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Der König von Kalaß

von

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Die Höhle der Löwin II

Nico betritt die imposante Burg, die ihm noch nie so groß vorkam wie jetzt. Alle Soldaten, denen er auf seinem Weg begegnet, grüßen ihn wie gehabt als ihren Hauptmann. Auch einer der fünf Offiziere, Truppendienstverantwortlicher Leutnant Rick Randall, der extra in den Thronsaal kam als er hörte was passiert ist, bleibt ehrfürchtig vor ihm stehen und grüßt ihn. Randall ist ein außerordentlich großer und muskulöser Mann. Bereits sein bloßes Erscheinen kann einschüchternd wirken. Seine Aufgaben beziehen sich auf die Ordnung im Inneren und er setzt, wenn nötig, auch Bestrafungen durch. Zudem leitet er den Wiederaufbau der Festung. Nicht zuletzt durch ihn verbreitet sich das Wissen um die Rückkehr ihres Hauptmanns unter den Soldaten wie ein Lauffeuer. Der Respekt für ihren ehemalig höchsten Offizier und Kommandanten beruht nicht nur auf seinem Rang, denn sie schätzen ihn als Mensch und würden ihn auch außerhalb der militärischen Rangordnung als Anführer betrachten. Nico tritt selbstbewusst, jedoch nicht allzu glücklich über die Situation vor Königin Estell.

Er steht still und grüßt sie förmlich:

„Imperatorin.“

Estell hat sich wieder auf ihrem Thron gesetzt. Sie hat ihre schlanken, schönen Beine elegant übereinander geschlagen, wodurch die Kürze ihres Rocks mit voller Absicht ziemlich tiefe Blicke zulässt. Freundlich und sanft sagt sie:

„Du kannst dich rühren, Nico. Sag, wie fandest du deinen Ausflug? Hast du deinen Urlaub genossen?“

„Meinen Urlaub, Imperatorin?“

fragt er verwundert und ihre Antwort bleibt sanft, wenn auch etwas ungeduldig.

„Mein lieber Nico, sei doch nicht so förmlich! Ich werte deinen Ausbruch nicht als Desertion, hab also keine Angst. Im Grunde hast du nichts weiter getan, als deine Leute zurechtzuweisen und bist danach in Gefangenschaft geraten. Das ist weder verwerflich, noch strafbar. So lautet jedenfalls die Information, die mir zugetragen wurde. Ich sehe zwar, dass deine Mittel vielleicht etwas überzogen waren, aber das sei die verziehen. Loran braucht sogar ab und zu mal einen kleinen Schlag auf den Kopf. Ich weiß ja wie er ist.“

Der natürlich immer noch anwesende Oberleutnant Loran ist verärgert über diese Aussage und macht sich auch nicht die Mühe diese Emotion zu verbergen. Amüsiert darüber wirft Estell einen kleinen Blick zu ihm hinüber, denn sie liebt es ihn zu necken. Dann wendet sie sich wieder Nico zu, steht auf und geht zu ihm. Sie stellt sich nah an ihn heran und haucht:

„Darüber, dass eine Frau mit im Spiel war, will ich hinwegsehen, wenn du es auch kannst. Ich bin weder eifersüchtig noch nachtragend, weißt du. Bist du damit einverstanden, oder möchtest du die Geschichte ergänzen oder vielleicht korrigieren?“

„Nein, Imperatorin.“

antwortet er zum einen erleichtert, zum anderen etwas beunruhigt. Sie wird langsam etwas ungeduldig und faucht:

„Nico, nenn mich wieder Estell!“

Sie lässt ihren Zeigefinger auf seiner Brust kreisen. Er ist etwas angewidert, was er nur schlecht verbergen kann, deshalb schließt er die Augen. Sie spricht weiter:

„Wenn du willst, kann ich dir deine alte Stellung wieder geben, allerdings mit einigen Einschränkungen. Nimm es mir nicht übel, aber ich lasse dich nicht mehr im Außendienst arbeiten. Du hast Ausgehverbot und wirst stattdessen mein persönlicher Berater. Sicherlich hast du viele nützliche Dinge während deiner Gefangenschaft gesehen, die uns weiterhelfen können. Deinen alten Posten behält Marco.“

Der Hauptmann und der Oberleutnant sind gleichermaßen erleichtert.

Sie fügt hinzu:

„Du kannst dich für heute zurückziehen, wenn du möchtest. Dein Quartier steht natürlich noch frei und dir zur vollen Verfügung. Wir haben es nicht angerührt als du kurz weg warst. Ich erwarte deinen Dienstantritt morgen früh. Du kannst wegtreten. Ich wünsche dir eine gute Nacht, mein Lieber.“

Nico verabschiedet sich. Er ist ziemlich verwundert über ihre Sanftheit. Er hatte erwartet als Fahnenflüchtiger angeklagt und von Königin in Stücke gerissen zu werden. Das hätte sie jedenfalls mit jedem anderen an seiner Stelle getan. Er hatte bestenfalls gehofft in Gefangenschaft zu geraten, um von dort aus eine Revolte anzuzetteln oder einen seiner treuen Gefolgsleute dazu zu bringen die sexuellen Eskapaden der Königin beim Spitzel des Königs zu verraten. Das ist natürlich nicht so einfach, weil der Spitzel mit eigenen Augen sehen müsste was da vor sich geht. Eine Revolte hält er für zu riskant, denn die Treue seiner Leute zum König von Roshea hält er für gefestigter als ihre Ergebenheit ihm gegenüber, deshalb bleibt er bei seinem zweiten Plan. Er ist sich sicher, dass die Königin ihren Überwacher irgendwie überlisten und sich weiterhin mit den Offizieren treffen kann. Dieser war erst einen Monat lang da, bevor Nico ausgeschieden ist, deshalb weiß er nicht wie sich die Situation entwickelt hat. Wenn er richtig informiert ist, wird sie in ihren privaten Gemächern nicht von ihm überwacht, aber bis dahin kann man nicht ungesehen vordringen. Wenn sie wie vermutet nach wie vor Herrenbesuch empfängt, muss Nico herausfinden wie sie mit ihnen kommuniziert und wie sie zu ihr gelangen.
 

Nico kehrt wie befohlen zurück in sein altes Quartier. Er wird von all seinen Freunden, Kameraden und Gefolgsleuten freudig begrüßt. Leutnant Randall hat dafür gesorgt, dass die Soldaten ihm zu Ehren an diesem Abend spontan ein Fest veranstalten. Nur einige wenige nehmen nicht teil, darunter Oberleutnant Marco Loran. Alle anderen Führungsoffiziere sind anwesend, sogar der sonst eher zurückgezogene Oberleutnant Jorik Fermar, der die Königin hinter den Kulissen strategisch berät. Auch der Versorgungsoffizier Celestro Haven nimmt an der Feier teil, obwohl er und der Hauptmann nicht gerade beste Freunde sind. Nico ist sich dessen bewusst, dass der Leutnant ab und zu über die Stränge schlägt und Schutzgelder auf dem Markt erpresst. Er hat ihn deshalb schon mehrfach verwarnt und vor der Königin angeklagt. Sie hatte den schönen Haven aber jedes Mal nur darum gebeten nicht Hand an die Stadtbewohner zu legen, was er auch einhielt. Die Schutzgelderpressung duldet sie. Nico sind und waren die Hände gebunden.

Der zurückgekehrte Hauptmann freut sich über den starken Rückhalt unter dem Großteil seiner Männer. Dass sie ihn so vermisst hatten, hätte er gar nicht erwartet. Er und Randall sind die guten Seelen unter den Führungsoffizieren, wobei Randall dies mit seinem einschüchternden Äußeren gut zu verbergen weiß. Diese beiden haben die Moral bei den meisten Soldaten immer hoch gehalten. Die Abwesenheit Hauptmann Dugars hat sich auf das Verhalten der Soldaten sehr stark negativ ausgewirkt, was er ab sofort wieder in Ordnung bringen will. Er sieht keinen Grund dafür jetzt Trübsal zu blasen. Die ehrliche Freunde seiner Leute ist ansteckend. Er lacht und feiert mit ihnen. Einige Soldaten dienen schon mehrere Jahre unter Nico Dugars Kommando. Die kramen alte Geschichten hervor, die aus der Zeit stammen als Nico noch in Aranor stationiert war. Er hatte damals eine Bande zerschlagen, die den Trinkwassersee Lanima unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Das ist neben sehr knappen Brunnenwasser die einzige Süßwasserquelle der Wüstenstadt Aranor. Er soll daraufhin noch einen legendären Schatz aus dem See geborgen und die Hälfte der Beute für später positioniert haben. Außerdem kommen sie auf die Geschichte mit den Sklavenring zu sprechen, den Nico schwächen sollte. Das war ihm damals zu wenig, also zerschlug er ihn fast vollständig und befreite damit tausende von Sklaven. Das für alle wichtigste Detail sind jedoch die beiden Tänzerschwestern, eine legendäre Erzählung, die bereits Rekruten zu Ohren bekommen, um ihnen das Militär schmackhaft zu machen. Nico hört sie allerdings gar nicht gern, denn so wie sie von den Soldaten erzählt wird, entspricht sie kaum noch der Wahrheit. Man kann sich sicher vorstellen, wie blumig ein angetrunkener Soldat die Geschichte vom jungen Offizier Nico Dugar und seinen zwei Liebessklavinnen erzählen kann. Jeden Tag soll er unausgeschlafen zum Dienst erschienen sein, weil ihn seine beiden lüsternen Frauen nicht in Ruhe lassen wollten. Tatsachen oder Wahrheiten treten bei solchen Geschichten gern mal in den Hintergrund. Kein Wunder also, dass Nico den Ruf eines Schürzenjägers innehat. Hier in Kalaß hat er schließlich auch wieder eine neue Flamme und eine Beziehung zu einer kalaßer Frau hat hier sonst kein einziger, der ihnen bekannt wäre. Sie klopfen ihm auf die Schultern mit dem Spruch:

„So ist er eben, unser Hauptmann.“

Es bringt nichts sich dagegen zu wehren und Nico weiß das mittlerweile. Er kommentiert es nicht und die anderen rufen feierlich:

„Verstehen wir, ein Gentleman genießt und schweigt.“
 

Am nächsten Morgen haben einige Soldaten einen Kater und bekommen Ärger von Oberleutnant Loran, der einfach nur genervt ist von der ganzen Angelegenheit. Nico hat ebenfalls reichlich getrunken, doch hat er diese Probleme an nächsten Morgen nicht und auch noch niemals gehabt. Er tritt wie befohlen in aller Frühe seinen Dienst an, wird in seinen Posten eingewiesen, erhält einen neuen Arbeitsplatz und wird auf den neuesten Stand gebracht. Viel hat sich während seiner Abwesenheit nicht geändert.

Die Königin steckt ihrem Hauptmann am Nachmittag einen Zettel zu, auf dem geschrieben steht wie er durch einen Geheimgang in ihr privates Quartier gelangen kann. Er soll sich unbedingt vorsehen und ungesehen bleiben. Früher lud sie ihn ganz offen zu ihm ein, doch nun ist dies ihr Weg die Offiziere heimlich zu sich zu rufen. Er freut sich die Information über den geheimen Gang erhalten zu haben. Eigentlich würde ihm das schon reichen, doch er muss noch sicher stellen, dass er den Wachhund der Königin nicht zum falschen Moment dort hinein schickt. Er braucht schon handfeste Beweise gegen sie.

Nico ist guter Hoffnung die Mission vielleicht in wenigen Tagen schon erfüllt zu haben. Früher hat er die Avancen seiner Königin schon mehrfach zurückgewiesen, doch diesmal befindet er sich in einer anderen Situation. Er wird ihrer Einladung folgen müssen, um sein Wohlwollen zu beweisen. Er kann sie auch hinter verschlossener Tür noch zurückweisen, doch er hat nichts dagegen offen mit ihr zu sprechen, ohne von König Riecards Mann bespitzelt zu werden.

Dass sie vor vier Wochen den Geheimgang gefunden hat, war ein Glücksfall für sie. Sie hat ihn nicht selbst anlegen lassen, sondern er war schon vorhanden als sie hier eingezogen ist. Sie lehnte sich gegen die Wand neben ihrem Bett und bemerkte einen leichten Luftzug, der ihr verriet, dass sich dahinter etwas verbirgt. Bisher wissen nur ihre Offiziere davon.
 

Wie befohlen betritt der junge Hauptmann am Abend das Quartier seiner Königin. Der Eingang ist nicht schwer zu finden, jetzt wo er weiß, wo er sich befindet. Links neben ihrem Bett öffnet sich eine kleine Geheimtür, aus der Nico gebückt heraustritt. Er war noch niemals in ihrem Quartier uns schaut sich erst einmal die Gegebenheiten ab. Es ist ein recht großer Raum, der aus zwei Teilen besteht. Im vorderen Teil an der Tür befindet sich eine Couchgarnitur und im hinteren das Bett. An den Wänden sind Öllampen angebracht, die oft zu brennen scheinen, was die Rußreste direkt hinter ihnen an der Wand verraten. Vom Geheimgang aus kann man die Couchgarnitur kaum einsehen und das Bett ist ziemlich nah am der versteckten Tür in der Wand. Das sind keine guten Voraussetzungen für ein Spitzel, der von seinem Versteck aus lauschen soll, zumindest solange sie nicht im Bett ist, doch es nützt nichts. Nico muss mit dem Leben was er vorfindet. Es muss trotzdem funktionieren.

Estell ist hocherfreut als Nico eintritt und steht von der Couch auf, um ihn zu empfangen.

„Endlich besuchst du mich, Nico. Es ist wunderbar dich wieder in Uniform zu sehen. Keinem steht sie so gut wie dir, mein Lieber. Oje, und wie ich sehe hast du deine Orden verloren. Ich lasse sie dir ersetzen und verleihe dir noch einen weiteren, wenn du willst, aber bitte nimm erstmal Platz.“

Sie deutet auf die Couch und er setzt sich. Vor ihm steht ein leeres Glas, das Estell gerade mit Cognac füllt. Nico vermutet, dass sie schon ein, zwei Gläschen getrunken haben muss, denn sie macht auf ihn einen leicht angeheiterten Eindruck. Bemerkenswert ist auch was sie trägt, oder eher was sie nicht trägt. Ihr Kleid besteht aus einem engen Korsett mit Spitze, das ihre Brüste sehr stark betont und einem sehr kurzen Seidenrock. Sie hat die Haare nicht wie sonst hochgesteckt, sondern trägt sie offen. Estell hat schönes schwarzes wallendes Haar und es steht ihr gut, doch mit dem von Kara kann es nicht mithalten. Nico beschleicht der unangenehme Verdacht, dass sie sich heute mit ihm nicht nur verbal austauschen möchte. Das macht ihn etwas unruhig, denn so hatte er sich das ganz und gar nicht gedacht. Die Königin nimmt nun neben ihm Platz, rutscht nah an ihn heran und lächelt lieblich, als sie beginnt zu erählen.

„Ach Nico, weißt du warum ich das hier eigentlich alles mache?“

„Soweit ich weiß, wollt Ihr Yoken zur Kooperation bewegen.“ Antwortet er gefasst, worauf sie ihre Hand auf seinem Bein ablegt und er kurz die Luft anhält.

„Ja, das ist die offizielle Version. Aber weißt du, Yoken ist bereits verhandlungsbereit, seit einer ganzen Weile schon. Ich halte die Besetzung von Kalaß aus einem anderen Grund aufrecht.“

Sie nimmt ihr Cognacglas, trinkt einen Schluck und wird darauf melancholisch.

„Weißt du eigentlich, dass Riecard sich ein Dutzend Frauen zu seinem Vergnügen unterhält?“

Nico ist das bekannt, doch er hat keine Lust auf ihre Frage zu regieren, immerhin zielt sie in eine ihm unangenehme Richtung. Auf sein Schweigen hin holt sie weiter aus:

„Ich habe es bei Hof nicht mehr ausgehalten und mir einen Weg gesucht um von dort auszubrechen. Um Riecard zu verletzen habe ich mich mit schönen Männern umgeben, doch es hat ihn nicht einmal interessiert. Er stimmte ohne an mir zu zweifeln meiner Auswahl zu. Ich glaube ich fing aus reinem Trotz an wirklich mit ihnen zu schlafen. Erst als neuerliche Gerüchte aufkamen, schickte er mir einen Überwacher auf den Hals. Nach mehr als einem Jahr, Nico, mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis er dahinter kam. Ich glaube es ist ihm vollkommen egal was ich hier mache, Hauptsache ich beschmutze seine Ehre nicht. Er als König darf offiziell so viele Mätressen haben wie es ihm beliebt, aber wenn ich mir einen Liebhaber suche, wird gleich eine Staatsaffäre daraus gemacht. Ich sehe es nicht mehr ein die treue Gattin zu spielen, der Verrat an meinem Gatten schmerzt mich dennoch, deshalb bin ich inzwischen unsicher.“

Ihre Hand wandert ein Stück Nicos Oberschenkel hinauf. Er schluckt und fragt sie wie er sich aus der Situation herauswinden könnte. Ihre Lebensgeschichte interessiert ihn nicht im Ansatz, deshalb überlegt er fieberhaft wie er das Thema ändern könnte. Als sie mit einer Verzweiflung in der Stimme, die er so noch niemals von ihr gehört hat, fragt:

„Nico, sag mir, findest du mich deshalb abstoßend? Verurteilst du mich für mein Handeln?“

Fühlt er sich in die Ecke gedrängt. Er versucht sich eine möglichst diplomatische Antwort auszudenken, mit der er sie nicht beleidigt, sie aber im nächsten Moment auch nicht gleich über ihn herfällt. Noch bevor er seine Antwort formulieren kann, spricht sie weiter.

„Nico, du bist der einzige, den ich das fragen kann, ohne Gefahr zu laufen, angelogen zu werden. Die anderen Offiziere sagen was ich hören will, aber du nicht. Du bist der einzige, der mir Kontra gibt, sei es in der Politik oder bei meinen Annäherungen an dich. Vielleicht hilft es dir über mich zu entscheiden, wenn ich dir sage, dass ich niemanden mehr an mich heran gelassen habe, seit du verschwunden bist. Mir ist klar geworden wie einsam ich bin. Keiner hier liebt mich als Frau, sondern nur als ihre Imperatorin. Vielleicht kann man mich auch gar nicht lieben, ich weiß nicht? ... Deshalb bitte ich dich mir ehrlich zu sagen, ob du mich verurteilst?“

Nun kann Nico nicht mehr ausweichen, denn er ist ihr eine Antwort schuldig. Immerhin ist er schon froh, dass ihre Hand an seinem Bein nicht weiter nach oben gerutscht ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie sich mit ihm gerade sehr unsicher ist. Notgedrungen antwortet er:

„Nein, ich verurteile Euch nicht. Riecard ist kein guter Ehemann, denn er hat Euch dazu getrieben Eure eigenen Ideale zu vergessen.“

Glücklich über seine Antwort wendet sich die Königin ihrem Angebeteten nun noch weiter zu. Sie legt ihren Arm auf der Rückenlehne hinter ihm ab und fährt ihm durch sein volles, violettes Haar. Die Hand an seinem Bein bewegt sich zu Nicos Erleichterung wieder nicht. Er hofft inständig, dass sie ihm nicht zwischen die Beine geht, denn er hat in der letzten Zeit zwar viel Frust, aber auch sehr viel Lust mit Kara aufgebaut, die er nirgends kompensieren konnte, sodass sein Körper bei der kleinsten Berührung höchstwahrscheinlich mit Erregung reagieren wird. Estell würde das natürlich auf sich beziehen und ihn in eine problematische Lage bringen.

„Du weißt gar nicht was das für mich bedeutet, mein lieber Nico.“

Schmachtet sie ihn erleichtert an, doch in diesem Moment hat er eine Idee wie er das wieder sachlicher werden lassen kann und fragt, ihre Hand an seinem bei ein wenig weg schiebend:

„Aber wenn Yoken bereits verhandlungsbereit ist, warum ist es Euch dann jetzt nicht genug? Ihr habt doch alles erreicht was Ihr wolltet. Warum habt Ihr mich nicht schon damals in die Verhandlungsbereitschaft König Miikals von Yoken eingeweiht?“

Estell findet diese Frage ihres hübschen Hauptmanns fast naiv niedlich, deshalb kichert sie:

„Hihi, ach Nico. Es ist doch nicht genug, solange Kalaß autonom ist. Nein, ich fühle mich hier viel wohler als bei Hof. Ich plane Kalaß dauerhaft als meinen Herrschaftssitz auszubauen und mich vom Königreich Roshea zu lösen.“

Damit hatte der Hauptmann nicht gerechnet und er fährt in sich zusammen. Er nimmt ihre Hände von sich und wird aufgebracht.

„Estell, was Ihr da plant würde Kalaß in den Krieg stürzen, einen der nicht zu gewinnen ist.“

Estell erwidert kichernd:

„Genau deshalb mag ich dich, mein lieber Nico. Du sagst was dir in den Sinn kommt. Natürlich wäre ein offener Krieg mit unserer kleinen Einheit nicht zu gewinnen, doch es geht auch anders. Am Hof gibt es bereits einen Konflikt über die Rechtmäßigkeit von Riecards Herrschaft, viele Streitereien über die Thronfolge und mindestens fünf hervorragende Thronanwärter. Würde Riecard etwas zustoßen, dann würden sie sich gegenseitig zerfleischen und damit den ganzen Hof ins Chaos stürzen. Das gesamte Militär wird währenddessen auf mich blicken, denn ich bin und bleibe die höchste Generalin des Königreiches Roshea, ganz unabhängig von meinen Titel als Königin. Während sich der Hochadel weiter streitet, steige ich durch einen Militärputsch an die Spitze des Landes auf. Nach Nalita will ich allerdings nicht zurück. Ich regiere von Kalaß aus, das ebenfalls fast mein ist.“

Darauf weiß Nico nichts zu entgegnen, denn er wusste nicht, dass sie solche Ambitionen hat.

Die Imperatorin erklärt sanft:

„Ach Nico, so viel wollte ich dir gar nicht gleich am ersten Abend verraten. Ich habe mich so über deinen Besuch gefreut, dass du mir schon all meine Geheimnisse entlocken konntest, du hübscher Schlingel. Sehr geschickt von dir. Dann brauche ich den Rest auch nicht mehr für mich zu behalten.“

Sie richtet sich auf und breitet ihre Arme vor ihm aus.

„Mein liebster Nico, ich möchte dir ein Angebot machen. Es ist beeindruckend, welchen Einfluss du in nur einem Jahr auf das hier stationierte Regiment hattest. Ich habe deine Ankunft gestern genau beobachtet. Die Soldaten ehren dich nicht, sie vergöttern dich, ganz genauso wie ich. Du bist so geeignet wie kein anderer. Führe diese Stadt und auch Roshea mit mir gemeinsam in eine bessere Zeit! Kein Mann ist so geeignet Imperator zu werden wie du es bist. Du vereinst die Massen mit deinem Charisma und deiner Führungsstärke.“

Der junge Hauptmann glaubte auf alles vorbereitet zu sein, doch so ein Angebot hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Er würde ja behaupten sie sei größenwahnsinnig, doch ihr Plan ist gut, könnte sogar durchaus funktionieren und entbehrt nicht einen gewissen Reiz für ihn. Er spielt alles in Gedanken durch, während sie sich nach von zu ihm beugt und beginnt mit ihrer Hand unter seiner geöffneten Jacke über seinen Oberkörper zu fahren, während sie zärtlich fragt:

„Was sagst du dazu, Imperator Nico?“

Ins Leere an ihr vorbei blickend, drückt ihre Hand von sich weg und steht auf.

„Hört doch mal auf mit dem Gefummel und lasst mich nachdenken!“

schimpft er unsensibel, schroff und gedankenverloren, ohne Rücksicht auf seine eigentlich missliche Lage zu nehmen. Genau so kennt und liebt Estell ihn, weshalb sie sich keinerlei Gedanken darüber macht. Er geht ein Stück im Raum umher und sie folgt ihm. Als er stehen bleibt, legt sie ihren Kopf auf Nicos Rücken, umarmt ihn von hinten und fragt:

„Du bist doch nicht wegen dieser Frau zögerlich, die du vor Loran beschützt hast, oder doch? Das wäre sehr verletzend für mich.“

„Was soll sie damit zu tun haben?“

sagt er als sei sie eine Nebensache, was die Imperatorin ihm abkauft. Wieder fährt sie in seine Jacke und diesmal sogar unter sein Shirt und streichelt über seine Bauch- und Brustmuskeln. Am liebsten würde sie ihn einfach aufs Bett werfen und ihn sich nehmen, doch sie spürt, dass sie ihn fast so weit hat, bis er die Führung übernimmt. So lange kann sie jetzt auch noch warten.

„Estell, ich habe jetzt keine Lust auf sowas. Ich brauche etwas Zeit. Ich kann das nicht sofort entscheiden, versteht Ihr?“

ist seine heutige finale Antwort. Wieder nimmt er ihre Hände von seinem Körper und dreht sich zu ihr, als sie verständnisvoll lächelnd antwortet:

„Vielleicht war das wirklich etwas zu viel für einen Tag. Ich gebe dir bis morgen Abend Bedenkzeit.“
 

Der junge Hauptmann ist erleichtert aus dieser Situation nochmal mit heiler Haut herausgekommen zu sein. Er wünscht Estell eine gute Nacht und verlässt ihr Quartier. Ihm ist klar geworden, dass er dem Spitzel keinen Termin nennen kann, an dem Estell von einem anderen Offizier einen nächtlichen Besuch bekommt. Der einzige Herrenbesuch den sie empfangen wird, wird seiner sein und er hat mehr Zeitdruck als er dachte. Das war es, was ihm durch den Kopf schoss, als sie ihm das Angebot seines Lebens gemacht hat. Er legt eine Hand in sein Haar als ihm bewusst wird was das für ihn bedeutet. Er sieht Kara in seinem inneren Auge vor sich, weshalb eine Brust schmerzt. Er macht in dieser Nacht kein Auge zu.



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