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~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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A fateful idea

Seine nervösen Finger waren überall auf ihrer Haut, während sein Atem heiß an ihrem Hals brannte. Sie hörte seine zittrige, dumpfe Stimme zu ihrem Ohr dringen und hielt die Augen fest geschlossen. Sein Körper lag schwer und bebend auf ihr.

Momokos frühere Alpträume waren Wirklichkeit geworden…

Und obwohl sie keine Angst verspürte, war es trotzdem das schrecklichste Gefühl, das sie je empfunden hatte. Sie fühlte sich ausgeliefert auch wenn es nicht gegen ihren Willen geschah.

Ein Teil von ihr schrie hinter einer von ihr erbauten, inneren Mauer um Hilfe und sträubte sich gegen diesen Akt. Sie löschte ihre Gedanken, schaltete sämtliche Gefühle aus und hoffte einfach nur auf ein schnelles Ende dieser Liaison. Takuros linker Daumen glitt an ihrer Hüfte hinab und schob sich dort unter den Bund ihres Slips.

Ihr Herz begann aufgebracht zu rasen; so schnell, dass sie befürchtete, es könnte aussetzen.

Er hielt inne, machte eine ausgedehnte Pause und atmete dabei schwer. Momoko, die immer noch die Augen zukniff und sich in Gedanken ihre selbstmotivierenden Mantras vorbetete, hielt ihr Gesicht weiter abgewandt.

„Tut mir leid…“, hörte sie seine Stimme unerwartet sagen.

Sie öffnete die Augen, einen Spalt breit und sah ihren Verlobten fragend an. Sein Gesicht glühte feuerrot vor Verlegenheit.

„…ich…ich kann nicht.“, stammelte er leise und zog seine Hand von ihrer Hüfte zurück.

Momoko schaute entgeistert.

„Was…?“

Der Schwarzhaarige setzte sich auf, fuhr mit den Händen über sein Gesicht und durch das Haar. Er war vor Scharm nicht imstande ihr in die Augen zu sehen. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Konnte das wirklich möglich sein?

„Das hier… ich kann einfach nicht. Es geht nicht…“

Je weiter er sprach, desto dünner wurde seine Stimme. Der jungen Frau schwante beim Anblick des peinlich berührten Mannes ganz langsam aber sicher, dass ihr leiser Verdacht sich bewahrheitete.

Eilig setzte sie sich ebenfalls auf und zog die Bluse wieder verhüllend über ihrer Brust zusammen.

„Was ist los? Stimmt etwas nicht?“, fragte sie irritiert.

In ihr jubelte eine schwache, kleine Stimme bereits leise vor Erleichterung, doch noch wollte die Rosahaarige diesem Gefühl nicht ganz nachgeben.

Takuro drehte sich um, schloss seinen Hosenstall und griff fahrig nach seinem Shirt. Er mied ihren Blick noch immer. Seine Miene war voller Selbstzweifel und einem Hauch Ironie.

„Ich hatte nicht erwartet, dass…“, begann er leise zu erklären und warf ihr einen schüchternen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Ich bin zu aufgeregt. Ich möchte gern, aber es geht nicht.“

Er setzte seiner knappen Erläuterung ein selbstverhöhnendes, lautloses Lachen hinterher.

Sprachlos schaute Momoko ihn aus ihren geweiteten Augen an.

Sie war in zweierlei Hinsicht unglaublich verblüfft. Dass ausgerechnet er es sein würde, der ihre intime Zweisamkeit abrupt beendete – damit hätte sie niemals nach den vergangenen Wochen gerechnet. Vor ihr saß in diesem Augenblick wieder der Takuro Amano von früher. Ein etwas ungeschickter, unsicherer und schüchterner junger Mann, der seine klapprige Streberbrille hoch auf das Nasenbein schob. Wohl in der Hoffnung der dicke, schwarze Rahmen würde von dem Blut in seinen Wangen ablenken.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll… habe ich etwas falsch gemacht?“, hinterfragte sie vorsichtig und legte eine Hand tröstend auf seine Schulter.

Er schnaubte kopfschüttelnd, so als wäre ihre Frage ein schlechter Scherz gewesen.

„Nein. Du bist…“ Er warf einen flüchtigen Blick auf ihren halbnackten Körper und lief erneut hochrot an. „…wunderschön. Ich bin einfach zu nervös!“

Bestürzt über sein eigenes Versagen verbarg er sein Gesicht in den Händen und stützte sich auf seinen Knien ab.

Momoko streichelte unbeholfen seinen Rücken. Was sollte sie ihm sagen? Was tat man als Freundin in so einer Situation? Seine Verlegenheit war so präsent, dass sie sogar ein wenig auf sie abfärbte. Es gab nur eine Situation bisher, die ihr peinlicher war als diese hier und die hatte sich bei Yosuke daheim abgespielt.

Als sie damals nicht viel mehr als sein abgelegtes Hemd und ihre Unterhose getragen hatte.

»Stopp, völlig falscher Gedanke gerade!«

Räuspernd wand sie sich ihrem Verlobten zu.

„Ta-kun, das ist doch nicht schlimm. Ich bin mir sicher du bist nicht der erste Mann, dem das passiert.“

Zumindest mutmaßte sie das; aus Erfahrung sprechen konnte sie nicht.

Takuro antwortete nicht, aber er stand auf und zupfte seine Kleidung zurecht. Momoko presste ihre Oberschenkel zusammen und legte ihre Hände darüber, während sie begann die nähere Umgebung nach ihrer Hose abzusuchen.

Der Dunkelhaarige bemerkte das und reichte sie ihr stillschweigend. Sie nahm sie ebenso verlegen schauend entgegen; die peinliche Stille war nahezu unerträglich.

„Vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt dafür?“

Sitzend versuchte sie sich mit Hüpfbewegungen in die Jeans zurückzuquälen. Ein Unterfangen, bei dem sich eigentlich keine komplexgeplagte Frau gerne von einem Mann beobachten ließ.

„Du hast Recht, es war wohl nicht der richtige Moment, aber ich wünschte, er wäre es gewesen.“

»Gott sei Dank, er spricht wieder!«

Seine rotbraunen Augen schauten sie bedauernd an.

„Ich war so überwältigt davon, dass du es zugelassen hast… Ich hatte es zwar gehofft, aber trotzdem irgendwie nicht damit gerechnet.“

Momoko schluckte nervös. Er durfte ihr nicht anmerken, wie viel Überwindung sie der Entschluss, es durchzuziehen, gekostet hatte.

Er beugte sich zu ihr runter und küsste sie auf die Stirn.

„Dankeschön.“, flüsterte er verliebt.

Auch wenn letztendlich doch nichts Ernstes zwischen ihnen passiert war bedeutete es Takuro offensichtlich sehr viel, dass sie ihn nicht zurückgewiesen hatte.

Die Frage, ob sein Versprechen bezüglich ihrer Idee trotzdem noch Bestand hatte, huschte durch ihre Gedanken. Aber sie wollte seine angeschlagene Laune nicht auf die Probe stellen und verbot sich deshalb, ihn danach zu fragen.

„Das ist mir alles etwas unangenehm. Ich denke, ich sollte jetzt nach Hause fahren, damit wir beide wieder einen kühlen Kopf bekommen und morgen wieder neu anfangen können.“

Er zückte sein Mobiltelefon und tippte eine Nachricht. Wahrscheinlich an seinen Fahrer.

„Ja… das ist vielleicht das Beste. Es ist ja auch schon spät.“

Das war die beste Nachricht des Tages; er würde gehen und zumindest für heute seine Finger von ihr lassen.

Endlich konnte sie aufstehen. Mit eiligen Handgriffen knöpfte sie auch den letzten Knopf ihrer Bluse wieder zu.
 

Der Wagen stand keine zehn Minuten später wieder vor ihrem Haus.

Ausnahmsweise war es der junge Japaner, dem es diesmal nicht schnell genug gehen konnte von hier wegzukommen. Vielleicht hätte Momoko mehr aufmunternde Worte für ihn finden müssen, doch andererseits war es ihr inzwischen mehr als recht, dass es so gekommen war. Nicht, dass ihre tröstenden Bemühungen das Ruder am Ende doch noch rumgerissen hätten.

Kurz bevor er einstieg, drehte er sich noch mal zu ihr um und schaute sie an, als wäre ihm gerade noch etwas Wichtiges eingefallen.

„Ach übrigens, Momoko… wegen deinem Vorschlag von vorhin. Du weißt, ich bin davon nicht sonderlich angetan und eigentlich fehlt mir neben der Schule auch die Zeit, um mich mit anderen außer dir zu treffen. Aber ich hätte da eine Idee, die sicherlich auch in deinem Sinne wäre.“

Die Rosahaarige, die mit locker verschränkten Armen dastand und eigentlich gehofft hatte, dass er einfach nur einstieg und davon fuhr, warf ihm einen gespannten Blick zu.

Was für eine Idee sollte das sein?

„Wir haben Ende Juni doch eine Woche Ferien. Ich weiß nicht, ob ich dir davon erzählt habe, aber meine Familie hat ein kleines Ferienhaus am Meer. Dort habe ich als Kind oft mit meinen Eltern Urlaub gemacht.“

Takuro machte eine Pause, um zu sehen, ob Momoko darüber Bescheid wusste oder nicht. Sie schüttelte verneinend den Kopf. Diese Information war neu für sie.

»Was kommt denn jetzt?!«

„Eigentlich wollte ich dich bald fragen, ob wir dort ein paar Tage zusammen hinfahren wollen, aber ich war mich nicht sicher, was du darüber denken würdest... Deswegen habe ich so lange gezögert. Na wie auch immer. Was ich sagen will ist: Was würdest du davon halten, wenn wir alle gemeinsam ans Meer fahren? Ich lade alle deine Freunde ein, das Haus ist groß genug. Es muss auch nicht die ganze Woche sein; vielleicht drei oder vier Tage.“

Momokos Kinnlade klappte herunter, während ihre innere Persönlichkeit direkt einen Ohnmachtsanfall vortäuschte.

„Ich weiß, dass ist sehr spontan, aber auch die effektivste Art viel Zeit mit den anderen zu verbringen, ohne dass wir uns aufteilen müssen. So kannst du mich auch am einfachsten davon überzeugen, dass dieser Fuma nicht der ist, für den ich ihn halte.“

Er lachte scherzhaft und gab ihr einen amüsierten Klaps auf den linken Oberarm.

Es war ein Witz; ein Spaß; ein ulkig dahingesagter Spruch, aber er schlug bei Momoko ein wie eine Bombe.

Nur allzu gern hätte sie sich ebenfalls in Ohnmacht fallen lassen. Stattdessen blinzelte sie die bunten Funken vor ihren Augen weg und wehrte sich gegen das Sausen in ihren Ohren, sowie gegen ihre wackeligen Knie, die sich verhielten, als wären sie auf einmal aus Gummi.

„U- Urlaub? Mit allen zusammen?“, wiederholte sie stotternd und mit viel zu hoher Stimme.

Takuro grinste breit.

„Da staunst du jetzt. Dass ich so was vorschlagen würde, hattest du wohl nicht erwartet.“

„Stimmt, hab ich nicht.“, erwiderte sie schmallippig.

Er erwartete keine Begeisterungsstürme, hielt er ihre Sprachlosigkeit doch für das untrügliche Zeichen, dass er sie tatsächlich verblüfft hatte.

Und das hatte er, nur nicht so, wie er glaubte.

„Frag sie einfach und es werden sich bestimmt ein paar Tage finden, an denen sie alle Zeit haben. Bestell ihnen schöne Grüße von mir – ich muss jetzt los. Gute Nacht, Liebste.“

Zwei aufgehauchte Küsse auf ihre blassen Wangen später stieg er endlich in das Auto und verschwand damit in der Nacht.

Versteinert blickten ihre blauen Augen hinter den Rücklichtern her. Sie fröstelte, obwohl es warm war. Alle ihre Härchen waren aufgerichtet und ihre Glieder zitterten. Ihr ganzer Körper signalisierte ihr: Gefahr!

»Das ist nicht gut. GAR nicht gut!«

Ja, sie wollte einen Weg finden, mehr Zeit ohne Kontrolle mit ihren Freunden und Yosuke verbringen zu können, aber so?! Ihr war gerade erst klar geworden, dass sie ernste Gefühle für ihn entwickelt hatte und sie deswegen eigentlich genau das Gegenteil tun müsste. Nun sollte aus etwas mehr Zeit gleich ein ganzer Urlaub werden? Ein Trip auf dem sie sich Tag und Nacht sahen und bei dem auch noch ihre Partner und besten Freunde anwesend wären?

Momoko schnappte nach Luft; die bunten Funken und das Schwächegefühlt kehrten schlagartig zurück. Sie rettete sich im Laufschritt zurück ins Haus, wo sie hinter der Tür schließlich auf die Knie sank und die Hände an ihre Schläfen presste.

„Das kann nicht gut gehen. Das kann nicht gut gehen, das kann nicht gut gehen…“, murmelte sie immer wieder leise vor sich hin.

Um sich selbst zu beruhigen, wippte ihr Oberkörper dabei vor und zurück.

Die Angst, dass alles zwischen ihr und Yosuke auffliegen würde, war nahezu übermächtig. Sie konnten auf so einem langen Ausflug vielleicht ihre Partner täuschen, aber bestimmt nicht ihre besten Freunde, die sie seit Kindertagen kannten.

»Ich kann Takuros Idee aber auch nicht ablehnen! Was würde er denken, wenn ich plötzlich zurück rudere und einen rein freundschaftlichen Ferientrip ablehne? Wenn ich das Eine will, aber das andere wiederum nicht?«

Es war zum Haare raufen und genau das tat Momoko auch.

Ihr wechselhaftes Verhalten würde sein eifersüchtiges Gemüt ganz sicher misstrauisch werden lassen. Dann würde er keine Kompromisse mehr eingehen. Entweder sie spielte nach seinen Regeln mit oder gar nicht.

Sie versuchte tief und gleichmäßig zu atmen.

»Warum schiebe ich eigentlich jetzt schon solche Panik? Vielleicht haben die anderen ja gar keine Zeit! Wahrscheinlich flippt Hiromi sogar aus und sagt sowieso nein. Dann bin ich aus dem Schneider.«

Momoko legte die Hände auf ihr galoppierendes Herz und beruhigte sich langsam. Sie musste gelassen sein; es brachte ihr gar nichts, wenn sie schon ausrastete, bevor das Ganze überhaupt spruchreif war.

Etwas entspannter schleppte sie sich, immer noch kreislaufschwach, nach oben ins Badezimmer, um sich bettfertig zu machen. Das grelle, kühle Licht der Leuchtstoffröhre stach ihr in den Augen.

Zielstrebig griff sie zur Zahnbürste und lud sich eine ordentliche Portion Pfefferminz-Zahnpasta auf die Borsten. Den Geschmack dieses aufwühlenden Abends aus dem Mund zu bekommen, war noch vor dem Schlafengehen ihr dringendstes Bedürfnis.

Momoko hob das Reinigungswerkzeug an den Mund und schaute in den Spiegel.

„WAS ZUM…!!!“, stieß sie entsetzt aus und ließ die Zahnbürste ins Waschbecken fallen.

Sie beugte sich vor und drehte ihre linke Gesichtshälfte zum Spiegel hin. Hektisch schob sie ihr störendes Haar dabei zur Seite und rieb sich mit einer Hand immer wieder über den Hals.

Ein tiefroter, münzgroßer Fleck leuchtete dort unübersehbar auf ihrer Haut.

»Ein Knutschfleck?!«

Mit verkniffenem Blick ging sie die ungeliebten Erinnerungen an den Fast-Verkehr mit Takuro durch.

„So eine blöde, alberne Scheiße!“, fluchte sie hemmungslos drauf los.

»Wie soll ich das tagelang verstecken? Der Fleck leuchtet doch durch jedes Make-up durch!«
 

„Du gehörst zu mir, oder? Mit Leib und mit Seele.“
 

Sie stöhnte, als sie sich an diesen Satz und die Situation dazu erinnerte. Er hatte ihr dieses Zeichen gar nicht im Eifer des Gefechts verpasst, ohne weiter darüber nachzudenken.

Es war volle Absicht gewesen! Damit jeder wusste, dass sie ihm gehörte! Damit es auch Yosuke wusste, wenn sie ihm gegenüber stand, um ihn wegen des Kurztrips zu fragen.

»Takuro hat das geplant - unglaublich!«

Momoko knurrte in ihr finster schauendes Spiegelbild und grub die Finger wütend in das Waschbecken.

Sie würde sich etwas einfallen lassen müssen.
 

~*~
 

Das Läuten der Schulglocke kündete vom Pausenbeginn.

Momoko schnappte sich erleichtert ihr Lunchpaket und flüchtete allein aus dem Klassenzimmer nach draußen. Ihr Ziel war das Dach. Sich dort aufzuhalten war den Schülern eigentlich untersagt, aber nur da konnte sie ganz für sich sein.

Die Luft war frisch, der Himmel klar und die Sonne strahlte warm und hell auf sie hinunter. Es sollte eine sehr sonnige Woche werden. Entspannt ließ sich die Oberschülerin am Rande des Daches auf dem blanken Betonboden nieder und lehnte sich gegen den Sicherheitszaun. Hinter ihr drang das Gemurmel sämtlicher Mitschüler, die sich auf dem Hof tummelten, zu ihr hinauf.

Die junge Frau gönnte sich einen Augenblick Frieden und schloss die Augen. Fast die ganze Nacht lang hatte sie über die sich anbahnende Katastrophe nachgedacht, die sie selbst angestiftet hatte. Genügend Schlaf war ihr deswegen auch diesmal kaum vergönnt gewesen.

Wenn das so weiter ging, dann fielen ihre ohnehin eher mittelmäßigen Schulnoten bald in den Keller.

»So kann das nicht weitergehen.«

Sie zupfte gedankenversunken an ihrem roten Halstuch herum, das sie heute direkt um den Hals trug, statt unter dem Kragen ihrer Uniform. Etwas Besseres war ich nicht eingefallen, um den auffälligen Fleck auf ihrer Haut zu verstecken.

Unangerührt stellte Momoko ihr Bento neben sich ab und zückte dafür ihr Handy aus der Rocktasche. Sie hatte es aufgeschoben, sich nach den jüngsten Ereignissen direkt bei Yosuke zu melden, aber jetzt war ein guter Zeitpunkt gekommen, das nachzuholen.

>>>Hi Y.! Hast du diese Woche vielleicht Zeit? LG M.<<<

Nach dem Absenden tippte sie sich mit der oberen Kante des Telefons immer wieder unruhig und gedankenversunken gegen die Lippen.

Sie wusste, dass Yosuke in den Hofpausen ganz sicher von Hiromi wie von einer Schmalzfliege umkreist wurde und es deswegen sein konnte, dass er nicht sofort antworten würde. Aber er tat es; ihr Handy brummte verkündend.

>>>Hi M! Kommt darauf an, wofür. H. hat übermorgen nach der Schule einen Arzttermin. 2h Luft hätte ich da ca. LG<<<

>>>Nur zum Reden. Kann ich da rumkommen? Ich bleibe auch nicht lange.<<<

Es störte sie, dass sie beide ihre Nachrichten so merkwürdig salopp formulieren mussten, doch falls ihnen jemand über die Schulter schaute durfte nichts Verdächtiges darin zu sehen sein.

„Hey, Hanasaki-kun! Hier bist du also!“

Momoko schreckte hoch und steckte sofort ihr Telefon weg.

„Yuko! Mein Gott, du hast mich erschreckt!“, fuhr sie ihre Klassenkameradin an und legte die Hand beruhigend auf ihr wild klopfendes Herz.

Die vorwitzige Schülerin lächelte schuldbewusst und ließ die Tür zum Treppenhaus hinter sich leise ins Schloss fallen.

„Entschuldige! Ich habe gesehen, dass du zu den Treppen nach oben gelaufen bist… Ich dachte, dir geht es vielleicht nicht gut.“

In einer unschuldig anmutenden Geste verschränkte sie ihre Arme hinter dem Rücken und kam mit kleinen Schritten auf sie zu. Neugierig schauend reckte sie ihren Hals nach dem Handy, das ihre Mitschülerin eilig versteckt hatte.

Momoko verschärfte ihren Blick und schnappte sich ihr Mittagessen.

„Es geht mir blendend, danke.“, widersprach sie knapp.

„Wem hast du denn gerade gesimst?“

Die kleine Japanerin ignorierte ihren leicht gereizten Ton einfach und setzte sich zu allem Überfluss auch noch ganz unverfroren neben sie.

„Niemandem. Ich habe nur etwas nachgeschaut.“, log die Rosahaarige kühl.

„Wie läuft es denn mit deinem Freund und deinem Freund?“, fragte Yuko einfach frech grinsend weiter.

Momoko schnaubte kopfschüttelnd. Konnte sie nicht einfach mal ihre Ruhe haben, wenn sie es wollte? Genervt stand sie auf und klopfte ihren dunklen Faltenrock ab.

„Da läuft alles ganz prima. Warum kümmerst du dich nicht einfach mal um deine eigenen Angelegenheiten?“

Das junge Mädchen sah entrüstet zu ihr auf.

„Hey, ich dachte, wir sind Freundinnen?“, beschwerte sie sich maulend.

Etwas an ihr erinnerte die Langhaarige ganz stark an Hiromis nervtötende Art. Augenverdrehend wandte Momoko sich ab und beschloss, das Dach wieder zu verlassen.

„Wir leben doch in ganz anderen Welten. Lass mich einfach etwas mehr in Ruhe.“, sagte sie ihr noch und ging.

Irgendwie tat es ihr leid, dass sie so harsch zu Yuko gewesen war, aber ihre neugierigen Fragen waren im Moment das Letzte, das sie gebrauchen konnte.

Noch während sie die Treppen hinab stieg, griff sie noch mal nach ihrem Mobiltelefon, um ihren Posteingang zu prüfen. Yosuke hatte noch mal geantwortet.

>>>Ja, ok. Was gibt es denn zu bereden? Alles i.O.?<<<

Nur mit dem Daumen tippte sie hastig ihre Antwort.

>>>Alles i.O. Wir sehen uns Donnerstag. LG M.<<<
 

~*~
 

Das Wetter verschlimmbesserte sich im Verlauf der Woche signifikant.

Aus warm wurde heiß; aus einst lauen Lüftchen eine Wand aus schwelender Wärme. Für Ende Mai waren es außergewöhnlich hohe Temperaturen geworden. Zwar waren für das folgende Wochenende ausgleichende Gewitter angesagt, doch noch war davon weit und breit nichts zu spüren. Blauer konnte der Himmel nicht sein.

Yosuke schleppte sich verschwitzt in seine Wohnung, nachdem er Hiromi direkt nach der Schule und dem Fußballtraining auf ihr Bitten und Betteln hin noch zum Frauenarzt eskortiert hatte. Das Duschen direkt nach dem Training war sinnlos gewesen; sein Hemd klebte bereits wieder an seiner überhitzten Haut.

Geschafft warf er seine Sporttasche ab und schlüpfte aus den qualmenden Schuhen. Es war angenehm, ohne Hausschuhe über den blanken Laminatboden zu laufen.

»Ich brauche dringend noch eine Dusche!«, dachte er bei sich und warf einen prüfenden Blick auf die Uhr.

Gespannt erwartete er, dass Momoko sich endlich bei ihm meldete.

Sie hatte ein großes Geheimnis daraus gemacht, was es so Wichtiges zu bereden gab, das man nicht auch telefonisch klären konnte. Er war etwas nervös deswegen, denn ihm war aufgefallen, dass sie sich in den letzten Tagen wenn überhaupt nur sporadisch bei ihm gemeldet hatte. Ob es etwas mit ihrem Treffen, letzten Sonntag, zu tun hatte?

Yosuke schüttelte den Kopf und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Sie würde jeden Moment hier sein, dann erfuhr er es hoffentlich.

Wäre er wegen ihrem distanzierten Verhalten nicht so nervös, würde er sich über ihren Besuch ehrlich freuen. Er hatte ihr Treffen in sehr guter Erinnerung behalten und es verschaffte ihm ein aufregendes Gefühl, wenn er daran dachte, sie heimlich hier in seinen vier Wänden zu empfangen, wo alles angefangen hatte.

Der Torwart streifte sich seine Socken ab und genoss den kühlen Boden unter seinen Füßen. Es war ja keine Hiromi da, die ihn davon abhalten konnte barfuß durch die Wohnung zu laufen.

»Sie verspätet sich.«, stellte Yosuke, der einen weiteren Blick auf die Uhrzeit warf, missmutig fest.

Er löste seine enge Krawatte und öffnete die oberen Knöpfe seines Hemdes bis zur Brust. Die Dusche rief verlockend nach ihm, aber er wartete weiter geduldig.

Als die Türklingel endlich ertönte, zuckte er erschrocken zusammen und hastete dann zur Freisprechanlage.

„Ja bitte?“

„Ich bin’s, Momoko.“

Per Knopfdruck entsicherte er ohne weiteren Kommentar die Tür.

Yosuke lief den Flur ungeduldig auf und ab, während er auf ihre Ankunft wartete. Im Kopf ging er durch wie lange sie wohl auf den Fahrstuhl warten musste und wie lange dieser brauchte, bis er seine Etage erreichte.

Dann klopfte es. Aufgeregt öffnete er ihr die Tür.

„Hi!“, begrüßte sie ihn strahlend.

„Hi.“, entgegnete er ebenfalls lächelnd; sein Herz machte bei ihrem fröhlichen Anblick einen erleichterten Satz.

Momokos Gesicht war gerötet von der Hitze und den Anstrengungen, die sie unternommen hatte, um mit dem Fahrrad hierher zu kommen.

Sie trat an ihm vorbei in den Flur und warf einen begutachtenden Blick in den Raum, ohne etwas zu sagen. Ob sie sich dabei an dieselben Dinge erinnerte, wie er vorhin?

„Wie geht es dir? Bist du gut hergekommen?“

„Was, ich? Ja klar, mit dem Fahrrad kommt man besser durch den Nachmittagsverkehr als mit einem Auto. Nur diese Wärme…“, erzählte sie erschöpft und fächerte sich mit der Hand Luft zu.

„Ja, ich weiß, was du meinst.“, bestätigte er und zeigte an seiner ebenfalls durchgeschwitzten Erscheinung herunter.

Ihr Blick folgte seiner Handbewegung, blieb aber auf Brusthöhe an seiner geöffneten Knopfleiste hängen. Ein Hauch verräterisches Rosa färbte ihre Wangen. Yosuke konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen.

„Möchtest du deine Tasche nicht ablegen und richtig reinkommen? Ich habe Eistee im Kühlschrank.“

„Eistee?“, fragte sie mit merkwürdigem Unterton.

„Nicht gut?“, hinterfragte er verwundert.

„Doch, Eistee ist super! Aber ich gehe eh gleich wieder. Ich sagte ja, dass ich nur kurz bleibe. Ich möchte lieber kein Risiko eingehen.“

Ihre Finger klammerten sich angespannt um den Griff ihrer Schultasche.

Ein wenig enttäuscht und auch verunsichert zog er seine Stirn in Falten.

„Ist alles in Ordnung? Du bist schon seit Tagen so… komisch. Schreibst kaum und wenn, dann irgendwie distanziert. Habe ich etwas falsch gemacht?“

Die junge Frau winkte beschwörend ab und errötete.

„Nein! Gar nicht! Meine Woche war nur ziemlich stressig bisher… ich hänge in der Schule ganz schön hinterher und nach der Arbeit bin ich fast immer total erschlagen. Das ist alles.“

Yosuke musterte ihre Miene; irgendwie glaubte er ihren Worten nur zum Teil.

„Na gut… was ist denn nun so wichtig, dass du das persönlich mit mir bereden musst und dafür extra hergekommen bist?“

Momoko schaute auf ihre Finger und sammelte sich.

„Also… es ist so…“, holte sie zögerlich aus und begann zu erzählen.
 

In den nächsten Minuten hing er wie gebannt an ihren Lippen, die sehr nervös von ihrer ungewöhnlichen Idee erzählten, die sie bereits nach ihrem letzten Treffen ausgeheckt hatte. Mit verschränkten Armen stand er vor ihr an die Wand gelehnt und lauschte verblüfft. Seine braungrünen Augen weiteten sich immer mehr, je weiter sie ausführte.

Was sie vorschlug war absurd, wenn man daran dachte, wie ihre beiden Partner tickten. Umso sprachloser war er, als er von Takuros Reaktion darauf hörte und was dieser im selben Atemzug vorgeschlagen hatte.

„Ein Urlaub? Wir alle zusammen? Am Meer?“, resümierte Yosuke ungläubig.

Jaaa~ so ähnlich habe ich auch reagiert.“, erwiderte sie seufzend.

„Ich dachte, er hasst mich?“

„Tja… ich bin genauso erstaunt darüber, wie du.“

Achselzuckend lächelte sie ihre eigene Ratlosigkeit weg.

Er spielte den Gedanken flüchtig im Kopf durch und langsam dämmerte ihm, warum Momoko sich so merkwürdig verhielt.

„Und was denkst du darüber? Also über seinen Vorschlag?“

Er sah sie ernst an und sie schaute überrascht von seinem Tonfall zurück.

„Na ja… ich denke, dass das unmöglich ist…oder? Es ist bestimmt keine kluge Idee, wenn wir so nah aufeinander hocken…“

Nervös spielte ihre linke Hand mit einer langen Haarsträhne herum, während ihre blauen Augen seinem durchdringenden Blick auswichen. Momoko begann auf ihrer Unterlippe zu kauen und ihre Gesichtsfarbe wechselte ins Dunkelrot.

Ihre verlegene Reaktion auf seine Nachfrage weckte wölfische Instinkte in ihm; es stand ihr ins Gesicht geschrieben, warum sie es für keine gute Idee hielt.

„Hast du Angst, dass sie etwas bemerken? Dass sie uns ansehen, was zwischen uns läuft?“, fragte er sie mit dunklerer, herausfordernder Stimme und trat auf sie zu.

Wie erwartet erstarrte sie in ihrer Bewegung und schluckte nervös.

Seine Wirkung auf sie verstärkte seinen erweckten Jagdtrieb nur noch mehr. Sein Puls beschleunigte sich.

„Ich… ich… ja?“, stammelte sie aus der Fassung gebracht.

Der Torwart nahm ihr die Strähne aus der Hand, wickelte sie um seine eigenen Finger und zog sie daran näher zu sich heran.

„Ich nicht.“

Mit offenstehendem Mund sah sie ihn an.

„Du machst Witze?“, flüsterte die junge Frau atemlos.

Ihr entsetzter Gesichtsausdruck, mit den tellergroßen Augen, den rot glühenden Wangen und den erschrocken geöffneten Lippen, war ein göttlicher Anblick. Da begann Yosuke zu schmunzeln und schließlich auch leise zu lachen. Er schnippste ihr die Haarsträhne neckend ins Gesicht und entfernte sich mit in die Hüften gestemmten Armen.

„Natürlich war das ein Witz! Ich bin doch nicht verrückt. Es macht nur solchen Spaß, dich aus der Fassung zu bringen.“

Entrüstet schnappte sie nach Luft, doch das Donnerwetter blieb aus.

Das hätte ich mir ja denken können…“, erwiderte sie nur mürrisch.

Schnippisch reckte sie ihm das Kinn entgegen, während sie ihren Puls wieder unter Kontrolle- und eine normale Gesichtsfarbe bekam. Yosuke grinste zufrieden und mehr als nur amüsiert über ihr Verhalten. Es war besser er ließ nicht durchblicken, dass diese abstruse Idee tatsächlich etwas Reizvolles für ihn hatte.

„Na ja… wie auch immer. Takuro wollte, dass ich meine Freunde frage und da bin ich nun. Er verspricht sich von dieser Idee ganz sicher auch etwas. Entweder will er mich testen oder dich vorführen und demütigen. Vielleicht auch beides. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er diesen Plan nur mir zuliebe so schnell ausgeheckt und vorgeschlagen hat.“

Der Dunkelhaarige schnaubte zustimmend.

„Ich mir auch nicht.“

„Wirst du Hiromi trotzdem fragen? Oder sagst du sowieso nein zu seiner Einladung?“

„Ich habe zwar keine Ahnung, wie ich ihr das erklären soll, da sie ja nicht mal weiß, dass wir miteinander Kontakt gehalten haben… aber da denke ich mir schon was aus. Also ja, ich frage sie.“

„Oh wow, ok… ich hoffe, sie lehnt ab.“

Yosuke verengte verletzt die Augen.

„Du hast tatsächlich etwas dagegen.“

Momoko sah ihn verständnislos an.

„Umringt von zig Paar wachsamen und prüfenden Argusaugen – ja!“

Er schüttelte den Kopf. Ihre Reaktion war nachvollziehbar; er sollte sich nicht wünschen, dass diese Idee umgesetzt wurde. Sie hatten beide Gründe genug dazu, solche Situationen zu vermeiden und vorsichtig zu bleiben.

Aber er genoss ihre Anwesenheit so sehr, dass sie ihm fehlte. Sie nicht um sich zu haben war wie nicht vollständig zu sein. Ein merkwürdiges Gefühl…

„Na ja, ich werde dann jetzt wohl besser wieder gehen. Meldest du dich, wenn du es hinter dich gebracht hast? Takuro hat mich bereits gestern gefragt, ob ich dich und die anderen schon darauf angesprochen habe… ich würde ihm morgen gerne eine Antwort geben können, bevor er sich noch anfängt zu wundern, warum ich das so lange vor mir herschiebe.“

„Uff, wirklich viel Zeit mir etwas Glaubhaftes auszudenken, gibst du mir ja nicht gerade.“, witzelte Yosuke stichelnd.

„Ja ich weiß, entschuldige.“

Ein wenig bekümmert schaute Momoko auf ihre Finger.

„Ich bin immer noch verblüfft, wie du Takuro von diesem Einfall überzeugen konntest. Diese Unterhaltung mit ihm stelle ich mir schwierig vor.“

Der Fußballspieler sah nicht, wie sich ihr Griff um den Henkel ihrer Tasche anspannte.

„Ach… das war sie gar nicht. Ich hatte einfach überzeugende Argumente.“

Yosuke bemerkte das Zögern in ihrer Stimme, aber reagierte nicht darauf. Sie hatten ausgemacht nicht mehr als nötig nachzuhaken, wenn es um Ihre Partnerschaften ging und er gab sich alle Mühe, diese Grenze nicht zu überschreiten.

„Okay… also melde ich mich morgen bei dir? Soll ich dir schreiben oder dich anrufen? Oder sehen wir uns dieses Wochenende vielleicht noch mal?“

Hoffnungsvoll musterte er ihre Miene. Ihre letzte Begegnung hatte ungenutzte Gelegenheiten hinterlassen, die er sich insgeheim noch nachzuholen wünschte.

Doch die Blauäugige starrte wieder nur schwermütig auf ihre Tasche.

„Was das angeht… darüber wollte ich auch noch mit dir reden. Ich habe jetzt schon viele Wochenenden verstreichen lassen, ohne kleinere Fotografenjobs anzunehmen. Du weißt, dass ich keine Reserven habe, um das auszugleichen. Ich muss also wieder mehr arbeiten gehen.“

Jetzt sah sie wieder zu ihm auf; traurig und ein wenig ängstlich, wie seine Reaktion darauf wohl ausfallen würde.

Tatsächlich versetzte es Yosuke einen Tiefschlag. An diese Dinge hatte er schon lange nicht mehr gedacht. Die aufkeimende Freude und das aufgeregte Kribbeln in seiner Brust wichen einem schwer lastenden Gefühl. Es war sein schlechtes Gewissen Momoko gegenüber und die Machtlosigkeit, weil er nicht in der Lage war ihr mit diesem Problem zu helfen.

„Und in der Schule läuft es auch nicht gut. Ich war zu oft mit meinen Gedanken woanders und habe mich ablenken lassen. Wenn das so weiter geht, dann schaffe ich die anstehenden Klausuren nicht und wir reden hier immerhin vom Abschlussjahr. Ich muss meine Noten wieder in den Griff bekommen. Dazu muss ich aber zwischen der Arbeit lernen, lernen und noch mehr lernen… Ich denke, bis zu den Ferien werden wir uns nicht mehr treffen können.“

Er holte tief Luft und ließ ihre Aussage wirken. Damit hatte er nicht gerechnet.

„Das sind gute drei Wochen!“, stellte Yosuke erschrocken fest. „Ernsthaft?!“, hakte er ungläubig nach.

Momokos Augen aber machten nicht den Eindruck, als würde sie scherzen. Eher im Gegenteil; in ihnen lag dasselbe Bedauern, das er in diesem Moment tief in sich drin empfand.

„Das klingt lange, aber wir haben ja unsere Handys. Ich muss mich für den Moment einfach wieder auch auf die anderen Dinge in meinem Leben konzentrieren. Dasselbe täte dir sicher auch mal ganz gut.“, versuchte sie ihn mit einem halbherzigen Lächeln zu beschwichtigen.

Nein, das tat ihm ganz und gar nicht gut! Er hatte Sehnsucht nach ihr und hielt seine niederen Instinkte, die sich seit ihrem Eintreffen in seiner Wohnung immer wieder aus dem Hinterhalt zu kämpfen versuchten, nur aus Höflichkeit zurück. Und jetzt offenbarte sie ihm, dass er noch fast einen ganzen Monat weiter auf sie verzichten musste?

Yosuke seufzte schwer und massierte seinen Nacken mit beiden Händen.

»Was für ein Dilemma.«

„Ich finde es ja auch schade… Letztens, das war wirklich schön und hat mir sehr viel Spaß gemacht. Lass uns das oder etwas Ähnliches doch in den Ferien dann noch mal machen, wenn es irgendwie möglich ist.“

Das Momoko es anscheinend ganz offensichtlich von vorne herein ausschloss, dass der Kurzurlaub mit ihnen allen zustande kommen würde, überschattete seine Freude darüber, dass sie ihren Ausflug zusammen genauso genossen hatte wie er, fast gänzlich.

Sie drehte sich zur Tür um und ertastete bereits die silberne Klinke.

„Na gut, ich fahre jetzt nach Hause. Wir hören voneinander, ok?“

Als sie den Türgriff herunter drückte, agierte sein Körper wie ferngesteuert von selbst.

Noch bevor sich die Tür öffnete, drückte er sie mit seiner linken Hand wieder zu. Die junge Frau drehte sich eingeschüchtert zu ihm um. Er versperrte ihr mit dem ausgestreckten Arm den Weg.

„Ist das alles? Willst du wirklich schon gehen, obwohl wir uns jetzt wochenlang nicht sehen werden?“

Provozierend kam er ihrem Gesicht näher und bedachte jedes Detail darin mit prüfenden Blicken. Keine ihrer Regungen würde ihm entgehen.

Ihren sich beschleunigenden, unruhigen Atem konnte er bereits auf seiner überhitzten Gesichtshaut spüren.

„Ich kann nicht bleiben…“, hauchte sie verlegen.

„Kannst du nicht oder willst du nicht? Hiromi ist noch ein, zwei Stunden lang weg.“, versprach Yosuke ihr verheißungsvoll.

Aufreizend zärtlich strich er mit dem Daumen seiner rechten Hand über die Unterlippe ihres leicht geöffneten Mundes. Die Lust diese sündigen Lippen zu küssen, überkam ihn erneut unerbittlich. Momokos lange, dunkle Wimpern verhingen ihren Blick, der seinem auswich, aber ziemlich eindeutig an seinem eigenen Mund hing.

„Weißt du, es ist ziemlich heiß heute und ich wollte gerade duschen gehen. Du könntest mir Gesellschaft leisten.“

Sein Herz wummerte aufgeregt; ein solch anrüchiges Angebot hatte er noch keiner Frau zuvor gemacht.

Sie schaute mit glühenden Augen zu ihm auf. Interessiert, aber unsicher; verlegen, nervös, zweifelnd… und auf ihrer Unterlippe kauend.

„Nein, ich kann nicht.“

Ihre Ablehnung war schwach. Ihr Mund hatte das Nein geformt, aber ihre Körpersprache erzählte etwas anderes.

Yosuke verdunkelte seinen Blick unwillkürlich und drängte sich noch näher an sie heran.

„Willst du mir sagen, dir sei nicht heiß?“

An ihr klebten noch die Schweißperlen der Radfahrt, aber es war nicht diese Art von heiß, die er meinte. Momoko hatte die Bedeutung zwischen den Zeilen sehr wohl verstanden, was ihr purpurfarbener Teint verriet.

Sein Blut geriet in Wallungen; es gab nichts mehr was ihn davon abhielt, sie auf der Stelle zu verführen. Er nahm ihr rotes Halstuch an einem Ende in die Hand.

„Dir muss doch warm darunter sein.“, raunte er verführerisch und zog daran.

Momoko riss ihre Augen erschrocken auf.

„Warte!“, bat sie und wollte ihn gerade von sich wegdrängen, doch da hielt er das Tuch bereits gelöst in seiner Hand.

Erstarrt ruhte sein Blick auf ihrem freigelegten Hals, auf dessen sonst so makelloser Haut ein bräunlich bis gelbgrün gefärbter Fleck herausstach.

„Was ist das?“, fragte er eine Spur zu scharf.

Die Frage war unnötig. Er wusste genau, was das war. Schließlich erkannte er einen Knutschfleck, wenn er ihn sah. Er wich ein paar Schritte zurück.

Ein hässliches Gefühl stieg in ihm auf. Yosuke ballte seine Hände und versuchte gegen die Wut anzukämpfen, die sich ein seinem Unterbewusstsein gerade gegen Takuro aufbaute und nur allzu gern aus ihm herausbrechen wollte.

Beschämt bedeckte Momoko den Fleck mit ihrer Hand und wand die Augen ab.

„Gehört das mit zu den Argumenten, die du vorhin erwähnt hast?“, hinterfragte er schroff.

Getroffen erwiderte sie seinen Blick.

Innerlich versetzte ihm ihr Ausdruck einen weiteren, schmerzhaften Stich. Was war denn plötzlich los mit ihm?

Wieso wurde er so zynisch? Was zwischen ihr und Takuro lief, ging ihn rein gar nichts an. Er war nicht in der Position sie zu verurteilen oder gar zu verhöhnen, schließlich lagen solche Dinge in der Natur der Sache, wenn man in einer Beziehung war. Hiromi hatte er neulich schließlich auch nicht abgewiesen.

Trotzdem drehte ein Teil von ihm, der ihm seltsam neu und fremd war, durch bei der Vorstellung, wie dieser Knutschfleck zustande gekommen war. Es war ein zerfressendes Gefühl und je länger er diese Stelle an ihrem Hals anstarrte, desto größer wurde der Drang, sie auszulöschen.

„Tu das bitte nicht.“, unterbrach Momoko sein aufgeregtes Gefühlschaos. „Schau mich nicht so an, als hätte ich etwas Verwerfliches getan. Bitte, werd nicht gemein oder unfair deswegen.“

Verletzlich, mit flackernden Augen und über die Maßen beschämt, flehte sie ihn mit weinerlicher Stimme an, sie nicht als eine andere wahrzunehmen, die sie war.

»Wie könnte ich das je?«, dachte er erschüttert.

Er ließ das Tuch aus seiner Hand gleiten und trat mit großen Schritten wieder auf sie zu.

Sie begriff noch gar nicht, wie ihr geschah, da hatte er schon einen Arm um ihre schmale Taille geschlungen und seine andere Hand in ihrem Nacken vergraben.

Sie zu küssen – gerade auch auf diese sehnsuchtsvolle, verzehrende Weise - war längst überfällig gewesen.

Worte waren fehl am Platz, denn er wusste ohnehin nicht, wie er ausdrücken sollte, was er fühlte. Momoko sollte auf keinen Fall wegen seiner Taktlosigkeit weinen. Ihr Lächeln bedeutete ihm mehr als all die düsteren Dinge, die sie und Takuro vielleicht miteinander teilten. Es war ihm egal, was sie getan oder nicht getan hatte, solange sie jetzt hier bei ihm war und es auch sein wollte.

Und das wollte sie.


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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Noirchen89
2016-03-15T13:55:54+00:00 15.03.2016 14:55
Ich bin so geflasht 😮
Echt super Schreibweise!
Ich habe nun fast eine Woche die ganze ff gelesen und musste ungern unterbrechen zwecks Arbeit oder schlafen 😂 bin sowas von gespannt wie es weiter geht und wann und wie es zum ende kommt 😀 mach weiter so
Ganz liebe grüße
Von: abgemeldet
2016-03-14T16:26:31+00:00 14.03.2016 17:26
Ach jaa.... Wann geht es denn weiter jetzt wo es so spannend wird Vorallem weil es bald in Urlaub geht ^^
Antwort von:  Nea-chan
14.03.2016 21:55
Bald xD

Vielleicht schon in zwei Tagen... und danach mache ich wegen der LBM erstmal Pause.

LG
Antwort von: abgemeldet
15.03.2016 14:35
Da brauchen wir aber mind zwei Kapitel;)
Antwort von:  Anne208
16.03.2016 21:20
Seh ich auch so... Bitte nea
Wir knutschen dich auch😘😘😘😘😘
Von:  Miena
2016-03-12T12:28:22+00:00 12.03.2016 13:28
Huhu,

wieder einmal ein wundervolles Kapitel!
Ich bin so froh darüber, dass Takuro von sich aus abgebrochen hat! Ich hatte damit zwar nicht gerechnet, denn zugetraut hätte ich ihm, dass er einfach weiter macht, aber umso glücklicher war ich, als es doch nicht dazu gekommen war! Ich habe mich so für Momoko gefreut. *__*
Die Sache mit dem Knutschfleck war mir beim letzten Kapitel gar nicht sooo aufgefallen, aber jetzt hatte es natürlich miese Folgen! Einfach gemein von Takuro gewesen!
Die Reaktion von Yosuke hat mich daher noch mehr beeindruckt. Ich freue mich für die beiden, auch wenn Momoko sich anfangs etwas dagegen gewehrt hat, aber sie hat ja gemerkt, dass das mit dem Knutschfleck nicht so schlimm war. <333
Hach, ich freue mich tierisch auf das nächste Kapitel. *__*

Mach so klasse weiter! <33
Ich wünsche dir noch einen schönes Wochenende! :-*

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Anne208
2016-03-11T21:05:52+00:00 11.03.2016 22:05
Oh mein gott... ich weis garnicht wie meine Fingernägel das aushalten sollen.
Ich kann dich nur loben, du hast es Alles toll in Szene gesetzt!
Ich möchte mehr!
Bitte bitte bitte


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