Sterben kann so schön sein... von Erenya (... oder auch nicht) ================================================================================ Kapitel 5: Schatten der Vergangenheit ------------------------------------- Es war Thoth schnell anzumerken, dass er nicht erneut die ganze Geschichte erzählen wollte. Stattdessen sah er zu mir, als wollte er sagen „Mach du“ und entlockte mir so ein halb verzweifeltes Seufzen. Wenn Mann keine Lust hatte, musste also Frau ran. Typisch. „Lange Geschichte kurz. Ich bin in der ägyptischen Unterwelt gelandet, stehe dort nicht auf der Liste, Thoth vermutet meinen Namen auf Hades Liste und deswegen sind wir hier.“ Da Thoth es vor Zeus vermieden hatte die Wahrheit zu erzählen, oder den Part zu erläutern, dass ich wohl noch quicklebendig war, hielt auch ich diese Information zurück. Dionysos bekam damit also eine sehr knappe Kurzfassung. „Huh?“ Verwundert sah Dionysos zu mir. Ihm war nicht entgangen, dass ich zuvor zu Thoth gesehen hatte, bevor ich diese Geschichte erzählt hatte. Ich wollte gar nicht wissen, was er gerade dachte und wie diese Situation für ihn aussehen musste. Sicher schräg. Selbst ich hätte sie schräg empfunden. „Nur deswegen?“, fragte Dionysos plötzlich und ein Seufzen von Thoth verriet mir, dass ich die Geschichte wohl nicht ganz so glaubwürdig erzählt hatte. „Und warum trägt sie dann ein ägyptisches Kleid?“ Natürlich musste das blöd aussehen. Ich meine ich erzählte, dass ich eine tote Seele war und doch hatte man mich in Ägypten scheinbar neu eingekleidet. Scheinbar tat man das nicht mit toten Seelen wenn sie nur zu Gast war. Wobei... wusste überhaupt jemand wie man eine tote Seele behandelte, wenn sie im falschen Totenreich gelandet war? Sicher nicht. Allerdings, als Tote hätte ich sicher auch keine Temperaturen gespürt, was ja der Grund für meinen Garderobenwechsel gewesen war. Das schloss sich zumindest logisch daraus, dass ein Toter auch nichts schmecken konnte. Hilfesuchend sah ich zu Thoth. Er war immerhin der Meister der Ausreden, doch er hatte sich wieder hingesetzt und in sein Buch vergraben. War das seine Art zu sagen „Bring zu Ende was du angefangen hast?“ Das war doch einfach unglaublich. „Also das mit dem Kleid... uhm... das ist etwas peinlich“, setzte ich an und überlegte fieberhaft, wie ich Dionysos anflunkern konnte, ohne eine unlogische Lüge zu erzählen. Doch mir fiel nichts richtiges ein. Verdammt, warum musste mich mein Talent ausgerechnet jetzt im Stich lassen? Vielleicht klappte es, wenn ich einfach redete. Einfach los schreiben war doch auch am effektivsten bei mir. „Peinlich? Wieso peinlich?“ Argh, warum musste Dionysos ausgerechnet jetzt alles hinterfragen? Konnte er nicht einfach weiterhin dieser kleine verträumte, betrunkene Gott der Serie sein, die ich gesehen hatte? „Naja... ich erinnere mich an ein Feuer...“, ich errötete, nicht auf Knopfdruck, aber wegen der Tatsache, dass ich mir bewusst wurde, dass meine Kleidung nicht feuerfest war. Kam man wenn man starb eingekleidet ins Totenreich? Oder so wie die Leiche endete? Sicher war ich mir wirklich nicht. „Ein Feuer?“ In Dionysos Kopf arbeitete es und schließlich, erkannte ich ein kleines Licht, dass bei ihm aufzugehen schien. Umso röter wurde ich allerdings, weil ich ihm wohl ein Bild in den Kopf setzte, welches mir letztendlich gar nicht gefiel. „So ist das also... Das tut mir leid.“ Dionysos mitleidiger Blick jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich hatte ihn so eben belogen und er, der wirklich nicht gerade der hellste war, hatte es mir auch noch geglaubt. Ein blödes Gefühl, denn mit Sicherheit würde Dionysos niemanden etwas sagen. Allerdings wusste ich nicht, wie Thoth darauf reagieren würde, wenn ich dem Gott der Fruchtbarkeit die ganze Wahrheit erzählte. Noch dazu wusste ich selbst nicht, warum Thoth ausgerechnet hier war und was er sich von Hades zu erfahren erhoffte. „So habe ich dich gar nicht in Erinnerung. So fürsorglich meine ich“, erklärte Dionysos, der breit grinsend zu Thoth sah. Dieser allerdings hatte seine Nase weiterhin in das Buch vertieft und machte damit nur umso deutlicher, dass er nicht angesprochen werden wollte. Eine Geste, die Dionysos wahrscheinlich fremd war. Dieser erhob wandte sich nämlich von mir ab und setzte sich gegenüber von Thoth. „Erzähl, was hast du in letzter Zeit so gemacht? Wusstest du, Apollon unter den Menschen zum beliebtesten Gott wurde? Hermes ist darüber ganz schön angefressen. Immerhin war das mal seine Position.“ In einem ruhigen Plauderton, berichtete Dionysos Thoth von allem, was hier im Olymp vorgefallen war. Er schien sich nicht daran zu stören, dass Thoth dies alles wohl nicht interessierte. Seltsam, wen man es recht bedachte, immerhin musste Dionysos doch Thoth aus der Schule von Zeus kennen und wissen, wann dieser seine Geschichten nicht hören wollte. Vielleicht lag aber auch etwas mehr Subtext in dem ganzen, einseitigen Gespräch. Genauer beobachtete ich die beiden und versuchte zu erahnen, was in Thoth vor sich ging. Er hielt Dionysos nicht auf, sondern war weiter auf das Buch fixiert, las Zeile um Zeile, ohne auch nur einen Muskel zu rühren. Seltsam. Thoth konnte doch angeblich so schnell lesen. Aber er brauchte einiges an Zeit, ehe er umblätterte. War er vielleicht so vertieft in dieses Buch, dass er versuchte es zu genießen? Wort für Wort? Ich neigte meinen Kopf etwas und versuchte den Titel zu erhaschen. Keine Ahnung warum es mich interessierte. Vielleicht wollte ich einfach nur wissen, was Thoth so fesselte, um selbst dieses Buch irgendwann einmal zu lesen. Jedoch erkannte ich von meiner Entfernung aus nichts und näher heran traute ich mich auch nicht. Götter sollte man bei ihren Diskussionen nicht stören. „Oh und natürlich kann ich dir auch einen Wein mitgeben, den habe ich damals in der Schule gekeltert. Aus meinen eigens gezüchteten Trauben. Damals durften wir ja leider während der Schulzeit keinen Alkohol trinken, aber nun geht das ja in Ordnung. Du weißt ja, Wein erhält die Gesundheit, dass wussten sogar schon die Franzosen.“ Es war seltsam Dionysos so gesprächig zu erleben. Dabei hatte ich ihn eher für einen ruhigeren, vielleicht nicht gerade besonneneren Gott gehalten, als es Apollon war. Gerade wirkte er aber wirklich wie dessen Bruder und brachte Thoth erfolgreich zur Weißglut. Wobei das ja nicht so schwer war, denn Thoths Zündschnur war bekanntlich dreimal so kurz wie meine lang war. Wahrscheinlich war er auch gar nicht wütend, sondern einfach normal. „Die Franzosen tranken nur ein Glas und ließen sich das Zeug nicht intravenös verabreichen“, erklärte Thoth, während er eine weitere Seite in seinem Buch umblätterte. Er tat gerade sein bestes Dionysos nicht das Buch gegen den Kopf zu werfen, wahrscheinlich weil dieses ein größeres Heiligtum war, als die wehleidig vor sich hin vegetierenden Gehirnzellen Dionysos'. „Aber sie tranken Wein!“, erklärte Dionysos stolz, einfach den Einwand von Thoth übergehend. Das aber gerade die Information der Menge wichtig war, schien den Gott der Fruchtbarkeit nicht zu stören, solange es eben um Wein ging. Ich konnte nicht anders, als über dieses einseitige Gespräch zu lachen. Leise, aber laut genug, dass Thoth es hörte und mir von der Seite einen giftigen Blick zuwarf. Ihm gefiel gar nicht, dass ich sah, wie jemand ihm die Stirn bot. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich mir ein schlechtes Beispiel daran nahm und ihm noch schlimmer auf die Nerven ging als sowieso schon. Das Gespräch, welches Dionysos und Thoth geführt hatten, war eher einseitiger Natur gewesen. Dionysos hatte gesprochen und gesprochen, zu 80 Prozent über Wein, während Thoth genervt Seite um Seite seines Buches umgeblättert hatte. Nur hin und wieder hatte er auf die Aussagen Dionysos' geantwortet, meist allerdings nur mit dem fruchtlosen Versuch, ihn etwas Wissen einzubläuen. Scheinbar war Wissen das einzige, was bei ihm nicht fruchtet. Dennoch, irgendwie war Dionysos bewundernswert. Er blieb ruhig, selbst als Thoth ihn wiederholte Male einen Saufbold nannte. Diese Ruhe hätte ich nur zu gerne auch besessen, wenn er mich wieder belehrte oder einen Spätzünder nannte. Abgesehen von dem kleinen Drang zum Alkoholismus war es wohl nicht schlecht, sich das ein andere von Dionysos abzugucken. „Hach~ es tut gut mit alten Freunden zu reden“, erklärte Dionysos nach einiger Zeit, als er wohl bemerkte, dass Thoth sicher kein Gespräch mit ihm führen würde. Dennoch lächelte er zufrieden und wandte sich mir zu. „Und noch besser tut es neue Freunde kennenzulernen.“ Mir lief es kalt den Rücken hinab, als er sich zu mir wandte, mit diesem verträumten Lächeln und diesem halben, nackten Oberkörper, von dem gerne dieser dünne Fetzen Stoff rutschen durfte. Genauso wie das Handtuch, aus der Serie, ruhig hätte von seinen Beinen rutschen können. Hach dieser Anblick auf einen Gott... Ich war und bin einfach ein Fangirl, okay, da durfte man ja etwas träumen und geistig sabbern. Solange ich meine Körperflüssigkeiten unter Kontrolle hielt und weder Thoth, noch Anubis, noch Dionysos es bemerkte. Für ersteren und letzteren wäre das wirklich ein gefundenes Fressen gewesen. „Also~ Du bist ja ein Mensch. Ich kenne nicht viele Menschen, erzähle mir doch etwas von dir. Was für Wein magst du besonders?“ Was machte Dionysos hier? Warum fragte er, was für Wein ich mochte? Hatte er da ein Prinzip das verriet „Sag mir welchen Wein du trinkst und ich sag dir was für ein Mensch du bist“? Gruselig, wenn dem so wäre, denn was würde ihm meine Erdbeerwein-Leidenschaft verraten? „A-Also... Naja... ich trinke gerne mal den ein oder anderen Wein, aber eine große Präferenz habe ich nicht...“, erklärte ich verlegen. Es war nicht einmal gelogen. Auch wenn ich eine Zeit lang Erdbeerwein bevorzugt hatte, war die letzte Flasche, die ich nach einer erfolgreich geschriebenen Fanfiction getrunken hatte, mir nicht bekommen. Ich ließ also die Finger davon, ebenso wie von fruchtigen Sterentz-Likören. „Das ist kein Problem. Ich habe einige gute Tropfen hier. Ich kann sie holen und du sagst mir dann, welchen du besonders gut findest.“ Es war deutlich, dass sich Dionysos um mich bemühte. Oder zumindest überzeugen wollte, das Wein das beste war, was diese Welt zu bieten hatte. Wahrscheinlich hätte ich unter anderen Umständen dieses Angebot sogar angenommen, doch ein böser Blick von Thoth sagte mir, dass ich mich an die Regeln halten sollte. „D-Das ist schon okay. Ich meine... Nun ja...Wein sollte man nur zu besonderen Anlässen trinken vor allem wenn sie so gut sind wie du sagst.“ Eine gute Ausrede, wenn man bedachte, wie sehr Dionysos Wein liebte. Mit Sicherheit, dass dachte ich zumindest, würde er mich nun damit in Ruhe lassen. „Aber wir sind heute Freunde geworden, dass ist doch ein besonderer Anlass.“ Verdammt. Mal davon abgesehen, dass Dionysos uns gerade zu Freunden erklärte, und das gegen meinen Willen, hatte er meine Ausrede mit einem Vorschlaghammer zerdeppert. „Warte hier, ich bring dir etwas von meinen Säften mit.“ Headshot... oder viel eher Fanservice. Die Art wie Dionysos sein Vorhaben verkündete, war mehr als nur zweideutig und ich musste vorsichtig einen Finger unter meiner Nase reiben, um zu sehen, ob ich Nasenbluten hatte. Ein Glück, alles war heil, abgesehen davon, dass ich kurz davor stand eine von Thoths Regeln zu brechen. „Warte!“ Fast schon panisch griff ich nach Dionysos Arm und umklammerte diesen, damit er nicht aus dem Zimmer stürmte und wirklich eine Ansammlung an Weinen holen konnte. „Ich... also...“ Ich brauchte eine Ausrede. Eine gute. Eine, die nicht einmal Dionysos zerschlagen konnte, weil es einfach den Regeln entsprach. „Ich bin doch tot...“ Es machte urplötzlich Ping in meinem Kopf. Richtig, Thoth hatte in Ägypten ja etwas erzählt. Etwas, dass ihm gezeigt hatte, warum ich nicht tot sein konnte. „... naja da ich tot bin... kann ich die Tropfen doch nicht schmecken. Als Toter hat man keinen Geschmackssinn.“ Fragend sah mich Dionysos an. Wusste er das nicht? Oder hatte ich da Unsinn erzählt und das traf nur für das ägyptische Totenreich zu? Verdammt. Warum hatte mich Thoth auf so eine Situation nicht vorbereitet? „Ist das wirklich so?“ Dionysos wandte seinen Blick von mir ab und sah zu Thoth, der seufzend von seinem Buch aufsah und den Gott der Fruchtbarkeit wütend ansah. „Wenn du nicht unentwegt geschlafen hättest im Unterricht, wüsstest du das.“ Enttäuscht seufzte Dionysos auf und sein Körper lockerte sich, was mir zeigte, dass er nicht mehr durch diese Tür stürmen und irgendwelche griechischen Weine an schleppen würde. Ein Glück. Meine Lüge war somit durch Thoths Aussage gestützt und ich war gerettet. „Das ist wirklich schade, aber nicht schlimm. Dann lerne ich dich eben anders kennen. Hattest du einen Freund?“ Entsetzt wich ich vor Dionysos zurück. Dieser Kerl stellte wirklich Fragen, an die ich nicht einmal im Traum gedacht hätte, sie einer Person zu stellen, die ich kaum bis gar nicht kannte. Doch er wagte es sich. Lag es daran, das er der Gott der Fruchtbarkeit war und sich diese Fruchtbarkeit nicht nur auf die Pflanzen bezog? Aber was hatte das dann mit der Frage zu tun, ob ich einen Freund hatte? „Nein. Ich war single.“ Immer schön im Präteritum bleiben, das machte meine Aussage vom plötzlichen tot noch glaubwürdiger. Allerdings hätte es bei Dionysos wohl sowieso nicht gestört, wenn ich den Präsens bevorzugt hätte, denn schon bei Thoth hatte er ja einiges an Informationen einfach ignoriert. „Wie traurig. Dann hast du ja nie erfahren wie leidenschaftlich die Liebe sein kann.“ Mitleidig griff Dionysos zu meiner Hand und drückte sie sanft. Sein Blick war von aufrichtigen Bedauern erfüllt, aber ich verstand nun, warum Thoth so leicht in Rage geriet. War der Gott der Fruchtbarkeit nun etwa auch zu Aphrodites Stellvertreter geworden? Für was hielt er mich eigentlich? Für eine eiserne Jungfrau? „Ich glaube das habe ich gerade so noch erfahren... auch wenn es eher einseitig leidenschaftlich war“, murrte ich eher geistesabwesend und entzog meine Hand von Dionysos. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, was ich da gesagt hatte. Zu viele Informationen die privat genug waren, dass sie keinen Gott auf Erden etwas angingen, waren mir über die Lippen gekommen und ließen mich gleichzeitig vor Scham erröten. Indirekt hatte Dionysos mich ja als Jungfrau bezeichnet, denn mit leidenschaftlicher Liebe meinte er sicher keine brennenden Gefühle, sondern körperliche Leidenschaft. Und ich hatte mich eben als „Flittchen“ geoutet. Mal davon abgesehen, dass meine kurze „leidenschaftliche“ Beziehung mich verlassen hatte, weil es mir einfach an „Verlangen“ gefehlt hatte. Zumindest würde ich es weiterhin so behaupten. Zu sagen, dass ich kein Interesse an dem Mann hatte, erschien mir doch etwas zu hart, auch wenn es wohl nur der Wahrheit entsprach. „K-Könnten wir bitte das Thema wechseln. Dieses Kennenlernen wird mir langsam unangenehm“, nuschelte ich leise und wandte mich von Dionysos so ab, dass weder Thoth noch er meine Schamesröte erkennen konnten. Egal was Thoth bisher von mir gehalten hatte, bald würde er das Verb „billig“ in seine Ansichten von mir hinzufügen. Wobei, warum interessierte es mich eigentlich, was Thoth von mir dachte? Hatte ich etwa Angst, dass er mich dann zurücklassen würde, ohne dass wir mein Problem lösten? Würde er das tun? Unsicher wegen dieser Gedanken blickte ich über meine Schulter, dahin wo Thoth war und wo sich wenig später Dionysos Oberkörper hinschob. „Dann erzähl mir von deinen Hobbys. Meine kennst du ja bereits. Mein Hobby ist die Weinkelterei, das Wein trinken, die Gärtnerei und natürlich auch sinnliche Stunden mit Freunden zu verbringen.“ Interessant. Die einen sahen Hurerei als Beruf an und Dionysos als Hobby. Immerhin stand er dazu seinen Mann und schien stolz darauf zu sein. „Meine Hobbys lassen sich schnell zusammenfassen. Ich lese gerne, schreibe selbst aber hin und wieder die ein oder andere Geschichte. Uhm, ich chatte gerne mit meinen Freunden oder skype mit ihnen, wobei das eher weniger ein Hobby und viel mehr das Pflegen sozialer Kontakte ist. Aber zocken, das ist definitiv ein Hobby von mir, auch wenn ich jetzt nicht so der Pro-Gamer bin und eigentlich eher selten die Geduld aufbringe Spiele zu beenden, wenn sie mich vor Rätsel stellen, die ich nicht lösen kann. Ich bin eher so der Typ, der gerne die Geschichten sieht und erlebt, allerdings bin ich auch nicht gewillt mir ein Let's Play anzuschauen, weil das wieder etwas anderes ist, als das Spiel selbst zu zocken. Ich subbe auch gerne. Das bedeutet, ich erstelle Untertitel für Animes. Irgendwie bin ich ganz stolz darauf, auch wenn ich nur vom englischen ins deutsche Übersetze und da ja eigentlich nochmal was verloren geht, als wenn ich das von japanisch ins deutsche machen würde. Allerdings gebe ich mir immer Mühe, charaktertreu zu übersetzen, weißt du? Nicht einfach nur stumpf Wort für Wort, sondern auch so wie die Charaktere reden würden. Da streite ich mich auch schon einmal mit meinen Teamkollegen herum und verliere meist. Aber hin und wieder setze ich mich ganz gut durch.“ Mir fiel erst während meines Redeflusses auf, dass ich schon wieder zu viel redete. Wie bei Bastet. Irgendwie gelang es den Göttern, mich zum schwärmen zu bringen und seltsamerweise schien sie das was ich sagte zu interessieren, denn sie hörten aufmerksamer zu, als so manche Menschen, die mir jemals die Frage nach meinen Hobbys gestellt hatten. „Und was schreibst du so? Vielleicht hat Thoth ja schon einmal ein Buch von dir gelesen.“ Unschuldig wie ein kleiner Junge, lächelte mich Dionysos an und irgendwie verzauberte es mich just in diesem Moment so sehr, dass ich zurück lächelte. „Schön wäre es. Ich schreibe meist Fanfictions. Also Geschichten zu irgendwelchen Serien die ich kenne. Ich habe zwar auch eigene Geschichten geschrieben, die gibt es aber nicht in Buchformat, deswegen gehe ich nicht davon aus, dass Thoth sie jemals zu Gesicht bekommen wird. In gewisser Weise ist das auch schade, denn ich hatte noch so viele Ideen, die ich nicht verwirklichen konnte. Und selbst bei meiner Reise mit Thoth und Anubis, sind mir noch einige gekommen, aber irgendwie fehlt mir das Papier schreiben. Naja, selbst wenn ich Papier und Stift zum schreiben hätte, es wäre ja egal, es würde eh keiner mehr lesen.“ Man sagte mir einmal, eine Lüge sei erst eine gute Lüge, wenn man sie selbst glaubte. Just in dem Gespräch mit Dionysos, hatte ich wieder verdrängt, dass ich lebte. Ich hielt mich erneut für Tod, auch wenn ich irgendwo in meinen Hirn das Wissen verankert hatte, dass ich lebte. „Also, ich bin mir sicher, dass Thoth es lesen würde. Und Apollon auch, genauso Hermes. Deswegen solltest du nicht aufgeben, selbst wenn deine Umstände gerade nicht erfreulich sind. Solange du noch nicht weißt was aus dir wird, tu einfach so, als seist du am Leben.“ Ein zartes Lächeln entkam mir, selbst wenn ich es versuchte zurückzuhalten. Dionysos wusste wirklich, wie man jemanden aufbaute. „Jetzt wünschte ich mir wirklich, ich hätte einen Block und einen Stift bei mir. Leider sind die bei mir auf Arbeit in meiner Tasche gewesen. Wie immer. Wenn das Feuer sie nicht verbrannt hat kann ich wirklich von Glück reden.“ Ein tiefer, inbrünstiger Seufzer glitt mir über die Lippen. Ich hoffte inständig, dass der Block noch lebte, denn darin befanden sich Geschichten, die mir wichtig waren, die ich für Freunde geschrieben hatte. Wenn das Feuer sie wirklich nicht verschlungen hatte, konnte ich sie nach meiner Rückkehr beenden und dann meiner Freundin zum Geburtstag schenken. Es war der Moment gewesen, indem Dionysos scheinbar genug von mir erfahren hatte und mich nun in Ruhe ließ. Dennoch verließ er nicht das Zimmer. Viel mehr hatte er sich an den Tisch zu Thoth gesetzt und beobachtete seinen ehemaligen Lehrer. Seltsam, dass er trotz all der Freude nun wieder still sein konnte. Wobei das eher ihm entsprach, wenn ich mich recht an den Anime erinnerte. Dionysos war nie der gesprächigste, allerdings schwieg er auch nicht so eisern wie Thor. Vielleicht war das nur eine der vielen Seiten, die man in der Serie nicht sehen konnte. Es war in einer gewisser Weise interessant zu sehen, weswegen mein Blick zu Thoth glitt. Er hatte bisher nur Seiten offenbart, die ich auch schon kannte. Ob er vielleicht auch noch verborgene Seiten hatte? Ob er sie mir offenbaren würde und ob... Ich sah zu Anubis, der sich gähnend auf dem Wolkenbett aufrichtete. Vielleicht gab es da ja auch noch mehr, was niemand kannte. Immerhin hatte ich auch diese fürsorgliche Seite gesehen, auch wenn das der einzige kleine Schritt war, den ich mit Anubis gegangen war. Im Gegensatz zu Thoth und Dionysos, war es nicht so leicht Anubis näher zu kommen. „Kaaaaa~!“ Genüsslich reckte sich Anubis, der erneut aus seinem Schlaf erwacht war und sah sich im Raum um. Es war deutlich zu sehen, warum er die ganze Zeit geschlafen hatte. Langeweile. Ich konnte das nur zu gut nachvollziehen. Mir war auch langweilig, seit Dionysos nicht mehr mit mir sprach und Thoth viel lieber sein Buch las, als irgend etwas anderes zu tun. Es war also nur verständlich, dass Anubis sich langweilte und versuchte Zeit totzuschlagen. Schlafen war da die beste Variante. Vielleicht hätte ich auch schlafen sollen, es war immerhin genug passiert. „Seltsam...“, murmelte ich leise zu mir selbst, sehr gut darauf achtend, dass Dionysos und Thoth mich nicht hörten. Mir war gerade der Gedanke gekommen, dass ich schon gut einige Stunden unterwegs sein musste.Um sieben Uhr morgens hatte meine Schicht begonnen. Zu schade, dass ich mein Handy nicht nutzen konnte. Daran hatte ich schon bei Bastet gedacht, bevor sie mich in diese Kleidung gesteckt hatte. Doch seltsamerweise hatte irgendetwas meinen Akku vollkommen leer gelutscht. Dabei hatte ich das Gerät über Nacht aufgeladen und der Akku hielt meist für mindestens einen Tag. Seltsam. Mehr als Seltsam. Das schlimmste daran war eigentlich nur, dass ich nun wirklich planlos war, wie spät es war. Aber sollte ich Thoth deswegen fragen? Noch dazu, wenn Dionysos im Raum war. „Ka bara, bara bara ka.“ Ich sah auf, als Anubis sich lauthals bemerkbar machte. Er stand neben Thoth und tippte ihn verspielt gegen die Schulter, um auf sich aufmerksam zu machen. „Bara ka bara.“ Seine Stimme hatte etwas schmollendes, niedliches, als Thoth nicht beim ersten Mal reagierte, weswegen er ihn weiter antippte, bis Thoth schließlich seufzend das Buch weglegte. „Anubis, ich weiß, dass du das warten leid bist, aber du musst dich in Geduld üben.“ Thoth hatte gerade etwas von einem Vater, der versuchte sein Kind zu beruhigen, doch Anubis schien sich nicht länger in Geduld üben wollen. Er hatte genug und das in jeglicher Hinsicht. „Ka bara bara bara Ka!“ Anubis Stimme wurde lauter, so dass der ägyptische Gott der Totenwelt nun auch Dionysos Aufmerksamkeit bekam. „Ka bara?“, wiederholte er verwundert und in dem Kopf des Fruchtbarkeitsgottes schien es zu arbeiten. Die Worte Anubis schienen ihn an etwas zu erinnern. Immerhin wusste ich nun, dass ich nicht die einzige war, die Anubis nicht verstand. Vielleicht lag es daran, dass Anubis nur Thoths Herz verstehen konnte, aber nicht das der anderen. Bastet war ja selbst nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen gewesen. „DU!“ Ich zuckte zusammen, als Dionysos sich so plötzlich von seinem Stuhl erhob und die Stimme erhob. Sein Blick hatte etwas erbostest, noch eine Seite die ich nicht wirklich oft gesehen hatte. Außer einmal, als er richtig ernst machen wollte, weil es ihm um das wichtigste seines Lebens ging. „Du hast den Saft gestohlen! Du warst es, gestehe du Dieb!“ Saft... Dieb... Es fiel langsam, aber brockenweise bei mir. Natürlich, deswegen war er wegen diesem Bara aufmerksam geworden. „Ka Bara?“ Anubis hingegen schien im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu verstehen. Zumindest nicht weswegen sich Dionysos auf einmal so aufregte, obwohl er sich doch nur hatte bei Thoth bemerkbar machen wollen. „Was brüllst du so herum, Saufbold?“ Verstimmt verschränkte Thoth die Arme und sah zu Dionysos, der bereits seinen Kelch in der Hand erscheinen lassen hatte und damit auf Anubis zu zielen schien. Wollte er den kleinen wirklich mit Wein bespritzen? „Damals, in der Schule bei unserem Theaterstück. Da hat dieser... dieser... dieser Kleine meinen Saft gestohlen.“ Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um auf Dionysos Worte nicht laut loslachen zu müssen. Der Gedanke, dass man das wohl Samenraub nannte war dank meiner lieben Freundin und Kollegin unvermeidbar. „Und deine Beweise?“ Thoths Frage traf sofort. Natürlich hatte Dionysos außer dem 'Ka bara' keine Beweise. Wie sollte es auch anders sein? Dennoch, es erschien mir fast so, als wollte Thoth die Anwesenheit Anubis, an der Schule für Götter geheim halten. Warum aber? „Ich habe ihn klar und deutlich gehört!“, erwiderte Dionysos und sah Thoth an, der diesen nur weiterhin ernst fixierte und Anubis mit einer Handbewegung schützend hinter sich schob. „Ka Bara“, antwortete der ägyptische Gott der Weisheit und gab sich dabei Mühe, ähnlich wie Anubis zu klingen. Ein cleverer Schachzug, denn nur anhand des Anubistypischen Ka Bara, konnte Dionysos den jungen Ägypter nicht beschuldigen. Jeder konnte diesen Laut von sich geben, sogar verstellt. Doch die Frage, warum Thoth Anubis beschützen wollte, stellte sich mir immer noch. Genauso wie die Frage, ob ich eingreifen und mein Wissen preisgeben sollte. Denn so gesehen hatte Anubis ja keinen Saft geklaut. Er hatte ihn gefunden und mitgenommen. Das war zwar auch nicht vollends richtig gewesen, aber immer noch kein Diebstahl. „Inwiefern hat dir Anubis den Saft geklaut, Dio?“ Verwundert sahen die Götter zu mir, als ich plötzlich meine Stimme erhob. Scheinbar hatten sie bereits dank meiner stillen Art vergessen, dass ich hier war. Doch nun hatte ich ihre Aufmerksamkeit definitiv bei mir. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass ich Dionysos ganz vertraut einen Spitznamen gegeben hatte, was mir selbst nicht einmal bewusst gewesen war. „Na... Ich hab ihn abgestellt, weil ich die Gläser vergessen hatte... Und als ich wiederkam, war der Saft weg.“ Das war natürlich die beste Antwort auf meine Frage die ich bekommen konnte. Super. So wirklich weiter half sie mir auch nicht. „Abgestellt?“, fragte ich daher und stellte mich damit wohl dümmer als ich eigentlich war. Super, noch ein Vorurteil, dass sich wahrscheinlich bald bei dem ein oder anderen festigen würde. „Ja, hinter dem sicheren Geäst meiner liebevoll großgezogenen Büsche!“ Stolz lächelte Dionysos, als er seine Büsche erwähnte. Schon wieder etwas, dass so falsch klang. Das eher so wirkte, als müsse ich ihm sagen, er solle sich einen Rasierer zulegen. „Hinter dem Busch?“ Gott, man musste Dionysos ja wirklich alles aus der Nase ziehen. „Ja, ja in der Schule wo Thoth und ich uns auch kennengelernt haben.“ Na endlich, da hatten wir ihn doch, wo wir hin wollten. Schwieriger konnte eine Geburt wohl nicht sein, außer ich hätte sie mit Apollon durchziehen müssen. Ein Glück war das Schicksal mir da hold geblieben. „Schulen sind aber öffentliche Gebäude. Du hast deinen Saft also bei einer öffentlichen Einrichtung abgestellt. Zum einen hätte jeder sie klauen können und zum anderen zählt das auffinden von fremden Eigentum an einem öffentlichen Platz nicht als Diebstahl. Lediglich als Fund. Es ist zwar nicht nett, diesen Fund dann zu unterschlagen und an sich zu nehmen, aber in deinem Fall war es Pech, Dio.“ Entsetzt blickte Dionysos mich an. Scheinbar hatte ich ihm gerade einen schweren Dämpfer verpasst. „A-Aber... Das war mein Saft u-und... Er hat ihn gestohlen!“ Erneut zeigte er auf Anubis der sich aber nicht mehr um Dionysos kümmerte, sondern stattdessen Thoth antippte und dessen Aufmerksamkeit ersuchte. „Und deine Beweise? Hast du ihn wirklich gesehen?“ Keine Sekunde lang, ließ ich Dionysos aus den Augen. Er kämpfte immer noch damit, den jungen Ägypter zu beschuldigen. Auch wenn der Gott der Fruchtbarkeit recht hatte, ich konnte das doch nicht einfach so zulassen. „N-Nicht direkt. Aber ich habe ganz deutlich sein Bara gehört. Wenn es um Saft und Wein geht, irre ich mich nie! Er war es ganz bestimmt und es wird Zeit, dass er Buße dafür tut.“ Buße. Das klang schon so falsch. Vor allem wenn man bedachte, wo wir hier waren. Nein, egal was Dionysos sich da ausdachte, Anubis durfte seine Unschuld verlieren. Niemals und schon gar nicht heute in meiner Gegenwart. „Gib es auf, Dionysos. Selbst im Gericht sind Beweise das einzige was Theorien und Behauptungen stützen kann. Hast du die nicht, heißt es in dubio pro reo. Im Zweifel für den Angeklagten. Da du außer deinen Theorie keine stichhaltigen Beweise liefern kannst, ist Anubis frei von jeglichen Tatvorwürfen.“ Einmal in meinem Leben musste sich mein Abitur ja nützlich machen. Nicht ohne Grund hatte ich Wirtschaft und Recht bestanden. Das verdankte ich wohl einzig und alleine dem Rechtsanteil meiner Abiprüfung. Selbst Dionysos als Gott musst doch allmählich einsehen, dass die Unschuld einer Person solange galt, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Und Beweise waren das einzige, was er nicht hatte. „Na schön... Ich werde es dir beweisen“, nuschelte Dionysos und wandte seinen Blick von mir ab. Die Frage, die sich mir nur stellte war, wie er das tun wollte. Es gab keine Beweise, mit Sicherheit nicht. Oder besaß er noch die Saftflaschen und wollte Fingerabdrücke nehmen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)