the world outside von Futuhiro (Magister Magicae 9) ================================================================================ Kapitel 14: willentlich ----------------------- „Es ist also kein Fluch im eigentlichen Sinne. Es ist nur ein Zauber, der einen Fluch von den beiden weglenkt.“, schloss Hedda ihren Bericht. Sie saß gerade mit Safall und Salome im Studentenkeller, trank einen über den Durst und erzählte dabei, was sie herausgefunden hatte, während sie in der Gestalt des Hausmeisters unterwegs gewesen war. Safall – dessen Haare wie versprochen inzwischen wieder schwarz waren – war ziemlich sauer, daß Hedda sich so in Gefahr gebracht hatte und unbedingt mit zwei Schwerverbrechern einen trinken gehen musste. Aber das störte sie nicht. Sie fand, ihre neuen Erkenntnisse waren das allemal wert gewesen. „Ich konnte natürlich nicht dämlich ranfragen, welcher Zauber genau es ist. Das wäre zu offensichtlich gewesen. Ich wollte mich ja nicht verraten.“, fügte sie an. „Ne Fluchumleitung? Wie geil ist das denn!?“, jubelte Salome beinahe. Als Student der Fluchwissenschaft musste er für sowas natürlich Begeisterung aufbringen. „Das ich sowas mal mit eigenen Augen sehen darf! Das ist extrem seltene Magie! Und auch nicht ganz ohne, möchte ich anmerken.“ „Wenn sie so selten ist, wird die Auswahl an möglichen Zaubern ja entsprechend gering sein. Dann können wir Sewill sicher helfen.“, überlegte Safall. Salome schüttelte den Kopf. „Ohne das Amulett können wir gar nichts machen. Und das hat Professor Akomowarov gerade.“ „Ist vielleicht auch gut so. Es klang, als könnten die ohne das Amulett den Zauber gar nicht erneuern. Ist doch gut für Sewill. Dann muss es mit ihr ja automatisch wieder bergauf gehen.“, meinte Hedda. „Nicht zwingend. Es gibt auch genug Zauber, die dir schaden, wenn du sie nicht regelmäßig erneuerst. ... Aber trotzdem, jetzt gibt einiges auch viel mehr Sinn. Das Amulett sollte keine Flüche abwehren, sondern anziehen. Mit dem Zeichen darauf wäre das möglich. Es kann sowohl abwehrende als auch anziehende Wirkung haben, wenn man es im richtigen Kontext anwendet. Sowas wie eine doppelte Verneinung, die dann wieder zu einer positiven Aussage wird. Aber das ist unüblich. In 99 Prozent der Fälle wird es zur Fluchabwehr genutzt. Auf die Idee, daß jemand fluchanziehenden Schmuck mit sich rumträgt, kommt ja auch keiner.“ „Wenn ihr Fluch an dieses Amulett gebunden ist, warum zerstören sie es dann nicht einfach? Akomowarov sagte doch, daß man einen Fluch an etwas binden muss und dafür meistens Dinge nimmt, die man leicht wieder zerstören kann, falls man den Fluch wieder aufheben will.“ „Genau das ist der Haken. Das Amulett war aus Silber, 999 Sterling, also so gut wie pur. Reines Silber ist gar nicht so leicht zu zerstören wie du denkst. Feuer und Wasser heben Silber nicht an. Es schmilzt vielleicht ein bisschen zusammen und ändert die Form, aber zerstört wird es von Feuer nicht. Und rosten tut es genauso wenig.“ „Man kann beim Juwelier Säure-Tests kaufen, mit der man die Echtheit von Silber feststellen kann.“, hielt Hedda dagegen. „Klar, aber die verfärben nur die Oberfläche ein bisschen. Es ist ja nicht das Ziel dieser Tests, das wertvolle Silber zu vernichten. Der Juwelier will das Silber schließlich noch verkaufen, nachdem er die Echtheit geprüft hat. Wenn du einen ganzen Klumpen Silber in diese Suppe reinschmeißt, dauert es Jahrzehnte, bis der komplett zerstört ist. Solange werden unsere beiden Pappenheimer wohl kaum mit dem Fluch leben wollen.“, meinte Salome nachdenklich. „Haben sie gesagt, was für ein Fluch das gewesen ist?“ „Nein. Und ich hab auch nicht gefragt. Sie haben nichtmal gesagt, wen der Fluch eigentlich treffen sollte. Nur, daß derjenige schneller tot war als sie dachten und der Fluch deswegen auf sie zurückgesprungen ist. Klang so, als hätten sie das Fluchritual nicht beenden können, bevor das Opfer gestorben ist.“ „Schon möglich. Flüche verpuffen nicht einfach, wenn sie ins Leere laufen. Wenn kein Zielobjekt da ist, suchen sie sich selber eins. Darum gab es zu allen Zeiten immer wieder Deppen, die sich versehentlich selber verflucht haben.“, nickte Salome. Safall seufzte leise. „Die haben was mit Professor Akomowarov zu tun, schön und gut. Die beiden Schläger, das Amulett, der Fluch, der Tote, dieser Akomowarov, das gibt alles ein Bild. Das könnte schon alles Sinne ergeben. Aber wenn ich nur wüsste, was Sewill in dem ganzen Konstrukt für eine Rolle spielt ...“ „Wahrscheinlich gar keine.“, entschied Salome. „Sie ist wohl einfach nur ein zufälliges Opfer, das zur falschen Zeit am falschen Ort war, wie so meistens.“ „Glaub ich nicht.“ „Na, willst du deiner Zwillingsschwester etwa eine Verstrickung in kriminelle Machenschaften anlasten?“ „Nein, das nun auch wieder nicht ...“, wehrte Safall missmutig ab. „Wir sollten mit Professor Akomowarov darüber reden. Aber der ist erst nächste Woche Dienstag wieder hier an der Uni. Wir müssen sehen, daß wir ihn da erwischen. Er neigt immer dazu, ziemlich schnell über alle Berge zu sein, wenn man ihn nicht gleich schon im Hörsaal festhält.“ „Denkst du das gleiche wie ich?“, wollte Hedda wissen, als sie an diesem Abend mit Safall allein in der Bibliothek saß. Natürlich in der Bibliothek. Wo sonst!? „Was genau meinst du? Mir schwirrt gerade vieles durch den Kopf.“, wollte Safall stöhnend wissen und lehnte sich zurück. Er musste kurz aufhören, über seinen Notizen zu brüten, die trotz allem Bemühen keinen Zusammenhang ergeben wollten. „Sewill verschweigt uns was, meinst du nicht? Sie muss doch davon wissen. Sie muss doch IRGENDWAS wissen. Der Hausmeister scheint regelmäßig in deiner Studentenbude ein und aus zu gehen, um irgendwelche seltsamen Zauber um Sewill herum zu erneuern, und sie behauptet ernsthaft, sie wüsste von nichts? Sie ist zu Hause in Schottland mehr oder weniger direkt das Opfer eines Fluches geworden, und die Typen, die dran Schuld sind, haben sie sogar bis hierher nach Düsseldorf verfolgt, und sie behauptet ernsthaft, sie hätte keine Ahnung davon gehabt? Es kann doch nicht sein, daß sie absolut gar nichts mitbekommen hat! Lag sie denn die ganze Zeit im Koma, oder was?“ Safall neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Es muss nichtmal böswillig sein. Es gibt sehr effektive Gedächtniszauber, die dich sowas vergessen lassen. Vielleicht hat unser Hausmeister ja eine Begabung für Gedächtniszauber, wer weiß. Mir macht es eher Sorgen, daß die uns von Schottland bis hierher nach Düsseldorf verfolgt haben, wie du schon sagst. Weißt du, was ich glaube? Das hängt mit dem Ruppert-Edelig-Mord zusammen. Der wurde auf den Orkney-Inseln erschlagen, da wo Sewill und ich herkommen. Dieser Akomowarov hängt da mit drin. Und diese beiden Kerle, die ich im Tee-Haus gesehen habe, auch. Ich schwöre Stein auf Bein, daß es die beiden waren, mit denen du heute Vormittag einen trinken warst. Deine Beschreibung passt wie die Faust auf´s Auge. Die beiden wollten Edelig verfluchen. Akomowarov hat, wo er von den Mordplänen wusste, den beiden Geld gezahlt, damit sie Edeligs Genius Intimus am Leben lassen. Und jetzt sind diese beiden hier und hinter Sewill her. Das passt alles zusammen. Zeitlich, räumlich, einfach alles. Es ist dieser Edelig-Mord!“, beharrte Safall. „Mal angenommen, es wäre wirklich ein Gedächtniszauber am Werk, könnte man den wieder aufheben? Könnte man Sewill dazu bringen, sich wieder zu erinnern?“ Er deutete ein leichtes Kopfschütteln an. „Ein guter Gedächtniszauber ist irreversibel. Ist eine Erinnerung einmal gelöscht, bleibt sie verloren.“ „Zumindest für denjenigen ...“, überlegte Hedda. „Du bist doch Hellseher, Safall. Versuch doch selber mal dein Glück! Deine Begabung erstreckt sich doch sowieso vordergründig auf Vergangenes.“ „Ich weiß nicht ... So gut bin ich nun auch wieder nicht, konkrete Personen an konkreten Orten zu einem konkreten Zeitpunkt zu finden, ohne genaue Namen und Daten zu haben. Ich studiere ja schließlich noch. Ich bin erst im 2. Studienjahr.“ „Also bitte. Du gehörst zu den Jahrgangsbesten.“, neckte das Mädchen ihn und rüffelte ihn mit dem Ellenbogen. „Das wirst du doch wohl hinkriegen.“ „Dazu müsste ich mehr wissen. Zumindest das genaue Datum und den genauen Ort des Mordes, am besten auch noch die Uhrzeit. Und den korrekten Namen von irgendeinem von denen. 'Third Eye' ist nur ein Deckname. 'Cord' alleine nützt mir auch nichts, ohne dazugehörigen Familiennamen ...“ „Versuch´s doch mal mit Ruppert Edelig.“ „Sehr wahrscheinlich auch nur eine Kurzfassung seines vollständigen Namens.“ „Herr Gott nochmal, dann nimm Sewill. Den korrekten Namen deiner Zwillingsschwester wirst du ja wohl wissen, oder?“ Safall verzog nur unleidlich das Gesicht und betrachtete wieder den großen Notizzettel, auf dem er alle Fakten und Wahrscheinlichkeiten zu Sewills schlechter Verfassung zusammengetragen hatte. „Du willst gar nicht, oder?“, bohrte Hedda unbarmherzig weiter. „Nein, will ich nicht!“, blaffte Safall herrisch zurück. „Ich will mir keinen Mord ansehen! Ich will nicht Augenzeuge davon werden, wie jemand umgebracht wird! Denk doch mal ein bisschen an mich und wie es mir dabei geht, wenn ich solche Visionen habe! Sowas live mitzuerleben, ist traumatisch! Es verändert einen da oben!“ Er tippte sich vielsagend gegen den Schädel, um zu verdeutlichen, was er meinte. „Ich will es nicht so weit bringen, daß ich noch psychologische Hilfe nötig habe!“ Hedda zog reumütig den Kopf ein. So hatte sie das wirklich noch nicht betrachtet. „Und da liegt auch schon das größte aller Probleme. Ich kann keine Visionen heraufbeschwören, die ich gar nicht sehen will. Wenn ich mich innerlich schon dagegen sträube, wird sich mein Geist diesen Bildern gar nicht erst öffnen. Es wäre aussichtslos, wenn ich es auch nur versuche.“ „Aber was ist mit den Visionen, die du zufällig einfängst, ohne es vorher zu wollen oder zu wissen? Du hast doch häufig im Schlaf Visionen von irgendwelchen wahllosen Leuten, von denen du vorher überhaupt nichts wusstest. Und da war auch nicht immer nur schönes Zeug dabei.“ „Das ist was anderes. Diese Visionen beschwöre ich nicht bewusst oder willentlich herauf. Und da weiß ich ja vorher auch nicht, daß es was schlimmes ist, was ich gar nicht hätte sehen wollen. Solche Visionen gewollt herauf zu beschwören, ist wie der Versuch, auf eine glühend heiße Herdplatte zu greifen. Alle deine Reflexe arbeiten dagegen. Du WIRST da nicht draufgreifen, egal wie sehr du es versuchst. ... Es sei denn du bist Masochist oder irgendwie autoaggressiv gestört.“ Hedda schien irgendwie noch nicht so ganz überzeugt. „Es gibt aber Hellseher bei der Polizei und so weiter, die extra dafür bezahlt werden, solche Visionen mutwillig herauf zu beschwören, um bei den Ermittlungen zu helfen.“ „Ja. Die sind auch keine Studenten im 2. Jahr mehr. Ich kann sowas nicht. Ich habe noch viel zu lernen.“, meinte er verbittert und machte mit seinem Tonfall deutlich, das Thema jetzt beenden zu wollen. Er war die Diskussion leid. „Und als meine Nebengetreue steht es dir sicher nicht an, mir mit sowas Vorhaltungen zu machen oder mir gar Befehle zu erteilen.“ Hedda hob ergeben die Hände und hielt die Klappe. „Du bist so still. Du hast was auf dem Herzen, oder?“, wollte Soleil wissen. Es war Montag. Sie und Hedda saßen gerade in der Mittagspause im kleinen Park vor dem Uni-Gebäude. Soleil stopfte mit Heißhunger irgendein undefinierbares, asiatisches Essen in sich hinein, während Hedda ihres noch nichtmal angerührt hatte. Sie waren nichtmal in die Mensa gegangen, weil Hedda nicht wirklich nach Essen zu Mute war. Sie saß nur mit ein paar Keksen im Gras herum, auf die sie keinen Appetit hatte. Hedda registrierte die Frage sehr wohl, sagte aber lange nichts. Schaute auch nicht auf. Professor Akomowarov hatte ihnen deutlich genug nahe gelegt, mit niemandem über den Edelig-Mord zu sprechen. Und Hedda war sich der Konsequenzen durchaus bewusst, wenn sie es doch tat und es an falsche Ohren geriet. Wie hätte sie Soleil irgendwas über ihre Erkenntnisse rund um den 'verfluchten Fluch' oder Safalls Schwester erzählen können? Sie hätte dieses belastende Wissen gern mit jemandem geteilt. Nur wie? Und mit wem? Safall blockte das Thema ab. Er wollte sich nicht weiter damit auseinander setzen, bevor er Professor Akomowarov wieder gesprochen hatte, um sich nicht auf falsche Informationen oder Mutmaßungen zu versteifen, die vielleicht gar nicht stimmten. Er fand, es brächte nichts, sich sinnlos im Kreis drehend die Köpfe heiß zu reden. Und diesen Standpunkt konnte Hedda sogar nachvollziehen. Dennoch hätte sie gern jemanden zum Reden gehabt. „Ist es was bestimmtes? Oder bist du einfach nur unglücklich mit deinem Leben? Macht diese Getreuschaft dir immer noch so zu schaffen?“, wollte Soleil wissen, da ihr eine Antwort zu lange aus blieb. „Es sind verschiedene Dinge, die mir gerade zu schaffen machen.“ „Du bist immer noch für Uhren-Mechanik eingeschrieben. Du hast den Studiengang nicht gewechselt. Safall hat dich deshalb wieder zur Schnecke gemacht, oder?“ „Nein, das nicht. Es war einfach nicht möglich, daß ich einen Neigungswechsel einreiche. Es gab keinen magischen Studiengang in den ich hätte wechseln können. Ich bin ja nicht magisch begabt, so oder so. Das hat Safall inzwischen eingesehen. Nicht, daß er mich deswegen jetzt Uhren-Mechanik weiterstudieren lassen würde! Er steckt mich nach wie vor in jede Magie-orientierte Vorlesung, die er für richtig hält.“ „Was ist es dann?“, gängelte Soleil weiter. Sie wollte sich nicht geschlagen geben. „Ich weiß es nicht.“ „Hast du keine akuten Wünsche? Oder Bedürfnisse? Nichts, was dir gerade helfen würde, dich besser zu fühlen? Nichts, wo du meinst, das ginge besser?“ „Mir geht dieser Genius nicht mehr aus dem Kopf ...“, gab Hedda also nach. „Dieser Getreue von Professor Akomowarov. Urnue.“ Soleil begann zu strahlen. „Du bist verliebt!“ „Nein! So meinte ich das nicht!“, schimpfte Hedda empört. „Ich hab ihn vorhin hier auf dem Kampus rumwuseln sehen! Er ist gerade irgendwo hier in der Uni. Aber sicher alleine. Akomowarov kommt nie her, wenn er nicht ...“ „Wo!?“, unterbrach Hedda sie aufgekratzt und plötzlich hellwach bei der Sache. „Wo hast du ihn gesehen?“ „Äh ... Im Wohnheim drüben. Ich frag mich allerdings, was er dort zu suchen hat, jetzt wo ich so recht drüber nachdenke. ... Hedda?“ Das blonde Mädchen war bereits aufgesprungen und rannte Hals über Kopf davon. Ohne Erklärung, Entschuldigung oder Verabschiedung. Ihrer Richtung nach zu urteilen konnte sie nur ins Wohnheim wollen. „Meine Güte, dieser Urnue muss dir ja gehörig den Kopf verdreht haben.“, murmelte Soleil ratlos. Hosted by Animexx e.V. 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