit den Ohren zuckte, so dass der Stoff seiner Kopfbedeckung etwas knitterte. „Hast du was dagegen, wenn wir ein paar... Freunde von Thoth mitnehmen?“ An sich hatte ich nur nach „Freunden“ fragen wollen. Doch so gesehen waren die drei Götter ja noch keine Freunde von mir. Vielleicht würde das werden, vorausgesetzt Thoth hatte nichts dagegen und ich traute mich zu fragen. „Bara?“ Eine klare Antwort, die keine war. Super. „Wusste ich es doch, dass du nichts dagegen hast.“ Mir war klar, dass Anubis nichts verstanden hatte und es kam schon so rüber, als wollte ich ihn veralbern, aber mit Sicherheit hätte ihm ein engerer Umgang mit anderen Göttern auch gut getan. Er war immerhin in derselben Schule gewesen wie die anderen drei, doch zu Gesicht bekommen hatte er sie selten. Hätte er seine Chance wahrgenommen, wären sie vielleicht Freunde geworden. Er hätte andere Götter verstehen gelernt und... Meine Gedanken stockten. Vielleicht konnte ich Thoth meine Entscheidung so mitteilen. Freunde waren für jeden wichtig, sicher auch für Anubis. „Wenn Thoth es erlaubt, lernst du sie kennen. Das macht dir sicher Spaß.“ Ich lächelte etwas. Wollte ich nur eine Ausrede? Oder wollte ich Anubis wirklich Freundschaften beschaffen. Ich wusste es nicht. Vielleicht war es ein bisschen von beiden. Da ich seit dem Tag zuvor jegliches Zeitgefühl verloren hatte, wusste ich nicht wie viele Minuten vergangen waren, bevor Zeus und Thoth wieder zu uns kamen. Gefühlt waren bereits Stunden vergangen. Dennoch, Thoth war wieder da, damit war auch unsere kleine Gruppe vollständig. Erwartungsvoll sah ich Thoth an, der allerdings wortlos an mir vorbei lief und stattdessen Anubis seine ganze Aufmerksamkeit und Stimme widmete. „Wir gehen...“, erklärte er kurz angebunden und ein fragender Blick von mir zu Zeus, stellte die stumme Frage, was los war. „Du...“ Ich zuckte zusammen, als Thoth kurz angebunden, mit einem machtvollen Wort meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er war bereits weiter gegangen, nur Anubis hielt inne und sah mich an. Thoth hatte es also nun doch eilig zu gehen und egal was er und Zeus besprochen hatten, seine Laune schien noch schlechter zu sein als zuvor. Dennoch... ich wollte Thoth etwas fragen. Nur war die Frage, ob ich es mich noch traute. Denk daran, dass es nur um dich geht. Das hatte Zeus zu mir gesagt. War es falsch, Thoth einfach zu fragen. Unter diesen Umständen wollte ich natürlich noch weniger mit dem Gott des Wissens alleine sein. „Thoth? Uhm... Hättest du was gegen ein paar... Reisebegleiter?“ Ich war etwas schneller auf Thoth zugegangen und hatte die Frage laut und deutlich formuliert. Doch Thoth antwortete nicht. „Ich meine, wenn du was dagegen hast... also... vielleicht wäre das für Anubis gut... du weißt schon naja...“ Ich stotterte mir etwas zurecht und bekam plötzlich Angst vor der Antwort oder davor, dass Thoth weiter schwieg. „Mach was du denkst...“, grummelte er kurz angebunden, ohne mich anzusehen. Doch diese Antwort reichte. „Danke! Ich werde sie holen. Wir treffen uns... am Tor. Ich verspreche mich zu beeilen!“ Noch einmal versuchte ich irgendwie einen Satz, oder einen Blick von Thoth zu entlocken, doch er zeigte mir stattdessen schweigend die kalte Schulter und lief weiter, als hätte ich nie etwas zu ihm gesagt. Die Frage war, was hatte Zeus Thoth gesagt, dass dieser so verstimmt war? War er nun sauer auf mich? Hatte Zeus ihm etwa erzählt, was ich über Thoth alles gesagt hatte? Hoffentlich nicht, dann wäre es ja kein Wunder gewesen, wenn er mich nun so anschmollte. Doch gleichzeitig, war das hier nicht der richtige Moment über Thoths Stimmungsschwankungen nachzudenken. Ich musste die drei auserwählten Götter finden und sie irgendwie überzeugen, dass ich sie wirklich gerne bei mir hätte, so als Stütze oder, in Apollons Fall, als Stimmungskanone. Die Frage war nur, wo ich die Götter fand und ob ich mich auch wirklich alleine im Olymp zurecht kam und mich nicht hoffnungslos verlief. Vielleicht hatte ich Glück und traf auf einen weiteren Gott, der mir dann helfen konnte. Doch gerade jetzt, da ich die Götter brauchte, waren sie einfach nicht hier. Schon seltsam, wenn man bedachte, dass der Olymp die Heimat der Götter war und es hier leergefegter war als Bankkonto kurz vor meinem Lohn. „Ich habe gehört, dass das Menschenmädchen heute geht.“ Wie ein brummen, drangen die tiefen Worte des Basses Hermes an meine Ohren. Wer hätte den Götterboten da nicht erkannt? Und scheinbar war er auch noch in einem angeregten Gespräch mit jemanden. Neugierig näherte ich mich dem Ursprung der Stimme und lugte um die Ecke einer Säule. Da schwebte er, Hermes, zusammen mit Dionysos. Volltreffer. „Sie geht? Ohne sich zu verabschieden?“ Verwunderung und ein Hauch Enttäuschung war aus Dionysos Stimme zu hören. Hatte ich mich ihm gegenüber etwas so präsentiert, dass er wirklich glaubte, dass ich nicht wenigstens auf wiedersehen sagen würde? „Zeus hat angeordnet, dass sie frühst möglich gehen. Da bleibt nicht viel Zeit für große Abschiedsreden.“ Wahrscheinlich war ich wirklich alles andere als positiv rüber gekommen. Aber immerhin konnte ich nun beweisen, dass sie sich irrten, weswegen ich hinter der Säule hervor trat und auf die beiden zuging. „Als ob ich gehen würde ohne mich zu verabschieden.“ Die beiden Götter sahen verwundert zu mir auf und ich legte ein Lächeln auf meine Lippen. Immerhin hatte ich Dionysos schon einmal gefunden. Jetzt musste ich nur noch fragen, ohne zu egoistisch zu klingen. Doch mit Hermes in unserer Nähe fiel mir das nicht so leicht. „Thoth wartet am Tor auf mich. Ich wollte euch noch einmal sehen und naja...“ Mein Blick richtete sich zu Dionysos, dessen verwunderter Blick einem sanften Lächeln gewichen war. „... mit dir reden...“, beendete ich meinen Satz und hoffte, das Bassstimme Hermes den Wink mit dem Zaunpfahl verstand. „Ich muss dann mal. Habt eine sichere Reise.“ Hermes hatte ihn verstanden. Ohne ein Wort des Abschieds, flatterte der kleine Mann in die Richtung, aus der ich gekommen war und ließ mich mit Dionysos alleine. Jetzt, da ich vor dem Gott der Fruchtbarkeit stand und ihn wahrscheinlich zum letzten Mal sah, wurde mir bewusst, was ich schon mit ihm erlebt hatte. Es waren zwar nur kurze Gespräche, aber da war doch eine Sache, die nicht ganz so ideal gelaufen war. „Uhm, Dio... Also wegen der Sache mit Hades Liste... Es tut mir leid. Das war ganz und gar nicht fair von mir. Ich wusste zu dem Zeitpunkt bereits, dass ich noch lebe und demnach nicht auf Hades Liste stehe. Aber, ich wollte nicht, dass du dich in eine Sache verrennst wegen Anubis, der nicht einmal in der Lage ist zu verstehen, warum du so wütend bist. Sollte er deinen Saft geklaut haben, hat er es nicht böse gemeint und wenn er es wirklich war, dann hat er es nur getan, weil dein Saft ihm wirklich geschmeckt hat. Sonst hätte er es nicht getan.“ Einen kurzen Moment hielt ich inne und sah Dionysos in die Augen, der plötzlich ernster geworden war. Wenn es um Saft und Wein ging, war er eben nicht zu Scherzen aufgelegt. „Ich hätte auch gerne wirklich deine Weine probiert, denn ich mag Wein, vor allem die fruchtigen. Aber hier im Olymp ist es nicht ideal wenn ich irgendetwas esse und trinke. Ich will immer hin irgendwie doch nach Hause kommen und...“ Das war meine Chance. Der Moment, der darüber entschied, ob Dionysos mit uns reisen würde oder nicht. Von Zeus hatte ich die Absolution seine Söhne zu kidnappen. Doch würde man ihn nicht hier brauchen? Auch wenn es hier nur um mich ging, konnte ich doch nicht so egoistisch sein, oder? Dionysos bemerkte mein stocken und lächelte erneut. Er ging einige Schritte auf mich zu und legte mir sanft seine Hand auf den Kopf und streichelte diesen, als wäre ich wirklich eine Katze, der man einfach mal liebevoll zeigen wollte, dass man sie mochte. „Ist schon in Ordnung. Ich bin dir nicht böse. Und gegenüber dem Jungen, werde ich auch mein Versprechen halten. Pass bitte auf dich auf, auf deiner Reise, ja?“ Die Hand Dionysos' löste sich von meinem Haupt und ich erahnte bereits den Windzug, der entstehen würde, wenn Dionysos an mir vorbeilief. Wie aus Reflex griff ich daher seine Hand und sah ihn ernst an. „Willst du nicht mit ein paar deiner Weine mit mir auf Reisen gehen? Dann könnte ich sie probieren und du könntest mir zeigen, dass es auch gute, nicht fruchtige Weine gibt.“ Entschlossen sah ich Dionysos in die Augen. Auch wenn die erste Begegnung mit Dionysos in Natura nicht ideal gelaufen war, ich wollte noch nicht, dass er aus meinem Leben verschwand. Ich wollte mehr über ihn wissen und wirklich probieren, was er so kelterte. Auch wenn das eine egoistische Entscheidung war. Nur konnte ich nicht anhand Dionysos Blick erkennen, was er von dem Gedanken hielt, denn erneut hatte mein Tun ihn wohl so verwundert, dass er diesem Gefühl mit deutlicher Miene Ausdruck verlieh. Er überlegte kurz und schließlich, nach kurzer Zeit, wurde seine Mimik weicher. „Wir sehen uns dann nachher am Tor. Ich werde meine besten Weine mitnehmen.“ Es dauerte einige Sekunden, bis mir bewusst wurde, was Dionysos sagte und kaum, dass diese Erkenntnis bei mir zündete, erhellte sich mein Gesicht. „Komm nicht zu spät, Thoth würde uns das nie verzeihen.“ Ich war erleichtert. Den ersten meiner drei neuen Reisebegleiter hatte ich damit schon im Sack. Fehlten also nur noch zwei. Da ich nicht wusste, wo Apollon und Hades sich genau befanden, konnte ich nicht genau sagen, welchen der Götter ich am liebsten an zweiter Stelle rekrutiert hätte. Dionysos hatte sich zurückgezogen, aber ich wusste, dass wir uns am Tor wiedersehen würde. Wenn es nach mir ginge, hätte ich wohl Apollon als nächstes schnell hinter mich gebracht, weswegen ich mir schon zurechtlegte, wie ich diese Frage stellen würde, ohne ihn zu beleidigen oder als Idioten zu beschimpfen. „'Apollon... Hast du Lust auf einen Ausflug mit mir und den anderen?' Mh... klingt nicht wirklich nach mir... 'Apollon, …' Mir fällt nichts besseres ein.“ Zu mir selbst sprechend, legte ich mir einen Satz nach dem anderen zurecht, der nicht zu kitschig klang oder bei Apollon das Gefühl erweckte, dass ich ihn bei mir haben wollte, weil ich ihn brauchte. Das wäre definitiv nicht der Fall gewesen. Ich wollte ihn ja nur auf Reisen mitnehmen weil... er ein sonniges Gemüt hatte. Sicherlich konnte er damit die Stimmung ungemein aufheitern, oder ihr endgültig den Gnadenstoß geben, wenn er wieder unüberlegt vor sich her plauderte. Allerdings war letzteres eine Variante, bei der die Chancen 50:50 standen, dass es wirklich eintraf. „Wenn man mit sich selbst redet, bedeutet das, dass man sich auf die Klippen des Wahnsinns zubewegt.“ Erschrocken fuhr ich zusammen, als ich die mir vertraute, weibliche Stimme hörte, die zu der Göttin gehörte, die mich schon am Morgen zu Anubis geführt hatte. „Oh, du bist es Persephone...“, erwiderte ich, als ich realisierte, wer mich da angesprochen hatte. „Ich habe gehört du verlässt mit deinen Toyboys den Olymp. Warum läufst du also hier so gedankenverloren herum und führst imaginäre Gespräche mit Apollon?“ Toyboys? Hatte sie Thoth und Anubis wirklich als Toyboys bezeichnet? Was ging nur in Persephones Kopf vor? Was hatte sie von den Jungs und mir gesehen, was da gar nicht da war? „Ich hab von Zeus die Erlaubnis erhalten, Dionysos, Apollon und Hades mit auf Reisen nehmen zu dürfen, wenn sie wollen. Allerdings habe ich so meine Probleme damit direkt herauszufragen, ohne anmaßend zu klingen.“ War es wirklich nur das? Wollte ich Apollon gegenüber nicht anmaßend klingen? Bei Dionysos hatte es doch auch ganz natürlich geklappt, auch wenn ich etwas gebraucht hatte. Und bei Hades würde es sicher auch nicht schwer fallen, immerhin war es so leicht mit dem Trauerkloß zu reden. „Soso, du legst dir also wirklich einen eigenen Harem zu. Dann geht für dich ja ein kleiner Wunsch in Erfüllung.“ Mir schoss das Blut in die Wangen, als ich Persephones Worte hörte. Ich erinnerte mich nur zu gut daran, dass ich Anubis von diesem kleinen geheimen, aber doch sehr peinlichen Wunsch, erzählt hatte und ihre Wortwahl ließ darauf schließen, dass sie gelauscht hatte. „Du solltest einfach fragen. Mehr als nein sagen, können sie ja nicht. Und die drei gehören nicht zu den Männern, die einer Frau wegen einer kleinen egoistischen Frage den Kopf abreißen.“ Mit einem breiten Lächeln klopfte mir Persephone sanft auf die Schulter. Sicher würde mir keiner den Kopf abreißen, aber gerade vor diesem Nein fürchtete ich mich. Ein Grund, warum ich häufiger keine egoistischen Fragen stellte, meine Mutter hatte mir das in der Kindheit mit zu vielen „Nein“s verdorben. „Erenya? Persephone?“ Ein Blick über Persephones Schulter verriet mir, dass Hades wie aus dem Nichts zu uns gekommen war. Ich hatte ihn nicht bemerkt, was wahrscheinlich daran lag, dass ich zu sehr auf Persephone fixiert gewesen war. Doch nun stand er hier, als wäre er vom Boden plötzlich ausgespuckt worden und sah uns beide mit fragenden Blick an. Vielleicht lag es an diesem freundschaftlichen Klaps, den Persephone mir gegeben hatte. „Oh Hades, perfekter Zeitpunkt. Unsere kleine Erenya möchte dich etwas fragen.“ Persephone hatte sofort die Herrschaft über diese Situation übernommen und sich hinter mich gestellt, um mich zu Hades zu schieben, der fragend auf mich sah. Von wegen bei Hades würde es mir leicht fallen. Er sah mich nur schon an und schon zweifelte ich, ob mein Tun richtig war. Anders als Dionysos war Hades wahrscheinlich wichtiger. Er war immerhin der Chef der Unterwelt, die sogar nach ihm benannt worden war. „Du willst mich was fragen?“, wiederholte er die Aussage Persephones fragend. „Nur keine scheu, ich stehe hinter dir, kleine Voyeurin.“ Erneut kleideten sich meine Wangen in ein rosafarbenes Gewand. Nicht nur das Persephone die Dreistigkeit besessen hatte mich und Anubis zu belauschen, sie ließ mein Tun auf einmal so zweideutig erscheinen und das mit einem einzigen Wort. Dennoch, mit ihr im Rücken gab es nun kein zurück mehr. „Hades, ich werde ja heute gehen und ich... Naja es...“ Erneut wie bei Dionysos druckste ich herum. Warum musste ich verdammt noch mal immer zu den falschen Momenten schüchtern werden? „Würdest du mich bitte begleiten auf meiner Reise?“ Wie schon Dionysos hatte Hades scheinbar nicht mit dieser Frage gerechnet. Sein Gesichtsausdruck zeigte das deutlich, doch für mich gab es nun kein zurück. „Ich weiß, du bist schwer beschäftigt in der Unterwelt, aber Zeus sagte es geht in Ordnung. Außerdem... Du hast gesagt, dass dein Unglück schuld an meiner Situation sei, aber das ist nicht wahr. Und ich würde dir das gerne zeigen, allerdings... naja geht das nur wenn du mitkommst. Und deswegen frage ich dich, ob du mich begleiten würdest?!“ Erwartungsvoll sah ich Hades an, der einen kurzen Moment nachzudenken schien. Die Spannung die er mich und Persephone, die Göttin schien seine Antwort auch zu interessieren, spüren ließ, war fast schon greifbar. Doch mit einem mehr gemurmelten Seufzen, durchbrach er sie. „Tut mir leid, ich kann nicht.“ Es waren nur sechs Worte. Sechs einfache Worte, die mir kurzzeitig den Halt nahmen und alle möglichen Gedanken in meinem Kopf auslösten. Mochte Hades mich nicht? Hatte ich ihm an dem einen Abend zuviel geredet? War er sauer auf mich und Thoth, dass wir ihn aus der Unterwelt beordert hatten, obwohl wir wussten, dass mein Name nicht auf seiner Liste stand? „Das ist scha-“, setzte Persephone an, doch mir reichte Hades Antwort nicht. „Warum denn nicht?“, fiel ich der Göttin fragend ins Wort und fixierte Hades ernst, der meinem Blick aber auszuweichen schien. „Es gibt viele Gründe... Einer davon ist das... du mit mir an deiner Seite wirklich keine Zukunft hättest.“ Da war es wieder, dieses trübselige in seiner Stimme, was mir zeigte, dass da etwas war. Eine Traurigkeit, die ich nur zu gut kannte. Was daran aber verstörender war, war seine Begründung. „Ich bitte dich nur, mit mir zu kommen, nicht mich zu heiraten, Hades“, antwortete ich, woraufhin Hades selbst verstand, wie seine Worte geklungen hatten und rot anlief. „Nein, das meine ich nicht. Ich meine... Jeder der sich mir nähert wird von meinem Unglück heimgesucht. Wenn ich mit dir reisen würde und dir wegen mir etwas passiert... nach Apollons Vision könnte ich mir das nicht verzeihen.“ Da lag also der Hase im Pfeffer begraben. Hades haderte mit sich wegen Apollons Vision. Scheinbar sah er sich als Auslöser dafür, warum es in meiner Zukunft nichts zu sehen gab. Aber das konnte ich nicht zulassen. Ohne nachzudenken, packte ich Hades' Hand und fixierte ihn zu allem fest entschlossen. „Wenn du so an die Sache rangehst, wird mir garantiert etwas passieren. Du musst positiv denken. Selbst wenn du Unglück bringen solltest, ich vertraue dir, dass du mir helfen wirst, dass mir nichts schlimmes passiert. Und wir sind ja nicht alleine. Dionysos kommt mit und genauso sind Anubis und Thoth auch da. Du hast doch gesagt ich soll auf Thoth vertrauen... Dann vertrau du meiner Intuition. Ich würde dich nicht dabei haben wollen, wenn ich davon ausgehen würde, dass mir mit dir etwas schlimmes passiert. Im Gegenteil. Du bist bisher der wohl einzige Gott, mit dem ich so unbekümmert reden kann. Ohne dich... wäre diese Reisegruppe einfach nicht vollständig.“ Fester drückte ich Hades' Hand um ihm zu zeigen, wie ernst es mir war. Es mochte ja sein, dass er Unglück brachte, aber das war mir egal. Man konnte sogar sagen, ich war es irgendwie gewohnt. Was schlimmeres als der Tod konnte mir also nicht mehr passieren und ich hoffte inständig, dass Hades das verstand, doch mit einem widerwilligen Zögern, löste er seine Hand aus meinem Griff und sah mich traurig an. „Danke, dass du das sagst, dennoch... ich kann nicht. Ich werde in der Unterwelt gebraucht. Ich habe schon einmal meine Pflicht vernachlässigt und das darf ich kein zweites Mal zulassen.“ Verantwortungsbewusst wie immer. Ja, das war Hades. Und doch lag da diese Einsamkeit und Traurigkeit in seiner Stimme. Das war nicht das, was er wollte. Das war das, was seine Pflicht von ihm verlangte. „Oh komm schon, Hades. Du siehst wieder Problem wo keine sind. Ich bin zwar nur deine Auszubildende Göttin der Unterwelt und eigentlich habe ich gerade Urlaub, aber ich werde dich vertreten solange du weg bist. Noch dazu kann Cerbi mir helfen. Also mach dir keine Sorgen. Namen durchzustreichen oder auf eine Liste zu schreiben, ist nun nicht die Schwierigkeit.“ Persephone hatte ich kurzzeitig vollkommen verdrängt. Erst als sie das Wort ergriff und Hades damit versuchte zu überzeugen, wurde mir das bewusst. „Aber das viele Leid...“, setzte Hades an, doch Persephone schnitt ihm die Worte ab. „... ist vollkommen erträglich. Nur weil ich eine Frau bin, heißt es nicht, dass ich weniger verkrafte als du. Nun mach schon, geh mit der kleinen Voyeurin, sie legt sich immerhin so ins Zeug für dich. Da solltest du ihre Taten auch belohnen.“ Dankbar lächelte ich Persephone zu. Wenn ihre Worte wirklich dafür sorgten, dass Hades seine Meinung änderte, war ich ihr einen großen Gefallen schuldig. Doch Hades schwieg und sah mich hin und her gerissen an. Es fehlte also nur noch ein kleiner Stups in die richtige Richtung. „Hades... Denk mal nicht an deine Pflicht oder an mich. Ich frage dich ganz offen. Was willst du?“ Ich wollte Hades wirklich nicht zwingen mit mir zu gehen. Ich konnte damit leben, wenn er aus vollster Überzeugung und ohne Zweifel, ohne an seine Pflicht zu denken, meine Bitte ablehnte, weil es einfach nicht das war was er wollte. Doch ich würde nicht einfach so ohne ihn gehen, wenn er aus den falschen Gründen eine Entscheidung traf. „Ich...“ Hades kämpfte gerade mit sich. Das sah man nur zu deutlich, doch mit jeder Sekunde wurde sein Blick entschlossener und schließlich sah er zu Persephone. „Und du kommst wirklich alleine zurecht?“, versicherte er sich noch einmal, was mein Herz wenige Frequenzen mehr ausschlagen ließ. Hieß das, Hades würde mitkommen? „Natürlich. Wie gesagt, Cerbi kann mir helfen.“ Persephone hatte dieses selbstsichere Lächeln auf den Lippen, dass ihre Worte keine Lügen strafte. „Dann treffen wir uns gleich am Tor wieder, Erenya.“ Ich konnte es irgendwie nicht glauben, als ich die Worte von Hades hörte. Er würde wirklich mitkommen. Das machte mich gerade glücklich und erleichterte mich. Damit fehlte nur noch Apollon. „Danke, Hades. Weißt du eigentlich, wo ich Apollon finde?“ Dank Hades Beschreibung hatte ich diesen traumhaft abgelegenen Ort gefunden, der mich sehr an den Garten Bastets erinnerte. Ein blühender Garten voller Blumen, in einem Reich aus Wolken. Irgendwie wirkte das genauso abstrakt wie die ganzen Säulen die immer wieder in diversen Räumen oder Gängen zu sehen waren. Auch hier waren sie zu finden, doch das kalte Weiß, wurde von dem Grün blühender Schlingpflanzen umrangt, so dass nur noch wenig weiß erkennbar war. Vögel zwitscherten ihre leise Laien, während eine Lyra mit sanften Klang eine Melodie spielte. Vertraut und irgendwie unwirklich, erklang das Lied in meinen Ohren, denn es passte hier nicht hin und doch, hörte ich diese Musik, die mein Herz höher schlagen ließ. „Listor Lu Jineil Los Agna, Ohroizz Wellt Mollvait... Vi Kizz el Muse Feilis Wiltz Agna... Enne Fel Colfin Reijistar“ Ich konnte nicht umhin mich einfach von der Melodie leiten zu lassen und näher auf Apollon zu zutreten, der leise in dieser fremden Sprache der Agnapolitaner zu singen. Woher kannte er diese Sprache? Woher kannte er das Lied? Und warum konnte ich mich ihm nicht entziehen, obwohl es nicht von seinem Urheber gesungen wurde? Ich hatte keine Antworten auf diese Fragen, aber ich wollte dieses Lied auch nicht unterbrechen, weswegen ich mich einfach neben Apollon auf der Bank, gegenüber von dem runden Brunnen, dessen Wasser im selben Takt vor sich hin plätscherte wie das Lied, setzte. Der Sonnengott hatte mich nicht bemerkt und beendete das Lied mit wenigen Tönen seiner Lyra, die den himmlischen Klang einer Harfe hatte, aber irgendwie auf ihre Weise kraftvoller war. Vielleicht lag es auch an Apollon, der neben seiner Weissagung auch der Gott der Musik und der Künste war. „Hierhin ziehst du dich also zurück, wenn du Liebeskummer hast“, scherzte ich leise, nachdem auch die letzte Note verstummt war. Erschrocken fuhr Apollon zusammen und sah mir in mein breit grinsendes Gesicht. Wahrscheinlich war Apollon so vertieft in dem Lied gewesen, dass er es nicht bemerkt hatte, wie jemand in dieses Heiligtum der Natürlichkeit eingedrungen war. „Eins muss man dir lassen, du verstehst was von Musik und davon, wie man Herzen zum schlagen bringt.“ Neckisch zwinkerte ich Apollon zu, der nur langsam aus seiner Starre erwachte und schließlich zu realisieren schien, wer hier neben ihm saß. „Nya-chan...“, antwortete er verlegen und legte vorsichtig die Lyra beiseite, wobei seine Finger andächtig über das Instrument strichen. „Diese Lyra habe ich von Hermes...“, erklärte er sanft und lächelte etwas. Irgendwann hatte ich ja mal gelesen, das Apollon eine Lyra von Hermes geschenkt bekommen hatte. Laut der Mythologie, hatte Apollon diese Orpheus geschenkt, der damit Götter, Menschen, Tiere, Pflanzen und sogar Steine verzaubern konnte. Vielleicht hatte mich Apollons Spiel verzaubert, so sehr, dass ich freiwillig seine Nähe suchte und gewillt war ihm zu zuhören. „Immer wenn ich auf etwas keine Antwort weiß, dann ziehe ich mich hier her zurück und spiele etwas auf ihr. Dann geht es mir meist besser, oder ich finde eine Antwort.“ Fragend sah ich zu Apollon. Wieder einmal fiel mir auf, dass hinter seinem Lächeln mehr steckte, als er durchschimmern ließ. Er konnte richtig tiefgründig werden und irgendwie bewunderte ich diese Seite an ihm und wollte sie häufiger sehen. „Und, hast du deine Antwort gefunden?“, fragte ich neugierig und sah den Sonnengott an, der seinen Blick zu mir wandte und mir dabei tief in die Augen sah. Einen Moment lang verlor ich mich in diesen golden leuchtenden, warmen Augen, die soviel Mitgefühl zeigten, dass es mir fast schon das Herz zerriss. Vielleicht lag es aber auch nur an dem Lied, welches immer noch in meinem Herzen widerhallte. „Was für eine Antwort glaubst du hier zu finden?“ Apollons Worte rissen mich aus seinem Bann. Sofort wandte ich meinen Blick von ihm ab und holt tief Luft. Ich musste mich beruhigen. Das war nicht der richtige Augenblick um sich in irgendwelchen Fantasien oder Illusionen zu verrennen. Ich war hier, weil ich eine Aufgabe hatte, oder viel mehr mir selbst auferlegte Mission. „Ich hatte nicht geglaubt, hier irgendetwas zu finden. Ich bin einfach Thoth gefolgt. Um ehrlich zu sein, weiß ich immer noch nicht, was Thoth hier wollte, aber ich bin froh, dass ich mit gegangen bin.“ War das wirklich Ich die da sprach? Wurde das wirklich ein tiefgründiges Gespräch mit Apollon? Wenn ja, dann konnte ich ihn sicher ohne Probleme fragen. Soviel stand fest. „Noch bin ich von der Antwort für Thoths Fragen weit entfernt, aber ich denke, ich werde sie mit ihm und Anubis finden und...“ Ich stockte. Erneut fragte ich mich, ob das wirklich ich war, die gerade sprach. Es war auf einmal so leicht und ich war nur noch wenige Worte von der Frage entfernt. „Das meinte ich nicht.“ Verwundert sah ich zu Apollon, als dieser gerade meinen Lauf zerstörte. Wieso nur, musste er so ungeduldig werden, wenn ich kurz vor dem Ziel stand? Und was meinte er? „Warum hat es dich hier her verschlagen? Sollten du und Thoth-sensei nicht schon auf den Weg weg vom Olymp sein?“ Ein inbrünstiges Seufzen kam über meine Lippen. Das war wirklich unglaublich. Ich war doch kurz davor gewesen ihn zu fragen und nun hatte er alles zerstört nur um im Endeffekt wieder zum Punkt der Unterbrechung zu kommen. „Du bist wirklich ein Idiot“, murrte ich und erhob mich. Das schaffte wirklich nur Apollon. Ich hatte mir doch geschworen, ihn nicht zu beleidigen und nun hatte er mich dazu gebracht. So würde er sicher nicht zusagen mit mir mitzukommen. Zumindest nicht, wen ich nicht rechtzeitig die Kurve bekam. „Ich habe dich gesucht, deswegen hat es mich hier her verschlagen.“ Während ich sprach, entfernte ich mich von Apollon. Ich wollte ihm gerade nicht so nahe sein, denn der Drang ihm in die Seite zu boxen, kribbelte wieder in meiner Faust und ich wollte nicht die Chance verlieren, dass er mit mir zog. „Mich? Warum, Nya-chan? Wolltest du dich verabschieden? Das wolltest du doch.“ „Nein... wobei ja... vielleicht...“ Meine Antwort war einfach nicht deutlich genug, dass wusste ich, aber was sollte ich sagen? Wenn meine Frage gestellt war und Apollon verneinte, dann war es eben ein Abschied. So falsch lag Apollon also nicht. Und doch... gerade von ihm war das Nein wohl am schwersten zu ertragen, weswegen die Frage nun nicht mehr über meine Lippen kommen wollte. Warum war es nur so schwer? „Du hast mir immer noch nicht gesagt, was für eine Antwort du gesucht hast.“ Da war es wieder. Diese unangenehme Eigenschaft, vor etwas wegzulaufen, dass unvermeidlich war. Solange ich ablenken könnte, wäre aber sicher, dass ich dieses ungewollte Nein nicht hören würde. Stille herrschte, kaum das ich meine Anmerkung ausgesprochen hatte. Seltsam, dass Apollon nicht direkt geantwortet hatte. In der Regel war er ein sehr offener Gott und doch... vielleicht... Meine Gedanken stoppten augenblicklich, als ich den leisen Verdacht hegte, dass Apollon vielleicht eine Antwort gesucht hatte, die irgendetwas mit mir zu tun hatte. Verstohlen wandte ich meinen Kopf etwas in die Richtung in der Apollon vermutete. Fest und überzeugt, fixierte er mich an. Entschlossen und doch in gewisser Weise unsicher. Ihm lag etwas auf dem Herzen und doch, schien er zu überlegen, was richtig war. Dennoch wusste ich nicht, was genau in seinem Kopf vor sich ging. „Ich finde das schon raus. Dafür muss ich dich nur besser kennenlernen, richtig? Also, wenn du Lust hast...“ „Ich werde mit Thoth-sensei und dir auf Reisen gehen, genau das werde ich machen.“ Ich hatte erneut zu einem Versuch angesetzt zu fragen, als Apollon plötzlich seine Entscheidung kund tat. Eine Entscheidung die mich teils erleichterte und teils auch wütend machte. „Und du hattest nicht vor mich vorher zu fragen, ob ich dich dabei haben will?“, protestierte ich und wandte mich zu Apollon zu, der mich nun freudestrahlend anlächelte und sich von seinem Platz erhob. „Ich will dir helfen, das will ich unbedingt. Oder, magst du mich nicht?“ Stürmisch wie immer. Das war einfach Apollons Art. Vielleicht war aber gerade diese stürmische Art ebenfalls eine Maske, die verbergen sollte, dass er vor Ablehnung Angst hatte. Vielleicht musste er sich aufdrängen, einfach um nicht zurückgelassen zu werden. Noch dazu machte er sich wegen dieser Vision wohl wirklich Sorgen. Was hatte Dionysos gesagt? Selbst für Apollon war es neu absolut nichts zu sehen. „Ahollon... wenn wir uns nicht beeilen, wird Thoth sauer auf uns sein. Wir treffen uns am Tor mit Dio, Hades und ihm. Also beeil dich und führe mich auf den schnellsten Weg dahin.“ Immerhin, das Fragen konnte ich mir nun sparen. Apollon hatte ja bereits seinen Entschluss gefasst und mit Sicherheit würde er in diesem nicht zweifeln. Es lag nur noch an mir ihm das Startsignal ganz verständlich zu geben. „Komm mit, ich kenne eine Abkürzung.“ Freudig lief der Gott auf mich zu und ergriff im Gehen meine Hand, woraufhin er mich aus dem traumhaften Garten zog und mir den wohl wirklich schnellsten Weg zu Tor des Olymps wies. Mit Erleichterung sah ich, dass Dionysos und Hades bereits am Tor standen und ihr Wort hielten. Nun war ich mir wirklich sicher, dass sie mitkommen würden und erneut fiel mir an diesem Tag eine Last vom Herzen. Damit war mein einziges Problem nur noch Thoth, der mit verschränkten Armen am Tor stand und mich förmlich mit seinem Blick zu erdolchen drohte. Was hatte ich dem Gott des Wissens nur getan? „Dee-Dee! Onkel Hades, wollt ihr Nya-chan auch helfen?“ Überrascht, aber nicht im negativen, bemerkte auch Apollon unsere weiteren Reisebegleiter. Er schien erfreut, was mir wiederum ein Lächeln abrang. „Das ist doch wie in guten alten Zeiten, genauso ist das doch!“, erklärte Apollon freudig und ließ von meiner Hand ab um zu Dionysos und Hades zu gehen. Das war sie also, meine neue Reisegruppe. Ein wirklich bunter Haufen und wenn man es recht bedachte, hatte Persephone Recht. Das war im Augenblick mein Harem, immerhin war ich das einzige Mädchen unter diesen Chaoten. Noch dazu, war ich wohl nicht minder verrückt und chaotisch. Wenn man es so betrachtete, passte ich doch ganz gut dazu. Nur fühlte sich diese Gruppe selbst jetzt noch nicht vollständig an. Es fehlten noch mehr als eine Hand voll Jungs um wirklich von den „guten alten Zeiten“ reden zu können. „Du scheinst deine Verstärkung ja gewählt zu haben. Dann sollten ich eure Abreise ohne Umschweife in die Wege leiten.“ Verwundert sah ich neben mir, wo Shota-Zeus stand. Irgendwie hatte ich nicht bemerkt, wie er aufgetaucht war, aber er trug ein zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen. Noch immer störte mich, dass er mehr wusste, als er sagte, aber er hatte mir seinen Bruder und seine zwei Söhne als Begleitung erlaubt... Die Wut hielt sich also in Grenzen, anders als zuvor. „Danke, dass ich mir die drei leihen darf. Das nächste mal wenn wir uns sehen, natürlich nur, wenn es ein nächstes Mal gibt, kann ich deine Fragen sicher genauer beantworten.“ Ich wusste nicht, was mich auf meiner Reise erwarten würde, aber ich war mir sicher, dass ich die Antworten auf die ganzen Warum und Wiesos finden würde. Zeus hatte sicher schon einen Plan dafür. Einen, in dem auch seine Söhne und sein Bruder eine tragende Rolle spielten. „Ich hasse dich aber immer noch...“, setzte ich allerdings mit einem Grinsen nach und ging zu den Jungs, die bereits vor den Toren standen und nur noch darauf warteten, dass ich zu ihnen stieß. Ich war einigermaßen bereit für das, was mich in der Zukunft erwartete. Egal was kam, ich war nicht alleine und keiner der Götter würde zulassen, dass meine Zukunft wirklich aus „nichts“ bestand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)