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Beat of a Damned Lover

Übersetzung der gleichnamigen FF auf ff.net
von

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Scheinbare Wahrheiten

„Du musst das hier nicht machen“, protestierte Ray, als Tala sich zum Abteigebäude wandte, das wie ein großer Haufen auf der verschneiten Erde saß. „Verstehst du nicht, dass das nicht funktionieren wird? Boris vertraut dir nicht, Tala.“

 

„Und das habe ich dir zu verdanken“, erwiderte der Wolf, „es macht Sinn, dass du mir dabei helfen solltest, Boris' Vertrauen zurück zu gewinnen.“

 

„Ich hab' dich nicht darum gebeten, mir nachzukomen“, erinnerte Ray ihn und fasste Talas Arm, nur um unwirsch abgeschüttelt zu werden. „Du bist der, der entschieden hat, mir nachzukommen, als du 'rausgefunden hast, dass Boris mich erschießen lassten wollte.“

 

„Hm, ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist“, überlegte Tala beinahe abwesend, „du musst meinen Verstand reingelegt haben oder so.“

 

Ray keuchte vor Unglauben auf. „Das kann nicht dein Ernst sein! Ich hab' nichts gemacht und das weißt du.“

 

„Du hast mich geküsst.“

 

„Ich kann mich nicht daran erinnern, dich gezwungen zu haben, mit mir zu schlafen“, konterte der Neko-Jin resolut, „wenn ich mich Recht entsinne, warst du derjenige, der die Kontrolle in der Situation übernommen hat.“

 

Tala schaute ihn finster an. „Du hast mich angemacht!“, schnappte er.

 

„Ja, und du warst da ziemlich aufgeregt drüber“, erwiderte Ray herausfodernd.

 

„Das bedeutet nichts.“

 

„Bist du sicher?“

 

„Ich bin sicher.“ Tala bedachte ihn mit einem kalten, emotionslosen Knurren. „Nur, weil wir gevögelt haben, heißt das nicht, dass ich irgendwelche Lebenschwüre abgegeben habe, dich zu beschützen. Du bist ein Werkzeug, das ist alles, komm' klar.“

 

„Nein, komm' du doch klar!“, grollte Ray hitzig, „ich werde nicht zulassen, dass du mich an Boris überreichst, nur damit du vor deinen eigenen Gefühlen davon laufen kannst!“

 

„Also wirst du nicht freiwillig mit mir kommen?“

 

„Bist du bescheuert? Nein, ich werde verdammt noch mal nicht freiwillig mit dir gehen!“

 

„Mach's doch nicht schwerer für dich, als es ist, ich bin stärker als du.“ Tala trat bedrohlich einen Schritt nach vorn. „Ich könnte dich in jedem Kampf schlagen.“

 

Ray hob die Augenbrauen. „Wer hat denn irgendwas von kämpfen gesagt?“ Sie waren kaum 30 Zentimeter von einander entfernt; er streckte die Hand aus, griff Tala an der Jacke und zog den Wolf zu seinem Gesicht. Sie trafen sich und Ray presste seinen Mund auf Talas, nutzte seine Lippen, um Tala zu reizen, zog an der Unterlippe des Wolfs mit seinen Zähnen; es dauerte für kaum drei Sekunden an und Tala war kurz davor, zu erwidern, als-

 

Als er sich aggressiv entfernte, der Speichelfaden zwischen ihnen wurde an die Freiheit gezerrt, als Tala einen Satz nach hinten außerhalb von Rays Reichweite machte und sich den Mund wischte. „Versuch's gar nicht erst!“, knurrte er, „du spielst nicht mit meinem Kopf.“

 

„Du spielst mit deinem eigenen Kopf, Tala, da brauchst du keine Hilfe von mir“, sagte Ray schwer atmend, seine Brust hob sich in einem tiefen Seufzen und atemlos traf sein Blick auf den von Tala. „Komm schon, gib's zu.“

 

„Ich habe nichts zuzugeben.“

 

„Lügner.“ Ray trat einen Schritt auf ihn zu, doch nun ging Tala nach hinten, sodass der Abstand zwischen ihnen gewahrt wurde. Das hielt den Neko-Jin jedoch nicht auf. „Du weißt, dass es falsch ist, mich an Boris zu geben, du weißt, dass du das nicht tun willst.“

 

„Natürlich will ich das tun.“

 

„Boris wird mich foltern!“ Die Lautstärke von Rays Stimme stieg an, als der versuchte, Tala zum Verstehen zu bringen. „Er wird mich fesseln und mich untersuchen, an mir herum experimentieren. Er will wissen, wie ich Bryan geschlagen habe, das wissen wir beide, und er wird alles tun, was nötig ist, um das herauszufinden. Er-“ Ray hielt inne und nun wurde seine Stimmer leiser, als er einen erneuten, vorsichtigen Schritt auf den Rotschopf zumachte, der dieses Mal nicht weg ging.

 

Tala verdrehte die Augen. „Was willst du von mir?“, fragte er mit einem ungeduldigen Seufzen, „ich werde dich Boris geben, das ist alles, wofür ich dich brauche.“

 

„Ich will nicht, dass du das tust“, flüsterte der Neko-Jin.

 

„Dann lauf, versuch', mir zu entkommen, du wirst nicht weit kommen.“

 

Ray schaute die leere Straße hinab; keine Autos fuhren vorbei, niemand ging den Bürgersteig entlanf, da war keiner, der ihm helfen könnte. „Nein, das werde ich nicht tun“, murmelte er und blickte zurück zu dem Russen. „Weglaufen macht es nur einfacher für dich. Und du hast Recht, ich würde nicht weit kommen... aber ich werde nicht mit dir gehen.“

 

„Was wirst du dann also tun?“, fragte Tala in einem fast schon amüsierten Tonfall, „es sieht für mich nicht so aus, als würdest du dir noch Möglichkeiten geben.“

 

„Ich werde dich darum bitten, es nicht zu tun“, antwortete Ray in der selben leisen, vorsichtigen Stimme. Er trat einen weiteren, langsamen Schritt auf Tala zu und der Wolf spürte, wie warmer Atem sein Gesicht berührte. „Bitte, Tala, ich will nicht, dass du das tust, Boris wird mich foltern und an mir herum experimentieren. Es macht mir Angst; ich will nicht Boris' Versuchskaninchen sein. Er wird nach seiner Antwort suchen und suchen und er wird nicht aufhören, bis er sie gefunden hat.“ Das Gesicht des Neko-Jin wurde traurig, sein Blick auf den Boden gerichtet. „Aber das Problem ist, dass es keine Antwort darauf gibt, wie ich Bryan geschlagen habe, keine, die Boris zufriedenstellen wird. Bitte, Tala, gib' mich nicht an Boris.“

 

Für einen Augenblick sagte Tala nichts, er schaute nur auf das gesenkte Gesicht des Tigers, dann schnaubte er. „Du bist schwach“, beschuldigte er, „deine Angst zu zeigen ist dumm, man zeigt seine Angst niemals auch nur irgendjemandem.“

 

„Du weiß, dass er dich zwingen wird, ihm zu helfen, nicht wahr?“ Rays Kopf schoss wieder in die Höhe. „Ich bin der Grund, weswegen er dir nicht länger vertraut, also wirst du ihm in seiner Forschung helfen müssen, um dieses Vertrauen zurück zu gewinnen... Ich will nicht, dass du mir weh tust, Tala, nur, um damit Boris' Vertrauen wieder zu erhalten, sodass du ihn töten kannst. Es ist nicht fair. Warum kannst du ihn nicht einfach jetzt töten?“

 

Er blickte Tala an und suchte nach diesen leeren, blauen Augen, die zum ersten Mal den Blick abwandten, als Ray in sie hineinschaute; und Ray realisierte, was die Antwort war, es war so einfach und offensichtlich, dass er sich fragte, warum es ihm noch nicht früher aufgefallen war. Es gab nur einen Grund, weswegen Tala sich all diese Mühen machte, nur einen Grund, weswegen er Boris nicht bereits vor Jahren getötet hatte.

 

„Du kannst es nicht, nicht wahr?“, flüsterte Ray, „du kannst ihn nicht töten.“

 

Tala antwortete nicht.
 

„Nach allem, was er dir angetan hat, Kai und Bryan? Spencer? Ian? All das, und du kannst ihn immer noch nicht umbringen?“ Ray bewegte sich, sodass er wieder in Talas Gesicht schaute und musterte ihn eingehend. „Ich hab' Recht, nicht wahr? Du kannst dich nicht wirklich dazu bringen, ihn zu töten."

 

Das Gesicht des Wolfs war wie aus Stein gemeißelt und seine Augen trafen auf Rays in einem eisigen Blick.

 

„Boris war dein Herr, er hat dich großgezogen und geformt, und, trotz der Tatsache, dass er dich durch die Hölle geschickt hat, kannst du das nicht vergessen.“ Ray streckte eine Hand aus und seine Finger fuhren über den Aufschlag von der Jacke des Rotschopfes, bevor Tala sich losriss. „Worauf hoffst du also, Tala? Dass Boris etwas tut, sodass es bei dir 'Klick' macht? Das ist es, oder? Deswegen hast du nie aufgehört, für Boris zu arbeiten, warum du Kai und dein Team verraten hast, weil du in der Hoffnung lebst, dass Boris eines Tages etwas tun wird und dann plötzlich deine ganze Kindheit nur noch egal ist.“

 

Tala knurrte. „Schaut euch den schlauen, kleinen Neko-Jin an, das hat er alles ganz alleine 'rausgefunden.“ Seine Augen blitzen und ein beinahe wahnsinniges Lächeln verunstaltete sein Gesicht. Er griff den Neko-Jin am Mantel und zerrte ihn mit sich nach vorne. „Nicht, dass irgendwas davon relevant ist. Ich werde dich Boris geben, egal, welches Spiel du zu spielen versuchst.“

 

„Glaubst du, dass du es tun könntest?“, fragte der Tiger und blickte hoch in das Gesicht des Rothaarigen, „wenn Boris dich fragt, meinen Arm aufzuschneiden, würdest du es tun?“

 

„Ohne zu zögern.“

 

Der Blick des Neko-Jin senkte sich wieder; er entspannte sich, obwohl Talas Griff sich nicht lockerte, der Wolf hielt ihn stramm fest und zerrte Ray zu den Haupttoren der Abtei, wobei er das Motorrad hinter ihnen verlassen zurückließ. Ray kämpfte oder wehrte sich nicht; Tala hatte Recht, er könnte den Wolf niemals in einem Kampf schlagen.

 

Aber da war dennoch diese winzige Hoffnung, die wie eine kleine Flamme in Ray Hinterkopf aufflackerte.

 

Tala zog hart an ihm und der Neko-Jin stolperte; er fiel gegen Tala, der ihn rau auffing, ohne in seine Richtung zu schauen. Rays Lippen waren beim linken Ohr des Rothaarigen und den Kopf drehend, hauchte er: „Ich werde dich nicht aufgeben, Tala, ich weigere mich.“

 

„Halt's Maul“, befahl Tala knapp, während er den Neko-Jin vor sich schob.

 

Der Neko-Jin stolperte unter der Gewalt, doch er blieb aufrecht; er stützte sich an einer Säule ab, als er plötzlich mit einem Keuchen stehen blieb. Das alte Abteigebäude war dunkel und leer; es sah unberührt aus und voller Schatten, als ob es von all dem Schmerz und dem Blut, die seine Wände beschmutzten, heimgesucht wurde. Der Hof vor ihm war von einer Schicht funkelnden Schnees bedeckt, der sich träge in der kühlen Brise bewegte.

 

Groß und geduldig stand in der Mitte, vor der großen Doppeltür, Boris, schaute zu und wartete ruhig, dass Tala näher kam.

 

                                                                                                            

 

„Ich werde dich töten, Kai“, sang Tony in einer hohen Stimme, „ich werde dich zerschneiden und erstechen, bis du nichts weiter bist, als ein blutiger Haufen Fleischs.“ Er tanzte freudig durch den Schnee und trat ihn in hohem Bogen. „Dann werde ich mir Black Dranzer nehmen, und dann wird er mir gehören! Endlich!“

 

„Du weißt schon, dass du Black Dranzer nicht wirst kontrollieren können“, erwiderte Kai monoton, „er wurde für mich entwickelt, für mich allein.“

 

„Boris wird mir die Grundlagen beibringen“, zuckte Tony unbekümmert mit den Schultern, „aber ich werde nicht mit ihm beybladen, ich will ihn nur an meiner Seite haben, FÜR IMMER!“

 

„Du glaubst, dass Black Dranzer mit so einem langweiligen Leben glücklich sein wird?“ Kai zog eine Augenbraue in die Höhe. „Er wird dich übernehmen, dich kontrollieren, dich benutzen und dich dann töten.“

 

„Black Dranzer wird mich nicht kontrollieren!“ Tony lachte laut. „Ich bin zu stark für ihn! Ich bin es, der ihn kontrollieren wird.“

 

„Du bist ein Narr, wenn du das wirklich glaubst“, sagte der Phönix, „sicherlich bist du klüger als das. Rette dich, solange du noch kannst, sonst wird dein Leben es nicht wert sein, gelebt zu werden.“

 

Tony lachte erneut; er warf den Kopf in den Nacken und lachte so laut, dass es hallte, vom Schnee abprallte und die weiße Landschaft einhüllte. Bisher hatte er nicht bemerkt, dass Black Dranzer auf dem Boden lag, er war zu sehr mit seiner Aufgabe beschäftigt, Kai zu töten, um das Bitbeast zu bemerken. Weswegen Kai die Zeit erhalten hatte, seinen Fuß ruhig über den dunklen Phönix zu stellen.

 

Er konnte Black Dranzer ärgerlich darüber rascheln spüren, die Macht umhüllte ihn in einer Hitzewelle, bevor sie seine Haut gefrieren ließ; doch Kai ignorierte das, und seine rubinfarbenen Augen wandten sich nicht eine Sekunde von Tony ab, der tanzte und umherhüpfte und zu sich selbst lachte, während er Pläne schmiedete, wie genau er Kai töten würde. Er holte eine Schusswaffe hervor und schaute sie nachdenklich an, bevor er Kai musterte, als ob er ein Gemälde war, das in einer Galerie hing.

 

Spottend richtete Tony die Waffe auf den Phönix, der sich nicht rührte. „Sollte ich dich erschießen, was meinst du? … Eine Kugel und alles ist vorbei? … Nein! Zu schnell!“

 

„Du warst die ganze Zeit unter Boris' Fittichen?“, fragte Kai, sein Plan war, Tony abzulenken. Dies wirkte vielleicht offensichtlich und durchsichtig, doch Tony war im Delirium, unbekümmert und zu dumm, um sich zu scheren.

 

„Zwischendurch“, antwortete Tony, warf die Waffe lustlos beiseite und griff in seinen langen, dicken Mantel. „Er wollte, dass ich warte, bevor ich dich umbringe, er wollte dass ich warte, bis er was auch immer er vorhatte geschafft hat, aber ich konnte nicht. Die Aufregung war einfach zu viel!“

 

Nun holte er ein langes, schmales Messer aus seinem Mantel hervor; er schaute Kai an, als die Klinge aufblitzte und grinste.

 

„Das gefällt mir schon eher, ich kann dich wieder und wieder erstechen, die Schmerzen spüren lassen, dich verletzen, dich foltern, dich bestrafen. Letztlich ist das alles deine Schuld.“

 

„Ich dachte mir schon, das es das ist“, erwiderte der Phönix und schob seine Hände in seinen Taschen, um den entspannten Anlauf zu bewahren, „aber es war nicht meine Wahl, dass du mich gerettet hast, es war nicht meine Wahl, dass du dein Leben für mich riskieren solltest.“

 

Plötzlich, schneller als ein Lichtblitz, war Tony wütend; er bleckte die Zähne und brüllte Kai an, das Messer schwingend, obwohl Kai wenige Meter entfernt stand. „NICHT DEINE SCHULD!“, schrie er, „natürlich ist es deine Schuld! Du und dein dummer Kindesverstand, die sich nicht von einer Macht fernhalten konnten, mit der du nicht umgehen konntest! Wenn du glaubst, dass es nicht deine Schuld ist, DANN LIEGST DU FALSCH!“

 

„Es obliegt nicht meiner Verantwortung, dass du Black Dranzers und dem Wahnsinn erlegen bist“, sagte Kai ohne jegliche Emotion, „du kanntest das Risiko, es war deine Entscheidung, dazwischen zu gehen. Du hättest mich sterben lassen können.“

 

„Und von Voltaire bestraft werden!“ Jetzt lachte Tony wieder, es war ein zorniges Lachen ohne Humor, aber wenigstens hatte er das Messer gesenkt. „Wahnsinn oder Strafe, welch eine Wahl!“

 

„Ich gebe zu, es war keine gute Wahl, du hättest so oder so verloren“, akzeptierte Kai, „aber mein Großvater sieht seine Familie als nützliche Modelle, er hätte meine Mutter ein weiteres Kind kriegen lassen und er hätte es mit dem neueren Modell erneut versucht.“

 

„Das mag sein, aber hätte mich trotzdem umgebracht!“, zeigte Tony lautstark auf.

 

„Hätte er nicht“, widersprach der Phönix, „der einzige Grund, weswegen du überhaupt in der Abtei warst, war der, dass er dachte, dass du stark wärst, er hätte noch immer einen Nutzen in dir gehabt und dich daher nicht getötet.“ Er schaute Tony ohne Gefühl oder gar Interesse an. „Du hast die falsche Wahl getroffen, Tony, du hast Wahnsinn der Strafe vorgezogen, und das war die schlechtere Entscheidung zwischen den beiden."

 

„Oh? Dann ist es meine Schuld?“ Tony zeigte auf sich selbst in gespieltem Verständnis. „Ich verstehe, es ist alles meine Schuld. Ich vermute, das hätte ich schon vorher sehen sollen.“

 

„Du warst nur zu falschen Zeit da, hast die falsche Wahl getroffen und wegen all dessen gelitten“, erwiderte Kai, „es ist niemandes Schuld, ich war dumm, zu glauben, damals schon Black Dranzer kontrollieren zu können und du warst dumm, dass du die falsche Wahl getroffen hast.“

 

„Ja, nun, das ist das, was du denkst!“, knurrte Tony bösartig, seine Stimme schwer von Sarkasmus, der nun durch einen zynischen Tonfall ersetzt wurde. „Und was denkt Bryan über all das hier?“

 

Bryan hatte seit Tonys Erscheinen an der Stelle festgefroren dagestanden; er hatte Tony nicht angesehen, nicht ein einziges Mal. Aber er hatte der gesamten Konversation zugehört, wie sie hin und her ging zwischen dem Phönix und seinem alten Kameraden; er hatte in die mit Schnee bedeckte Landschaft um sie herum geguckt, als Tony am Rand seines Sichtfeldes umhergetanz war. Jetzt allerdings, wandte er sich um, sich plötzlich des Blickes, den der Phönix auf ihn fixierte, bewusst; Tony stand da und hielt das Messer lose in der Hand.

 

Er war größer, als Bryan sich erinnerte und er bemerkte, dass auch Tony damals jung gewesen war; es war seltsam, zu denken, dass dieser abgewrackte, dünne, kallöse Mann einst ein gesunder, drahtiger, starker junger Mann gewesen war, dem Bryan ungern gehorcht hatte. Tonys Augen waren eingefallen und dunkel; die Ringe unter ihnen waren tief und versanken in seinem Gesicht, er sah beinahe wie ein Geist aus. Wie der Geist eines Mannes, der einst existiert hatte.

 

Wahnsinn war nicht nett gewesen zu Tony.

 

„Du hast dich verändert“, sagte Tony, der Bryan von oben bis unten musterte, „viel stärker, als du es warst, und gemeiner. Aber ich hätte niemals gedacht, dich neben dem Phönix stehen zu sehen.“

 

Bryan sagte nicht, er sah lediglich dabei zu, wie Tony träge mit dem Messer wedelte.
 

„Boris hat mir ein bisschen über die Tändelei zwischen euch erzählt. Ich würde es ja süß nennen, wenn ihr zwei nicht gottverdammt verrückt gewesen wärt“, kicherte Tony schadenfroh, „du weißt, dass es nicht anhalten würde, es könnte nicht anhalten. Ihr zwei seid nichts als Gegenteile und Bryan ist zu gewalttätig, um seinen Zorn zu kontrollieren.“

 

Bryans Kiefer verkrampfte sich und er ballte die Fäuste, doch es war Kai, der antwortete. „Wenn du hier bist, um mich zu töten, dann bezweifle ich, dass auch nur irgend etwas lang anhalten wird.“

 

„Stimmt“, nickte Tony und sein Gesicht verdüsterte sich, „ich bin hier, um dich zu töten.“

 

„Boris hat dir gesagt, dass du warten sollst“, erinnerte der Phönix ihn.

 

„Ah, ich kann nicht warten!“, grollte Tony hitzig, „ich werde nicht warten!“ Sein Griff um das Messer festigte sich, als er es vor sich hielt. „Tatsächlich, ICH WERDE KEINEN WEITEREN MOMENT WARTEN!“

 

Er stürzte sich auf Kai, hechtete nach dem Phönix mit einer solchen Geschwindigkeit, dass Kai zu spät bemerkte, dass er ihn unterschätzt hatte; er glitt aus dem Weg, aber Tony war von Boris trainiert worden, so wie Kai, und er war darauf vorbereitet. Sein Arms streckte sich aus und er zog Kai zurück; Kai wehrte sich, doch Tony kannte all die Tricks und er hatte Kai im Griff. Mit einer Stärke, die fast schon unmenschlich war, zog Tony Kais Kopf zurück und offenbarte den blassen Hals.

 

Er hob das Messer an Kais Hals, sein ruckartiger Atem auf Kais Gesicht. „Und jetzt wirst du STERBEN!“

 

„Lass' ihn los.“

 

Tony blickte überrascht auf, als ob er vergessen hatte, dass sie nicht alleine waren; Bryan stand vor ihm, in einer Hand die Waffe, die Tony zuvor fortgeworfen hatte. Kai fluchte leise vor sich hin; im Nachhinein bemerkte er, dass es gut war, von Tony gefangen worden zu sein, in der Vorbereitung, das Messer gegen ihn zu verwenden. Es war die einzige Möglichkeit, die Kai einfiel, wie er Tony töten konnte, bevor Tony ihn umbrachte, aber der Phönix hatte nicht gewollt, dass Bryan mitmischte.

 

Tony starrte ihn an und dann lachte er. „Oh, runter mit der Waffe, Bryan, du würdest mir niemals weh tun!“

 

                                                                                                            

 

„Tala, ich habe gewartet“, sagte Boris, als er zusah, wie der Wolf den zögerlichern Neko-Jin näher zog. „Du bist später, als du angekündigt hast.“

 

„Das macht nichts, ich habe ihn gebracht, wie Sie gesagt haben“, erwiderte Tala und gestikulierte zu Ray, den er noch immer dicht bei sich hielt.

 

Boris lächelte Ray an, der knurrend und fauchend zurückschaute. „Ich muss sagen, ich war überrascht“, erzählte er dem Rotschopf, „als du dich meinen Befehlen direkt widersetzt hast, dachte ich, das wäre, weil du gegangen bist, um Rays Leben zu retten, doch hier bist du nun und bringst ihn zu mir.“

 

„Ich wusste, wie sehr Sie ihn studieren wollten“, antwortete der Rothaarige ruhig, „es schien mir eine solche Verschwendung zu sein, ihn einfach sterben zu lassen, ohne wenigsten ein bisschen geforscht zu haben.“

 

„In der Tat“, stimmte Boris zu, „ich kann nicht sagen, wie enttäuscht ich war, als ich ihn töten lassen musste, ich bin so erfreut, dass du ihn mir gebracht hast.“

 

„Und ich bin erfreut, dass ich Ihnen etwas geben konnte, was Sie wollten.“

 

„Es macht mich froh, das zu hören, Tala“, sagte Boris in einem sanften Tonfall. Er schaute von Tala zu Ray und wieder zurück. „Es hat meinen Glauben in dich wiederhergestellt, für einen Augenblick habe ich mir schon Sorgen gemacht, dass du mich verraten hättest.“

 

Tala fixierte Boris mit einen azurfarbenen Augen. „Das würde ich niemals tun.“

 

„Bist du sicher? Du hast dich kürzlich sehr wechselhaft verhalten, ich hab' schon begonnen, zu denken, dass du etwas verwirrt darüber seist, wem deine Treue gehört.“

 

„Ich bin nicht verwirrt“, versichte der Wolf ihm in der selben langsamen, ruhigen Stimme. „In der Tat, ich habe für keine Sekunde gezweifelt, wem meine Treue gehört.“

 

Sie tauschten einen Blick aus, Monster und Soldat; Rays Augen flackerten von Talas unlesbarem Gesichtsausdruck zu den festen, schwieligen Händen, die seinen Arm wie ein Schraubstock umklammerten. Ein paar Mal hatte er versucht, sich gegen Talas Griff zu wehren, doch jedes Mal hatte die Hand des Wolfes nur fester zugepackt und daher hatte Ray aufhören müssen. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und sein Mund war trocken.

 

Die Luft um sie herum war kalt, aber das war nichts im Vergleich zu dem Ausdruck in Talas Augen. Hatte Ray sich so sehr in ihm getäuscht? Hatten seine Sinne ihn wirklich so sehr im Stich gelassen? Seine Instinkte hatten noch nie falsch gelegen, und er war sich so sicher gewesen, dass er bei Tala Recht hatte. Andererseits, vor nicht allzu langer Zeit, war er sich sicher gewesen, dass es nichts Gutes in Tala gab. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er Tala und alles an ihm gehasst.

 

Und jetzt sehe man sich an, wo er war. Er hatte sich Tala ergeben. Sich auf ihn verlassen. Ihm vertraut. Sich gegen Kais Urteil gestellt, weil er sich so sicher gewesen war, dass er Recht hatte. Und er hatte falsch gelegen. Ziemlich falsch. Dieser Fehler würde ihn das Leben kosten; dieses Mal gab es kein Entkommen, niemanden, der ihm helfen konnte, niemanden, dem er vertrauen konnte. Es war lustig, wie einem ein einziger Fehler wörtlich den Atem rauben konnte.

 

Manchmal war das Leben einfach nicht fair.

 

„Also, wo soll ich ihn hinbringen?“, fragte Tala, „runter in den Keller oder in eine der Zellen?“

 

„Ich denke, ich möchte ihn in meinem Labor sehen“, antwortete Boris und grub in seinem Mantel nach einem Stück Seil, das er dann Tala zuwarf. „Fessle seine Handgelenke, ich weiß, wie trickreich Neko-Jin sein können.“

 

Ohne Ray loszulassen, beugte Tala sich nach dem Seil; sich wieder aufrichtend, zog er Ray herum, dass sie sich anschauten, während er beide seine Handgelenke nahm und das Seil fest darum wickelte.

 

„Tala, du musst das nicht machen!“, flüsterte Ray schnell in einem letzten, verzweifelten Versuch, den Teil von Tala zu erreichen, der menschlich war. „Du musst nicht, du musst ihm nicht gehorchen, du kannst dich abwenden!“

 

„Ich habe nicht gesagt, dass du reden darfst“, war Talas einzige Antwort, als er das Seil verknotete und einen weiteren Knoten machte.

 

„Bitte, Tala, ich flehe dich an, das nicht zu tun! Was muss ich tun, damit du aufhörst?“, gab Ray nicht nach, „muss ich betteln?“

 

„Nichts wird mich aufhalten“, sagte der Wolf mit harter Stimme, er schaute Ray fast schon mörderisch an. „Ich werde kriegen, was ich will, und das bedeutet, dass ich dich Boris geben werde.“

 

„Aber Boris wird mich foltern, an mir herumforschen, mich auseinandernehmen, und er wird sicher stellen, dass du ihm helfen wirst, nur um Recht zu haben!“

 

„Ich befürchte, Tala wird nicht lange genug leben, um mir bei meinen Nachforschungen zu helfen.“

 

Boris kühle Stimme schwebte so sanft zu ihnen herüber, dass sie fast schon der Berührung einer Brise im Sommer gleichkam, aber sie war hart, bitter und gemein. Tala und Ray erstarrten gleichzeitig, die goldenen Augen auf blauen fixiert, als Tala langsam den Blick von Rays gefesselten Handgelenken zu dem Mann wandern ließ, dem er so lange gedient hatte.

 

Boris stand gut einen Meter dichter als zuvor, in seiner Hand war eine Schusswaffe, die geradewegs auf Tala gerichtet war. Boris schenkte ihm ein einfältiges Kichern und fragte in einem bedrohlichen Tonfall: „Dachtest du wirklich, dass ich so dumm sei?“



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