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Der König von Kalaß

von

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Das Ende einer Ära

Mit einem guten Pferd wäre Nalita nicht mehr als dreizehn Wegstunden von Kalaß entfernt, doch solange kann ein Tier nicht am Stück laufen, deshalb müsste man es mehrmals wechseln, was einen großen Aufwand bedeutet und viele körperliche Reserven verbrauchen würde. Da Nico davon ausgeht, dass ihn Rosheas Soldaten ohnehin passieren lassen werden, macht er sich jetzt aber gar keine größeren Gedanken über die Reise. Seiner Analyse zufolge hat er in Roshea nichts zu befürchten, deshalb schlägt er vor die Reise auf zwei Tage zu verteilen und ein paar Wegstunden vor Nalita zu übernachten, um nicht erschöpft zu sein, wenn er auf die Königin trifft. Kara ist damit einverstanden.

Sie treten die Reise an, ohne den Stadtrat zu informieren. Nico möchte nicht zu großes Aufsehen erregen und hat nur Farsa Gena seinen Plan eingeweiht. Dass sie absolut dagegen ist, kümmert die beiden nicht. Niemand kann sie von ihrem Ziel noch abbringen.
 

Ganz so wie geplant übernachten sie nach einem siebenstündigen Ritt unweit von Nalita in einem einfachen, aber gemütlichen Gasthof. Bis vor kurzem hatte Kara noch nie Kalaß verlassen und nun hat sie in weniger als einem Jahr erst Yoken und nun auch Roshea kennen gelernt. Alles sollte fremd für sie sein, doch dieser Teil Rosheas ist Kalaß sehr ähnlich. Trotzdem hat sie, ohne es sich bewusst zu sein, Vorurteile gegenüber Rosheanern, so wie sie fast alle Kalaßer haben. Betroffen, fast erschrocken über sich selbst, stellt sie fest, dass sie unbegründet negative Denkmuster aufbaut, wenn sie Leute sieht, die nicht aus Kalaß stammen. Es fällt ihr schwer dieses starre Gedankensystem zu überwinden.
 

Sie beschließen im Gasthof zu Abend zu essen. Draußen ist es noch hell, doch durch die kleinen Fenster des urigen Gasthofes dringt nur wenig Licht ein. Sie sind mit dicken dunklen Vorhängen bestückt, die jetzt zwar zur Seite geschoben wurden, aber trotzdem das halbe Fenster verdunkeln. Jemand sollte daran mal eine Kordel anbringen, denkt sich Kara. Vermutlich dienen sie dazu bei großer Hitze die Wärme draußen zu halten. Kara und Nico nehmen an einem kleinen Tisch vor einem der Fenster platz. Das überaus hübsche Paar fällt auf und zieht im gut besetzten Gästehaus viele bewundernde Blicke auf sich. Ein kleiner Junge direkt am Nachbartisch, vielleicht drei oder vier Jahre alt, starrt die beiden ganz offen an. Nico ist erheitert über das offensichtliche Interesse des Kleinen und lässt sich spielerisch zu einem Anstarrduell herausfordern. Wettkämpfe scheut er niemals, egal welcher Natur. Kara stupst ihn an, um ihm zu vermitteln er solle es lassen, doch er ignoriert sie. Sie ist froh, dass er so ausgelassen mit dem Jungen spielen kann, doch es ist ihr unangenehm den Eltern des Jungen gegenüber und das hat sie mit ihnen gemeinsam, denn diese versuchen ihren Sohn ebenfalls davon abzuhalten.

„Miki, hör auf fremde Leute zu belästigen!“

schimpft die Mutter besorgt.

Sie schaut zu Kara:

„Entschuldigen Sie bitte, junge Frau.“

Kara lächelt verlegen und stupst Nico ein weiteres Mal an. Dieser zwinkert dem kleinen Miki zu und flüstert halblaut, sodass ihn trotzdem jeder von ihnen hören kann:

„Von unseren Frauen lassen wir uns nichts verbieten, oder Miki?“

Der Kleine lacht laut und dreht überlegen den Kopf zu seiner Mutter. Nun hat Nico Grund zu lachen, denn er hat das Anstarrduell gewonnen, was er auch lautstark Kund gibt:

„Hah, ich habe gewonnen!“

„Waaaas? Gar nicht! Unfair!“

brüllt Miki empört und springt von seinem Platz auf, um zu seinem Gegner zu laufen. Sein Vater erhebst sich sofort, um ihn wieder einzufangen, was ihm nicht schnell genug gelingt. Bei Nico angekommen zerrt er etwas an dessen Kleidung herum, bis ihn sein Vater hoch nimmt, um ihn zurück zu seinem Platz zu tragen. Miki will gerade anfangen zu brüllen, als die Bedienung das Essen bringt und das lenkt ihn ab. Ohne einen weiteren Mucks von sich zu geben ist Klein-Miki besänftigt.

Kara ist erleichtert und beginnt ein Gespräch über die Landschaft Rosheas, doch Nico ist nicht bei der Sache und gibt nur geistesabwesende Antworten. Er hört ihr kaum zu und beobachtet die Familie am Nachbartisch. Sein Lächeln ist versiegt. Nach der zweiten beiläufigen Antwort seinerseits, bemerkt sie den Schmerz in seinen Augen und legt ihre Hand auf seine.

Die beiden schweigen. Er braucht nichts zu sagen, denn Kara versteht was in ihm vorgeht.

Kurz nach dem Essen springt Miki von seinem Platz auf, um zu Nico zu laufen. Der junge Mann gibt dem Vater des Kindes zu verstehen, dass es in Ordnung für ihn ist. Ganz so als hätte er den Zank von vorhin vergessen, kommt der Kleine auf Nicos Schoß gekrabbelt und die beiden Eltern entschuldigen sich erneut, worauf Nico entgegnet:

„Ist schon gut. Wie wäre es, wenn ihr euch zu uns setzt?“

Die beiden stimmen zu und kommen mit dem Kalaßer Pärchen ins Gespräch. Sie erzählen, dass sie ihre Verwandten besucht haben, die im nördlichen Teil der Stadt Nalita, an der Bucht von Tasann, leben. Da gerade Sommer ist, waren sie mit ihrem Sohn oft schwimmen. Miki hat es sich inzwischen auf Nicos Schoß gemütlich gemacht und beginnt während des langweiligen Gesprächs vor sich hin zu dösen. Auch Kara unterhält sich sehr gut mit der jungen Familie. Die eitle Kalaßerin wird in diesem Gespräch ein weiteres Mal eines Besseren belehrt und auf den Boden der Tatsachen geholt. Rosheaner sind nicht nur ganz normale, sondern sogar überaus freundliche Leute. Selbst nachdem sie sich und Nico als Kalaßler zu erkennen gegeben haben, reagiert niemand mit Ablehnung oder betrachtet sie gar als Feind. Einige Tische um ihren herum haben mitbekommen, dass sie ungewöhnliche Gäste im Land haben. Seit der Besatzung haben sie keinen Kalaßer mehr zu Gesicht bekommen und es bildet sich eine kleine Menschentraube. Die Leute sind aufgeschlossen und erfragen neugierig ein paar Neuigkeiten aus der Festungsstadt. Mikis Mutter weiß von dem kürzlichen Führungswechsel und fragt wie sich der neue Stadtrat macht. Nico schweigt und überlässt Kara die Antwort. Mit erst kürzlich erworbener Eloquenz antwortet sie:

„Natürlich befindet sich der neue Stadtrat noch in der Findungsphase, doch er ist bereits jetzt transparenter, gerechter und entscheidungsfähiger als es der Ältestenrat je war.“

Mikis Mutter bringt zum Ausdruck, dass sie mit der neuen Führung von Roshea nicht besonders zufrieden ist, was Kara ganz unverhohlen gehässig fragen lässt was denn an der Königin verkehrt sei. Die junge Mutter erzählt, dass vor zwei Wochen eine neue Wassersteuer erhoben wurde, die besonders arme Menschen schwer treffen würde. Außerdem wurden viele Hilfstruppen aus den Wüstengebieten abgezogen. Die Familie stammt aus einer solchen Region und ist davon stark betroffen, denn es macht ihnen das Leben sehr viel beschwerlicher. Angriffe von Räubern und wilden Tieren sei in einigen Teilen der Wüstenrandgebiete keine Seltenheit. Für Nico ist das nichts neues, doch Kara hört interessiert zu. Sie weiß nur sehr wenig über alles was außerhalb der Mauern ihrer Heimatstadt passiert ist.

Der Abend wird länger als geplant. Nico muss die Frage-Antwort Runde unterbrechen, zu der sich etwa zehn weitere Gäste der Herberge gesellt hatten. Das Kalaßer Pärchen verabschiedet sich und geht zu Bett.
 

Etwa zur Mittagszeit des nächsten Tages erreichen sie die Hauptstadt Nalita. Sie passieren die Kaserne vor der Stadt in der Nico ein paar Tage stationiert war, bevor er den Dienst quittierte. Seit er vor etwa einem halben Jahr hier war, hat sich die Stadt etwas verändert. Die Straßen sind weniger belebt und es sind weit weniger Händler auf dem Markt anzutreffen als früher, dafür sind auffällig viele Soldaten unterwegs, die von Nico jedoch keine Notiz nehmen. Er fällt in der Stadt nicht weiter auf, denn so bekannt ist er nicht. Obwohl Kara die Stadt noch nie gesehen hat, erfüllt sie das Gefühl in ihrer Heimat zu sein. Sie erkennt eine große Ähnlichkeit in Architektur und Stadtaufbau zu Kalaß. Anders ist nur, dass die Häuser hier nicht ganz so gedrängt aneinander stehen und die Straßen deshalb um einiges breiter sind.
 

Nico kennt sich einigermaßen aus. Es ist schon Nachmittag geworden und die beiden beschließen noch einmal zu rasten, bevor sie in das Schloss eindringen wollen, das sie nun bereits sehen können. Nico will bei vollen Kräften sein, wenn er Estell gegenübertritt. Das Schloss ist riesig und prunkvoll wie ein Märchenschloss, was Kara zwar beeindruckt, doch trotzdem jagt ihr der Anblick Angst ein. Je näher sie ihm kommen, desto bedrohlicher baut es sich vor ihnen auf und scheint nach und nach die Sonne und damit jedes Licht und jedes Glück zu verschlingen. Das Wetter hat umgeschlagen und dunkle Gewitterwolken schieben sich immer näher, als wollten sie den drohenden Untergang ankündigen. Kara bekommt ein flaues Gefühl im Magen. Trotzdem ist sie davon überzeugt das einzig richtige zu tun. An diesem Abend scheuen sie größere Menschenmengen und nehmen ihr Abendessen auf ihrem Zimmer zu sich. Die Stimmung ist düster wie das Wetter und die dunklen Wolken ziehen in einem regenlosen Gewitter über sie hinweg. Die beiden schlafen in dieser Nacht nur sehr wenig.

Am Vormittag des nächsten Tages leitet Nico Kara geradewegs direkt zum Schloss. Ein, zwei Soldaten kennen und grüßen ihn ehrerbietend, auch wenn ihnen bewusst ist, dass es keinen formalen Grund dafür gibt. Der überwiegende Teil der Männer ist Nico jedoch völlig unbekannt. In Kalaß mag er bei allen bekannt gewesen sein, aber in Nalita ist er nur ein ehemaliger Offizier mittleren Ranges. Die Schlosswache, die Nico ebenfalls nicht kennt, erwartet ihn schon. Er wird ohne größere Umschweife mitsamt seiner Begleiterin zum Tor des Thronsaals durchgelassen. Die beiden gehen selbstsicher nebeneinander her, denn sie geben sich gegenseitig Kraft, auch wenn in ihnen innerlich eine große Unruhe herrscht. Auf ihrem Weg sehen sie kaum Bedienstete oder überhaupt Personen in zivil, seit sie das Gelände des Schlosses betreten haben. Dafür wimmelt es überall nur so von Militärangehörigen und vom Adel fehlt jede Spur. Vor dem Thronsaal werden die beiden vorsichtshalber nach Waffen durchsucht. Sie sind selbstverständlich unbewaffnet, auch wenn für ihr Vorhaben ein Dolch oder ein einfaches Messer von Vorteil gewesen wären. Sie wussten sie hätten solche Gegenstände jedoch niemals hier hinein schmuggeln können. Außerdem gibt es im Schloss genügend Waffen. Jeder Soldat trägt ein Schwert und ein Messer bei sich und für Nico ist das fast wie in einem Selbstbedienungsladen.
 

Sie werden in den Thronsaal gebeten, den sie nun betreten. Der Raum ist gewaltig. Groß genug um hier einen Ball zu veranstalten, bei dem der komplette Adel des Königreichs eingeladen werden kann. Er ist säulenlos und hohe Fenster sorgen dafür, dass er im Licht des Tages erstrahlt. Ein Glanzstück der Architektur, findet Kara. Weißer Marmor und weißer Stein heben die im Raum verteilten royalblauen Flaggen mit dem silbernen Hirsch von Roshea hervor. Auch Nico hat diesen Saal noch nie gesehen. Als er von König Riecard ins Schloss eingeladen worden war, ist er bereits einen Gang zuvor in die Privatgemächer des Königs abgebogen. An der Stirnseite des Saals sitzt Königin Estell, so elegant sie es mit ihrem Babybauch kann, in ein knappes nachtblaues Samtkleid gehüllt, auf ihrem Thron und lächelt selbstsicher in Richtung Nico. In ihrem schwarzen Haar trägt sie ein silbernes mit Diamanten besetztes Diadem. Wenn sie nicht so ein böser Mensch wäre, dann würde Kara zugeben, dass diese schöne Frau den Raum erst perfektioniert.

Als die junge Frau jedoch den Bauch bemerkt, stockt ihr unmittelbar der Atem. Sie fasst nach dem Arm ihres Verlobten und auch er ist geschockt. Insgeheim hatte Nico die ganze Zeit gehofft, alles sei nur ein Bluff gewesen, um ihn herzulocken. Vor Estell versucht er sich nicht anmerken zu lassen wie geschockt er ist, weil er ihr diese Genugtuung nicht verschaffen will und versteckt sie unter einer emotionslosen Mine. Kara bemerkt Nicos aufrechte Haltung und seinen zielgerichteten Blick. So kennt sie ihn gar nicht, was sie verunsichert und sie noch unruhiger macht als sie schon ist. Estell steht anmutig von ihrem Thron auf und kommt auf die beiden zu geschritten. Kara läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Ihr Griff um Nicos Arm wird fester, worauf er gar nicht reagiert. Er streicht sich mit der freien Hand durchs Haar, was Estell gefällt. Sie macht ein vergnügliches Gesicht und begrüßt ihn freundlich:

„Oh Nico, es freut mich außerordentlich, dass du dich entschlossen hast zur Geburt seines Sohnes dabei zu sein. Und wie ich sehe hast du mir auch noch ein Geschenk mitgebracht.“

Sie lächelt kurz abschätzig in Richtung Kara, doch sein Blick bleibt ungerührt auf Estell fixiert. Die innere Unruhe in der jungen Kalaßerin wird immer stärker und ein innerer Instinkt rät ihr wegzulaufen, doch sie kann jetzt nicht mehr zurück. Wenn sie diese Frau sieht, dann muss sie unweigerlich daran denken was sie Nico angetan hat und das macht sie so wütend, dass ihr Frust plötzlich aus ihr herausbricht.

„Woher wollt Ihr bitte wissen, dass es ein Junge wird?“

schreit sie. Estell wendet ihren vergnügten Blick von Nico ab und fixiert ihre schärfste Konkurrentin. Ihr Ausdruck ändert sich abrupt, denn der Angriff Nicos kleines Betthäschens verärgert sie. Die Königin hat den Impuls das Mädchen zu Ohrfeigen, doch sie beschließt sich noch ein wenig zu beherrschen. Stattdessen sagt sie in lautem herablassenden Ton:

„Na na, wenn sich die Obrigkeit unterhält, hat der Pöbel still zu sein! Weiß man das nicht als Offiziershure?“

Nico senkt seinen Blick. Er wird ebenfalls sauer und sagt hart:

„Rede nicht so mit ihr!“

Dann wendet er seinen Blick jedoch nicht an die Königin, sondern seine Verlobte, die davon geschockt ist. Sie erkennt diesen Mann nicht wieder. Wieso sagt er das zu ihr und nicht zu der Geisteskranken vor ihm?

Die Königin amüsiert sich über Karas Reaktion und lacht laut, was im großen Thronsaal widerhallt. Sie geht ein Stück und fordert Nico auf ihr zu folgen:

„Komm Nico, wir gehen in einen gemütlicheren Raum. Wir haben viel zu bereden und bring dein Geschenk ruhig mit.“

Königin Estell geht ein paar Schritte voraus. Sie dreht sich zu ihm um und macht mit den Fingern eine lockende Geste. Sie läuft weiter und beginnt gedämpft mit ihren Wachen zu sprechen. Nico nutzt die Gelegenheit, um sich an Kara zu wenden, die völlig perplex neben ihm steht.

Er flüstert ihr zu:

„Kara, bist du verrückt? Hör auf Estell zu reizen! Sie ist unberechenbar. Diese Frau bringt dich um, wenn du ihr lästig wirst. Hast du nicht gehört was sie mit dem Rest des Adels gemacht hat?“

Kara schluckt und glaubt es jetzt zu verstehen. Egal wie sehr Estell sie provoziert, muss sie es herunterschlucken.

Die Königin betritt durch einen große Flügeltür einen Raum, der an der rechten Seite des Saals anschließt. Vier Wachen gehen ihr nach. Nico kennt keinen einzigen davon, was ungünstig ist. Er macht sich ebenfalls auf den Weg und Kara folgt ihm.

Es handelt sich um ein Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch liegen einige unsortiert wirkende Unterlagen. Auch hier gibt es eine Couchgarnitur, die der in Kalaß gar nicht so unähnlich ist, doch diese hier ist blau, so wie alle Farbtupfer im Raum. Bis auf alles was aus Holz gefertigt wurde, ist alles in Weiß oder Blau gestaltet. Es ist geschmackvoll, aber auch kalt eingerichtet. Im hinteren Teil des Raumes befindet sich ein Besprechungstisch mit sieben Stühlen. Als Nico und Kara im Zimmer ankommen, empfängt die Königin ihren Gast freundlich:

„Mein liebster Nico, möchtest du etwas trinken? Erhol dich doch erst einmal von deiner Reise und mach es dir auf der Couch bequem, ganz so wie früher.“

Sie deutet elegant mit einer ausladenden Armbewegung auf die Sitzgarnitur, auf die er sich setzt. Dann dreht sie ihm den Rücken zu, holt zwei verzierte Kristallgläser und eine Flasche Cognac aus einer Vitrine und stellt die Gläser auf den Tisch vor ihm, um sie im Anschluss zu füllen. Als Kara sich einen Schritt weiter in den Raum bewegt, wird sie von einer der Wachen zurückgehalten. Estell setzt sich neben Nico, der sie nicht einmal ansieht. Sie streichelt ihm über seine braungebrannten Arme und kommentiert sehnsüchtig:

„Ohne Uniform, fehlt einfach etwas an dir...das ist nicht richtig.“

An der Couch sind Handschellen angebracht, er jetzt erst bemerkt, wo sie danach greift und ihm danach an beide Handgelenke anlegt. Dabei streichelt sie zärtlich über seinen Körper. Stillschweigend lässt er die Prozedur über sich ergehen, denn sie beiden Soldaten an der Tür haben Kara in ihrer Gewalt. Nun hat er nur noch wenig Bewegungsspielraum. Er streicht sich durch das Haar, was gerade noch so geht. Aufstehen kann er nicht mehr, aber er verzagt nicht, denn er muss mit dem arbeiten was er hat. Diese Frau muss ihm nur nah genug kommen. Sie kommentiert zärtlich:

„Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, denn jetzt wo ich weiß, dass du der Verräter warst, bin ich vorsichtiger geworden. Aber keine Sorge, wenn du mir deine Loyalität beweisen kannst, nehme ich sie dir wieder ab.“

Estell geht zur Tür und stellt sich neben Kara. Dabei fällt ihr der meisterlich gearbeitete Rubinring an Karas linkem Ringfinger auf, den die junge Frau noch nicht hatte, als sie vor acht Monaten schon einmal von ihr gemustert wurde.

Nico bleibt fast das Herz stehen. Ihm gehen unschöne Gedanken durch den Kopf wie er seine Loyalität der Königin gegenüber beweisen könnte. Zu seiner Erleichterung macht Estell nichts weiter, als gedämpft mit den vier Wachen zu sprechen und sie aus dem Raum zu schicken. Die vier gehen an Kara vorbei zur Tür hinaus und ignorieren die junge Frau genauso wie die Königin, die sich wieder zu Nico setzt. In einem etwas lauteren Ton als normal, sodass auch Kara sie gut hören kann, sagt sie:

„Ach liebster Nico, du kannst jetzt aufhören der dummen Göre vorzuspielen du würdest sie lieben und uns dein wahres Gesicht zeigen. Ich weiß welche Düsternis und welcher Machthunger in dir schlummern. Du manipulierst Menschen für deine Zwecke, um an die Spitze zu gelangen, genauso wie ich. Wir beide wissen, dass du mit einem Kind wie der da nicht glücklich werden kannst. Zu mir kannst du offen und ehrlich sein.“

Da er nicht reagiert, spricht sie weiter:

„Ist schon gut, lass es raus, so wie in unserer gemeinsamen Nacht.“

Sie wirft einen Blick Richtung Kara. Nochmal will die junge Frau jedoch nicht entgleisen und verzieht keine Miene, was der Königin missfällt. Sie muss stärkere Geschütze auffahren, um aus Kara Ärger und Verzweiflung herauszukitzeln. Sie streichelt sanft über Nicos Oberkörper und spricht weiter:

„Noch heute träume ich davon wie du mich dir wie ein wildes Tier zu eigen gemacht hast. Als könntest du es kaum noch aushalten bist du über mich hergefallen und das nicht gerade zimperlich. Kein anderer Mann kann es mir so besorgen wie du es getan hast. Ich bekomme direkt Lust auf dich, wenn ich daran denke, aber heute kannst du mich leider nicht so hart nehmen, mein Liebster. Ich bin schließlich in anderen Umständen.“

Nico lässt sich von diesen Worten nicht beeindrucken, ganz im Gegenteil zu Kara, die damit überhaupt nicht zurechtkommt. Sie kann nicht anders als sich die beiden miteinander vorzustellen und geht einen Schritt auf die beiden zu, weshalb Estell unvermittelt laut wird.

„Na na, sei ein braves Geschenk und bleib schön da stehen!“

Kara sieht Hilfe suchend zu Nico, der ihr einen strengen Blick zuwirft. Sie versteht zwar, dass sie nicht eingreifen soll, sieht aber auch kaum Handlungsspielraum für ihn. Estell wendet sich wieder Nico zu. Ihre Hand wandert seinen Oberkörper hinab, bis zum Bund seiner Hose.

„Zeigen wir deinem kleinen Flittchen doch einfach was wir gemacht haben.“

Sie öffnet seine Hose und ist sichtlich enttäuscht.

„Oh Nico, was ist denn los? War die Anreise zu anstrengend oder nimmt es dir die Lust mich nicht so hart nehmen zu können, weil ich schwanger bin? Na, ist auch nicht so wichtig. Dafür haben wir auch später noch Zeit. Viel wichtiger ist, dass unsere Vereinigung Früchte getragen hat. Findest du nicht auch? Sag mir, wie soll unser gemeinsamer Sohn heißen?“

Unbeeindruckt antwortet Nico knapp:

„Sucht Ihr einen Namen aus!“

„Du setzt viel Vertrauen in mich. Ich fühle mich geschmeichelt. Vielleicht fällt dir bis zur Geburt auch selbst noch etwas ein. Du wirst schließlich viel Zeit haben über einen angemessenen Namen nachzudenken. Wie du weißt, mein Liebster, wollte ich dich zu meinem Gatten und Imperator machen, aber du hast dich ja lieber dafür entschieden, mich zu verraten und dich mit diesem Flittchen zu verloben.“

Estells bisher eher freundlicher Gesichtsausdruck verwandelt sich in einen verbitterten. Nico bleibt gefasst, wohingegen Kara immer unruhiger wird. Er wartet immer noch geduldig ab, bis die Königin einen Fehler macht, doch sie ist hochkonzentriert. Er müsste sie schnell und lautlos ausschalten, um zu verhindern, dass sie die Wachen alarmiert. Das würde aller Wahrscheinlichkeit nach Karas und seinen Tod bedeuten. Er sieht nur die Möglichkeit ihr schnell das Genick zu brechen oder ihren Mund zuzuhalten und sie mit der Kette an seinen Handschellen zu erdrosseln. Beides sind schreckliche Vorstellungen für ihn, aber wohl seine einzigen Möglichkeiten. Er hofft, dass sie mit ihrem Kopf näher kommt, doch sie hält immer noch einen gebührlichen Abstand zu ihm.

Er konnte bisher überhaupt nichts tun. Er will das Risiko nicht eingehen sie an sich heran zu ziehen. Zum einen könnte sie laut um Hilfe schreien und zum anderen könnte sie sich losreißen, um dann als Gegenreaktion Kara zu töten, ohne dass er etwas dagegen tun kann. Zugegeben, Kara und er hatten keinen echten Plan wie sie Estell überwältigen könnten, ohne selbst am Ende gerichtet zu werden. Aber wieso eigentlich nicht? Dazu hätten sie Verbündete im Schloss gebraucht, die es vielleicht sogar gegeben hätte. Nico wird bewusst, dass die beiden völlig überstürzt gehandelt haben. Sie haben sich eine Falle stellen lassen und sind sehenden Auges hinein gelaufen. Er will aber noch nicht aufgeben und hofft weiter auf eine Gelegenheit.

In einer Tonlage, die zwischen Verzweiflung und Erheiterung schwankt, trällert Estell:

„Nun bin ich gezwungen, dich hier einzusperren, während ich mich allein um mein Königreich kümmern muss. Sehr schade, aber zum Liebessklaven und sorgenden Vater taugst du noch. Das ist eigentlich mehr, als sich ein Verräter wie du erhoffen kann. Damit bist du doch sicher einverstanden, oder mein liebster Nico?“

Ohne ein Wort wendet er seinen Blick von ihr ab.

Gelangweilt sagt die Königin:

„Du willst nicht mit mir schlafen, du willst nicht mit mir reden. Dann werde ich mich eben deinem Geschenk zu.“

Sie steht auf und Nico wird klar, dass er seine Chance verpasst hat. Er hätte gleich zu Beginn auf das Gespräch eingehen müssen, als sie von seiner Machtgier sprach, doch nun ist es zu später und er macht sich Vorwürfe. Sein Herz beginnt vor Angst zu rasen.

„Wartet, ich rede mit euch, wenn Ihr es wünscht.“

ruft er Estell panisch nach, die fast schon gelangweilt von diesem kläglichen Versuch sie von Kara fern zu halten ihren Kopf zu ihm dreht und entgegnet:

„Du hattest deine Chance mich zu unterhalten. Nun schwebt mir etwas anderes vor.“

Er wünschte, er hätte seine Verlobte doch nicht mitgenommen, selbst wenn sie ihn dafür ein Leben lang verachtet hätte. Was hat er sich nur dabei gedacht ihrem Wunsch nachzugeben? Estell sollte längst vernichtet sein, bevor sie sich ihr hätte zuwenden können. Kara weiß, dass Nico nichts dafür konnte und ist ihm nicht böse deshalb. Er hat nichts getan, weil er wollte, dass sie beide das trotz allem heute überleben. Ihr wird klar, dass sie selbst viel größeres Potential hat die Aufgabe zu beenden, denn sie ist hat vollständige Bewegungsfreiheit und wird von ihrer Gegnerin unterschätzt.

Nico versucht aufzustehen und zieht an seinen Fesseln, die ziemlich fest verankert zu sein scheinen. Er versucht sich immer stärker loszureißen, bis er bemerkt, dass die Ketten an seinen Handschellen gar nicht an der Couch befestigt sind, sondern direkt am Boden. Die Eisenketten sind nur durch das Polster der Couch gefädelt wurden. Durch seine Versuche sich loszureißen schiebt es zwar die Couch hin und her, aber sonst tut sich nichts. Wenn nichts passiert, wird er seinen Engel verlieren und das vor seinen eigenen Augen. Diese nehmen ab diesem Zeitpunkt plötzlich einen violetten Farbton an, den sie nicht wieder verlieren, was er aber überhaupt nicht mitbekommt.

Die Königin schreitet zu ihrer verängstigt wirkenden, jedoch auch unsäglich wütenden Konkurrentin. Sie macht eine sanfte Handbewegung in Richtung Karas Gesicht, welche die junge Frau unvermittelt mit ihrem Arm abwehrt.

„Wie armselig du doch bist. Du bist ein Nichts, das wie durch ein Wunder den einzigen Mann abbekommen hat, den ich begehre. Es ist nur natürlich für dich mich zu hassen, aber ich versichere dir, ich hasse dich ebenso. Wir haben vieles gemeinsam, findest du nicht? Wir lieben beide denselben Mann und verabscheuen uns gegenseitig. Nur mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ich die Königin von Roshea bin und du nur irgendein Mädchen von der Straße und als solches ungeeignet für den Mann, der eines Königs würdig ist.“

flüstert Estell leise, fast zärtlich. Kara hört sich den Monolog geduldig an, ohne etwas zu entgegnen. Sie versucht es so gut es geht zu verbergen, dass sie am ganzen Körper zittert. Wie sie es schon einmal getan hat, als Kara gefangen und in die Festung von Kalaß verschleppt wurde, läuft Königin Estell um die junge Ärztin herum. Hinter ihr bleibt sie stehen und schaut über ihre Schulter zu Nico, der nach vorn gelehnt an seinen Fesseln zerrt. In einem Ruck reißt sie Karas Kleid herunter, das an den Ärmeln reißt und herunterfällt. Kara gibt unter dem Duck ein wenig nach und sinkt ein Stück in die Knie. Auch wenn sie nun nur noch mit einem dünnen kurzen Jäckchen und einem Höschen bekleidet ist, versucht sie Ruhe zu bewahren, denn ein Schrei oder Quieken ist es was die Königin von ihr will. Sie versucht stark zu bleiben und abzuwarten, um eine eventuelle Gelegenheit nicht zu verpassen, wie diese auch immer aussehen möge. Estell verhöhnt die junge Frau.

„Nico, du kannst mir doch nicht erzählen, dass du dieses dürre Weib attraktiv findest. Sie hat keine Hüfte, keinen Busen, ja nicht einmal ordentliche Schenkel. Sie ist gebaut wie ein Kind und sie verhält sich auch wie eines. Es ist doch lächerlich sie mir vorzuziehen.“

Kara erhebt den Kopf. Egal was Estell sagen wird, Nico wird hinter seiner Verlobten stehen. Das versetzt die Königin in Unruhe. Die geht um Kara herum, holt mit ihrem rechten Arm aus und gibt ihrer selbstsicheren Konkurrentin eine schallende Ohrfeige. Nico ruft wieder nach seiner Liebsten, die ohne ein Wort zu sagen schon wieder vollkommen aufrecht steht. Ihre Wange wird sofort rot und schmerzt, aber Kara will nicht nachgeben und diese Anmut lässt die Königin in rasende Wut verfallen.

„Was fällt dir ein so respektlos mit mir umzugehen? Krieche vor mir, du Miststück. ICH bin die Königin von Roshea und du bist ein Nichts. Du bist meine Gefangene, meine Sklavin. Wenn will, dass du leidest, dann leidest du!“

Wem diese Situation am meisten zu schaffen macht ist Nico, der angekettet nichts tun kann und zum Zusehen verdammt ist. Das ist es aber gar nicht, was Estell im Sinn hatte. Sie wollte seine Verlobte leiden sehen und zerstören, sodass Nico eingestehen muss, dass es keine andere Wahl mehr gibt, als zu seiner Königin zurück zu kehren. Da Kara die Anweisung geflissentlich ignoriert und immer noch Stolz ihren Kopf hebt, gerät Estell nur noch mehr in Rage. Sie entfernt sich von ihr und geht zu ihrem Arbeitstisch, aus dessen Schublade sie einen recht kurzen Dolch holt, der wohl eigentlich zum Öffnen von Briefen und deren Siegeln gedacht ist. Karas innere Angst nimmt weiter zu, doch sie bleibt kontrolliert und konzentriert. Nico schreit nach ihr, deshalb klopft es nun an der Tür. Die Königin beantwortet das Klopfen mit einem hassverzerrten Ruf.

„Ich- habe- alles- unter- Kontrolle!“

und flüstert noch einmal leise, fast hysterisch vor sich hin:

„Alles unter Kontrolle...“

Mit aller Kraft reißt der unfreiwillige Zuschauer nun an den Ketten und seine Handgelenke haben schon lange angefangen zu bluten. Estell dreht sich lächelnd zu ihm um, denn die scharfe Klinge in ihrer Hand gibt ihr das Gefühl wieder Herrin der Lage zu werden.

„Ach Nico, ich hatte mir das hier alles etwas anders vorgestellt, weißt du? Bis jetzt ist es weniger befriedigend als ich es mir erhofft hatte. Aber ich sehe jetzt, dass du weit emotionaler bist, als ich immer dachte. Du bist sehr hübsch, wenn du wütend bist, weißt du das? Aber mal unter uns. Was hast du dir eigentlich dabei gedacht hierher zu kommen? Wolltest du mich stürzen, oder sogar töten? Das war töricht von dir. Du hast doch nicht geglaubt, dass ich dich in mein Königreich, in mein Schloss, ja, in meine Privaträume lasse, ohne entsprechende Vorkehrungen zu treffen? Dass du dieses Weib mitgebracht hast, war jedenfalls ein Fehler, den du noch bitterlich bereuen wirst und ich muss sagen, dass ich es auch nicht so richtig verstehe. Sie sah im ersten Moment für mich wie ein Friedensangebot aus, aber deine Reaktion zeigt, dass ich das wohl falsch verstanden habe. Etwas anderes habe ich aber nun verstanden: Sie steht zwischen uns. So lange sie lebt, wirst du niemals mein sein. Weißt du, früher da hat es mich wirklich interessiert was du über mich denkst, aber heute ist das anders. Es ist mir egal, was du von mir hältst, solange du nur mir allein gehörst. Da Loran nicht zurückgekehrt ist, vermute ich dass er tot ist oder gefangen genommen wurde. Hast du etwas damit zu tun? Na, ist auch egal. Vielleicht muss ich mich sogar dafür bei dir bedanken, denn es gibt nun wirklich überhaupt keinen Grund mehr, mich bei dieser Frau in irgend einer Weise zu mäßigen.“

Nico schwitzt und das Bluten an seinen Handgelenken beginnt schon herunter zu tropfen, doch schmerzen verspürt er nicht, nur unendliche Verzweiflung.

„Lasst Kara gehen! Ihr wollt sie doch gar nicht, sondern nur mich. Ich werde mein Leben lang Euch gehören, Euch jeden Wunsch von den Lippen ablesen, wenn Ihr sie gehen lasst. Doch wenn Ihr Kara etwas antut, dann werde ich Euch hassen und mich rächen. Das verspreche ich.“

Mit einem fast wehleidigen Ausdruck im Gesicht, antwortet Estell:

„Dafür ist es jetzt leider zu spät, mein liebster Nico, ganze acht Monate. Um den Schmerz in meiner Brust zu lindern, den du verursacht hast, werde ich sie leiden lassen müssen. Sie so verletzen, wie du mich verletzt hat. Ich werde sie zerstören und du kannst überhaupt nichts dagegen tun und am Ende wirst du trotzdem mir gehören.“

Nico zerrt weiter an seinen Ketten und schreit nach Kara, sie wie eingefroren dasteht. Sie hat sich kein Stück bewegt, seit ihr Estell das Kleid herunter gerissen hat. Es liegt ihr auf den Füßen und sie steigt langsam aus ihm heraus, um später nicht zu stolpern. Nico kann ihr nicht helfen, das ist ihr klar und fliehen kann sie auch nicht, denn wenn sie die Tür aufmacht und flieht, wird sie von Soldaten aufgehalten. Sie muss selbst kämpfen.

Estell kommt auf sie zu und sagt fast freundlich:

„Du kannst Schreien, Betteln und Flehen. Ich bitte sogar darum. Es wird mich in helle Freude versetzen. Die Wachen werden dir nicht helfen, dummes Gör, denn sie betreten den Raum erst dann, wenn ich es ihnen befehle. Zuerst sind deine scheußlichen roten Haare dran. Der Wunsch sie abzuschneiden, brennt mir schon lange auf der Seele. Wenn Marco da wäre, dann hätte ich ihm noch ein wenig Zeit mit dir eingeräumt, bevor ich dir die Schönheit nehme. Er hätte jetzt seine Freude mit dir haben können, aber es macht nichts. Dafür kann ich dir nachher noch zeigen wie viel Freude ich mit meinem liebsten Nico haben kann, wenn du dann noch lebst.“

Dann lacht sie schrill, greift nach den seidigen, bordeauxroten Haaren am Rücken ihrer erklärten Feindin und setzt den Dolch auf Schulterhöhe an. Kara versucht sich aus ihren Griff zu befreien. Es entsteht eine Rangelei, bei der Kara auffällt, wie behände sich die angeblich hochschwangere Königin bewegen kann. Die junge Ärztin hat schon viele schwangere Frauen gesehen und das hält sie schlicht für unmöglich. Sie ist fest entschlossen sich dieses Wissen zu Nutze zu machen und stellt ihre Gegenwehr ein, denn ihr kommt eine Idee. Die junge Frau weiß, dass sie nicht scheitern darf, denn dann sind Nico und sie verloren.

Estell setzt den Dolch an und Karas Haar fällt schimmernd zu Boden, doch noch während sie schneidet, dreht sich die junge Frau blitzschnell um die eigene Achse, entwendet der überraschten Königin den Dolch und drückt ihn gezielt in deren Oberbauch. Dabei nutzt Kara den Schwung ihrer Drehung aus und stemmt sich mit aller Kraft gegen die nach hinten zurückweichende Königin. Die scharfe Klinge versinkt nach und nach immer tiefer. Kara hat es geschafft. Sie hat den Dolch so geschickt zwischen Brustbein und Rippenbogen platziert, dass sie Estells Lunge verletzen konnte.

Nico ist sich nicht ganz sicher was da passiert. Er ist zu weit entfernt und die Position des Dolches wird von Estell verdeckt. Diese Unfähigkeit zu helfen macht ihn verrückt. Er befürchtet, dass Kara den Hieb abbekommen haben könnte und schreit nach ihr.

Estell taumelt weiter nach hinten, sieht an sich herab und erkennt, dass der Dolch steckt noch in ihr steckt, allerdings nicht komplett in ihr versunken ist. Sie fasst sich an die Wunde, stolpert, fällt und landet unsanft auf ihrem Steiß. Ihre Versuche zu schreien bleiben erfolglos, denn sie kann nicht richtig Luft holen und verflucht ihre Erzfeindin Kara für diesen Glückstreffer. Zu gern würde sie das ach so glückliche Paar jetzt mit in den Abgrund reißen, doch sie bekommt nur ein leises Japsen heraus.

Erleichtert erkennt Nico die Situation. Aufgeregt ruft er:

„Gott sein Dank, Kara! Aber was...was ist mit dem Kind?“

Völlig neben sich sagt Kara vor sich hin:

„Es gibt keins.“

Nico schaut zu Estell und sieht, dass Blut unter ihrem runden Bauch hervorquillt. „Es gibt kein Kind“...diesen Satz hatte er sich vergebens herbeigesehnt. Er empfindet einen kurzen Moment tiefer Erleichterung, wobei seine Augen wieder das gewohnte Blau annehmen. Als er wieder zu sich findet, erkennt er wie sich die schwer verletzte Estell zu ihm schleppt. Mit leise winselnder Stimme wimmert sie:

„Hilf mir,... ...Lieb...ster.“

Kara fasst sich wieder etwas, denn es ist noch nicht vorbei. Sie geht neben die am Boden auf dem Rücken liegende Estell und stellt, frei von Mitgefühl, ihren Fuß auf das Ende des Dolchschafts. Nico fragt die sterbende Königin, so sanft er es unter diesen Umständen kann:

„Gibt es noch etwas, das Ihr sagen möchtet, bevor Ihr sterbt?“

Kara verharrt in ihrer Position und ist gewillt die Antwort der Königin abzuwarten. Mit letzter Kraft flüstert die Königin:

„Ein Jammer, … dass ich... nicht... schreien...ka-“

Kara lehnt sich mit kaltem herablassendem Blick mit ihrem ganzen Gewicht auf den Fuß, unter dem sich der Dolch befindet. Er sinkt tief in Estells Körper ein und lässt sie verstummen, denn die Königin ist tot.



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