~ Love at third sight ~ von Nea-chan (Mit dem Herz gegen alle Regeln) ================================================================================ Kapitel 25: Refusal – precise words ----------------------------------- Momoko schritt gehetzt durch die Eingangshalle, um nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie fühlte sich wie ein Schwerverbrecher. Kaum war sie in die frische Abendluft getreten, beschleunigte sie ihren Schritt und begann eine Querstraße weiter zu rennen. Sie wusste nicht wer schneller war; ihr Puls oder ihre Füße, die über den Asphalt jagten? Immer wieder warf sie einen Blick hinter sich, doch sie konnte keine Verfolger ausmachen. Nach einigen Blöcken ging der Schülerin jedoch die Puste aus, denn Sport war nicht gerade ihr Steckenpferd. Schwitzend und keuchend stützte Momoko sich mit den Händen auf ihre Knie und versuchte sich zu beruhigen. »Was für ein Desaster!«, dachte sie bei sich. Takuro musste sich schwer vor den Kopf gestoßen fühlen, aber sie hatte nicht anders gekonnt. Was, wenn er wirklich vor gehabt hatte, sie zu mehr als nur einem Kuss zu verführen? Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen, noch nicht. Zudem war sie noch immer von ihren Gefühlen zu ihm verwirrt, hatte sie doch felsenfest angenommen, dass sich jeder Kuss gleich anfühlen musste und es nebensächlich war, von wem er kam. Die Rosahaarige richtete sich auf und sah sich um, sie kannte die Gegend in der sie war nicht. Was sollte sie jetzt machen? Momoko wischte sich den Schweiß von der Stirn und ordnete ihre Frisur notbedürftig, bevor sie in ihrer Handtasche nach ihrem Handy suchte. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie sah, dass sie bereits mehr als zehn verpasste Anrufe und Mailboxnachrichten von Takuro verpasst hatte. Sie löschte hektisch die Listen, doch ihr Telefon begann bereits wieder zu vibrieren. Sofort ergriff wieder Panik von ihr, sie konnte sich unmöglich jetzt schon einer Aussprache mit ihm stellen! Was würde er ihr wohl alles an den Kopf werfen? Sie drückte den Anruf weg und scrollte schnell mit zitternden Fingern durch ihr virtuelles Telefonbuch. Sie brauchte Hilfe, jemanden zum Reden, der sie verstehen würde. Momoko schloss Hinagiku aus, aber eigentlich kam auch Yuri nicht in Frage. Langsam und zögerlich bewegte sich ihr Auswählfeld auf Yosukes Namen zu. Er war der Einzige, dem sie erzählen konnte, was passiert war. Immerhin war er an dieser Situation auch nicht ganz unschuldig, wer hatte ihr schließlich Glauben gemacht, dass Küssen etwas war, das einen davon trug und in eine geheime Welt aus Verlangen und Leidenschaft führte? Dass dieser Effekt von der ausführenden Person abhängig war, hatte er ihr verschwiegen… Oder war sie da etwas zu dramatisch? Hatte sie zu viel von Takuro erwartet? Egal, alleine würde sie ihren Kopf nicht frei bekommen… Kurzentschlossen wählte Momoko Yosukes Nummer und hoffte ungeduldig, er würde abheben. Doch er tat es nicht. „Geh schon ran!“, bellte sie ihr Handy an. Auch beim zweiten und dritten Mal hob er nicht ab, was war denn plötzlich los? Wie konnte er um dese Uhrzeit zu beschäftigt sein, um ans Telefon zu gehen? Die junge Frau schaltete ihr Handy, das schon wieder einen Anruf von Takuro bekam, aus und steckte es wieder weg. Langsam laufend setzte sie ihren Weg fort. Auf einmal war ihr ganz anders; sie hätte losheulen können. Sie wusste nicht wo sie war; sie konnte ihre besten Freundinnen nicht um Hilfe bitten und der Einzige, dem sie sich anvertrauen konnte, war nicht erreichbar. „Verflucht!“ Momoko lief weiter, denn irgendwo musste es doch eine Bushaltestelle und damit einen Stadtplan geben, an dem sie sich orientieren konnte. Zwei Straßen weiter hatte sie endlich Glück, erleichtert prüfte sie ihren aktuellen Standort. „Du lieber Himmel! Ist das weit von Zuhause weg…“ Zuhause – als sie daran dachte wurde ihr schlagartig klar, dass sie dahin nicht gehen konnte, denn wenn Takuro sie suchte, dann mit Sicherheit auch da. Schmerzhaft biss sie sich auf ihre Unterlippe und schlug mit der flachen Hand verzweifelt gegen den Stadtplan. „Mist, Mist, Mist!“, zischte sie wütend durch ihre Zähne hindurch und lehnte ihre Stirn an das kühle Glas. Sie konnte nicht zurück zu dem Hotel gehen, sie wollte nicht bei Takuro sein. Sie liebte ihn nicht, kein Stück. Obwohl sie ihn mochte konnte er ihr nicht das geben, was sie brauchte um glücklich zu sein. Sie würde sich nicht in ihn verlieben, niemals! Das war ihr während der beiden Küsse überdeutlich klar geworden… Wie ärgerlich, dass ihre beiden Freundinnen letztendlich doch Recht behielten. Noch mal überflog sie den Plan und den Verlauf der eingezeichneten Buslinien. Wenn sie ein Mal umsteigen würde, könnte sie direkt nach Hause fahren, oder aber in der Nähe von Yosukes Wohnung aussteigen. »Yosuke…«, schallte es durch ihre Gedanken. Wenn sie an ihn dachte war es ganz anders, als mit Takuro; ihr wurde warm ums Herz und allein der Gedanke an ihn konnte ihr ein kleines Lächeln auf die Lippen zaubern. So, als hätte sie sich verbrannt, zog sie ihre Hand von der Karte weg und starrte auf das eingezeichnete Viertel, in dem er wohnte. War der Torwart etwa etwas Besonderes für sie? Natürlich war er das, sie hatten sich geküsst und miteinander geschlafen… aber war das nicht einfach nur aus der Situation heraus passiert? Sie mochten sich, verstanden sich, fühlten sich voneinander angezogen… aber war es mehr als Freundschaft und Chemie? Konnte sie für diesen Jungen mehr empfinden, als für andere? Entschieden schüttelte Momoko ihren Kopf und blickte streng zum dunklen Himmel auf. Das war absurd – sie und Yosuke? Das konnte gar nicht funktionieren! Sie bildete sich das sicher nur ein, weil sie im Moment durcheinander war und deswegen ihrer ungewöhnlichen Beziehung mehr Bedeutung beimaß, als sie eigentlich hatte. Und dann stand da noch die Sache mit ihrem Vater im Raum, das konnte sie nicht riskieren! Aber vielleicht hatte sie das ja schon, vielleicht war es mit ihrer Flucht aus dem Hotel nun vorbei? Verübeln würde sie das Takuro nicht, denn sie hatte sich wie ein Arschloch verhalten. „Yosuke.“, wiederholte die Blauäugige seinen Namen laut. Eine Gänsehaut lief über ihren Rücken und ihre nackten Arme. Wenn sie herausfinden wollte, ob es tatsächlich diese abwegige Option für sie beide gab, musste sie zu ihm und mit ihm reden. Sie konnte im Moment sowieso nirgendwo anders hin. Der Bus kam und sie stieg ein, bereit ihre Zukunft neu zu schreiben, wenn er es auch war. Es war schon nach 21 Uhr, als Momoko endlich Yosukes Wohnhaus erreichte. Sie hoffte inständig, dass er Zuhause war und sie herein ließ. Es wäre ihr erstes Aufeinandertreffen, nachdem sie sich aus seiner Wohnung davongestohlen hatte. »Oh man… weglaufen scheint etwas zu sein, das ich besonders gut kann.« Schluckend visierte sie den Klingelknopf neben seinem Namensschild an, nahm allen Mut zusammen und drückte ihn kurz. »In den SMS war er ganz normal, das wird schon werden…«, ermutigte sie sich selbst. Ungewöhnlich lange wartete sie auf eine Antwort, dann endlich hörte sie das Klicken und Rascheln der Freisprechanlage. „Hier Fuma, hallo?“ Momokos Herz machte einen aufgeregten Satz beim Klang seiner Stimme. „Yosuke? Ich bin’s, Momoko.“, antwortete sie aufgeregt. Plötzliche Stille herrschte auf der anderen Seite der Leitung. Hatte er sie nicht verstanden? „Ich… ich hatte versucht dich anzurufen, ich muss mit dir reden. Dringend… Hörst du mich?“ Es raschelte am anderen Ende. „Warte unten.“ Dann machte es Klick und die Leitung war unterbrochen. Irritiert starrte die junge Frau auf den Lautsprecher in der Wand. »Was war das denn eben?«, dachte sie bei sich und runzelte die Stirn. Aber sie wartete geduldig, wenn auch nervös. Er musste zwar keine Freudensprünge machen, wenn sie unangekündigt, halb in der Nacht, vor seiner Tür stand, aber etwas mehr Emotionen hatte sie schon erwartet. Momoko hörte schon bald Geräusche und sah zur Seite zu der automatischen Schiebetür, aus der, einen Augenblick später, Yosuke trat, der mit angespannter Miene nach ihr Ausschau hielt. „Ich bin hier.“, rief sie ihn zu sich. Er drehte seinen Kopf zu ihr um. Als seine Augen ihren begegneten, färbten sich ihre Wangen rot. Zu klar flammten die Erinnerungen an ihre letzte Begegnung auf. Ein Hoch auf die Dunkelheit der Nacht, dachte sie erleichtert. „Momoko…“ Sie stand tatsächlich vor ihm, aber was machte sie hier? Mit einem schnellen Blick musterte er ihre Aufmachung. Sie hatte ein wahnsinns Kleid an, das ihre Figur perfekt umspielte und auch sonst wirkte sie hübsch zurrecht gemacht. „Was machst du hier?! Und um diese Uhrzeit?“, hinterfragte er verwirrt und versuchte nicht zu lange in ihre freundlichen, blauen Augen zu sehen, die ihn an Dinge erinnerten, die besser nie passiert wären. „Sagte ich doch schon; ich muss mit dir reden und du bist nicht ans Telefon gegangen.“, erklärte sie vorwurfsvoll markierend. „Ich konnte nicht rangehen, ich… war beschäftigt. Ich kann auch nicht lange reden, also sag schnell, wieso du nicht bei deinem Date bist.“ Skeptisch erwiderte sie seinen strengen Blick. Sein gehetzter, kühler Tonfall schien sie zu verunsichern. „Da war ich, aber ich bin abgehauen.“ „Was?! Warum?“, fragte er schockiert und machte große Augen. Momoko holte tief Luft ehe sie antworte. In ihrem Blick konnte er ablesen, dass etwas nicht stimmte. „Ist etwas passiert?“, fragte er milder. Yosuke konnte seine Besorgnis nicht einfach abstellen. Die junge Frau hielt sich die Oberarme und blickte zur Seite. Langsam und kurz schüttelte sie den Kopf. „Nein… ja… nicht direkt… Ich weiß es nicht.“ Der Torwart war noch irritierter als zuvor. „Momoko bitte, ich habe nicht so viel Zeit…“, beschwor er sie eindringlich. Die Rosahaarige schnaubte angesäuert. „Entschuldige, dass ich nicht einfach frei heraus jedes Detail dieses eskalierten Abends auf Knopfdruck berichten kann! Was ist los, stört dich mein Besuch?“, grummelte sie ihn an. Verblüfft wich der Dunkelhaarige zurück. „Nein, aber ich bin kurz angebunden.“ „Wieso? Hast du Besuch?“, zischte sie ironisch. Die Worte waren kaum ausgesprochen, als sich ihre Augen ebenfalls weiteten. „Oh… natürlich, deswegen hast du mich auch nicht raufgebeten!“ Als ihr das klar wurde und sie seinen bestätigenden Blick auffing, schämte sie sich für ihren Anranzer. „Tut mir leid… es ist Hiromi, oder?“ Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Ja, sie ist heute zurück gekommen.“, antwortete er knapp. „Dann habt ihr bestimmt eine Menge zu bereden.“ „Das… kann man so sagen.“, gab er zurück und senkte kurz seinen Blick. Einen Augenblick lang standen sie sich schweigend gegenüber und sahen sich in die Augen. Momoko erinnerte sich daran, dass Yosuke mit seiner Freundin Schluss machen wollte. Ob sie gerade das Beziehungsdrama der Beiden unterbrochen hatte? Ihr Herz flatterte aufgeregt. „Ist sie sehr fertig?“, erkundigte sie sich neugierig, aber höflich. „Warum bist du hier?“, wich Yosuke ihr ungerührt aus. Blinzelnd durchforstete sie ihre wirren Gedanken nach der passenden Antwort. „Nun ja, ich…“, begann sie und fühlte seinen durchdringenden, düsteren Blick auf sich ruhen. „Ich habe es nicht mit Takuro ausgehalten. Ich konnte einfach nicht.“, endete sie. Warum nur hatte sie das Gefühl, dass ihr Gegenüber sich distanziert verhielt? Aber immerhin zog er verwundert seine Augenbrauen zusammen. „Hat er dir etwas getan?“, knurrte er. „Eigentlich nicht, aber es war alles so merkwürdig… Das ist jetzt aber auch nicht wichtig. Ich habe gemerkt, dass du, Yuri und Hinagiku Recht hattet; ich kann mich nicht einfach in ihn verlieben. Es geht nicht und ich will es auch nicht… ich wollte nur noch weg!“ Momoko machte ein bestürztes Gesicht. Yosuke betrachte sie mit offenem Mund, unsicher wie er darauf reagieren sollte. „Ich bin ein schrecklicher Mensch! Ich habe Takuro etwas vor gemacht, damit er meinem Vater hilft, doch jetzt bin ich zu feige es durchzuziehen!“, schimpfte sie laut über sich und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie schämte sich furchtbar dafür. Alles machte sie falsch, ein Fehler jagte den nächsten. „Aber was ist denn passiert? Du warst doch so entschlossen?“, fragte Yosuke hilflos und trat einen Schritt auf sie zu, unentschlossen ob und wie er sie trösten sollte. „Du bist passiert!“ Geschockt hielt er inne, als sie ihn mit ihren blauen Augen konfrontierte, die versuchten in seine Seele zu blicken. „Du hast gesagt, es würde schön sein, wenn Takuro mich küsst… Aber das war es nicht, denn mit dir war es schön! Ich habe mich furchtbar gefühlt, denn die ganze Zeit habe ich auf etwas gewartet, was er mir gar nicht geben kann, weil ich für ihn so nicht empfinde…“ Yosuke versteinerte und sein Herz fuhr plötzlich Achterbahn. Was wollte Momoko ihm damit sagen, dass sie für ihn nicht so empfand? Ihre geröteten Wangen und ihr aufgeregter Tonfall verrieten, wie aufgewühlt sie war. „Stopp, was willst du mir damit sagen? Willst du ihn etwa verlassen?“ „Vielleicht muss ich das gar nicht – ich bin Hals über Kopf weggelaufen, als er mich bereits in ein Hotelzimmer geführt hatte. Wahrscheinlich ist jetzt alles aus.“, erklärte sie mit wackeliger Stimme. In seinem Kopf drehte sich alles. Takuro hatte sie also geküsst und sie waren zu zweit allein in einem Hotelzimmer gewesen? Er schwankte zwischen Verblüffung und Wut darüber, denn das hätte er dem Brillenträger gar nicht zugetraut und er wusste nicht, ob ihm das gleichgültig sein konnte. „Aber was ist mit deinem Vater?!“, hakte er verwirrt nach. Momoko bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick, den er nicht einzuordnen wusste. „Yosuke… was wäre ich für dich, wenn es die Verlobung und die Probleme mit meinem Vater gar nicht gäbe?“ Ihre unerwartete Frage warf ihn komplett aus der Bahn. Überfordert strich er sich fahrig durchs Haar, suchte mit den Augen nach einem Punkt, auf den er sich konzentrieren konnte. Was sie für ihn war? Diese Frage hatte er sich zuvor bereits selbst gestellt, doch darauf gab es keine Antwort, denn es standen keine Optionen zur Auswahl. Es ging nicht; er durfte sich nicht erlauben sich vorzustellen, wie es hätte sein können. Er sah sie wieder an. Sie war ihm wichtig geworden und außerdem eine wandelnde Versuchung für ihn, doch die Dinge hatten sich geändert. Egal was sie oder er sich wünschten, es ging nicht mehr. Yosuke verdunkelte seinen Blick, setzte eine strenge Miene auf und versuchte cool zu wirken. Eine plötzliche Wandlung seiner ganzen Haltung und Ausstrahlung spielte sich vor Momokos Augen ab. Was hatte der Fußballspieler auf einmal? „Worauf willst du hinaus? Wirst du nun sentimental?“ Seine Worte waren abweisend und kühl. „Sentimental? Was…? Nein, ich wollte doch nur…“ Er unterbrach sie harsch mit einer wegwischenden Handbewegung und schüttelte den Kopf. „Es spielt keine Rolle ob du mit Takuro zusammen bist oder nicht, was zwischen uns passiert ist hatte keine Bedeutung.“ Momoko spürte einen schmerzhaften Stich in ihrer Brust, der ihr die Luft abschnürte. Unwillkürlich presste sie ihre gefalteten Hände an ihren Oberkörper. „Warum bist du so zu mir?“, flüsterte sie zögerlich. „Warum stellst du solche unsinnigen Fragen?“, konterte er gemein und verschränkte die Arme. Tränen schossen ihr in die Augen, was war los mit ihm? So hatte er sich selbst zu Zeiten ihrer ewigen Streitigkeiten nie ihr gegenüber verhalten! Sie war gekommen, um sich ihm anzuvertrauen und nicht, um angegriffen zu werden. „Ich dachte, weil du dich von Hiromi getrennt hast, würdest du…“ „Habe ich nicht.“, unterbrach er sie erneut. Sie schluckte schwer und starrte ihn verständnislos an. „Was? Aber du sagtest doch, dass du Schluss machen willst.“, fragte sie mit skeptischer Miene nach. „Habe ich aber nicht und werde ich auch nicht. Das ist auch nicht deine Angelegenheit.“, antwortete er ihr aalglatt. Diesen starren, kalten und unfreundlichen Yosuke kannte sie nicht. Diese Seite an ihm war ihr fremd und ängstigte sie. Wo war das warme Leuchten in seinen Augen? Das schiefe Lächeln, seine Zuvorkommenheit und Fürsorge? Wieso interessierte es ihn auf einmal nicht mehr, wie es ihr ging? Momoko rang nach Luft, um die Tränen weiter zurück zu halten. Ihr ganzer Körper wurde von zittrigen Schauern geschüttelt. „Was ist los mit dir? Du bist doch sonst nicht so! Wieso trennst du dich nun doch nicht? Du sagtest doch, du liebst sie nicht mehr?“ Er biss sich auf die Lippe und starrte wütend zurück. Etwas in ihm kämpfte, aber er rang es nieder. „Es hat keinen Sinn mit dir darüber zu reden. Es ist besser, du gehst nach Hause oder zurück zu Takuro, um dich mit ihm zu versöhnen.“, erwiderte er ruhig und monoton. Es war wie ein Schlag ins Gesicht für die junge Frau. Die erste Träne kullerte ihr aus dem Augenwinkel. „Wieso sagst du so was? Bin ich dir denn plötzlich egal? Nach allem, was gewesen ist?“ „Was ist denn gewesen, Momoko? Ja, wir hatten Sex! Und? Du wolltest keine Jungfrau mehr sein und ich war scharf auf dich, wir wollten es beide so! Mehr war da nicht und es war ein Fehler! Das weiß auch ich jetzt.“ Sein Gegenüber schwankte gefährlich. Das war sie also für ihn? Einfach nur eine Eroberung; eine unbedeutende Bettgeschichte; eine verklemmte Jungfer, der er aus der Patsche geholfen hatte? Hatte sie sich so in ihm getäuscht und in etwas verrannt, was gar nicht existierte? Durch den Nebel ihrer überlaufenden Tränen sah sie nicht, wie schmerzerfüllt sein Blick war und wie sehr er gegen den Drang ankämpfte, sie an sich zu reißen und alles ungesagt zu machen. „Du liebst sie also doch noch…?“, flüsterte sie kaum hörbar. Sie sah ihn nicht an, klammerte sich verzweifelt an sich selber fest und rang um Fassung. Yosuke sagte daraufhin zunächst nichts, doch dann holte er tief Luft. „Sie ist schwanger.“ Im ersten Moment glaubte Momoko sich verhört zu haben. Wie in Zeitlupe sah sie langsam zu ihm auf, blinzelte die Tränen weg und suchte in seiner ungerührten Miene nach einer Antwort. „Was?“, hauchte sie ungläubig. Er musste sich zwingen die Aussage zu wiederholen. „Hiromi ist schwanger. Im zweiten Monat.“, presste er hervor. Seine Fingerknöchel traten schon weiß hervor, weil er sie angespannt zu Fäusten ballte. „Das ist ein Witz… von dir?“ Der Dunkelhaarige schnaubte höhnisch und setzte eine herablassende Miene auf. „Von wem denn sonst?!“ Es konnte einfach nicht mehr schlimmer werden… der Abend war eine einzige Katastrophe! Momoko wünschte sich, sie hätte Courage bewiesen und wäre einfach bei Takuro geblieben. Nichts was er hätte tun können, wäre so grauenvoll gewesen wie dieses Gespräch hier. In ihr war nichts mehr, das weh tun konnte; alles war wie ausgelöscht und bedeutungslos geworden. Sie war wie betäubt. Die Leere erlaubte ihr ein trauriges, schiefes Grinsen. „Verhüten ist anscheinend nicht deine Stärke, oder?“ Der Zynismus und Hohn in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Es reichte, um Yosuke verblüfft dreinblicken zu lassen, doch aus seiner Überraschung wurde schnell wieder ein finsterer Ausdruck. „Geh einfach und lösch' meine Nummer! Wir als Freunde – das funktioniert nicht mehr. Es ist zu viel passiert.“, sagte er schroff. Wut und Enttäuschung kochten in Momoko hoch. Mit Funken sprühenden Augen durchbohrte sie ihn feindselig. „Wie praktisch für dich, dass du bei mir nicht auch noch eine Schwangerschaft befürchten musst! Ich war nämlich clever genug danach zum Arzt zu gehen und mir die Pille danach zu besorgen! Gott sei Dank!“, fuhr sie ihn hysterisch an. Yosukes harte Maske fiel dem Schock über ihre Aussage zum Opfer. Sprachlos und entsetzt starrte er die weinende junge Frau vor sich an. Sie schniefte, wischte sich, ohne ihren zornigen Blick von ihm zu nehmen, mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen und riss sich dann zusammen. „Das… das wusste ich nicht...“, stotterte er atemlos zusammen. „Natürlich, was weißt du schon? Vergiss es einfach! Leb dein Leben, ich bin raus!“ Sie fuhr herum und kehrte ihm den Rücken. Rennend entfernte sie sich von ihm und je mehr Distanz zwischen ihnen lag, desto mehr kämpften sich ihre Tränen wieder an die Oberfläche. Er würde ihr nicht nachrufen, ihr nicht folgen und sie aufhalten. Das war’s, es gab kein Zurück mehr. Laut schluchzend sackte sie schließlich an der Bushaltestelle zusammen, denn es gab niemanden, der sie beobachtete. Mit nichts ließ sich das grauenhafte Gefühl in ihrem Inneren beschreiben; einfach alles tat weh! Sie war wieder allein und es gab keine Hoffnung mehr auf Glück für sie. Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein und nach mehr verlangt haben, als ihr zustand? Sie hatte mehr gehabt, als viele andere und dafür hätte sie dankbar sein müssen, doch sie hatte es versaut. Weggeworfen, für ein paar Momente von Freiheit und Leidenschaft, die am Ende nichts bedeuteten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)