Der König von Kalaß von Elnaro ================================================================================ Kapitel 22: Es lebe der König II -------------------------------- Das Königreich Yoken ist indes ebenfalls in einer Umbruchphase. Kronprinzessin Yasane hat ziemliche Schwierigkeiten mit dem Tod ihrer Eltern umzugehen und soll in diesem Zustand die Regierung über das Land übernehmen. All ihre direkten Vertrauens- und Bezugspersonen sind bei dem Terroranschlag ums Leben gekommen, so wie auch ihre Freundin, das Dienstmädchen Ida. Yasane erleidet einen extremen Verlust und muss sich gleichzeitig innerhalb kürzester Zeit vom Mädchen zur Frau und von einem völlig verwöhnten Prinzesschen zu einer weitsichtigen Herrscherin entwickeln. Einige Regierungsgeschäfte sind wochenlang lahm gelegt, da es an kompetenten Führungskräften mangelt. Viele am Hof verspüren eine Unfähigkeit zu trauern, Yasane selbst jedoch nicht. Oft sitzt sie abends allein in ihrem Zimmer und weint. Der einzige, den sie emotional an sich heran lässt und der ihr noch Trost spenden kann, ist Hendryk, der als ihr Berater fungiert. Er steht ihr näher als alle anderen im Schloss und ist immer da, wenn sie mit jemanden reden möchte. Ihm erzählt sie einen Teil ihrer Sorgen, von dem Druck, den sie auf sich spürt und ihren Ängsten die Erwartungen des Hofstaates und des ganzen Landes nicht erfüllen zu können. Er selbst hat zwar noch nie jemanden verloren, der ihm nahe stand, doch versteht er sich, durch seine Kindheitserfahrung mit Kara, hervorragend aufs Trösten. Manche Dinge kann Yasane aber auch Hendryk nicht erzählen. Sie schämt sich sehr auf den undurchsichtigen Unbekannten Aurel herein gefallen zu sein und gibt sich deshalb die Schuld am Tod ihrer Eltern. Aus Verzweiflung Hendryk nicht haben zu können, hat sie sich dem erst Besten an den Hals geworfen. Sie hat ihre Gefühle für ihn auf einen Fremden projiziert. Das glaubt sie jedenfalls über sich. Etwa einen Monat nach dem schrecklichen Vorfall sitzen alle Berater in einer Versammlung im großen Saal zusammen. Roshea wird zu diesem Zeitpunkt immer noch von Königin Estell regiert. Yasane hat heute einen ganz besonders schlechten Tag, an dem sie alles anzweifelt und sich am liebsten verkriechen und einfach alles hinschmeißen will. In dunklen Gedanken versunken, kann sie sich nicht auf die Konferenz konzentrieren und hört so gut wie gar nicht zu. General Tshuras, der alles glücklicherweise überlebt hat, leitet die Beratung. Er ist schon beim dritten Tagesordnungspunkt und benötigt jetzt eine Entscheidung von ihr. „Königliche Hoheit, was sagt Ihr dazu? Hoheit?“ Sie reagiert überhaupt nicht. Dumpf erklingt der neuerliche Aufruf wie ein Donnern im Kronleuchter über ihr wider: „Yasane!“ Endlich schreckt sie hoch. „Was? Ja, nein. Machen Sie es so, wie Sie gesagt haben, General.“ Tshuras mag streng sein, aber seinen Schützling vorführen will er nicht, deshalb wiederholt er seine Frage geduldig: „Ihr möchtet also, dass wir Kalaß mit Lebensmitteln unterstützen sollten, obwohl unsere eigenen Vorratskammern nicht gerade üppig gefüllt sind?“ Yasane antwortet überfordert: „Ach so, ja na klar werden sie unterstützt. Für so eine Entscheidung brauchen Sie mich doch nicht.“ General Tshuras macht den Beschluss fest und beendet die Beratung an diesem Punkt. Es hat mit Yasane heute einfach keinen Sinn. Er nimmt sie sich im Nebenraum zur Seite. „Yasane, das geht so nicht. Ich verstehe ja, dass es dir nicht gut geht, aber du musst in den Beratungen bei der Sache sein.“ Sie stammelt nur: „Lass mich in Ruhe, Tshuras!“ Unbeeindruckt spricht er weiter: „Außerdem brauchen wir wieder eine Königin. Schieb die Krönung nicht zu weit hinaus. Das macht die Menschen unruhig.“ Yasane bald die Hände zu Fäusten und schreit ungehalten: „Du bist so ein gefühlskalter Grobian! Yoken hat nur eine Königin und die heißt Mariella!“ Sie dreht sich weg. Anschreien wollte sie ihn nicht und beleidigen auch nicht. Es tut ihr jetzt schon leid. Leise fügt sie hinzu: „Vielleicht ist es das Beste, wenn ich die Königswürde abtrete. Sicher gibt es noch hundert Kandidaten, die es besser machen würden als ich.“ Sie stürzt los, hinaus aus dem Raum und quer durch den großen Saal, in dem auch Hendryk sitzt, der in seiner neuen Position als Kanzler, Yasanes erstem persönlichen Berater, an der Konferenz teilgenommen hat. Tshuras läuft ihr ein kleines Stück nach. Hendryk nimmt Augenkontakt mit ihm auf und deutet dezent mit seinem Kopf in die Richtung, in die Yasane gerade getürmt ist. Tshuras gibt ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er ihr folgen darf. Der junge und unerfahrene Kanzler hat den Respekt des Generals verdient, auch wenn die beiden nach wie vor nicht die besten Freunde sind. General Tshuras weiß, dass nur dieser junge Mann noch Zugang zur Prinzessin hat, wenn es ihr so schlecht geht wie heute. Hendryk läuft ihr nach und klopft an ihrer Zimmertür. Obwohl sie nicht antwortet, tritt er trotzdem ein. Eigentlich respektiert er ihren Wunsch nach Einsamkeit und Privatsphäre, doch diesmal hat sie es etwas zu weit getrieben, als sie die Konferenz so einfach platzen ließ. Sie sitzt mit dem Rücken zu ihm gewandt auf ihrem Bett und schaut zum Fenster hinaus. Es ist ein trost- und schneeloser Februartag. Ihr Zimmer ist ein wenig unaufgeräumt und schmuddelig, denn seit Ida weg ist, lässt sie keine Bediensteten mehr hinein. Ohne ein Wort schließt er die Tür und stellt sich neben sie. Er sagt nichts und wartet, bis sie von sich aus das Wort an ihn richtet. Es dauert einige Zeit bis sie das Schweigen bricht. „Ich hasse den Winter, wenn kein Schnee fällt. Er ist kalt und alles sieht so grau und lebensfeindlich aus. Ich frage mich...ob wohl auf diesen Winter überhaupt noch ein Frühling folgen wird? ...Ich zweifle daran, so wie ich alles anzweifle, was einst selbstverständlich war. Wer soll die Blumen zum Erblühen bringen? Wer soll die Bäume zum Austreiben bewegen? Wer die Vögel zum Singen animieren? Das ist doch alles viel zu anstrengend. Wäre es nicht einfacher, wenn alles so bleiben würde wie es ist? Wenn alles für immer im tristen Grau versinken würde?“ Hendryk geht einen Schritt näher an sie heran und steht nun vor der sitzenden Prinzessin. Sie sieht traurig zu ihm hoch und er erwidert ihren Blick. Er legt seine Hand auf ihre Schulter und sie lehnt darauf ihren Kopf sanft an seinen Arm heran. Wieder einmal fängt sie an zu weinen und schluchzt: „Es ist alles meine Schuld, Hen, alles nur meine Schuld. Du hattest mich vor ihm gewarnt und ich habe dir nicht zugehört.“ Er schüttelt den Kopf. „Es ist nicht deine Schuld. Niemand hat das kommen sehen, die Wachen nicht, deine Eltern nicht und auch ich nicht. Die Schuld liegt einzig und allein bei Aurel, wenn das überhaupt sein Name war.“ „Dann glaubst DU es vielleicht nicht, aber alle anderen tun es. Ich merke doch wie sie mich ansehen, wie sie mich verurteilen.“ schließt sie, doch Hendryk blickt sie sanft an und erläutert verständnisvoll: „Das stimmt nicht, Yasane. Sie sehen zu dir, weil sie deine Führung brauchen. Du hältst das Königreich zusammen. Niemand erwartet, dass du dich schon krönen lässt, doch Yoken braucht eine Anführerin, Yoken braucht dich.“ Yasane berührt sanft Hendryks Bein mit ihrem schlaff auf dem Bett liegenden Arm und widerspricht leise: „Doch, Tshuras verlangt, dass ich mich umgehend krönen lasse, aber ich bin noch nicht so weit. Ich weiß nicht, ob ich es jemals bin.“ „Dann werde ich mit ihm reden.“ entgegnet Hendryk sanft. Sie flüstert leise: „Danke.“ Er bleibt noch einen Moment so stehen, dann lässt er Yasane wieder allein. Sie hat sich für Hendryk schon vor dem Verlust ihrer Eltern interessiert, ihn schweren Herzens jedoch aufgrund seiner bescheidenen Herkunft aufgegeben. Durch seine Unterstützung bei der Führung des Landes und seinen seelischen Beistand, hat sie sich jetzt jedoch Hals über Kopf in ihn verliebt. Sie kann sich ihren Gefühlen nicht mehr erwehren. Dafür hat sie neben all dem anderen Stress einfach keine Kraft mehr. Es wird Frühling in Altera und die Tage werden wieder länger und heller. Yasane erholt sich ganz langsam. Hendryk geht inzwischen oft im Hof trainieren, damit er nicht aus der Übung kommt, wobei Yasane ihn beobachtet, was seinen scharfen Sinnen nicht entgeht, ihn aber auch nicht weiter stört. Er tut so, als würde er es nicht bemerken. Er hat kein Interesse daran es anzusprechen und ein peinliches Gespräch damit heraufzubeschwören. Ein weiteres viertel Jahr später hat sie den größten Teil ihrer Trauer überwunden. Dank Hendryk gibt sie sich nicht mehr die Schuld am Tod ihrer Eltern. Er selbst und sein Verhalten am Hof haben sich ebenfalls deutlich gebessert. Er weiß jetzt wie er mit allen zu sprechen hat, auch wenn er es nicht immer umsetzt. Innerhalb kürzester Zeit hat er sich in diverse Regierungsaufgaben eingearbeitet, um Yasane bestmöglich beistehen zu können. Sie will ihren Kanzler Hendryk bei jeder Beratung dabei haben, egal ob er mit dem Ressort vertraut ist, oder nicht. Bereits beim zweiten Treffen, die zu Themen stattfinden, die ihm vorher unbekannt waren, bereitet er sich so gut vor, dass er die überforderte Yasane zumindest beratend unterstützen kann. Damit hat er sich Respekt am Hof verdient, denn seine Auffassungsgabe ist überdurchschnittlich, ob wohl er früher nur ein sehr mittelmäßiger Schüler war. Sein etwas schroffer Umgangston wird ihm daher auch nachgesehen. Yasane musste ihr Verhalten ebenfalls anpassen. Sie ist mittlerweile in der Lage komplexe Entscheidungen zu fällen, die sie früher nicht einmal verstanden hätte. Sehr viel stärker als zuvor nimmt sie sich jetzt ein Beispiel an ihrer immer schönen, anmutigen und klugen Mutter. Der Versuch sich wie sie in Zurückhaltung zu üben, ist allerdings kläglich gescheitert, weshalb Yasane es aufgegeben hat ihrem Vorbild wahrhaftig vollständig nachzueifern. Das entspricht auch einfach nicht ihrem Gemüt und sie verbiegt sich so schon genug, um den Ansprüchen wenigstens einigermaßen gerecht zu werden. Auf ihren eigenen Wunsch hin hat sie sich immer noch nicht zur Königin krönen lassen. Sie fühlt sich einfach noch nicht bereit für diesen Schritt, wenngleich sie die Regierungsgeschäfte, selbstverständlich mithilfe ihrer Berater, bereits vollständig leitet. Die Sommer in Yoken sind nicht so heiß wie jene in Kalaß, sondern zumeist sehr angenehm, allerdings regnet es in der Hauptstadt Deskend häufig, da das südlich und westlich angrenzende Hagralgebirge die Wolken anstaut, die aus dem Norden heranziehen. Der positive Effekt ist, dass die Vegetation mit reichlich Wasser beliefert wird und die ganze Gegend in ein reizvolles Grün taucht. Hendryk ist ab und zu schon in der Gegend wandern gewesen und genießt die frische Bergluft sehr. Er fühlt sich wohl in Deskend, wenn er seine beste Freundin Kara und seinen Freund Nico auch manchmal sehr vermisst. In Briefen tauschen sie sich über den politischen Stand aus. Für private Post ist meist jedoch nur wenig Platz. Wie fast jeden Tag erholen sich Prinzessin Yasane und ihr Kanzler Hendryk nach einem harten Tag abends im Innenhof des Schlosses. Das ist für sie einfach zur Gewohnheit geworden. Es ist schon recht spät und die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Da es eine der ersten richtig lauen Nächte des Jahres zu werden scheint, hat Hendryk sich ein luftiges, weit ausgeschnittenes Shirts angezogen und Yasane trägt ein schulterfreies, kurzes Kleid. Er ist schon vorgegangen und setzt sich gerade auf eine der Bänke. Er beobachtet die sich verändernde Färbung des Gartens im Licht der untergehenden Sonne, die nach einem harten Tag seine Sinne entspannt. Yasane hat allerdings nicht vor sich zu entspannen. Vielmehr hat sie sich an diesem Abend vorgenommen endlich reinen Tisch mit ihm zu machen. Auch wenn sie sich ihrer Gefühle schon seit Monaten voll bewusst ist, so ist sie sich immer noch nicht sicher wie Hendryk zu ihr steht. Er hat bisher nicht den geringsten Annäherungsversuch bei ihr unternommen, der über bloße Trauerbewältigung hinaus ging. Sie beobachtet ihn schon aus der Ferne. Sie findet, dass er im Laufe des reichlichen letzten halben Jahres noch sehr viel hübscher und männlicher geworden ist. Sie bemerkt das neue Shirt, das sie aufgrund seiner Offenheit kribbelig macht. Es ist ihr etwas peinlich, aber sie steht total auf Hendryks muskulösen Körper. Schon lange stellt sie sich vor wie es sich wohl anfühlen würde seine Arm-, Brust- oder wahlweise auch Bauchmuskeln anzufassen, doch sie hat immer den Abstand gehalten, der sich für eine Frau ihres Ranges geziemt. Sie schaut an sich herab und findet sich selbst in ihrem neuen Kleid durchaus reizvoll. Das ist bei ihrem großen Ausschnitt aber eigentlich auch kein Wunder. Sie glaubt es sei offensichtlich, was sie vor hat und das ist auch gut so. Mit dem Gedanken „Jetzt oder nie“ ringt sich endlich durch zu ihrem Schwarm zu gehen und sich neben ihn zu setzen, was heute viel aufregender ist als sonst. Er empfängt sie mit einem gewohnt freundlichen Lächeln. Das aufreizende Kleid scheint ihn nicht zu beeindrucken, denn er hat ihr nur in ihr Gesicht geschaut. Sie hat das Gefühl, dass er mit seinen bohrenden eisblauen Augen direkt in ihre Seele sehen kann, doch wenn er es wirklich könnte, müsste sie sich heute nicht erklären. Nach der Begrüßung stellt sie ohne große Umschweife eine Frage, die sie schon lange beschäftigt, sich aber noch niemals getraut hat zu stellen. Sie beginnt den Satz im Singsang, spricht aber dann normal und interessiert weiter: „Hen~, sag mal.~ Was ich dich schon immer fragen wollte. Wieso hast du eigentlich lange Haare, wenn du sie sowieso immer nur am Hinterkopf zum Dutt bindest?“ Sie sieht sehnsüchtig zu Hendryks Zopf, der im roten Licht der untergehenden Sonne violett schimmert. Für sie unerwartet reagiert er etwas verunsichert. „Wieso? Gefallen sie dir nicht? Soll ...soll ich sie abschneiden?“ Yasane lacht laut auf. Mit dieser Antwort hat sie beim besten Willen nicht gerechnet, sondern eher mit einer mehr oder weniger tiefsinnigen Begründung, vielleicht aber auch mit Verärgerung. „NEIN! Du sollst sie doch nicht abschneiden. Du denkst viel zu pragmatisch. Im Gegenteil, du sollst sie offen tragen, wenigstens einmal für mich.“ Hendryk verschränkt die Arme und lehnt sich nach hinten. „Vergiss es, da Schneid ich sie mir doch lieber ab.“ Yasane hüpft im Sitzen ungeduldig auf der Stelle herum. „Ach komm schon, bitte. Ich weiß ja nicht mal genau wie lang sie überhaupt sind.“ Hendryk löst die Verschränkung seiner Arme, zeigt mit seinen beiden Händen einen Abstand von etwa dreißig Zentimetern und fügt hinzu: „Etwa so.“ Sie schubst ihn an seiner Schulter, während sie versucht mit der anderen an seinen Zopf zu gelangen, um ihn wenigstens zu lockern. Gegen den kampferprobten Hendryk hat sie damit aber wenig Aussicht auf Erfolg. Noch bevor sie überhaupt in die Nähe seines Kopfes gekommen ist, hat er ihre Hand schon am Handgelenk gepackt. Er grinst sie an: „Netter Versuch Kleines, aber keine Chance. Du bist zu langsam für mich.“ Die Beiden sind sich dabei ziemlich nah gekommen, näher als jemals zuvor und Yasane schießt das Blut in den Kopf. Etwas verlegen und schmollend fragt sie: „Und wenn ich es dir Befehle?“ Er lässt ihr Handgelenk wieder los. „Dann muss ich wohl wegen Befehlsverweigerung ins Gefängnis.“ So ein Sturkopf. Sie schmollt wieder, denkt eine Weile nach und dann lacht sie ins Leere, weil sie auf eine Idee gekommen ist. Schnell fasst sie sich wieder. Hendryk hat unterdessen belustigt zu ihr geschaut und sie beobachtet. Manchmal, da kann er sie lesen wie ein offenes Buch, jetzt gerade zum Beispiel und es ist urkomisch. Er muss in sich hinein lachen, weil er schon weiß, dass sie sich etwas ausgeheckt hat, deshalb stellt er sich bereits auf einen weiteren, wahrscheinlich gefährlicheren und kreativeren Angriff auf seinen Zopf ein. Für ihn jetzt unerwartet, wird ihr Gesichtsausdruck jedoch völlig ernst. Sie atmet schwer aus und nimmt eine angespannte Sitzposition ein. Er hat so etwas schon erlebt in den letzten Wochen. Manchmal, wenn sie gerade anfing ins Leben zurück zu finden und wieder Spaß zu haben, im Grunde also sie selbst zu werden, dann holte sie die harte Realität wieder ein, ganz so als würde sie es sich selbst nicht erlauben, glücklich zu sein. Heute ist das jedoch nicht der Grund, denn sie sammelt sich für ihr Vorhaben sein Herz zu gewinnen. Sie dreht sich zu ihm und beginnt mit dem schwierigen Thema: „Es gibt noch etwas, das ich dich fragen möchte. Um ehrlich zu sein ist es ein ganzer Berg an Fragen, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen.“ Hendryk ist sich jetzt ziemlich sicher, dass es nun um ihre Trauer oder ihre Rolle im Spiel des Lebens gehen wird. „Worum geht es denn?“ Die Frage zu stellen fällt ihr überaus schwer. Es ist ihr peinlich weiter zu sprechen, doch sie hat es sich vorgenommen und wird es jetzt auch durchziehen. „Ah, wo soll ich nur anfangen? Naja, kannst du dir vorstellen..., ich meine, würdest du..., nein... was hältst du davon wenn...“ Yasane wippt auf der Stelle hin und her und wird erneut knallrot. Sonst ist sie um keine Frage verlegen und ihm wird klar, dass ihr die Frage peinlich sein muss, weshalb er seine Hand auf ihre legt und diese Geste mit den Worten unterstreicht: „Ist schon gut. Ordne dich erstmal.“ Das findet sie gerade gar nicht so hilfreich...oder doch? Sie weiß es selbst nicht und versucht es weiter. „Sagen wir mal so, ich bin jetzt fast Königin und habe so einige Befugnisse erhalten. Naja, ... deshalb habe ich mir gedacht, ich könnte dich doch ... einfach in den Adelsstand erheben. Sowas darf ich nämlich.“ „In den Adelsstand? Mich? Wa- Wozu? Als Kanzler brauche ich sowas doch nicht. Meinst du das jetzt ernst?“ Das klingt so verrückt für ihn, dass er es für einen Scherz hält. Er nimmt seine Hand wieder von der Ihren. Die Sonne ist mittlerweile vollständig untergegangen und ein wunderschöner runder Vollmond lässt den Garten in silbrigem Licht glänzen. Es ist eine helle Nacht. Hendryk sieht, wie Yasanes ergriffene grüne Augen wie Edelsteine funkeln, als sie weiter stammelt: „Damit komme ich zum schwierigen Teil. Wie fragt man denn sowas?“ Sie schaut ihm direkt in seine eisblauen Augen und fragt dann frei heraus: „Möchtest du König werden?“ Hendryk ist wie gelähmt. Diese Frage beinhaltet so viel. Es geht nicht nur um seinen Stand und seine Verantwortung, sondern auch um ihre Gefühle. Seine Gedanken überschlagen sich und Yasane nutzt diesen kurzen Moment des Schocks aus, um ihm an den Hinterkopf zu fassen und seinen Zopf zu öffnen. Seine glatten mittelblauen Haare fallen ihm, im Mondschein glänzend, auf seine breiten Schultern. Yasane ist völlig überwältigt von diesem Anblick, weshalb ihr ein: „Wunderschön...“ herausrutscht. Die beiden sehen sich einen Moment lang in die Augen, bis Hendryk den Kopf senkt. Einige Haarsträhnen rutschen ihm dadurch von der Schulter und fallen nach vorn. Er hat den Eindruck sie spielt mit seinen Gefühlen und das macht ihn wütend. Er versteht nicht wie sie so grausam zu ihm sein kann. „Du hast das doch jetzt nicht alles nur gesagt, um...“ Yasane zuckt zusammen als sie seinen Gedankengang versteht. „Nein! Nein, das war mein voller Ernst.“ Sie streckt ihre Hand aus um ihn zu berühren, traut sich aber nicht. „Hen, ich habe mich in dich verliebt.“ Er schaut zu ihr auf, während er tief Luft holt . Ein milder Sommerwind streicht ihm durchs offene Haar, was er gar nicht leiden kann und er sieht sie traurig und auch ungläubig an, als er darauf entgegnet: „Bin ich nicht nur eine Schwärmerei für dich?“ Selten sieht Yasane so viele Emotionen in ihm. So stark er auch sonst immer tut, jetzt ist er zerbrechlich wie dünnes Eis. Sie begegnet seiner Vermutung mit Ehrlichkeit: „Darüber habe ich zugegebenermaßen auch schon nachgedacht. Gerade nach dem Erlebnis mit...“ Ihre Augen werden glasig. Sie versucht die Erinnerung abzuschütteln, um weiter sprechen zu können. „Auf jeden Fall bin ich mir ganz sicher. Bei dir war alles anders. Vom ersten Moment an fand ich dich toll und das hat sich immer weiter intensiviert. Ich habe dir das doch schon so oft gesagt, dass nur deine Herkunft nicht...ich sag mal adäquat war. Doch Hen, das ist jetzt völlig egal. Ich habe keine Kraft mehr mich dagegen zu wehren.“ Hendryk legt seine Stirn in Falten. Er sieht gequält aus. „Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. I-ich fühle mich geehrt. Yasane, versteh mich jetzt bitte nicht falsch, ich mag dich auch sehr, aber...“ Yasane bleibt das Herz stehen, denn sie merkt, dass er im Begriff ist sie zurück zu weisen. Sie atmet einige Male tief ein und wieder aus, damit sie nicht anfangen muss zu heulen. Ein trotziger Gedanke schiebt sich vor ihren Verstand, der die Tränen zurückhalt. „Es ist wegen Kara, nicht wahr? Du liebst sie noch.“ Hendryk schüttelt den Kopf, den er immer noch gesenkt hält. Sein langes Haar fliegt durch die Bewegung hin und her, was ihn sehr stört, deshalb streicht er es sich jetzt auf der einen Seite hinters Ohr. „Ach, so ein Quatsch. Sie ist glücklich mit Nico und das ist alles was ich mir für sie wünschen kann. Es ist-… Ich will jetzt nicht darüber reden.“ Hendryk verkrampft sich noch mehr, als er spricht. Die Prinzessin glaubt nicht, dass er sie bei sowas anlügen würde und das erleichtert sie ungemein und lässt den Trotz in ihr verschwinden, aber sie will jetzt nicht locker lassen. Wenn sie ihn jetzt gehen lässt, wird sie womöglich niemals erfahren wo sein Problem liegt, weil er sonst auch nicht über seine Gefühle spricht. Jetzt hat sie seinen weichen Kern erreicht, was so unglaublich selten ist, dass sie diese einmalige Gelegenheit für sich nutzen muss. Sie hat noch eine andere Idee woran es liegen könnte und bohrt recht unsensibel nach. „Hast du vielleicht Angst ich könnte dich auch für einen anderen verlassen, so wie Kara es getan hat?“ Hendryk antwortet diesmal nicht und das deutet sie als Zustimmung. „Das werde ich als Grund nicht akzeptieren, hörst du Hen. Ich verstehe es, wenn du dich noch verwundbar fühlst und auch wenn du noch Zeit brauchst, aber ich werde dich nicht aufgeben. Selbst wenn es Jahre dauert und ich das Königreich so lange allein regieren muss. Bis du mir einen ordentlichen Grund nennst, werde ich es weiter versuchen.“ Hendryk spürt wie unwillkürlich Wärme in ihm aufsteigt. Sein finsterer Blick löst sich auf und verwandelt sich in ein weiches Lächeln. Für ihn klingt es schon so, als ob sie es ehrlich mit ihm meint. Er sah zu viele Parallelen zu seiner Freundschaft zu Kara, dabei hatte er total ausgeblendet, dass ihm seine Freundin seit Kindertagen niemals auch nur das kleinste Anzeichen für Interesse an ihm gezeigt hätte, das über eine normale, sehr gute Freundschaft hinausging. Ganz im Gegensatz zu Yasane, die ihm schon oft viele schöne Dinge gesagt hat...schon immer. Sie sagte über seine Haare sie seien „wunderschön“ und spricht von Liebe. So etwas hat er noch nie erlebt. Er überlegt was passieren soll, wenn er zur Abwechslung mal einen Schritt auf sie zu macht und sieht keine negativen Folgen für sich. Er schaut die Prinzessin jetzt wieder an. Noch immer trägt er das Lächeln im Gesicht: „Yasane, weißt du, dass du süß bist, wenn du dich aufregst?“ Sie hat jetzt wahrscheinlich mit allem gerechnet, aber nicht damit. Sie flüstert unsicher: „Was?“ Jetzt wird sie schon wieder rot, aber das ist schon in Ordnung. Sie freut sich innerlich wie verrückt über sein Kompliment, das erste, das er ihr je gemacht hat. Hendryk macht wieder ein ernstes Gesicht und sagt: „Ich brauche ein wenig Zeit, um über diese schwerwiegende Entscheidung nachzudenken. Es verändert alles für mich.“ Yasane lächelt sanft und entgegnet: „Das ist in Ordnung.“ Mit immer noch genauso ernstem Gesicht fährt Hendryk fort: „Und lass in Zukunft meine Haare in Ruhe. Ich mag es nicht, wenn sie offen sind.“ Da Yasane ihm sein Haarband abgenommen hat, konnte er sie immer noch nicht wieder zusammenbinden. Er streicht sich alle Haare aus seinem Nacken, wirft sie sich auf den Rücken und macht dabei ein unzufriedenes Gesicht. Yasane beobachtet ihn dabei und findet es ulkig, weshalb sie leise in sich hinein kichert. Er scheint sich wirklich nicht wohl zu fühlen. In diesem Zustand möchte Hendryk nicht länger draußen sitzen bleiben. Er verabschiedet sich von der Prinzessin, wünscht ihr eine gute Nacht und geht in sein Zimmer. Sie bleibt noch ein wenig sitzen. Die junge Frau ärgert sich über ein paar Dinge, die sie gesagt und getan hat. Die Sache mit dem Haarband tut ihr im Nachhinein besonders leid, denn das hätte sie nicht tun sollen. Andererseits hat diese Verunsicherung bei ihm vielleicht erst dazu geführt, dass er ihr seine weiche Seite gezeigt hat. Sie hat Angst, dass er jetzt vielleicht schlecht über sie denken wird, aber es nützt nichts, jetzt kann sie nichts mehr daran ändern. Keiner von beiden findet in dieser Nacht Schlaf. Während Yasane überlegt was sie tun kann, um ihren Schwarm von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen, ist dieser ist so aufgewühlt, dass er sich nicht mal ins Bett legen kann. Er weiß einfach nicht was er tun soll. Er mag unkomplizierte Mädchen wie sie. Ja okay, er gesteht es sich ein, er hat Yasane ins Herz geschlossen und auch nicht vor sie da wieder raus zu lassen, aber ihre Position schreckt ihn unglaublich ab. Sie wird demnächst zur Königin gekrönt und genau deshalb hat der bisher noch nicht mal ansatzweise mit dem Gedanken gespielt, mit ihr etwas anzufangen. Warum kann sie kein normales Mädchen sein, dann wäre es nicht so schwer für ihn? Er möchte mit seinen zwanzig Jahren kein König werden. Er ist ja noch nicht einmal ein Prinz. Andererseits ist er seit kurzem Kanzler und damit kommt er recht gut zurecht. Er berät Prinzessin Yasane, muss aber selbst keine Entscheidung verantworten. Warum kann es nicht erst einmal so bleiben? Das bedeutet aber auch diese ganzen Entscheidungen weiterhin auf Yasane abzuwälzen, jetzt wo sie so weit gegangen ist, ihn zu bitten, gemeinsam die Verantwortung zu teilen. Es ist so, als würde er sie im Stich lassen. Aber wie soll das yokenische Volk auf ihn reagieren? Einen Fremden aus dem Süden...Er ist und bleibt ratlos. Am nächsten Morgen müssen die Prinzessin und ihr Kanzler wieder sehr früh raus und sind ziemlich müde. Sie begegnen sich nicht vor der ersten Besprechung, da Yasane im Bett frühstückt. Sie ist einfach zu müde, um ins Speisezimmer zu gehen. Das sagt sie jedenfalls offiziell. In Wahrheit ängstigt sie sich vor einer Begegnung mit Hen, denn sie weiß nicht was sie tun soll, wenn er sie erneut ablehnt. Die beiden sehen sich erst zur taktischen Beratung, die sieben Uhr beginnt. Alle Generäle des Königreichs Yoken und Yasanes Berater, darunter natürlich auch Hendryk, sitzen bereits am Beratungstisch. Yasane betritt viertel nach sieben gähnend den Saal. Da sie zu spät ist, entschuldigt sie sich knapp. Hendryk, der schon seit einer halben Stunde am Platz ist, kann sich denken, dass die wohl ebenso schlecht geschlafen haben muss wie er, was ihm schmeichelt. Dieser Gedanke stachelt ihn auf und verursacht den starken Impuls einfach aufzustehen und zu ihr zu gehen. Typisch für ihn verselbstständigt sich sein Körper unbedacht in Extremsituationen, was diese hier für ihn darstellt. Er springt impulsiv von seinem Stuhl auf und läuft schnurgerade auf die müde junge Frau zu, die ihn jetzt überrascht anblickt. Die Damen und Herren in der Versammlung glauben der Kanzler hole die Prinzessin aus Höflichkeit ab, was ihnen zunächst nicht allzu ungewöhnlich erscheint. Allerdings hat er noch etwas ganz anderes vor. Schräg vor ihr bleibt er stehen, legt ihr seinen rechten Arm um ihren Rücken, sodass er ihren Hinterkopf mit seiner Hand berühren kann und zieht die Prinzessin leidenschaftlich wie ein Tänzer an sich heran. Sie hat gar keine Gelegenheit groß darauf zu reagieren, als er bereits seine Lippen auf ihre zu pressen beginnt. Zunächst noch überrascht die Augen aufreißend, lässt sie sich langsam auf die Situation ein und legt ihre Hand auf seiner harten Brust ab. Das wollte sie schon so lange tun und sie findet es noch viel prickelnder als sie es sich vorgestellt hat. Das ist ihr erster Kuss und dann hat Hendryk ihn vor so vielen Zuschauern auch noch effektvoll inszeniert. Das ist ganz nach Yasanes Geschmack, die eine Schwäche für große Auftritte hat. Sie könnte platzen vor Glück und Erregung. Alle im Raum starren die beiden ganz unverhohlen an, obwohl sie eine solchen Szene normalerweise aus Rücksicht vor der Privatsphäre des Königshauses ignorieren sollten. Es ist einige Sekunden lang mucksmäuschenstill, bis ein leises Getuschel beginnt, das ihnen normalerweise auch nicht zustehen würde. Einer der Generäle flüstert zu einem der königlichen Berater: „Haben Sie davon gewusst?“, der als Antwort die Schultern hebt und den Kopf schüttelt. Ein anderer fragt entzückt rhetorisch: „Was macht der Kanzler da mit unserer königlichen Hoheit?“ Der Kuss dauert eine ganze Zeit, da Yasane zunächst nicht bereit ist sich wieder von Hendryk zu lösen und ihn an seinem Shirt wieder an sich heranzieht, gerade als er seine Lippen von den ihren nehmen will. Es ist ihr völlig egal, ob ihr Beraterstab auf sie warten muss, denn dieser Moment der Erfüllung bedeutet ihr alles. Auch als sie bereit ist ihn frei zu geben, bleiben die beiden frisch verliebten noch eng umschlungen an der Tür stehen. Mit weichen Knien und wie in Trance fragt sie ihn flüsternd: „Das deute ich jetzt mal als Zustimmung.“ Er lächelt sie glücklich an und entgegnet ebenfalls leise: „Sieht ganz so aus.“ „Darf … ich es auch schon verkünden?“ versicherst sie sich bei ihm, wobei er zustimmt: „Wann, wenn nicht jetzt, oder?“ Yasane nickt entschlossen und löst sich nun doch von Hendryks festem Griff, der nun aber immer noch seinen Arm um ihre Hüfte gelegt hält. Sie kann sich nicht überwinden ihre Hand von seiner Brust zu nehmen und glaubt es sei ohnehin unnötig zu versuchen jetzt noch auf eigentlich angemessenen Abstand zu gehen. Dann verkündet sie mit einem breiten Lachen: „Meine Damen, meine Herren, verehrte Generäle, ich möchte zunächst eine informelle Ankündigung machen, bevor wir heute beginnen können. Ich habe den Entschluss gefasst meinen Kanzler demnächst offiziell courfähig zu machen. Ich möchte die alte Tradition aufleben lassen nur Personen eines Adelsgeschlechts zu engsten Beratern der Königsfamilie zu berufen. Rein zufällig entspricht der Kanzler dann den Mindestanforderungen für eine Vermählung mit den Angehörigen des herrschenden Hochadels. Wenn Sie mir alle folgen konnten, dann wissen Sie jetzt schon, dass ich hiermit meine Verlobung mit Hendryk bekannt geben möchte. Ich bin für Glückwünsche offen, Zweifel oder Kritik behalten Sie bitte für sich, denn ich werde sie geflissentlich ignorieren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und möchte Sie nun auffordern mit der Besprechung zu beginnen.“ Die Verwunderung und Verwirrung der Anwesenden sorgt diesmal für lautes Getuschel, denn damit war nicht zu rechnen. Yasane und Hendryk haben ein gleichermaßen belustigtes Lächeln auf den Lippen, denn sie finden es witzig das Establishment aus dem Konzept zu bringen. Sie küssen sich gleich noch mal und setzen sich dann nebeneinander auf ihre Plätze. Die meisten sind so perplex, dass sie sich nicht mehr auf Kriegstaktik konzentrieren können, sondern nur noch auf die Beziehung der beiden, die Verleihung einer Adelswürde und ob das denn auch alles so funktioniere. Für Außenstehende gäbe es vielleicht ein anderes Bild, aber am yokener Hof zweifelt keiner an der Rechtschaffenheit Hendryks. Niemals hat er den Anschein erweckt er würde versuchen sich in das höchste Amt des Königreichs einschleichen. Bereits etwa eine Woche später verleiht ihre königliche Hoheit Prinzessin Yasane ihrem Kanzler Hendryk den Fürstentitel der Lethorius, eines Adelsgeschlechts, das als ausgestorben gilt, für die Anerkennung eines verschollenen Ahnen. Sein vollständiger Name lautet nun Fürst Hendryk Lethorius. Es war nicht ausreichend, einfach irgendeinen Fürstentitel zu erfinden, da ihm laut Gesetz ohne Stammbaum keine Herrscherrechte zugesprochen werden können und ohne einer vorherigen Krönung der Majestät ist auch eine Änderung dieses Gesetztes nicht rechtskräftig. Die Verleihung einer Adelswürde bedarf zum Glück keiner vorausgehenden Krönung, wie der Hofjustizmeister in Erfahrung gebracht hat. Der komplette Hofstaat hat dabei geholfen diese Amtshandlung so wasserdicht wie möglich zu gestalten, denn sonst besteht die Gefahr einer Anfechtung. Obwohl Hendryk sich gewünscht hätte, dass Nico und Kara dabei sein können, sollte diese Zeremonie so schnell wie möglich erledigt werden. Die beiden Kalaßer sind nun mal seine besten Freunde, auch wenn er das im Fall von Nico, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, nicht offen zugeben würde. Hendryk schickt einen Brief an die zwei, der aber unglücklicherweise erst ankommt, nachdem sie schon nach Roshea aufgebrochen sind, weshalb sie ihn erst viele Wochen später lesen werden. Zwei weitere Wochen später erreicht Deskend ein gemeinsamer Botschafter aus Kalaß und Roshea, denn sein Beglaubigungsschreiben trägt beide Wachssiegel, das Grüne des Stadtstaates Kalaß als auch das Blaue des Rosheanischen Königreiches. Prinzessin Yasane und ihr Verlobter Hendryk empfangen ihn hoffnungsvoll, die gemeinsam mit ein paar Mitgliedern des Hofstaats und einem der Generäle im Beratungsraum an einer langen Tafel sitzen. Da zwischen Yoken und Roshea an dessen Grenze bereits vor ein paar Wochen offene Gefechte ausgebrochen sind, hoffen sie auf ein, wie auch immer geartetes, Friedensangebot von Roshea oder anderen guten Nachrichten aus Kalaß. Der Botschafter steht vor der Tafel und beginnt zu erklären, dass er von Nico Dugar geschickt wurde. Ihm ist aufgetragen worden Nico ohne seiner Königswürde anzumelden und diese Information erst in das Gespräch zu verflechten, deshalb hält er sie zurück. Hens Gedanken schweifen ab, während der Gesandte beginnt sich vorzustellen, denn er fragt sich, ob das Entsenden eines Botschafters eine Reaktion auf den Brief war, den er neulich nach Kalaß geschickt hat. Er hätte zu gern Nicos Gesicht gesehen, als dieser erfuhr, dass er Hendryk bald als Seine Majestät ansprechen muss. Ein zufriedenes Grinsen huscht ihm über das Gesicht, doch dem jungen Kanzler geht keinesfalls um irgendeinen Titel oder Namen, beides wollte er gar nicht, sondern vielmehr darum dem ach so erhabenen Nico endlich mal etwas voraus zu haben. Nach der Selbstvorstellung, die Hendryk verpasst hat, zeigt der Botschafter den doppelt versiegelten Brief vor, der ihm den Zutritt zum deskender Hof verschafft hat und bricht vor aller Augen sorgfältig dessen Siegel. Mit einem knisternden Geräusch, entfaltet er das Papier und beginnt daraus vorzulesen: „Ich verlese hiermit die Nachricht an die königliche Hoheit und designierte Königin Kronprinzessin Yasane von Yoken und ihren Beraterstab: ‚Roshea meldet seine bedingungslose Kapitulation an. Damit gilt der Konflikt als beigelegt und der Krieg als beendet. All unsere Tru-‘“ Hendryk unterbricht ihn. „Moooment! Halt! Warten Sie bitte, Herr Botschafter! Habe ich das jetzt richtig verstanden? Sie sind der offizielle Botschafter von wo nochmal? Wenn sie vom Ratsvorsitzenden von Kalaß geschickt worden sind, warum erzählen sie uns dann etwas über die Kapitulation von Roshea?“ Yasane nickt energisch. Der Botschafter wusste genau, dass diese Frage kommen wird und ärgert sich über die Anweisung seines Königs Nico, die Lösung des Führungsproblems in Roshea erst zum Schluss vortragen zu dürfen. Er lächelt etwas verkrampft freundlich und erklärt: „Oh nein, mich schickt nicht der Ratsvorsitzende von Kalaß, sondern vielmehr der neue König von Roshea. Dazu komme ich auch gleich noch genauer, mein Herr. Aber nun möchte ich gern fortfahren, wenn es erlaubt ist. ‚All unsere Truppen wurden aus der umkämpften Region zurückgezogen.‘“ Hendryk wird unruhig. In ihm bahnt sich eine Vermutung an, die er entschieden zurück weist, wenn die Lösung seiner Frage, die ihm sein Verstand vorschlägt, wäre einfach zu unglaublich. Der Botschafter verliest weiter: „,Sollte Ihre königliche Hoheit Auflagen und Forderungen an Roshea stellen wollen, so sind diese an den entsendeten Botschafter zu entrichten, welcher diese an mich überstellt.‘ Neuer Absatz ‚Die Strategieänderung ist weniger auf einen Sinneswandel, als vielmehr einen Führungswechsel im Rosheanischen Königshaus zurückzuführen. Ich möchte hiermit offiziell bekannt geben, dass Estell, Herzogin von Ravell und Königin von Roshea, gestürzt und ein neuer König von Roshea eingesetzt wurde.‘“ Yasane schreit vergnügt auf: „Jetzt hab ich‘s. Nico IST der neue König von Roshea, stimmt‘s?“ Weil er es nicht wahr haben kann, lacht Hendryk gereizt. „Nie im Leben.“ Der Botschafter antwortet höflich: „Ihre königliche Hoheit haben recht. Es ist mein verehrter König Nico, der mich entsandte. Er dürfte während meiner Reise hierher bereits gekrönt worden sein.“ Hendryk schläft das Gesicht ein. „Das darf doch nicht wahr sein.“ Yasane hingegen freut sich und strahlt ihren Verlobten an. „Haha, ist das nicht toll, Hen? Hen?“ Doch er ist gerade nicht mehr ansprechbar. Er hatte sich so gefreut Nico ausnahmsweise mal etwas voraus zu haben und nun ist er ihm wieder nur ebenbürtig. Der Botschafter wird langsam ungeduldig und nimmt sich etwas heraus für das er am Nalitischen Hof abgeführt worden wäre: „Verehrte königliche Hoheit, dürfte ich jetzt bitte den Rest des Briefes verlesen?“ Yasane antwortet verständnislos: „Ja, natürlich. Das dürfen Sie doch die ganze Zeit über.“ Er ist sehr stolz nicht einen Kopf kürzer gemacht worden zu sein und fährt fort: „‚Der neue König hat es geschafft das Militär und die Bevölkerung...‘“ Während der Botschafter spricht tuscheln Yasane und Hendryk über Nicos Aufstieg. Sie flüstert mit vorgehaltener Hand: „Ob er die Königin, das alte Flittchen, umgebracht hat?“ Hendryk flüstert zurück: „Keine Ahnung, aber selbst wenn, wie hat der Teufelskerl es auf den Thron geschafft?“ Der Botschafter spricht währenddessen die ganze Zeit weiter. „‚...unter sich zu vereinen und...‘ Entschuldigt bitte königliche Hoheit, aber, hört Ihr mir überhaupt zu?“ Diesmal hat es Yasane auch gemerkt. „Ach, Herr Botschafter, ich glaube es gibt jetzt zu viel Redebedarf. Kommen Sie zu uns an den Tisch und erzählen Sie uns einfach in Ihren Worten was vorgefallen ist. Es wird einige Zeit dauern das alles aufzuarbeiten. Seien Sie doch bitte in den nächsten Tage unser Gast. Zur Feier des Friedens werden wir am Hof ein Fest ausrichten. Bleiben Sie doch so lange!“ Das stimmt den Botschafter milde, der die ganze Zeit auch ein wenig Angst um seinen Hals hatte. Er kennt nur den elitär in der Etikette verharrende Nalitischen Königshof und wusste nicht, dass es auch so entspannt bei Hof zugehen kann. Erfreut antwortet er: „Sehr gern, königliche Hoheit. Es gibt jedoch etwas, das noch direkt gesagt werden muss. König Nico wird in fünf Wochen seine schöne Verlobte Kara heiraten. Wenn Ihr daran teilnehmen möchtet, dann schickt doch bitte einen Eurer Botschafter mit einer Teilnahmebestätigung los.“ Yasane freut sich nun noch mehr zu hören, dass es auch Kara gut zu gehen scheint und sich die beiden zusammenraufen konnten: „Das ist ja toll! Natürlich nehmen wir Teil.“ Hendryk freut sich ebenfalls für die beiden und richtet direkt eine Frage an den Botschafter, der ihm jetzt am Tisch gegenüber sitzt: „Sagen Sie, findet die Feier zufällig in der Kathedrale von Kalaß statt?“ Dieser nickt verblüfft: „Ja, das ist richtig, mein Herr. Sie scheinen den König wirklich zu kennen.“ Hendryk greift nach Yasanes Händen, weshalb die junge Frau überrascht zusammenzuckt, weil sie nicht versteht was das zu bedeuten hat. Er sieht sie völlig ernst an, denn ein Gedanke schießt ihm durch den Kopf, den er sofort kundtut: „Yasane, mir kommt da eine Idee, aber dazu fehlt mir noch ein Zwischenschritt. Ich wollte dich schon letzte Woche fragen, aber...du weiß ja wie das ist. Da hat man das und dann hat man wieder was anderes und so weiter... Wie auch immer. Du tust immer so, als ob du nicht auf Romantik und Prinzen auf weißen Pferden stehst, aber ich weiß es inzwischen besser. Wir haben über eine Heirat gesprochen, aber wir sind in meinen Augen nur inoffiziell verlobt, wenn ich das hier nicht mache.“ Hendryk steht auf, greift in seine Hosentasche und nimmt etwas heraus, das Yasane nicht sehen kann, dann geht er vor ihr auf die Knie. Ein breites Lächeln breitet sich auf Yasanes Gesicht aus. Hoffnungsvoll streicht sie sich die erdbeerblonden, lockigen Haare aus dem Gesicht. Er öffnet seine Hand und hält ihr seine Handfläche entgegen, auf der ein edler, zarter Ring liegt, der mit einem glänzenden Smaragd besetzt ist. Yasane ist außer sich vor Freude und will ihm schon eine „Ja“ zurufen, doch sie versucht es zu unterdrücken und ihre Lippen auseinanderzupressen. Unruhig rutscht sie hin und her. Hendryk weiß genau, dass diese Form des Antrags absolut Yasanes Geschmack entspricht und grinst in sich hinein. Er spricht mit sanfter Stimme weiter: „Meine liebste Königin Yasane, willst du meine Frau werden und mich zu deinem König machen?“ Aus Yasane platzt es schrill heraus: „Ja, Hen! Ja, ja, ja mehr als alles andere und das weißt du ganz genau.“ Er nimmt ihre linke Hand und steckt ihr den Ring an den Ringfinger, dessen Edelstein der Farbe ihrer Augen entspricht. So unruhig wie sie auf dem Stuhl herum hüpft, gestaltet sich das gar nicht so leicht. Er steht auf und zieht sie an ihrer Hand zu sich hoch. Kaum sind sie aufgerichtet wirft Yasane ihre Arme um Hendryks Hals und küsst ihn. Freudentränen laufen ihr übers Gesicht. Wieder hat er die beiden so öffentlichkeitswirksam inszeniert, dass sie platzen könnte vor Stolz. Das findet sie einfach nur wunderbar, doch das ist es nicht was sie sagt, sondern: „Jetzt heule ich wegen dir vor aller Augen, du Schuft!“ Hen lacht glücklich, denn er hat sein Mädchen schon lange durchschaut. Die anwesenden Berater und den General können seit dem Kuss vor aller Augen nichts mehr überraschen. Sie applaudieren ihrem Königspaar. Der Botschafter, kommt sich irgendwie überflüssig vor, weiß aber nicht, ob er sich entfernen darf oder nicht, deshalb bleibt er lieber sitzen und das ist auch richtig so, denn Hendryk ist noch nicht fertig. Er flüstert seiner Verlobten in seinen Armen zu: „Yasane, es geht mir auch um Ort und Zeit der Hochzeit. Ich weiß nicht was du darüber denkst, aber könntest du dir vorstellen auch in der Kathedrale von Kalaß...“ Yasanes Augen werden groß und sie setzt wieder ein breites Lächeln auf. „Du meinst gemeinsam mit Nico und Kara?“ Und Hendryk nickt ihr zu. Absolut glücklich sagt sie ziemlich laut: „Das ist ja eine wunderbare Idee, Hen. Du wirst einen so tollen König abgeben. Ein besseres Zeichen für Frieden können wir Altera gar nicht senden. Lass uns gemeinsam mit Kara und Nico auf neutralem Boden eine Doppelhochzeit feiern und die Botschaft der neuen Freundschaft zwischen Roshea und Yoken überall verbreiten!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)