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Verborgen in Stille Teil II

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Leser, ^^

Ich hoffe, die Woche war bei euch gut!

Es ärgert mich, dass ich nur noch einmal in der Woche dazu komme ein Kapitel online zu stelle, ich hoffe, ihr seid mit deswegen nicht böse.
Viel Spaß mit dem Kapitel^^
Schönes Wochenende :D Komplett anzeigen

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Die Bürde die wir tragen

Ich war froh, wie es gelaufen war. Sehr nachdenklich schien Clay, als er uns verlassen hatte und ich war mir sicher, dass etwas in ihm begann genauer nachzudenken. Ging er alte Einsätze durch? Gab es vielleicht Einsätze, bei denen er sich selbst unwohl gefühlt hatte? Wir sprachen darüber nicht, während wir nach Hause fuhren. Ich hing meinen Gedanken nach und Jack machte das, was er so gut konnte, schweigen.

Mir war klar, dass er es nicht mochte so die Leute von sich zu überzeugen, allerdings war es mir einfach wichtig. Der Teil, meiner Familie sollte nicht wegbrechen, zumal Jack in meinen Augen einfach kein schlechter Mensch ist. Er musste also in diesen sauren Apfel beißen, ob es ihn passte oder nicht.

Doch nachdem ich mit Jack Zuhause ankam, schaute ich ihn an und murmelte leise, aber sehr ehrlich: „Danke, Jack.“ Er nickte und sah kurz hinab auf das Tablet. Auch mein Blick glitt hinunter und mit gerunzelter Stirn fragte ich: „Darf ich mir das eigentlich auch anschauen?“ Reserviert wurde Jacks Ausdruck, als er mich betrachtete. Auch sein Auge huschte hinunter zu dem unscheinbaren Gerät in seinen kräftigen Händen. Ich war neugierig, was noch für Geheimnisse in ihm schlummerten. „Warum willst du das? Das ist nicht wie in den ganzen Kinofilmen“, erklärte er ruhig und weder Abweisung noch Wut waren in seiner Stimme verankert.

Unsicher zuckte ich mit den Schultern, stellte den Motor ab und meinte: „Weiß nicht. Vielleicht weil ich einfach neugierig bin wie und was du alles so machst… Du sagtest, du trägst eine Bodycam… ist, na ja... irgendwie spannend, so etwas aus deiner Perspektive zu erleben.“ Jack atmete schwer durch. Schien meine Worte sich noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen und nachdenklich sah er mich an. Warum, verstand ich im ersten Augenblick nicht. „Hm“, grummelte er leise, „so habe ich das noch nie gesehen… Für mich ist das einfach meine Arbeit, Jasper. Ich möchte es eigentlich nicht zur Unterhaltung herumzeigen. Bei dem Einsatz sind auch einige meiner Kameraden gefallen und ihr Tod… ist nicht wie in Hollywood …“

Ich lauschte ihm und war erstaunt, dass er gerade wahrlich nach Worten suchen musste. So etwas kam einfach so selten vor. Doch ich glaubte ihn zu verstehen. Es war keine Unterhaltung. So aufregend es sicher war dieses Video zu schauen verstand ich, dass es für Jack etwas anderes war, als einfach nur ein Video. Es waren sicher schreckliche Bilder. Die letzten Bilder von einigen vielleicht auch sehr geschätzten Menschen. Natürlich könnte man damit argumentieren, dass er und seine Freunde und Kameraden Soldaten waren. Sie sehen dem Tod vielleicht öfter, oder auch bewusster ins Gesicht und trotzdem machte es den Verlust nicht weniger schlimm.

„Ich dachte, du gehst immer alleine irgendwo rein“, nuschelte ich und traute mich noch nicht die Tür des Autos zu öffnen. Er nickte und erklärte gleich: „Meistens ja. Aber damals brauchten wir alle…“, erklärte Jack ruhig und strich sich kurz über die Narbe an der Hand. Auch ich betrachtete die Narbe und nickte leicht, während wir ausstiegen. Daher hatte er sie also, von diesem Einsatz. Wenn ich ehrlich war der einzige Einsatz, den ich von ihm je gehört hatte, seit er seine eigene Basis hatte. Ich fragte nicht noch einmal danach, ob ich das Video schauen durfte. Es war Jack angenehmer und dennoch war dort diese Neugierde in mir, die Befriedigung erfahren wollte.

Dieses Tablet strahlte für mich eine so gewaltige Anziehungskraft aus, obwohl ich wusste, dass ich es nicht sollte. Jack schien zu arbeiten und war sehr nachdenklich. Ich wollte ihn nicht stören und setzte mich an meinem Laptop. Ich erstellte gerade meinen Stundenplan für das kommende Semester.

Erst als Didi winselte, blickte Jack auf. Immer noch schien er etwas zu lesen und raunte genervt: „Ich komm ja…“ Er fragte mich nie, ob ich mit dem Hund rausging. Didi war sein Hund, seine Verantwortung und als er das Tablet auf der Kommode ablegte, griff ich schnell danach. Die Verlockung war einfach zu groß!

Ich musste ja nicht sagen, dass ich hineingesehen hatte, dachte ich mir und wusste, dass es falsch war. Doch ich konnte meine Neugierde nicht unterdrücken und ich hasste es, wenn Jack so eisig schwieg! Ich hörte, wie die Haustür zuging und kurz war die Stille in der Wohung deutlich zu vernehmen.

Ich sah auf das Display und strich darüber. Einzelne Ordner waren zu sehen mit Abkürzungen, die ich nicht verstand. Nicht ein Spiel schien auf dem Gerät zu sein und es hätte mich auch gewundert. Es dauerte, bis ich Ordner gefunden hatte, die Videos enthielten. Drei Stück sah ich. Alle unterschiedlich lang.

Die Neugierde gewann und mit einem schlechten Gewissen klickte ich auf die erste Datei. Vom Datum her schien es die jüngste zu sein. Es war im November aufgezeichnet worden und es schien die längste Datei zu sein.
 

Das Video setzte mitten drinnen ein. Zunächst hörte ich nur den Wind pfeifen und ich stellte die Lautstärke nach oben. Ich sah Jack nicht, natürlich. Er hatte Clay ja schon erklärt, dass er eine Bodycam trug. Felsige karge Wüstenlandschaft war zu erkennen. Vereinzelte karge Bäume wuchsen in der Umgebung. Ich hörte Jacks schweren Atem. In der Ferne erkannte man Rauch, der aufstieg. Vielleicht brannte es dort. Man erkannte Ruinen. Das glaubte ich zumindest.

„Wie weit noch“, hörte ich seine tödlich ruhige, gleichzeitig so vertraute Stimme sagen, die so anders klang, als ich sie kannte. Ich fragte mich, mit wem er von seiner Basis aus die Mission geleitet hatte. Ob man dies auch hörte? Schon im nächsten Moment bekam ich meine Antwort. Die nüchterne Stimme Kaz‘s drang in meine Ohren. „Noch ne viertel Meile, Boss. Das ist ein Vorort von Aleppo“ Aleppo, Syrien… Dort herrschte seit geraumer Zeit schon ein erbitterter Bürgerkrieg. Natürlich kannte ich die Bilder des Krieges. Sie waren so oft schon in den Medien zu sehen, dass sie einem kaum noch wirklich zu schrecken vermochten.

Ich war überrascht, dass man Kaz Stimme hörte. Vermutlich hatten sie sowohl das Video, als auch die Audioaufnahmen gespeichert. Wie das möglich war, wusste ich nicht.

Ich konnte nicht sehen, wohin Jack schaute, noch was er beobachtete. Auf einmal sah ich nur noch den braunen felsigen Boden und Jacks Arme, die ab und zu durch das Bild glitten. Er kroch und erneut hörte ich nur seinen Atem, vermutlich schien er sehr angespannt zu sein. Vollkommen in Alarmbereitschaft. Ich hörte das aufheulen eines Motors und Jack verharrte in der Position, sogar sein Atmen setzte kurz aus. Ich merkte, wie mein Puls sich beschleunigte und ich bekam Angst um ihn. Dabei wusste ich doch eigentlich, dass nichts passieren würde. War er doch schließlich vor nicht einmal zehn Minuten aus der Wohnung verschwunden. Nichts geschah einige Momente lang, so dass ich mich fragte, ob noch was geschah! Ich erinnerte mich daran, dass dies einfach kein Actionfilm war! Dies war real. Natürlich explodierte nicht einfach was.

Doch das Auto fuhr vorbei, vermutlich hatte der Fahrer Jack nicht bemerkt und fast schon erleichtert atmete ich aus und Jack setzte seinen Weg, wohin auch immer, fort. Vermutlich, Richtung der Ruinen, welche man zu Beginn des Videos gesehen hatte. Ich fragte mich, was der Sinn hinter dieser Mission war, denn es schien nicht das Video zu sein, welches er vor wenigen Stunden noch Clay gezeigt hatte. Dafür war es auch zu lang! Es dauerte ja jetzt schon fast zehn Minuten. Ich erkannte die verlassenen Häuser und fragte mich, was für ein Ort das war. Ein Stützpunkt der Rebellen? Der Armee? Oder etwas gänzlich anderes?

Jack erhob sich und schien um eine Ecke zu schauen und ich erkannte, dass dort mehrere bewaffnete Männer standen. Sie hielten Maschinengewehre in ihren Händen und es wirkte, als patrouillierten sie. Ein Geländewagen stand in der Nähe der Menschen. War es der Wagen von gerade? Das wusste ich nicht!

„Drei Stück, Snake“, sagte Kaz in normaler Lautstärke, ich hätte vermutlich geflüstert. Alle wirkten gefasst. Weswegen war das Video auf dem Tablet? Bis jetzt geschah nichts, was irgendwie wichtig erschien. „Vielleicht wissen die, wo sich diese Idioten versteckt halten und wo unser Mann ist.“

Jack schwieg, natürlich! Ein Gespräch nebenbei wäre den anderen Männern vielleicht auch aufgefallen. Jack hob seinen Arm und nur kurz erkannte ich ein kleines Fernglas. Immer noch schwieg er, steckte es schnell wieder weg und duckte sich. Erneut setzte sich Jack in Bewegung und als alle Soldaten ihm den Rücken gekehrt hatten, hechtete er kurz über die Straße, näher heran an den Feind, diesen immer noch im Blick. Ich hätte mich vermutlich in alle Himmelsrichtungen umgeblickt! Ich war überrascht, als Miller erneut sprach und das, was er sagte, ließ meine Gesichtszüge entgleiten. „Weißt du, ich denke ich hab endlich herausgefunden was ich an meinen Burgern vielleicht besser machen könnte. Ich glaube, dass Verhältnis zwischen Patty und Brötchen hat beim letzten Mal nicht gestimmt. Das nächste Mal nehme ich weniger Fleisch.“ Was zur Hölle, schoss es mir durch den Kopf. Wie konnte man an sowas denken, wenn man mitten in einer Mission war?! War der Typ verrückt? Jack grummelte, doch es wirkte nicht genervt, es wirkte zustimmend!

Während Jack sich an den Mann heranschlich, redeten die beiden über Hamburger?! Wie wäre es noch gleich über das letzte Barbecue zu quatschen?!

Gerade als Miller noch davon sprach, wie er den Burger belegen wollte, hallte ein Schuss durch die Gegend und augenblicklich verharrte Jack in seiner Position! Auch Kaz schien verstummt zu sein und Jack drehte sich um. Man sah niemanden, doch die Schüsse kamen näher! Kamen jetzt die Männer? Hatte Kaz Jack so sehr abgelenkt, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie ihn entdeckt hatten?! Mein Puls begann zu rasen. Nicht aufgeregt wie bei einem guten Film, wo man wissen wollte, wie es weiterging. Angst durchflutete meinen Körper und hart hämmerte mein Herz in meiner Brust! Ich verfluchte Miller auf das Schlimmste!

Erneut zuckte ich zusammen, als ich die Schüsse hörte. Immer wieder musste ich mir in Erinnerung rufen, dass Jack noch lebte! Ich hörte die Kugeln, die hinter ihm einschlugen. Es schien wie ein Wunder zu sein, dass keine traf. Ich hörte Jack leise, aber erschrocken die Luft einziehen. Doch er schrie nicht, verfiel nicht in Panik und ich bewunderte ihn dafür! Jack bewegte sich. Nach rechts, geduckt, denn ich sah nur den Boden.

Doch plötzlich schnitt ein Mann Jack den Weg ab. Ich sah erst nur seine Brust, vermutlich erhob sich Jack, denn nun konnte ich die Person vollends erkennen! Das schwarze Haar klebte an seinem Kopf und er trug eine Handgranate in der Hand! Ich schnappte nach Luft und verstand was Jack meinte, dass diese Videos keine einfache Unterhaltung darstellten!

Diabolisch grinste der Fremde Jack an und hatte den Finger an dem Stift. Er sagte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Wie versteinert starrte ich auf die Granate. Jack schien sich schneller als ich es je gekonnt hätte aus dieser Starre zu befreien. Blitzschnell sah ich eine kleine Pistole mit Schalldämpfer und er schoss auf den jungen Mann. Ein gezielter Schuss mitten in den Kopf. Noch mit der Granate in der Hand sackte er zusammen, das Grinsen immer noch auf seinem nun leblosen Gesicht. Ich hätte erwartet, dass das Blut nur so spritzen würde. Doch das tat es nicht. Nur langsam sickerte das Blut aus dem Kopf…

Ich starrte auf den Körper und vermutlich hätte ich noch länger gestarrt, doch Jack rannte weiter, sagte nichts. Er sprang hinter eine Ecke, doch plötzlich hörte ich ihn fast schon erschrocken aufstöhnen und der Erdboden war innerhalb weniger Sekunden vor der Kamera. Er war gestürzt! Mit der Waffe in der Hand drehte er sich um und ich sah in das verängstigte Gesicht eines Jungen. Ein Kind, vielleicht neun oder zehn, blickte panisch in den Lauf der Waffe und in seinen Armen hielt er ein mir bekanntes Stofftier. Der dreckige geflickte braune Affe. Nie wollte mir Jack berichten, wie er an dieses Stofftier gekommen war! Ich dachte, es sei ein altes aus seiner eigenen Kindheit.

„Was zum“, hörte ich Jacks verwirrte Stimme und er schien langsam die Waffe zu senken. Ich sah die Panik in den Augen des Kindes. Was diese traurigen braunen Augen wohl schon alles mit ansehen mussten, konnte ich mir kaum vorstellen. Ich sah die aufkommende Panik, natürlich, dieses Kind musste denken, dass es gleich stirbt. Selbst ich erkannte, dass der Junge gleich schreien würde und ich sah Jacks kräftige Arme, die sich nach dem Kind ausstreckten. Ihm feste den Mund zu hielten. Er drückte sich in eine Ecke schützend vor das Kind, während Autos an ihm vorbeifuhren, ihn vermutlich suchten. Die Dunkelheit war nur zu erkennen und ich hörte das panische Winseln des Kindes und Jacks ruhige und kräftige Atemzüge! Erst, nachdem die Autos vorbeigefahren waren, ließ er den Jungen los.

Immer noch sahen ihn die klaren Augen mit großer Angst entgegen, immer noch drückte er den Affen an sich, als sei er sein einziger Halt. „Ich… ich tue dir nichts“, sagte Jack sehr langsam, die Arme vor sich haltend. „verstehst du mich“, fragte er unsicher und nach einem kurzen Moment nickte der Junge. Ich war verblüfft, denn ja, ich hatte immer im Kopf, dass die Menschen aus dieser Region ungebildete seien. Auch wenn ich mich immer wieder korrigierte war es doch ein Vorurteil, welches ich nicht so einfach abschütteln konnte!

„Ich… ich ging auf internationale Schule, mein Vater Ingenieur.“ Vermutlich nickte Jack, ich wusste, was ihm durch den Kopf ging. Wenn der Junge schrie, würden sie ihn sofort finden, doch er konnte auch einfach kein Kind ausschalten. Geschweige denn es dort zurücklassen? Hoffte ich zumindest…

„Wo sind deine Eltern“, fragte Jack vorsichtig und der Blick des Jungen senkte sich. Ich verstand ihn. Er war alleine, er hatte keinen. Wie vermutlich viele Kinder dort. Ob er wusste, was mit seinen Eltern passiert war? Waren sie tot? Wurden die Menschen dort vielleicht gezwungen zu kämpfen? Ich wusste es nicht. Man hatte sich so an diesen Krieg gewöhnt, dass nur noch wenig einen wirklich in Erinnerung blieb.

„Bist du guter Mann“, fragte er unsicher und drückte diesen Affen an sich. Vermutlich etwas, was noch aus seinem alten Leben war. Aus einer Zeit, in der man nicht um sein Leben fürchten musste. In einer Zeit, wo er einfach nur ein Kind sein durfte. „Snake, du musst da raus“, hörte ich Miller sprechen, neutral und tatsächlich ohne wirklich Emotionen. Das er plötzlich etwas sagte, erschreckte mich im ersten Augenblick, hatte ich ihn doch in den letzten Minuten vollkommen vergessen! War das berufliche Distanz? Vermutlich… War diese Distanz gut? Es schien ihm fast schon gleichgültig, dass Jack dort mit einem kleinen Jungen stand. Doch das vermochte ich nicht einzuschätzen. Ich konnte mir denken, dass es für einen selbst besser war solche Sachen so gut es ging distanziert zu betrachten. Doch wie ich das Kind dort sah, hätte ich das nicht einfach geschafft!

Ich hörte das Zögern in Jacks Stimme. Ich war erleichtert, dass er keine Distanz zeigte! Als er anfing zu erklären, drehte er sich kurz. Schaute vermutlich, ob sie entdeckt wurden. „Ich… ja… ich bring dich hier raus…“, raunte er leise und hockte sich tatsächlich hinunter zu dem Kind. Doch ja, Jack war sehr emphatisch. Er wusste, dass er aussah wie der klassische böse Mann, der einen gleich ausrauben wollte.

Skeptisch und ängstlich fragte er: „Du Amerikaner?“ Ängstlich sah er aus, als er dies fragte. Ich erinnerte mich, wie Jack einst sagte, dass wir in anderen Ländern als das Böse gesehen wurden und genauso betrachtete dieser Junge Jack. Als sei jeder Amerikaner ein Todfeind für ihn. „Nein“, raunte Jack, ich wusste wie einfühlsam er war, vermutlich wusste er, dass er dem Jungen so nur Angst gemacht hätte. Ich hörte das Rascheln von Kleidung und fragte mich, was Jack gerade tat. „Keine Flagge der USA“, raunte er leise und die Kamera drehte sich kurz. Ich verstand, dass er dem Kind gerade seinen Ärmel gezeigt hatte. An der Seite der Uniformen prangten am Oberarm die Flagge der Nation, für die man dort war. Natürlich war dort nicht unsere Flagge abgebildet. Ich glaubte etwas zu hören und Jack hatte sich umgewandt, bevor sich einer anschleichen konnte. Doch niemand war zu sehen. Vermutlich nur der Wind, hoffte ich zumindest.

Wieder kam das Kind ins Bild Ich sah, wie das Kind unsicher nickte, es blickte seinen Stoffaffen an, als sei er ein guter Freund und er fragte leise, fast schon schüchtern: „Du bringen uns Sicherheit? Uns… uns beide?“ Sein Blick glitt zu dem Stofftier und er versuchte etwas Dreck aus dem Tier zu kriegen.

Ich ahnte, was geschehen würde und eine Kälte breitete sich in mir aus, wie ich sie nie vorher gekannt hatte. Der Affe thronte in Jacks Quartier….

Vermutlich hatte Jack genickt, denn mit zögernden Schritten ging der kleine Junge auf ihn zu. Wie verzweifelt er sein musste! Er kannte Jack nicht, hätte eigentlich glauben müssen, dass Jack der Feind war. Hatte er doch noch vor wenigen Augenblicken Angst gehabt! Doch ich ahnte, dass der Junge einfach nur in Sicherheit sein wollte! Er wäre vermutlich mit jedem mitgegangen! Vermutlich wollte er den Krieg hinter sich lassen!

Wie gut wir es doch letztlich hatten! Ich brauchte in diesem Alter keine Angst um mein Leben zu haben! Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie dies sei auch jetzt nicht, wo ich erwachsen war. Klar, mein Vater hatte mich ins Krankenhaus geprügelt, doch es war kein Vergleich zu dem, was das Kind seit Jahren erdulden musste.

„Wie… wie dein Name“, fragte er zögerlich und hielt immer noch Abstand zu dem für ihn fremden Soldaten. „Sn… John“, sagte Jack und ich war verblüfft. Doch ich vermutete, dass er dem Jungen die Unsicherheit nehmen wollte. Ich beobachtete, wie der Junge nickte und zu seinem Freund, dem Stofftier, hinunterblickte und leise sagte: „Ich…ich bin Edris und das Miki.“

„Gut Edris, hör mir zu, du musst leise sein, hast du mich verstanden?“

Edris nickte leicht, wirkte unsicher. Jack ging voran. Nun war er sehr viel langsamer als noch zu Beginn des Videos. Ich hatte die Zeit, die es bereits dauert vollkommen vergessen. Ich sah nur auf das Tablet in meiner Hand und ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus.

Jack und der Junge entfernten sich von den Häusern. Hatten sie es doch geschafft und Edris hatte Jack seinen Freund überlassen? Ich hoffte auf dieses Ende. „Abbruch der Mission“, raunte Jack und Kaz seufzte schwer. Wollte er nicht lieber das Kind retten, dieser Wichser?!

„Gut Boss“, raunte er und ich hörte es ganz leise Tippen, „wir holen euch da raus und setzen dich dann wieder ab.“ Ja, so konnte Kaz das machen! Erst das Kind hinaus bringen, dann weiter machen! So war es auch für mich die richtige Reihenfolge.

Erneut geschah nicht viel. Ab und zu half Jack dem Kind ihm zu folgen. Hob ihn einen kleinen Abhang hinunter und sprang dann selbst hinterher. Jack fragte, wo er auf Rica und den Heli treffen würde. „Drei Meilen. Südlich. Schwieriges Gelände voraus“, raunte Miller und klang immer noch so professionell, dass es mich wunderte. Ein erleichtertes Grummeln schien Jacks Mund verlassen zu haben. So oft, wie er sich umblickte spürte ich, obwohl ich nie dort war, wie angespannt er war. Er wollte diesen Jungen dort raus haben. Ich vermutete, dass diese Menschen, die dort waren, Terroristen waren. So, wie ich mir Terroristen vorstellte. Auch wenn es nie definiert wurde! Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch.

Es klang wie ein Hubschrauber! Ich hörte Miller auf der Tastatur tippen und im nächsten Moment ernst fragen: „Rica bist du das? Beim Boss ist ein Heli?“

„Nein!“

„Verdammte Scheiße“, hörte ich Kaz laut fluchen. Die Professionalität schien sich gerade etwas zu verabschieden und erneut klickte jemand auf der Tastatur herum. „Feindlicher Heli, Snake!“

Jack drehte sich um und ich sah ihn, vermutlich im selben Moment wie Jack ihn sah! Woher wussten sie, dass jemand dort war? Doch dann klickte es. Jack hatte jemanden erschossen!

Blitzschnell wandte er sich um und rannte auf den Jungen zu. Er griff unter seine Arme und er rannte. Vermutlich hatte ich ihn nie so schnell rennen sehen, wie in diesem Video. Erneut hörte ich das einschlagen von Kugeln. Lauter als die Gewehre vorher. Wurde aus dem Helikopter heraus geschossen?! Erneut fing mein Puls an zu rasen! Ich bekam Angst. Edris schrie. Er schrie und ich hörte das Kind weinen. Vermutlich schrie er nach seinen Eltern und eisige Schauer liefen mir über den Rücken. Er schrie nicht in Englisch, keine Worte waren zu verstehen! Ich hatte keine eigenen Kinder, doch ich hatte Luna, die ich wie mein eigenes Kind liebte. Diese entsetzlichen Schreie des Kindes erfüllten den stillen Raum um mich herum. Schrill, hoch und voller Panik. Ich bekam Angst um Jack und auch um den Jungen.

Mit dem Kind auf dem Arm sprang Jack hinter einem Felsen drückte sich in eine Ecke, den Jungen schützend hinter sich. Ich hörte die angsterfüllte und panische Stimme, die im gebrochen Englisch murmelte: „Nicht sterben… Nicht sterben!“ Eine Gänsehaut bildete sich und tatsächlich schossen mir Tränen in die Augen.

Ich hörte erneut wie der Hubschrauber näher kam und die Einschläge der Kugeln. „Verdammte scheiße, Boss“, hörte ich Miller brüllen, „versuch da rauszukommen!“ Der Helikopter schien etwas weiter zu fliegen, weg von den beiden und Jack schnappte sich Edris und sprang über die Ebene. „Such ein Versteck. Rica ist auf dem Weg!“, raunte Kaz und ich hörte die Sorge in seiner Stimme!

„Gut“, raunte Jack wütend und rannte weiter. Die Geräusche des Helikopters kamen näher und je lauter sie wurden, desto schneller wurde mein Puls!

Fast schon erleichtert sah ich Ruinen von Häusern und Jack stürzte darauf zu. Vermutlich war er noch um einiges glücklicher als ich, dass er sie sah. Er steckte den Jungen in die erste Ruine. „Bleib hier!“, befahl er und Edirs panische Augen sahen hinauf in Jacks Gesicht. Schnell verließ er das Haus und rannte weiter. Wollte vermutlich von dem Kind ablenken. Wieder hörte ich das Einschlagen von Kugeln und Jacks Arme waren immer wieder kurz zu sehen. Was der Helikopter alles beschoss, sahen weder Jack noch ich!

Ein zweiter Hubschrauber tauchte auf! Fast schon wie aus dem Nichts! „Das ist Rica“, hörte ich Kaz raunend sagen. Die Kampfhubschrauber hatten an der Seite so etwas wie Flügel. Nur, dass an diesen Flügeln keine Triebwerke hingen, sondern Abschussvorrichtungen für Raketen. Ich sah, wie eine zündete. Jack drehte sich nicht um. Rannte weiter weg. Natürlich, war es doch so sicherer! Noch einmal schien Rica zu feuern und musste selbst den Geschossen ausweichen.

Ich kannte solche Kämpfe einzig aus dem Fernsehen und hatte so etwas nie in Wirklichkeit gesehen. Ich hörte ein ohrenbetäubendes Geräusch und erst als dieses Geräusch die Umgebung erfüllte, drehte Jack sich um. Ich sah den feindlichen Helikopter brennen und straucheln und ich war erleichtert davon. Dass Jack vor geraumer Zeit wohlbehalten mein Zimmer verlassen hatte, hatte ich komplett vergessen!

Der Hubschrauber geriet arg ins Schlingern und es schien, als verlor der Pilot die Kontrolle! Rica flog auf Abstand und der feindliche Hubschrauber schlug auf den Boden auf! Er fiel nahe der Ruinen auf die Erde und explodierte. Die Druckwelle riss Jack auf den Boden, dass der andere auch Raketen bei sich hatte, hatte ich vollkommen vergessen. Ich hörte Jack schreien und sah Erdboden und Himmel in schneller Abfolge. Die Druckwelle hatte ihn weggeschleudert! Nur der Wind war zu hören und niemand schien sich zu bewegen.
 

Als Jack sich stöhnend aufrichtete, fragte Miller gleich: „Boss, alles klar?“ Ich hörte Jack grummelnd ja sagen, doch seine Aufmerksamkeit galt etwas anderem. Ich sah, wie er sich umsah und ich wusste, was er suchte. Er suchte Edris. Doch schon nach einem Schritt sackte er zusammen und stöhnte schmerzvoll auf! Ich hörte wieder das Rascheln seiner Kleidung und mit schmerzverzerrter Stimme sagte er „Verdammte scheiße! Ich glaub mein Bein ist gebrochen!“ Auch Kaz fluchte, doch was genau er mit Rica besprach, verstand ich nicht.

Zu sehr war ich von dem gefesselt, was ich sah. Jack kroch. An seinen Händen sah man mehrere kleinere Schnitte und mit einem schmerzvollen Stöhnen zog er sich immer weiter voran. Vorbei an den brennenden Überresten. Er suchte auch nicht nach Verletzten. Einige Häuser, oder eher Ruinen waren nicht mehr. Auch das zerstörte Haus, indem er den Jungen gelassen hatte, schien die Druckwelle nicht überstanden zu haben!

„Edris“, rief Jack leise und kroch auf allen Vieren voran. Immer wieder versuchte er sich aufzustemmen, doch seine Beine trugen sein Gewicht nicht! Der abgestützte Helikopter brannte weiter. Er kroch an dem Helikopter vorbei. Hinein in die zerstörten Ruinen. Doch meine und vermutlich auch Jacks Aufmerksamkeit galt dem kleinen Jungen, welcher zusammengekauert in einer Ecke des Hauses lag. So schnell es Jacks Wunden zuließen, krabbelte er zu dem Kind. Erschöpfte sah Edris Jack an und ich sah, wie er schwer atmete. Sein Oberteil war rot durchtränkt. Blut lief ihm aus der Nase. Vermutlich hatte ihn die Druckwelle getroffen. Vorsichtig hob Jack das Shirt hoch und ich drehte mich weg, denn sonst hätte ich mich übergeben.

Eine klaffende Wunde an der Seite des Kindes. Irgendetwas schien in der Wunde zu stecken. Edris zitterte und blickte panisch auf die Wunde.

Jack bedeckte erneut die Wunde und zwang Edris ihn anzusehen. Seine Hände begangen zu zittern, wie ich es bereits schon kannte. Ich verstand augenblicklich! Dies war der Grund dafür! Dies war der Auslöser! „Keine Angst, so schlimm ist es nicht. Wir machen das schon“, sagte Jack leise und strich mit zitternden Händen über die Wange des Kindes. Er log eindeutig für den Jungen. Edris schnappte nach Luft. Das Stofftier lag immer noch bei ihm. Mit starren Augen blickte er Jack an. „Nicht sterben“, nuschelte er ängstlich. Ich wusste es und Jack wusste es auch, dass es in diesem Augenblick keine Hoffnung gab. „Hey“, raunte Jack und das Zittern hatte nun auch seine Stimme erfasst. Die braunen Augen des Kindes starrten Jack an. „Ich geb dir was gegen die Schmerzen, okay?“, fragte Jack leise. Ich hörte es Rascheln und er zog eine kleine Box, ähnlich wie die eines Brillenetui aus eine seiner vielen Taschen und ich sah eine kleine aufgezogene Spritze. Wieso hatte er eine Spritze dabei?! Seine Stimme zitterte kaum hörbar. „Das sind Schmerzmittel, die helfen. Davon schläfst du ein. Dann bist du in Sicherheit…“ Edris nickte und schloss langsam die Augen. Ich hörte den röchelnden Atem des Kindes und Tränen sammelten sich in meinen braunen Augen. „Okay“, raunte der Junge und lächelte tatsächlich. „Ich schlaf…“, sagte er gebrochen und fast schon dankbar war ich, als Jack die Hand vor die Kamera hielt. „Ja“, hörte ich ihn sagen, „und ich…“, doch was er noch sagte, wusste ich nicht. Das Video endete abrupt.

Auch der Ton war weg. Zitternd, saß ich auf dem Bett und konnte es einfach nicht glauben! Ich konnte es einfach nicht begreifen! Wieso hatte mir Jack das nie erzählt? Warum teilte er mir nicht mit, mit was für einer Bürde er immer herumlaufen musste?!

Ich hörte die Haustür nicht und auch die Zimmertür nicht. Erst, als ich Jacks schneidende Stimme vernahm, schreckte ich regelrecht zusammen und erwachte aus meiner Trance! „Was machst du da“, wollte er mit eisiger Stimme wissen. Erschrocken drehte ich mich zu ihm und eisig sah Jack mir in die Augen, aus denen sich gerade Tränen stahlen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Carisi13
2017-05-22T19:52:09+00:00 22.05.2017 21:52
Omg du hast mich mit diesem kapiel echt zum weinen gebracht!!!!
Von:  chaos-kao
2017-05-22T13:12:58+00:00 22.05.2017 15:12
Ein sehr spannendes Kapitel! Es ist interessant mal etwas mehr über Jacks Arbeit zu erfahren, auch wenn es natürlich ein sehr trauriges Ereignis ist ... das Ganze hinter Jacks Rücken anzusehen, ist aber definitiv der falsche Weg. Das ist ein enormer Vertrauensbruch - wobei ich mich wundere, dass Jack das Tablet nicht gesperrt und verschlüsselt hat, könnte es doch in die Hände von Feinden gelangen. Etwas leichtsinnig von ihm!
Von:  Laila82
2017-05-20T17:18:28+00:00 20.05.2017 19:18
Jazz Nein. Es mag reizvoll sein, aber ob Jack dir das verzeihen kann. Das ist so ein gewaltiger Vertrauens Missbrauch. Grad kommt ihr euch so nahe und ich denke das klappt mit den Beiden. Und nun das.


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