Der König von Kalaß von Elnaro ================================================================================ Kapitel 11: Gebrochene Herzen ----------------------------- Aufgewühlt von der Situation, die er noch nicht vollständig begreift, beginnt Hendryk die Suche nach seiner besten Freundin Kara, die er in den letzten Wochen, in denen sie nichts von Nico hörten, immer wieder beruhigen musste. Er weiß nicht genau wo er die junge Frau suchen soll, denn normalerweise legt sie sich aufs Dach ihres Hauses, wenn sie nachdenklich ist, doch von da ist sie ja gerade weggerannt. Während er nach ihr sucht, denkt er an das Versprechen, dass er ihr vor ein paar Tagen gegeben hat. Er wollte Nico verprügeln, sollte er ihr wehtun. Nun ist dieser Fall ohne Zweifel eingetreten, doch er hat trotzdem nicht das kleinste Bedürfnis den Befreier von Kalaß zu schlagen, schon gar nicht nachdem er gesehen hat wie gebrochen er zurück kam. Hendryk hatte fast das Gefühl es sei gar nicht Nico, der zurück gekehrt sei, sondern nur ein Schatten seiner selbst. Er schien gebrochen und nicht der Mann, der immer einen arroganten Spruch auf den Lippen hatte, mit dem er ihn so zur Weißglut treiben konnte. Er muss unbedingt herausfinden was da los war, damit er sich selbst ein Bild machen kann. Er kennt Kara gut genug, um zu wissen wie engstirnig sei sein kann. Er findet sie allein auf einem, eine halbe Wegstunde entfernten, grünen Hügel, auf dem ein einzelner Kastanienbaum steht. Auf der Wiese liegen noch ein paar Kastanien und Blätter herum, doch der Baum ist so gut wie kahl. Von hier aus kann er sein eigenes und auch Karas Elternhaus sehen und er erinnert sich jetzt, dass sie als Kind manchmal hierhin gekommen ist, wenn sie traurig war. Zusammengekauert sitzt sie, ohne warmer Kleidung, unter dem kahlen Kastanienbaum. In Kalaß wird es zwar niemals richtig kalt, denn die Temperaturen fallen nicht unter den Gefrierpunkt, doch es kann an einem kühlen Dezembertag wie heute schon ziemlich kühl werden, was ein wärmeverwöhnter Kalaßer besonders schnell bemerkt. Hendryk selbst ist ebenfalls kopflos losgestürmt und trägt keine Jacke, doch er ist viel zu aufgewühlt um zu frieren. Behutsam verlangsamt er seinen Schritt und geht zu ihr auf den Hügel hinauf. Sie hat ihr Gesicht in ihren Armen vergraben, weshalb er nicht sehen kan, ob sie weint, doch er vermutet es. Als sie Hendryk bemerkt, schaut sie kurz hoch, versteckt sich jedoch gleich wieder und nuschelt in ihre Arme hinein: „Lass mich in Ruhe!“ Eigentlich hatte er es sich vorgenommen ruhig mit ihr sprechen, doch die Worte prechen vorwurfsvoll aus ihm heraus. „Vergiss es, Kara. Ich werde dich nicht in Ruhe lassen. Du rennst einfach weg und setzt dich flennend und wahrscheinlich frierend unter einen Baum wie ein kleines trotziges Kind. Glaubst du ich lass dich hier alleine erfrieren?“ Hendryk setzt sich neben die total aufgelöste Kara. Sie dreht sich ein Stückchen von ihm weg, doch er rutscht ihr einfach hinterher und beherrscht sich nun soweit etwas sanfter mit ihr zu sprechen. „Was hat er getan, das dich so verletzt hat?“ Normalerweise wäre er nicht so zudringlich, doch Nico hatte ihn ausdrücklich darum gebeten Kara beizustehen und er vertraut seinem Urteil. Sie wissen schließlich beide genau, dass Kara sonst niemanden hat, dem sie sich anvertraut. Es ist ein düsterer, grau verhangener Tag und in den meisten Häusern brennt Licht, so auch in ihrem Elternhaus. Nie im Leben wäre die junge Frau auf die Idee gekommen ihren Eltern von ihren Problemen zu berichten, denn schon als Kind fühlte sie sich von ihnen unverstanden. Da die junge Frau auf die Frage ihres um sie bemühten Freundes nicht antwortet, berührt er sanft ihren eiskalten, nackten Unterarm, den sie schlagartig von ihm weg und noch einmal „Lass mich!“ faucht. Wieder schießen ihr die Tränen in die Augen, die Hendryk allerdings nicht sehen soll, weshalb sie sich von ihm weg dreht. Quasi mit ihrem Rücken sprechend, sagt er mit ruhiger Stimme: „Ist schon in Ordnung, wenn du nicht mit mir darüber reden willst, aber glaub nicht, dass ich dich alleine lasse.“ Nun nimmt sie endlich ihren Arm von ihrem Gesicht und dreht sich, den Blick weiter nach unten gerichtet, zu ihm. Er legt seinen Arm um die ausgekühlte junge Frau, was sie akzeptiert. Sie lehnt ihren Kopf an seine Schulter und schluchzt etwas, das für Hendryk wie ein „Wieso hat er das getan?“ klingt. Zu seinem Bedauern, weiß er leider immer noch nicht worum es eigentlich geht. Neue Hoffnungen macht er sich bei Kara zu diesem Zeitpunkt trotzdem nicht. Er sieht seine Rolle hier eher als die eines tröstenden großen Bruders, auch wenn er ein Jahr jünger ist als sie. Eine ganze Zeit lang sitzen sie stumm nebeneinander und die Stille wird nur von den fernen Geräuschen der Hauptstraße und einem unregelmäßig wiederkehrenden Schluchzer Karas unterbrochen. Nach und nach scheint sie sich jedoch immer mehr zu beruhigen. Sie hat sich eines der gelben Kastanienblätter genommen, das sie an den sichtbaren Blattadern zu immer kleineren Teilen auseinanderreißt. Unbeabsichtigt schluchzend holt sie Luft und haucht dann: „Danke, dass du für mich da bist.“ Was er stumm zur Kenntnis nimmt. Dann entschuldigt sie sich leise: „Es tut mir leid. Ich bin so egoistisch deinen Trost zu begrüßen und das nachdem ich dich… Ich könnte verstehen, wenn du meine Nähe meiden würdest.“ „Red nicht so einen Blödsinn, Kara! Ich war immer für dich da und das wird sich auch jetzt nicht ändern.“ beschwichtig er etwas grob. Die junge Frau lächelt sanft, wodurch ihr Tränenreste übers Gesicht fließen. Sie fühlt sich in seinen Armen geborgen, ganz so wie früher, denn es stimmt. Er war immer da, wenn es ihr schlecht ging. Eine weitere Weile verstreicht in Stille, bis sie endlich beginnt zu erzählen was sie bewegt. Traurig erklärt sie Hendryk alles, was sie über Königin Estell in Erfahrung bringen konnte, darunter auch welchen Hass die Aristokratin auf die ihr doch eigentlich fremde Kara hegte, weil sie es auf Nico angesehen habe. „Sie ist eine Schlange, die mich als Konkurrentin betrachtet, aber weißt du was das Schlimmste war?“ fragt sie rhetorisch und macht eine kleine Pause, weil die Erinnerungen sie plagen. „Dieser Offizier Loran, der mich damals zur Sperrstunde erwischte und der uns auch die Falle gestellt hat… er hat mich die ganze Zeit so gierig angegafft. Es war so ekelhaft. Du kannst dir das nicht vorstellen. Wenn ich überlege was passiert wäre, wenn mich Nico nicht so schnell dort raus geholt hätte…lieber wäre ich gestorben!“ Da sie den letzten Satz fast gebrüllt hat, legt Hen seinen Arm schützend um sie, was sie begrüßt. Darauf zu sagen hat er nichts, denn seine Körpersprache ist bereits ein ausreichender Ausdruck seiner Gefühle. Bisher hatte sie sich noch nicht zu dieser Sache äußern können und die junge Stadtwache wusste nichts Näheres über ihre Entführung. Die Anspannung aufgrund der großen Sorge um Nico, hatte sich ihr Herz in den letzten zwei Wochen verschließen lassen. Als sie sich bereit fühlt, erklärt sie weiter: „Gerade noch rechtzeitig ist Nico vor den Toren aufgetaucht. Aber hast du mal über den Austausch nachgedacht, Hen? Der kann gar nicht funktionieren und das wusste er ganz genau. Er hat gedroht sich selbst umzubringen, wenn er merkt, dass er getäuscht wird.“ Hendryk nickt nachdenklich, denn er hat die Situation noch nie vor seinem geistigen Auge vorgespielt und die junge Frau erklärt weiter: „Total geschockt ging die Königin sofort darauf ein und ließ mich laufen. Sind die alle verrückt? Hätte er das wirklich gemacht? Hat diese Frau geglaubt, er würde es machen?“ Etwas ungläubig lacht der junge Mann auf und nickt erneut. „Was hat der Kerl für radikale Ideen? Er muss daran geglaubt haben, dass es funktioniert. Was hätte es gebracht dort sein Leben zu verlieren?“ „Er muss doch gewusst haben, wie viel er der Königin bedeutet, sonst hätte er das doch nicht vorgeschlagen, oder?“ antwortet Kara, worauf Hendryk spekuliert: „Ja, oder er hat einfach nur hoch gepokert und gewonnen. Fakt ist, du warst der Königin völlig egal. Es ging ihr die ganze Zeit nur um ihn.“ Kara murmelt noch einmal angewidert: „Diese Schlange.“ Da dies nicht Karas Auslöser für ihre plötzliche Flucht vorhin gewesen sein kann, versucht der junge Mann nun erneut auf das Kernthema zu sprechen zu kommen: „Dass er bereit war sein Leben für dich zu opfern, ist es doch nicht was dich bedrückt. Also, was hat er getan?“ Zögerlich antwortet Kara: „Aber…,es hat damit zu tun. Erinnerst du dich noch an seinen Plan, den er vor dem Ältestenrat vorgestellt hat?“ Hendryk nickt und entgegnet knapp: „Klar, zusammengefasst wollte er die Seitensprünge der Königin mithilfe Spitzels an den König melden.“ „Und was denkst du wohl wer dafür gesorgt hat, dass sie einen begeht?“ Fragt sie zynisch, doch bereits nach dem letzten Wort japst sie laut nach Luft, doch dann schreit sie verzweifelnd: „Was denkst du wohl? Nico hat mich verraten, meine Gefühle für ihn durch den Dreck gezogen. Er selbst hat die Königin verführt, kaum dass ich weg war.“ Blitzschnell zieht sie ihre Beine wieder nah an sich heran, setzt sich in sich gekrümmt und verdeckt ihre Augen mit ihren Armen. Anstatt damit Mitleid bei Hendryk zu erregen, wird er wütend, aber nicht auf seinen Freund und Kontrahenten Nico, sondern in diesem ungewöhnlichen Fall auf die wehleidige Kara. Für ihre, aus seiner Sich völlig überzogene Reaktion, kann er nämlich nicht das geringste Verständnis aufbringen und deshalb wird er schnell ungehalten und schimpft unvermittelt los: „Wie bitte? Kara, steig mal von deinem hohen Ross runter! Er hat nicht nur sein Leben für dich aufs Spiel gesetzt, er hat auch noch seine eigene Königin verraten und wie im Vorbeigehen Kalaß befreit! Kapierst du eigentlich was er geleistet hat? Meine Güte, der Mann liebt dich über alles. Hätte es einen anderen Weg gegeben, dann hätte er den auch gewählt.“ Da Karas Gesicht tief in ihren Armen vergraben ist, kann er nicht verstehen was sie nuschelt, doch es ist so etwas wie: „Ja klar, er liebt mich so sehr, dass er sich gleich an Estells Hals werfen muss.“ Hen regt sich so auf, dass er aufstehen muss. Er kann sich das nicht anhören und dabei einfach so ruhig sitzen bleiben, denn die in ihm aufsteigende Aggression macht ihn verrückt. Dabei kann er selbst nicht so recht glauben wieso er sich hier so sehr für Nico einsetzt, wo eine Trennung ihm doch den Weg zu Kara frei machen würde. Trotzdem muss er es tun, denn er handelt stets nach Überzeugung und nicht nach seinem persönlichen Vorteil und schließlich tut Kara ihrem Geliebten Unrecht. Inzwischen brüllt er die eingeschüchterte junge Frau an: „Nico schwebte zwei Wochen lang in ständiger Lebensgefahr, doch er hat gesiegt und ist lebend zu dir zurückgekehrt. Kannst du dir nicht vorstellen was er durchgemacht haben muss? Ich habe ihm angesehen, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Er war so anständig dir alles sofort zu beichten, doch er hat sich so schuldig gefühlt, dass er dir kaum in die Augen sehen konnte. Er war angeknackst, doch du hast ihn gebrochen, Kara und das nur, weil du so prüde bist und so starre Moralvorstellungen hast. Du lebst in deiner kleinen unschuldigen Welt, in der du es nicht verzeihst, wenn sich jemand die Hände schmutzig macht. Stattdessen verurteilst du ihn und versinkst in Selbstmitleid.“ Einiges davon wollte Hendryk seiner Freundin schon lange mal sagen, doch er hatte Angst sie damit zu sehr zu verärgern. Jetzt, dachte er, sei es auch egal. Schlimmer als Nico kann ihn ihre Reaktion ohnehin nicht treffen. Die junge Frau schaut aus ihrer dunklen, feuchtgeweinten Kuhle auf, denn seine Standpauke schockt sie. So etwas gemeines hat ihr engster Vertrauter noch niemals zu ihr gesagt und dafür muss es einen Grund geben. Anstatt ihm böse zu sein, denkt sie über seine Worte nach. Schmerzlich erkennt sie sich darin wieder, was sie ziemlich verwirrt und kurz darauf verdutzt fragen lässt: „U-und was glaubst du, soll ich jetzt machen?“ Hendryk überrascht die Wirkung seiner Worte ungemein und ihr Einlenken besänftigt ihn, weshalb sein Ton wieder weicher und etwas ruhiger wird. „Ich kann kaum glauben was ich jetzt sage, aber du gehst jetzt sofort zurück zu Nico, entschuldigst dich und sagst, dass du ihm verzeihst.“ empfiehlt er befehligend, weshalb sie ihn mit großen, verweinten und trotzdem noch katzenhaften Augen ansieht. „A-aber Hen...“ Er packt ihre Hand, zieht sie daran hoch und drängt ungeduldig: „Na los!“ Langsam setzt sie sich in Bewegung, doch sie beschleunigt ihren Schritt, fängt bald an zu rennen und Hendryk folgt ihr. Fast drei Stunden sind verstrichen seit sie ihr Haus verlassen haben und bei sich angekommen, muss Kara feststellen, dass ihr Liebster verschwunden ist. Sie ist aufgewühlt und gibt sich die Schuld daran, weil sie ihm gesagt hat, dass sie ihn nicht mehr sehen will. Die beiden junge Leute fragen bei den Nachbarn nach, ob einer von ihnen vielleicht beobachtet hat, wohin Nico gegangen sein könnte. Hendryk erkundigt sich im Haus zu ihrer Rechten und Kara im Haus zu ihrer Linken, wo der junge Handwerker wohnt, der ihr früher einmal den Hof gemacht hat. Mittlerweile hat er Frau und Kind. Kara klopft aufgeregt an seine Haustür und als sie ihr geöffnet wird plappert sie unaufgefordert sofort los: „Hast du Nico Dugar gesehen? Er war gerade noch hier. In welche Richtung ist er gegangen?“ Etwas überfordert antwortet er: „Er ist zurück in der Stadt? Das wusste ich nicht mal. Nein, ich habe-“ „Wer ist wieder in der Stadt?“ unterbricht ihn seine Frau, die ihren kleinen einjährigen Sohn auf dem Arm hat und den beiden an der Tür stehenden von hinten aus der warmen Stube zuruft, was Kara ebenso rufend beantwortet: „Nico Dugar!“ „Ah, Herr Dugar. Es heißt er habe die Stadt im Alleingang befreit. Ich habe mich ein, zwei Mal mit ihm unterhalten, nachdem er dich nach Hause gebracht hatte. Er ist ein wirklich sehr… netter Mann. Da hast du es gut getroffen. Vielleicht können wir ja mal zu viert gemeinsam zu Abend essen.“ ruft sie erneut und ihr Mann, der die ganze Zeit zwischen den beiden steht, wird langsam sauer. „Könntet ihr bitte aufhören euch über meinen Kopf hinweg zu zurufen?“ Was seine Frau wohlwollend aufnimmt und ebenfalls zu Tür geht. „Oh, entschuldige bitte, Schatz“ Die junge Ärztin wird langsam unruhig und erklärt: „Ich habe jetzt keine Zeit zu plaudern. Ich bin hier um zu fragen, ob du vorhin gesehen hast, in welche Richtung er gegangen ist. Er ist verschwunden.“ Die junge Mutter reagiert bestürzt: „Oh je, das tut mir leid. Ich habe ihn nicht gesehen. Er wäre mir aufgefallen.“ Schon halb im Gehen bedankt sich Kara freundlich und erklärt, dass sie weiter suchen möchte und die Frau des Handwerkers ruft ihr nach: „Viel Glück! Und vergiss nicht, das Angebot steht!“ Enttäuscht ruft Kara ihrem Helfer Hendryk zu: „Hattest du Erfolg?“ Er schüttelt den Kopf, daher erwidert sie ein trauriges: „Er ist weg...“ „Was hast du nur getan?“ wirft Hendryk ihr vor, weshalb sie ihn finster ansieht, denn das war unnötig, doch sie ergänzt: „So schnell gebe ich nicht auf. Irgendjemand muss etwas gesehen haben.“ Die beiden Fragen sich den ganzen Tag lang in der Stadt durch, bis sie tatsächlich ein paar Informationen gesammelt haben. Sie haben in Erfahrung bringen können, dass er sich ein Pferd und Vorräte besorgt hat, doch noch immer kennen sie sein Ziel nicht, was sie zu Spekulationen verleitet. Kara hat die Vermutung er könnte nach Yoken gegangen sein, denn das wollte er schon bereits während des Krieges besuchen. Allerdings gibt es aus ihrer Sicht, jetzt wo Kalaß befreit ist, keinen Grund mehr dafür. Hendryk glaubt da eher an seine Rückkehr in die Wüstenstadt Aranor, wo er sich seine Orden verdient hat, doch die junge Frau weiß davon gar nichts ist von dieser Idee verwirrt. „Was sollte Nico denn in Aranor wollen?“ fragt sie stirnrunzelnd, was nun wieder die junge Stadtwache verwirrt. „Na, dort war er jahrelang stationiert. Das sieht man doch an seiner Hautfarbe. Bestimmt hat er da noch einige gute Bekannte.“ Bei dem Stichwort fallen ihm spontan die beiden Tänzerinnen wieder ein, weshalb ihm für einen Augenblick ein Grinsen übers Gesicht huscht. Kara reagiert traurig auf die für sie völlig neue Situation. „Ich dachte er wäre ein Soldat aus Nalita.“ und Hendryk schüttelt den Kopf. „Nein hier waren keine Soldaten stationiert, die aus der Hauptstadt stammen. Die Königin musste sie aus den Randregionen von Roshea zusammenkratzen. Weißt du denn gar nichts, Kara?“ Dass sie so wenig weiß, macht sie nur umso trauriger. Hendryk hatte viel mehr Gelegenheit sich mit Nico auszutauschen als sie, worum sie ihn jetzt sogar beneidet. Der Gedanke an die Zelle, lässt sie an die Anhörung und in Folge dessen an Farsa Gena denken, die sie noch nicht befragt haben. Vielleicht hat er sich ja mit ihr abgesprochen, egal wie unwahrscheinlich es im ersten Moment für sie klingt. Sie klammert sich an diesen Strohhalm und macht sich gemeinsam mit Hen auf den Weg zu Rathaus. Dort angekommen bemerken sie ganz schnell, dass es hier gerade drunter und drüber geht. Da der Ältestenrat aufgelöst wurde, stellt Farsa Gena allein die provisorische Regierung dar, was sie, gelinde gesagt, ein wenig überfordert. Die alte Dame sieht mitgenommen aus, doch sie ist voller Energie. Gerade ist sie dabei schnellstmöglich freie Wahlen für einen neuen Stadtrat ohne Altersbeschränkung zu organisieren. Über ihren jungen Besuch freut sie sich jedoch besonders und beginnt unmittelbar und unaufgefordert über ihre Zukunftspläne zu philosophieren. Die beiden trauen sich nicht sie zu unterbrechen. Sie erzählt, dass der neue Stadtrat anders funktionieren solle als der Ältestenrat. Eine viel größere Anzahl von Vertretern der Gilden, sollten von den Bürgern in freien Wahlen bestimmt werden. Sie denkt an zwei bis drei Vertreter pro Gilde. Als Vorsitz stellt sie sich einen Unabhängigen vor, der den Stadtrat möglichst vorurteilsfrei leitet und nach außen hin vertritt. Fast schon euphorisch schwärmt sie: „Ich habe schon mit Herrn Dugar gesprochen. Ich bin so glücklich darüber, dass er zugestimmt hat ihn als Kandidaten für den Ratsvorsitz vorschlagen zu dürfen. Direkt von sich aus hat er das Angebot gemacht diplomatische Beziehungen zu Yoken aufzunehmen, was ich für eine überaus hervorragende Idee halte, aber was erzähle ich euch das. Ihr wisst das natürlich schon. Ihr seid schließlich seine Vertrauten.“ Kara traut sich jetzt endlich etwas zu sagen und gibt peinlich berührt zu: „Um ehrlich zu sein, wussten wir es diesmal nicht. Vielen Dank für die vielen Informationen. Wir möchten Nico Dugar gern hinterher reisen, weil wir… ihm noch was wichtiges sagen müssen.“ Farsa Gena lächelt verwundert, wobei sich ihr Gesicht in tiefe Falten legt: „Er ist aufgebrochen ohne es euch zu mitzuteilen? Wie ungewöhnlich. Nun, wenn ich so darüber nachdenke, hat er schon einen recht betrübten Eindruck gemacht. Für einen Mann, der in der ganzen Stadt als Held gefeiert wird, fand ich das durchaus ungewöhnlich, immerhin hat er bei der Anhörung den Eindruck gemacht zu seinen ruhmreichen Taten zu stehen und sich auch gern angemessen feiern zu lassen.“ Da Kara der alten Farsa Gena vollkommen vertraut, ist sie ehrlich und offen zu ihr: „Ich denke eher ich bin der Grund für seinen plötzlichen Aufbruch. Ich habe etwas unverzeihlich Dummes zu ihm gesagt.“ „Ah, die Liebe. Es tut mir leid Kara, aber für heute ist es zu spät, um ihm nach Deskend nachzureisen. Du wirst dich schon noch bis morgen gedulden müssen. Ich sorge dafür, dass ihr beide alles für eine Reise erhaltet, was ihr benötigt. Die Politik soll der Liebe nicht im Wege stehen. Wenn ihr ihn seht, könnt ihr ihm bitte ausrichten, dass sein Ratsvorsitz aller Wahrscheinlichkeit nach bestätigt wird und er alsbald zurückkehren soll? Ich glaube als er seiner Kandidatur zustimmte glaubte er nicht daran, gewinnen zu könnten. Doch so sieht es nun aus.“ Überglücklich fällt die junge Ärztin der provisorischen Stadtführerin um den Hals. Sie bedankt sich tausendmal mal bei ihr, weshalb Farsa Gena ergriffen lacht und Karas Rücken tätschelt. Die junge Stadtwache Hendryk hat so großen Respekt vor Farsa Gena, dass er sich so etwas nie getraut hätte. Sie ist eine der wenigen Personen, dessen Autorität er voll und ganz anerkennt, denn sie prahlt nicht mit ihrer Position und setzt ihre Macht weise ein, was er ungemein schätzt. Farsa Gena hält ihr Wort und am nächsten Morgen stehen, wie vereinbart, zwei Pferde und Reiseproviant, sowie eine kleine Summe Geld für Kara und Hendryk bereit. Diese großzügigen Geschenke werden von einem Boten zu ihre beider Häuser gebracht, wo sie dankbar in Empfang genommen werden. Die beiden jungen Leute, die ihre Heimatstadt Kalaß noch niemals verlassen haben, machen sich unverzüglich auf den Weg nach Deskend, der Hauptstadt von Yoken und Sitz der Königsfamilie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)