Zum Inhalt der Seite

~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Avowal

Es kam ihnen vor wie eine Ewigkeit, in der sie in dieser Umarmung verharrten. Ohne etwas zu sagen ließ Yosuke zu, dass Momoko sich an seinem Hemd ausweinte. Leise Schluchzer drangen an sein Ohr, das ganz dicht neben ihrem Gesicht ruhte. Er biss sich auf die Unterlippe; ihre Traurigkeit quälte ihn, er wollte mehr für sie tun, als er bereits tat. Die Augen schließend atmete er den Duft ihrer Haare ein, er hätte sie ewig so halten können.

„Was ist nur los, dass du so fertig bist?“, sagte er leise und drückte sie noch etwas fester an sich.
 

Momoko atmete zittrig ein und versuchte sich langsam wieder zu fangen. Ihre Gefühle hatten sie einfach übermannt, dabei hatte sie gar nicht vorgehabt zu weinen. Sie wollte nur jemanden zum Reden, aber es hatte ihr gut getan sich bei ihm auszuweinen. Aus irgendeinem Grund hatte er instinktiv gespürt, wie nötig sie eine ehrliche Umarmung und Trost hatte. Mehr noch als ein offenes Ohr oder aufmunternde Worte.

Noch immer dabei sich zu akklimatisieren, schmiegte sie ihre rechte Wange weiter an seinen Oberkörper, er war so warm und der Rhythmus seines Herzschlages hatte etwas Beruhigendes. Yosukes Hemd war an der Stelle ganz feucht von ihren Tränen, was ihr etwas unangenehm war, als sie es bemerkte. Widerwillig löste sie sich aus seinen Armen und sah den Fleck unterhalb seiner Schulter schulbewusst an. Sie zuckte zusammen, als der Dunkelhaarige den Moment nutzte um ihr eine verbliebene Träne von der Wange zu wischen. Seine Hand blieb dort an ihrer linken Seite liegen, sein Daumen strich noch ein weiteres Mal zärtlich über dieselbe Stelle. Verlegen sah sie ihm in seine warmen, braunen Augen, in denen ein milder Ausdruck lag.

„Geht es wieder?“

Momoko errötete und hörte ihren Herzschlag verräterisch in ihren Ohren widerhallen.

Die Anziehungskraft, die dieser junge Mann in diesem Moment auf sie hatte, war beinahe unheimlich! Je länger sie seinen Blick erwiderte, desto weicher wurden ihre Knie und ihr ganzer Körper begann zu kribbeln. Spürte Yosuke das nicht auch?
 

Ihr Blick veränderte sich; Sehnsucht verschleierte ihn. Ihre Augen glänzen, ihre Wangen glühten regelrecht unter seiner Hand und selbst ihr Atem wurde flacher – konnte das sein? Sein eigener Puls raste so schnell, dass er das Pulsieren seines Blutes bis in seine Fingerspitzen fühlen konnte.

Ihr verweintes, glühendes Gesicht dicht vor seinem; sein linker Arm noch in ihrem Kreuz; die Art wie sie seinen Blick erwiderte… für einen Augenblick lang glaubte er die knisternde Spannung in der Luft um sie herum greifen zu können. Doch Yosuke zögerte zu lange, er war sich nicht sicher, ob er die Situation richtig einschätzte… seine Augen wanderten tiefer und blieben an ihrem Mund und dessen leicht geöffneten, lieblichen Lippen hängen. Sein Herzschlag beschleunigte sich nochmals. Das hier war kein Traum sondern Wirklichkeit, er musste es nur einfach tun.

Ihr erneut zitterndes Einatmen rüttelte ihn wach. Schlagartig wurde ihm wieder bewusst, dass Momoko offensichtlich verzweifelt war, schließlich hatte sie eben noch an seiner Brust bittere Tränen vergossen.

»Nein, das kann ich nicht ausnutzen!«

Er ließ sofort von ihr ab, sodass sie ihn perplex anblinzelte. Auch sie erwachte jetzt aus ihrer Trance und die Röte verschwand genauso schnell aus ihrem Gesicht, wie sie gekommen war.

„Tut… tut mir leid.“, stammelte sie leise, schniefte und suchte in ihren Rocktaschen nach einem Taschentuch.

Yosuke kam ihr zuvor und reichte ihr eines von sich.

„Danke…“, flüsterte sie und tupfte sich damit die Augen trocken, ehe sie ihre Nase schnäuzte.

Nachdem sie sich anschließend ganz fahrig auch wieder ihre Haare geordnet und den Kloß in ihrem Hals hinfort geräuspert hatte, löste auch der Torwart seine Starre und hob seine Sporttasche vom Boden auf. Beide spürten, wie verkrampft die Stimmung auf einmal war. Vielleicht war es besser darüber zu schweigen, wozu sie sich beide beinahe hätten hinreißen lassen.

„Da wir beide dieselbe Richtung haben, begleite ich dich nach Hause. Ist das ok für dich?“, bot Yosuke schließlich höflich an, der nicht vergessen hatte, dass sie ihn nicht ohne Grund aufgesucht hatte.

Bei dem Gedanken an ihr Zuhause, das verlassen und leer auf sie wartete, wurde Momoko gleich wieder ganz anders, aber sie verdrängte die grauen Gedanken und rang sich ein zustimmendes Lächeln ab, während sie nickte. Mit wenigen Handgriffen schloss sie ihr Fahrrad ab, in dessen Korb auf dem Gepäckträger ihre Schultasche und die Kamera Platz fanden und begann es dann zu schieben.
 

Eine ganze Weile liefen sie still schweigend nebeneinander her, die untergehende Sonne in ihrem Rücken. Der Torwart hatte seine Hände in den Hosentaschen und überlegte fieberhaft, ob er Momoko einfach konkrete Fragen stellen sollte, oder ob es besser war darauf zu warten, dass sie ihm von selbst ihr Herz ausschüttete. Allerdings machte die Rosahaarige, die derweil mit leerem Blick auf den Boden zu ihren Füßen schaute, nicht den Eindruck, als würde sie ihrem Schweigen demnächst einen Redeschwall folgen lassen. Er gab sich einen Ruck und machte den ersten Schritt.

„Hey, du bist so still… möchtest du mir nicht endlich erzählen, was los ist?“

Die junge Frau schaute zu ihm hoch; unschlüssig und doch irgendwie erleichtert, dass er sie darauf ansprach. Sie holte konzentriert Luft und setzte an.

„Als erstes… es tut mir leid, dass ich dich Im Café so abgewimmelt habe. Und auch was ich alles gesagt habe…“

„Was meinst du genau?“, hakte Yosuke nach.

Sie rollte mit den Augen und seufzte, war ihm doch bestimmt klar, dass ihr das unangenehm war.

„Das es dich nichts angeht, was mit mir los ist, weil es kompliziert ist und du es sowieso nicht verstehen würdest.“, antwortete sie murmelnd.

„Hmm… dann hältst du es doch für möglich, dass ich es verstehe?“

Er grinste sie spitzbübig an und sie erwiderte es mit einem schüchternden Lächeln.

„Vielleicht. Sonst wäre ich wahrscheinlich nicht hier.“

Ihr Blick driftete wieder ab und ihr Lächeln verblasste, ihr Gesprächspartner sah ihr an, dass sie große Sorgen haben musste.

„Hat es irgendwas mit deinem Vater oder Takuro zu tun?“

Sie blieb abrupt stehen und klammerte sich an ihr Fahrrad, ohne ihn dabei anzusehen.

„Momoko? Habe ich was Falsches gesagt?“, fragte Yosuke ängstlich.

„Nein… das ist es nicht. Es ist nur so, dass du Recht hast… schon wieder.“

Er legte seine Hand auf ihre linke Schulter, damit sie ihn ansah.

„Schau, da vorne ist ein Park. Wenn wir durch ihn hindurch gehen, ist es zwar ein Umweg, aber wir könnten uns dort vielleicht irgendwo hinsetzen und etwas zu Essen kaufen.“

Sie folgte seinem Blick zu einem von Bäumen und Sträuchern gesäumten Zaun, in dessen Mitte ein offener Durchgang zu einer gepflegten und bekannten Grünanlage war.

„In Ordnung.“, stimmte sie zu.
 

Der Park hatte hauptsächlich viele verschlungene Wege, an dessen Rändern viele akkurat beschnittene Sträucher und bereits blühende Kirschbäume wuchsen. Die Rasenflächen waren entweder sehr mager oder führten wenn dann auf sehr ausladende, offene Flächen, die im Sommer oft zum Picknicken genutzt wurden. Hier und da standen unter den Bäumen auch mal Bänke, die im Moment zum Schrecken des ungleichen Paares in den allermeisten Fällen von flirtenden Pärchen besetzt waren. Zum Teil wussten sie gar nicht wohin sie schauen sollten, ohne unanständig zu wirken. So zogen sie beide die Köpfe ein und liefen mit heißen Ohren nebeneinander an den Liebestollen vorbei.

„Himmel noch mal, hast du gewusst, dass das hier so zu geht?“, flüsterte Momoko ihrem Begleiter zu und lugte dabei aus dem Augenwinkel zu ihm hoch.

„Ehrlich gesagt gehe ich hier nur sehr selten durch, bisher ist mir das noch nie so aufgefallen… vielleicht liegt es am Frühling.“, versuchte er sich zu rechtfertigen.

Hinter der nächsten Biegung lag wieder eine größere Wiese, an dessen Seite ein einsamer Crêpestand auf Kunden wartete. Wie sie ihn beide entdeckten, knurrten ihre Bäuche auch fast gleichzeitig hungrig auf. Peinlich berührt hielten sie sich beide ihre Mägen und schauten sich dann verwundert an. Es war so urkomisch, dass sie anfingen zu lachen.

„Da sind sich zwei wohl einig, was? Lust auf eine Crêpe-Pause?“, scherzte Yosuke und lachte dabei erneut sein herzliches, kleine Jungen-Lachen.

Ein Hauch von Rosa legte sich unwillkürlich auf Momokos Wangen, während sie ihn betrachtete, wie er lachte und lächelte. Sie musste sich eingestehen, dass er schon irgendwie umwerfend war. Kein Wunder, dass er immer so viele Verehrerinnen hatte… Er sah nicht nur gut aus, sondern hatte auch viele verschiedene Facetten... Er war sowohl cool und lässig; arrogant und unnahbar, als auch höflich und einfühlsam; lustig und liebevoll und – wenn sie an die Situation von vorhin und so manch andere dachte – auch charmant und… ja, aufregend.

„Hey, Pfirsichtörtchen? Träumst du?“, holte er sie in die Wirklichkeit zurück.

„Nein! Ich überlege nur, was ich für eine Sorte nehme!“, dementierte sie ertappt und stapfte mit ihrem Fahrrad dem Duft von frischen Crêpes entgegen.

Schmunzelnd folgte ihr der Sportler auf dem Fuße.
 

Mit Schoko- und Erdbeercrêpes ausgestattet ließen sich die Beiden mitten auf der Wiese nieder. Direkt im wärmenden Licht der späten Nachmittagssonne. Der Boden unter ihnen war immer noch ziemlich kühl, aber das machte ihnen nichts.

Momoko kniete und hatte ihren Rock ordentlich wie eine offene Blüte um sich herum drapiert, damit er keine Flecken und unschöne Falten bekam. Yosuke hingegen war unbeschwerter und ließ sich einfach in einem bequemen Schneidersitz fallen.

„Du bist ja mutig, Hiromi hat bestimmt keinen Spaß dabei die Grasflecken aus deiner Uniform zu schrubben.“, kommentierte die Blauäugige sein sorgloses Verhalten ehrfürchtig.

Diesmal war es Yosuke, der seine Stirn nachdenklich in Falten legte und einen finsteren Blick in die Ferne schweifen ließ.

„Das ist im Moment wohl eher mein eigenes Problem. Hiromi ist vor etwas mehr als zwei Wochen gegangen.“

Fast hätte Momoko sich verschluckt, mit großen Augen musterte sie den Sportler, der ihre Reaktion ungerührt belächelte.

„Gegangen?! Wie meinst du das?“

Sie wusste, dass ihre Stimme zu schrill klang, weil sie sich etwas überschlug, aber sie konnte gar nicht glauben, was sie da hörte!

„Sie ist zu Verwandten gefahren, weil ich sie verärgert habe. Sie wollte eigentlich schon wieder zuhause sein, denn ich sollte eigentlich nur über mein Verhalten nachdenken… aber sie hat sich noch nicht wieder gemeldet.“

Yosuke erzählte das so gelassen und frei heraus, als würde es ihm kaum etwas ausmachen, dass zwischen ihm und seiner Freundin anscheinend eine Krise herrschte. Obwohl er Momoko dabei seltsamer Weise mit konzentrierten, durchdringen Augen musterte. Wollte er ihr etwa etwas damit sagen?

Sie sog scharf Luft ein, als ihr ein Licht aufging.

„Vor zwei Wochen sagtest du? Das hat doch aber hoffentlich nichts mit der Sache im Café zu tun!?“

Er lächelte, als sie ihn erschrocken ansah und dabei fast den Crêpe in ihren Händen fallen ließ.

„Wie kannst du da so doof grinsen??? Hast du keine Angst um deine Beziehung?! Außerdem will ich nicht der Grund sein, weswegen ihr euch zerstreitet!“, schimpfte die Blauäugige ihn empört aus.

Die Augen des Torwartes verengten sich noch ein Stück mehr, Momoko stellten sich deswegen die Nackenhaare alarmierend auf.

„Ausgerechnet um sie machst du dir Sorgen? Nachdem sie so grässlich zu dir gewesen ist?“, zischte er ungläubig.

„Ich… ja, nein… nicht um sie, sondern um eure Beziehung.“, stotterte sie durcheinander.

Wenn er sie so ansah, konnte sie weder ernst bleiben, noch einen klaren Gedanken fassen oder gar einen vernünftigen Satz formulieren.

»Wie macht er das nur?!«, fragte sie sich und mahnte ihr flatterndes Herz zur Ruhe.

Und weil sie ja noch nicht genug aus der Fassung gebracht war, griff Yosuke jetzt auch noch nach ihrer freien Hand, die auf dem Gras ruhte. Seine unerwartete Berührung fühlte sich auf ihrer Haut an wie ein kleiner Stromschlag.

„Ich schulde dir noch eine Antwort.“, sagte er bestimmt und wich damit vom Thema ab.

»Hä? Was hat denn das jetzt zu bedeuten?«, dachte Momoko verwirrt und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie schrecklich nervös sie war.

„Du hast mich damals gefragt, wieso ich mit dir befreundet sein möchte, obwohl du so deine Macken hast – und schimpf jetzt nicht, das waren so in etwa deine Worte.“

Bei seinem Gegenüber fiel der Groschen endlich; er meinte das Gespräch in der Personaltoilette, wo sie von ihm wissen wollte, was sich seit der Mittelschule verändert hatte. Sie hatte es wissen wollen, weil auch sie ihn mit anderen Augen sah als damals.

Bei dem Gedanken daran wurde ihr wieder ganz anders und erneut konnte sie nicht vermeiden, dass sie rot anlief. Sie schluckte, so angespannt war sie. Was würde er ihr jetzt wohl antworten?

„Die Wahrheit ist… ich weiß es nicht. Aber ich kann dich gut leiden. Ich lache gern mit dir, fühle mich irgendwie leicht und unbeschwert in deiner Nähe. So wie früher, als wir alle nur sorgenfreie Mittelschüler waren, die sich nicht mit den Problemen von Erwachsenen rumschlagen mussten. Wenn mich der Alltagstrott im Griff hat, sind es unsere kleinen Streitereien, die mich aufheitern und ich glaube, so war es schon immer, nur habe ich es früher nie bemerkt.“

Der jungen Frau stand der Mund offen; so viel Aufrichtigkeit hatte sie nicht erwartet. Seine Worte lösten eine Welle an Gefühlen in ihr aus, die sie unmöglich so schnell einordnen konnte. Nur ihr Herz, das wie ein kleiner, aufgeregter Vogel flatterte, stand über all dem Chaos in ihrem Kopf.

Doch sie war damit nicht allein; Yosuke selbst schaute inzwischen auch nicht mehr so finster, denn auch ihn selbst machte sein Eingeständnis etwas verlegen. Sein schiefes Lächeln ließ sie, sofern das überhaupt noch möglich war, nur noch röter werden. Er nahm seine Hand wieder von ihrer herunter und biss beherzt in seinen Crêpe.

„Deswegen, mach dir keinen Kopf um Hiromi und mich. Sie tobt bei jedem Mädchen, mit dem ich zu tun habe. Damit komme ich klar, ich lasse mir aber nicht vorschreiben, mit wem ich befreundet sein möchte.“, fügte er nach dem Runterschlucken hinzu.

Was er ihr erzählt hatte war ein unheimlicher Vertrauensbonus, er hatte ihr das Tor zu seiner Welt geöffnet und war bereit sie an seinem Leben teilhaben zu lassen. Es war nun an Momoko dasselbe zu tun.

„Mein Vater ist sehr krank. Er hat schon seit Monaten schwere Depressionen.“, begann sie kleinlaut, aber mutig genug alles bis zum Ende zu erzählen. Yosuke sah sie gespannt an. „Er fing an zu trinken, als er seine Arbeit verlor. Anfangs dachte ich, das gibt sich wieder… aber es wurde immer schlimmer. Er wollte morgens gar nicht mehr aufstehen, vernachlässigte sich selber, suchte sich keine neue Arbeit und hing schon nachmittags in irgendwelchen Bars herum. Ich habe versucht ihm Mut zu machen, aber er ließ mich irgendwann gar nicht mehr an sich heran…“

Momoko musste eine kurze Pause machen, ihre Augen fingen wieder an zu flackern und ihre Stimme zitterte gefährlich. Yosuke wollte gar nicht glauben was er da hörte! Auch wenn er etwas Ähnliches bereits vermutete hatte, nachdem er ihren Vater live erlebt- und auch dessen Zimmer gesehen hatte.

„Weil er nicht mehr arbeiten ging und unser Erspartes nur noch in Alkohol investierte, statt Rechnungen und Lebensmittel davon zu bezahlen, habe ich irgendwann angefangen neben der Schule zu jobben um uns über die Runden zu bringen. Auf einer Feier, wo ich zum Fotografieren engagiert war, habe ich dann Takuro das erste Mal wiedergesehen.“

Ihr Blick schweifte zu dem Braunhaarigen hinüber, der beim Klang des Namens argwöhnisch die Augenbrauen zusammen zog.

„Er war wie früher höflich und bemüht, aber anders als damals auch viel selbstbewusster. Den Rest mit seiner zukünftigen Karriere und so kennst du ja im Groben… er hat mich dann überredet mich hin und wieder mit ihm zu treffen, weil ich schon zu der Zeit nicht mehr so viel mit Yuri und Hinagiku zu tun hatte…“

„Wieso eigentlich nicht?“, unterbrach Yosuke sie kurz.

„Sie waren so mit sich selbst beschäftigt und ich hatte so wenig Zeit durch die Schule, die Nebenjobs und wegen meinem Vater… Ich wollte sie nicht mit meinen Problemen belästigen.“

Es war niederschmetternd wie recht Hinagiku gehabt hatte, als sie mit ihm vor einigen Wochen im Blumenladen ihrer Eltern über Momoko gesprochen hatte. Er schnaufte gespannt und ließ die junge Frau weiter erzählen.

„Jedenfalls bekam er dann relativ schnell mit, wie übel es meinem Vater ging und wie viele Probleme ich damit hatte finanziell zurrecht zu kommen. Da fing es dann an, dass er um mich warb; er hat ja noch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er an mir interessiert ist.“

„Und du hast dann irgendwann einfach nachgegeben?“

Sie zuckte nur mit den Schultern und lächelte halbherzig.

„Er war wirklich immer nett und zuvorkommend, hat mich gut und mit Respekt behandelt… Irgendwann dachte ich, dass es solche Beziehungen in der Welt doch sooft gibt, wo die Liebe erst später kam und am Ende trotzdem alle glücklich sind. Es gibt ja auch arrangierte Ehen und selbst die können funktionieren. Takuro ist kein schlechter Kerl, im Gegenteil; vorgestern ist er wegen einer SMS extra mitten in der Nacht gekommen, als mein Vater einen schlimmen Zusammenbruch hatte.“

Yosuke wurde starr vor Schreck, sie hatte vor Kurzem erst etwas so Schlimmes erlebt und war trotzdem hier und tat so, als wäre nichts passiert?! Nein, das stimmte nicht… sie hatte schließlich geweint und schon seit er sie wiedergesehen hatte, haftete Schwermütigkeit an ihr, nur wusste er bis eben nicht, woher das kam.

„Er hat veranlasst, dass mein Vater nun in einer sehr guten, teuren Klinik untergebracht ist. Ich muss mir also um ihn endlich keine Sorgen mehr machen. Ich hätte eine schlechtere Wahl treffen können als mit ihn.“

Ihr Satz klang endgültig; sie war fertig mit ihrer Erzählung, doch Yosuke hatte noch viele Fragen, die ihm unter den Nägeln brannten.

„Aber…?“

Sie sah ihn stutzend an.

„Wie meinst du das? Aber?

„Du machst auf mich keinen glücklichen Eindruck. Das war doch noch nicht alles, oder?“

Seine Scharfsinnigkeit verblüffte Momoko immer wieder aufs Neue. Ausweichend stopfte sie sich die Reste ihres Crêpe in den Mund, dessen Geschmack sie gar nicht wahr nahm, so angespannt wie sie war.

„Was ist mit dieser Hochzeitssache… hast du nicht mal angeschnitten, dass er dir Zeit gibt mit… gewissen Dingen? Bis zur Heirat? Wie funktioniert das?“, fragte er konkret nach und ließ sie dabei nicht mehr aus den Augen.

„Ich… ja, das war meine Bedingung, die ich gestellt habe, als er mich bat ihn zu heiraten. Wir gehen immer nur so weit, wie ich es zulasse, wenn wir uns treffen, um uns noch besser kennenzulernen... Aber solange kann ich auch keine Gefälligkeiten von ihm erwarten, was mir bislang auch recht so war. Ich habe gedacht, ich halte so lange auch noch alleine durch und könnte mich bis zum Schuljahresende daran gewöhnen, seine Frau zu werden. Mit allem, was dazu gehört…“, endete sie verlegen.

Yosuke raufte sich stöhnend die Haare. Ihre Geschichte war total absurd, so was passierte doch sonst nur in Filmen! Sie versprach sich einem Mann, den sie zwar respektierte und vielleicht auch mochte, aber nicht liebte, damit er dafür ihrem Vater half?

„Und du glaubst ernsthaft, dass du dich in den nächsten Monaten in ihn verlieben kannst?“

„Ich hoffe es.“, schloss sie.

Das war schwerer Tobak. Sie meinte es tatsächlich todernst und zu seinem Ärger konnte er ihr Handeln sogar nachvollziehen. So schwer es ihm auch fiel und so sehr sich auch alles in seinem Inneren dagegen sträubte, sie sich als Frau an Takuros Seite vorzustellen.

Als er wieder in Momokos unglückliche Miene sah, fiel ihm an ihrer Erzählung etwas auf, dass seine Gefühlswelt zusätzlich ins Schleudern brachte.

„Moment. Du sagtest, es ist ein Abkommen in dem keiner vom anderen etwas ohne Gegenleistung erwartet? Aber Takuro hat deinen Vater doch jetzt in eine Klinik bringen lassen, oder?“

Ihre blauen Augen flackerten, als er seine Erkenntnis in Worte fasste.

„Er will mit mir diesen Sonntag ausgehen und ich glaube nicht, dass er sich mit Händchenhalten zufrieden geben wird.“

Schnaubend sprang Yosuke auf seine Füße, der Knoten in seinem Magen wurde immer größer.

„Das kann er nicht machen! Du hattest doch keine Wahl, das ist nicht fair! Er darf dich nicht bedrängen.“, fluchte er und wusste nicht wohin mit dem plötzlichen Drang in seinen Händen, mit ihren auf etwas einschlagen zu wollen.

„Ich glaube nicht, dass er mich unangemessen behandeln wird, aber ich muss ihm doch irgendwie entgegen kommen und ihm meine Zuneigung zeigen.“, versuchte die Schülerin ihm zu erklären.

„Dann willst du das so? Warum nur habe ich dann schon die ganze Zeit das Gefühl, dass es dich unglücklich macht?“

Seine brauen Augen flackerten ebenfalls aufgewühlt. Momoko stand auf, erwiderte direkt seinen Blick und versuchte neuerliche Tränen zurück zu halten.

„Genau deswegen brauchte ich einen Freund. Einen Rat, ein Mut machendes Wort… irgendwas, das mich das durchstehen lässt… Eine Schulter zum Ausweinen, jemand dem ich meine Probleme erzählen kann… Mich hat das Gefühl nicht mehr losgelassen, dass du dieser Freund sein kannst, deswegen hatte ich beschlossen dich noch mal zu treffen. Ich kann dich nämlich auch irgendwie gut leiden.“

Sie versuchte so aufrichtig zu lächeln wie sie nur konnte, aber es fiel ich sichtlich schwer. Zu groß war die Angst, dass Yosuke sie nicht verstehen und wieder mit ihren Sorgen allein lassen würde. Er spürte das. Jede Regung ihres Körpers verriet ihm, dass es in seinen Händen lag, ob sie an ihren Problemen zerbrach oder nicht.

„Was erwarest du von mir? Soll ich dir sagen, dass nichts dabei ist jemanden zu küssen, den man nicht liebt? Okay… es ist nichts dabei.“

Sein zynischer Unterton versetzte Momoko einen Stich, aber sie wusste selber, dass sie viel von ihm verlangte. Noch dazu war er ein Mann, was verstand er schon von den Gefühlen eines Mädchens? Traurig sah sie zu Boden.

„Es ist mir zwar peinlich das zu erzählen, aber ich hatte immer gehofft, dass mein erster Kuss etwas ganz Besonderes sein würde. Ich habe Angst, dass es ganz schrecklich sein wird und ich dann nicht mehr normal mit Takuro umgehen kann...“

Wie sie da so verunsichert vor ihm stand, wie ein unschuldiges Reh, das sich fürchtete ohne Mutter über offenes Terrain zu laufen, verflog Yosukes Zorn und Argwohn. Sie hatte sich ihm anvertraut, nun musste er tun was ein guter Freund tun würde. Schließlich wollte er das für sie ein; ein Freund.

Mit beiden Händen hob er ihr Kinn, sodass sie ihn wieder ansah. Das Blau ihrer Augen schimmerte tief wie das Meer in der untergehenden Sonne.

„Das wird es nicht, da bin ich mir ganz sicher. Wenn Takuro dich wirklich liebt, wird es ganz sicher nicht schrecklich werden, das verspreche ich dir.“

Es erstaunte ihn selbst, wie überzeugend er geklungen hatte, dabei drehte sich sein Magen um bei seiner Lüge. Wie konnte er so ein Idiot sein und ihr so ein Versprechen geben?! Woher sollte er wissen, wie Takuro küsste oder wie viel Rücksicht er auf dieses schöne und tapfere Mädchen dabei nahm?

Der Fußballer grämte sich, er hatte nächtelang heimlich von ihrem Körper und diesen Lippen geträumt und nun war er gezwungen, das Reh dazu zu ermutigen, sich dem Jäger auszuliefern…? Aber was erwartete er? Weder Sie noch er waren frei um anderes in Erwägung zu ziehen…

Seine Welt schien plötzlich Kopf zu stehen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: zerocool
2015-02-20T12:11:37+00:00 20.02.2015 13:11
Ochhhhhhh, ich dachte er stiehlt ihr den ersten Kuss...
Super dass du immer so schnell bist, da braucht man nicht so lange zu warten^^

Ach ja, warum antwortest du immer bei den Kommis per Gästebuch und nicht per Antwort-Kommentar?
Antwort von:  Nea-chan
20.02.2015 14:12
>Ach ja, warum antwortest du immer bei den Kommis per Gästebuch und nicht per Antwort-Kommentar?

Ganz ehrlich? weil das früher nicht anders ging und ich noch nicht mitbekommen habe, dass ich das direkt hier machen kann ^^°


Zurück