Amnesia Memories von Kyo_aka_Ne-chan (Geliebter Zwiespalt) ================================================================================ Kapitel 10: Das Verbünden mit der anderen Seite? ------------------------------------------------ Toma konnte kaum verarbeiten, was hier geschah, aber er wusste, dass etwas Schlimmes passieren würde, wenn er jetzt nichts unternahm. „Ukyo-san, was sagst du da?“, fragte er und versuchte, sich zu nähern, doch daraufhin wich der Angesprochene zurück und warf dem Blonden einen warnenden Blick zu. „Versuch gar nicht erst, mich aufzuhalten. Du hast schon genug angerichtet.“ Der Ton des anderen war kalt, doch auch diese tiefe Verzweiflung war noch an Ort und Stelle. Toma erkannte, dass Ukyo-san nicht nur der Böse in der Geschichte war, sondern ein eigenständiges Wesen, welches gehört werden wollte. Die Hand des Grünhaarigen zitterte und die Schere kontaktierte die Haut am Hals des Fotografen. Toma dachte verbissen nach, suchte händeringend nach einem Ausweg, welcher beide Ukyos aus dieser Misere befreien konnte. Er musste Ukyo-san das geben, was dieser verlangte, aber es musste gleichzeitig etwas sein, dass den anderen nicht irgendwann wieder auf den Plan rief. „Ukyo-san... ich werde mich von Ukyo-kun fernhalten, wenn du meinst, dass das besser ist...“, sagte Toma also. Ukyo-san schaute ihn misstrauisch an, er glaubte ihm nicht und Toma konnte das gut verstehen. Gerade hatte er noch versucht, Ukyo-kun zu küssen und er hatte von Dates geredet und jetzt schwenkte er plötzlich um, wie eine Fahne im Wind. Es war nur eine logische Konsequenz, dass da Misstrauen aufkam. „Warum dieser plötzliche Sinneswandel?“ Toma registrierte, dass Ukyo die Schere ein wenig lockerer ließ, aber er wusste, dass es damit noch nicht ausgestanden war, also blieb er weiter auf der Hut. „Ich muss das tun, was du willst, wenn ich Ukyo-kun beschützen will. Aber du kennst ihn besser, also muss ich wohl oder übel auf dich hören. Und wenn du sagst, dass es ihn verletzen wird, dann kann ich das auch nicht zulassen. Wir stehen quasi auf der gleichen Seite, Ukyo-san“, sagte Toma also und ein Stück weit meinte er das auch so. Dass er in Wahrheit nur noch mehr an Ukyo-kuns Seite sein wollte, ließ er unausgesprochen. „Dann wirst du dich also von Ukyo fernhalten, ja?“, vergewisserte sich Ukyo-san und wieder entspannte er den Griff um die Schere, hob sie sogar ein Stück weit von seinem Hals weg, während seine Selbstsicherheit etwas zurückkehrte. „Ja, das werde ich“, bestätigte Toma und machte unmerklich einen Schritt nach vorn und noch einen, als Ukyo-san gerade nicht hinsah. Er musste den perfekten Moment abpassen, damit Ukyo-san sich nicht doch etwas antat, doch dazu musste er noch näher heran und sehr schnell sein. Er musste ihn noch etwas mehr ablenken und dazu fiel ihm nur ein Mittel ein: Er musste ihn provozieren. „Aber meinst du nicht, dass Ukyo-kun genau das am meisten verletzten wird?“ Ukyo-sans Gesicht gefror. „Wieso sagst du das? Was meinst du damit?“ Toma wagte sich weiter vor. „Du sagst, du willst nicht, dass er weiter verletzt wird. Woher willst du wissen, ob nicht noch jemand kommt, der ihn haben will und der ihn dann wirklich verletzt. Du kannst ihn nicht vor allem beschützen und jedes Mal, wenn du dann jemanden wegen ihm verletzt, wird er noch einsamer werden. Willst du das?“ Ukyo-sans Hände begannen zu zittern, sein Blick wurde hektisch. „Hör auf“, wisperte er, doch Toma war noch lange nicht fertig. „Du bist der Grund, warum er so leidet, Ukyo-san. Solange du ihn von allem fernhältst, machst du es noch schlimmer und er wird niemals glücklich sein. Und du wirst niemals frei sein...“ Die Schere fiel zu Boden und blieb mit der Spitze im weichen Erdboden stecken, während Ukyo-san sein Gesicht mit den Händen bedeckte. Er gab unartikulierte Laute von sich wie ein Tier und war völlig außer sich, dass Toma Mitleid mit ihm bekam. Aus einem Impuls heraus näherte er sich das letzte Stück und zog Ukyo-san an sich. Dieser erstarrte völlig zu Stein und statt seiner unfertigen Silben entkam eine Frage seinen Lippen. „Wieso...?“ Toma hielt ihn weiter fest und strich tröstend über den Rücken des Grünhaarigen. „Ich schätze, ich kann euch nun beide nicht mehr leiden sehen...“ Ein Zittern ging durch Ukyo-san Körper und seine Hände umfassten krampfhaft Tomas Oberarme. Dieses Mal entglitt dem Grünhaarigen ein Laut, der sich anhörte, als käme er von einem verwundeten Tier und wahrscheinlich war Ukyo-san nichts anderes. Ein verletztes Tier, welches um sich schnappte, aber dennoch auf Hilfe hoffte... Der Regen hatte zugenommen und prasselte erbarmungslos auf sie beide nieder, doch weder Ukyo noch Toma interessierte es. Was war schon ein bisschen Wasser, wenn es so viel Wichtigeres in diesem Moment gab? „To... Toma?“ Anhand der Stimmlage erkannte der Blonde, dass es sich nun um Ukyo-kun handelte, aber dennoch hielt er den anderen fest, denn Ukyo-kun klang genauso verletzt und durcheinander wie Ukyo-san vor wenigen Momenten auch. Er verstärkte seine Umarmung und litt im stummen Einvernehmen mit dem Grünhaarigen, welcher ebenfalls zitterte und jetzt sogar weinte. //Was ist bloß mit den beiden geschehen... wieso leiden sie beide so sehr?//, fragte sich Toma und zum ersten Mal bezog er auch Ukyo-san in seine Überlegungen mit ein. Einmal gestellt, ließ ihn diese Frage nicht mehr los... Toma lag hellwach in der Nacht in seinem Bett, während Ukyo-kun neben ihm tief und fest schlief. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sie beide zu ihm nach Hause gekommen waren. Der Regen hielt immer noch an und erinnerte Toma immer wieder an die Ereignisse im Park, so dass er einfach keine Ruhe fand. Er hatte so viele Fragen, auf die er die Antwort nicht kannte und solange er nicht über das ganze Ausmaß Bescheid wusste, würde er wohl heute und auch nie wieder schlafen können. „Ukyo-san? Bist du da?“, fragte der Blonde also leise ins Halbdunkel, schimpfte sich einen Moment später aber einen Idioten. //Wieso sollte er mit mir reden? Außerdem schläft er bestimmt auch, wenn Ukyo-kun schläft//, überlegte er, doch eine Bewegung neben ihm bewies ihm das Gegenteil. „Was willst du...?“ Ukyo-san setzte sich in eine aufrechte Position und warf Toma einen Blick zu. Er ahnte, dass der Blonde wohl Gesprächsbedarf hatte. Er würde ihm die Antworten geben, aber dazu mussten die richtigen Fragen gestellt werden. „Es tut mir leid, was ich vorhin alles zu dir gesagt habe. Ich wollte dich nicht verletzen...“, begann Toma und setzte sich ebenfalls hin. „Das hast du nicht... mir hat nur noch niemand je die Wahrheit ins Gesicht gesagt. Du hast übrigens völlig Recht... Ukyo-kun kann nicht glücklich sein, solange ich existiere.“ Toma schwieg betroffen. Sah Ukyo-san sich wirklich so? //Auch er muss einsam sein...//, schloss er daraus und er schimpfte mit sich selbst, weil er in Ukyo-san immer den „bösen Ukyo“ und somit den Bösewicht in dieser Geschichte gesehen hatte. „Wie kommt es, dass du existierst?“ Da der Grünhaarige lange keine Antwort gab, dachte Toma, dass er diese Frage nicht beantwortet bekommen würde, doch der andere belehrte ihn eines Besseren. „Ich bin eine Art Schutzmechanismus...“ „Schutzmechanismus?“ „Ja. Ich existiere, damit Ukyo-kun nicht an seinem eigenen Schmerz zerbricht.“ Toma wollte gerade fragen, welcher Schmerz damit wohl gemeint war, da redete Ukyo-san schon weiter. „Er hat sich verliebt, weißt du? Er und sie waren auch ein ganz nettes Paar, aber das Schicksal war wohl nicht auf ihrer Seite. Sie starb bei einem Brand und Ukyo-kun macht sich immer noch Vorwürfe, dass er sie nicht retten konnte. Er war dabei, als sie bei lebendigem Leib verbrannt ist... er flehte das Schicksal an, dass sie überleben sollte. Sein Wunsch wurde erfüllt, die Götter hörten ihn. Ukyo-kun bekam die Kraft, durch die Welten zu reisen und nach ihr zu suchen.“ Toma lauschte mit angehaltenem Atem. Bisher hörte es sich wie eine fantastische Liebesgeschichte an, aber wenn es zwei Persönlichkeiten in einem Körper gab, dann konnte man schwer bestreiten, dass nicht auch so etwas möglich war. „Er fand sie, doch dieses Mal hatte sie ihr Herz schon einem anderen geschenkt. Er hielt sich im Hintergrund, schwor, ihr Schutzengel zu sein... doch wieder starb sie. Ukyo nutzte erneut die Kraft, suchte wieder nach ihr, doch kurz nachdem sie ihr Glück wieder mit einem anderen Mann gefunden hatte, starb sie erneut. Und so ging es immer weiter und immer weiter... jedes Mal reiste er in eine Welt, er sah sie, war glücklich, sie lebendig zu sehen... und jedes Mal zum 25. August starb sie...“ Kaltes Grauen erfasste Toma und er konnte sich nicht vorstellen, wie Ukyo gelitten haben musste. Es war kein Wunder, dass der andere nur schwer Vertrauen gefasst hatte. „Weißt du, was passiert, wenn man so oft einen Menschen verliert? Wenn man immer wieder zusehen muss, wie ein Mensch getötet wird, der einem wichtig ist und man nichts dagegen tun kann?“, fragte Ukyo-san völlig ruhig, doch er erwartete keine Antwort von dem Blonden. „Man wird verrückt, Toma, man wird einfach nur verrückt vor Schmerz, Leid und Angst. Aus diesen Gefühlen heraus bin ich geboren und ich schützte Ukyo-kun davor, noch verrückter zu werden. Ich störte den Kreislauf und wenn die Welt um sie herum sie nicht tötete, dann habe ich sie getötet, um Ukyo-kun zu schützen.“ Ukyo-sans Eiseskälte jagte Toma zwar Angst ein, aber gleichzeitig verstand er, wie weit der andere bereit war zu gehen, um Ukyo-kun zu schützen. „Aber wo ist sie?“ „Sie existiert nicht mehr. Die Kraft der Götter dauert nicht ewig an... die Kraft erlosch und ich tötete sie ein letztes Mal. Am Tag darauf war der 26. August und seitdem leben wir in dieser Welt ohne sie. Eigentlich war ich verschwunden, aber doch hat sie es geschafft... sie hat mich irgendwie zurückgeholt... sie meinte, wir beiden müssten glücklich werden“, erklärte Ukyo-san und Toma wurde schwindelig im Angesicht dieser zahlreichen übernatürlichen Phänomene, die er da hörte. Ein humorloses Lachen glitt über Ukyo-sans Lippen. „Als ob es eine Welt geben könnte, in der Ukyo und ich glücklich werden könnten... so etwas gibt es nicht.“ „Bist du sicher?“, fragte Toma da. „Ukyo-kun hasst mich, weil ich seine schlechten Seiten repräsentiere. Ich bin all das, was er fürchtet und was er an sich nicht wahrhaben will. Er verleugnet mich, gibt mir die Schuld daran, was passiert ist... dabei bin ich auch er. Er war es, der mich gerufen hat und der mich gebraucht hat...“ Ukyo-sans Worte stimmten Toma nachdenklich. Vielleicht war es ja seine Aufgabe, zwischen den beiden Persönlichkeiten zu vermitteln...? „Das heißt, Ukyo-kun müsste dich als eine Seite von sich akzeptieren... und dann könnte er glücklich werden und du wärst frei?“, fragte er und Ukyo lachte leise. „Aus deinem Mund klingt das so einfach. Aber anscheinend hast du keine Ahnung, wie stur Ukyo-kun sein kann.“ „Ich werde ihn davon überzeugen“, sagte Toma entschlossen. Ukyo-san musterte den Blonden überrascht, doch er fing sich schnell wieder. Es war eine utopische Idee, dass dieser Schönling vor ihm das schaffen konnte... aber merkwürdigerweise wollte Ukyo-san an Toma glauben. Vielleicht war dieser Mann die einzige Chance, die er und Ukyo-kun hatten, wenn es je einen Ausweg geben sollte. Der Grünhaarige zog Toma an sich und hauchte ihm einen federleichten Kuss mitten auf den Mund. Der Blonde erstarrte augenblicklich zu Eis und schaute danach errötend auf Ukyo-san, als dieser sich wieder von ihm löste. Ukyo-san lächelte noch etwas mehr und Toma fragte sich, wie dieser Mund, der vorher noch harte Worte gesprochen hatte, sich so verdammt weich anfühlen konnte. „Ich glaube, ich vertraue auf dich, Toma“, sagte der Grünhaarige, dann ließ er den völlig konfusen Toma los und legte sich wieder hin, um sein Bewusstsein wieder mit Ukyo-kun zu tauschen. Toma befühlte noch einen Moment seine eben geküssten Lippen, starrte auf Ukyos Körper neben sich und fragte sich, was zum Teufel hier eigentlich los war. An Schlaf würde wohl nie wieder so einfach zu denken sein, wenn er jeden Tag von einem Gefühlschaos ins nächste stürzte. Ich glaube, ich vertraue auf dich, Toma. //Wie kann er so etwas nur sagen?//, ging es dem Blonden durch den Kopf und fühlte sich einerseits geehrt, aber auch unter Druck gesetzt. Aber er hatte seine Aussage, dass er Ukyo-kun überzeugen würde, nicht leichtfertig getroffen. Wenn es dazu diente, dass beide Ukyos glücklich sein konnten, dann würde er es versuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)