Liebe führt, wie zu erwarten... nach Amerika? von Lyndis (Liebe führt Teil 3) ================================================================================ Zugzwang -------- Kai   Flashback   ... ... ... ... "Argh!" Mit einem wütenden Schwung wischte er die Papiere von seinem Schreibtisch. Er konnte sich nicht konzentrieren. Eine Woche war der Streit mit Yuriy jetzt her. Eine verdammte Woche und es wurde einfach nicht besser! Er hatte es ignorieren wollen. Hatte einfach so weiter machen wollen. Irgendwann wäre er bereit gewesen Rei gegenüber zu treten und ihm zu erklären, dass Yuriy gelogen hatte. Aber es ging nicht. Er konnte nicht mehr schlafen und nicht mehr arbeiten. Immer wieder hallten Yuriys Worte in seinen Ohren. Es war unerträglich. Jede Sekunde die verstrich, schnürte ihm mehr und mehr die Luft ab. Jede Sekunde die er wartete, schürte nur die Panik in ihm. Die Panik Rei nun verloren zu haben. Wenn er ihn nicht sah, nicht mit ihm sprach, dann konnte er sich wenigstens einbilden, das alles gut war. Aber das war es nicht. Er konnte nicht mehr davor weg laufen, das ertrug er einfach nicht mehr. Alles war besser, als der Zustand, in dem er jetzt war. Alles.   Er warf einen Blick auf die Uhr und seufzte. Rei wäre jetzt wie jeden Mittwochnachmittag im Park, in der Nähe der Uni und würde dort bis zu seinen Abendkursen die Zeit verbringen. Kai wusste das, weil er ihn hatte beobachten lassen. Nicht von Yuriy natürlich, das wäre zu auffällig gewesen, aber es war nicht schwer gewesen, jemanden in seinem Jahrgang zu finden, der moralisch flexibel genug gewesen war, um ihm gegen Geld Informationen über Gewohnheiten von Rei zukommen zu lassen. Natürlich war das nicht die feine Art und sicherlich nicht normal. Aber seit wann war Kai normal? Er hatte Rei keinen Schaden zugefügt und einem Studenten geholfen, sein Studium zu finanzieren. Er sah da kein großes Problem drin, auch wenn er wusste, dass Rei sauer sein würde, wenn er das herausfände.   Es hatte allerdings den großen Vorteil, dass er Rei jederzeit finden konnte, wenn er wollte. Außerdem war er fair geblieben. Er hatte sich nur Informationen über mögliche Aufenthaltsorte geben lassen. Reis Privatleben hatte er unangetastet belassen. Er schrieb seiner Sekretärin noch eine kurze E-Mail, dass er eine Weile nicht erreichbar sein würde, dann ging er und machte sich auf den Weg in den Park.   Es erinnerte ihn ein wenig an die Zeit in Japan, als sie beide sich Samstags immer trafen. Eine Weile lang war das Routine gewesen, die dann plötzlich abgebrochen war, als Rei umgezogen war. Er hatte mit ihm nie darüber geredet, was das für ihn bedeutet hatte, denn Kai hatte immer gewusst, dass, wenn Rei eine Wahl gehabt hätte, er bei ihm geblieben wäre. Dennoch hatte er eine gewisse Wut nicht unterdrücken können. Eine Wut, die wahrscheinlich letztendlich dazu geführt hatte, dass ihre Beziehung auseinander gebrochen war. Er hatte immer versucht dagegen zu steuern, aber jedes Mal, wenn er Rei gesehen hatte, egal wie viel Mühe der sich gegeben hatte, da hatte er daran denken müssen, dass er ihn verlassen hatte. Er hatte ihn allein gelassen. Plötzlich war dieses wunderbare Paradies weg gewesen, das sie sich zusammen aufgebaut hatten und übrig geblieben war nur Trostlosigkeit und Einsamkeit. Er hatte es ihm nicht verzeihen können, obwohl er ihm nicht einmal die Schuld gab. Manchmal war selbst er irrational und wie immer, wenn er das war, machte er damit irgendetwas kaputt. Er hätte sich mehr bemühen müssen, hätte seinen Stolz überwinden und mit Rei über seine Gefühle sprechen müssen. Stattdessen hatte er ihn gehen lassen. Hatte ihn in ein Leben geschickt, das genauso einsam und trostlos war, wie seines. Er war weg gelaufen, statt zu kämpfen, aber das würde sich jetzt endlich ändern. Er wollte wiederhaben, was er durch seine Dummheit verloren hatte. Er hoffte nur, dass es dafür noch nicht zu spät war.   Der Park war groß, deshalb dauert es eine Weile, bis er ihn fand. Noch immer war sich Kai nicht ganz sicher, was er sagen sollte, aber ihm würde schon irgendetwas einfallen, da war er sich sicher. Er nahm seinen Mut zusammen und trat in Reis Sichtfeld, dass da noch jemand war, fiel ihm gar nicht auf.   Brooklyn   Rei war noch immer aufgewühlt, von dem Treffen mit Yuriy. Brooklyn konnte das verstehen, so etwas war immer schwer zu verdauen. Gerne hätte er seinem Freund vorgeschlagen, dass sie versuchten Kai zu finden, um mit ihm über alles zu reden, aber dazu war es noch zu früh. Ein so delikates Thema musste langsam und behutsam angegangen werden. Brooklyn war sich sicher, dass Yuriy nicht die volle Wahrheit gesagt hatte. Rei und Kai hatten eine intensive, wenn auch schwierige Beziehung hinter sich. So etwas vergaß man nicht einfach. Mit so etwas war man nicht einfach fertig. Irgendwann käme der Punkt, an dem es nur noch eine Geschichte war, eine Erinnerung, die man seinen Kindern erzählte. Ein Abenteuer, das man genossen hatte und auf das man wehmütig zurückblicken würde. Trotzdem war es die Art Beziehung, die einen ein ganzes Leben lang verfolgte und bei der man sich nie sicher sein konnte, ob man mit ihr nicht doch das perfekte Glück gefunden hatte. Nicht, dass es so etwas wie perfektes Glück gab, aber der Punkt war doch, dass so etwas immer ein Teil des Lebens war.   Rei beteuerte, dass er Kai zutrauen würde, dass er das einfach vergessen konnte. Ja, Rei fragte sich sogar, ob die Beziehung für Kai so wichtig gewesen war, wie für ihn selbst. Leider konnte Brooklyn so sehr beteuern, dass dem definitiv so war, wie er wollte, Rei glaubte ihm nicht. Sein Selbstbewusstsein war sowie so schon erschüttert, zureden half da meistens nicht. Deshalb umging er das Thema im Allgemeinen und sorgte einfach dafür, dass sich Rei zwischendurch etwas entspannen konnte. Die Probleme die sein Freund derzeit hatte, musste der mit sich selbst ausmachen. Erst danach konnte er ihn auf die Idee bringen, sich doch einmal mit seinem Ex auszusprechen.   "Kai..." Ja, genau so hieß der Kerl. Moment, dachte Brooklyn, was? Sofort galt seine Aufmerksamkeit wieder der Wirklichkeit. Rei neben ihm hatte angehalten und starrte nach vorne zu einem jungen Mann mit grauen Haaren und roten Augen. Er trug Kleidung, die ihn zwar nicht als Geschäftsmann identifizierten, ihn aber auch deutlich von einem Studenten abhob. Dieser Kerl hatte Geld und Status, das sah man ihm sofort an. Er hatte aber auch kein Leben. Das sah man genauso schnell. Die Augen wirkten nahezu leblos, die Erscheinung steif und die Ringe unter den Augen zu dunkel, um nur von ein wenig Schlafmangel zu kommen. Das war also Kai. Irgendwie hatte er ihn sich so ungefähr vorgestellt. Es war exakt Reis Typ. Eben ein Kerl, dem man zeigen musste, wie man lebte und das Leben genoss. Rei zog selbst viel daraus, jemand anderem das zu zeigen. Es machte ihn glücklich. Er hatte dann das Gefühl, dass sein eigenes Leben mehr Sinn ergab. Nicht, dass sein Freund ihm das jemals gesagt hatte, aber für Brooklyn stand ihm das auf die Stirn geschrieben. Schätzungsweise war das einer der Schäden, die das ständige umziehen verursacht hatte. Junge Menschen, die so etwas durchmachten und sich selbst noch nicht gefunden hatten, konnten das Gefühl bekommen, nicht existent zu sein. Menschen brauchten das Gefühl wahrgenommen zu werden und einen Einfluss auf das Leben anderer zu haben. Rei hatte so etwas nie gehabt. Er hatte nicht sehen können, wie er andere beeinflusste. Er war immer zu schnell wieder weg gewesen. Und wenn ein Mensch keinen Einfluss auf irgendetwas hatte, verlor er das Gefühl wichtig zu sein und letztendlich auch die Sicherheit, dass er überhaupt existierte. Wenn Rei einem anderen das Leben zeigen konnte, hatte er einen enormen Einfluss auf dessen Existenz und somit rettete er damit nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst. Das war einer der Gründe, warum er Rei versuchte dabei zu helfen, sich seinen anderen Freunden zu offenbaren. Nur so konnte er Teil von deren Leben werden.   Aber das alles war gerade nicht wichtig. Es gab ein riesiges Problem. Was tat Kai hier? Was wollte er? War dieses Zusammentreffen ein Zufall? Brooklyn bezweifelte das. "Hallo, Rei." Die Stimme von Kai war tief und wohlklingend, aber auch distanziert und kühl. Dieser Mensch da vor ihnen, wusste genau, was er tat. Er hatte es kalkuliert, da war sich Brooklyn sicher. Nein, dieses Treffen war kein Zufall. Erstaunlicherweise sah Rei aber nun zu ihm auf. Er konnte die Unsicherheit und den Schock in seinen Augen sehen, auch wenn er versuchte, es hinter einem Lächeln zu verbergen. "Brooklyn, das ist Kai." Dann sah er hinüber, ergriff dabei aber meine Hand. Was wurde das? Aber ich spielte mit und erwiderte den Druck leicht. Vielleicht brauchte er gerade einfach nur etwas Halt. "Kai, das ist Brooklyn. Mein Freund." Glücklicherweise sprach Rei englisch, weshalb Brooklyn auch verstehen konnte, warum Kais Augen sich kurz, ganz leicht weiteten, als er das Wort 'Boyfriend' hörte. Es war wirklich gut zu wissen, dass sie beide zusammen waren. Wenn das hier vorbei war, würde er Rei fragen, was er mit solchem Unsinn hatte bezwecken wollen, aber für jetzt, würde er ihm den gefallen tun und einfach mitspielen. So lächelte er ruhig, verhakte ihre Finger miteinander und sprach ruhig, als wäre das ganz normal: "Kai! Wie schön, dich einmal kennen zu lernen. Rei hat mir viel von dir erzählt!"   Trotz all seiner Freundlichkeit, ging Kai sichtbar auf Abwehrmodus. Es war nur eine leichte Änderung, aber sein geübtes Auge konnte das wahrnehmen. So etwas wie Ekel spiegelte sich in seiner Miene. "Es freut mich ebenfalls, aber ich habe gerade keine Zeit. Ich bin auf dem Weg zu einem Meeting und darf nicht zu spät kommen." Und damit ging er einfach an ihnen vorbei, als wäre nichts gewesen. Etwas fragend sah Brooklyn zu Rei, dessen Lächeln auf seinen Lippen gefroren war und dem hoffentlich bewusst war, dass er eine Erklärung wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)