~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 35: Loveless relationships ---------------------------------- Sie hatte sich kaum angeschnallt, als Takuro neben ihr dem Fahrer das Zeichen zum Losfahren gab. Er betätigte außerdem einen Knopf auf seiner Seite und zum ersten Mal stellte Momoko fest, dass dieses Auto eine ausfahrbare Trennscheibe, zwischen dem Fahrerraum und der Rückbank, hatte. Das roch nach Ärger. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mich so hintergangen hast.“, begann ihr Verlobter mit vorwurfsvollem Unterton. Momoko verschränkte sofort wieder ihre Arme und drückte sich in die äußerste Ecke ihres Platzes, von wo aus sie ihren Sitznachbarn sauer anstarrte. „Ich habe dich nicht hintergangen. Bis eben habe ich einen ganz normalen, ausgelassenen Abend mit meinen Freunden verbracht.“ „Schau dich doch mal an! Das nennst du normal?! Und diese Bar, oder vielmehr dieser Club – ich will gar nicht wissen, was da drin für Zustände geherrscht haben.“, knurrte Takuro und malte sich die dunkelsten Dinge aus. „Ja, ich weiß, mein Outfit ist nicht nach deinem Geschmack, aber es ist weit davon entfernt billig auszusehen! Ich habe eine Leggings unter meinem Minirock, ich trage kein Bauchfrei und ich hatte mit der Bluse nicht vor an einem Wet-T-Shirt-Contest teilzunehmen.“, konterte sie provokant und frech. Takuro taxierte sie mit seinen rotbraunen Augen wenig amüsiert. „Das ist nicht der passende Zeitpunkt für Scherze.“, sagte er kühl. „Ich finde das Ganze hier auch nicht lustig! Aber was willst du denn hören? Ich habe nichts gemacht, was deinen Ärger und dein Verhalten von eben rechtfertigt!“ „Ach, jetzt drehst du den Spieß um, indem du mir vorwirfst ich hätte mich falsch verhalten?“, hinterfragte er ungläubig, aber ruhig. „Oh ja, das tue ich!“ Trotzig warf sie sich in ihre Lehne und sah aus dem Fenster. Der Schwarzhaarige musterte sie argwöhnisch. „Du wärst wohl lieber bei diesem Fußball-Proleten geblieben, als jetzt bei mir zu sein.“ Momoko rollte kopfschüttelnd mit den Augen. „Es geht doch überhaupt nicht um Yosuke! Du hast mich von der Party quasi weggezerrt und mich dastehen lassen, wie ein unartiges Kind! Yuri und die anderen werden sich jetzt außerdem wahrscheinlich totale Sorgen um mich machen, weil ich mich nicht abmelden konnte und nun weg bin.“ „Du kannst sie von Zuhause aus anrufen, aber Fuma wird dich wahrscheinlich bis dahin schon entschuldigt haben.“ Es machte die Rosahaarige rasend, dass Takuro alles, was sie sagte, abtat, als wäre es nicht von Bedeutung. „Du kannst dich nicht immer so aufführen, wann immer ich etwas tue, das dir nicht gefällt. Das geht einfach nicht.“, versuchte sie es langsam und eindringlich bei ihm. Wieder funkelte er sie nur böse an. „Warum nicht? Du wirst irgendwann meine Frau sein, da kann ich doch wohl erwarten, dass du dich nicht benimmst wie ein wilder, hemmungsloser Teenager! Schließlich repräsentierst du dann meinen Familiennamen.“ Sie verengte ihre Augen zu Schlitzen und krallte ihre Fingernägel in die Haut ihrer Oberarme. „Ich habe aber auch noch ein Leben außerhalb dieser Welt! Du kannst mir nicht bei allem vorschreiben, was ich zu tun oder zu lassen habe!“, fauchte sie schmallippig. „Oh doch, weil du zu mir gehörst! Ich lasse nicht zu, dass du dich in solchen Kreisen aufhältst.“ „Weißt du überhaupt, was du da redest? Du klingst total kontrollsüchtig!“, fuhr Momoko ihn entsetzt an. „Ich weiß, aber es ist das Beste so. Du merkst es nicht, aber diese Leute sind nicht gut für dich. Sie verleiten dich zu Dingen, die dir und mir schaden könnten.“, erklärte er sachlich und vollkommen davon überzeugt. „Diese Leute? Meinst du meine Freundinnen, oder insbesondere Yosuke?“ Ihre Blicke trafen sich und Momoko schlug seine unverhohlene Eifersucht ins Gesicht. Takuro antwortete nicht, aber das war auch überflüssig. Ein zynisches Lächeln glitt über ihre Lippen. „Unglaublich… du kannst mich doch nicht von jedem Mann in meinem Umfeld fernhalten! Wie gesagt, wir haben uns zufällig in dem Club getroffen und nur ge-re-det.“ „Tatsächlich? Warum wart ihr dann nicht drinnen? Wieso musstest du ihm dazu hinterher rennen?“, konfrontierte er sie scharfzüngig. Die junge Frau blieb ihm die Antwort schuldig. So schnell fiel ihr keine plausible Ausrede dafür ein, aber sie ließ sich nach außen hin nicht anmerken, dass er einen wunden Punkt erwischt hatte. Sie hielt störrisch den Blickkontakt. Takuro wand sich, als Erstes, nachdenklich ab und einen Augenblick lang schwiegen sie beide. „Ich werde dafür sorgen, dass du jetzt immer von der Schule abgeholt wirst, an den Tagen, wo du nicht arbeiten musst. An den Anderen stehe ich abends sowieso vor deinem Café. Du wirst mir jetzt außerdem immer mitteilen, wo du bist oder wohin du gehst. Vor allem mit wem. Wenn ich dich auf deinem Handy nicht erreichen kann, werde ich deine Freundinnen abtelefonieren.“ Momoko riss die Augen auf. „Auf keinen Fall! Das ist doch krank! Vergiss es, ich lasse mich nicht zwingen!“, widersprach sie sofort leicht hysterisch. Erschreckend schnell fuhr Takuro zu ihr herum und beugte sich bedrohlich nah zu ihr hinüber. Seine rechte Hand stemmte sich in die Tür neben ihr. „Oh doch, du wirst gar nicht anders können. Ich lasse dir da keine Wahl, wir haben eine Vereinbarung – vergiss das nicht.“ Nervös blinzelnd erwiderte sie seinen durchbohrenden Blick „Ich habe keine Ahnung, was ich getan haben soll, dass du so verärgert bist... Du willst also die komplette Kontrolle über mich? Ich dachte, du liebst mich?“, flüsterte sie langsam, fast stockend. Ihr Verlobter rückte zurück auf seinen Platz. Sein Gesichtsausdruck wurde weicher, fast entschuldigend. „Gerade deswegen ja, liebste Momoko. Du bist das Wertvollste, was ich habe und ich möchte mir immer gewiss darüber sein, dass das auch so bleibt.“ Ein eiskalter Schauer lief der Blauäugigen über den Rücken. Sie wusste nicht viel von der Liebe, aber wenn sie etwas wusste, dann dass das keine Liebe war! „Du vertraust mir nicht.“, stellte sie laut fest. „Kann ich dir denn trauen?“ Angespannt senkte sie kurz den Blick, nickte dann aber. »Es war nur eine einmalige Sache. Es kommt nie wieder vor, also ist es im Grunde keine Lüge.«, redete sie sich dabei ein. „Warum dann hast du mir verschwiegen, dass du Kontakt zu Fuma hast, obwohl ich dir damals deutlich gesagt habe, was ich davon halten würde?“ „Ich hatte keinen Kontakt zu ihm. Er brachte mir nach dem Klassentreffen meine vergessene Kamera vorbei und heute lief er mir, in dem Club, über den Weg. Das ist alles.“, log sie schluckend. Ihre Glieder zitterten wie Espenlaub, vor Anspannung, doch ihre entschlossene Fassade hielt trotzdem, solange sie sich an sich selber festhalten konnte. Takuro bedachte sie mit einem undefinierbaren Blick; seine Augen sahen dabei durch sie hindurch, so als würde er an etwas anderes dabei denken. „Ich weiß von dem Foto.“, sagte er plötzlich in die Stille hinein und sein Blick klarte wieder auf. „Welches Foto?“, fragte sie verwirrt. „Das Foto, was du vor ein paar Wochen, in deinem Kellerstübchen, so hektisch versucht hast vor mir zu verstecken. Das Bild mit Yosuke darauf.“ Momoko spürte, wie die Farbe aus ihrem Gesicht wich. DAS Foto hatte sie fast vergessen! Die Erinnerung daran rief gleichzeitig jene wach, in der sie ihn beim Fußballspielen noch ein zweites Mal fotografiert hatte. Ebenso rief es auch alles Weitere wach, was danach geschehen war… ihre Gespräche, ihr Date zum Hanami… alles. Ihr wurde schwindelig vor Aufregung, flog jetzt etwa alles auf? Als ihre Finger plötzlich zu kribbeln begannen und sich ein widerlich kalter, übergreifender Schauer seinen Weg über ihren Rücken bis in ihren Kopf bahnte, wurde es ihr schwarz vor Augen. „Momoko!“, hörte sie von ganz weit weg Takuros Stimme heranschallen. Zwei Hände rüttelten sie vorsichtig bei den Schultern. Sie schlug widerwillig die Augen wieder auf. „Du riechst ja nach Alkohol!“, stellte ihr Gegenüber entsetzt fest. Was? Die zwei Gläser Mixgetränk konnte man riechen? Sie konnte das kaum glauben, aber wenn sie deren Wirkung immer noch deutlich in ihrem Magen und vor allem in ihrem Kopf spüren konnte, war das wohl auch möglich. „Es war nicht viel…“, hauchte sie schwach. Der Schock, in Verbindung mit dem Hochprozentigen in ihrem Blut, hatte ihren Kreislauf einknicken lassen. Momoko fühlte sich elend, aber dieser Zufall rettete sie vorerst aus ihrer prekären Lage. „Was heißt, nicht viel? Wie bist du überhaupt an dieses Zeug gekommen?! Seit wann trinkst du eigentlich etwas?“ „Zwei Gläser. Wurden mir spendiert. War mit Cola gemischt, schmeckte gar nicht übel.“, antwortete sie knapp, denn jetzt rebellierte auch ihr verkrampfter Magen. Glücklicherweise bog der Wagen gerade in diesem Moment in ihre Straße ein. „Schaffst du es noch, bis wir anhalten?“ Lammfromm und sanft redete Takuro auf sie ein, rieb beruhigend ihren Rücken und lies ihr Fenster herunter, damit sie frische Luft bekam. Sie nickte konzentriert. Als sie vor ihrem Haus parkten, sprang ihr Verlobter sofort aus dem Auto, um ihr zuvorkommend die Tür zu öffnen und hilfsbereit seine Hand anzubieten. Momoko stieg aus und schlüpfte als erstes aus ihren Pumps, die sie dann in den Händen barfuss bis zu ihrer Tür trug, zu der sie Takuro natürlich begleitete. Ein paar Sekunden, in denen sie Zeit hatte zu realisieren, dass ihr unvorhergesehener Kollaps sie vor einem potenziell sehr unangenehmen Gespräch bewahrt hatte und ihr Mageninhalt wohl blieb, wo er war. „Schaffst du es alleine in dein Zimmer, oder soll ich dich begleiten?“, fragte der Schwarzhaarige sie höflich. „Es geht schon wieder, danke.“ Ihr Korb kränkte Takuro, der sich ernsthaft bemühte seinen Groll für den Moment ruhen zu lassen, da es ihr schlecht ging. „Na schön. Schlaf dich bis morgen aus, aber das Thema klären wir dann noch.“, warnte er sie vor. „Du wirst es wirklich durchziehen, oder? Mich jetzt rund um die Uhr im Auge zu behalten?“, entgegnete Momoko schwer seufzend und schloss dabei die Haustür auf. Er nickte nur knapp. „Tut mir leid, ich kann nicht anders. Dein Zustand jetzt bekräftigt mich darin sogar noch. Ich muss doch schließlich auf meine zukünftige Frau aufpassen, nicht wahr?“ Blass und erschöpft, wie sie war, konnte sie sich nicht mal mehr ein gestelltes Lächeln abringen. Also sah sie ihn einfach nur mit leerem Blick an. Er näherte sich ihr, nahm ihr Gesicht in beide Hände und hauchte ihrer Stirn einen Kuss auf. „Glaub mir, es ist das Beste so für uns beide. Unsere Liebe ist noch jung und zerbrechlich, nur wenn ich mich intensiv um sie kümmere, wird sie gedeihen.“ Mit vor Stolz geschwellter Brust, über sein prosaisches Gerede, lächelte er sie an und ging dann zurück zu seinem Wagen, der ihn zu sich in seine ausgeborgte Villa brachte. Momoko sah ihm nach, bis er verschwunden war. Alles in ihr, was sie in den letzten Wochen und Monaten von sich niedergerungen und in sich eingeschlossen hatte, damit sie mit Takuro zusammen sein konnte und ihm gefiel, brach jetzt wieder durch und kämpfte sich wütend an die Oberfläche. Zum ersten Mal empfand sie ehrliche Abneigung gegen ihn und sein Getue, denn es war alles nur Fassade! Nichts von dem, was er vorgab zu haben oder zu sein, entsprach der Wirklichkeit. Alles war nur geliehen und diente dem Schein, der alle anderen trügen sollte. Niemand sollte sehen, wie unsicher und unbedeutend Takuro Amano tatsächlich immer noch war. Nichts – nicht einmal die Hilfe, die sie für ihren Vater bekam, war sein Verdienst; alles Geld kam von seinen Verwandten. Er sprach zwar immer von einem gut bezahltem Job, einer hohen Position und einer goldenen Zukunft, aber im Moment war das alles doch nicht viel mehr als ein Traum oder ein Plan, den es erstmal in die Tat umzusetzen galt… Die junge Frau war frustriert, denn ihr Verlobter war nichts weiter als ein schlechter Schauspieler und Puppenmeister. Und sie war mitten drin, in seinem Theater. Sie war seine Puppe, mit der er sich stolz brüstete und sie steuerte, wie es ihm beliebte, damit er selber auch daran glauben konnte, wie großartig er war. Sie war sein Besitz, mehr nicht. Diese Erkenntnis traf sie sehr hart, nachdem sie sich so lange einreden konnte, dass Takuro sie aufrichtig liebte und sie mit ihm glücklich werden würde, wenn sie es nur zuließ. Ernüchtert schloss Momoko die Tür und sperrte die einsame Nacht damit aus. Bis zum heutigen Tage hatte sie fest daran geglaubt, dass es Takuro um ihrer selbst Willen ging, doch er hatte ihr in den letzten Minuten genau das Gegenteil bewiesen. Er liebte nicht sie, sondern das, was sie unter seiner Führung sein würde, wenn sie ihm gehorchte. Sie fühlte sich betrogen und erpresst, sodass der Gedanke, an die Zukunft, ihr die Luft abschnürte. Den alten Takuro von damals, aus der Mittelschule, hatte sie mehr gemocht. Ein einfacher, eigenbrödlischer Junge, der Bestnoten in jedem Fach, außer Sport, hatte. Ein schüchterner Streber durch und durch, der in seiner Freizeit kleine Onlinegames programmierte und Probleme hatte, Kontakte zu knüpfen. Er war nie perfekt, aber er stand immer zu dem, was er war, auch wenn ihm das keine Freundschaften einbrachte. So wie er gewesen war, war er in Ordnung für sie. Jetzt hatte ihn die Aussicht auf Geld und Ruhm verändert… Sie war also nicht nur dazu bestimmt jemanden zu heiraten, den sie nicht liebte und mit ihn in ein Land zu ziehen, dass sie nicht kannte, sondern anscheinend auch dazu verdammt, einen erheblichen Teil ihrer Persönlichkeit aufzugeben, damit das funktionierte. Momoko, angekommen in ihrem Zimmer, ließ sich auf ihr Bett fallen und rollte sich wie ein kleines Kind zusammen. Sie wollte so nicht leben; nicht wie ein einsamer Vogel in einem goldenen Käfig, der nur singen und fliegen durfte, wenn man ihm ein Türchen öffnete. Doch sie würde lieber stillschweigend eingehen, als ihren Vater zu opfern. Als Yosuke die Wohnungstür hinter sich schloss, brannte noch Licht im Wohnzimmer. Schnaubend nahm er das zur Kenntnis, denn das konnte nur bedeuten, dass Hiromi noch wach war und mit aller Wahrscheinlichkeit auf ihn wartete. „Yoyo-Maus, bist du das?“, hörte er auch schon ihre hohe Stimme rufen. „Wer denn sonst.“, gab er mürrisch zurück und streifte sich die Schuhe ab. Er versuchte möglichst geschafft und müde auszusehen, als er den Wohnraum betrat, wo ihn die gelockte, junge Frau bereits auf dem Sofa erwartete. „Du kommst früher, als ich gedacht hätte.“, bemerkte sie spitz und schaltete den Fernseher aus, den sie nebenbei zu laufen hatte. „Ich hatte dir keine Uhrzeit gesagt, wann ich zurück sein würde. Du hättest nicht warten müssen.“ „Passt es dir nicht, dass ich auf dich gewartet habe? Hattest du vielleicht noch andere Pläne, von denen ich nichts wissen sollte?“, fragte sie und klang erneut etwas gereizt. Der Dunkelhaarige seufzte und fuhr sich durchs Haar. „Hiromi, ich bin müde und will mich nicht streiten. Lassen wir das also.“ „Ich will auch nicht streiten, aber du grenzt mich nur noch aus! Du erzählst mir nichts mehr, gehst mir aus dem Weg, meidest mich wo du nur kannst und schläfst seit Wochen auf dem Sofa.“ Yosuke stöhnte erschöpft, während er sich gegen den Türrahmen lehnte. „Ich brauche einfach etwas mehr Zeit.“, entgegnete er und erhoffte sich Verständnis. Seine zierliche Freundin setzte sich jedoch nur bockig in den Schneidersitz und brannte mit ihrem Blick Löcher in die Luft. „Zeit wofür? Wie soll unsere Beziehung wieder werden wie früher, wenn du nicht mehr mit mir sprichst? Ich darf dir keine Fragen stellen, nicht auf dich warten… das ist grausam von dir!“, warf sie ihm gekränkt vor. „Es wird nie wieder werden wie früher, wenn du mich andauernd bedrängst! Es vergeht kein Tag, an dem du nicht versuchst so zu tun, als hätte sich gar nichts geändert!“ Hiromis Blick wurde traurig und sie schürzte ihre Lippen. „Für mich hat sich auch nichts geändert.“, erklärte sie sich mit brüchiger Stimme und begann mitleiderregend auf ihrem Daumennagel herumzukauen. „Für mich schon… Für mich hat sich alles geändert, das weißt du auch.“ Trotzig wie ein Kind sprang die junge Schwangere auf und warf das Kissen, das sie bis eben auf dem Schoß gehabt hatte, wütend auf das Sofa. „Du hast dich aber entschieden bei mir zu bleiben und es noch mal mit uns zu versuchen! Davon merke ich aber nichts! Ich bin einsam, ich vermisse dich… doch du lässt mich außen vor und behandelst mich kalt und abweisend.“, giftete sie ihn an. Schuldbewusst senkte der Dunkelhaarige den Blick. Er wusste, dass sie Recht hatte, aber es fiel ihm schwer über seinen Schatten zu springen. „Tut mir leid, ich werde mir mehr Mühe geben.“, versprach Yosuke seufzend, allerdings nicht, ohne dass sich in ihm etwas gegen seine Worte sträubte. Hiromis Laune hellte sich schlagartig auf. Begeistert stürmte sie auf ihn zu, um ihn zu umarmen, doch der Torwart wich unwillkürlich vor ihr zurück. Ihr Blick verdunkelte sich sofort wieder. „Was mache ich falsch, dass ich dir so zuwider geworden bin?“ „Nichts, bedräng mich einfach nicht so. Das muss von alleine wiederkommen.“ Sie schnaubte verächtlich. „Wer weiß, vielleicht hast du heute Abend ja schon interessantere Frauen als mich getroffen.“, stichelte sie eifersüchtig. Nun war es auch mit Yosukes Gutmütigkeit vorbei, auch sie durfte es nicht zu weit mit ihm treiben! „Du redest Unsinn! Mit solchen Sprüchen machst du alles noch viel schlimmer, ist dir das nicht klar?!“ „Kannst du meine Ängste denn nicht verstehen? Ich bin schwanger, habe Angst um unsere Beziehung und du gehst aus – wer weiß wohin! Du hast mich ein Mal betrogen, wer garantiert mir denn, dass du das nicht noch mal tust und dann weg bist?“ Am Rande der Verzweiflung schossen Hiromi dicke Tränen in die Augen. „Du wirst mir vertrauen müssen. Das ist der Grundstein einer Beziehung.“, antwortete Yosuke eindringlich und unterdrückte dabei ihr zuliebe seine eigene Wut, doch seine angespannte Haltung verriet ihn. Seine Freundin schniefte und schluckte einen dicken Kloß hinunter. Sie hätte ihm lieber eine Szene gemacht, aber angesichts ihrer wackligen Position in seinem Herzen, riss sie sich zusammen. „Schläfst du heute wieder bei mir?“, fragte sie hoffnungsvoll und wechselte damit das Thema. „Ich denke nicht, nein.“ Die Lilahaarige machte daraufhin eine Grimasse, als würde sie jeden Augenblick platzen und ein frustrierter, aufschreiähnlicher Laut brach aus ihrer Kehle heraus. Ihre Hände zerrissen etwas Unsichtbares in der Luft. „Warum nicht?! Sehnst du dich nicht nach mir? Oder wenigstens nach Nähe? Das muss dir doch auch fehlen.“ Hiromi ließ ihre rechte Hand von seinem Schlüsselbein an aufreizend langsam über seine Brust hinunter zu seinem Bauch wandern, ehe er sie entschlossen davon abhielt. Mit klimpernden Wimpern und glühenden Blick sah sie zu ihm auf, traf aber auf nichts weiter als Gleichgültigkeit. „Tut mir leid, Hiromi. Du kannst mich nicht bezirzen.“, vertröstete Yosuke sie und ließ ihre Hand wieder los. „Sag mir doch, was ich tun soll. Ich fühle mich so hilflos…“, bettelte sie verletzlich. „Gar nichts! Das habe ich dir doch schon gesagt – lass mir Zeit, dräng dich mir nicht auf und lass mir meinen Freiraum, wenn ich weggehe.“, versuchte er erneut zu erklären. „Ich kann dir aber nicht vertrauen, wenn du nicht mehr mit mir sprichst und mir nie einen Funken Zuwendung schenkst!“ Entnervt ließ der Braunhaarige seine Schultern hängen. Es war dasselbe Theater mit Hiromi wie fast jeden Tag. Immer und immer wieder bohrte sie und wollte mehr, als er ihr im Moment geben konnte. Ihre ganze Art engte ihn ein, erstickte ihn geradezu. War sie schon immer so penetrant und nervig gewesen? Wie hatte er all die Zeit, in der er mit ihr zusammen war, die Augen davor verschließen können? „Vielleicht solltest du damit anfangen meine Grenzen einfach mal zu respektieren, bevor du mehr verlangst.“ Entrüstet schnappte die junge Frau nach Luft. „Was sagst du da? Jetzt bin ich der Fehler?“, tönte ihre sich überschlagende Stimme schrill. Vor den Kopf gestoßen taumelte sie einen Schritt zurück und sah ihn mit geweiteten, starren Augen an. „Wir müssen beide an uns arbeiten, wenn das funktionieren soll! Du kannst nicht immer nur von mir verlangen, dass ich mich mehr anstrengen muss! Du machst genauso Fehler.“ „Tue ich nicht!“, fauchte sie. „Siehst du, deswegen wollte ich dich verlassen! Weil es schon lange kein Wir mehr gab, sondern nur noch dich; deine Wünsche, deine Vorstellungen eines Zusammenlebens… und ich habe mich mitschleifen lassen.“, warf er ihr nicht minder wütend an den Kopf. „Warum bist du dann nicht gegangen?!“, schrie sie zurück. „Das weißt du ganz genau!“ Wissend, dass seine Augen zu ihrem Bauch wanderten, der noch nichts von dem verriet, was darin schlummerte, faltete sie ihre Hände darüber zusammen. Sie sahen einander böse an. Hiromi straffte sich räuspernd. „Egal wie oft du mir sagst, dass du nur wegen dem Baby noch hier bist – solange du bei mir bleibst, werde ich jede Minute, in deiner Nähe, darum kämpfen, dass du dich wieder daran erinnerst, wie sehr du mich geliebt hast, bevor dir dieses unbekannte Flittchen über den Weg gelaufen ist.“ Yosuke funkelte sie gereizt an. Ihre selbstgefällige Art machte ihn rasend! Sie würde sich niemals ändern oder einsehen, dass auch sie Fehler machte und alles andere als perfekt war. „Dann schlaf halt wieder auf der Couch, früher oder später wirst du darum betteln wieder zu mir ins Bett zu dürfen.“ Süffisant lächelnd stolzierte sie an ihm vorbei und verschwand im Schlafzimmer. Hiromi war wirklich ein heimtückisches Biest, das seine Launen nach Belieben wechseln konnte. Wie sooft wünschte Yosuke sich, er hätte doppelt verhütet und nicht auf die fragwürdige Wirkung einer Pille vertraut, die bereits von einem einfachen Magen-Darm Infekt ausgehebelt werden konnte. Zwischen dem Drang, Hiromi zu verlassen und der Verantwortung seinem ungeborenen Kind gegenüber, fühlte er sich wie ein Gefangener. Das hatte sich das Schicksal wirklich raffiniert ausgedacht. Über die Ausweglosigkeit seiner Lage grübelte er nicht länger nach, sondern begann sich eine Schlafstätte auf dem Sofa herzurichten. Der Torwart war zu erschlagen von den Ereignissen des Abends, als das er sich überwinden konnte noch mal das Badezimmer aufzusuchen. So ziemlich alles war ihm gerade egal, denn er war zu frustriert, um sich zum hundertsten Mal Gedanken über seine Zukunft zu machen. Stattdessen ging ihm die Szene mit Momoko, als Takuro sie wortwörtlich abgeführt hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Darum kreisten seine Gedanken schon, seit er sie hatte mitgehen lassen. Yosuke schaltete das Licht aus und entschlüpfte seiner Hose und den Socken, bevor er sich in seine Zudecke rollte und stumm die Sofalehne anstarrte. Dass er die kleine Hobbyfotografin heute wiedergesehen hatte, wühlte viel ihn ihm auf. Er sah ihre klaren, himmelblauen Augen vor sich, ihren schönen Mund, der ihn traurig anlächelte… Selbst wenn er seine Lider schloss, war sie noch da. Die Wärme ihrer Haut, den Geruch ihrer Haare – all das war so klar, als würde sie hier neben ihm liegen. Yosuke schluckte und verwarf jedwede Vorstellung, bevor sein Blut Wellen schlug. Zu sehr beunruhigte ihn die Sorge um sie. Ja, sie beide hatten quasi einvernehmlich beschlossen, dass es das Beste war von nun an getrennte Wege zu gehen, aber wenn er seine Beziehung zu Hiromi reflektierte, musste er sich ernsthaft fragen, ob er überhaupt wusste, was das Beste eigentlich war. Je nach Standpunkt änderte sich das nämlich sehr schnell. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)