Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 14: Turn 14 - Sacrifices -------------------------------- Turn 14 – Sacrifices     Was sagst du!? Du musst dich irren! Wir brauchen das Duell doch bloß abzubrechen-   „Unmöglich“, erwiderte Levrier hinsichtlich Anya Bauers Einwurf und wandte dabei seinen Blick nicht von Isfanels Monster [Lavalval Master – Ignis Aither] ab. Dieses schwebte über seinem Meister und spannte die goldenen Feuerschwingen, welche langsam wieder ihre alte Farbe Blau annahmen.   Lavalval Master – Ignis Aither [ATK/3400 DEF/1400 {3}]   Wieso nicht!? Wir können doch Marc nicht durch dieses durchgeknallte Duell umbringen! Hat dir jemand ins Gehirn geschissen, oder warum laberst du so 'nen Kackmist!?   Levrier biss die Zähne zusammen. Er hatte zwar die Attacke seines Gegners abwehren können, aber dennoch Schaden davon getragen. Ein Blick auf Anya Bauers Arm verriet ihm jedoch, dass die Brandblasen bereits abheilten. Die Rötungen verflogen langsam, aber stetig. Trotzdem war er nicht gewillt, sich einer echten Attacke dieses Wesens auszusetzen. Schon gar nicht, da er im Rückstand lag und ein leeres Feld vorzuweisen hatte.   [Anya: 3050LP / Marc: 4000LP]   „Wie ich bereits sagte“, wandte sich Levrier tonlos an Anya Bauer, „es gibt keinen Weg mehr, dieses Duell abzubrechen. Erst wenn der Blutzoll gezahlt wird, sind wir frei. Was bedeutet, dass eines der anwesenden Gefäße zerstört werden muss. Das ist die Art, wie -wir- Kämpfe austragen.“   Red' keinen Unsinn! Es muss doch einen Weg geben!   „Es gibt keinen!“, donnerte Levrier nun aufgebracht. „Würde das Duell vorzeitig abgebrochen werden, hieße das den Tod für beide von euch! Und auch wir würden Schäden davontragen!“ Isfanel, welcher sich Marc Butchers Körper bediente, lachte nun amüsiert auf. „Sieht ganz danach aus, als würde dein Gefäß unseren Kampf nicht gutheißen. Hast du es bisher vermieden, sie über die Konsequenzen eines Duells zwischen den unseren aufzuklären? Damit sie nicht interveniert?“ Levrier schwieg dazu nur.   Er wusste, dass seine Vorgehensweise falsch war, aber er hätte auch nicht damit gerechnet, eines Tages ausgerechnet Anya Bauers größter Begierde als Feind gegenüber zu stehen. Natürlich war ihm seither bewusst gewesen, dass manche Wesenheiten versuchen würden, ihn von seiner Bestimmung abzuhalten, denn das ist schon in der Vergangenheit vorgekommen. Doch sich eines Freundes seines Gefäßes zu bemächtigen war eine neue Erfahrung und dazu noch ein kluger Schachzug. Im Elysion herrschte ein regelrechter Sturm von Anya Bauers Gefühlen. Levrier hatte alle Mühe, diese nicht bis zu sich durchdringen zu lassen, denn das würde bedeuten, dass seine Kontrolle über ihren Leib schwinden würde. Dazu waren die Wellen einfach zu mächtig.   „Tja, so muss man wohl als ein 'Gründer' handeln, oder?“, fragte Isfanel selbstgefällig und sah hinauf zu einem beflügelten Flammenkrieger. „Man könnte fast Mitleid mit dir haben. Aber wie ich dir bereits sagte, meine Existenz steht auf dem Spiel. Ich kann dich nicht verschonen. Zug beendet.“   Lavalval Master – Ignis Aither [ATK/3400 → 1800 DEF/1400 {3}]   Die verstärkenden Effekte haben nachgelassen, dachte Levrier erleichtert und zog wortlos eine dritte Handkarte auf, womit sein Blatt nun genauso groß war wie das seines Gegners. Als er die gezogene Karte betrachtete, hielt er erstaunt inne. Es war der Zauber [Gem-Knight Fusion], Anya Bauers Schlüsselkarte. Doch wie die Dinge im Moment standen, war sie vollkommen unbrauchbar.   Und was ist mit einem Unentschieden!? Ich meine, wenn keiner gewinnt, muss doch auch keiner sterben, oder!?   Levrier atmete tief durch. Auch das war ungewohnt für ihn, atmen zu müssen. So ein Gefäß brachte mehr Nachteile mit sich, als ihm lieb war. Und doch war es unerlässlich für Eden. Manche Konzepte erschlossen sich selbst ihm nicht, dachte er verwunderte. Wenn er doch nur wüsste, warum er zu Eden werden musste und was Eden überhaupt war. Das würde die Dinge um so vieles leichter machen. Denn er hatte das Gefühl, noch etwas Wichtiges erledigen zu müssen, bevor der 11. November anbrach. Doch was war das?   Antworte, du Dreckskerl!   „Unmöglich. Ich sagte dir bereits, dass das Duell einen Sieger hervorbringen muss, oder beide Parteien werden den Blutzoll zahlen müssen.“   Du linke Bazille! Du redest so, als würde dich das gar nicht interessieren! Marc wird sterben, wenn wir nichts dagegen tun! Und du!? Du machst da auch noch freiwillig mit, du dreckiger Bast-!   „Sollten wir uns nicht eher um unser eigenes Wohlergehen sorgen?“, erwiderte Levrier darauf tonlos. Man brauchte nur ihre nähere Umgebung zu betrachten, um zu wissen, in welcher Gefahr sie schwebten. Obwohl er [Lavalval Master – Ignis Aithers] Angriff aufgehalten hatte, war ihr näheres Umfeld nichts weiter als Schutt und Asche. Bäume brannten, Gras war versengt, die Bänke am Rande des Steinweges, auf dem sie sich duellierten, waren nun nichts weiter als ein Häufchen Asche. Dort, wo die Flammen jenes Monsters nicht gewütet hatten, schwebten Regentropfen in der von Magie erfüllten Luft – schon das war ein Beweis, wie mächtig Isfanel sein musste. Was würde mit ihnen geschehen, wenn so ein Angriff nicht mehr gestoppt werden konnte? „Warum verteidigst du Marc Butcher, obwohl er gewillt ist, dich zu töten? Bist du dir dem Ernst unserer Lage nicht bewusst?“ Für Levrier war es unbegreiflich. „Er hat deine Gefühle nie erwidert. Jetzt an ihm zu klammern würde nur bedeuten, Fehler zu machen. Er ist unser Feind!“ Du hast doch keine Ahnung von so was, du verkorkste Hohlbirne! Lass mich gefälligst hier raus, damit ich den Schaden, den du sowieso schon angerichtet hast, wenigstens noch eindämmen kann! Marc tut das wegen dir, nicht mir! Warum verpisst du dich nicht einfach!? Dann ginge es allen besser!   „Unmöglich. Ich bin durch unseren Pakt in dir verankert, bis wir entweder zu Eden werden, oder du auf die eine oder andere Weise den Tod findest.“ Levrier hatte genug von Anya Bauers Streitsucht. Er entschied sich, ihre Worte bis zum Ende des Duells zu ignorieren, andernfalls verloren sie noch durch ihren Dickschädel. Er nahm eine Karte aus seinem Blatt. „Da ich jetzt am Zug bin, beschwöre ich [Gem-Knight Alexandrite]! Doch nutze ich den Effekt meiner Kreatur, um sie zu opfern und an ihre Stelle ein neues, allerdings effektloses Gem-Knight-Monster zu beschwören. Erscheine, [Gem-Knight Crystal]!“ Vor ihm tauchte ein Ritter in silberner Rüstung auf, die an Armen, Brust und Beinen mit den verschiedensten Edelsteinen geschmückt war.   Gem-Knight Alexandrite [ATK/1800 DEF/1200 (4)]   Levriers Krieger löste sich jedoch kurz darauf wieder in gleißendem Licht auf. An seiner Stelle stand plötzlich ein noch größerer Ritter in weißer Rüstung, der stolz die Hände in die Hüften stemmte. Aus seinen Schulterplatten wuchsen große, durchsichtige Kristalle.   Gem-Knight Crystal [ATK/2450 DEF/1950 (7)]   „Nun besitze ich ein stärkeres Monster“, rief Levrier und versuchte mit aller Kraft, Anya Bauers wütende Drohgebärden und Flüche auszublenden. Zum Glück war Marc Butcher, abgesehen von seinem Monster, völlig ungeschützt. Levrier streckte den Arm aus. „[Gem-Knight Crystal], vernichte [Lavalval Master – Ignis Aither]! Clear Punishment!“ Jetzt hatte er tatsächlich diesen lächerlichen Attackennamen benutzt, den Anya Bauer immer verwendete. Dieses Mädchen hatte wirklich einen schlechten Einfluss auf ihn, dachte er dabei ärgerlich. Sein Ritter schlug mit der Faust auf den Boden und ließ die verrußten Steinplatten unter ihnen erzittern. Einige von ihnen sprangen entzwei, als sich rasend schnell eine Schneise zwischen ihnen bildete, aus der spitze Kristalldornen wucherten. Die Erdspalte schoss direkt auf Marc Butcher zu, und als sie unter seinem schwarzen Feuerengel angekommen war, schnellten die Dornen empor und spießten jenen auf. Andere Spitzen hatten hingegen dessen Besitzer ins Visier genommen und trafen jenen an der Schulter und schrammten über seine Wange. Es folgte eine Explosion.   [Anya: 3050LP / Marc: 4000LP → 3350LP]   Sei gefälligst vorsichtig mit ihm! Er kann nichts für euren beschissenen Kleinkrieg!   Doch Levrier hörte gar nicht hin. Der Rauch verzog sich und offenbarte, dass [Lavalval Master – Ignis Aither] den Angriff völlig unbeschadet überstanden hatte. Als würde jenes Wesen sie verhöhnen wollen, schulterte es abwartend seine Magmasense. Und hätte die violette Stichflamme, sein Kopf, ein Gesicht, würde es jetzt gewiss zufrieden grinsen. Auch Marc Butcher war nur leicht verletzt. Seine blau-weiße Sportjacke war an einer Stelle aufgerissen und entblößte eine blutige Schulter, während sein Gesicht nun von einer großen Schramme an der Wange entstellt wurde. Verletzungen, die nicht lange brauchen würden, um zu verheilen. „Ich habe versagt“, zischte Levrier enttäuscht, angesichts des immer noch quicklebendigen Xyz-Monsters, um welches eine goldene Sphäre kreiste. Isfanel lachte herablassend. „Selbstverständlich, aber wen überrascht das schon? Du bist nicht in der Lage, eine solche Kreatur zu erschaffen, woher solltest du also wissen, dass Incarnation-Monster nur durch Xyz-Monster besiegt werden können? Vielleicht hast du ja beim nächsten Versuch mehr Erfolg?“ Schweiß lief von Levriers Stirn. Also musste er tatsächlich [Gem-Knight Pearl] beschwören, wenn er diese Kreatur besiegen wollte. Was angesichts seiner beiden verbliebenen Handkarten eine Weile dauern würde. Zeit, die sie vermutlich nicht hatten. Unzufrieden presste er hervor: „Ich beende meinen Zug.“   Isfanel zog und legte ein wissendes Lächeln auf. Plötzlich stiegen aus seiner Duel Disk zwei goldene Sphären und kreisten zusammen mit der dritten um [Lavalval Master – Ignis Aither]. „Was ist das?“, fragte Levrier erstaunt. „Ein Effekt meines Monsters, welcher sich während meiner Standby Phase aktiviert“, erklärte sein Gegner mit einem vielsagenden, bedrohlichen Unterton. „Immer dann wird das Xyz-Material von Ignis Aither wieder auf drei aufgestockt. Dabei bediene ich mich des Friedhofs.“ Als wollte er das unterstreichen, zeigte er [Kayenn, The Master Magma Blacksmith] und [Lavalval Ignis] vor und legte sie wieder unter die schwarze Karte auf seiner Duel Disk.   Na super! Dieses Teil besitzt regenerative – Man ist das ein dämliches Wort! – Kräfte! Was totaler Schwachsinn ist, da genau das nicht bei Xyz-Monstern der Fall sein sollte! Wer denkt sich sowas überhaupt aus!? Vielleicht ist dieses Mistvieh doch stärker, als es tatsächlich aussieht!   Am liebsten hätte Levrier Anya Bauer für ihre Erkenntnis gelobt, doch die Situation war ohnehin schon gefährlich genug und sie zu reizen würde alles nur schwerer machen. Nicht zuletzt hatte er auch gar keine Zeit dafür, denn plötzlich streckte Isfanel in Marc Butchers Körper den Arm aus. Mit der Hand machte er dabei eine Bewegung, als wolle er etwas mit aller Gewalt zerquetschen. „Du hast keine Ahnung, zu was der Incarnation-Mode wirklich imstande ist, oder? Lassen wir dich also nicht länger im Dunkeln tappen! Ich hänge die drei Xyz-Materialien von [Lavalval Master – Ignis Aither] ab und aktiviere seinen mächtigsten Effekt! Field Of Agony!“ Der schwarze Flammenengel stieg in die Höhe und erhob seine Magmasense. Mit einem Schlag spürte Levrier ein Stechen in seinem Kopf, welches so intensiv war, dass er ihn sich vor Schmerz halten musste. Isfanels Monster strömte eine unsichtbare Macht aus, die ihresgleichen suchte! „Anya Ba-“ Doch bevor Levrier das gefangene Mädchen überhaupt warnen konnte, schwang Ignis Aither schon seine Sense, die die drei goldenen Sphären absorbiert hatte, im Halbkreis durch die Luft. Und schickte damit eine Welle aus puren, gold-roten Flammen auf seinen Feind herab. Jener konnte gerade noch die Arme über Kreuz vor sein Gesicht halten, als der Angriff ihn schon erfasste. In Sekundenbruchteilen hatte sich Levriers gesamte Spielfeldseite in ein Feld aus hoch schlagenden Flammen verwandelt. Aber auch ein großer Teil der Parkwiese und die am nächsten liegenden Bäume wurden durch das Inferno regelrecht verschlungen. Aus der Perspektive eines Vogels musste es so aussehen, als hätte sich ein feuriger See im Park ausgebreitet. Levrier schrie aus Leibeskräften, denn die Haut seines Gefäßes verbrannte unter den bestialischen Flammen binnen weniger Herzschläge. Der Druck der Welle riss ihn wie eine Flut mit sich und schleuderte ihn meterweit über das Gelände, wo er hart mit dem Rücken aufschlug, wieder fortgerissen wurde und nochmals aufschlug, ehe er rollend zum Liegen kam.   [Anya: 3050LP → 50LP / Marc: 3350LP]   Wie durch einen unsichtbaren Windhauch löste sich das Inferno nach und nach auf und hinterließ einen verkohlten Körper, der kaum mehr an einen Menschen erinnerte. Und trotzdem war dieser noch imstande, sich torkelnd zu erheben. Levrier sah an sich herab. „Unmöglich“, krächzte er dabei kehlig. Die Kleidung seines Gefäßes war fast vollkommen verbrannt, einzig ein paar Fetzen des T-Shirts verdeckten noch die Brust und die untere Bauchregion. Die Haut darunter war feuerrot und mit Brandblasen übersät. Auch die Hose war zerfetzt, verkohlt und unansehnlich, wobei einer der Träger jener Jeans gerissen war und nun an ihr herab baumelte. Doch das alles war nichts gegen die Arme. Sie waren schwarz, verkrustet, stanken nach verbranntem Fleisch und Blut. Die Haare des Mädchens waren im Feuer versengt worden, es war fast nichts mehr übrig von ihnen. Auch die Haut auf ihrem Gesicht musste vollkommen entstellt sein, denn sie spannte fürchterlich. Ein einziger Angriff hatte Anya Bauers Körper beinahe vernichtet. Levrier spürte nicht einmal Schmerzen, was wohl eine Schutzreaktion seines Gefäßes sein musste, gekoppelt mit seinen eigenen Fähigkeiten. Im Elysion spürte er keine Emotionen mehr. Anya Bauer musste das Bewusstsein verloren haben, sofern das dort überhaupt möglich war – Levrier war sich dessen nicht sicher.   Weit entfernt von ihm hörte er plötzlich Isfanels boshafte Lache und horchte auf. „Oh? Ich hatte erwartet, dass dieser kleine Angriff dein Gefäß vernichtet, auch ohne, dass ich den letzten Rest eurer Lebenspunkte ausgelöscht habe.“ Er zuckte unbedarft mit den Schultern. „Aber wie dem auch sei, die Botschaft dürfte angekommen sein. Schade, dass ich nach Field Of Agony meine Battle Phase überspringen muss, aber es gibt ja noch eine nächste Runde. Dann werde ich dir damit den Rest deiner Lebenspunkte nehmen.“ Und während Levrier zurück zu seinem Spielfeld humpelte, wo [Gem-Knight Crystal] ohne Schaden genommen zu haben wartete, drehte Isfanel Ignis Aithers Karte auf seiner Duel Disk in die Horizontale. „Ich wechsle [Lavalval Master – Ignis Aither] in den Verteidigungsmodus. Nicht, dass ihr am Ende auf die Idee kommt, mich mit Verzweiflungstaten überfallen zu wollen. Denkt daran, nur Xyz-Monster können Ignis Aither im Kampf vernichten.“ Sein Feuerengel hüllte sich mit den blauen Flammen aus seinen Schwingen in einen pulsierenden Feuerkokon ein.   Lavalval Master – Ignis Aither [ATK/1800 DEF/1400 {3}]   „Außerdem kann es nichts schaden, wenn ich diese Karte verdeckt spiele“, meinte Isfanel mit süffisantem Grinsen, während sie vor seinen Füßen erschien. „Zug beendet.“ Levrier war fassungslos. Nicht nur war sein Gegner so unbeschreiblich mächtig, nein, er hatte ihm mit einem Schachzug ganze 3000 Lebenspunkte geraubt und dabei sein Gefäß fast zerstört. Anya Bauer war mehr tot als lebendig und es würde eine ganze Weile dauern, ehe sich ihr Leib regeneriert hatte. Dabei warf er einen prüfenden Blick auf das Mal an ihrem rechten Unterarm, welcher das Feuer nahezu unbeschadet überstanden hatte. Es glühte braun und ganz langsam breitete sich von dort gesunde Haut über das verbrannte Gewebe aus. Doch es würde dauern, ehe alle Wunden verheilt waren. Was angesichts dieses Feindes ohnehin nebensächlich war. Ächzend biss sich Levrier auf die wunden, blutigen Lippen. Sie waren taub, so wie sein ganzer Körper. Wenn Isfanel das nächste Mal zog, würde dies seinen Tod bedeuten. Er brauchte nur das Xyz-Material erneuern und jenes Field Of Agony erneut erzeugen. Zögerlich griff Levrier nach seinem Deck. Es gab praktisch keine einzelne Karte, die ihn aus dieser Situation befreien konnte. Dennoch musste er weiterkämpfen! „Draw!“, rief er aufgebracht und hielt schließlich eine Falle in den Händen. Er seufzte. „Ich setze ein Monster in die Verteidigungsposition und dazu eine weitere Karte verdeckt. Das war alles.“ Neben [Gem-Knight Crystal] materialisierte sich eine Karte in horizontaler Lage, während vor Levrier eine weitere in vertikaler Position erschien. Sie waren seine letzte Hoffnung. Auf der Hand hielt er nur noch [Gem-Knight Fusion], die nutzlos war.   Mit einer flinken Handbewegung zog Isfanel und betrachtete die Karte, ehe er sie plötzlich seinem Gegner zeigte. Sie hieß [Laval Magma Cannoneer]. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Levrier aufgebracht. „Ich wollte dir nur zeigen, dass ich Ignis Aither nicht mehr brauche, um dich zu vernichten. Dieses Monster könnte es ebenso beenden.“ Dabei sprach er in einem so selbstgefälligen Tonfall, dass Levrier einen Zorn verspürte, den er sonst nur von Anya Bauer kannte. Färbte dieses Mädchen etwa derart auf ihn ab? Falls dem so war, hatte es wohl sein Gutes, dass der 11. November nicht mehr allzu weit entfernt lag – sofern er ihn überhaupt noch erleben sollte. Und während Levrier über Anya Bauers Wirkung auf ihn grübelte, entstanden aus dem Nichts drei neue goldene Sphären, die begannen, um [Lavalval Master – Ignis Aither] zu rotieren. Isfanel legte [Card Trooper], [Kayenn, The Master Magma Blacksmith] und [Lavalval Ignis] unter das Xyz-Monster auf seiner Duel Disk. Dabei sagte er gönnerhaft: „Ich könnte natürlich meine Ankündigung wahr machen und dich mit meinem gezogenen Monster vernichten, aber ich denke, Ignis Aither ist die passendere Endlösung. Auch wenn ich dir zugestehen muss, tapfer gekämpft zu haben, angesichts deiner 'Möglichkeiten'“ Levrier wich einen Schritt zurück. Nur langsam erholte sich Anya Bauers Körper von den Verbrennungen, die Haut an Armen, Beinen, Oberkörper und Gesicht war nur zu einem sehr geringen Teil regeneriert. Aber auch ohne die schweren Verletzungen würde er den nächsten Angriff nicht überstehen, denn wenn die Lebenspunkte eines Spielers in einem Duell wie diesem auf 0 fielen, bedeutete das automatisch den Tod. Isfanel streckte seinen Arm weit in die Höhe, als wolle er nach seinem Flammenengel reichen. „Das ist das Ende! Ignis Aither, setze deine volle Kraft ein und benutze die drei Xyz-Materialien, die ich dir gegeben habe!“ Er schwang besagten Arm nach unten und zeugte nun mit verhärteter Miene auf Levrier. „Vernichte den 'Gründer' Levrier! Field-Of-Agony!“ Die blaue Flammenkugel, die Ignis Aither einhüllte, verschwand, als er seine Sense anhob und damit die drei Sphären absorbierte. Dann schwang er sie aus und schickte eine Welle puren Feuers in Levriers Richtung.   Dieser schüttelte den Kopf und rief: „Dieses Mal nicht! Ich aktiviere die verdeckte Falle [Hallowed Life Barrier]!“ Um ihre Kosten zu bezahlen, schickte er seine letzte Handkarte, [Gem-Knight Fusion] auf den Friedhof. „Damit wird jeder Schaden an meinen Lebenspunkten für diese Runde abgeblockt!“ Um ihn herum tauchten drei Priesterinnen in blauen Gewändern auf, die eine Art Gebet aufsagten. So errichteten sie einen Schutzschild aus weißer Energie, welcher sich wie eine Kuppel um Levrier aufbaute. Und während das gesamte Umfeld einem Flammenmeer glich, schirmte dieses Kraftfeld seinen Erzeuger vor der unerträglichen Hitze ab. Jener wusste, wie knapp er dem Tode entkommen war. Hätte er [Hallowed Life Barrier] nicht während seines letzten Zuges gezogen, wäre das Duell jetzt unwiderruflich verloren gewesen. Doch noch so einen Angriff würde er nicht abwehren können. Darauf war Anya Bauers Deck nicht ausgelegt.   Isfanel indes war so erzürnt über die fehlgeschlagene Attacke, dass er die Karten in seiner Hand unbewusst zusammendrückte „Wie es aussieht, war ich da etwas vorschnell“, meinte er ärgerlich, „angesichts deines Schutzfeldes ist es nicht weiter schade um die Tatsache, dass ich keine Battle Phase durchführen kann. Aber dennoch bin ich nicht fertig. Ich beschwöre [Laval Magma Cannoneer]!“ Vor ihm materialisierte sich ein Soldat aus blauem Gestein. Geschultert hatte er zwei große Kanonen, die mit jeweils einem Schlauch mit seinem Rückgrat verbunden waren.   Laval Magma Cannoneer [ATK/1700 DEF/200 (4)]   „Effekt von Magma Cannoneer aktivieren!“, rief Isfanel gebieterisch und zeigte zwei seiner Handkarten vor. Es waren [Laval Volcano Handmaiden] und [Laval Warrior]. „Pro Zug kann ich bis zu zwei Feuer-Monster abwerfen, um euch für jedes von ihnen 500 Punkte Schaden zuzufügen!“ Die Rohre der Kanonen begannen rot zu glühen. Levrier wollte noch etwas sagen, doch schon schoss der Kanonier zwei rote Lavakugeln auf ihn ab. Beide prallten an dem Kraftfeld wirkungslos ab. „Das war sinnlos!“, meinte Levrier aufgebracht. Isfanel wusste doch, dass er ihm diese Runde keinen Schaden zufügen konnte, wieso hatte er das also getan? Jener lachte aber nur abwertend. „Gewiss nicht. Wenn [Laval Volcano Handmaiden] auf den Friedhof geschickt wird-“ „Ich kenne den Effekt deines Monsters!“ „Gut! Dann schicke ich durch sie eine weitere Handmaiden und durch deren Effekt auch meine dritte Handmaiden auf den Friedhof. Und die wiederum schickt [Laval Lakeside Lady] auf den Friedhof, um den Kreis zu schließen.“ Vor Levrier tauchten drei schrill kichernde, junge Mädchen mit brennendem Haar auf, die kurz darauf wieder verpufften. Levrier wusste, dass Marc Butchers Deck darauf ausgelegt war, Laval-Monster auf den Friedhof zu schicken. Deshalb also hatte er diese ganzen Monster für nichts geopfert. Bloß wofür genau? „Ich wechsle Ignis Aither wieder in den Angriffsmodus und setze eine weitere Karte verdeckt. Das wäre dann alles.“ Nun lagen zwei Karten vor ihm, während die blaue Flammensphäre um seinen Feuerengel endgültig erlosch. Genau wie das Schutzfeld um Levrier, welches zusammen mit den Priesterinnen verschwand.   Lavalval Master – Ignis Aither [ATK/1800 DEF/1400 {3}]   Das war eine Falle! Levrier griff nach seiner Duel Disk, und- Lass mich gefälligst hier raus, du elender Dreckskerl!   Anya Bauers plötzlicher Wutausbruch kam so überraschend und mit solcher Wucht, dass Levrier sich den Kopf hielt und in die Knie ging. Die Wellen ihrer Emotionen waren so stark, dass das Elysion zu kollabieren drohte. Wie war das möglich!?   Wegen dir sehe ich jetzt aus wie frisch aus dem Vulkan geschlüpft! Was hast du meinem schönen Körper angetan, du dreckige Mistmade!? Wenn du das nicht auf der Stelle rückgängig machst, werde ich dafür sorgen, dass du die Radieschen von ganz unten wachsen siehst! Lass-mich-raus!   Stöhnend presste Levrier die Hände auf Anyas entstellten Schädel. Er war durch Isfanels Angriff zu sehr geschwächt, er konnte sie nicht länger im Elysion festhalten. Aber sie durfte nicht die Kontrolle übernehmen, der Schmerz würde sie in den Wahnsinn treiben – dann war sie nutzlos! „Tu das nicht“, ächzte er. „Wenn du jetzt zurück in dein Gefäß kehrst, wird es dich vielleicht umbringen. Sollte ich vertrieben werden, können meine Kräfte die Schmerzen nicht länger im Zaun halten!“ Mir doch egal! Erst schließt du einen beschissenen Pakt mit mir und nun machst du aus mir Chucky, die Mörderpuppe! Ich glaub' es hackt! Ganz zu schweigen von Marc! Als ob ich zulasse, dass du ihn einfach ausradierst! Mistkerl!   Levrier schrie nun richtig, denn Anya Bauers Präsenz war schmerzhafter als jede Verletzung. Nicht umsonst hatte er sie als sein Gefäß gewählt, doch dass sie sich derart gegen seine Kontrolle zur Wehr setzen konnte, war ihm nicht bewusst gewesen. „Hör auf … das ist nicht- AHH!“ Er konnte sie nicht länger zurück halten, ihre Wellen rissen seinen Geist mit sich. Er spürte, wie das Elysion in sich zusammenbrach und schrie.   Sie schrie. Vor Wut, wegen diesen entsetzlichen Schmerzen, aus Frustration. Die Scherben um sie herum waren längst verschwunden, doch Anya schrie weiter. Das Mädchen steckte wieder in ihrem Körper und bereute es zutiefst. Levrier hatte nicht übertrieben. „Ahhhh“, wimmerte sie und wollte sich an den besonders stark schmerzenden Oberarm fassen, doch als sie die verbrannte Haut berührte, fühlte es sich an wie tausend Nadelstiche. Ihre Beine waren wie Pudding, sie stolperte vorwärts und ging in die Knie.   Ich habe dich gewarnt! Nun kann ich dir nicht mehr helfen, Anya Bauer! Es wird Stunden dauern, bis ich genug Kraft habe, um deine Wunden zu heilen!   „Leck … mich“, presste sie unter ihren wunden Lippen hervor. Unter größten Anstrengungen erhob sie sich wieder, doch stand immer noch auf wackeligen Beinen. „Mir geht’s gut!“ „Oh“, kommentierte Isfanel das alles amüsiert. „Damit hätte ich nicht gerechnet. Levriers Gefäß ist tatsächlich aus seinem Gefängnis ausgebrochen. Welch wahrhaft seltenes Ereignis. Du hast meine Anerkennung sicher, Anya Bauer.“ Das Mädchen richtete ihr Augenmerk von der bereits neuentstandenen Haut an ihrem rechten Arm auf ihren Gegner. Sie kniff die blauen Augen, was so ziemlich der einzige noch unbeschädigte Teil ihres Körpers war, zu kleinen Schlitzen zusammen. „Spar' dir das Gelaber, Dämonenspacko! Mit dir hab ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen! Verschwinde aus Marcs Körper, oder ich mach dir Beine!“ Isfanel zuckte unbedarft mit den Schultern. „Bedaure, aber das ist leider nicht möglich. Du solltest doch mittlerweile um die Bedeutung eines Paktes mit den unseren wissen.“ „Dann prügle ich dich eben aus ihm heraus!“ „Wirklich?“ Er lachte aufgesetzt. „Damit würdest du im Endeffekt nur Marc Butcher schaden.“ „Na und?“, erwiderte Anya garstig. „Muss er eben ein bisschen die Zähne zusammenbeißen, solange ich mit dir beschäftigt bin!“ Überrascht verzog Isfanel das Gesicht. „Oh? Mit so einer Antwort hätte ich nicht gerechnet. Mit dir ist wohl nicht gut Kirschen essen?“ Er lächelte plötzlich vergnügt, wodurch Marcs Grübchen hervortraten. „Wie äußerst amüsant du doch bist. Bedauerlicherweise muss ich dich dennoch vernichten.“ „Komisch“, grinste Anya in ihrer entstellten Form. „Genau das Gleiche habe ich gerade auch von dir gedacht, Laberbacke!“   Sie griff nach ihrem Deck. Zwar hatte sie keinen Plan, wie sie dieses verrückte Duell abbrechen konnte, ohne dass jemand zu Schaden kam, aber ihr würde beizeiten schon etwas einfallen. Jetzt aber musste sie erstmal ins Spiel zurückfinden, nachdem Levrier sie in diese Lage gebracht hatte. „Draw!“, krächzte sie und bekam einen Hustenanfall. Ihre Lungen brannten wie das Feuer, welches ihre Haut versengt hatte. Anya verstand zwar nicht, wieso diese sich ganz langsam neuzubilden schien, doch das war ihr nur recht – sie wollte nicht aussehen wie dieser widerliche Alastair. Wo war der eigentlich, wenn man ihn mal wirklich brauchen konnte!? Als sie ihre gezogene Karte betrachtete, runzelte sie die Stirn. Die würde gar nichts ausrichten. Also spielte sie sie verdeckt aus, woraufhin der Zauber vor ihren Füßen erschien. Dann legte sie ihre Hand auf ihr gesetztes Monster und rief: „Ich wechsele [Morphing Jar] in den Angriffsmodus! Wenn er geflippt wird, werfen wir beide unser Blatt ab und ziehen fünf neue Karten.“ Doch tatsächlich besaß keiner von ihnen auch nur eine Handkarte. Die horizontale Karte vor ihr wirbelte um und offenbarte einen grauen Tonkrug, aus dessen Inneren ein Auge und vergilbte Zähne heraus guckten.   Morphing Jar [ATK/700 DEF/600 (2)]   Beide Spieler zogen schließlich fünf Karten, ehe Anya jene musterte. Ihre neue Hand war perfekt! Sie streckte ihren Arm aus und deutete auf die Zauberkarte, die sie vor dieser Aktion gesetzt hatte. Jene sprang auf und zeigte eine Hand, aus deren Innenseite ein Lichtfaden glitt. „[Silent Doom]! Damit kann ich ein normales Monster von meinem Friedhof in Verteidigungsposition zurückrufen! Erscheine, [Gem-Knight Tourmaline]!“ Vor ihr tauchte der Ritter des Turmalins in goldener Rüstung auf und erzeugte zwischen seinen Händen einen Blitz, während er in die Knie ging. Neben ihm stemmte [Gem-Knight Crystal] die Hände in seine Hüften, als wolle er dem Neuankömmling zeigen, wer der Stärkere war.   Gem-Knight Tourmaline [ATK/1600 DEF/1800 (4)]   „Und jetzt beschwöre ich als Normalbeschwörung [Gem-Knight Amber]!“ Noch ein Krieger erschien zwischen Tourmaline und Crystal. Dieser trug eine gold-silberne Rüstung und war mit zwei Dolchen aus roten Blitzen bewaffnet. Auf seiner Brust prangerte ein wunderschöner Bernstein.   Gem-Knight Amber [ATK/1600 DEF/1400 (4)]   Anya streckte den Arm in die Höhe, der Dornenkranz mit dem Kreuz darin leuchte kaum merkbar auf. Jetzt hatte sie alles, was sie brauchte, um dieses Mistvieh von einem Monster zu bezwingen. „Aus meinen Stufe 4-Monstern wird ein Rang 4-Monster! Ich erschaffe das Overlay Network! Komm herbei, [Gem-Knight Pearl]!“ Amber und Tourmaline wurden zu braunen Lichtstrahlen, die in den schwarzen Wirbel gezogen wurden, welcher sich inmitten des Spielfelds auftat. Daraus empor stieg ein schlichter Krieger in weißer Rüstung, der erhaben die Arme verschränkte und über das Feld zu Anya glitt. Dabei umkreiste ihn ein Ring aus massiven, rosafarbenen Perlen und zwei Lichtkugeln, die sein Xyz-Material darstellten.   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 DEF/1900 {4}]   Mit zufriedenem Grinsen auf den Lippen griff Anya nach dem Friedhofsschacht an ihrer Duel Disk. „Das war aber noch lange nicht alles.“ Sie nahm [Gem-Knight Fusion] und [Gem-Knight Topaz] daraus hervor und steckte Letzteren in das, was mal ihre Hosentasche gewesen war. Als sie dort zusammengeknüllte Pappe ertastete, wusste sie, dass die [Particle Fusion]-Zauberkarte, welche Levrier zu Beginn des Duells verbannt hatte, dem Inferno zum Opfer gefallen war. Aber sie hatte zuhause zum Glück noch eine Ersatzkopie. „Ich verbanne einen Gem-Knight vom Friedhof und erhalte [Gem-Knight Fusion] vom Ablagestapel zurück!“, erklärte sie wütend. „Und ich aktiviere sie auch gleich. Damit verschmelze ich [Gem-Knight Garnet] und [Gem-Knight Emerald] zu einem neuen Monster! Garnet, du bist das Element! Emerald, du der Ursprung! Vereinigt eure Kräfte und werdet zu [Gem-Knight Citrine]!“ Edelsteine wirbelten durch die Luft, als die Abbilder ihrer beiden Monsterkarten in die Höhe stiegen und in grellem Licht zu einem weiteren Ritter verschmolzen. Dessen Unterarme waren aus purem Magma. Der Krieger schulterte ein gewaltiges Breitschwert mit einer Hand, während von seiner bräunlichen Rüstung ein blauer Umhang wehte.   Gem-Knight Citrine [ATK/2200 DEF/1950 (7)]   Unglaublich! Ich hätte nicht gedacht, dass du zu solch einem Zug imstande bist! Anscheinend muss ich meine Meinung über dich überdenken, Anya Bauer! Doch sei gewarnt, dort-   „Ja, ja, halt deinen Rand, du Nervensäge!“, fauchte das Mädchen aufgebracht. „Das ist alles nur deine Schuld! Du wolltest ja unbedingt hierher kommen!“ Und nun musste sie es ausbaden und einen Weg finden, wie sie Marc retten konnte. Von ihrem Spielfeld ausgehend war das gesamte, nähere Umfeld pechschwarz, vollkommen verbrannt. Das war Isfanels Werk. Was aber würde geschehen, wenn sie, Anya, nun angriff und Marc Schaden zufügte? Sie war nur ein Mensch und besaß keine Kräfte, zumal Levrier nahezu außer Gefecht gesetzt war. Dennoch behagte ihr nicht dabei, dass dieser Blutzoll wie ein Damoklesschwert über dem Duell stand. Konnte man in so einem Spiel überhaupt gewinnen? „Levrier“, fragte sie vorsichtig. „Gibt es eine Möglichkeit, dieses … System, oder was auch immer das ist, auszutricksen?“ Und schon bereue ich meine Worte. Hast du nicht zugehört? Es ist unmöglich. Wenn zwei Wesen wie wir es sind sich bekriegen, wird ein Vertrag zwischen ihnen geschlossen. Dieser ist bindend und kann, genau wie der Pakt zwischen uns, nicht ohne Weiteres gebrochen werden.   „Also gibt es einen Weg!“ Nein! Denn wird er gebrochen, kommen beide Parteien um! Das habe ich dir schon einmal gesagt!   Anya schnaufte unzufrieden. Das konnte doch nicht wahr sein! Irgendeine Möglichkeit musste es schließlich geben, hier heil heraus zu kommen! Levrier enthielt sie ihr vor, das musste es sein! Plötzlich sah sie zu ihrer verrußten Duel Disk. Wenn sie aufgeben würde, wäre sie doch nicht durch einen Angriff besiegt worden. Keine Verletzungen. Es erschien dem fast kahlen Mädchen nur logisch. Langsam bewegte sich ihre Hand zur Duel Disk, doch sie hielt inne. Denn sie selbst musste zugeben, dass das zu einfach war. Was, wenn sie sich irrte?   Bist du des Wahnsinns!? Aufgeben würde bedeuten, dass wir verlieren und den Blutzoll zu zahlen haben! Denkst du überhaupt nicht nach, Anya Bauer!? Natürlich tat sie das! Aber es war einfach frustrierend, ihr wollte nichts einfallen. Anya sah herüber zu Marc, der mit ausdrucksloser Miene alles beobachtete. Und plötzlich fragte sie sich, warum er nicht hämisch grinste. Hätte er nicht etwas sagen müssen, um sie in ihrem Tun zu bestätigen? Oder war dieser Isfanel so siegessicher, dass es ihm gleich war, auf welche Weise er gewann? „Tch“, ächzte sie. Sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte! Vier Monster kontrollierte sie, drei davon gehörten zu den stärksten, die sie zu bieten hatte. Und dennoch wusste sie nicht weiter. Angreifen würde bedeuten, Marc zu verletzen. Tu es! Denn solltest du jetzt zögern, war alles umsonst!   Anya zuckte zusammen. Solange Marc besessen war, würde er nicht zögern und sie wirklich töten. Levrier hatte recht damit, sie musste etwas unternehmen. „Ich werde seine Monster zerstören“, entschied sie schließlich mit Unbehagen in der Stimme. „So kann er uns keinen Schaden zufügen. Hoffentlich sind seine neuen Handkarten scheiße! Vielleicht gewinnen wir dadurch Zeit, bis mir etwas Besseres eingefallen ist.“ Sei nicht leichtsinnig! Denk an die-   „Okay!“, rief sie schließlich entschlossen und streckte ihren Arm aus. „Zeit, ein bisschen Leben in dieses Spiel zu bringen! [Gem-Knight Citrine], greife [Laval Magma Cannoneer] an! Incinerating Blade Slash!“ Ihr Krieger mit dem Breitschwert stürmte vor und holte mit seiner Klinge aus, um den felsigen Artilleriesoldaten zu vernichten. Doch Isfanel lachte zufrieden auf und schwang seine Hand über die verdeckten Karten aus. „Dumme Göre! Sieh, was du von deiner blinden Angriffswut hast! Du hast meine beiden permanenten [Molten Whirlwind Wall]-Fallen ausgelöst! Sie erhöhen die Angriffskraft aller Laval-Monster um die Anzahl ihrer Artgenossen auf dem Friedhof mal 100. Da dort momentan acht Stück liegen, sind das ganze 1600 Extrapunkte! Verge- WAS!“ Seine Fallen, die aufgesprungen waren, klappten wieder zu. Mit einem gezielten Hieb teilte Citrine seinen Gegner in zwei Teile, wodurch eine Explosion entstand. Isfanel schrie auf, als die darauf folgende Schockwelle ihn zurückwarf. Doch er konnte das Gleichgewicht halten.   [Anya: 50LP / Marc: 3350LP → 2850LP]   Stöhnend hielt er sich den Kopf. „Verdammt! Was- Urgh!“ „Wenn Citrine angreift, können keine Effekte oder Karten aktiviert werden!“, erklärte Anya selbstbewusst. Er sank in die Knie und hielt sich mit beiden Händen den Schädel. Wütend presste er hervor: „Ich- Ah! Ich aktiviere meine Fallen, damit du nicht auf die Idee kommst, noch einmal anzugreifen. Urgh! Ich habe nicht gewusst, dass dein Krieger beim Angriff die Aktivierung anderer Karten unterbindet!“ Flammen stiegen aus dem Boden hervor und begannen, sich entgegen dem Uhrzeigersinn um ihren Erzeuger zu drehen, immer schneller. Wie ein Tornado zog dieser Wirbel im hohen Tempo seine Kreise um Isfanel, als plötzlich ein weiterer entstand, sodass sie zusammen eine regelrechte Mauer bildeten, an der es kein Vorbeikommen gab. Nun, da neun Laval-Monster auf seinem Friedhof lagen, wurde ihr Stärkungseffekt noch größer.   Lavalval Master – Ignis Aither [ATK/1800 → 3600 DEF/1400 {3}]   Erschrocken starrte Anya nach oben, wo über Isfanel der flammende Engel schwebte. Seine ehemals blauen Feuerschwingen glühten, gestärkt durch die Fallen, nun in grellem, unwirklichem Silber. Das war knapp, dachte sie erschrocken. Ihr Herz trommelte wild gegen ihren Brustkorb. Hätte Citrine nicht die Fähigkeit, beim Angriff Kartenaktivierungen zu unterbinden, wäre sie jetzt bereits Geschichte!   Du musst einen Weg finden, um diese Fallen zu umgehen oder zu vernichten! Wenn dieses Wesen nächste Runde seinen Effekt aktiviert oder auch nur angreift, sind wir verloren!   „Denkst du, das weiß ich nicht!?“, schrie Anya aufgebracht. „Und wie soll ich das anstellen!?“ Die letzten beiden Karten in ihrer Hand waren die Fallenkarten [Birthright] und [Justi-Break] – nutzlos. Sie konnten den Effekt von Ignis Aither nicht unterbinden! Aber sie würde nicht so einfach aufgeben, sonst hieße sie schließlich nicht Anya Bauer! „Ich setze zwei Karten verdeckt und beende meinen Zug!“, verlautete sie selbstbewusst. Ihr musste etwas einfallen, um Isfanel dazu bringen, mit Ignis Aither [Gem-Knight Crystal] anzugreifen. Dann könnte sie ihn durch ihre Falle [Justi-Break] vernichten. Aber wie sollte sie das anstellen? Zwar hatte sie schon einmal ein Schmierentheater veranstaltet, doch damals hatte sie diesem Obertrottel von Dämonenjäger Alastair gegenübergestanden. Dessen Stolz war leicht angreifbar gewesen, doch Isfanel? Wo war seine Schwachstelle? Hatte er überhaupt eine?   Als könnte er Gedanken lesen, nahm er langsam Haltung an, dabei immer noch mit einer Hand am Kopf. „Oh? Bluffen wir jetzt etwa? AH!“ Er sank zurück in die Knie und kniff die Augen zu. „Verdammter Narr! Dieser Kerl ist hartnäckig!“ Verwirrt starrte Anya ihn an. „Was ist denn mit dem los?“ Sein Gefäß versucht vermutlich, die Kontrolle zurückzugewinnen.   Und genau in diesem Moment stieß Marc einen bestialischen Schrei aus, sank nach vorn und stützte sich mit den Händen vom Boden ab. Keuchend blickte er auf. „Anya? Bist du in Ordnung?“ „Marc!?“ Er schrie wieder auf und kippte zur Seite. „Dargh! Du … musst … angreifen!“ „Was!?“ Das Mädchen verstand nicht. Unter qualvollem Ächzen griff Marc, der wie ein geprügelter Hund am Boden lag, nach seiner Duel Disk und zog eine Karte. „Ich … werde ihn aufhalten! Aber … ich kann ihn nur einen Zug lang … unterdrücken! Du musst … zuschlagen!“ Aus dem Nichts erschienen drei goldene Sphären, die um [Lavalval Master – Ignis Aither] kreisten. Marc legte [Lavalval Ignis], [Card Trooper] und [Kayenn, The Master Magma Blacksmith] unter das Xyz-Monster auf seiner Duel Disk. Anya hingegen konnte nur fassungslos zusehen.   Lavalval Master – Ignis Aither [ATK/3600 → 3400 DEF/1400 {3}] Er war zurück und wollte ihr helfen! Wollte, dass sie das Duell gewann! Aber warum!? „Bist du bescheuert!?“, fauchte sie aufgebracht. „Wenn ich das tue, wirst du …! Dann wirst du …“ „Ich weiß! Sonst wäre ich wohl kaum zurückgekehrt!“ Unter großen Anstrengungen richtete er sich auf und kam wackelig auf die Beine. „Ich will, dass du es tust! Damit dieses Ding in mir verschwindet!“ „Huh!?“ Marc schloss die Augen. In seinen Worten schwang große Verbitterung mit sich. „Ich war ein Idiot zu glauben, dass das, was ich tue, richtig ist. Eine Marionette bin ich, nichts anderes.“ „Was redest du da!?“ „Halt den Mund und hör zu!“, fuhr Marc sie scharf an. „Keine Entschuldigung dieser Welt könnte ungeschehen machen, was ich dir bereits angetan habe! Es gibt keinen Weg, der uns beiden das Leben retten kann! Deswegen beende du es, denn ich habe es nicht besser verdient!“ Widerwillig schüttelte Anya den Kopf. „Bist du vollkommen durchgeknallt, Butcher!? Erst willst du mich und Levrier umbringen und plötzlich änderst du so mir nichts, dir nichts deine Meinung!?“ Er lachte zynisch auf. „Wäre es dir lieber, wenn ich weitermache wie bisher? Du weißt, dass ich dieses Duell mit nur einer Aktion gewinnen könnte!“   Von seinen Worten getroffen zuckte Anya zusammen. Was dachte dieser Kerl sich bloß dabei? War ihm sein Leben plötzlich so egal, dass er nicht mehr darum kämpfen wollte? Oder bedeutete sie ihm doch mehr, als es zunächst den Anschein gehabt hatte? Was ging nur in Marc vor sich!?   „Ich beende meinen Zug!“ Wütend begehrte Anya auf, verwirrt von seinen Worten. „Du Feigling! Warum rennst du davon!? Glaubst du, ich brauche deine Almosen!?“ „Und wie du die brauchst! Du bist eine ausgemachte Versagerin, Anya! Hättest du nicht Levrier und deine Freunde, würdest du gar nichts auf die Reihe kriegen!“ Er riss die Augen auf und zeigte erbarmungslos mit dem Finger auf sie. „Jemand wie du wird es nie zu etwas bringen, wenn man ihm nicht den Weg weist! Und für so jemanden will ich mich ernsthaft opfern!? Anscheinend habe ich gerade einen Fehler gemacht, als ich meinen Zug beendet habe!“   Seine Worte waren wie Stiche in ihr Herz. Also konnte sein schlechtes Gewissen doch nicht so groß sein, dass er ernsthaft sein Leben für sie geben würde. Wie naiv sie doch war, dachte Anya verbittert. Wer würde schon bereitwillig sein Leben für einen anderen aufgeben? Insbesondere für sie? „Du bist … ein Arschloch …“ „Gegen dich bin ich noch harmlos! Wenn du jetzt versagen solltest, werde ich keine Rücksicht mehr auf dich nehmen!“, donnerte er und verzog unter Schmerzen das Gesicht, da Isfanel anscheinend alles tat, um die Kontrolle zurückzugewinnen. „Du hast es wirklich verdient zu sterben! Allein schon, weil du dein Leben gar nicht zu schätzen weißt! Welcher Mensch würde bei so einer Gelegenheit denn zögern? Ich lege mich für dich auf den Präsentierteller und du redest von Almosen!?“ Er sollte endlich aufhören und die Klappe halten! „Was weißt du schon!?“ „Ich bin nicht so emotional verkrüppelt wie du, denn ich kann wenigstens so etwas wie Schuld empfinden!“   Anya wich seinem Blick aus und sah ihre verkohlte Hand an. Dann blickte sie herüber zu Marc, der ihr in seinen Qualen einen verächtlichen Blick zuwarf. Und plötzlich kristallisierte sich in all dem Chaos in ihrem Kopf ein Gedanke heraus: er war schwach. Einfach nur schwach. Anstatt sich diesem Isfanel zu widersetzen, hatte er alles getan, was jener von ihm wollte. Und nun fühlte er irgendeine heuchlerische Art von Reue, konnte es nicht zu Ende bringen. Solche Leute hasste Anya wie die Pest. Sie glaubten nicht an das, was sie taten. Wieso sollte sie also an seine Worte glauben? Er kannte sie doch gar nicht! Und hatte sie nicht eben noch um -ihn- gekämpft? Ja, aber das war -ihm- anscheinend entgangen! Plötzlich sah sie alles in einem ganz anderen Licht. Als Marc ihr von Angesicht zu Angesicht sagte, dass er nichts für sie empfand, hatte er bereits von Levrier gewusst. Es war also nicht nur ein Korb, sondern auch ein Abschied gewesen. Weil er entschieden hatte, dass er sie töten würde. Auch wenn es unheimlich schmerzte, ballte Anya eine Faust. Wie konnte er nur? Ausgerechnet er, der für sie immer der Eine, das Gute am beschissenen Alltag gewesen war? Und wie konnte sie sich in so jemanden überhaupt … verliebt … haben. „Liebe“, schnaufte sie bitter enttäuscht, „ist scheiße.“ Dass er jetzt plötzlich von seinem Vorhaben abgesehen hatte, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, hatte nichts mit Gefühlen für sie zu tun. Er tat es einzig aus Gewissensbissen. Sein Herz hing an Valerie. Und das war etwas, was sie durch kein Duell der Welt ändern konnte. Aber das bedeutete nichts mehr für sie. Marc war in jenem Moment, als er über ihr Leben entschieden hatte, für Anya unwiderruflich gestorben. Jetzt hieß es er oder sie. Und Anya verspürte nicht länger den Drang, das Unausweichliche noch weiter hinauszuzögern. Marc hatte die ganze Zeit über gewusst, worauf er sich eingelassen hatte. Nun musste er mit den Konsequenzen leben – oder sterben, was sich mit dem nächsten Zug entscheiden würde. Er hatte es ja nicht anders gewollt! „Ich bin“, sprach sie ungewohnt kühl und zog, wobei sie für eine Millisekunde einen fiesen Stich im Brustkorb spürte. Ihr Leib schmerzte so fürchterlich, dass sie am liebsten schreien wollte. Und das hatte sie nur Marc zu verdanken. Levrier hatte recht, er war ein Feind, egal, was sie vielleicht einmal für ihn empfunden hatte!   Anya Bauer, was hast du getan! Wie konntest du von deinem Deck-!?   Doch das Mädchen hörte Levrier gar nicht, bemerkte auch nicht das Glimmen, welches von ihrem Mal ausging. Wie in Zeitlupe sah sie sich ihre neue Karte an und verharrte. Dann schob sie sie wortlos in ihre Duel Disk. In Pearls Hand erschien plötzlich eine silberne Axt, auf deren Blatt ein leise glucksendes Gesicht aus Gold prangerte – die [Axe Of Fools].   Gem-Knight Pearl [ATK/2600 → 3600 DEF/1900 {4}]   Jetzt besaß sie also ein Monster, das stark genug war, um [Lavalval Master – Ignis Aither] zu vernichten. Sie streckte den Arm aus, und sprach mechanisch: „Pearl, Funny Axe Strike.“ [Gem-Knight Pearl] flog auf seinen Feind zu, gefolgt von seinen riesigen Perlen, passierte problemlos die Feuerwirbel und schlug zweimal mit der Axt zu. Auf der Brust des schwarzen Feuerengels erschien plötzlich ein leuchtendes Kreuz, ehe dieser in einer gleißenden Explosion unterging. Jene löste eine so starke Druckwelle aus, dass Marc von den Beinen gerissen wurde und hart auf den Rücken knallte. Schwarze Partikel schimmerten dort, wo Ignis Aither eben noch gewesen war. Die Flammentornados erloschen.   [Anya: 50LP / Marc: 2850LP → 2650LP]   Beende es, Anya Bauer! Das ist unsere letzte Chance! Du darfst jetzt nicht zögern!   Doch nach wie vor hörte Anya nicht hin, sondern war uneingeschränkt auf Marc fixiert. Der verzog das Gesicht. „Nett. Aber hast du auch die Nerven, es zu einem Ende zu bringen? Oder bist du feige?“ Auf wackeligen Beinen erhob er sich wieder und winkte herausfordernd. „Bringst du es? Dann los! Andernfalls zermalme ich dich!“ Wollte er tatsächlich auf diese Weise umkommen? Was für ein Idiot! Wenn er es sich so sehr wünschte, würde sie ihm dabei helfen! „Wenn du mich so nett bittest“, rief sie kalt und streckte den Arm aus, „bekommst du, was du verdienst! [Gem-Knight Crystal] und [Gem-Knight Citrine], direkter Angriff auf seine Lebenspunkte! Clear Punishment und Incinerating Blade Slash!“   Anya Bauer! Hinter dir!   Während ihre Monster sich zum Angriff bereit machten, wirbelte das Mädchen irritiert um. In der Ferne bemerkte sie, wie drei Gestalten über den rußgeschwärzten Steinweg auf sie zueilten. „Anya!“, rief Abby entsetzt, während sie hinter Valerie herlief, aber immer weiter zurückfiel. „Oh Gott sei Dank, wir sind nicht zu spät! Was ist hier nur geschehen!?“ „Hat Anya einen Furz angezündet?“, fragte Nick dicht hinter Abby glucksend. „Coole Sache!“ „Joan hat uns hierher geführt! Was- Ah!“ Valerie erschrak, als Anyas [Gem-Knight Citrine] einen großen Satz nach vorn machte und Marc ins Visier nahm. Auch deren Besitzerin drehte sich überrascht zu jenem um. Plötzlich war ihre Rachlust vollkommen verflogen. Das Mädchen spürte, dass es einen großen Fehler begangen hatte. „Brich die Angriffe ab!“, schrie Valerie noch aufgewühlt. Doch dafür war es bereits zu spät. Mit aller Wucht rammte Crystal seine Faust in den Boden und ließ einen Spalt entstehen, der mit rasender Geschwindigkeit auf Marc zuschoss. Spitze Kristalle schnellten aus dem Riss hervor. Gleichzeitig erschien Citrine hinter ihm und setzte zu einem Stich an. Valerie, die als Erste bei Anya angekommen war, schlug vor Entsetzen die Hände vor ihr Gesicht. „NEIN!“ Die Kristalldornen spießten Marcs Gliedmaßen und Oberkörper auf, während die Klinge Citrines sich durch seinen Torso bohrte, wobei ein heftiger Ruck durch seinen Körper ging. Blut tropfte von seinen Lippen, die sich zu einem Lächeln formten. „Danke, Dummkopf! Nun brauch ich kein schlechtes Gewissen haben …“ Eine ohrenbetäubende Explosion folgte. Es entstand eine Schockwelle, die so gewaltig war, dass sie Anya und Valerie umwarf. Selbst Abby und Nick, die noch ein ganzes Stück vom Spielfeld entfernt waren, wurden regelrecht davon geworfen.   [Anya: 50LP / Marc: 2650LP → 0LP]   Stöhnend öffnete Anya ihre Lider. Sie lag auf dem Rücken und blinzelte. Es gab keine Stelle an ihrem verbrannten Körper, die nicht schmerzte. Ächzend richtete sie sich auf. Der Regen, welcher zuvor ausgesetzt hatte, fiel wieder in Strömen vom Himmel hinab. Dort, wo Marc eben noch gestanden hatte, klaffte nunmehr einzig ein Krater im Boden. Panisch suchte sie mit ihrem Blick die Gegend ab. Das Eingangstor des Parks hatte keinen Schaden genommen, auch das Waldgebiet um Marcs Spielfeld nicht. Doch nirgendwo war er zu entdecken.   „Was … habe ich getan?“, murmelte sie fassungslos. Er war fort. Er war … „DU!“ Mit einem Ruck wurde sie niedergerissen und spürte einen Faustschlag direkt ins Gesicht. Es brannte wie Feuer auf ihrem nackten Fleisch. „Wie konntest du!?“ Valerie hatte sich auf sie gestürzt und schlug erneut zu. „Wie konntest du das tun!? Was hat er dir getan!?“ Es folgte eine Ohrfeige. Anya konnte sich nicht gegen die Schläge wehren und selbst wenn sie noch genug Kraft übrig gehabt hätte, würde sie es nicht tun. Denn sie wusste, dass sie sie verdient hatte – als Marcs Mörderin. Dem schwarzhaarigen Mädchen auf ihr standen Tränen in den Augen. Immer wieder schlug sie auf Anya ein, die es wortlos über sich ergehen ließ. „Habe ich dafür dein Leben gerettet!? Dass du Marc kaltherzig umbringst!?“ Sie schlug abermals zu, obwohl ihre Knöchel bereits höllisch schmerzten. Unter Tränen brüllte sie: „Antworte mir!“   Plötzlich schnellte unter Valerie Redfield eine Hand vor und packte sie am Hals. „Hör auf damit! Sie ist nicht länger hier.“ Mit spielender Leichtigkeit drückte Levrier die wild gewordene Furie von sich und schleuderte sie mit einer einfachen Handbewegung zur Seite. Das Mädchen rollte über den verbrannten Boden und blieb reglos liegen. Alles, was noch blieb, war ihr Schluchzen. Auch Nick Harper und Abigail Masters waren nun zu ihnen gestoßen. Besonders Letztere war ein Bildnis des erlebten Schreckens. Blass war sie, die getönte Brille hing ihr von einem Ohr und sie spitzte erschüttert die Lippen, als sie Levrier aufhalf. „Oh Gott, Anya! Was hat dir dieser Dämon bloß angetan!?“ „Mir geht es den Umständen entsprechend gut“, erwiderte Levrier kühl, „Anya Bauer hingegen hat sich ins Elysion zurückgezogen.“ „E-Elysion? W-wovon sprichst du? Bist du etwa Levrier!?“ Er nickte knapp. „Das Elysion ist eine Zuflucht zwischen der körperlichen und der Bewusstseinsebene, welche Anya Bauer sich zunutze gemacht hat. Dort können die meinen mit den euren in Kontakt treten, selbst wenn kein Pakt geschaffen wurde.“ Levrier neigte den Kopf zur Seite und betrachtete Valerie Redfield, die immer noch dort lag und sich die Seele aus dem Leib weinte. „Doch für Erklärungen ist auch später noch Zeit. Wir sollten von hier verschwinden, ehe der Täuschungszauber um den Park schwindet und man von der Zerstörung Notiz nimmt.“ Abigail Masters zuckte zusammen, als Levrier ihr dabei wieder in die grauen Augen blickte. Furcht spiegelte sich in ihnen wieder. „O-ok! Die heilige Joan hat uns von dem Zauber berichtet. Sie war es, die euren Kampf bemerkt hat.“ Ihr Blick wanderte zum Krater. „I-Ist … ist Marc wirklich … tot?“ „In der Tat.“ Sie legte betroffen die Hände auf ihre Brust. „Oh Gott, wie furchtbar! Das ist so schrecklich! Hat … Hat er euch wirklich angegriffen?“ Levrier nickte. „Auch das ist korrekt. Allerdings hat sein Gewissen ihn daran gehindert, es zu einem Ende zu bringen. Er hat Anya Bauer provoziert, ihn zu besiegen, damit er nicht mit seiner Schuld leben muss. Ich denke …“ Er schüttelte schließlich den Kopf, denn es gab Dinge, die er besser nicht aussprechen sollte. „Nein, schon gut. Wir sollten gehen! Ich muss mich darauf konzentrieren, Anya Bauers Wunden zu heilen!“ Wortlos nickte sein Gegenüber und bot sich als Stütze an. Derweil war Nick zur bereits pitschnassen Valerie gegangen und legte ihr vorsichtig eine Hand auf den Kopf, streichelte sie. Doch sie schreckte auf und schlug seine Hand davon. „Lass mich in Ruhe!“ „Wir müssen doch gehen“, meinte Nick hilflos und blinzelte verdutzt. „Mir doch egal! Geht, verschwindet, ihr alle! Ich will niemanden mehr sehen! Geht!“ Erschrocken von ihrem Ausbruch, wich Nick einen Schritt zurück und musterte das Mädchen in ihrem hellblauen Kostüm mitfühlend. Dann drehte er sich wortlos um und folgte seinen Freunden, half Abby dabei, Anya zu stützen.   Valerie hingegen starrte in den grauen Himmel. Die Tränen auf ihrem Gesicht hatten sich mit den Regentropfen vermischt. Sie fror und fühlte innerlich leer, stand neben sich und kam sich dennoch gleichzeitig wie eine Tote vor. Sie hatte ihren Verlobten verloren … durch Anyas Hand. Ausgerechnet durch sie! Obwohl sie immer von sich behauptet hatte, selbst etwas für Marc zu empfinden! Wie hatte sie das nur tun können!? Wie hatte sie sich nur auf dieses Duell einlassen können!? Völlig gleich, ob ein Dämon im Spiel war, oder nicht, das würde sie ihr nie verzeihen können! Anya war eine Mörderin! Sie schlang ihre Arme um den Oberkörper, ließ den Kopf hängen und weinte stille, bittere Tränen. Valerie, höre mich. Womöglich bin ich imstande, dir Trost zu schenken.   „Joan?“ Erschrocken sah das Mädchen wieder auf. Unter all den grauen Wolken trat der Mond hervor. Sein helles Licht spendete ihr jedoch keinen Trost. Wie wollte die Heilige Johanna das können?   Du musst einen ganz bestimmten Ort aufsuchen. Dort wirst du finden, was du am meisten begehrst ...   Und als Jeanne D'Arc ihre Ausführungen beendet hatte, erhob Valerie sich mit gefestigter Miene, drehte sich um und verließ den Park durch das Haupttor. Mit einem Entschluss, von dem sie niemals gedacht hatte, dass sie ihn jemals treffen würde …     Turn 15 – Aftermath Nach Marcs Tod ist Anya vollkommen verändert. Sie geht ihren Freunden aus dem Weg, spricht mit niemandem und ist feindseliger denn je. Abby, die das alles mit großer Sorge beobachtet, will ihrer Freundin beistehen, so wie Anya ihr zuvor beigestanden hatte. Um deren Herz zu öffnen, provoziert sie sie solange, bis Anya einem Duell zustimmt. Doch die missversteht Abbys guten Willen als weiteren Versuch, ihr das Leben zu nehmen und nutzt unbewusst Levriers Kräfte, um Abby zu verletzten. Die wird vor eine schwere Wahl gestellt … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)