Stolen Dreams Ⅳ von Yukito ================================================================================ 3. Kapitel ---------- „Andrej, hast du von der neuen Ware gehört?“ „Nein. Mein letzter Besuch liegt fast ein Jahr zurück. Außerdem habe ich Wichtigeres zu tun als zu überprüfen, was gerade so im Angebot ist.“ „Dann lass es mich dir erzählen. Vor wenigen Stunden wurde eine ganze Schulklasse hierher transportiert. Deutsch, jung, unverbraucht – nur das Beste vom Besten halt.“ „Eine ganze Klasse? So etwas muss doch risikoreich sein.“ „Ist es auch, aber wenn man genug Macht und das nötige Kleingeld hat, die Medien zum Schweigen zu bringen, lässt sich das machen. Allerdings ist so eine Schulklasse eher selten; es kommt höchstens einmal im Jahr vor, dass man sich einen ganzen Bus voller Schüler schnappt, anstatt einzelne herauszupicken... aber so kann man wenigstens sichergehen, dass man größtenteils Jungfrauen erwischt und nicht irgendwelche dreckigen Straßenkinder, die schon unzählige Male benutzt wurden.“ Viktor warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. „Es ist gleich so weit. Wollen wir gehen?“, fragte er. Andrej nickte und setzte sich gemeinsam mit seinem blonden Freund in Bewegung. Die beiden gingen durch einen langen Flur, ehe sie eine große Halle erreichten, in der sich viele Stühle für die Zuschauer und eine große Bühne befanden. Letztere wurde hinter einem dunkelroten Vorhang verborgen, der jeden Moment nach oben gezogen werden würde, um die ''Ware'' zu zeigen. Viktor musste schmunzeln. War es moralisch verwerflich, Menschen aus Ware zu bezeichnen? Wahrscheinlich schon. Interessierte ihn das? Nicht im Geringsten. Wenige Minuten nachdem er und Andrej auf zwei Stühlen in einer der hinteren Reihen Platz genommen hatten, betrat ein Mann die Bühne und rasselte die Einleitung für die kommende Auktion herunter. Kurz daraufhin wurden die schweren Vorhänge nach oben gezogen und die Jugendlichen gezeigt. Neugierig ließ Viktor seine grünen Augen über die ''Ware'' schweifen. Von links nach rechts betrachtete er jeden Sklaven kurz, doch leider musste er feststellen, dass keiner von ihnen sein Interesse weckte. Falsches Geschlecht, zu jung, zu alt, einfach nicht ansprechend – es war nichts Passendes dabei. Ein Sexsklave war nichts, das man sich nach langem Überlegen kaufte; man musste schon beim ersten Anblick wie gefesselt von dem Sklaven sein, sonst war damit zu rechnen, dass man nach dem Kauf Gefallen an der Errungenschaft verlor. Viktor wollte Andrej gerade sagen, dass diese Auktion für die Katz sei, als er bemerkte, dass die eisblauen Augen seines Freundes auf eine bestimmte Person gerichtet waren. Viktor folgte seinem Blick und blieb bei einem Jungen mit hellbraunen Haaren und goldbraunen Augen hängen. Der Kleine war wirklich sehr hübsch, das musste Viktor zugeben, aber wegen seinem Äußeren würden viele für ihn bieten und Viktor hatte keine Lust, ungewöhnlich viel Geld auszugeben, nur um am Ende festzustellen, dass jener Sklave doch nicht der richtige war. Das Erste, was er tat, nachdem der Zuchtmeister endlich seine langweilige Rede beendet hatte, war, zu einem der Tische zu gehen und sich am Sekt zu bedienen. Er nahm ein zweites Glas, um es Andrej zu bringen, doch dieser saß nicht mehr auf seinen Platz, sondern steuerte geradewegs auf die Bühne zu. Okay, das kam jetzt unerwartet. Ich habe ja gewusst, dass er eine Schwäche für rebellische Knaben besitzt, die sich nichts gefallen lassen, aber trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet, dass... ach, was soll's. Viktor folgte seinem Freund und gesellte sich zu ihm. „Da bist du ja“, sagte er und drückte ihm das Glas in die Hand. „Ich hätte nicht gedacht, dass du dir auch mal einen Sklaven zulegst, Andrej.“ Angesprochener zuckte bloß mit den breiten Schultern und nippte an seinem Glas. „Ich habe bis jetzt nichts Passendes gefunden. Aber vielleicht taugt der hier was.“ Nachdem die Auktion zu Ende war, wollte Viktor eigentlich nach Hause gehen, doch in einem der Korridore traf er auf ein bekanntes Gesicht. „Marius“, begrüßte er den Italiener, den er überall wiedererkennen würde. Marius war schon über fünfzig Jahre alt, hatte braune Augen und schwarze Haare, die so fettig waren, dass man denken könnte, er würde Angst vor Shampoo haben. „Viktor“, erwiderte er grinsend, wobei seine weißen Zähne zum Vorschein kamen. „Was machst du hier?“ „Nichts Besonderes; war mit 'nem Freund hier. Und du?“ „Nun, wie du vielleicht weißt, kehre ich morgen nach Italien zurück. Ich wollt' mir ein kleines Andenken mitnehmen, um ihn eventuell 'nem Verwandten zu schenken, aber irgendwie... werde ich nicht fündig. Ich brauche einen Knaben, welcher der italienischen Sprache mächtig ist.“ „Verstehe... nun, glücklicherweise bin ich mit dem Besitzer dieses Clubs befreundet; ich werde sehen, was sich machen lässt.“ Wie ein kleines Kind grinsend, dem man eine große Torte versprochen hatte, folgte Marius dem Russen, der zielstrebig zu einem Büro marschierte. Viktor begrüßte seinen Freund, lenkte das Gespräch nach einigen Floskeln auf Marius' Anfrage und bekam eine zufriedenstellende Antwort. „Tatsächlich ist mir zu Ohren gekommen, dass sich unter den entführten Schülern zwei Stück mit guten Fremdsprachenkenntnissen befinden“, antwortete der Besitzer des Clubs, der ein unansehnlicher und fetter Mann war, den niemand anfassen, aber jeder als sein Geschäftspartner haben wollten. „Wir haben die beiden Jungs von den anderen getrennt und sie in einen separaten Raum befördert. Eigentlich wollte ich sie erst in ein paar Tagen verkaufen, aber es ist gut, dass du jemanden gefunden hast, der besonderes Interesse an ihnen – oder vielleicht auch nur einen von ihnen – besitzt.“ Kurz daraufhin wurden Marius und Viktor zu jenem Raum geführt. Hinter der abgeschlossenen Tür, die nun geöffnet wurde, waren zwei Jugendliche verborgen, welche die Erwachsenen unsicher ansahen und sich zuvor leise flüsternd miteinander unterhalten hatten. Der eine hatte einen sportlichen und durchschnittlich großen Körper, braune Haare und große blaue Augen, die Viktor nicht sehr ansprechend fand. Er war mehr der Fan von dunklen Augen, weil sie meistens warm und sanft wirkten. Der andere Junge schien eher unscheinbar und unauffällig zu sein. Mal davon abgesehen, dass er einen hageren und unsportlich wirkenden Körper besaß, sah er wie der Durchschnitt vom Durchschnitt aus: Er war nicht so hübsch, dass man sich nach ihm umdrehen würde, aber auch nicht so hässlich, dass man bei seinem Anblick angewidert die Nase rümpfen müsste. Seine Augen waren langweilig braun – nicht haselnussbraun, strahlend hellbraun, mysteriös dunkelbraun oder rehbraun, sondern einfach nur braun – und seine kurzen Haare hatten die gleiche Farbe. Obwohl der Junge so ungewöhnlich und uninteressant war, dass Viktor ihn beinahe übersehen hätte, spürte der Russe, dass der Knabe eine gewisse Neugierige in ihm weckte. Zögernd ging er auf ihn zu und wollte gerade sein Kinn anheben, um ihn sich besser ansehen zu können, als der Mann, der sie zu den Raum geführt hatte, warnend räusperte. „Sorry“, murmelte Viktor und ging einige Schritte zurück. Er hatte ganz vergessen, dass er die Ware nicht anfassen durfte. Darüber nachdenkend, was an dem Jungen so interessant war, drehte er sich zu Marius um und erkannte, dass dieser anscheinend Gefallen an dem Schüler mit den blauen Augen gefunden hatte, von denen Viktor so abgeneigt war. „Kannst du Italienisch sprechen?“, fragte er ihn. Der Junge nickte schüchtern und schob ein kleines „Sì“ hinterher. „Sehr schön!“ Marius klatsche begeistert in die Hände und bedankte sich bei Viktor, der sich verabschiedete und beschloss, nach Andrej zu suchen. Als er ihn fand, war Andrej gerade damit beschäftigt, seine neuste Errungenschaft – er hatte sich den hübschen Sklaven tatsächlich gekauft – zu rügen. Als er seinen Freund erblickte, ließ er den Jungen jedoch links liegen, um seine Aufmerksamkeit auf Viktor lenken zu können. „Er sieht ziemlich mitgenommen aus“, sagte der Blonde und deutete auf den Sklaven. „Fast schon traumatisiert.“ „Ja, das glaube ich auch“, erwiderte Andrej gelassen. „Dann... Hättest du nichts dagegen, wenn ich ihn mir kurz ausleihe?“ „Doch, das hätte ich. Es sei denn, Sascha möchte noch einmal erfahren, was passiert, wenn man meine Befehle missachtet.“ „Nein“, wimmerte Sascha eingeschüchtert. „Na, dann hätten wir das ja geklärt“, sagte Andrej und tätschelte dem Jungen den Kopf, was ihm überhaupt nicht zu gefallen schien. Sascha sah wütend und ängstlich zugleich aus, doch seine Angst war anscheinend stärker als seine Wut, weil er sich sonst gewehrt hätte. Viktor ließ sich auf einem freien Sessel nieder, da er keine Lust hatte, sich die Beine in den Bauch zu stehen. Während er sich ein wenig mit Andrej unterhielt, betrachtete er dessen Sklaven neugierig und fragte sich, wie er sein Spielzeug behandeln würde, wenn er denn eins hätte. Eigentlich gibt es nur zwei Wege: Entweder man geht rücksichtsvoll mit der anderen Person um und hofft, dass sie sich irgendwann zu sexuellen Handlungen breit erklärt, oder man setzt seinen eigenen Willen durch und muss damit rechnen, dass der Sklave sich früher oder später das Leben nimmt. Ich für meinen Teil finde beide Möglichkeiten gleichermaßen abstoßend. Warum gibt es keinen Mittelweg? Und dann kam ihm eine Idee, die ihn zu dem unscheinbaren Jungen zurückführte. Ich könnte nach diesem Mittelweg suchen. Einen Sklaven, der mich interessiert, gibt es ja schon, und dass er über gute Fremdsprachenkenntnisse verfügt, macht ihn sogar noch besser. Misha hatte Angst. Er war von Hannah getrennt und gemeinsam mit Fabian in einen anderen Raum gebracht worden, der ebenfalls keine Fenster oder Möbel besaß. Nach einiger Zeit waren zwei Männer gekommen; der eine hatte die Jugendlichen begafft und der andere hatte Fabian mitgenommen. Misha hatte verstanden, was die beiden Erwachsenen gesagt hatten, doch er war vor Furcht nicht in der Lage gewesen, auch nur den leisesten Mucks von sich zu geben. Und nun war er schon wieder alleine. Fabian befand sich allem Anschein nach in den Händen des Mannes mit den ungewöhnlich fettigen Haaren und Misha hatte keinen blassen Schimmer, was er jetzt tun sollte. Ihm waren wortwörtlich die Hände gebunden und dieses Gefühl von Machtlosigkeit ärgerte ihn. Er fragte sich, was Hannah gerade machte. War sie schon verkauft worden? Oder wartete sie in einem der Räume auf Misha und hoffte, dass er sich beeilen würde, um sie beide zu befreien? Ich kann hier nicht so tatenlos herumsitzen. Wie sich herausstellte, konnte Misha das sehr wohl. Er hatte sogar gar keine andere Wahl, was seine Laune nicht im Geringsten besserte. Plötzlich wurde die Tür erneut geöffnet und der blonde Mann, den Misha schon vorhin gesehen hatte, trat ein. Er kam auf den Jungen zu, betrachtete ihn nachdenklich und nickte dann entschlossen. Bevor Misha darüber nachdenken konnte, was diese Geste bedeuten könnte und an wen sie gerichtet war, wurde ihm ein feuchtes Tuch auf Mund und Nase gepresst. Er verlor das Bewusstsein, ehe er es eine unbekannte Anzahl von Minuten zurückerlangte und sich in einem fremden Haus wiederfand. Jemand hatte ihm die Handschellen abgenommen. „Schön dass du endlich aufgewacht bist“, sagte der blonde Russe, der in einem Sessel saß, während Misha auf der Couch lag. Anstatt etwas Sinnvolles zu erwidern, sah der Dunkelhaarige sich in dem Zimmer um und stellte fest, dass es ein gewöhnliches Wohnzimmer war. Im Kamin, das einige Meter von dem Sofa entfernt war, loderte ein kleines Feuer und an den Wänden hingen einige Rahmen mit Fotos, Bildern und Zeitungsausschnitten. „Ich bin Viktor“, fuhr der Ältere fort. „Und wie heißt du?“ „Misha“, antwortete der Junge, der sich wunderte, beim Sprechen weder stottern noch stammeln zu müssen. Einen Satz, der aus wenigen Silben bestand, konnte er vor Fremden aussprechen – auch wenn er nur in Ausnahmesituationen freiwillig den Mund aufmachte – aber alles, was darüber hinausragte, war zu viel verlangt. Ratlos sah er Viktor an und hoffte, dass dieser seine Gedanken lesen und die unausgesprochenen Fragen beantworten würde, doch der Russe schwieg ebenfalls. „Haben Sie... mich gekauft?“, fragte Misha schließlich und gab sich Mühe, deutlich und verständlich zu sprechen, was einfacher als gesagt war, weil Mishas Gedanken wie eine Schar aufgeschreckter Vögel umherkreisten und viel zu schnell für seine Zunge waren. „Ja, du bist jetzt mein Eigentum. Ich verspreche dir, dass ich dich nicht vergewaltigen werde, aber als Gegenzug erwarte ich, dass du keine Dummheiten begehst. Das heißt: Du wirst keinen Fluchtversuch wagen und das tun, was ich dir sage. Hast du das verstanden oder muss ich dir erst eine Tracht Prügel verpassen, damit wir uns einig werden?“ „Passt schon.“ Viktor nickte und erhob sich von seinem Sessel. Mit gemächlichen Schritten verschwand er in einem benachbarten Zimmer, das vermutlich ein Büro war, wie Misha sehen konnte, als er sich nach vorne lehnte und einen flüchtigen Blick durch die bloß einen dünnen Spalt breit geöffnete Tür warf. Zögernd stand er vom Sofa auf und begann, sich im Haus umzusehen. Jetzt nach einem Ausgang zu suchen und nach draußen auf die Straße zu rennen, war das mit Abstand Dümmste, was er tun könnte, weil Viktor mit einem Fluchtversuch rechnen, ihn sofort wieder nach drinnen holen und anschließend verprügeln würde, worauf Misha getrost verzichten konnte. Während er vorsichtig durch das Haus tappte, saß Viktor in seinem Büro und führte ein Telefonat mit Sophia, die eine Freundin von ihm war. „Ich glaube, du hast ein Problem. Hier in Kostroma sind Menschen, die nach dir suchen.“ „Dann lass sie suchen“, entgegnete Viktor unbeeindruckt. „Hast du mal die Entfernung von Kostroma nach Sankt Petersburg berechnet? Warum sollte es mich interessieren, wenn hunderte von Kilometer entfernt ein paar Spinner nach mir suchen?“ „Wie du meinst. Aber beschwer dich hinterher nicht bei mir, wenn dir etwas zustößt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)