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Yu-Gi-Oh! The Last Asylum

von

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Turn 70 - Clash Of Ambitions

Turn 70 – Clash Of Ambitions

 

 

Anya schloss die Augen und ballte eine Faust, die sie energisch in die Höhe streckte. Um sie herum die Dunkelheit eines Elysions, doch nicht etwa ihr eigenes, sondern das des hochgewachsenen, blonden Mannes mit dem aus einzelnen Braids bestehendem Zopf: Exa. Sie standen einander in feindseliger Haltung gegenüber auf einer kreisrunden Plattform, das Mosaik zeigte vom Rand ins Zentrum dringende Flammen. Alles, was sich hinter Exa befand, wurde von einem dunklen Schatten verborgen.

„The fallen comrades become witnesses of a new beginning!“, rezitierte Anya und riss die Augen auf. „Summon contract established!“

Mehr als ein halbes Dutzend Lichter stiegen aus dem Friedhof von Anyas Battle City-Duel Disk auf und positionierten sich über dem Mädchen. Jedes davon war Bestandteil eines bestimmten Kreises, die perfekt ineinander lagen.

„Open the eternal gate!“, schrie Anya aus voller Lunge.

Die Energiekreise verwandelten sich in Fragmente einer runden Steintafel, dort wo einst das Licht geschienen hatte, glimmte stattdessen eine Rune unbekannter Herkunft. Jedes Teilstück des Portals drehte sich im oder gegen den Uhrzeigersinn, jeweils genau in die andere Richtung des darauf folgenden.

Anya ballte eine Faust, auf der ebenjene Rune in den Farben des Regenbogens leuchtete und hielt sie Exa entgegen. „Excel Summon!“

Eine Raumverzerrung entstand. Das Mittelstück des Portals schoss meterweit nach hinten, die anderen Teile folgten ihm auf einiger Distanz. Ein Wurmloch wurde erzeugt, aus dem ein silbriger Schimmer drang.

„Grade …! Rage onwards, [… … Excel Dragon]!“

 

„Anya!“

Die Blonde schreckte auf. Benommen nahm sie die angeregten Zurufe aus dem Publikum wahr, welches gespannt das Duell zwischen Marc und Kakyo Sangon verfolgte.

Neben ihr saß Valerie und verschränkte unter einem tadelndem Blick die Arme, betrachtete sie in einer leicht nach vorne gebeugten Haltung.

„Sorry, bin kurz weggenickt“, nuschelte Anya verschlafen und gähnte demonstrativ, „hab ich was verpasst?“

Matt, der eine Reihe hinter ihr saß, stöhnte genervt. „Das halbe Duell. Aber selber schuld, wenn du gestern auch die ganze Nacht am Laptop sitzt und Computerspiele spielst.“

„Hey, das musste mal wieder sein!“, drehte sie sich mit grimmiger Visage zu ihm um.

„Hört ihr bitte auf damit? Ich möchte das Spiel verfolgen“, empörte sich Valerie und zeigte mit der flachen Hand Richtung des kreisrunden Spielfelds weiter unten. Sie saßen in der ersten Reihe.

Verlegen nuschelte Matt: „Entschuldige bitte.“

Dagegen gab es von Anya nur ein Stirnrunzeln als Reaktion. Redfield, diese heuchlerische Mistmade. Tat ja gerade so, als hätte sie ihre eigenen Worte von neulich schon vergessen.

Wütend verschränkte Livingtons Terrormaschine #1 die Arme vor der Brust und sank tiefer in ihren Sitz. Dabei innerlich Marc anfeuernd, denn -ihm- wollte sie im Finale begegnen. Allein, um es ihrer Erzrivalin richtig heimzuzahlen, auch wenn das hieß, den Kampf auf Marcs Rücken auszutragen. Aber hier ging es ums Prinzip! Welches auch immer …

 

Nicht nur Anyas Stimmung war erhitzt, auch das Publikum fieberte dem Duell mit. Dank seines [Laval Judgment Lords], eines Kriegers, dessen rote Haut von einer Skelettrüstung und einem zerfetzten, roten Umhang bedeckt war, war es Marc gelungen, Kakyo in arge Schwierigkeiten zu bringen.

 

Laval Judgment Lord [ATK/2700 DEF/1800 (7)]

 

Neben einer Handkarte besaß der Schwarzhaarige, welcher sich extra für das Duell den Bart abrasiert hatte und in einem schwarzen Blazer und dazu passender Hose auftrat, auch eine verdeckte Karte.

 

Doch es war Kakyo, der am Zug war und zuvor den [Skilled Dark Magician] in einem braunen Gewand beschworen hatte. Dieser hielt einen weißen Zauberstab, nicht länger als eine Rohrzange, in beiden Händen. Soeben hatte Kakyo eine Zauberkarte aktiviert, sodass ein grünes, dreieckiges Symbol unterhalb der Brust besagten Magiers aufzuleuchten begann.

 

Skilled Dark Magician [ATK/1900 DEF/1700 (4) SC: 1]

 

[Marc: 1100LP / Kakyo: 200LP]

 

Der Brünette nahm zwei seiner drei Handkarten, beides Zauber, und schob sie parallel nebeneinander in sein D-Pad. „Gleich darauf aktiviere ich noch [Emblem Of The Dragon Destroyer] und [Fusion Sage]! Beide erlauben es mir, ganz bestimmte Karten von meinem Deck auf die Hand zu nehmen!“

Zunächst tauchte vor dem brünetten Burschen ein goldener Pokal auf, dessen Fuß an eine Drachenklaue angelehnt war. In seiner Mitte funkelte ein himmelblaues Juwel, in dem das Symbol eines von einem Schwert aufgespießten Drachenschädels zu sehen war.

„[Emblem Of The Dragon Destroyer] sucht mir ein Monster namens [Buster Blader]. Und [Fusion Sage] lässt mich die [Polymerization]-Fusionskarte meinem Blatt hinzufügen!“

Automatisch schoben sich beide an unterschiedlichen Stellen aus seinem Deck hervor, sodass Kakyo sie nur aufzunehmen brauchte. Zeitgleich begannen die beiden farblosen Kugeln an den Schultern des [Skilled Dark Magicians] grün zu leuchten.

 

Skilled Dark Magician [ATK/1900 DEF/1700 (4) SC: 1 → 3]

 

„Wie du siehst, hat mein Magier jetzt auch die restlichen beiden Zauberzähler bekommen“, rief dessen Besitzer energisch und streckte die Hand mit gespreizten Fingern aus, „damit kann er sich als Tribut anbieten, um die nächste Stufe zu erreichen! Erscheine, mein Assmonster!“

Der Hexer ließ seinen weißen Zauberstab vor sich im Kreis drehen. Jener verwandelte sich in ein längliches, schwarzes Modell. Ebenso färbte sich die Robe des Hexers ebenso pechschwarz, langes, weißes Haar begann unter einer spitzen Haube hervorzulugen.

„[Dark Magician]!“, strahlte Kakyo unter lautem Beifall.

 

Dark Magician [ATK/2500 DEF/2100 (7)]

 

„Das ist die seltene Anniversary-Version!“, drang Mr. Cs erstaunte Stimme aus den Lautsprechern des kreisrunden Stadions. „Davon gibt es auf der Welt nur eintausend Exemplare!“

Sogar Marc klatschte anerkennend. „Ein echtes Prachtstück, dein schwarzer Magier.“

„Jeder der drei, die ich im Deck spiele, hat ein anderes Artwork“, erwiderte Kakyo stolz.

Passend dazu wirbelte dieser finstere Zauberer mit seiner Waffen in der Hand, um die Menge zu begeistert. Was er auch schaffte.

„Besonders lustig wird es jedoch, wenn ich das hier mache!“, rief Kakyo und rammte seine [Polymerization]-Zauberkarte in das rote D-Pad. „Ich verschmelze [Dark Magician] und [Buster Blader]!“

Mit einem ehrgeizigen Blick schlug Kakyo die Hände über den Kopf zusammen und ballte mit beiden zusammen eine Faust. Direkt darüber entstand ein blau-orangener Wirbelstrom, der zuerst den Hexer in sich hineinzog, dann ein zweites über Kakyo erscheinendes Monster, einen kräftiger Krieger in dunkelblauer Rüstung, der ein massives Breitschwert schwang. Als beide im Sog verschwunden waren, drang daraus ein grelles Licht hervor.

Kakyo riss die Faust nach unten. „Fusion Summon! Die perfekte Verbindung aus Krieger und Magier betritt das Spielfeld! Erscheine, [Dark Paladin]!“

In schwarzer Robe, die glänzte wie eine Rüstung, landete jener mit einem Satz vor ihm. Das weiße Haar war noch länger geworden und lag ihm über den Schultern, wie er sein Doppelschwert schulterte, das von der Form her stark dem Zauberstab seines Vorgängers ähnelte.

 

Dark Paladin [ATK/2900 DEF/2400 (8)]

 

Die Menge im kreisrunden Stadion jubelte.

In der ersten Reihe beugte sich Anya nach vorne, hin zum Geländer, welches sie mit ihren Händen umklammerte. „Jetzt wird’s interessant, Redfield.“

Jene saß verkrümmt neben dem Mädchen, den Arm angewinkelt auf dem Oberschenkel gestützt, sodass sie mit dessen Hand unter ihr Kinn streichen konnte. Ihr rechter Fuß tippte im regelmäßigen Takt aufs Parkett. Anya bemerkte es aus den Augenwinkeln, entschied sich aber dagegen, aufmunternde Worte zu sprechen. Wenn Valerie Redfield nervös war, hatte das meist einen guten Grund. So richtete Anya ihr Augenmerk wieder aufs Duell.

 

Gerade verkündete der brünette Kakyo selbstsicher: „Du hast einen fatalen Fehler begangen, [Lavalval Dragun] und [Lavalval Dragon] in diesem Duell einzusetzen.“

Marc verschränkte die Arme, erwiderte selbstironisch: „Wenn du damit meinst, dass du sie beide problemlos umgenietet hast, stimme ich dir zu.“

Die Lacher waren auf seiner Seite. Kakyo schwang mahnend den Zeigefinger. „Sie überhaupt zu benutzen war der Fehler. [Dark Paladin] erhält 500 Angriffspunkte für jeden Drachen, ob im Friedhof oder auf dem Spielfeld.“

Die Abbilder der beiden Synchromonster tauchten hinter dem finsteren Hexenkrieger auf. Es handelte sich dabei um einen Flugsaurier mit flammenden Schwingen und Schopf sowie um einen aus glühendem, braunem Gestein bestehenden Drachen. Beide verpufften, dagegen begann [Dark Paladin] in weißer Aura aufzuflammen.

 

Dark Paladin [ATK/2900 → 3900 DEF/2400 (8)]

 

„Na toll“, murmelte Marc angefressen.

Sein Gegner ballte demonstrativ eine Faust. „Das dürfte dann wohl reichen, um deine restlichen Lebenspunkte auszulöschen! [Dark Paladin], greife [Laval Judgment Lord] an! Super Magical Shadowless Slash!“

Der finstere Krieger hob seine Doppelklinge in die Höhe. Dann zischte er innerhalb eines Sekundenbruchteils wie ein schwarzer Pfeil nach vorne, tänzelte auf den letzten Metern mit ausholenden Bewegungen seiner Waffe auf den Feind zu.

„Das hättest du wohl gern!“, fauchte Marc ehrgeizig und betätigte den Knopf an seinem D-Pad, sodass seine gesetzte Karte aufsprang. „Ich aktiviere den Schnellzauber [Mirage Tube], die den Angriff umleiten und dich 1000 Lebenspunkte kosten wird!“

„Von wegen“, erhitzte sich auch Kakyo, „noch habe ich eine Handkarte übrig!“

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still wurde es im Stadion, als Kakyo besagte Karte in den Friedhofsschacht schob und rief: „Effekt von [Dark Paladin]! Black Magic Jammer! Für eine Handkarte negiere ich deine Zauberkarte!“

Die Zauberkarte, die vor Marc aufsprang, verfärbte sich von unten aufwärts pechschwarz. Der Schatten des dunklen Paladins hatte sich heimlich unter den Beinen des [Laval Judgment Lords] hinweg geschlichen und befiel Marcs letzten Trumpf, der in tausend Stücke zerbarst.

Dann hallte ein Sirren durch die Arena. Mit einer Drehung versetzte [Dark Paladin] dem gleichgroßen Lavalord einen Kreuzhieb.

Stille. Dann folgte die Explosion.

 

[Marc: 1100LP → 0LP / Kakyo: 200LP]

 

Es dauerte einen Moment, ehe die Menge zu jubeln begann. Marc stand etwas verloren da, regungslos.

„Und der erste Teilnehmer des zweiten Halbfinales ist Kakyo Sangon!“, verkündete Mr. C aufregt.

Marc gewann seine Fassung wieder und schritt erhobenen Hauptes auf seinen Gegner zu, nachdem die Hologramme verschwunden waren. Der tat es ihm gleich, sodass sie in der Mitte aufeinander trafen und die Hände schüttelten.

 

Indes waren Valerie und Anya gleichzeitig von ihren Plätzen aufgesprungen.

„Herzlichen Glückwunsch“, zischte Letztere böswillig, „jetzt hast du, was du wolltest.“

Valerie senkte das Haupt und schwieg, als der Jubel im Publikum eintrat.

 

~-~-~

 

Behutsam drehte Nick den goldenen Handschuh in seiner Hand. Er war tatsächlich so lang, wie er ihn geschätzt hatte, reichte einem durchschnittlichen Menschen bis zum Ellbogen. Vom Ende, der aus einem Ring bestand, wanden sich so drei goldene Schlangen den Arm entlang, bis sie in der Einstülpung endeten. Er war federleicht.

Nick, mit nichts als weiß-blau gestreiften Boxershorts am Leib, legte das gute Stück auf die Kommode neben dem Fenster zurück.

„Woher hast du den?“ Er drehte sich zum Himmelbett um, in dem Alexandra lag.

Lasziv auf der Seite liegend, die Decke knapp über den roten BH gezogen, lockte sie ihn mit dem Zeigefinger zu sich. „Komm wieder ins Bett.“

„Ich mein's ernst.“

Die Dunkelblonde mit dem leicht welligen, schulterlangen Haar rollte mit den Augen, die von dunklen Ringen gezeichnet waren. „Bist du immer so neugierig?“

„Das ist der Deal. Du bist hier“, sagte Nick und deutete mit beiden Zeigefingern auf den Boden, wobei eigentlich das luxuriöse, ganz in Weiß gehaltene Hotelzimmer gemeint war, „und ich da.“

Seine Finger richteten sich auf die leere Betthälfte.

Alexandra schnappte sofort: „Hältst du mich für eine Prostituierte!?“

„Genauer gesagt“, wollte Nick sie korrigieren, brach dann aber ab, da er es sich doch lieber verkniff, sie direkt als Werkzeug zu bezeichnen. „Nein. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“

 

Sie stöhnte genervt und drehte sich auf den Rücken. „Das ist der Reif von Loiré.“

„Nie davon gehört. Aus welcher Mythologie …?“

„Gar keiner. Loiré war ein mächtiger Dämon, der die europäische Unterwelt vom 16. bis 18. Jahrhundert beherrscht haben soll“, erklärte die selbsternannte Schatzjägerin ihm altklug, „den da hat er sich schmieden lassen. Der Reif kanalisiert die verborgenen Kräfte seines Trägers und schleudert sie seinen Feinden entgegen.“

Nick kratzte sich am zerzausten Hinterkopf, ehe er langsam auf das Himmelbett zu schlenderte. Wie sie da lag, halb verborgen von den Schleiern, die an der Decke befestigt waren. So hatte er noch nie eine Frau gesehen, jedenfalls nicht in der Realität. Ein betörender Anblick, zweifellos, aber … nicht annähernd so sehr, wie er sich das vorgestellt hatte.

Sie war es gewesen, die ihn verführt hatte. Und er hatte bewusst nachgegeben, um ihr ein trügerisches Gefühl von Macht zu verleihen.

 

„Halt“, gebot Alexandra ihm mit erhobener Handfläche, als er unter die Bettdecke kriechen wollte. „Um deine Frage zu beantworten: Ich habe ihn aus dem verfallenen Herrenhaus geborgen, in dem Loiré gelebt hat.“

Nick zog eine Augenbraue hoch. „Nicht gestohlen?“

Auf seine todernst gemeinte Antwort hin ließ die junge Frau den Arm entnervt seufzend sinken. „Nein. So, jetzt beantwortest du mir was. Woher kommen die da?“

Als der hochgewachsene Mann sie fragend ansah, ließ sie den Zeigefinger vor ihm demonstrativ kreisen, sodass er ihr, der Anweisung folgend, den Rücken zudrehte. Und damit die Narben an seinem Rücken präsentierte.

„Die da.“

„Ich wäre vor Jahren beinahe in einem brennenden Haus gestorben“, erklärte Nick ihr und zeigte den rechten Arm vor, der ebenfalls Narben aufwies, „und da habe ich Säure abbekommen, ist noch gar nicht lange her.“

Alex grinste. „Würde ich dich nicht besser kennen, hätte ich rein vom Äußeren vermutet, dass du ein Weichei bist.“

„Du kennst mich nicht“, reagierte Nick kalt.

 

Ein Moment verstrich, an dem beide nichts sagten. Nick saß auf der Bettkante, der jungen Frau zugewandt und studierte sie eingehend. Sie hielt seinem Blick selbstbewusst stand, sogar der Anflug eines herausfordernden Lächelns umspielte ihre Lippen.

„Können wir das Thema wechseln?“, gab Nick nach. „Ich fahre andere Menschen nicht gerne an.“

„Schon gut. Ich weiß, was ich wissen wollte und du auch.“

„Wann lerne ich deinen Informanten kennen?“, erkundigte sich der zerzauste Kerl. In dem Moment begann sein Handy, das auf dem weißen Nachttisch neben dem Bett lag, zu vibrieren.

„Sobald die Zeit gekommen ist. Er ist ein sehr beschäftigter Mann.“

Nick wälzte sich über das Bett und landete neben ihr, Kopf an Kopf. „Besteht die Chance, dass das Treffen in Livington stattfindet? Ich muss bald zurück.“

Seine Gespielin kicherte. „Geh' ran, das ist jetzt schon das vierte Mal heute.“
 

Stöhnend taste Nick blind nach dem alten Mobiltelefon und schnappte es sich. Es sich vor die Nase haltend, überlegte er noch einmal kurz. Ewig würde er Aiden nicht aus dem Weg gehen können. Also warum es nicht endlich hinter sich bringen?

Er nahm ab und legte das Handy ans Ohr. „Hi Schatz, du störst mich gerade beim Fremdgehen.“

Aidens Stimme klang beherrscht, aber sein ehemaliger Verlobter wusste nur zu gut, dass es in ihm brodelte. Allein die Wortwahl verriet ihn. „Nick, da wo ich herkomme, lässt man sich ungeplanten Urlaub vorher genehmigen.“

„Ich hab' ihn mir doch genehmigt“, mimte der den Ahnungslosen.

„Du bist seit fast einer Woche weg. Wir warten alle auf dich. Mr. Ford ist außer sich, weil das Projekt ohne deine Hilfe praktisch auf Eis liegt!“

„Daddy Ford oder Henry?“

„Beide, wenn es dich glücklich macht. Ich erwarte, dass du spätestens übermorgen pünktlich im Büro erscheinst!“ Jetzt hörte man die Wut raus, stellte Nick mit Zufriedenheit fest.

Daher fragte er geradezu provokativ: „Sonst?“

Aber statt die Frage zu beantworten, hatte Aiden aufgelegt. Das machte er gelegentlich. Statt seine Drohungen in Worte zu fassen, ließ er seine Opfer im Ungewissen. Allerdings funktionierte das nur bei denen, die nicht ahnten, womit genau er drohen wollte.
 

Nick packte das Handy wieder auf den Nachtisch.

„Dein Boss?“, hakte Alex nach und rollte sich an seine Seite. Mit dem Zeigefinger strich sie ihm über die hagere Brust.

„Ja. Ich muss zurück, sobald ich hier noch eine Kleinigkeit erledigt habe. Und du kommst mit.“

„Ich denke, es sollte klappen, wenn du gut bezahlst. Nur würde mich interessieren, was genau du überhaupt wissen willst.“

Als er seinen Arm um ihre Schulter legte, erwiderte der junge Mann: „Alles. Und du?“

Wieder bedachte er sie von der Seite mit seinem nachforschenden Blick. „Wofür genau brauchst du meine Hilfe? Du hast es mir noch nicht verraten.“

„Das wirst du dann schon merken“, gab sie sich geheimnisvoll. Dann beugte sie sich vor, legte ihre Hand an seine Wange und küsste ihn.

 

„Eine Sache noch“, nuschelte Nick, dem es bedingt durch ihren fester werdenden Griff sehr schwer fiel, sich von ihr zu lösen, „woher weißt du von den Hüterkarten? Du warst hinter Claire Rosenburg her und hast nur durch Zufall Anya entdeckt.“

Unter einem ungläubigen Gesichtsausdruck riss sie abrupt den Kopf von ihm weg.

„Ich frage das, weil du sagtest, dass eines von Anyas Artefakten die Lebenszeit verlängern kann.“ Sein Blick war völlig untypisch, bat förmlich um Entschuldigung, flehte um eine Antwort. „Denkst du, das könnte bei Anya auch klappen?“

„Ich habe keine Ahnung, woher du das weißt“, erwiderte sie unterkühlt. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wischte ein paar Strähnen weg, aber sein Hundeblick wollte nicht aufhören. Den Kopf schüttelnd, fragte Alexandra schließlich: „Deine Freundin liegt im Sterben, so war das doch, oder?“

Nick schwieg, aber allein sein verkniffener Mund war Antwort genug. Was ihr ein Stöhnen entlockte. „Könnte sein. Jedes dieser Artefakte hat eine besondere Fähigkeit. Ich war hinter dem her, das das Leben seines Trägers verlängert. Ich dachte, Claire hat es, aber dann war da plötzlich deine Freundin. Den Rest kennst du.“

„Wer könnte mehr darüber wissen? Dein Kontakt?“

„Nein, aber er kennt jemanden, der es tut. So'n Treffen zu arrangieren wird aber nicht billig.“

Nick ließ sich in das Kopfkissen sinken. „Ist egal.“

„Gut“, nickte Alexandra, als ob das Thema damit endlich beendet wäre, „ich wollte sowieso noch einmal mit dem Kerl reden. Ich komme mit nach Livington. Und jetzt …“

Statt den Satz zu beenden, stürzte sie sich auf Nick …

 

~-~-~

 

Am nächsten Morgen standen Matt, gekleidet in schwarzer Unterhose und gleichfarbigem T-Shirt sowie Zanthe, bereits in Jeans, weißem T-Shirt und orangenem Kopftuch steckend, gemeinsam vor Anyas Bett in der Ecke des Hotelzimmers. Dessen Besitzerin lag nichts ahnend darin, mit über der Kante ragendem Arm, und befand sich im Land der Träume.

„Was macht sie da?“, fragte Matt fasziniert beim Anblick der Blonden.

„Sie redet im Schlaf“, antwortete Zanthe mit erstickter Stimme.

Denn das, was Anya da von sich gab, gefiel ihm gar nicht.

„The fallen comrades become witnesses of a new beginning! Summon contract established! Grade …! Rage onwards, Arblexldagn!“

Vorsichtig beugte sich Matt über sie. „Klingt wie ein … Beschwörungsspruch. Aber von was?“

„Ist doch egal“, schnarrte Zanthe und trat mit voller Wucht gegen Anyas Arm. „Aufwachen, Zeit für's Frühstück!“

 

Anya schreckte aus ihrem Traum kerzengerade hoch. Es dauerte einen Moment, ehe sie ihre beiden Freunde überhaupt wahrnahm. Verschlafen fragte sie: „Was macht ihr hier?“

„Du hast im Schlaf irgendwas gefaselt“, klärte Zanthe sie auf, „was hast du geträumt?“

„Ich hab irgend'son cooles Monster beschworen, glaub ich. Was geht dich das überhaupt an!?“ Sofort sprang Anya aus dem Bett und baute sich mit ihren 1,60 m vor den beiden größeren Jungs auf. „Geht's eigentlich noch!? Wer hat mich getreten!?“

Mit einem Nicken deutete Matt sofort auf Zanthe, welcher nur grimmig: „Verräter!“ zischte.

Im Anschluss bekam er einen Tritt gegen sein Schienbein spendiert. Dabei hatte er noch Glück, dass Anya inzwischen Wert auf Körperhygiene legte und ihre Zehennägel in regelmäßigen Abständen schnitt und sie so nur unwesentlich an seiner Haut entlang schabten. Ansonsten hätte er sich, wie schon Isabelle Boyd bei einem Klassenausflug im Schwimmbad vor einigen Jahren, jetzt vermutlich eine Infektion eingefangen. Damals hatte Anya damit geprahlt, dass in jedem Zeh eine andere 'versteckt' sei.

 

„Hat auch schon mal mehr weh getan“, grummelte Zanthe und bevor Anya es erneut versuchen konnte, zog er Leine. Im Weggehen fragte er beiläufig. „Was war denn das für ein Monster, von dem du geträumt hast?“

„Weiß nicht.“ Anya, in Boxershorts und Feinrip-Hemd, verschränkte die Arme voreinander. „Hab's ja nicht gesehen, dank dir!“

Der Werwolf, der an den Betten vorbei schlenderte, gab ein nachdenkliches Geräusch von sich. Auf das Bad zusteuernd, drehte er sich vor der Tür noch einmal um. Und sah Anya mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. „Hast du diese Beschwörungsart denn schon mal irgendwo gesehen?“

„Nö, woher denn, es gibt keine Exe-Monster.“ Anya zeigte grinsend mit dem Daumen auf sich. „Das ist alles meinem genialen Geist entsprungen.“

„Wohl kaum“, zischte Zanthe leise, riss die Tür auf und ließ sie hinter sich laut zufallen.

Matt kratzte sich am Hinterkopf. „Toll, ich wollte eigentlich ins Bad. Wieso macht er das, er ist doch schon fertig?“

Keine Sekunde später hörten sie ihn lautstark würgen. Und dann die Spülung.

„Weil er schwanger ist“, kommentierte Anya das Ganze giftig.

 

~-~-~

 

Für den Nachmittag hatten sich Anya, Matt und ausnahmsweise sogar Zanthe mit Valerie und Marc verabredet. In deren Hotel wurde das letzte Viertelfinal-Spiel übertragen. Da keiner der Fünf Lust auf das lärmende Stadion hatte, wollten sie es hier mitverfolgen.

 

So standen das Dreiergespann schließlich vor der weißen Tür von Valeries Hotelzimmer, obwohl eigentlich ausgemacht war, sich gleich in der Lounge zu treffen.

Anya hämmerte mit der Faust gegen das Holz, bis eine sichtlich genervte Valerie die Tür öffnete.

„Ihr seid eine halbe Stunde zu früh“, merkte sie wenig begeistert an.

„Was' los, Redfield? Du siehst aus, als ob du gleich Falten bekommst“, fragte ihre Freundin und drängelte sich an ihr vorbei in das schneeweiße Zimmer. „Nicht, dass mich das stören würde.“

 

Natürlich, dachte Anya grimmig, als sie sich in dem luxuriösen Zimmer umsah. Es gab eine Sitzecke samt Fernseher, mit modernen, schwarzen Ledermöbeln. Irgendwie kam ihr das hier vor wie ein Schachbrett, obwohl sie von dem Spiel keine Ahnung hatte. Und dieses Himmelbett am anderen Ende des Raumes erst, oberster Kitsch!

 

Marc stand mit verschränkten Armen neben dem runden, schwarzen Tisch, auf dem auch die blaue Deckbox von Valerie lag.

„Okay, Butcher“, murmelte sie beim Anblick des Schwarzhaarigen, auf dessen Stirn tiefe Falten geschrieben standen, „-du- siehst aus, als ob du gleich jemanden umbringst. Scheiße, wäre ich doch erst später gekommen. Man, wäre das lustig gewesen, dich zu sehen, wie du Redfield erwürgst.“

„Nicht witzig, Anya!“, wurde sie von der Schwarzhaarigen hinter ihr angemotzt.

 

Zanthe und Matt, die den Anstand besaßen, nicht ungefragt ein fremdes Hotelzimmer zu betreten, schüttelten nur mit den Köpfen.

„Die haben sich gestritten, jede Wette“, vermutete Zanthe klatschfreudig. „Ne Ahnung wieso? Wären wir bloß früher gekommen, dann hätte ich vielleicht noch was mithören können.“

„Vielleicht wegen dem Turnier? Anya hat da so etwas Komisches fallen lassen …“

„Was denn?“

Matt zuckte mit den Schultern. „Na ja, es klang fast so, als ob Valerie gewollt hätte, dass Marc ausscheidet. Sicher bin ich mir aber-“

In dem Moment baute sich ebenjene in ihrem rosafarbenen Kleid vor ihnen auf. „Können wir jetzt bitte gehen?“

 

Wenig später schloss sich die Tür des Zimmers. Die Gruppe steuerte, inzwischen in eine Debatte vertieft, wer das Viertelfinale gewinnen wird, auf den Aufzug zu. Othello Nikoloudis oder Justin Walker? Anya war ganz klar Team Krüppel wegen des Mitleidsbonus, Valerie enthielt sich, obwohl ihre Freundin längst wusste, dass sie ebenfalls den Jungen im Rollstuhl als Sieger antizipierte. Die Jungs dagegen wogen hingegen noch die Stärken und Schwächen der beiden ab.

 

Das weiße Hotelzimmer mit den schwarzen Möbeln war verlassen. Zumindest sollte es so sein. Doch das änderte sich, als sich die Zimmertür öffnete. Abgetragene Turnschuhe schritten über das Parkett, blieben dann in der Mitte des Raums stehen. Dann bahnten sie sich ihren Weg zu dem kleinen Tisch in der Ecke.

Valeries Deck, welches dort lag, wurde in eine Hand genommen und durchgesehen. Und wieder abgelegt. Die Hand zückte eine Karte und schob diese in die Mitte des Stapels.

Damit solltest du gewinnen können, dachte die Person, welche sich anschließend von dem Tisch abwandte und das Hotelzimmer wieder verließ, vorsichtig die Tür schloss.

 

~-~-~

 

„Wollen wir nach dem Duell in die Pizzeria um die Ecke?“, schlug Marc wenig später vor, als sie sich in der Lounge eingefunden hatten.

Sie war nicht weiß wie Valeries Hotelzimmer, zumindest nicht die Wände. Diese waren mit dunklen Holzmustern versehen. Unregelmäßig unterteilten Säulen den Saal, an denen blau leuchtende Halogenröhren befestigt waren.

Am Eingang, den das Fünfergespann passierte, befand sich eine Bar.

„Können wir machen“, erwiderte Anya, „hab' eh Bock auf Pizza.“

„Ich muss nicht mitkommen, oder?“

Auf Zanthes Frage hin, fragte Matt neben ihm: „Ist dir immer noch übel?“

„Ja … und Kopfschmerzen habe ich auch. Warum weißt du sicher.“

„Yeah.“

 

Zusammen schlenderten sie weiter nach vorne. Dort befand sich eine riesige Fläche, wo mindestens ein Dutzend Tische mit Stühlen aufgestellt waren. Ganz am Ende gab es eine Leinwand, auf der das Duell übertragen wurde.

„Können wir dorthin?“, fragte Valerie und zeigte nicht etwa geradeaus, sondern auf eine der Nischen, die mit Ecksofas ausgestattet waren. „Da ist mehr Platz für uns.“

„Schnappen wir uns die besten Plätze, bevor sie weg sind“, stimmte Matt ein.

Sie nahmen zwei Stufen, die hinauf zur Sitzecke führten. Von dort hatte man auch einen guten Blick auf das Bild. Nacheinander ließen sie sich auf den cremefarbenen Möbeln fallen.

 

Eine halbe Stunde später begann das Duell. Die Bildqualität hätte besser sein können, aber es reichte aus, um die mittlerweile volle Lounge gut zu unterhalten. Am Tisch der Runde standen diverse Getränke und eine Schale voller Chips, derer Anya sich ein halbes Dutzend in den Mund stopfte.

„Masch Pendelschummon“, richtete sie ihre Worte an den jungen Mann im Rollstuhl auf der Leinwand.

„Ich würde unter normalen Umständen sagen, dass man nicht mit vollem Mund spricht“, seufzte Valerie ihr gegenüber, „aber mit dir sind es nie normale Umstände …“

Othello tat Anyas Worten derweil Geheiß, ließ blaue Lichtsäulen vor sich aufsteigen, in denen sich der weiße [Stargazer Magician] und der schwarze [Timegazer Magician] befanden.

„Pendulum Summon“, rief er mit schwacher Stimme, „komm herbei, Odd-Eyes!“

Aus dem Portal über ihm schoss ein roter Strahl, der die Form des dinosaurierähnlichen Drachen annahm. Sein Besitzer befahl den Angriff auf die riesige [Mother Spider]-Spinne von Justin, einem hageren, blonden Jungen in schlabbrigen Klamotten. „Spiral Burst Strike!“

 

Bisher lieferten sie sich einen ausgeglichenen Schlagabtausch, überlegte Anya. Rollstuhl-Othellos Spiel war die meiste Zeit über eher defensiv gewesen, aber sie hatte genau gesehen, dass er einige schwächere Pendelmonster von seinem Gegner hat zerstören lassen. Wieso hatte er die nicht beschworen, sondern nur Odd-Eyes?

 

Je länger das Duell anhielt, desto mehr bestätigte sich Anyas Erkenntnis aus dem Duell mit Melinda: Pendelmonster waren der schlimmste Feind, wenn es um eine Materialschlacht ging. So konnte Justin Irgendwer zwar Othellos Odd-Eyes zerstören, aber der kam jede Runde wieder. Und dem zunehmend nervöser werdenden Teenager gingen die Optionen aus.

 

„Er verlässt sich echt nur auf den Drachen und seine beiden Funzelmagier“, stellte Anya fest, nachdem der Kampf zugunsten des kränklichen Othellos entschieden war.

Ausgerechnet Valerie war es, die ironisch auflachen musste. „Dann habt ihr ja was gemeinsam.“

„Was soll das heißen?“, fragte Anya das Mädchen gegenüber verständnislos.

Die Jungs, Marc neben seiner Verlobten sowie die anderen beiden neben Anya, hielten sich geschickt aus der Sache heraus.

„Angel Wing?“

„Versteh' ich nicht. Du willst nur wieder auf mir rumhacken, Redfield.“

Die lächelte jedoch herausfordernd. „Ein bisschen, aber eine kleine Stichelei unter Rivalinnen wird doch wohl erlaubt sein, oder?“

„Wenn du auf das Halbfinale morgen anspielst“, murmelte Anya und beugte sich mit dem Arm auf ihrem rechten Schenkel abgestützt vor, „mach dich schon mal frisch.“

„Ich bin schon bestens vorbereitet“, verkündete das andere Mädchen selbstsicher. „Du auch?“

„Darauf kannst du …“

 

~-~-~

 

„... Gift nehmen“, wiederholte Anya dieselben Worte, die sie am Vortag gesprochen hatte.

Alleine schritt sie den schwach beleuchteten Gang entlang, der ins Innere der Arena führte. Das würde das beste Halbfinale aller Zeiten werden!

 

Hoffentlich kamen ihre Freunde pünktlich, denn Anya war diesmal alleine hierher gefahren. Zanthe ging es nicht so gut, weshalb er noch etwas schlafen wollte und Matt war schon weg gewesen, bevor sie aufgestanden war. Eine Notiz, wohin er gegangen war, hatte er nicht hinterlassen.

Aber das war vielleicht auch gut so. Anya fühlte sich müde, angespannt. Nicht, dass ihr je etwas leid tat, das ihr über die Lippen kam, aber jede kleinste Reizung könnte sie in diesem Moment zum Explodieren bringen.

Sie wollte Redfield besiegen, ein für alle Mal, ohne Hilfe. Denn sie stand ebenfalls auf ihrer 'Pitchest Black'-Liste und die bettelte förmlich darum, um einen Namen ärmer zu werden.

Und es ging um die Chance, sich mit Claire Rosenburg zu duellieren, was Anya nicht vergessen durfte. Gut, davor käme noch das Finale, aber wenn sie Redfield aus dem Weg räumen konnte, würde der Rest auch kein Problem sein!

 

So schritt sie dem Licht entgegen. Nicht so zuversichtlich, wie sie es bei ihren vorherigen Gegnern gewesen war. Nein, Redfield war eine ganz eigene Hausmarke …

„Mach dich schon mal frisch“, zischte Anya.

 

Als sie die Arena betrat, blieb sie sofort wie angewurzelt stehen. Der ganze Boden um die kreisrunde Duellfläche, er war nicht mehr metallisch wie noch zuvor. Offenbar war diese erste, obere Schicht eingefahren worden. Denn was Anya sah, war ein Feld voller viereckiger Mini-Monitore, durch die immer wieder die Paarung des ersten Halbfinales in gelben Lettern huschte und das gegen den Uhrzeigersinn. Abwechselnd wurden dann Szenen aus den vergangenen Duellen der beiden Mädchen präsentiert, welche das bereits aufgeheizte Publikum dank der erhöhten Lage der Zuschauerränge gut sehen konnte.

Vor Anerkennung pfeifend, schritt Anya über ihr eigenes Gesicht, das gerade ihrem Bruder etwas entgegen schrie. Zeitgleich kam Valerie von der anderen Seite aus dem Gang. Auch sie schien merkbar überrascht, ihr Blick haftete am Boden.

„Na klar, musstest dich mal wieder fein rausputzen, was?“, giftete Anya, obwohl ihre Erzrivalin das gar nicht hören konnte, schon gar nicht unter dem Lärm, den die da oben veranstalteten. Valerie trug ihr Haar hoch angesetzt zu einem Pferdeschwanz, gebunden von einer blauen Schleife. In himmelblauen Leggins und seidig-weißer, ärmelloser Bluse marschierte die Schwarzhaarige ihr entgegen. Dagegen mutete Anya, nicht zuletzt dank ihres peinlichen Werbe-T-Shirts für Mr. Palmers Shop, nicht gerade wie eine Halbfinalistin des Legacy Cups an.
 

„Unglaublich, wie die Zeit vergeht“, hallte Mr. Cs Stimme durch das Stadion. Die Leute explodierten förmlich, pfiffen, brüllten, tröteten und trommelten sogar. „Heute findet das erste Halbfinale des Legacy Cups statt.“

Anya und Valerie erreichten zeitgleich die Stufe, die sie auf die Plattform führte. Die Bildschirme unter ihnen wechselten zu einer Verbildlichung der Lebenspunktezähler, beide versehen mit den Profilen ihrer Besitzer.

„Es tritt Anya Bauer, dank ihrer Exzentrik und ihres zügellosen Gebrauchs von Schimpfwörtern die derzeit meistgesuchte Duellantin der bekannten Internetsuchmaschinen, gegen Valerie Redfield an, die inzwischen als geheime Favoritin auf den Titel gehandelt wird.“
 

Hatte sie da gerade richtig gehört, fragte sich Anya perplex. Sie war die meistgesuchte Duellantin, ihr Name!? Dann war sie berühmter als Claire Rosenburg, die Leute kannten sie, die wollten mehr von ihr, die-… wonach suchten die überhaupt?
 

Ich weiß, was du denkst und glaub mir, Anya Bauer, denk nicht zu sehr darüber nach. Es ist wahrscheinlich, dass du die Antwort gar nicht wissen willst.

 

„Uh-huh“, nickte die klamm.

Von ihrem zweifelhaften Ruhm überrascht, nahm sie die letzten Meter bis zur Feldmitte deutlich angespannter. Valerie hingegen winkte den Leuten zu, ganz so, als ob sie gleich Feenstaub versprühte.

„Duellantinnen“, rief Mr. C, „gebt euch die Hand!“

Beide taten wie ihnen geheißen. Anya zischte leise: „Na, ist es schön im Mittelpunkt zu stehen?“

„Weiß nicht. Ist es schön zu wissen, dass im Internet nach Nacktbildern von einem gesucht wird?“

Auf das neckische Zwinkern hin biss die Blonde sich auf die Lippen. Nicht nur vor Wut, sondern auch wegen der Frage, ob das wirklich jemand machte. Und was er wohl fand!?

„Du kannst loslassen“, bemerkte Valerie trocken, da Anya in ihren Gedanken vergaß, den Griff zu lösen.

„Nehmt jetzt eure Positionen ein“, half auch Mr. C nach, da Anya abwesend an ihrer Gegnerin vorbei in die Leere starrte. Die beiden entfernten sich daraufhin voneinander und stellten sich am Ende ihres jeweiligen Feldes auf.
 

„Bevor das hier losgeht, möchte ich, dass du eines weißt. Ganz egal wer von uns gewinnt, wir kämpfen trotzdem für dieselbe Sache“, verkündete Valerie mit einem verschmitzten Grinsen, das jedoch einem ernsteren Ausdruck schwand. „Also keine Verbitterung nach dem Duell, bei keinem von uns, okay?“

Anya rümpfte die Nase. „Ach ja? Wofür denn?“

„Um dich zu retten.“

Die Zuversicht, die dabei in der Stimme ihrer Rivalin mitschwang, stachelte auch Anya an.

„Verdammt richtig, Redfield! Aber ich hab's schon zum Flohpelz gesagt: Manchmal muss man sich selbst retten! Ich brauche deine Hilfe nicht!“ Sie ballte eine Faust. „Und viel weniger brauch ich dich als Gegnerin, also mach's wie die Hunde und zieh Leine!“

Ihr Gegenüber schloss die Augen. „Ich habe es dir bereits einmal gesagt, Anya. Du bist nicht annähernd gut genug, um gegen Claire zu bestehen.“

Schlagartig riss sie die Augen wieder auf. „Und das werde ich dir jetzt beweisen!“

Damit fuhr ihr rotes D-Pad aus und die Schwarzhaarige stieß den berühmten Schrei aus. „Duell!“

 

[Anya: 4000LP / Valerie: 4000LP]

 

Sofort rissen beide Mädchen unter dem tosenden Gejohle der Zuschauer ihr Startblatt vom Deck und kamen so beide auf fünf Karten.

„Das ist es, liebe Leute! Das erste Halbfinale des Legacy Cups beginnt! Was für eine hitzige Ansprache unserer zunehmenden Favoritin Valerie Redfield! Es scheint, als würde sie Anya Bauer kennen! Wovor will sie diese wohl retten? Einer peinlichen Niederlage?“

Fast das gesamte Publikum brach in hämisches Gelächter aus. Augenblicklich spürte Anya die liebliche Hitze grenzenloser Wut in sich aufsteigen. Da würde jemand nach diesem Duell keine Freude daran haben, in sein Hotelzimmer zu fahren. Nicht, wenn sie im Zimmer dieses Jemands saß und-!

„Ignoriere ihn einfach, der ist ein Idiot“, versuchte Valerie sie mäßig erfolgreich zu beruhigen. „Konzentriere dich lieber auf mich, denn ich beginne jetzt!“

Unmittelbar danach legte sie eine Karte auf ihr rotes D-Pad. „Da ich nicht ziehen darf, rufe ich sofort ein Monster: [Gishki Abyss]!“

Während sowohl Publikum als auch Moderator noch geschockt von Valeries jüngster Aussage waren, tauchte vor dieser ein Fischmensch auf. So besaß er zwar Beine, dafür aber begann ab seinem Hals der Übergang in einen kompletten Hai samt Flossen.

 

Gishki Abyss [ATK/800 DEF/500 (2)]

 

Valerie hob den Arm mit ihrem D-Pad daran demonstrativ und griff nach ihrem Deck. „Bei seiner Beschwörung erhalte ich ein Gishki-Monster mit maximal 1000 Verteidigungspunkten.“

Zwischen ihren Fingern hielt sie die gewählte Karte. „[Gishki Vision]. Diesen kann ich abwerfen, um ein Gishki-Ritualmonster von meinem Deck zu bekommen.“

Zähneknirschend nahm Anya zur Kenntnis, wie über ihrer ewigen Rivalin die schattenhafte, durchsichtige Silhouette einer zweibeinigen, amphibischen Gestalt auftauchte, verhüllt in einem blauen Cape. Wie die Oberfläche einer Wasserlache verschwamm sie jedoch kurze Zeit später.

„Tch. Von all deinen potthässlichen Mistviechern musstest du gerade dieses wählen?“, fragte die Blonde entnervt, als Valerie ihr die gesuchte Karte zeigte.

„Sicher. Ich habe [Gishki Psychelone] schon lange nicht mehr benutzt“, nickte diese und fügte das blau umrandete Monster ihrem Blatt hinzu. Aus selbigem zog sie eine Zauberkarte hervor. „Außerdem brauche ich sie, um dir eine Ritualbeschwörung zu zeigen, die du so von mir noch nicht gesehen hast! Also pass' auf, Anya!“

Valerie wirbelte jene Magie um ihren Zeigefinger und rammte sie mit voller Wucht in ihr D-Pad. „Hier kommt der [Gishki Photomirror]!“

Eine grelle, golden schimmernde Lichtsäule schoss vor Valerie aus dem Boden. In deren Mitte stieg ein aus selbigem Edelmetall bestehender Spiegel empor, in dessen Innerem sich Valeries Antlitz widerspiegelte. Und dieses, ebenso wie das Original, sprach zu Anya. „Mit dieser Ritualzauberkarte beschwöre ich ein Gishki-Monster. Anders als bei den anderen muss ich hierfür jedoch kein Monster opfern.“

„Na fein! Gerade wo ich mir gemerkt habe, dass deine Missgeburten ganz einfach die Kosten decken können!“, beklagte sich Anya genervt.

Valerie zwinkerte verschwörerisch. „Keine Sorge, das hier ist noch einfacher und wird dir sicher gefallen! Denn für jede Stufe des zu beschwörenden Monsters muss ich 500 Lebenspunkte zahlen.“

Unter einem erstaunten Ausruf Anyas – und des Publikums – knallte Valerie das erwählte Monster auf ihr D-Pad. „Zeit, dich aus der Mottenkiste zu holen! Erscheine, [Gishki Psychelone]!“

Das Glas des Spiegels zersprang und somit auch Valeries Gesicht darin.

 

[Anya: 4000LP / Valerie: 4000LP → 2000LP]

 

Stattdessen flackerte kurz der Kopf einer rothaarigen Hexe auf, ehe aus der goldenen Lichtsäule eine Kaskade empor schoss und ebenjene Kreatur mit sich brachte. Doch hatte diese etwas Insektoides, Unnatürliches an sich. Schwingen spreizten sich von ihrem schwarzen Körper, auf dessen Haupt der Helm eines Zangenkäfers thronte. Sie selbst, die einst Noellia hieß, saß auf dem abgetrennten Kopf eines Rieseninsekts.

 

Gishki Psychelone [ATK/2150 DEF/1650 (4)]

 

Anya lief eine einzelne Schweißperle von der Stirn. „Scheiße Redfield, wo hast du die denn ausgegraben? Das letzte Mal, als ich diese irre Psychohexe gesehen habe, war in-!“

„Exakt“, erinnerte sich auch Valerie an den Kampf gegen Anya und Orion in Anyas Elysion, damals als sie von der falschen Joan of Arc manipuliert worden war. „Für diesen Kampf ziehe ich alle Register! Und demnach aktiviere ich ihren Effekt!“

Valerie streckte den Arm nach vorne. „Einmal pro Zug benenne ich Typ und Attribut eines Monsters und wenn beides mit einer zufällig gewählten Handkarte deinerseits übereinstimmt, wird diese zurück in dein Deck geschickt.“

Die Zähne zusammengepresst, zischte Anya: „Na toll!“

„Das Attribut ist in deinem Deck leicht zu bestimmen, du benutzt fast nur Erd-Monster! Beim Typ wird es dagegen schwerer“, meinte Valerie, „daher gehe ich danach, welcher am häufigsten vorkommt: Fels!“

Schnaufend wurde Anya Zeugin davon, wie ihre fünf Handkarten mit dem Rücken zu Valerie gerichtet in holografischer Form über der Blonden auftauchten. Rasend schnell schoss eine rote Umrandung von einer Karte zur nächsten, bis sie schließlich genau in der Mitte Halt machte und jene Karte herumwirbeln ließ. Und ganz zu Anyas Entsetzen war jene ihr [Gem-Knight Alexandrite], dessen Eigenschaften perfekt zu Valeries genannten passten. Dementsprechend hob Psychelone ihre Hand nach oben und schleuderte hysterisch kichernd einen roten Energieball auf die Karte, welche daraufhin zersprang.

Anya schob wütend Alexandrites Karte ins Deck, welches sich automatisch durchmischte. „So ein Schwein möcht' ich haben! Tch!“

„Unglaublich, schon im ersten Zug wird Anya Bauer von unserer geheimen Favoritin unter Druck gesetzt! Doch dafür hat Valerie Redfield die Hälfte ihrer Lebenspunkte eingebüßt. Ob es das wert war?“

Jene rollte jedoch nur genervt mit den Augen. „Unglaublich, wie einfallslos hier kommentiert wird. Wie dem auch sei, ich setze diese beiden verdeckt. Ich bin auf deine Antwort gespannt, Anya!“

Unter einem Zischen materialisierten sich die beiden Fallen vor der Schwarzhaarigen, die damit nur noch eine Handkarte besaß, dafür jedoch zwei Monster.

 

„Wie wird der Underdog darauf reagieren?“, fragte der Moderator von seiner erhöhten Position in der gläsernen VIP-Lounge hitzig.

Anya zeigte es ihm per eindeutiger Fingergestik, ohne überhaupt in seine Richtung zu sehen. Dann griff sie nach ihrem Deck und zog unter einigen bösen Buhrufen, aber auch vereinzelten Zurufen schwungvoll auf. Dabei hatte sie sich einzig auf ihre Gegnerin fixiert, die stocksteif, beinahe schon verkrampft dastand. Als würde sie mit aller Macht ihren Rücken durchstrecken.

„Verdächtig“, murmelte Anya vor sich hin. „Als ob das Rückenschmerzen wegen ihren riesigen Hupen sind, pah!“
 

Meinst du nicht, dass selbst eine Valerie Redfield aufgeregt sein kann?

 

Livingtons ureigene Terrormaschine musste gar bei Levriers Worten auflachen. Redfield? Aufgeregt? Selbst bei ihrer Hochzeit war sie nicht so angespannt! Da war irgendetwas im Busch und wie Anya ihre Erzrivalin kannte, war es sicherlich nichts, was ihr auch nur im geringsten Maße gefiel. Oder die Kuh ahnte schlichtweg, dass ihre Worte gegenüber Anya, besonders was Marc anging, noch nicht vergessen waren …

Jedoch schob Anya die Gedanken beiseite, denn was jetzt wirklich wichtig war, ist Everybody's Darling keine Gelegenheit zu geben, sich entfalten zu können. Und Anya wusste genau, wie sie schnell und effektiv zuschlagen konnte.

„Ich beschwöre [Gem-Knight Sapphire]!“, rief sie und pfefferte dessen Karte nur so auf das D-Pad.

Schon stand er vor ihr, der Ritter des Saphirs und Herr über das Eis – der Edelsteinkrieger in der hellblauen Rüstung.

Es folgte sogleich ein Kommentar von Mr. C. „Wie es aussieht, spielt Anya Bauer heute ein anderes Deck. Nun, wir befinden uns damit innerhalb der Regeln, doch was ist der Hintergrund dafür?“

 

Gem-Knight Sapphire [ATK/0 DEF/2100 (4)]

 

„Sperr' jetzt schön die Glubscher auf, Redfield!“, flötete Anya selbstherrlich, reckte die nichtexistente Brust vor und zeigte mit dem Daumen auf sich selbst. „Jetzt kommt mein Assmonster! Indem ich ein Lichtmonster von meinem Deck auf den Friedhof schicke, kann ich es mit der Stufe eines meiner Monster auf dem Feld verrechnen und als Empfänger behandeln!“

Das Mädchen streckte den Arm in die Höhe. Über diesem erschien in einigen Metern Höhe ein goldener Ring, von dem sich vier weiße Federschwingen erstreckten.

Valerie zog die Stirn kraus. „Wie zu erwarten war … ach Anya …“

„Ich schicke den Stufe 4-[Alexandrite Dragon] auf den Friedhof!“ Diesen rammte Anya förmlich in den Friedhofsschacht und rief: „From the light of a different world, the herald of starlight descends upon the ravaged land!“

Ihr Ritter zersprang während des Spruchs in vier grüne Lichtsphären, welche allesamt in die Höhe stiegen und in einem leichten Bogen den goldenen Ring nacheinander durchquerten. „By discarding a single star, I call upon you! Synchro Summon!“

Aus dem goldenen Ring schoss nach hinten ein langer, weißer Schweif. Dagegen drang ein schlangenhafter Drachenkopf samt goldenem Krangengestell nach vorn, sodass allmählich der Körper Angel Wings den Ring in beide Richtungen verließ.

„Shine forth, [Angel Wing Dragon]!“

Und mit lautem Gebrüll verkündete dieser schließlich, dass er komplett aus der wässrigen Oberfläche zwischen dem goldenen Ring erschienen war.

 

Angel Wing Dragon [ATK/2700 DEF/2000 (8)]

 

Anya fasste sich bösartig grinsend ans Kinn. „Wen nehm' ich mir jetzt vor? Die Hexe oder den zahnlosen Hai? Hmm, wenn ich den angreife, wären deine Life Points runter auf 100, Redfield.“

Doch die grinste plötzlich verschlagen. „Ich fürchte, dieses Mal trifft es keinen der beiden. Ich aktiviere meine verdeckte Falle!“

Sie schwang den Arm aus und ließ die linke aufspringen. „Leider bist du ein wenig zu berechenbar geworden, Anya.“

Aus der purpur umrandeten Karte schoss der Rahmen eines leeren Portraits heraus.

„Was wird das, 'ne verdammte Malstunde!?“, raunte Anya. „Ich hasse Kunst!“

„Ich liebe sie, besonders wenn ich von ihr profitiere. [Grisaille Prison] lässt sich dann aktivieren, wenn ich zum Beispiel ein Ritualmonster besitze.“ Psychelone kicherte dabei hinterlistig, war sie doch ein solches.

Plötzlich schossen aus der weißen Leinwand des Bildes vier Lichtstränge, die Angel Wings Hals, Kragengestell und seinen Ring umwickelten. Zunehmend zogen sie diesen in das Portrait.

„Mit dieser Karte kann ich bis zum Ende deines Zuges Synchro- und Xyz-Monsterbeschwörungen versiegeln und deren Angriffe von vornherein verhindern sowie ihre Effekte negieren!“, erklärte Valerie unter lautem Jubel des Publikums.

Mit einem Ruck wurde Angel Wing in das Bild gezogen und zierte dieses nun, eingeschlossen darin wie er war. Anya weitete bei dem Anblick die Augen. „Fuck! Na toll, ich kann kein weiteres Monster beschwören! Tch, Zug beendet!“

„Vielleicht solltest du dich auf deine Wurzeln zurückbesinnen?“, sagte Valerie.

„Was soll das denn heißen!?“

Doch die Schwarzhaarige winkte ab. „Nichts. Das wirst du selbst noch erkennen.“

Das Gemälde zerplatzte derweil und Angel Wing spreizte sich in voller Pracht über Valerie, ehe er zu Anya zurückkehrte und sich vor dieser aufbäumte.

 

Zerknirscht schielte Anya herüber zu den Zuschauertribünen, aber nirgendwo konnte sie auch nur einen ihrer Freunde auf Anhieb entdecken. Wo waren die alle!? Niemals würden sie es wagen, dieses wichtige Spiel zu verpassen … irgendwo mussten sie sein.

Es versetzte ihr einen schmerzhafteren Stich als sie selbst zugeben wollte. Denn auch wenn sie Zanthes abfällige Kommentare zehn Meilen gegen den Wind hören konnte, war es nicht dasselbe, sie sich im Moment nur vorzustellen! Redfield hatte wenigstens Marc, aber selbst den sah sie nirgendwo!

„Konzentriere dich!“, forderte die Schwarzhaarige, welche Anyas Abwesenheit bemerkte. „Was da draußen ist, interessiert jetzt nicht. Ich bin deine Gegnerin, deine Feindin! Die, die du vernichten willst! Da ist kein Platz für andere Gedanken, für Ablenkungen!“

Verblüfft von diesen strengen Worten blinzelte Anya. „Huh? Was geht'n mit dir ab, Redfield!?“

„Wirst du gleich sehen!“, verkündete diese selbstbewusst. „Draw!“

Schwungvoll zog sie die nächste Karte und grinste bei deren Anblick zufrieden, ehe sie sie direkt auf ihr D-Pad legte. „Ich beschwöre [Gishki Chain]! Dadurch aktiviere ich auch gleichzeitig deren Effekt, welcher mich die obersten drei Deckkarten ansehen lässt!“

Vor dem Mädchen materialisierte sich ein grünes, humanoides Amphibienmonster auf zwei Beinen, das eine Kette in seinen Händen über dem Kopf schwang. An deren Ende war ein Haken angebracht, welchen die Kreatur direkt auf Valerie beziehungsweise deren angehobenen Arm mit dem D-Pad schleuderte.

 

Gishki Chain [ATK/1800 DEF/1000 (4)]

 

Der Haken versank in ihrem Deck, woraufhin über ihr in vergrößerter Form besagte drei Karten erschienen. Es waren zunächst das Ritualmonster [Evigishki Soul Ogre], danach kam das Stufe 8-Effektmonster [Moulinglacia The Elemental Lord] und zuletzt der Zauber [Salvage].

Anya weitete die Augen beim Anblick des Hochzeitsgeschenks, das sie Valerie gemacht hatte. Also hatte die es tatsächlich in ihr Deck integriert. Die Blonde wusste nicht, ob sie fluchen oder schreien sollte.

„Sollte unter jenen Karten eine sein, die mit Gishki-Ritualen in Verbindung steht, erhalte ich sie auf mein Blatt“, erklärte Valerie und zeigte Soul Ogres Karte vor, „die restlichen kann ich nach eigenem Ermessen auf meinem Deck anordnen.“

Was sie auch tat, ehe sie den Arm ausschwang. „Das bringt mich dazu, deine Karten noch mal durcheinander zu bringen! Effekt von [Gishki Psychelone]. Dieses Mal bestimme ich Erde und Donner, den gefährlichsten Typen deiner Gem-Knights!“

Psychelone hob unter einem diabolischen Grinsen ihre rechte Hand, über welcher ein roter Energieball entstand. Anyas vier Handkarten tauchten wie schon zuvor in vergrößerter Form über dem Mädchen auf, allesamt mit dem Kartenrücken entgegen Valeries Blickrichtung. Ein roter Cursor wählte in zufälliger Manier nacheinander die Karten durch, bis er bei der zweiten von rechts stehen blieb. Jene wirbelte um und präsentierte ein normales Stufe 6-Monster.

Valerie las den Namen vor. „[Labradorite Dragon]?“

„Hah, der ist ein Drache vom Attribut Finsternis! Pech gehabt, Redfield!“, flötete Anya sofort höhnisch. „Raten allein reicht nicht, um eine Anya Bauer zu besiegen.“

Allerdings war deren Gegnerin gar nicht aufgelegt zuzuhören. Vielmehr murmelte sie: „Wenn sie schon den auf der Hand hält, kann -er- nicht mehr fern sein …“

Derweil ließ Psychelone frustriert ihre Hand sinken und verschränkte die Nase rümpfend ihre Arme.

„Oh, dieses Mal ging der Versuch daneben. Was hat Valerie Redfield jetzt vor? Wie wird sie an [Angel Wing Dragon] vorbeikommen?“

Auf den Ausruf Mr. Cs hin streckte sich Valerie gerade, als hätte man sie regelrecht ermahnt, das eigentliche Duell nicht zu vergessen. Plötzlich richtete sie ihre von sich gestreckte Hand nach vorne. „Ich erschaffe das Overlay Network! Aus meinen beiden Stufe 4-Monstern wird ein Rang 4-Monster!“

Zu Anyas großer Überraschung öffnete sich inmitten des Spielfelds ein finsterer Vortex. [Gishki Chain] und die mit dem Verz-Virus infizierte Hexe Psychelone verwandelten sich in blaue Energiestrahlen, die in dem Schwarzen Loch verschwanden.

„Höre meinen Ruf, oh Wesen aus tausend Legenden! Zeige dich, [Evigishki Merrowgeist]!“, rief Valerie energisch und ließ ihre Hand nach oben fahren.

Aus dem Overlay Network schoss eine fliegende Meerjungfrau. Wallend war ihr rotes Haar, wie Flügel muteten die Flossen auf ihrem Rücken an. Während sie und ihre zwei um sie kreisenden Lichtkugeln über Valerie Stellung bezogen, glänzte jede einzelne Schuppe ihres Körpers durch die starke Beleuchtung der Arena.

 

Evigishki Merrowgeist [ATK/2100 DEF/1600 {4} OLU: 2]

 

„Bist du jetzt völlig durchgeknallt!?“, übertönte Anya die überraschten Laute aus dem Publikum. „Zwei gute Monster für eines zu opfern, das noch weniger Angriffspunkte hat als deine Ritualschnepfe!? Das ist Harper-Niveau! Du weißt schon, der schlechte Harper!“

Valerie aber stierte Anya derart streng an, dass diese glatt verstummte. „Wann lernst du endlich deine Gegner ernst zu nehmen, selbst wenn ihre Vorgehensweise zunächst unlogisch erscheint? Willst du so Claire gegenüberstehen? Hochmütig und dumm!?“

Wütend rammte Valerie eine Zauberkarte in ihr D-Pad. „Immer wenn ich glaube, du hast dazugelernt, fällst du in dein bekanntes Muster zurück! Von so jemandem lasse ich mich nicht besiegen, Anya! [Aqua Jet]! Er erhöht Merrowgeists Angriff um 1000!“

Anya hatte noch gar nicht aufgenommen, was ihre Gegnerin ihr da an den Kopf knallte, da erschienen bereits zwei Düsentriebwerke unter den Flügelflossen ihrer Meerjungfrau.

 

Evigishki Merrowgeist [ATK/2100 → 3100 DEF/1600 {4} OLU: 2]

 

„Merrowgeist ist das beste Monster in dieser Situation!“, zeigte Valerie sich weiterhin aufgebracht und deutete auf Angel Wing. „Gleich wirst du wissen, warum! Angriff, [Evigishki Merrowgeist]! Sceptre of Foresight!“

Der Rotschopf schwang ihren Zauberstab über den Kopf, um anschließend eine nicht enden wollende Salve aus Wasserblasen auf Angel Wing abzufeuern. Jene zerplatzten bei Kontakt lautstark, sodass der Drache schmerzerfüllt aufschrie.

„Tch, netter Versuch, Redfield! Aber Angel Wing beschützt mich vor Kampfschaden!“

Auf Anyas abfällige Aussage hin erwiderte Valerie: „Schaden auszuteilen war auch gar nicht meine Absicht. Mein Ziel war Angel Wing selbst.“

„Huh!?“

Die Blonde bemerkte es selbst. Merrowgeist hatte noch während des Angriffs damit begonnen, einen seltsamen Singsang von sich zu geben und zeichnete mit dem Zauberstab vor sich das Wappen der Gishki, eine Art blauer Spiegel mit Totenkopf darin. Jenes absorbierte auch eines der Xyz-Materialien Merrowgeists.

 

Evigishki Merrowgeist [ATK/3100 DEF/1600 {4} OLU: 2 → 1]

 

Dasselbe Symbol tauchte unter dem Kinn Angel Wings aus, breitete sich als transparentes Abbild in Sekundenschnelle um den ganzen Drachen aus. Und dann passierte es: Er war einfach verschwunden, weg!

„Ganz richtig Anya, ich habe [Evigishki Merrowgeists] Effekt benutzt, um dein Assmonster dahin zurückzuschicken, woher es gekommen ist: das Extradeck!“ Valerie reckte das Kinn. „Demnach kannst du ihn nicht in der End Phase reanimieren!“

Anyas Mundwinkel krachten praktisch durch den Boden.

 

Obwohl sie [Angel Wing Dragon] nur zweimal in Aktion gesehen hat, hat sie seine Schwäche begriffen und gekonnt ausgenutzt. Du tätest-

 

„Schnauze!“, zischte Anya wütend auf Levriers Kommentar hin. „Mir doch egal, ich hab noch mehr in petto!“

 

Hoffentlich mehr als nur halbgare Sprüche.
 

Gekonnt lässig stemmte Valerie eine Hand in die Seite, als wolle sie damit ihre Skepsis ausdrücken. Sie schloss dabei die Augen. „Ich auch. Direkter Angriff, [Gishki Abyss].“

„Shit, den hatte ich total vergessen!“

Der Haimann Anya hingegen nicht. Wie ein Pfeil schoss er durch die Luft und rauschte geradewegs durch das Mädchen hindurch, welches froh sein konnte, dass es nur ein gewöhnliches Duell war. Andernfalls hätte sie der Tackle vermutlich bis zum anderen Ende der Arena geschleudert.

 

[Anya: 4000LP → 3200LP / Valerie: 2000LP]

 

„Ich bin hier fertig“, sagte Valerie mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme. „Oder eher habe ich gerade erst angefangen …“

„Was auch immer das jetzt heißt!“

 

Anya runzelte die Stirn. Lag es nur an der Aufregung oder war Redfield heute besonders ehrgeizig? Selbstbewusst war die dumme Pute ja schon immer gewesen, aber dieses hoheitliche Getue weckte in der Blonden die alten Fantasien vergangener Tage. Wie schön es doch jetzt wäre, auf ihrer Wirbelsäule Klavier zu spielen!

„Hast du ein Glück, dass ich mich benehmen muss!“, raunte Anya, die keine Lust hatte, aufgrund eigentlich -ganz harmloser- Aussagen disqualifiziert zu werden. „Ich bin dran! Draw!“

Mit Schmackes riss sie die oberste Karte von ihrem Deck und betrachtete diese. Dann schob sie sie ins Blatt, um die Karte daneben zu zücken. „Die hier wird gesetzt!“

Vor ihren Füßen materialisierte sich jener Zauber. Einen weiteren nahm Anya aus dem Blatt und zeigte diesen vor: „Und jetzt werden wir beide unsere Karten abwerfen und dieselbe Zahl an neuen aufziehen: [Card Destruction]! Pech für dich, dein Assmonster Soul Ogre ist damit hinüber!“

Valerie quittierte dies mit einem Schnalzen und legte ihre einzige Handkarte auf den Friedhof, genau wie Anya es mit ihren eigenen drei verbliebenen tat. Beide zogen anschließend auf, Anya dreimal, Valerie nur einmal.

„Tja, mein Plan ist perfekt! Verdeckte Zauberkarte, zeig dich!“ Stolz streckte Anya den Arm über diese aus und ließ sie auffahren. „[Silent Doom]! Damit kommt ein Vanilla zurück auf meine Spielfeldseite, im Verteidigungsmodus! Erwache, [Labradorite Dragon]!“

Ein Loch im Boden tat sich vor dem Mädchen aus. Aus ihm entstieg, empor gehoben von dutzenden knorrigen Händen ein eleganter, schwarzer Drache, in dessen Haut mehrere, ovale Edelsteine grünlicher Farbe eingelassen waren.

 

Labradorite Dragon [ATK/0 DEF/2400 (6)]

 

„Und dazu gibt’s noch [Gem-Knight Garnet] als Normalbeschwörung!“, donnerte Anya und knallte diesen auf ihr D-Pad. Neben ihrem Drachen tauchte der Bronzeritter und sowohl Herr über das Feuer, als auch des Granatedelsteins auf.

 

Gem-Knight Garnet [ATK/1900 DEF/0 (4)]

 

Gleichzeitig durchforstete Valerie auf dem Display oberhalb ihres roten D-Pads Anyas Friedhof und machte eine erstaunliche Entdeckung. „[Gem-Knight Fusion]? Aber willst du sie nicht-!?“

„Aufgepasst, Redfield“, verkündete Anya jedoch in diesem Augenblick und streckte den Arm in die Höhe, „jetzt lernst du mein stärkstes Monster kennen! Ich stimme den Stufe 6-Empfänger [Labradorite Dragon] auf meinen Stufe 4-Garnet ein!“

Der Drache erhob sich in die Luft und flog ein Stück geradeaus, ehe er in sechs grüne Lichtringe zersprang. Garnet folgte ihm dabei.

„A heart of iron rests within the void of time and space! One beat, powerful enough to reverse the laws of nature!“

Ein Raunen ging durch das Publikum. Der Edelsteinritter schoss durch die Ringe, zersprang in vier Lichtkugeln, ehe ein Blitz durch das Gebilde schoss. Und Anya schrie: „Synchro Summon! Break loose, [Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T]!“

Erst geschah gar nichts. Die Leute verstummten, als Anyas Monster einfach verschwunden waren. Doch dann erhob er sich. Meterhoch, reichte er fast bis an die Decke des Stadions.

„Was für ein Koloss! Ist das Anya Bauers Geheimwaffe, nachdem sie ihr Deck gewechselt hat?“, überschlug sich Mr. C am Mikrofon.

Der cyan-farbene Roboter mit dem silbernen T auf der Brust verschränkte die Arme, deren Segmente scheinbar lose an elektrischen Energieseilen aneinander hingen. Er hatte etwas Teuflisches an sich, dank der vier ineinander gewundenen Hörner an seinem Helm.

„Heh, diesmal hat er die richtige Größe“, stellte Anya zufrieden mit Blick nach oben fest, „passend dazu, dass er pro Synchromaterial für diesen Zug 500 Angriffspunkte bekommt.“

 

Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T [ATK/3000 → 4000 DEF/0 (10)]

 

Ihrer Gegnerin stand der Schweiß auf der Stirn. Trotzdem fragte sie, mit einem zweifelnden Unterton: „Du wählst lieber ihn als …?“

„Gib's zu, du hast Schiss, Redfield. Hätte ich auch, wenn das Ding mich mit nur einem Angriff besiegen kann“, prahlte Anya und streckte den Zeigefinger aus. „Was bist du auch so blöd, den da im Angriffsmodus zu lassen?“

Sie deutete auf den Haimenschen [Gishki Abyss].

„Wobei, dank Heavy Ts Effekt spielt es eh keine Rolle, in welcher Position der Feind liegt", fügte Anya dann hinzu.

„Was für eine gefährliche Situation für Valerie Redfield“, heizte der Kommentator das Publikum dazu an, Valerie lautstark zu unterstützen.

„Danke für das Gratisticket ins Finale. So musst du dir keine Sorgen machen, irgendjemanden, der dir nahe steht, aus dem Turnier zu kicken. Pech für dich, dass ich solche Gewissenskonflikte nicht habe“, zischte Anya plötzlich bitterböse.

Ihre Gegnerin schüttelte leicht den Kopf. „Das war unangebracht, Anya. Du verstehst das nicht …“

„Was auch immer“, winkte die ab, „ich verstehe eins: Mein Heavy T ist meinem Duellstil wie auf dem Leib geschrieben! Er macht dich jetzt fertig! Los, Gravity Reverse auf [Gishki Abyss]!“

Valerie wich einen Schritt zurück, als der Titan seine rechte Faust ballte und sie an dem gleißenden Seil direkt auf ihren im Vergleich dazu winzigen Haimenschen abfeuerte. Dabei spreizten sich die Finger der Hand voneinander und offenbarten eine blaue Energiesphäre in der Handfläche. Heavy T wollte seinen Gegner zerquetschen wie eine Fliege.

Mit Schwung ließ Valerie den Arm über ihre verbliebene gesetzte Karte gleiten. „Als ob ich es dir und deinem Größenwahn so leicht machen würde! Falle, [Destruct Potion]! Sie zerstört eines meiner Monster und heilt mich um dessen Angriffspunkte!“

Jene Falle sprang sofort auf. Die Hand war in etwa über das halbe Spielfeld geflogen, da zerplatzte ihr Ziel in roten Schimmer, der in einer schnellen Bewegung zu Valerie flog und sie umgab.

 

[Anya: 3200LP / Valerie: 2000LP → 2800LP]

 

„Hätt' ich mir ja denken können“, knurrte Anya wütend, auch wenn es nicht unerwartet kam, „dann musst du aber damit leben, dass ich deine kleine Meerjungfrau einstampfe! Neues Ziel: [Evigishki Merrowgeist]!“

Heavy T musste die Hand nur minimal umlenken, um die rothaarige Sagengestalt mit voller Wucht in den Boden zu rammen. Eine Schockwelle wurde ausgelöst, doch sie ging spurlos an Valerie vorbei.

 

[Anya: 3200LP / Valerie: 2800LP → 1900LP]

 

„Nach dem Kampf wechselt Heavy T leider seine Position“, murrte Anya. Ihr Titan ging in die Knie, als seine Hand zu ihm zurückkehrte. „Und da ich den Zug beende, verliert er auch den Punktebonus.“

 

Gravity Impulse Titanium Guardian – Heavy T [ATK/4000 → 3000 DEF/0 (10)]

 

Aber was spielte das für eine Rolle? Redfield hatte ein leeres Feld und nur eine Handkarte übrig, Anya dagegen zwei, wobei eine davon eine nette Überraschung sein würde. Nächste Runde war die Nervensäge fällig!

 

Ebenjene seufzte schwer, als sie aufzog. „Weißt du, Anya, ich hatte eigentlich gehofft, gegen deine besten Monster anzutreten.“

„Tust du doch?“

„Ich meinte die, die du schon immer benutzt hast. Aber inzwischen verlässt du dich wohl mehr auf deine Synchromonster als alles andere.“ Die Schwarzhaarige senkte den Kopf. „Genau wie ich es befürchtet hatte, als ich deine Duelle gesehen habe … aber gut.“

Mit entschlossenem Blick sah sie wieder auf. „So muss ich kein schlechtes Gewissen haben, dich zu besiegen. Denn mit dieser Einstellung hast du keine Chance gegen Claire.“

Anya breitete fassungslos die Arme von sich aus. „Was soll das denn heißen!?“

„Das wirst du jetzt sehen“, lautete die unterkühlte Antwort. Valerie nahm eine Zauberkarte aus ihrem Blatt. „Wie du weißt, habe ich durch [Gishki Chains] Effekt mein Deck angeordnet. Derzeit befinden sich Moulinglacia und [Salvage] auf meiner Hand.“

Sie steckte die grün-umrandete Karte in ihr D-Pad. „Und dazu noch sechs Wasser-Monster auf meinem Friedhof, nämlich [Gishki Vision], [Gishki Chain], [Gishki Psychelone], [Evigishki Soul Ogre], [Evigishki Merrowgeist] und [Gishki Abyss]. Zwei davon bekomme ich dank [Salvage] jetzt zurück, aber sie dürfen nicht mehr als 1500 Angriffspunkte haben. Also kommen nur Abyss und Vision infrage.“

Zwei blau leuchtende Wassertropfen stiegen von ihrem Deck auf und wurden kurz zu Karten, ehe die Originale sich aus dem Friedhof schoben und von Valerie aufgenommen wurden.

„Jetzt sind es nur noch vier Wasser-Monster“, fuhr Valerie fort, „was eins zu wenig ist. Aber dem kann ich Abhilfe schaffen, indem ich [Gishki Vision] abwerfe, um ein Gishki-Ritualmonster von meinem Deck zu erhalten. Ich wähle [Gishki Zielgigas].“

Auch dessen Karte stand mit einem Ruck automatisch aus ihrem roten D-Pad hervor, nachdem Valerie [Gishki Vision] dem Friedhof zugeführt hatte. Als sie das Ritualmonster ihrem Blatt hinzufügte, murmelte sie: „Damit sind es jetzt genau fünf.“

Plötzlich lief ein kalter Schauder Anyas Rücken entlang. Es war, als wäre die Temperatur um mehrere Grad gesunken.

„Hätte ich dir das Teil bloß nie geschenkt“, murrte sie, wusste sie doch bereits, was auf sie wartete.

„Ich bin dir dafür dankbar“, erwiderte Valerie eisig, „und ich finde es bezeichnend, dass -es- für deinen Untergang verantwortlich sein wird.“

Passend zu ihren Worten breitete sich von dem Mädchen ein kühler Nebel aus. Nicht allzu dicht, überzog er das Spielfeld mit einer dünnen Schicht Eis. Selbst die Bildschirme um die Plattform waren betroffen, fielen nacheinander aus.

Anya fasste sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Großartig.“

„Fünf Wasser-Monster liegen auf meinem Friedhof, also kann ich von meiner Hand als Spezialbeschwörung diese Kreatur rufen: [Moulinglacia The Elemental Lord]! Erscheine!“

Valerie schmetterte dessen Karte auf das D-Pad. Hinter ihr schoss eine gewaltige Eissäule aus dem Boden, fast so hoch wie der kniende Heavy T. Ein übernatürlicher Glanz schoss über ihre Oberfläche aufwärts und offenbarte, dass sich etwas darin verbarg. Anya konnte nur einen kurzen Blick erhaschen, da platzte die Säule auseinander. In alle Richtungen flogen Eisbrocken.

„Shit“, fluchte Anya beim Anblick dessen, was eben noch geschlafen hatte. Eine fliegende, drachenähnliche Gestalt, welche aber gleichzeitig auch etwas von einem Vogel hatte. „Das hat man davon, wenn man einmal, uah, nett sein will. Mach' ich nie wieder!“

Der schlangenhafte Körper bestand aus weiß-goldenen Segmenten, die sich aufreihten zu der gewaltigen Kreatur und von deren mit je einem Horn besetzten Schultern Flügel spannten. Der Kopf verbarg sich hinter einer goldenen Maske.

 

Moulinglacia The Elemental Lord [ATK/2800 DEF/2200 (8)]

 

Die ganze Spielfeldseite Valeries wurde von einem nicht allzu dichten Wirbelsturm aus Schneeflocken umgeben. Jene verkündete: „Bei seiner Beschwörung vernichtet Moulinglacia zwei zufällig gewählte Handkarten meines Gegners. Instant Freeze!“

„Was!?“, keuchte Anya mit Blick auf ihr Blatt, das genau aus zwei Karten, [Gem-Knight Turquoise] und [Gem-Knight Iolite] bestand. Jene wurden schlagartig mit Eis überzogen.

„Leg sie ab“, forderte Valerie so eisig wie das über ihr fliegende Monster.

Wie gelähmt kam Anya dem nach und schob die Karten in den Friedhofsschacht des D-Pads. Ihr glasiger Blick war auf ihre Erzrivalin gerichtet.

„Hat Valerie Redfield damit die Hoffnungen ihrer Gegnerin auf einen Schlag vernichtet?“, wunderte sich Mr. C und das Publikum tobte.

Die schwarzhaarige, junge Frau, deren Pferdeschwanz im Sturm mit wippte, nahm eine ihrer verbliebenen beiden Handkarten und legte sie auf das D-Pad. „Ich beschwöre [Gishki Abyss] und erhalte von meinem Deck [Gishki Shadow], da seine Verteidigung gering genug ist.“

Der Haimann tauchte vor ihr auf.

 

Gishki Abyss [ATK/800 DEF/500 (2)]

 

Besagte Karte stand bereits aus dem Schacht leicht ab, sodass Valerie sie nur noch aufzunehmen brauchte. Anya stand dem fassungslos gegenüber, denn mit [Gishki Shadow] und [Gishki Zielgigas] auf dem Blatt ihrer Gegnerin hatte die nahezu alles bereit, um neben dem Eisdrachenvogel noch ihr bestes Ritualmonster zu rufen.

„Angriff auf Heavy T, [Gishki Abyss]!“, befahl Valerie im Anschluss.

Wie ein Pfeil schoss jener auf den riesigen, knienden Titanen zu. Dabei öffnete er sein mit spitzen Zähnen bespicktes Maul und biss sich kurzerhand durch die Brust Heavy Ts, welcher folgenschwer explodierte.

„Verdammter Kackmist!“, schrie Anya panisch, die nun völlig schutzlos war.

„Den hast du dir selbst eingebrockt. Direkter Angriff auf ihre Lebenspunkte, Moulinglacia. Neverwinter Blizzard!“ Valerie wandte den Kopf ab, als könne sie Anyas Anblick nicht länger ertragen.

Über ihr holte der Eisvogeldrache mit seinen Schwingen aus und ließ einen Schneesturm los, der es in sich hatte. Anya konnte vor Weiß nichts mehr sehen, als sie erfasst wurde. Die Zuschauer staunten Bauklötze, als sie die Blonde sahen, wie sie sich mit Armen vor dem Kopf gegen den Blizzard aufbäumte.

 

[Anya: 3200LP → 400LP / Valerie: 1900LP]

 

Valerie, die immer noch abgewandt von dem Spielfeld stand, sagte: „Jetzt ist dir nichts mehr geblieben. Keine Handkarten, kein Feld mehr. Aber sicher wirst du ein glückliches Händchen beim Ziehen beweisen, oder? Du bist dran.“

Es klang beinahe wie eine Herausforderung. Nachdem der Schneesturm sich aufgelöst hatte, stand Anya mit weit aufgerissenen Augen auf der anderen Spielfeldseite. Dann knurrte sie zerknirscht: „Kannst du mir mal verraten, warum du plötzlich zur Eiskönigin mutiert bist?“

„Weil du mich enttäuscht hast …“

„Was hab ich denn jetzt schon wieder angestellt!?“, wollte Anya voller Unverständnis wissen.

Aus den Augenwinkeln sah Valerie herüber und die Blicke der beiden trafen aufeinander. Und Anya hätte schwören können, wäre es irgendwie möglich, hätte es eine Explosion gegeben, so feindselig starrten sie einander an …

Und Valerie murmelte: „Das musst du schon selbst herausfinden.“

 

 

Turn 71 – Resolve

Valerie ist fest dazu entschlossen, Anya eine Lektion zu erteilen, doch diese erweist sich als genauso hartnäckig, wie man es von ihr gewohnt ist. Dennoch muss sie der Versuchung widerstehen, Levriers Kräfte einzusetzen. Doch nicht nur Anya steht vor einem Gewissenskonflikt …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fubukiuchiha
2017-10-19T19:58:53+00:00 19.10.2017 21:58
Hey
Klasse Kapitel, wenn man den Anfang nimmt kann man erwarten dass Anya Angel Wing Dragon zu einem Excel-Monster machen wird. Zanthe denkt sich seins dazu, ob er sich dazu mit Exa beraten wird? Abwarten...
Ui, Nick hat ja alle Hände voll zu tun, aber das scheint ihm ja nicht gerade zu missfallen XD Mal sehen wie das mit ihm und Alex weiter geht.
Valerie und Anya lassen ja ganz schön die Fetzen fliegen, aber man kann verstehen warum Valerie so reagiert, denn Anya benutzt ja nur noch Angel Wing und Heavy T, während ihre Gem Knights ziemlich zu stauben, mit Ausnahme von Levrier. Bin mal auf den Ausgang dieses Duells gespannt.
Lg fubukiuchiha
Antwort von:  -Aska-
29.10.2017 11:15
Hey,
danke dir. Angel Wing zu einem Excel? Das wäre ja mal interessant. ^^
Nick hat keinen Spaß. Nick hat nur Erfolg. xD


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