Der König von Kalaß von Elnaro ================================================================================ Kapitel 1: Des Hauptmanns Heimat -------------------------------- Pom pom pom, klopft es drei mal hart an der blauen Holztür der alten bettlägerigen Margret, die geschockt über das Laute Geräusch des ungebetenen Besuches zusammenzuckt. „Versteck dich, Kind!“ flüstert sie, mit einem Gesichtsausdruck, der eher einem panischen Ruf entsprechen würde. Es ist bereits dunkel und die Sperrstunde hat schon lange begonnen, zu der sich jeder Bewohner der Stadt nur in seinem eigenen Haus aufhalten darf, doch die alte Dame ist nicht allein. Der ungebetene Gast tritt in das Haus ein, ohne ein Zeichen der Bewohnerin abgewartet zu haben. Natürlich ist er ein Soldat, was auch sonst? Doch es ist nicht irgend einer, das erkennt die alte Dame sofort. Es ist der Hauptmann der Besatzungsmacht höchst persönlich, der sie mit einem abendlichen Besuch beehrt. „Guten Abend, die Dame. So spät abends noch Licht? Das ist ungewöhnlich für Sie. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ fragt er laut, jedoch frei jedwedes einschüchternden Tonfalls, sondern fast schon freundlich. „Führen Sie darüber Buch?“ will Magret spitz wissen. Er soll ruhig merken, dass er unerwünscht ist, er und das ganze üble Soldatenpack da draußen. „Das tue ich in der Tat. Was glauben Sie wie ich sonst den Überblick behalten soll? Na wie auch immer. Es scheint Ihnen gut zu gehen. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht.“ Der Soldat bleibt freundlich, aber auch skeptisch. Er lässt kurz seinen Blick durch den Raum schweifen, bemerkt den frisch aufgebrühten Tee und eine mitten im Raum stehende Tragetasche, lässt sich davon jedoch nichts anmerken und verlässt das kleine Haus wieder. Ein hübscher Kerl, findet Margret. Wenn er doch nicht zu falschen Seite gehören würde. „Du kannst wieder heraus kommen, Liebes.“ fordert die alte kranke Dame ihren Besuch auf. Noch etwas geschockt, aber auch erleichtert krabbelt die junge Ärztin Kara unter dem Bett hervor, die sich in der kürze der Zeit kein besseres Versteck suchen konnte. Sie kann froh sein überhaupt darunter gepasst zu haben. Wäre sie nicht so schlank, hätte man sie wohl erwischt. Verstehen konnte sie allerdings nichts von dem was gesagt wurde. Sie sah nur ein Paar Militärstiefel unmittelbar und bedrohlich vor sich stehen. Sie hat sich noch nicht einmal ganz erhoben, da stößt der Soldat Margrets blaue Tür erneut auf und tritt mit einem großen Schritt in das Haus ein. Er stellt sich direkt vor die, noch vor dem Bett hockende Ärztin. Ihr bordeauxrotes Haar ist so lang, dass es auf dem Boden aufliegt, was seinen Blick ein wenig fesselt. Mit ihren türkisen Katzenaugen schaut sie langsam an dem Soldaten hinauf, erkennt einige Abzeichen an seiner Brust und ahnt schon um wen es sich handelt, denn dieser Soldat ist kein Unbekannter für sie. Es ist Nico Dugar, der Hauptmann der die Stadtkontrollen koordiniert. Nicht nur der alten Dame ist aufgefallen, dass es sich bei ihm um einen ausgesprochen schönen und groß gewachsenen Mann handelt. Auf die junge Ärztin Kara wirkt er sehr anziehend, was sie sich unter diesen Umständen jedoch nur sehr ungern eingesteht. Seine Haltung ist außergewöhnlich aufrecht, selbst für einen Soldaten. Er streicht sich sein dunkles, violett schimmerndes Haar an seinem rechten Scheitel nach hinten, als er die junge Frau erkennt. In einem klaren und strengen Ton weist er sie nun zurecht: „Kara, was denkst du dir nur dabei?“ Ein kurzer Blick auf sein Gesicht genügte ihr. Sie vermeidet lieber den Blickkontakt zu ihm und schaut deshalb angestrengt zu Seite. Kühl entgegnet sie: „Du weißt was ich von der Sperrstunde und dem Militär halte, Nico.“ Er kann sie ja verstehen, doch an der Sache ändern kann er nichts. Resigniert atmet er aus, wobei er seine Haltung lockert. Anstatt von ihm weiter Notiz zu nehmen, steht die junge Ärztin elegant auf und wendet sich einer kleinen Kommode zu, beendet die Mixtur einer Salbe gegen Margrets Ausschlag und verreibt sie anschließend sanft auf dem Arm ihrer Patientin. Der junge Hauptmann beobachtet sie dabei geduldig. Sie trägt wieder einmal nur ein leichtes und sehr kurzes Kleid und das obwohl der Winter gerade erst vorbei ist. In Kalaß herrscht jedoch ein so angenehmes Klima um diese Jahreszeit, dass sie damit trotzdem nicht friert. Schön für den jungen Mann, der sich auf diese Weise um so häufiger an der Ästhetik Karas makelloser Figur erfreuen kann. Sie beendet ihre Behandlung, deshalb packt Nico die junge Frau etwas unsanft am Handgelenk und zieht sie, sich freundlich von Margret verabschiedend, hinter sich her. Kara kann gerade noch so nach ihrer Tasche greifen, bevor er sie zum Hinterausgang in die Nacht hinein führt. Erst an einer schwach beleuchteten dunklen Gasse macht er Halt. Diese Frau bringt ihn noch irgendwann zum Verzweifeln. Als hätte er nicht schon genug Probleme, muss sie sich für ihre Berufsehre auch noch solchen Gefahren aussetzen. Dafür kann er nur wenig Verständnis aufbringen. Er positioniert sie zwischen sich und einer Ziegelmauer und wirft ihr, sich um einem sanften Klang in der Stimme bemühend, vor: „Ich will gar nicht daran denkenwas geschehen wäre, wenn nicht ich dich zuerst gefunden hätte. Weißt du was meine Leute mit schönen jungen Frauen wie dir machen, wenn ich gerade nicht da bin? Diese Soldaten zu hüten ist schwerer als die Stadt unter Kontrolle zu halten und es wird immer schlimmer, je länger die Besatzung anhält. Kara, ich kann dich nicht immer beschützen.“ Auf den vebalen Angriff des forschen Hauptmanns reagiert sie mit einer inneren Abwehrhaltung, auch wenn sie genau weiß, dass er recht hat. Immerhin hat ihr Herz hat einen kleinen Freudensprung gemacht, als er sie als schön bezeichnete. Natürlich ist sie froh, dass er es war, der sie gefunden hat und kein Anderer, denn sonst würde sie jetzt wirklich in der Klemme stecken, das ist ihr klar. Trotzdem ist es ihr vor ihm ganz besonders unangenehm. Seit er, zusammen mit der Besatzung, nach Kalaß zurückkehrte, sind sich die beiden bisher zwei mal bei Routinekontrollen begegnet, doch dies ist es das erste Mal, dass sie vollkommen allein sind. Die beiden sind Freunde aus Kindertagen, doch Nico entschied sich dazu dem Königlich Rosheanischen Militär beizutreten, was ihn nun in die missliche Lage bringt seine eigene Heimatstadt besetzt zu halten. Er freute sich auf ein Wiedersehen mit ihr, doch die sah nur einen Feind, einen Überläufer in ihm. Trotz dieser Enttäuschung empfindet sie immer noch Gefühle für ihn, die sie für Kindereien hält. In diesem schwachen Licht kann Kara seinen Gesichtsausdruck kaum erkennen. Sie vermutet, dass er verärgert sein könnte, was er in Wahrheit nicht ist. Es scheint keinen Sinn mehr zu haben vor ihm weiter davon zu laufen wie sie es schon einige Zeit tut. Da sich die beiden immer nur missverstehen, ist jetzt der geeignete Zeitpunkt gekommen ihm zu sagen, was sie bewegt: „Nico, tritt aus dem Militärdienst aus und hilf uns einen Widerstand aufzubauen! Mit deinem Wissen könnten wir uns vielleicht richtig gegen die Besatzung wehren. Was bringt es, wenn du nur mich beschützt?“ Er lächelt sanft und schüttelt leicht dem Kopf. Er streicht sich mit seiner linken Hand durchs Haar und sagt ein wenig eitel, aber auch verständnisvoll: „Ich bin in meiner jetzigen Position doch viel wertvoller für euch. Weiß du denn nicht, dass ich der Kalaßer Stadtwache detaillierte Informationen über die geplanten Kontrollen zuspiele? Davon abgesehen muss ich dich anscheinend aufwecken. Was habe ich nicht schon alles über das Königlich Rosheanische Militär, seine Truppenstärke, Hierarchien und Stützpunkte weitergeleitet? Warum bleibt eure Stadtwache und euer Ältestenrat trotzdem weiterhin vollständig untätig? Ich glaube nicht, dass sie noch weiteres Wissen von mir benötigen. Ich denke eher das Problem liegt darin, dass sie mir nicht Vertrauen.“ Kara wusste davon nichts und ist überrascht. Sie steht in Kontakt zur Vorsitzenden des Kalaßer Ältestenrats, doch diese hat nie etwas darüber erzählt. Ihre Unwissenheit beschämt sie, was Nico trotz des schwachen Lichts an ihrem Blick erkennen kann. „N-Nico, das habe ich nicht gewusst. Ich...ich weiß sogut wie gar nichts über den Zustand der Besatzung und...auch nicht über dich, seit du fort gegangen bist.“ flüstert die junge Ärztin inzwischen etwas eingeschüchtert. Ihr neuerliches Interesse an ihm gefällt ihm. Er hatte nämlich schon bei ihrem ersten Wiedersehen klar gemacht, dass er ernsthaftes Interesse an ihr hat, doch sie verhielt sich eher zurückweisend. Nico bewundert ihre anmutige Schönheit, die auch ihre momentane Unsicherheit nicht wett macht. Das schwache Licht, das aus einem der Fenster in die Gasse gestrahlt wird, lässt ihre Augen funkeln. Es fällt ihm schwer sich in einem solchen Moment zu kontrollieren und er gibt seinem Verlangen nach endlich ihr wunderschönes langes Haar zu berühren, das ihn so fasziniert. Er kann nicht mehr an sich halten und sieht auch keinen Grund dazu, denn mehr als zurückweisen kann sie ihn nicht. Er greift nach einer ihrer langen roten Haarsträhnen und lässt sie zärtlich durch seine Finger gleiten. Kara zuckt leicht irritiert zusammen, erinnert sich aber daran, dass Nico das schon früher gemacht hat, doch jetzt wo sie beide erwachsen sind, fühlt es sich anders an. Sie hatte durchaus bemerkt, dass sie ihm nicht egal ist, doch sie dachte das hätte mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit zu tun und dass er sie deshalb auch immer noch als Kind betrachtet. Er nähert sich ihr Stück für Stück, während er die Haarsträhne in seiner Hand betrachtet. Selbst für Kara, die in Beziehungsfragen manchmal etwas auf dem Schlauch steht, ist klar, dass er etwas für sie empfindet, doch auch wenn sie es erwidert, bleibt er einer der Besatzer ihrer Heimatstadt und damit kommt sie nicht zurecht. Nico sieht Kara sanft und direkt in ihre katzenhaften, türkisblauen Augen, die in diesem schwachen Licht ihre Tiefe nur erahnen lassen. Er kommt noch einen kleinen Schritt näher an sie heran und sagt nach einigem Zögern fast zärtlich: „Geh mit mir nach Yoken!“ Überrascht legt sie ihre Hand auf seine Brust und drückt ihn von sich weg. Im Gedanken er wolle dieser Stadt genau so entfliehen, wie er es vor zehn Jahren schon getan hat, wendet sie sich ein Stück von ihm ab und antwortet schroff: „Vergiss das gleich wieder, Nico! Ich werde Kalaß nicht verlassen, denn sie braucht uns.“ „Von hier aus können wir nichts ausrichten, Kara, glaub mir das. Deshalb möchte ich dich bitten mich zu begleiten.“ versucht er zu erklären, doch das macht sie nur noch wütender. „Du denkst du kannst hier nichts ausrichten und willst einfach alles hinter dir zurück lassen? Das ist typisch für dich!“ Der junge Hauptmann weiß gar nicht was er falsch gemacht hat und versucht zu schlichten: „Wir sind hier in einem starren System gefangen, an dem wir nichts ändern können, Kara. Wir haben zu wenig Spielraum für Aktionen. Wir müssen raus aus Kalaß. In Yoken finden wir vielleicht...-“ Kara unterbricht ihn verständnislos: „Wie egoistisch bist du eigentlich? Ich dachte ich habe in dir einen Verbündeten gefunden, aber du willst uns nur alle im Stich lassen. Dann geh doch alleine nach Yoken! Hab ein schönes Leben!“ Die junge Frau stürmt völlig verständnislos und wutentbrannt davon und Nico versucht sie vergeblich aufzuhalten: „Du verstehst mich falsch. Yoken ist von dieser Besetzung auch sehr stark betroffen. Es geht mir um Unterstützung...von...“ Es hat keinen Sinn weiterzusprechen, denn er muss leise machen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und die junge Frau ist ohnehin schon zu weit entfernt um zu verstehen was er ihr versucht zu sagen. Sie will es auch gar nicht hören, denn sie glaubtverstanden zu haben was er will. Sie ist davon überzeugt er wolle aus der für ihn unbequemen Situatuin fliehen, so wie damals, als er sie einfach hier zurück gelassen hat. Nico ist der Überzeugung es gäbe genau drei Wege die Besatzung zu beenden. Den ersten versucht er gerade vergeblich zu beschreiten, indem er der Stadtwache wertvolle Informationen zukommen lässt. Er hatte gehofft, dass sie diese für gezielte Manöver gegen die rosheanische Besatzug einsetzen, um sie zu vertreiben, aber es tut sich überhaupt nichts. Der zweite Weg führt über eine Abkommandierung der Truppen durch den König von Roshea, doch Nico hat noch keine Idee wie er darauf Einfluss nehmen kann. Der letzte Weg führt über den Eingriff einer anderen starken Nation, nämlich dem angrenzenden Königreich Yoken. Mit deren Unterstützung wäre es vielleicht möglich Kalaß zurück zu erobern. Ohne Kara an seiner Seite will er die Stadt jedoch nicht verlassen. Nico sieht ihr noch so lange nach wie er kann. Er atmet schwer aus und schließt kurz die Augen. Er braucht einen Moment, um seinen Ärger über das Missverständnis herunterzuschlucken. Ein bei ihm sehr selten vorkommendes Gefühl beschleicht den sonst so zuversichtlichen Hauptmann. Er sorgt sich um das Wohlergehen der jungen Ärztin, die nicht wie sonst von der heißspornigen jungen Stadtwache begleitet und mit Leidenschaft verteidigt wird, mit der er schon einmal aneinander geraten ist. Nico war erleichtert einen so fähigen Leibwächter an ihrer Seite vorzufinden, denn aus seiner Sicht stellt Kara ein attraktives Ziel für fehlgeleitete Soldaten dar. Sie völlig ungeschützt Patientenbesuche ausführen zu lassen, findet er zu diesen Zeiten unverantwortlich, aber vielleicht ist er in dieser Sache auch nicht ganz unvoreingenommen. Sie ist schließlich nicht irgendein Mädchen, sondern seine einzige Kindheitsfreundin und der Grund warum sein Herz noch immer in seiner Heimat Kalaß verankert ist. Erfolgsverwöhnt sucht er nach Fehlern, die er in der Konversation gemacht haben könnte. Normalerweise richtet sein angeborener Charme alle Unstimmigkeiten, doch ausgerechnet bei dieser einen jungen Frau, nach der er gesucht hat, scheint er nicht zu wirken. Unter den vielen Einwohnern der Stadt war sie gar nicht so leicht aufzuspüren und es kann lange dauern, bis er ihr wieder begegnet, was ihn deprimiert. Er kehrt zurück zu seinem Regiment, das in der Tarbasser Festung stationiert ist und sucht dort seinen Lieblingsplatz auf, eine Terrasse auf der ein stetiger frischer Wind weht. Die Frühlingsnacht mag nicht besonders kühl sein, doch die frische Brise hilft dem jungen Mann seine Gedanken zu ordnen, die sich in der letzten Zeit immer stärker um dieses eine Mädchen zu drehen scheinen. Von der Terrasse kann er die ganze Stadt überblicken und auch wenn sie im Dunklen liegt, erkennt er im Schein des Mondes in allen Richtungen die riesige Stadtmauer, außer im Westen, wo sie sich zum großen Handelshafen hin öffnet. Südlich von ihm ragt das prunkvolle Kalaßer Rathaus aus den engen Gassen der Stadt empor und östlich erhebt sich die imposante Kathedrale am Marktplatz, ein Ort in dem er als Kind viel Zeit verbracht hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)