~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 60: Day 1.1 – A glorious mess! -------------------------------------- Momokos verwirrter, leicht verunsicherter Eindruck stimmte Takuro höchst zufrieden. Mit seinem überraschenden Friedensangebot, dem Torwart gegenüber, hatte wohl niemand gerechnet; am allerwenigsten Yosuke selbst. Wäre dieser Schachzug nicht von Anfang an Teil von Takuros Plan gewesen, hätte dieser allein den Gedanken daran für unmöglich gehalten! Jetzt, da alle Anwesenden erstaunt schwiegen und ihm sein großzügiges Einlenken hoffentlich hoch anrechneten, wollte er sich für seine Raffiniertheit am liebsten selber auf die Schulter klopfen. Noch bevor er und Momoko zu diesem Ausflug aufgebrochen waren, hatte er einen Entschluss gefasst: Er würde diesen Kurztrip nutzen, um sie endgültig für sich zu gewinnen! Sein Plan zum Ziel umfasste mehrere Schritte; einer davon war, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verblüffen. Nicht so, wie er es sonst immer wieder versucht hatte - auf meist materielle Weise - sondern so, dass es ihr Innerstes berührte. Auf emotionaler Ebene. Unlängst hatte er erkannt, dass er die Zuneigung seiner Verlobten nicht allein mit Einfluss oder einer Aussicht auf Vermögen gewinnen konnte. Das war ihm prinzipiell ganz recht, denn eine gierige Frau war schließlich das Letzte, dass er wollte. Gerade ihre schlichte, bescheidene Art und ihre Herzlichkeit waren Eigenschaften, die ihn besonders verzauberten. Das ließ ihm allerdings gleichzeitig nicht viel Raum für Kreativität. So etwas lag ihm nicht... Aber wenn es um die Menschen ging, die ihr etwas bedeuteten, war Momoko wirklich leidenschaftlich. Dann schmolz die unsichtbare Wand, die Takuro manchmal zwischen ihnen fühlte. Obwohl sie sich deutlich spürbar Mühe gab und ihm inzwischen sehr entgegen kam, blieb immer eine gewisse Distanz bestehen. Es war ihm einfach noch nicht gelungen, die Schwelle zu ihrem Herzen vollständig zu überwinden. Der anscheinend einzige Weg dorthin führte für ihn über ihren Vater und ihre Freunde. In ihrer Gegenwart waren Momokos Freude und ihr Lächeln echt und herzlich. Beides bekam er nur noch selten zu sehen, seit sie damals zu dem Klassentreffen gegangen war. Sie vermisste seither etwas; sie wünschte sich die alte Zeit zurück. Genau dort musste Takuro ansetzen, wenn er ebenfalls zum Kreis ihrer Liebsten gehören wollte. In Herzensdingen fühlte er sich manchmal unbeholfen, was er sich aber niemals anmerken ließ und mit künstlichem Selbstbewusstsein überspielte. Dass auch das nicht immer klappte, hatte der Abend auf Momokos Sofa gezeigt… Alles was er hatte, um andere zu beeindrucken, waren seine herausragenden Noten und eben das Glück, eine wohlhabende Verwandtschaft zu haben. Momoko aber war anders gestrickt – für sie zählten Taten und eben die Menschen, die ihr nahe standen, und mit denen sie sich um jeden Preis uneingeschränkt umgeben wollte, wenn ihr danach war. Er hatte lange genug vergeblich versucht, das zu ändern; sie zu ändern und sich selber umzukrempeln. Sie wünschte sich nach wie vor Eintracht zwischen ihren Freunden und ihm, obwohl er keinen Hehl daraus machte, dass er etwas dagegen hatte? Dann sollte es eben so sein… Zähneknirschend nahm er dabei hin, dass ausgerechnet Yosuke Fuma neuerdings auch zu ihrem Freundeskreis gehörte. Wenngleich er daraus noch nicht schlau wurde und diesen Zustand misstrauisch betrachtete, war er bereit gewesen, diesen Kompromiss Momoko zuliebe einzugehen. Eifersucht und Verbote hatten Takuro in seiner Beziehung zu ihr schließlich nicht unbedingt weitergebracht. Jetzt war es an der Zeit, den Spieß umzudrehen und sich ihren Schwachpunkt zu Nutze zu machen, anstatt dagegen anzukämpfen. Sie war bereits sehr weit gegangen, nur um ihn endlich dazu zu bringen, sich mit ihren Freunden auseinanderzusetzen und seine ablehnende Haltung ihnen gegenüber zu überdenken. Wenn es das war, was ihm ihre Liebe sichern würde, dann war es nur ein kleines Opfer gewesen, über seinen Schatten zu springen und seine Zweifel und Vorurteile, Yosuke und den anderen gegenüber, abzulegen. Oberflächlich natürlich. Takuro lachte stumm und selbstgefällig in sich hinein. Ein ernsthafter Friedenspakt mit dem aufgeblasenen Torwart? Er unterdrückte ein abschätziges Kopfschütteln. Zwar glaubte er in Fumas Blick berechtigte Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Worte gesehen zu haben, aber das sollte ihn nicht kümmern. Es spiele schließlich keine Rolle, was er dachte, sondern nur das, was alle anderen und vor allem Momoko wahrnahmen. Der Fußballspieler bekam jetzt seine Chance, sich zu bewähren. Entweder würde Yosuke sich in den nächsten Tagen bei ihm einschleimen und gute Miene zum bösen Spiel machen, oder er würde vor Momoko und den anderen als Idiot dastehen. Beides war Takuro mehr als recht, weswegen er bei der Vorstellung daran vergnügt sein Kinn vor reckte und wie ein eitler Graf über den Strand stolzierte. In seinem Rücken folgte ihm die kleine Karawane aus den anderen, die schon die ganze Zeit über die Weitläufigkeit des Grundbesitzes staunten. „Und dieser ganze Bereich hier gehört deiner Familie?“, fragte Yosukes kleine, schrille Freundin Hiromi, von der ihm Momoko erzählt hatte, sie wäre tatsächlich so dumm gewesen, sich schwängern zu lassen. Da sie faktisch die feste Partnerin dieses armen Trottels war, benahm er sich ihr gegenüber trotzdem sehr nett und höflich. Immerhin konnte er nur wegen ihr annehmen, dass Fuma seinen zweifelhaften Charme nicht bei seiner Verlobten spielen lassen konnte und auf Distanz blieb. Sein argloses Auftreten und Temperament waren Takuro ein Dorn im Auge, denn darum hatte er ihn schon in der Mittelschule still beneidet. Der Torwart hatte sich nie sonderlich anstrengen müssen, um die Aufmerksamkeit von anderen auf sich zu lenken; Freundschaften waren ihm einfach so zugeflogen. Takuro schob deswegen Verachtung für ihn vor, denn zugeben würde er das niemals! Und auch, wenn Momoko ihm immer wieder versichert hatte, dass Yosuke nicht mehr als ein Freund für sie war, war ihm weder das versteckte Foto im Keller aus dem Kopf gegangen, noch der Abend, an dem er sie vor dem Club mit ihm zusammen angetroffen hatte. Was auch immer da vor sich ging - solche Heimlichtuereien weckten das Tier in ihm! Ein Grund mehr, den dunkelhaarigen Sportler näher an sich heranzulassen. »Sei deinen Freunden nah, aber deinen Feinden noch näher.« Takuro warf einen flüchtigen Blick über seine Schulter zu Yosuke hin, dem das vor lauter Gepäck, und unter dem nicht enden wollenden Redeschwall seiner Freundin, nicht auffiel. Hätte es zwischen ihm und Momoko während der Schulzeit nicht diese zweifelhafte Hassliebe gegeben, wäre Takuro heute auf den Torwart nicht eifersüchtiger als auf Kazuya, der direkt neben seinem Freund herlief. Da diesen wiederum Yuri als feste Partnerin begleitete, die unbestreitbar attraktiv, adrett und klug war, hatte der Schwarzhaarige ihm gegenüber nicht den kleinsten Zweifel, dass seine Absichten Momoko gegenüber rein freundschaftlich waren. Yanagiba war trotz seiner zahlreichen Vorzüge noch nie ein Frauenheld gewesen, obwohl er jede hätte haben können. Er hatte einen bescheidenen, zurückhaltenden Charakter, weswegen man ihm vorbehaltlos glaubte, dass er mit seiner Partnerwahl mehr als zufrieden war. Was jedoch seinen Kollegen anging – da war er sich nicht so sicher… Vielleicht lag es aber auch an Hiromi, deren oberflächliches Wesen schon beinahe einfältig war, sodass er sich kaum vorstellen konnte, dass ein Mann damit an seiner Seite 100% zufrieden und glücklich sein konnte, aber was wusste er schon von Yosukes Geschmack? „Ja, Hiromi-chan. Alles zwischen den Findlingen, die du vorhin gesehen hast, bis hoch zum Hotelbereich gehört zusammen. Das Grundstück ist schon Ewigkeiten in Familienbesitz, bebaut wurde es aber erst in den Händen meines Onkels und seiner Frau. Als ich jünger war hat meine Familie hier oft die Ferien verbracht.“, antwortete er gelassen. Das lilahaarige Mädchen pfiff anerkennend und betrachtete die hohen und dichten Fichten, an denen sie im Sand vorbeiliefen. Die anderen waren zu sehr mit dem Wuchten ihres Gepäcks beschäftigt, um Fragen zu stellen. Allerdings hinderte das Takuro nicht daran von sich aus noch etwas mehr anzugeben. „Bis zur Minka ist es nicht weit, sie liegt direkt zwischen den Bäumen hinter dem Ende der Kurve. Sie ist noch auf Stelzen gebaut, so wie es früher Tradition war. Ein großzügiger Bungalow-Schnitt, umgeben von einem wirklich schönen Garten. Alles ist ziemlich weitläufig, aber von den Schwarzfichten und dem Berg gut versteckt.“ „Weitläufig trifft’s.“, bestätigte Hinagiku schnaufend. „Müssen wir jetzt immer so weit laufen, wenn wir nach oben wollen?“ Die anderen stöhnten bei dem Gedanken unglücklich auf. „Aber nein!“, lachte er. „Der beschwerliche Weg führt nur hinauf zum Parkplatz. In der Nähe des Hauses gibt es noch einen direkten Pfad nach oben zum Hotel und noch ein paar kleinere quer durch den Wald, zum Wandern.“ „Zum Hotel? Warum sollten wir denn da so schnell wieder hoch wollen?“, fragte Yuri verwirrt. Takuro hob die Hand zu einer „Hoppla“-Geste, als hätte er vergessen ein unwichtiges Detail zu erwähnen. „Ach ja, das wisst ihr ja noch gar nicht. Der Leiter des Hotels ist ein alter Geschäftsfreund meines Onkels. Die Minka und das Hotel wurden damals auch etwa zur selben Zeit gebaut. Jedenfalls dürfen wir dort an den Mahlzeiten teilnehmen, zu den Veranstaltungen gehen und den Wellnessbereich nutzen, wenn uns danach ist.“ „Wow! Also kein Einkaufen und selber kochen? All inklusive?“, jubelte Hinagiku wie ein Kind im Spielzeugladen. „Das is’ wirklich sehr großzügig von dem Hotelbesitzer.“ Wieder machte er eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist doch nichts. Ihr seid schließlich meine Gäste.“ Hinter seinem Rücken wurden heimliche, etwas genervte Blicke getauscht. Hinagikus Staunen schmeichelte seinem Ego so sehr, dass ihm das entging. Wie angekündigt erreichten sie am Ende des Strandes, das wieder Felsen markierten, eine versteckte Lichtung, auf der ein großes, traditionell japanisches Haus stand. Die Augen aller weiteten sich bei der Idylle, die um ein vielfaches schöner war, als Takuro es mit Worten ausgeschmückt hatte. Ein kleiner Bach mündete ins Meer. Zurückzuführen war er auf das große Grundstück, welches wie in den Berg hineingearbeitet schien, ohne dabei die Landschaft zu zerstören. Der Wasserfluss wand sich durch kleinere, aufgeschüttete Hügel, auf denen Rasen und dekorative Gräser wuchsen sowie sauber beschnittene Sträucher standen. Es gab eine kleine, halbrunde Brücke und einen Teich; einen nierenförmigen, akkurat geharkten Zengarten mit einer kleinen Bank und lauter schmale, verschlungene Pfade, die sich zwischen weiteren Bäumen und Sträuchern um die Minka herum schlangen. Es war das Bild eines Anwesens, das es so unmöglich direkt an einem Strand geben konnte und doch war es da. Viele kleinere und größere sandgeschliffene Steine grenzten, als niedrige Böschung aufgeschüttet, das Grundstück optisch vom Strand ab. Dies erweckte den Eindruck, als wäre dahinter künstlich Erde aufgeschüttet worden. So war alles insgesamt etwas erhöht gebaut worden und nicht auf losem Sand, was zum einen die Fruchtbarkeit des Bodens erklärte und zum anderen die mühsam angelegte Pracht vor starken Verwehungen und weitreichenden Wellen bei Stürmen schützte. Der Bach, der als einziges ungehindert ins Meer mündete, musste aus einer kleinen Quelle herrühren, die irgendwo weit hinten aus den Felsen des Berges entsprang. Feiner weißer Sand lag in zarten Wellen verteilt auf den Natursteinplatten der vorderen Pfade. Der Seewind musste ihn dorthin geweht haben und wiederholte das sicher stetig. „Beeindruckendes Plätzchen, aber das alles pflegt sich doch sicher nicht von alleine?“ Takuro war überrascht, dass ausgerechnet Yosuke das Wort als erstes an ihn richtete. „Selbstverständlich nicht. Das übernehmen Angestellte des Hotels, die mein Onkel dafür extra bezahlt. Sie halten auch das Haus sauber und sorgen dafür, dass es gut gelüftet wird. Das Klima und die salzige Meeresluft bringen das Holz dazu, zu arbeiten – es muss immer jemand da sein, der alles in Stand hält.“ Einen verstörten Laut murmelnd nickte der Dunkelhaarige verstehend und fragte nicht weiter. Niemand fragte mehr etwas; alle starrten nur fassungslos in die Gegend. Die Familie Amano ließ sich offensichtlich in keinster Weise lumpen. Takuros Grinsen wurde breiter. Er drehte sich zu Momoko um, die ganz blass war und deren Augen ihm verrieten, dass sie mit vielem gerechnet hatte, aber mal wieder nicht damit. Es verdutzte ihn etwas, dass sie nach dem Haus, in dem er lebte und in dem sie schon oft zu Besuch gewesen war, immer noch von seinen Möglichkeiten überwältigt war. „Na, habe ich dir zu viel versprochen?“ Momoko räusperte sich, um die latente Trockenheit in ihrer Kehle zu vertreiben, und sah dann scheu zu ihrem Verlobten auf. „Hast du nicht. Das hier übertrifft es.“ Sie versuchte auszublenden, dass die Blicke und Ohren ihrer Freunde gerade auf sie gerichtet waren. Takuro lächelte selig. „Dann sei gespannt, was dich drinnen erwartet.“ Die Minka selbst war von innen gar nicht so beeindruckend, wie sie nach Takuros verheißungsvoller Ankündigung erwartet hätte. Um das Haus herum und auch darunter lag eine dicke Schicht aus hellem Kies; ein großer, abgeflachter Stein diente als typischer Aufstieg zum Engawa, von dessen dunklen Dielen an den Kanten bereits die Versiegelung abblätterte. Die Feriengäste schlüpften alle respektvoll aus ihren Schuhen, bevor sie ihn betraten. Die angrenzenden Shoji-Türen hingegen waren in einwandfreiem Zustand und glitten beinah lautlos zur Seite. Hinter ihnen lagen die typisch großen, mit Tatamis ausgelegten Zimmer. Sie waren hell, aber spartanisch und schlicht eingerichtet. Obwohl sie trotzdem sehr gepflegt waren, kam Momoko einfach nicht darauf, was Takuro gemeint haben könnte. In der Mitte des Hauses lag noch ein weiterer kleiner Zengarten, in dessen Mittelpunkt ein Berg aus Steinen stand, von dem ein künstlich angelegter Rinnsal in einen Fischteich plätscherte. Das war sehr hübsch anzusehen, aber nichts davon riss sie in irgendeiner Weise auch nur annähernd so aus den Socken, wie das Anwesen es von außen getan hatte. Dafür fühlte sie sich aber gerade in dieser einfachen Umgebung schon jetzt sehr viel wohler, als in Takuros protziger Villa am Stadtrand - oder ging es ihm etwa genau darum? „Ich bin überrascht. Irgendwie hatte ich bei dem Garten draußen etwas anderes hier drinnen erwartet.“, äußerte sich Hiromi hinter ihr kritisch und sprach damit ungefragt genau ihre Gedanken aus. „Hiromi!“, entfuhr es Yuri entrüstet. „Hast du kein Benehmen?!“ Die Lilahaarige zuckte unwirsch mit den Schultern und begann sich unter den verständnislosen Blicken der anderen zu schämen. Nur Takuro belächelte sie mild. „Ach, das macht doch nichts. So denken fast alle, wenn sie hierher zu Besuch kommen. Ich hoffe nur, ihr seid nicht allzu sehr enttäuscht. Meine Familie weiß eben auch die einfachen Dinge zu schätzen, deswegen ist diese Minka hier ganz traditionell, so wie man sie überall findet.“ Yosuke legte einen Arm um seine Freundin und drückte ihre Schulter mit sanftem Nachdruck. Momoko zog bei dieser Geste die Augenbrauen finster zusammen. „Ich bin mir sicher, Hiromi hat es nicht so gemeint. Oder?“ Sein unterschwelliger Ton ließ keinen Widerspruch zu, hektisch schüttelte sie ihren Lockenkopf. „Nein, habe ich nicht! Es ist eigentlich ein ganz schönes Haus.“ „Das ist es wirklich, Takuro. Deine Gastfreundschaft ist wirklich sehr großzügig.“, fügte Kazuya hinzu, der sich berufen fühlte, Hiromi und Yosuke etwas zur Seite zu stehen. Yuri und Hinagiku nickten zustimmend. „Vielleicht zeigst du uns jetzt einfach unsere Zimmer? Wir sind bestimmt alle ganz schön erschöpft, von dem Fußmarsch hierher.“ Momoko schob lächelnd ihre Hand in seine, damit ihm vor Freude darüber nicht auffiel, dass sie das Thema umlenkte. „Oh ja, natürlich!“, entgegnete er strahlend. Takuro führte sie zunächst zum Badezimmer des Hauses. Es war ein vergleichsweise kleiner Raum, der mit dunklem Holz verkleidet war und schmale, dafür breite Milchglasfenster knapp unter der Decke hatte. An einer Wandseite standen zwei kleine Schemel unter einer Dusche und auf der anderen Seite, in einer Ecke, war eine große, kreisrunde Badewanne. Wie ein Fass war sie in ein rechteckiges Podest aus Holz eingelassen worden und mit einem großen Holzdeckel abgedeckt. „Das Wasser zur Wanne kommt aus der Leitung, aber beheizt wird es ganz klassisch mit einem Feuer von außen. Das Warmwasser aus dem Boiler reicht nur zum Waschen und für den Abwasch.“, erwähnte Takuro beiläufig. Der nächste Raum, den er ihnen zeigte, war die große Küche. Diese war nicht ganz so traditionell – es gab keine kleine, versteckte Küche mit separatem Esszimmer, in dem sich alle auf Knien sitzend an einem riesigen, flachen Tisch einfinden würden. Dafür aber eine moderne Küchenzeile aus hellem und dunklem Holz, passend zu den Tatamis, mit einem großen Kühlschrank daneben. Außerdem stand eine U-förmige Kücheninsel mitten im Raum, in dessen Mitte eine große Teppanyaki-Platte eingefasst war. Um die Insel herum standen hölzerne Barhocker. Da sie aber laut Takuro sowieso nicht selbst einkaufen und kochen mussten, würden sie diesen Raum hier wahrscheinlich nur benutzen, wenn sie sich etwas zu Trinken holen wollten. Zuletzt kamen sie an dem großen Gesellschaftsraum vorbei, in denen simple Regale mit Büchern standen; ein kleiner Schreibtisch mit einem altmodischen Computer; ein flacher Tisch am Rande des Zimmers mit einem Go-Spiel darauf; und schließlich ein großer Heiztisch direkt in der Mitte, dem zu dieser Jahreszeit allerdings die wärmende Decke fehlte. Von diesem Raum aus hatte man die beste Sicht auf den innen liegenden Garten und gleichzeitig, wenn man auch auf der anderen Seite die Shojis öffnete, auf das Meer. Die Mädchen raunten ehrfürchtig, denn das war wirklich wunderschön! Momoko blickte auf das rauschende Meer hinaus und stellte sich vor, wie es wohl war, wenn man von hier aus morgens die Sonne aufgehen sah. Ihr Verlobter hielt ihre Finger mit seinen verschlungen und führte sie und ihre Freunde weiter zu den Schlafräumen. Mit einem breiten Lächeln schob er den ersten Shoji auf und präsentierte ein kleines, heimeliges Zimmer, das sich optisch kaum von den anderen abhob. Allerdings standen Vasen mit Orchideen darin herum und es duftete nach frisch angesteckten Räucherstäbchen. Die Gruppe steckte neugierig die Köpfe in das Zimmer und entdeckte auf dem Fußboden lediglich zwei zusammengeschobene Futons, mit dünnen Decken und schmalen Kissen darauf. „Das sind ja nur zwei?“, bemerkte Hinagiku verwirrt. Takuro grinste immer noch gewinnend. „Natürlich, wir haben insgesamt drei große Schlafzimmer. Für jedes Pärchen eines.“ Ein Ruck ging durch Yosuke und Momoko, doch es war Hinagiku, die sich an ihrer Stelle direkt echauffierte. „Wie jetzt, soll das so ein Pärchending werden?! Ich dachte, wir sind als Freunde hier – so wie früher!“ Hiromi warf sich, den Protest ignorierend, freudestrahlend an den verdatterten Yosuke, der immer noch ihre beiden Koffer in den Händen hielt. „Das ist ja supi! Das wird ja so mega romantisch! Nicht wahr, Yoyo-Maus?“, quietschte sie frohlockend, während sie wild an Yosukes Arm herumzerrte. Sie versuchte in diesem Moment vergeblich, ihm eine ebenso glückliche Reaktion abzuringen. Er war zu sehr bei der Vorstellung versteinert, wie Momoko und Takuro sich ein Zimmer teilen würden. Dazu tat das Grinsen des Brillenträgers sein Übriges. Yuri, deren Wangen bei der romantischen Idee etwas Farbe bekommen hatten, schaute zu ihrem blonden Freund auf, der ihren vielsagenden Blick erwiderte. „Nix da! Ich bin die einzige von euch, die als Single angereist is’ – wo soll ich denn schlafen?!“, wetterte Hinagiku weiter, ließ Takuros Koffer geräuschvoll auf die Dielen fallen und stemmte die Arme in die Hüften. Der Brillenträger blinzelte ein paar Mal perplex. Er hatte nicht mit solchem Gegenwind gerechnet. „Für dich habe ich extra eine kleine Kammer herrichten lassen, in der früher Wäsche zum Trocknen aufgehängt wurde. Sie hat sogar ein Fenster.“ Ihre braunen Augen weiteten sich ungläubig und sie fing an, wild mit den Händen zu gestikulieren. „Eine Kammer? Ich soll in ’ner Wäschekammer schlafen, während ihr euch hier in diesen schicken Liebesnestern aneinander kuschelt?“ „Hinagiku, ich verspreche dir, dass dein Zimmer nicht ansatzweise wie eine Wäschekammer aussieht…“, stammelte Takuro eingeschüchtert. Momoko trat mit erhobenen Händen zwischen sie. „Hey, wenn Hinagiku nicht so abgeschottet schlafen möchte, könnten wir sie doch mit in unser Zimmer nehmen? Platz genug hätten wir doch.“, schlug sie beschwichtigend vor. Aus der Fassung geraten starrte Takuro sie an und fauchte ein entschlossenes: „Nein!“ Die anderen wechselten Blicke, die deutlich machten, wie unangenehm diese Situation gerade wurde. Yosukes Augen waren streng zusammengekniffen und auf den schwarzhaarigen Japaner gerichtet. „Vielleicht kann sie ja auch bei jemand anderen von uns übernachten?“, schlug Yuri kompromissbereit vor. Hiromi schnaubte sofort widerspenstig und klammerte sich an Yosuke fest. „Also bei uns nicht!“, stellte sie klar. „Tse, als ob ich jemals freiwillig meinen Futon neben dir aufschlagen würde!“, konterte Hinagiku unbeeindruckt. Funken sprühende Blicke flogen zwischen ihnen durch die Luft. „Hört mal, das bringt doch so nichts.“, mischte sich jetzt auch Kazuya ein. „Takuro, wie du siehst war das anscheinend keine so gute Idee von dir, so zuvorkommend sie auch gemeint war. Es ist nicht fair einen von uns zu benachteiligen, nur weil wir inzwischen Pärchen bilden. Wir sind doch der Freundschaft wegen hergekommen, aber wenn wir uns schon wegen der Zimmeraufteilung streiten, wird das nichts.“ Takuro ballte die Hände zu Fäusten und sah seine ehemalige Sandkastenfreundin missbilligend an, doch sie hielt seinem unausgesprochenen Vorwurf stand. Er knurrte resignierend und wand sich dann dem Blonden zu. „Hast du eine bessere Idee?“ Kazuya lächelte sein charmantes, politisch neutrales Kapitänslächeln und nickte. „Wie wäre es, wenn wir es so halten, wie zu den Klassenfahrten früher? Die Mädchen bekommen einen Raum für sich und wir Männer nehmen einen anderen. Dann bleibt zwar ein Zimmer ungenutzt, aber das macht ja an sich nichts.“ Es begann in den Köpfen der Anwesenden zu rattern. Hiromi war die erste, der klar wurde, was das für sie bedeutete. Doch noch bevor aus ihrem weit aufgerissenen Mund ein Widerspruch kommen konnte, kam Yosuke ihr zuvor. „Warum nicht? Das klingt doch nach einem vernünftigen Vorschlag. Ich wäre dafür.“ Demonstrativ hob er die Hand zur Abstimmung und ignorierte dabei, wie seine Freundin ihn mit ihren Augen erdolchte. Yuri und Momoko hoben gleichzeitig ebenfalls ihre Hände - gerade langsam genug, dass es nicht verdächtig wirkte. Kazuya folgte ihrem Beispiel. Hinagiku enthielt sich, wohingegen klar war, dass Hiromi und Takuro gegen den Vorschlag waren. „Vier zu drei, es ist also entschieden.“, stellte der Blonde fest und fixierte seinen Gastgeber wohlwollend. Takuro stöhnte enttäuscht, aber winkte zustimmend ab. „Na meinetwegen. Dann müssen wir jetzt aber noch schnell umräumen.“ Sie ließen ihre Koffer und Taschen auf dem Engwa zurück, während sie zu sechst durch die nebeneinander liegenden Räume wirbelten. Hiromi hockte lieber beleidigt mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen auf einem der Koffer und schmollte. Schon unmittelbar nach der Abstimmung hatte sie sich ein wütendes Aufstampfen nur mit Mühe verkniffen. Es passte ihr ganz und gar nicht, dass ihre Vorstellung von einem romantischen Urlaub mit ihrem Freund gerade wie eine Seifenblase geplatzt war. Der Rest der Gruppe beschloss das mittlere der drei Zimmer unbewohnt zu lassen, damit sich Jungs und Mädchen nicht gegenseitig durch die dünnen Papierwände stören konnten. In weniger als 15 Minuten waren alle Futons und das dazugehörige Bettzeug in die richtigen Zimmer verteilt und alles hergerichtet. Die bodennahen Betten lagen in einer ordentlichen Reihe mit je etwa einem halben Meter Abstand nebeneinander. Als letztes wuchteten die inzwischen gleichgeschlechtlichen Grüppchen ihre mitgebrachten Habseligkeiten in die Räume und ließen sie dort völlig erschöpft vor den Wandschränken stehen. Erst der beschwerliche Marsch, jetzt noch das Hin- und Herräumen in den Zimmern… Den jungen Leuten rann der Schweiß unaufhaltsam aus jeder Pore. Takuro, der zwischendurch kurz verschwunden war, kehrte beladen mit eisgekühlten Glasflaschen zurück, die er aus der Küche geholt haben musste. „Limonade~!“, seufzte Yuri dankbar und hielt ihre glühenden Wangen abwechselnd an das kalte Glas, von dem verlockend das Kondenswasser perlte. Die anderen stürzten sich das kühle Nass lieber direkt und ohne abzusetzen die Kehle hinunter. Sogar Hiromi, die eigentlich nichts zu den Anstrengungen beigetragen hatte, gab sich vor Takuro dankbar für diese zuvorkommende Geste. „Woah, ich hätte jetzt gut Lust auf eine Runde Schwimmen!“, ließ Hinagiku vorfreudig verlauten. „Später.“, bremste Takuro sie aus und sah auf seine Armanduhr. „Zuerst sollten wir Mittagessen gehen, wenn wir noch etwas haben wollen.“ Momokos Magen knurrte zustimmend laut. Alle kicherten leise. Ihr Gastgeber hatte nicht gelogen damit, dass es noch einen versteckten Pfad hinter der Minka gab, der sie nach oben zum Hotel führte. Zwar waren die Stufen steil und uneben, aber alles war besser, als noch mal den langen Weg außen rum über den Strand zu nehmen. Oben angekommen führte Takuro seine Gäste zielstrebig in das Foyer des Hotels, wo er für sie alle ein blaues Armbändchen besorgte, mit dem sie sich zukünftig Zutritt zum Hotelrestaurant, den Außenterrassen und zum Wellnessbereich verschaffen konnten. Das Restaurant war ein großer, Mensaartiger Saal mit Selbstbedienungsbuffet und vielen kleinen Tischen, die man zusammenschieben konnte. Von vielen tönte ein tiefer, laut brummiger Singsang, der sich schnell als umgangssprachliches Amerikanisch herausstellte. Da der Zulauf von ausländischen Touristen für ein Hotel am Meer nichts Ungewöhnliches war, störte sich die einheimische Reisegruppe nicht weiter daran und suchte sich ein eigenes Eckchen zum Speisen. „Geht doch nach dem Abräumen schon mal zum Haus zurück, ich muss noch etwas besorgen und würde dann nach kommen.“, kündigte Takuro an, nachdem sie alle so gut wie aufgegessen hatten. „Fehlt uns denn unten noch etwas?“, hakte Momoko neugierig nach. Er lächelte geheimniskrämerisch und legte einen Finger an die Lippen. „Nein, ich möchte nur etwas holen, um unsere Ankunft hier würdig zu feiern. Geht vor und packt die Badesachen aus, ich bin gleich wieder bei euch.“ Die Aussicht auf ein Bad im kühlen Meer reichte aus, um wildes, hocherfreutes Gemurmel am Tisch auszulösen. Ohne weitere Nachfragen machten sie sich auf, so schnell wie möglich zurück zur Minka zu kommen. Es herrschte trotz der Vorfreude eine gewisse Anspannung unter den vier jungen Frauen, als sie sich anschließend zum ersten Mal ohne ihre Begleiter in ihrem nunmehr gemeinsamen Zimmer einfanden. Momoko und ihre Freundinnen waren sich nah wie eh und je und alberten schon wieder beim Auspacken herum, aber Hiromi machte ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, während sie einen ihrer Koffer allein für sich aufklappte und darin nach einem Bikini wühlte. Ihre miese Laune entging den anderen natürlich nicht, doch durch stummes Kopfschütteln stellte Hinagiku schnell klar, dass sie mit Hiromi auf keinen Fall auf gut Freund machen würde. Sie nur mit im Zimmer zu haben fühlte sich für sie schon wie eine Strafe an. „Nach der Mittelschule hab’ ich gedacht, dass ich die Alte nie wieder ertragen muss! Also schaut nicht so!“, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand und räumte unbeirrt ihre Sachen in den Wandschrank. Yuri und Momoko schauten kurz besorgt über ihre Schultern, doch Hiromi hatte nichts gehört. „Ganz Unrecht hat sie ja nicht. Diese Person ist einfach furchtbar!“, murmelte die Dunkelhaarige. „Ich weiß, mir macht das auch keinen Spaß, aber jetzt ist sie nun mal hier. Und wenn wir nicht wollen, dass sie uns nachts im Schlaf ein Kissen aufs Gesicht drückt, sollten wir wenigstens versuchen mit ihr auszukommen.“ Hinagiku rollte mit den Augen und stöhnte entnervt. Das sollte wohl so viel heißen wie: „Nicht euer Ernst!“. Momoko erlaubte sich noch einen heimlichen Blick zu ihrer ungeliebten Zimmergenossin und kämpfte dabei wieder mit ihren Dämonen. Es fiel ihr schwer, ausgerechnet diese junge Frau als Yosukes feste Partnerin anzuerkennen. Für sie fühlte sich das irgendwie falsch und fremd an, trotzdem überwand sie sich und setzte ein freundliches Gesicht auf. „Hey Hiromi, brauchst du vielleicht Hilfe beim Auspacken? Wir haben noch ein paar freie Fächer im Schrank, die du benutzen könntest.“ Ihre beiden Freundinnen schauten sie ungläubig an. Die Angesprochene hob tatsächlich kurz überrascht ihren Kopf und schaute über das Chaos in ihrem Koffer zurück. Misstrauisch prüfte sie Momokos Miene einen Augenblick lang mit stechenden Augen, ehe sie ihr perfektes Puppenlächeln aufsetzte. „Ach, das ist aber nett von dir, Momolein.“, säuselte sie honigsüß, sodass es Momoko eiskalt den Rücken runter lief. Sie hielt der Blauäugigen einen riesigen, unsortierten Stapel Klamotten hin, den sie ihr auch brav abnahm und für sie in den Schrank räumte. Dieser Vorgang wiederholte sich noch ein paar Mal in derselben steifen Abfolge, die Hinagiku und Yuri sprachlos beobachteten. Momoko räusperte sich schließlich wieder geräuschvoll. „Ich hoffe es macht dir nichts aus, dass du das Zimmer mit uns teilst?“ Hiromis Augen wurden schmal, aber sie behielt ihr unverwüstliches Lächeln bei. „Oh, na ja. Nicht mehr, als es euch ausmacht, schätze ich. Natürlich wäre ich lieber bei meinem Schatz, aber so ein reines Mädchenzimmer ist bestimmt auch ganz lustig. Wir werden auf diese Weise sicher schnell gute Freundinnen.“ Ihr letzter Blick blieb bei dieser Aussage an Hinagiku hängen, die ihn mit trotzigem Gesicht erwiderte. „Ähm ja, bestimmt… Weißt du eigentlich schon, was du für einen Bikini anziehen wirst?“, lenkte Momoko sie schnell ab. Just in diesem Moment zückte ihre Gesprächspartnerin aus einer der kleineren Innentaschen des Koffers ein verknotetes Bündel aus kaminrotem Stoff. Ihre Augen funkelten vielversprechend. „Und ob ich das weiß.“, erklärte sie und schwenkte dabei das Knäul bedeutungsschwanger an einem Finger hin und her. „Versucht nachher deswegen bitte nicht allzu eifersüchtig zu sein, ok? Das macht nämlich hässliche Falten.“ Ihren Zimmergenossen klappte die Kinnlade herunter. „So, dann gehe ich mich mal umziehen. Wir sehen uns dann am Sta~hand!“ „Was? Ziehst du dich denn nicht hier bei uns um?“, hinterfragte Yuri perplex. Hiromi lachte schrill auf, als hätte sie einen Witz gehört. „Ich bitte dich!“, setzte sie mit einer ablehnenden Handbewegung an. „So nahe stehen wir uns noch nicht!“ Und schon scharwenzelte sie mit einer Kulturtasche und dem Bikini-Bündel aus dem Zimmer heraus. Sie konnten noch hören, wie sich die Schiebetür zum mittleren Zimmer öffnete und wieder schloss. Anscheinend wurde dieser Raum von ihr jetzt zu ihrer privaten Umkleide umfunktioniert. „Miststück.“, zischte Yuri ganz undamenhaft und erntete dafür zustimmendes Kopfnicken. Yosuke und Kazuya waren die ersten, die sich am Strand einfanden. Gemeinsam hatten sie alte Liegestühle und einen Sonnenschirm aus einem Abstellraum des Hauses geholt, den sie bei der Suche nach den Toiletten gefunden hatten. Wie echte Kavaliere hatten sie alles allein über den heißen Sand getragen und aufgestellt. Außerdem besorgten sie noch große Handtücher und eine Kühltasche, gefüllt mit Getränken aus dem Kühlschrank. Von Takuro war weit und breit noch keine Spur, aber das machte nichts, da sich die Damen des Hauses ebenfalls alle Zeit der Welt beim Umziehen ließen. „Wenn sie nicht gleich auftauchen, gehe ich einfach schon mal eine Runde ins Wasser!“, kündigte Yosuke an, der sich dabei mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte und sich auf einen der Stühle fallen ließ. Kazuya grinste. „Ich bin mir sicher, dass sie gleich kommen. Du weißt doch, wie Mädchen sind.“, scherzte er gutmütig und breitete das letzte Handtuch über einen der Liegestühle aus. „Ich werde nie verstehen, warum man sich für den Strand aufbrezeln muss. Nach dem ersten Tauchgang ist doch eh alles ruiniert.“. Darauf ging der Blonde nicht weiter ein, dafür wurde seine Miene ernst, als er sich Yosuke gegenüber setzte. „Und bei dir ist sonst alles ok? Ich meine, gibt es da vielleicht ein paar Dinge, über die du mit mir möglicherweise reden möchtest, solange wir beide unter uns sind?“ Der Dunkelhaarige hob erstaunt seinen Blick, um seinem besten Freund in das fragende Gesicht zu sehen. „Zum Beispiel?“, entgegnete er unwissend, obwohl in seinem Hinterkopf bereits eine Ahnung aufkeimte. „Yosuke, stell dich doch nicht dumm. Du erinnerst dich doch sicher daran, dass du mir seit zwei Wochen eine Erklärung schuldig bist. Ich sollte dich nach einer gewissen Kurznachricht zurückrufen, aber du warst nie zu erwischen.“ Die Augenbrauen des Torwarts zuckten ertappt. Er schluckte aufkommende Nervosität hinunter; vor dieser Konfrontation hatte er sich schon bei der Ankunft gescheut. „Tut mir leid, ich hatte nie genug Privatsphäre, um es dir am Telefon zu erklären…“ „Du musst mir nichts erklären, ich kann mir schon denken, warum du und Momoko hier seid.“ Schuldbewusst wand Yosuke sein Gesicht ab. „Es ist nicht so, wie du denkst.“, versuchte er sich kleinlaut zu rechtfertigen. „Dann läuft da also nichts zwischen euch?“, hakte Kazuya nach, was sein Gegenüber dazu veranlasste, hektisch zu überprüfen, ob sie auch niemand belauschte. Sein anschließendes Schweigen und sein sturer Blick zum Meer hinaus, war Antwort genug. Obwohl der hochgewachsene Blonde schwer seufzte, wirkte er kaum überrascht oder entsetzt. „Das ist Wahnsinn! Du kommst hier her, mit deiner schwangeren Freundin, Takuro und uns, damit wir bezeugen können, dass ihr nur Freunde seid?“ „Wir sind nur als Freunde hier!“ Kazuya stemmte seine Hände auf den Oberschenkeln ab und beugte sich beschwörend zu seinem Freund vor, der ihn trotzig taxierte. „Ich meine es als dein bester Freund nur gut, deswegen bin ich so ehrlich und sage dir, dass das nicht funktionieren wird. Die freundschaftliche Ebene habt ihr längst hinter euch gelassen und auch, wenn du dir das anscheinend nicht eingestehen willst, es ist so. Und wenn ihr mit dem Theater nicht schleunigst aufhört, werden viele Menschen früher oder später verletzt werden. Das passiert zwangsläufig so oder so, aber es liegt in deiner Hand, wen es trifft und wie hart.“ Yosuke ließ die schmerzhaften, aber leider nur allzu wahren Worte seines Freundes auf sich wirken. Er haderte sehr mit sich, bevor er zu einer Antwort ausholte. „Ich könnte Hiromi niemals die Wahrheit sagen...“ „Dann tu das Richtige: Beende das mit Momoko und kontaktiere sie nie wieder.“ „Das kann ich nicht!“, platzte es sofort aus dem Dunkelhaarigen heraus. „Dann sag ihr um Himmels Willen endlich, dass du sie liebst!“ Yosuke wich erschrocken auf dem Liegestuhl sitzend zurück, so als hätte er einen heftigen Schlag mitten ins Gesicht abbekommen. Mit weit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund starrte er in die gelassene Miene seines Freundes. In Zeitlupentempo dämmerte ihm, dass er gerade vorgeführt worden war. „Das habe ich mir gedacht; du bist dir deiner Gefühle für Momoko gar nicht bewusst.“ Erstmals, seit dieses Gespräch begonnen hatte, trat so etwas wie ein milder, mitfühlender Ausdruck in Kazuyas Gesicht. Er legte eine Hand auf Yosukes linke Schulter und drückte sie freundschaftlich, während diesem immer noch die Worte fehlten. Dafür richtete er abermals das Wort an ihn. „Ich habe dir versprochen, dass ich mich nicht einmische und kein Wort über das zwischen dir und Momoko verlieren werde, aber du kannst nicht weiter so tun, als wäre da nichts. Du musst endlich die Augen aufmachen und handeln. So wie es jetzt ist, ist es einfach nur falsch und unglaublich unfair den anderen gegenüber.“ Gequält bettete Yosuke die Stirn in seine Hände und stöhnte verzweifelt auf. „Kaz, ich habe nicht geplant, dass das alles so kommt…“ „Natürlich nicht, wer plant so etwas schon? Das wäre auch gar nicht deine Art. Gefühle klopfen nun mal nicht an die Tür und fragen, ob es gerade passt.“ Gefühle – dieses Wort echote in Yosukes Kopf wider und wider. Er hatte diese Gedanken stets bekämpft und verdrängt. In seinem derzeitigen Leben war einfach kein Raum dafür, und trotzdem war sie überall… Stahl sich in jeder freien Minute mit ihren blauen Augen und dem unvergleichlichen Lächeln in seine Gedanken und beherrschte sie. Sein Herz schien nur wirklich zu schlagen, wenn sie da war. Konnte Kazuya Recht haben? War er etwa wirklich in sein Pfirsichtörtchen verliebt? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)