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Beat of a Damned Lover

Übersetzung der gleichnamigen FF auf ff.net
von

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Goldene Augen

Tony und Bryan versuchten, sich gegenseitig in Grund und Boden zu starren, als Bryan die Waffe auf die selbe Höhe wie Tonys Kopf brachte. Tonys Lächeln war krude und gleichzeitig geschmeidig emotionslos. „Komm' schon Bryan, mach' dich nicht selbst zum Narren. Das wirst du niemals tun, nicht nach allem, was ich für dich getan habe.“

 

Bryan schnaubte. „Du scheinst zu denken, dass die Vergangenheit mich auch nur einen Scheißdreck interessiert“, erwiderte er aggressiv, „mir wurde beigebracht, nicht zu fühlen, erinnerst du dich?“

 

„Oh, bitte, niemand kann seine Gefühle auflösen, das ist unmöglich“, sagte Tony gelassen, „es ist egal, wie sehr du versuchst, sie zu verscheuchen, sie werden einfach zurückkommen. Vertrau' mir, ich weiß das.“

 

„Wirklich? Einen Scheiß weißt du, Tony.“

 

Bryans Stimme war einmal im Leben ruhig, weder schrie er noch war er wütend. Andererseits hatte Tony ihn bisher auch noch nicht angepisst. Die Waffe in der Hand das Falken war ruhig, aber der Phönix wusste, dass Bryan niemals den Abzug drücken würde. Tony war der Grund dafür, dass Bryan Kai so lange gehasst hatte, und der Falke würde sein Urteil nicht so plötzlich komplett umkehren.

 

Tonys Stärke war unwirklich. Er war stärker als jeder Mann, dem Kai bisher begegnet war, der Arm, der um ihn geschlungen war, war wie ein Arm aus Metall, unzerbrechlich und solide. Die Klinge an seinem Hals machte es unmöglich, sich zu bewegen; nur ein Zoll nach links oder rechts und das Messer würde in seine Kehle gleiten. Tony wusste, was er tat.

 

Aber solange Tony Kai festhielt, konnte er nicht Black Dranzer festhalten; das Bitbeast flackerte noch immer verärgert unter Kais Fuß und immer wieder schwappte eine Welle der Macht über ihn hinweg. Black Dranzer sprach zu ihm, lockte ihn, ihn freizulassen und Tony zu geben. Sobald Black Dranzer in Tonys Händen war, würde der Phönix frei sein; es wäre nur eine Frage der Zeit, bis Black Dranzer die Überreste von Tony verschlungen haben würde und dann zu Kai zurückkehrte, sodass sie als Paar Chaos über die Welt bringen konnten.

 

Natürlich würde Kai für eine Weile stark genug sein, Black Dranzer zu bekämpfen, aber irgendwann würde der Phönix der Macht erliegen und dann würden sich beide Phönixe, rot und schwarz, vereinenen und die gesamte Zivilisation in die Knie zwingen. Kai konnte die Vision vor sich sehen; er hatte zuvor von ihr geträumt, aber jetzt war Black Dranzer so nahe und die Vison sah nach mehr aus, als nur einem Traum, sie schien wie eine fassbare Zukunft.

 

„Ich sage es noch 'mal, lass' Hiwatari los“, sagte Bryan hart, „sonst werde ich dir in deinen scheiß Kopf schießen.“

 

Tony lachte sein lautes, gedehntes Lachen, das in Kais Ohren klingelte. „Nein, wirst du nicht! Du kannst nicht, Bryan, du hast nicht das Zeug dazu, mich zu töten! Nicht nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben! Erinnerst du dich nicht? Ich habe dich trainiert, auf dich aufgepasst, wenn du bestraft wurdest, wurde ich bestraft, ich habe dafür gesorgt, dass du in der Abtei kein Niemand warst, ich habe dein Talent gesehen und dich nach vorne getrieben.“ Er lachte erneut. „Denk' darüber nach, du wärst nicht einmal hier, wenn ich dir nicht geholfen hätte.“

 

„Du hast das nur getan, damit dein eigener Aufstieg in der Abtei beschleunigt werden würde“, ging Kai harsch dazwischen.

 

Tony knurrte, als seine Wut schnell in ihm aufkochte. „Das weißt du nicht!“

 

„Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen, warum du einem anderen helfen solltest“, murmelte Kai, „wir alle wussten, was es bedeutete, am unteren Ende der Nahrungskette der Biovolt zu sein, jeder hätte alles gemacht, um an die Spitze zu gelangen.“

 

„Korrektur, Bryan und ich wussten, was es hieß, der Abschaum zu sein, du wurdest immer gut und nett behandelt, du warst etwas besonderes“, erwiderte Tony laut, „nur Bryan und ich wussten, was es bedeutete, nach Essen suchen zu müssen, für etwas bestraft zu werden, was wir nicht getan hatten, und in all dem Dreck und Schmutz trainieren zu müssen, der von den privilegierten Mitgliedern der Abtei zurückgelassen wurde!“

 

„Und dann hast du bemerkt, dass Bryan Talent hatte, und hast einen Ausweg gesehen“, fügte Kai leise hinzu.

 

„Ich war es, der bemerkt hat, dass Bryan nicht so erbärmlich und dumm war, wie alle anderen dachten“, grinste Tony, „das Lob nehm' ich mir.“

 

„Du nimmst dir das Lob für das?“ Kai nickte zu Bryan, der einfältig dastand, die Waffe noch immer in seiner Hand, während er zwischen Tony und Kai hin und her blickte und nicht wusste, ob er einschreiten sollte. „Wegen dir haben sie Bryan zu einem Mörder gemacht, zu einem gewalttätigen, sadistischen Bastard, den die Autoritäten beinahe getötet haben, um die Schande zu verbergen, dass jemand so gewalttätiges existiert.“

 

„Es ist nicht meine Schuld, dass Boris alle von Bryans Emotionen abgesehen von Hass weggesperrt hat“, antwortete Tony schmollend.

 

„Ich vermute nicht“, gab der Phönix zu, er schaute aus dem Augenwinkel zu Tony, der Bryan musterte und dabei zusah, wie der Falke ihn beobachtete. „Sag' mir etwas, warum hat Boris ihn ausgesucht und nicht dich? Du warst älter, physisch stärker, Bryan war nur ein Kind. Warum also hat Boris Bryan mehr bemerkt als dich?“

 

Tonys Gesicht verdunkelte sich. „Ich weiß es nicht!“ Das Schmollen in seiner Stimme wurde von Bösartigkeit, Wut und Neid vergiftet. Kai hatte einen wunden Punkt getroffen. „Hat er einfach!“

 

„Ich kann dir sagen, warum“, flüsterte der Phönix so leise, dass Tony ihn fast nicht gehört hätte, obwohl er so nahe war. „Weil Bryan der bessere Blader war, der stärkere Gegner, das größere Talent, Bryan wurde für die Demolition Boys auserwählt, weil er besser war als du. Er hat eine bessere Chance, Black Dranzer zu kontrollieren, als du jemals haben wirst!“

 

Tony reagierte so schnell, dass er kaum mehr war als ein verschwommener Schatten; er zog Kai zurück, riss am Kopf des Phönix', sodass er ruckartig nach hinten flog und presste die Klinge härter gegen den empfindlichen, blassen Hals. „NIEMAND kann Black Dranzer kontrollieren außer mir!“, knurrte er mit heißem Atem in Kais Ohr. „Niemand!“ Sich umdrehend, spießte er zornig Bryan mit seinen Blicken auf. „Du könntest Black Dranzer niemals haben, du bist nicht besser als ICH!“

 

Bryan bewegte sich nicht. Er stand nur da und hielt die Waffe fest, doch Kais Körper bedeckte zu viel von Tony, er hatte keinen Platz zum Schießen; um Tony zu töten, müsste er Kai töten, da gab es keinen Weg drum herum.

 

Tony lachte, lauter und lauter. „Du bist erbärmlich, du kannst mich nicht einmal umbringen! Ich steh' hier mit dem Leben deines Fickfreundes in meinen Händen und kannst nicht einmal die Kraft aufbringen, mich zu erschießen! Du bist nicht einmal Black Dranzers Zeit wert!“ Er lachte erneut, sein Frohsinn gackerte boshaft. „Nicht, dass ich dich dafür anklagen würde! Du warst immer mein Wunderkind; ich habe dich trainiert und auf dich aufgepasst! Du hast zu mir aufgesehen, niemand anderes hätte dir auch nur eine Sekunde ihrer Zeit geschenkt, ich war deine ganze Welt! Ich- AHH!“

 

Kai hatte die Chance genutzt, auf die er gewartet hatte; während Tonys Angeberei war der unvorsichtig geworden und das Messer war von Kais Hals geglitten. Der Phönix griff das Handgelenk, das die Klinge gehalten hatte, und drehte es hart herum; es gab ein Knacken und Tony schrie vor Schock und Schmerz auf. Aber Kai gab ihm keine Zeit, zu reagieren; blitzschnell rammte der Phönix Tony den Ellenbogen in den Magen, wandt sich aus dem Griff des Mannes und trat ihn in der gleichen Bewegung zu Boden.

 

Tony krachte mit einem Schmerzensschrei in den Schnee, als sein gebrochenes Handgelenk unter ihm begraben wurde; Tränen schossen in seine Augen und er heulte mit erschütterndem Schluchzen in den Schnee. Sein verrutschtes T-Shirt wieder zurechtrückend, griff Kai ruhig nach unten und holte das Messer zurück, das in dem Kampf davon geflogen war. Er stand über Tony, ohne die Klinge zu erheben, und schaute auf den Mann herab, als der heulte und bittere Tränen weinte.

 

„Sieh' dich an“, murmelte der Phönix, „du bist kein Mann, du bist nur ein Junge im Anzug eines Mannes. Du bist es, der erbärmlich ist.“

 

Tony blickte durch Zornestränen zu ihm hoch. „HALT'S MAUL“, brüllte er, „DU WEIßT NICHT, WIE ES IST! Ich hasse dich! Du Monster! Du verdienst es, zu sterben!“

 

„Ich denke nicht, dass du mich heute töten wirst“, flüsterte Kai, er blickte zu dem Messer in seiner Hand und dann zurück zu Tony. Dann schnaubte er und ließ das Messer fallen. „Du bist es nicht einmal wert.“

 

Seufzend wischte er den Schnee von seinen Hosen und ging dorthin, wo Black Dranzer im Schnee lag; es aufhebend, schaute er zurück zu Bryan, doch ein Keuchen lenkte seine Aufmerksamkeit zurück zu Tony. Der Mann hatte Black Dranzer gerade zum ersten Mal gesehen.

 

„Black Dranzer.“ Tonys Augen waren auf dem Bitbeast fixiert, auf Händen und Füße kroch er durch den matschigen, feuchten Schnee nach vorne und streckte sich nach Kai aus. „Black Dranzer, kann er wirklich hier sein, so nah dran?“, keuchte er und schaute dann auf in Kais Gesicht. „Gib' ihn mir!“, verlangte er, „Black Dranzer ist meins, er gehört mir. Gib' ihn mir!“

 

„Nur, wenn die Hölle einfriert und Tyson eine Diät macht“, erwiderte Kai, warf Tony einen gelangweilten Blick zu und drehte sich um.

 

„LAUF NICHT EINFACH SO VON MIR WEG! NIMM MIR NICHT BLACK DRANZER WEG!“, heulte Tony. Mit einem zornigen Brüllen schnappte er sich das Messer aus dem Schnee und warf sich gegen Kais fortgehenden Rücken. „BLACK DRANZER IST MEINS!“

 

Kai wirbelte herum, um zu sehen, wie die funkelnde Klinge auf ihn zukam; er hatte keine Möglichkeit, zu entkommen, das Messer kam immer näher, als Tony seinem Gesicht brüllend immer näher kam. Die Klinge blitze im Licht auf, Tony griff nach dem Bitbeast in Kais Griff. Da war weniger als ein Atemzug Platz zwischen ihnen-

 

Die Waffe knallte drei Mal. Es hallte auf dem Schnee wieder, wurde von einem Berg zum nächsten hin und her geworfen; es war, als ob tausend Kugeln gefeuert worden wären, doch nur drei hatten ihr Ziel getroffen. Tony fiel direkt vor Kai zu Boden.

 

Kai schaute hinab, als Tony hustete und sein Körper auf dem Boden bebte; der Phönix kniete sich neben dem blutenden Mann nieder und, während er Black Dranzer in seine Tasche schob, hob gelassen das Messer auf, das Tony fallen gelassen hatte. Tony war drei Mal getroffen worden, allerdings war keine dieser Treffer tödlich und er hatte genug Kraft, um zu versuchen, sich zu bewegen. Eine Hand hielt ihn auf.

 

„Gib' mir keinen Grund, dich zu töten“, sagte Kai leise.

 

Tony grinste und Blut schwoll über seine Unterlippe. „Mach dich... nicht- zum Affen!“, würgte er hervor, „du hast nicht... den Mumm.“

 

„Ich hatte bisher noch keinen Grund, das herauszufinden“, erwiderte der Phönix und hob eine Hand zu seinem Hals, wo er nun zum ersten Mal bemerkte, dass Tony die Haut zerschnitten hatte; nun war dort eine dünne Linie dunklen Blutes, die die weiße Haut verunstaltete. Seine Augen ruhten wieder auf Tony. „Hör auf, hör' mit diesem Wahnsinn auf.“

 

„Nein!“, stieß Tony auf und hustete, mehr Blut schoss zwischen seinen Lippen hervor. „Black- Dranzer ist mein! Ich werde... dich töten... und ihn... fü- für mich nehmen!“ Er hustete erneut und im Hintergrund hörte man das Geräusch rasselnden Atems. Ein Lächeln legte sich auf seine roten Lippen. „Hätte nicht gedacht, dass er es tun würde“, murmelte er mit Heiterkeit, während er mit einer schwachen Hand in Richtung des Falken gestikulierte, der hinter Kai angelaufen gekommen war.

 

„Ihm wurde beigebracht, Emotionen zu blockieren, nur Hass zu fühlen, er hatte keinen Grund, dich nicht zu töten.“

 

„Wa-Warum tötet er- hick- dich dann n-nicht?“, fragte Tony mit zitternder Stimme, als er den Kopf hob, um Kai anzuschauen, „e-er hasst... dich.“

 

„Dinge ändern sich“, antwortete Kai schlicht, doch seine Finger fuhren über die Male von Bryans Angriff, die noch immer seinen Hals zeichneten.

 

Das Lächeln auf Tonys Gesicht wuchs zu einem bedächtigen, bösartigen Lächeln heran. „Also... was wird er tun, wenn ich dich töte?“, flüsterte er, er hob seinen Blick von Kais gerunzelter Stirn zu der großen, überschatteten Figur, die hinter dem Phönix stand. „W-Was wirst du tun... wenn ich Kai töte, denn ich werde ihn t-töten.“

 

„Du wirst überhaupt nichts tun, wenn du nicht still bleibst“, sagte der Phönix zu ihm, „diese Wunden sind nicht fatal, doch du wirst zu viel Blut verlieren, wenn du dich weiterhin bewegst.“

 

Tony ignorierte ihn; stattdessen fixierten sich seine Augen auf Bryan, der die Waffe gesenkt hatte, sodass sie nun an seiner Seite war. „Was wirst du tun, wenn ich Kai töte?“

 

Bryan blickte auf ihn herab, seine Mundwinkel verzogen sich wütend nach unten; langsam hob er die Waffe auf Schulterhöhe und zielte vorsichtig. Ein Blick betäubten Unglaubens huschte über Tonys gequältes Gesicht, als ob er nicht akzeptieren konnte, was seine Augen ihm zeigten. Und dann schoss Bryan. Kai zuckte zurück, als Blut und Gehirn auf sein Gesicht spritzen und er richtete sich schnell auf, um zu Tony zu schauen.

 

Der Mann lag still; sein Körper hatte einmal gezuckt, als die Kugel ihn getroffen hatte, doch nun blieb er leblos und unbeweglich, das Loch in seinem Kopf wie ein tiefer, dunkler Tunnel. Blut befleckte den Schnee um Tony herum, als der Wind wehte und versprach, ein Sturm zu werden. Kai stand schweigend da, als Bryan träge die Waffe zu Boden warf und seinen Blick von dem toten Körper abwandt.

 

Sie sprachen nicht, denn es gab nichts zu sagen; Bryan hatte seine Wahl getroffen, diese Entscheidung konnte nicht rückgängig gemacht werden und nichts, was Kai sagen oder tun könnte, würde helfen. Tony war etwas der Vergangenheit, ein Fragment von Bryans verdrehter, kranker Kindheit und das war der Ort, an dem er bleiben würde, vergessen und ungewollt. Der Mann, der zu ihren Füßen im Schnee lag, war kein Mann, an den man sich erinnern sollte, sondern ein Körper, der begraben und vor der Welt versteckt werden musste.

 

Kai drehte den Kopf, um den Falken anzuschauen; das nächste, was er wusste, war, wie Bryan ihn packte, nach vorne zerrte und seinen Mund auf Kais presste-

 

Der Phönix zog sich feurig zurück. „Wenn du glaubst, dass ich vergesse, was du-“

 

Bryans Mund legte sich erneut auf den seinen und seine Hand vergrub sich in dem dichten, zweifach gefärbten Haar; erneut lehnte Kai sich nach hinten, um zu reden, doch zum zweiten Mal drückte Bryan sich auf Kai, als die Winde Russlands um sie herum an Geschwindigkeit zunahmen.

 

                                                                                                                    

 

„KAI! Du bist es wirklich! Kai!“ Tyson stürmte nach vorne und lachte hysterisch, als der Phönix sich selbst aus dem Auto hievte und sich zu dem schnell näherkommenden Drachen umdrehte. Tyson blieb kurz vor ihm stehen. „Junge, du siehst furchtbar aus.“

 

Kai hob eine Augenbraue, doch der Drache hatte Recht; seine Kleidung war nass und verrutscht, seine Haare waren ein Nest und sein Gesicht war blass. Seine Augen waren dunkler als sonst und sie lagen tiefer in seinem Gesicht; er sag abgehärmt und geschlagen aus.

 

„Kai!“ Max hatte den Russen ebenfalls entdeckt und sprintete herüber, die anderen folgten ihm rasch. „Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht!“

 

„Ja, haben wir!“, schimpfte Hilary mit ihm, drängte sich an Tyson und Max vorbei und schaute finster zu dem Phönix, die Hände in die Hüften gestemmt. „Wo bist du gewesen! Wo ist Ray! Was ist mit dir passiert! Hast du auch nur eine Idee, was wir durchmachen mussten! Wir sind durch die Hölle gegangen! Du warst ewig weg, die Polizei hat schon Suchtrupps nach dir losgeschickt-“

 

„Polizei?“, unterbrach Kai, als Bryan an seiner Seite erschien, nachdem er aus dem Fahrersitz geklettert war.

 

Sie waren außerhalb der Villa angekommen, direkt vor den Haupttoren, welche weit geöffnet standen, um die Kälte und den Schnee hinein zu lassen. Auf den ersten Blick war niemand zu sehen, doch als  sie zuschauten, schielte ein Polizist in ihre Richtung und rief dann durch die ganze Villa, um seine Gefährten darüber zu informieren, dass Kai Hiwatari mit Bryan Kuznetsov zurückgekehrt war.

 

„Ja, ich hab' sie angerufen“, erzählte Tyson ihm, „es ist vorbei, Kai, sie wissen, dass Voltaire noch lebt.“

 

Kai schaute ihn an und dann zu den großen Türen, die nun noch weiter aufgestoßen wurden, um drei Männer durch zu lassen; zwei von ihnen waren Polizisten, die schweigend vorbei marschierten, während sie die alte, bittere Gestalt von Voltaire Hiwatari flankierten.

 

„Natürlich, es hat eine Weile gedauert, ihnen zu erklären, dass er noch lebt“, erklärte Max mit einem Lachen, „du hättest ihre Gesichter sehen sollen, ich dachte, der Inspektor macht sich vor Angst in die Hosen.“

 

„Ja, es hat eine Weile gedauert, bis wir deine Mutter überzeugen konnten, das Formular zu unterschreiben, dass Voltaire noch lebt“, fügte Tyson hinzu, „aber als sie es getan hat, meinte sie, dass er für all seine Verbrechen bestraft werden könnte, dass er verschwinden wird... für immer!“ Er wandte sich zu Kai. „Ist das nicht großartig?“

 

„Ich bin mir nicht sicher“, erwiderte der Phönix, der zusah, wie sein Großvater ohne einen weiteren Blick an ihnen vorbei ging; er war sich nicht sicher, was er allgemein von der Situation halten sollte, doch Tyson ließ ihn nicht innehalten, um nachzudenken.

 

„Da gibt es noch etwas, das du wissen solltest.“ Die Fröhlichkeit des Drachen löste sich ein wenig auf und er zupfte betreten an seinem verwuschelten Haar.

 

Kai schaute ihn an. „Und das wäre?“

 

„Naja... wir sind alle aus der Zelle, in der sie uns hatten, geflohen“, beschrieb Tyson milde bescheide, „und wir haben es geschafft, ein Auto zu stehlen-“

 

„Dank mir!“, sagte Daichi stolz.

 

„Ja, jedenfalls, ähm, wir sind mit dem Auto gefahren und... dein Vater hat uns irgendwie verfolgt... auf seinem Motorrad."

 

Kai blinzelte langsam und Tyson räusperte sich.

 

„Kai, er ist gegen den Torpfosten gefahren, direkt rein... er ist... tot.“

 

„Ich verstehe.“ Der Phönix ließ nichts anmerken, keine Anzeichen von Verlust oder Freude, er fragte lediglich tonlos: „Meine Mutter?“

 

„Sie bedrückt das ganze gar nicht so sehr, wenn ich ehrlich sein soll“, gab Max reumütig zu, „sie hat den Champagner bestellt.“

 

„Warum sollte sie auch nicht“, argumentierte Kai, „es gehört jetzt alles ihr.“

 

„Tut mir Leid, Kai“, murmelte Tyson, „ich weiß, dass es dich wahrscheinlich nicht interessiert oder so, aber trotzdem, es tut mir Leid.“

 

„Das ist doch jetzt alles egal!“, sagte Kenny ungeduldig und erntete damit einen tadelnden Blick von Hilary. „Kai, weiß, dass es schwer für dich wird, die Hälfte deiner Familie verloren zu haben und es tut mir Leid, aber wir vergessen Ray!“ Er schaute Kai an. „Wo ist er?“

 

​                                                                                                                    

 

Boris stand mit ausgestreckter Waffe da. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde dir noch einmal vertrauen, nachdem du mich so hintergangen hast?“

 

Tala zuckte beinahe unbekümmert mit den Schultern. „Einen Versuch war's wert. Was hat dich zweifeln lassen?“

 

Boris lachte. „Ich wusste die ganze Zeit, dass du ein Verräter warst, ich weiß, dass dein innerstes Verlangen ist, mich zu töten, aber ich wusste, dass du es niemals duchziehen würdest.“

 

Tala verengte die Augen. „Du hast es gewusst? Die ganze Zeit?“

 

„Ich bin nicht dumm, Tala, ich weiß von dem Hass, den du für mich empfindest“, antwortete Boris herablassend, „er war einfach in deinem Gesicht zu lesen, wann immer du mich angesehen hast.“

 

„Warum dann das Spiel spielen?“, fragte Tala, „warum so tun, als ob ich keine Gefahr darstelle?“

 

„Weil ich es amüsant fand, die dabei zuzuschauen, wie du jeden Tag mit deinen Erinnerungen, deinem Stolz und deinem Durst nach Rache gerungen hast.“ Boris entsicherte die Waffe und stabilisierte sie vorsichtig. „Ich wollte sehen, wie lange du durchhalten würdest, bis du durchdrehst.“

 

„Aber ich hätte dich jederzeit töten können.“

 

„Dem stimme ich nicht zu, du hättest mich niemals getötet, mich zu töten, hätte dich gezwungen, zuzugeben, dass du einen Grund hattest, mich umzubringen, und in der Öffentlichkeit hast du von deiner Zeit in der Abtei stets mit Stolz gesprochen.“

 

„Dennoch, mir hätte der Kragen platzen können.“

 

„Verstehst du denn nicht? Das Risiko ist Teil des Spaßes!“, sagte Boris zu ihm mit einem Lächeln, doch dann verschwand das Lächeln, als Boris' Blick zu Ray wanderte, der mit gefesselten Handgelenken dastand. „Aber dann bist du aufgetaucht“, knurrte der Mann, „und hast alles ruiniert, hast Tala umherschwarwenzeln lassen, um dich zu retten, wie selbstsüchtig!“

 

„Es war nicht seine Entscheidung, dass ich gegangen bin“, sagte Tala, „ich bin von mir aus gegangen.“

 

Boris schnaubte. „Ich weiß, dass du das gerne denkst, Tala, aber die Wahrheit ist, dass Ray dir unter die Haut gefahren ist, er hat dich verhext, genaus so, wie viele andere Dinge es vor ihm getan haben.“ Boris seufzte und schüttelte den Kopf. „Die meiste Zeit hast du es nicht einmal bemerkt, doch ich sehe es Tala, jedes Mal. Du gehst durch Phasen, keine von ihnen dauert an, aber sie verzehren dich, bis du alles andere vergisst. Und dann wird dir langweilig und du kommst wieder zu mir zurück gekrochen, es ist nur zu Schade, dass Ray aufgetaucht ist, als er es getan hat, das hat all meine Pläne ruiniert.“

 

„Wie tragisch“, knurrte der Wolf.

 

„Ich hatte Pläne, Tala, ich brauchte deine Hilfe, aber du hast mich enttäuscht.“

 

„Und jetzt wirst du mich töten?“ Der Rotschopf hob die Augenbrauen. „Was habe ich getan, um das zu verdienen?“

 

„Ist es nicht offensichtlich?“, fragte Boris, „du hast deinen Zweck erfüllt, es hat Spaß gemacht, solange es angedauert hat, aber jetzt ist es vorbei.“ Er blickte Tala mit einem tiefen, suchendem Blick an. „Es ist eine Schande, du warst einer meiner besten Schüler und mein treuester Soldat. Stirb mit dem Wissen, dass ich dich vermissen werde.“

 

„Das war's also?“ Tala rührte sich, sodass er Boris direkt gegenüber stand, seine Brust entblößt und ungeschützt, er versuchte nicht einmal, nach der Waffe in seiner Tasche zu greifen. „Du wirst mich einfach erschießen?“

 

„Es ist Zeit, auf Wiedersehen zu sagen, Tala.“

 

„Dann tu' es“, forderte Tala heraus, „erschieß mich, in die Brust, ich werde mich nicht wehren.“

 

Boris war überrumpelt; so lange er sich erinnern konnte, war Tala immer ein Kämpfer gewesen, mit jedem Atemzug, den er tat. „Du gibst einfach auf?“

 

„Ja“, antwortete Tala, „weil du Recht hast, ich kann dich nicht töten... aber ich glaube nicht, dass du mich umbringen kannst.“ Er starrte Boris nieder. „Ich bin dein Lebenswerk, es wäre zu viel Verschwendung, wenn du mich einfach töten würdest.“

 

„Nun, da liegst du falsch“, lachte Boris. In einem Sekundenbruchteil wurde die Waffe gesenkt und Boris feuerte.

 

„NEIN!“

 

Ray warf sich selbst vor Tala, sein Körper zuckte, als die Kugel seinen Rücken traf; er schrie auf und fiel vornüber gegen Tala, der ihn mit geweiteten, eisblauen Augen ansah. Blut stieg in Rays Mund auf, er hustete, stöhnte, als sein Kopf gegen Talas Brust fiel; seine Beine knickten unter ihm weg und all sein Gewicht fiel gegen den Wolf.

 

„Warum?“, fragte Tala lediglich, als er auf das Blut starrte, dass Rays Kinn hinab tropfte.

 

„Weil es in dir noch etwas menschliches gibt“, grinste Ray ein schmerzerfülltes Lächeln, das sich auflöste, als sein Körper schwächer wurde. „Es tut weh“, flüsterte er, das Blut befleckte Talas Oberteil. Er blickte hoch in Talas Gesicht, als seine goldenen Augen stumpfer wurden, bevor sein Kopf nach vorne kippte.

 

Talas Augen waren dunkel; sein Mund verfestigte sich in einem kalten Knurren. „Boris, du bist ein toter Mann!“



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