Im Schatten der Samurai von Bambusbesen (Sasori X Deidara X Gaara) ================================================================================ Kapitel 90: Shinobi versus Samurai ---------------------------------- Der Schwarzhaarige hieß diesen Alleingang nicht gut. Anko war ihre Anführerin und sie sollten ihre Befehle befolgen. Shin gefährdete womöglich die Mission mit seinem Plan. Stoisch wanderte sein Blick von der belebten Straße zu dem Älteren. Das helle, fast weiße Haar wurde unter dem schwarzen Tuch verborgen, welches um den Kopf geschlungen war und nur einen Schlitz für die Augen offen ließ. Auch der Rest des Körpers war in schwarze Kleidung gehüllt. Sai hatte ebenfalls seine Arbeitskleidung angelegt. Er konnte seinen Bruder nicht im Stich lassen. Obwohl sie nicht blutsverwandt waren, war es Shin gewesen, der sich seiner angenommen hatte, nachdem seine Eltern getötet worden waren und er auf der Straße um sein Überleben gekämpft hatte. Seine nächste Mahlzeit hatte er sich stehlen müssen. Ein Dach über dem Kopf war selten gewesen. Meist hatte eine Brücke oder ein leerstehendes Gebäude ihm Schutz geboten, manchmal auch nur ein Baum. Andere Menschen verjagten Straßenkinder, weil sie nur Ärger machten. Aber Shin war wie er gewesen. Er hatte ihm überlebenswichtige Tricks beigebracht. Sie hatten alles geteilt, Essen, Kleidung, Schlafplatz. Dann hatte Orochimaru-sama sie gefunden und mitgenommen. Der alte Daimyô hatte ihnen ein neues Leben geschenkt. Sai würde jeden Befehl ausführen. Aber vor allem anderen kam sein Bruder Shin. Er war das Wichtigste in seinem Leben, sein Licht in der Dunkelheit. Und darum folgte er ihm, obwohl er diesen Plan nicht gut fand. Sai wusste, das Shin sich langweilte, weil sie keinem richtigen Gegner gegenüber traten. Seit Wochen brachten sie Menschen hinterrücks um und zerstörten fremdes Eigentum oder stahlen. Als Shinobi war es ihre Aufgabe, ungesehen zu bleiben. Doch sein Bruder hatte von dem ehemaligen Akatsuki mehr erwartet. Dabei war es nur verständlich, dass dieser im Dunkeln tappte, im Dunkeln tappen sollte. Sie hinterließen immer nur die von ihm geschriebenen Zettel. Ihre Taten folgten keinem besonderen Muster, weil ihr Ziel ein anderes war. Ohne Wissen um ihr Ziel wurde es nahezu unmöglich, ihren nächsten Zug voraus zu ahnen. Wann wandte Gaara sich endlich an Akatsuki? Offensichtlich verließ Deidara soeben die Burg, denn sein Bruder gab seinen Beobachtungsposten auf und machte sich jeden Schatten zunutze, um mit selbigem zu verschmelzen und sich auf diese Art fort zu bewegen. Sai folgte ihm lautlos. Shin hatte seinen Plan erklärt. Da der blonde Krieger nicht durch ihre Hand sterben durfte, wollte er ihn lediglich angreifen, um herauszufinden, wie stark er wirklich war. Shin war ein auszeichnender Shinobi, aber manchmal fragte Sai sich, ob der Weg des Samurai für ihn nicht geeigneter gewesen wäre. Eine gute Herausforderung schätzte der Ältere sehr. Der Mangel einer solchen in den vergangenen Wochen trieb ihn letztendlich aus dem schützenden Schatten heraus. Sai selbst fühlte sich als Shinobi sehr wohl. Nur selten musste er einem Opfer direkt ins Gesicht sehen. Gefühle waren für ihn mehr eine Bürde, rannen sie wie Wasser durch die Finger. Und in den Augen seiner Gegner selbige zu sehen, verunsicherte ihn innerlich. Wenn Shins Aktion von Erfolg gekrönt war und sie Deidara verletzten, führten sie Gaara einmal mehr vor Augen, wie machtlos seine Untergebenen waren. Vielleicht bat er dann endlich die Rônin-Bande um Hilfe. Jedoch durfte ihnen kein Fehler unterlaufen. Ihre Gesichter mussten unbedingt verborgen bleiben. Die Techniken ihres Gegners kannten sie nur vom Hörensagen. Er sollte ein hervorragender Schwertkämpfer und Bogenschütze sein. Mit Schwarzpulver hatte er Erfahrung, allerdings bezweifelte Sai, dass er das explosive Pulver ständig mit sich herum trug. In der Stadt nützte dem Blonden sein Bogen wenig. Also blieb Deidara vorrangig der Nahkampf. Sais Finger strichen über den kalten Griff eines Kunai, die sich in seiner Kleidung verbargen. Selbst auf kurzer Distanz waren die kleinen Messer wunderbare Waffen. Um seinem Gegner in einer verlassenen Gasse nicht zu nahe kommen zu müssen, definitiv geeignet. In eine solche Gasse bog Deidara nun ab und blieb stehen. Seine linke Hand näherte sich den Schwertgriffen. Er hatte also bemerkt, dass er verfolgt wurde. Gute Instinkte besaß der Krieger anscheinend. Langsam wandte Deidara sich um. Sai drückte sich tiefer in den Schatten, um seinem Blick zu entgehen. Shin stahl sich um den Samurai herum. In dessen Rücken verließ er den sicheren Schatten. Das war sein Zeichen, sich ebenfalls zu erkennen zu geben. Kaum bewegte Sai sich außerhalb des vertrauten Zwielichts, erfasste Deidaras Blick ihn. Wut schwappte aus dem sichtbaren Auge und schien ihn niederringen zu wollen. Gefühle, schon wieder Gefühle. „Für ein Mitglied von Akatsuki bist du…“ Mit einem Ruck fuhr Deidara herum. Blondes Haar flog durch die Luft, zog einen Halbkreis um den Krieger. Er riss das Wakizashi aus der Saya und schleuderte es seinem Bruder entgegen. Shins höhnende Worte erstarben, als die Klinge sich tief in seine Brust bohrte. „Halt die Fresse, hm“, knurrte der Krieger. Sai blieb keine Zeit, das Geschehene zu realisieren. Im nächsten Augenblick stürmte Deidara auf ihn zu, zog sein Katana und wollte ihm den Kopf von den Schultern trennen. Die jahrelange Routine ergriff von ihm Besitz. Seine Hand umfasste den Griff seines Wakizashi, das er auf dem Rücken trug. Metall prallte an Metall ab. Es klirrte grausig. Sai stolperte zur Seite. Deidara hatte erstaunlich viel Kraft. Er durfte sich nicht auf ein reines Kräftemessen mit ihm einlassen. Diese Maden! Endlich hatten sie einen Fehler begangen. Natürlich bemerkte Deidara, wenn man ihn verfolgte. Das Gefühl war unangenehm, als sei man die Beute eines unsichtbaren Jägers, der im Verborgenen lauerte und nur auf einen falschen Schritt wartete, um hervor zu springen und seine Klauen schmerzhaft ins Fleisch zu graben. Allerdings hatte er seine Jäger nun aus ihren Schatten gelockt. Warum sie ihn angriffen und auch noch bei Tag, war ihm schleierhaft. Momentan interessierte ihn aber nur eins. Sie sollten bezahlen für ihre Taten. Wochenlang hatten sie ihn an der Nase herumgeführt. Der Zorn brodelte heiß in ihm. Endlich hatten sie dem Blonden das begehrte Ventil gegeben, um sich Luft zu machen. Und er genoss es. Der Mann vor ihm war geschickt. Immer wieder entging er seinem Katana. Doch er wich ihm aus, ließ sich nicht auf ein Kräftemessen ein, weil er beim ersten Block bemerkt hatte, dass Deidara ihm überlegen war. Aus den Augenwinkeln fiel ihm die schnelle Bewegung der Hand seines Gegners auf. Schatten flogen auf ihn zu. Instinktiv wich Deidara zur Seite aus. Neben ihm erklangen dumpfe Laute. Ein kurzer Blick offenbarte ihm zwei Kunai, die in der Hauswand steckten. Wie erwartet benutzte sein Gegner Shinobitechniken. Den kleinen Messern auszuweichen, war einfacher als vermutet. Es war viel schwerer, Sasoris dünnen Stahlseilen zu entkommen. Sein Meister hatte sie in Übungskämpfen auch gegen ihn angewandt. Netterweise waren diese nicht vergiftet gewesen. Aber Sasori hatte ihn immer wieder mit dieser Waffe angegriffen, bis er in der Lage war, ihr zu entgehen. Deidara grinste und führte einen weiteren Angriff gegen den Kämpfer. „Du willst ein Shinobi sein? Das ist ja schon fast zu leicht, hm“, warf er ihm an den Kopf. Deidara ließ sein Katana an dessen Klinge abgleiten, griff unter seinen Gi und zog den dort verborgenen Dolch hervor, stach nach dem Gesicht des anderen. Dieser zuckte zurück, aber sein Ziel hatte Deidara erreicht. Die scharfe Klinge zerriss den Stoff des Tuches und enthüllte ein blasses Gesicht. Letzte kindliche Rundungen ließen die Konturen weicher erscheinen. Sein Gegner musste jünger sein als er selbst. Schwarze Strähnen fielen ihm in die Stirn. Ein leises Geräusch hinter ihm alarmierte Deidara. Mit einem Sprung zog er sich zu einer Wand zurück und musste sich sogleich ducken. Dieses Mal bohrten sich jedoch keine Kunai, sondern Senbon in die Wand knapp über ihm. Der feuchte Glanz bestätigte seine Vermutung. Gift. Sein Blick schnellte zu der ebenfalls in schwarz gekleideten Gestalt, die bei dem Toten hockte. Zwei Shinobi waren ungleich schwerer in Schach zu halten. Vor allem sollte er darauf achten, nicht mit Gift in Berührung zu kommen. Lästigerweise war Gift eine sehr beliebte Methode unter Shinobi. Abwartend huschte sein Blick zwischen dem Jungen und der dritten Person hin und her. Doch anscheinend wollte der Neuankömmling nicht kämpfen, denn er zog Deidaras Wakizashi aus der Leiche und warf sich den toten Körper über die Schulter. Ein angedeutetes Rucken des Kopfes und der Bengel verschwand in den Schatten der Gasse. Das hier war also der Anführer dieser verfluchten Bande. Ihre Blicke trafen sich. Etwas fiel auf den Boden. Zischend breitete übelriechender Rauch sich aus, zwang Deidara, zurück zu weichen, um eine einigermaßen klare Übersicht zu behalten. Er wollte sich nicht hinterrücks die Kehle aufschlitzen lassen. Nur langsam verlor sich das stinkende Gemisch und gab den Ort des Geschehens wieder frei. Deidara war allein in der Gasse. Verborgene Blicke spürte er auch nicht mehr. Sein Wakizashi lag verwaist nahe der Blutlache. Der Rauch hatte ihre Flucht tarnen sollen. Knurrend stieß Deidara sein Katana in die Saya. Mit langsamen Schritten trat er zu der Stelle, an der eben noch der Tote gelegen hatte. Während er sich nach dem kürzeren Schwert bückte, waren seine Sinne aufmerksam auf die Umgebung gerichtet. Er durfte auf keinen Fall nachlässig werden. Shinobi griffen normalerweise aus dem Hinterhalt an. Aber auf einen langen Kampf hätten sie sich ohnehin nicht einlassen können, wurden inzwischen die ersten Bürger aufmerksam aufgrund der Unruhe in der Gasse. Warum hatten sie ihn also so offen herausgefordert? Unter einer alten Brücke legte Anko Shins toten Körper ab. Sai kniete sich neben seinen Bruder und zog das schwarze Tuch von seinem Kopf. Sein Herz schmerzte in der Brust bei dem Anblick der weit aufgerissenen Augen. Mit zitternden Fingern strich er ein paar der hellen Strähnen aus dem Gesicht. Anko zog den Stoff von Nase und Mund weg. „Was habt ihr euch dabei gedacht?“, fuhr sie ihn an. Ihre Strafpredigten fielen normalerweise lauter aus. Aber niemand durfte sie hier bemerken, weswegen sie ihre Lautstärke arg im Zaum hielt. Dafür bohrte sich ihr Blick vernichtend in ihn. Sai schluckte und sah wieder auf Shin hinab. Den leeren Blick ertrug er nicht länger. Sanft schloss er seine Augen. Nun hatte es zumindest den Anschein, als schliefe er lediglich. Wäre da nicht das viele Blut. Keiner von ihnen hatte erwartet, dass der Samurai sie sofort und ohne eine verbale Warnung angriff. Eigentlich hätte er sie in Gewahrsam nehmen sollen, anstatt einfach mit einer tödlichen Attacke den Kampf zu eröffnen. „Wir wollten den Samurai nur etwas vorführen“, murmelte Sai tonlos. Er steckte genauso in dieser Sache drin. Seinen Teil der Schuld wälzte er nicht auf seinen toten Bruder ab. Er hätte ihn aufhalten müssen, dann würde er jetzt noch leben. Kälte kroch durch seinen Körper. Nur allmählich erfasste er die Tragweite der Situation. Shin war tot. Er war wieder allein. Sein Bruder, der immer bei ihm gewesen war, ließ ihn allein in der Welt der Lebenden zurück. Hatte Sai nicht immer zu ihm gesagt, er solle sich mehr in Geduld üben? Er hätte ihn aufhalten müssen. Mit dieser Aktion war nicht nur ihre Mission empfindlich gefährdet, sondern ihm war auch innerhalb eines Wimpernschlags das Wichtigste in seinem Leben entrissen worden. „Deidara gehörte zu Akatsuki. Und er war der Schüler von Akasuna no Sasori. Was glaubst du, wieso wir vorsichtig sein sollen? Akatsuki besteht zwar aus ehemaligen Samurai, aber allesamt sind es herausragende Krieger“, knurrte Anko. Genervt entließ sie die Luft zwischen den Zähnen. „Wieso hat mir Orochimaru-sama nur halbe Kinder mitgegeben?“ Die ältere Frau hockte sich zu ihm, griff grob nach seinem Kinn und drückte es hoch, sodass er sie ansehen musste. „Diese Mission ist kein Kinderspiel. Wegen eurem Ungehorsam ist Shin jetzt tot und sie kennen dein Gesicht. Von jetzt an wirst du genau das tun, was ich dir sage, ist das klar?“ Die letzten Worte waren nur noch ein Zischen, einer aggressiven Schlange gleich, die zubiss, sollte er sich weigern. Abgehackt nickte Sai. Shin war tot und in ihm schien auch das letzte bisschen menschliches Gefühl zu erkalten. Die Mission musste zu Ende geführt werden. Etwas anderes hatte er nicht mehr. Nur noch die nächste Mission war von Bedeutung. „Können wir ihn bestatten, Anko-sensei[62]?“, fragte er leise. Sein Bruder sollte wenigstens ein Grab erhalten. „Er hätte es verdient, im Fluss versenkt zu werden für diese Dummheit und du gleich mit“, erwiderte sie. Fest presste Sai die Lippen aufeinander. Nein, das wollte er nicht! Shin sollte nicht wie unliebsamer Ballast entsorgt werden, um Spuren zu verwischen. Anko stand wieder auf. „Nimm ihn. Wir schaffen ihn aus der Stadt und suchen einen Platz, wo wir ihn begraben können.“ Ihre Stimme klang jetzt etwas weicher. Schweigend schob Sai seine Arme unter die Schultern und in die Kniebeugen seines Bruders und hob ihn vom Boden auf. Fest drückte er den schlaffen Körper an sich. Seine Finger gruben sich in den Stoff der schwarzen Kleidung. Shin war immer sein Licht gewesen. Wie sollte er ohne Licht seinen Weg in der Dunkelheit finden? _________________________________________ [62]-sensei: Suffix für die Anrede von Lehrern u.a. 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