Selbstmord ist keine Lösung......oder? von LadyShihoin ================================================================================ Kapitel 42: Die Daseinsberechtigung ----------------------------------- Nebenbei möchte ich noch Werbung für eine ganz tolle FF machen, die wirklich super geschrieben ist und wo ihr als richtige Undertaker-Fans dringend mal einen Blick hineinwerfen solltet. Denn ich denke, dass sie euch genauso gut gefallen wird wie mir, verlasst euch da drauf ;) https://ssl.animexx.de/fanfiction/371011/?js_back=1 Er sah so ruhig, fast schon friedlich aus, wenn er schlief. Carina lächelte und strich dem silberhaarigen Shinigami vorsichtig eine seiner langen Strähnen aus dem Gesicht. Als sie vor wenigen Minuten aufgewacht war hatte sie kaum glauben können, dass der Bestatter und sie immer noch in ein und derselben Pose wie wenige Stunden zuvor gelegen hatten. Immerhin war es für sie eine Premiere. Bisher hatte der Undertaker das Bett immer schon lange verlassen gehabt, wenn sie aufgewacht war. Eigentlich hatte Carina beim Aufwachen vorgehabt sich wenigstens Unterwäsche anzuziehen, schließlich war sie unter der dünnen Bettdecke immer noch vollkommen nackt. Stattdessen ertappte sie sich dabei wie sie bereits seit 10 Minuten sein schlafendes Gesicht beobachtete. Ein leises Seufzen glitt über ihre Lippen. Irgendwie war ihr seltsam zumute. Ständig kreisten ihre Gedanken um die Situation, in der sie sich befand. Warum konnte sie nicht einfach ein ganz normales Mädchen sein, das mit ihrem Freund im Bett lag? „Nein, ich muss natürlich eine Shinigami sein, die sich in den wahrscheinlich meistgesuchten Deserteur der eigenen Spezies verliebt hat und nicht weiß, wie sie aus dieser prekären Situation wieder rauskommen soll.“ Erschrocken zuckte die 18-Jährige zusammen, als die Standuhr im Flur ertönte. „Was denn, schon 12 Uhr?“, murmelte sie verwundert, drehte ihr Gesicht aber wieder zu dem Silberhaarigen, als dieser sich leicht neben ihr regte. Ein Grinsen huschte über Carinas Lippen. Scheinbar hatte sie sich da jemanden ins Bett geholt, der für’s Aufwachen ein wenig länger brauchte. „Hey, aufwachen, Herr Möchtegern-Direktor“, sagte sie und kniff dem Bestatter neckend in die Nase. Ein Kichern kroch aus seiner Kehle, noch bevor er die schneeweißen Wimpern geöffnet hatte. „Freches Ding“, grinste er, schlug schließlich doch noch die Augen auf und starrte sie an. Sein Grinsen wurde beinahe sofort breiter. „Hmm, was für ein netter Anblick~.“ Carina runzelte die Stirn und folgte dann seinem Blick, der auf ihre unverhüllten Brüste gerichtet war. Gleich darauf entwich ihr ein Schnauben. „Du bist ein Blödmann“, sagte sie auf Deutsch zu ihm, wenn auch mit einer Spur Belustigung in der Stimme. Sie lächelte, als er sie verwirrt anblinzelte. „Schon blöd, wenn man die Sprache nicht versteht, was?“, meinte sie und nun war es der Undertaker, der sie in die Seite kniff. „Hehe, wie ich dich kenne, war es nichts Nettes. Und dabei dachte ich bisher, dass die vier Sprachen, die ich spreche, ausreichen würden.“ Die Blondine blinzelte. „Du sprichst vier Sprachen? Welche denn noch, außer Englisch?“ „Französisch, Spanisch und Latein.“ Nun fühlte sich Carina dumm, sie sprach immerhin gerade mal Zwei. Und Deutsch war nun wirklich keine Sprache, die man im Ausland sprechen musste. „Streber“, murmelte sie und piekste ihm in den Brustkorb. „Na ja, du hattest auch wesentlich mehr Zeit Sprachen zu lernen als ich, alter Mann“, sagte sie frech und handelte sich dafür einen festen Klaps auf den Po ein. „Vorsicht, junge Lady, diese Nacht hattest du mit diesem alten Mann viel Spaß“, entgegnete er rau und verschränkte die Arme nun hinter seinem Kopf. Carina wurde rot, als sie an die vergangene Nacht dachte. Sie hatte tatsächlich jegliche Hemmungen über Bord geworfen. Aber es hatte sich tatsächlich mehr als nur gut angefühlt. „Du könntest es mir beibringen“, unterbrach ihr Gegenüber ihre Gedanken und die Schnitterin schaute ihn verblüfft an. „Deutsch? Du willst es lernen?“ „Es könnte sich bestimmt einmal als nützlich erweisen“, antwortete er, sein Blick wurde leicht trüb bei diesem Satz. Anscheinend dachte er über etwas nach. „Na ja, ich könnte dir die grundlegenden Sachen sagen. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen, vom Unterrichten hab ich nicht den blassesten Schimmer. Aber mal was ganz anderes, musst du nicht irgendwas erledigen? So als Direktor?“ „Schon vergessen? Heute ist Samstag~“, giggelte er. „Ach ja…“ Gott, mittlerweile verstrich die Zeit wirklich rasant schnell. Wenn sie so darüber nachdachte, war sie jetzt schon seit über 3 Wochen hier. Und wenn die Shinigami ehrlich zu sich selbst war, dann machte ihr diese Tatsache weitaus weniger aus, als sie zu Anfang gedacht hatte. Gleichzeitig hatte sie ein furchtbar schlechtes Gewissen gegenüber Alice und Grell. Sie kannte die Beiden inzwischen gut genug um zu wissen, dass sie sich sicherlich große Sorgen um sie machten. Zum wiederholten Male dachte sie an die Zwickmühle, in der sie sich befand. „Wenn ich meine Death Scythe gefunden habe…werde ich dann wirklich einfach so gehen können? Oder besser…werde ich überhaupt gehen wollen?“ „Na, was ist jetzt?“, riss der Totengräber sie zum wiederholten Male aus ihren Gedanken und schaute sie erwartungsvoll an. Seufzend begann sie ihm einige Grundkenntnisse der deutschen Grammatik zu erklären. Bereits nach kurzer Zeit runzelte er verwirrt die Stirn. „Ihr habt drei verschiedene Artikel?“ Carina nickte. „Ja, „der“ für männliche Wörter, „die“ für weibliche und „das“ für sächliche Wörter.“ Das Runzeln vertiefte sich. „Und wie stellt man fest welcher Artikel benutzt wird?“ „Nun ja, wir Deutschen wissen meist intuitiv, welchen wir benutzen müssen. Ich fürchte denjenigen, die Deutsch lernen wollen, bleibt nur das Auswendiglernen.“ Der ehemalige Seelensammler seufzte. „Wie umständlich“, murmelte er, woraufhin die 18-Jährige ihn schadenfroh ansah. „Ich sagte doch, Deutsch ist nicht gerade eine leichte Sprache. Aber tröste dich. Professor Winterbottom kann dir sicherlich ein oder zwei Bücher leihen, worin es um meine Sprache geht.“ „Du könntest mir aber schon mal die wichtigsten Sätze beibringen. Was heißt: „Eine Packung Kekse, bitte“?“ Carina prustete, übersetzte ihm jedoch den Satz. Ebenso erklärte sie ihm die Worte Bitte, Danke, Entschuldigung und natürlich wie man nach dem Weg fragte. Seine Aussprache klang zu Anfang so witzig, dass Carina nicht an sich halten konnte. Tränen traten ihr in die Augen, als sie so heftig zu lachen anfing, dass ihr der Bauch wehtat. „Jetzt weiß ich, wie bescheuert ich mich damals auf der Schule am Anfang in Englisch angehört haben muss.“ Ihr Gegenüber wirkte trotz allem nicht sonderlich beleidigt. Ganz im Gegenteil, er kicherte ebenfalls und wirkte relativ gut gelaunt. Was vielleicht auch daran liegen mochte, dass die junge Frau mittlerweile viel öfter lachte als zuvor. Ca. eine dreiviertel Stunde später schlug Carina die Bettdecke zurück und erhob sich, um sich endlich anzuziehen. Sie konnte immerhin nicht den ganzen Tag im Bett verbringen. Obwohl es mit Cedric an ihrer Seite sicherlich nicht langweilig werden würde. Sobald sie die ersten Schritte in Richtung Schlafzimmertür getan hatte, entfuhr ihr ein leises Zischen. Verdammt, sie hatte ja vorhergesehen, dass sie heute wund sein würde, aber das schmerzhafte Pochen zwischen ihren Beinen war dann doch unangenehmer als erwartet. Dem Undertaker, der sich nun ebenfalls aus dem Bett erhoben hatte, blieb ihre Reaktion natürlich nicht verborgen. Für einen kurzen Augenblick konnte man ihm sein schlechtes Gewissen ansehen. „Entschuldige, ich hätte nicht-“ „Schon in Ordnung“, unterbrach ihn Carina, die im Türrahmen stehen geblieben war. Ein Seufzen entwich ihren Lippen. „Ich hab es ja nicht anders gewollt.“ Fast unmittelbar schmückte seine Miene wieder ein Grinsen. Überlegend legte er sich einen seiner langen Fingernägel ans Kinn. „Stimmt, ich meine mich dunkel an die Worte „Kein Vorspiel“ erinnern zu können.“ Erneut wurden ihre Wangen heiß und mit einem leise gemurmelten „Idiot“ ging sie ins Badezimmer, um sich zu waschen. Um Punkt 13 Uhr verließ sie die Wohnung und begab sich auf die andere Seite des Schulgeländes, um weiter die Gegend zu erkunden. Langsam aber sicher verlor sie immer mehr die Lust an dieser Suche. Es lief doch seit 3 Wochen fast jeden Tag gleich ab. Sie stand auf, suchte ihre Death Scythe, fand sie aber nicht. Dieses Hin und Her konnte doch nicht ewig so weitergehen. „Wenn ich doch nur wenigstens den Mut aufbringen könnte um ihm zu sagen, was ich wirklich denke. Was ich für ihm empfinde“, dachte sie betrübt, während sie von Raum zu Raum schlenderte. Diese Angst vor seiner möglichen Ablehnung machte sie bald wahnsinnig. Dabei würde sie es ihm sagen müssen, früher oder später. Sowieso spätestens dann, wenn sie ihr Katana endlich gefunden hatte. Denn dann hatte die Schnitterin eigentlich keinen Grund mehr weiterhin hier zu bleiben. „Wann bitteschön ist mein Leben so kompliziert geworden?“, murmelte sie und erinnert sich an die Zeit zurück, in der ihr Leben nur aus Schule, Büchern und Mangas bestanden hatte. Wo ihre größten Sorgen darin bestanden hatten, dass sie durch eine Klausur durchfiel oder dass einer ihrer Lieblingscharaktere starb. Mit ihren Gedanken weit weg durchkämmte sie das Internat und schaute schließlich auf die Uhr, als ihr Magen erwartungsvoll knurrte. „Mein Gott, schon 15 Uhr. Zeit mir etwas zu essen zu beschaffen.“ Flink machte sie einen kleinen Abstecher in die Küche und stibitzte sich einen Salat samt Beilagen. Zufrieden kauend machte die Blondine sich weiter auf die Suche, verlor aber bereits nach 1 ½ Stunden die Lust. „Toll und wir haben gerade erst halb 5“, seufzte sie, machte sich allerdings trotzdem auf den Weg zurück zur Wohnung. Es nützte schließlich nichts, wenn sie nur halbherzig weitersuchte. Als die 18-Jährige den Durchgang betrat, der zum größten Gebäude des Colleges führte und indem sich auch die Wohnung des Direktors befand, sah sie schon von weitem eine schwarzgekleidete Gestalt in ihre Richtung kommen. Erst auf den letzten Metern erkannte Carina den Mann wieder. Es war der noch relative junge, schwarzhaarige Professor, den sie vor einigen Tagen auf dem Schulhof neben dem Undertaker hatte stehen sehen und mit dem er sich unterhalten hatte. Erneut überfiel sie dieses seltsame Gefühl, als sie in sein emotionsloses Gesicht schaute. Das Gefühl verstärkte sich, je näher er auf sie zukam. Dann war der Augenblick gekommen, in dem sie aneinander vorbeigingen. „Guten Tag“, grüßte er mit genauso emotionsbefreiter Stimme, wie schon sein Gesicht aussah, und schritt aus ihrem Blickfeld hinaus. Carina blieb wie vom Donner gerührt stehen. Ihr ganzer Körper war mit einem Mal erstarrt und erst nach zwei Sekunden wusste sie auch warum. Er hatte sie gegrüßt. Was bedeutete, dass er sie sehen konnte. Aber er dürfte gar nicht dazu in der Lage sein, sie zu sehen. Ein furchtbarer Verdacht keimte auf einmal in ihr auf. Aber war das möglich? Immerhin wirkte er wie ein normaler Mensch… „Es gibt wohl nur einen Weg um herauszufinden, ob ich Recht habe“, schoss es ihr durch den Kopf und im nächsten Moment drehte sie sich zu dem Mann zurück. „Hey“, rief sie und sorgte somit dafür, dass der Professor sich wieder zu ihr umdrehte. Gleich darauf wich er einen Schritt zurück, war jedoch nicht schnell genug. Carinas Tritt fegte ihm den Doktorhut vom Kopf und entblößte die feine, waagerechtverlaufende Narbe auf seiner Stirn. „Dachte ich es mir doch“, sagte sie und schaute den Schwarzhaarigen mit Abscheu im Blick an. „Du bist eine seiner widerlichen Puppen.“ Ein Knurren entwich den Lippen der Leiche und mit einer schnellen Bewegung sprang er auf sie zu. Die Seelensammlerin wich gekonnt aus und versetzte dem Toten anschließend einen Schlag gegen die Brust. Der ehemalige Professor fiel um wie ein Brett und im nächsten Moment war Carina über ihm. „Ich werde deinem jämmerlichen Dasein ein Ende setzen“, sagte sie und dachte wieder daran, was der Undertaker damals auf der Campania gesagt hatte. Diese Leichen wurden von Seelen angezogen, die sie sich jedoch niemals zu eigen machen konnten. Wie ein Verdurstender, der ein Glas Wasser in Händen hielt, es aber niemals trinken konnte. Was musste dieser Zustand nur für eine Qual sein? Ihr Fuß zielte auf seinen Kopf, um ihn mit einer kräftigen Bewegung zu zerquetschen, doch soweit kam sie nicht. Ein harter Schlag traf sie seitlich ins Gesicht und die schiere Wucht beförderte sie vom Körper des Mannes hinunter. Mit Armen und Knien voran stürzte Carina zu Boden, alle Luft entwich ihrer Lunge. Mehrere Sekunden klingelte es unangenehm laut in ihrem Kopf, währenddessen schaffte sie es gerade mal sich wieder halbwegs aufzurichten. Doch sobald sie auch nur wieder einigermaßen klar im Kopf war, drehte sie sich um und erstarrte gleich darauf. Neben der Leiche stand der Undertaker, seine Augen waren jedoch auf sie gerichtet. Und der Blick, mit dem er sie ansah, versetzte Carinas Herz in rasende Panik. Sie hatte schon viele Leute in ihrem Leben wütend gesehen. Ihre Eltern, ihre Lehrer, Bianca, Leute in Filmen oder ihre Fahrlehrerin, aber das war kein Vergleich zu der Wut, die in seinem Gesicht stand. Es war ein dermaßen gegensätzlicher Ausdruck zu seiner sonstigen Miene, dass der Schnitterin das Blut in den Adern gefror. Sie hatte sich schon einmal gefragt, was wohl passierte, wenn sie ihm in seine Pläne hineinpfuschen würde. Anscheinend war sie gerade dabei es herauszufinden. Aber dennoch… „Er hat mich geschlagen“, schoss es ihr durch den Kopf und mit Entsetzen fasste sie sich an die pochend heiße Wange. Unglaube und Enttäuschung stiegen in ihr auf, dicht gefolgt von Fassungslosigkeit und Wut. Er hatte sie verdammt noch mal geschlagen. Am liebsten hätte Carina ihn angeschrien, doch jegliches Wort steckte in ihrer Kehle fest. Erst, als er seine Augen von ihr abwandte und seiner Kreation zurück auf die Beine half, hatte die Shinigami das Gefühl wieder atmen zu können. Anscheinend hatte die wandelnde Leiche sich wieder beruhigt, denn der emotionslose Ausdruck war auf das männliche Gesicht zurückgekehrt. „Geh wieder deiner Arbeit nach“, befahl der Bestatter und die Puppe nickte mechanisch, bevor sie sich in Bewegung setzte und den Durchgang verließ. Carina bekam Bauchschmerzen vor Nervosität, als sie nun mit ihm alleine war und das zu Recht. Denn im nächsten Moment schlang sich seine linke Hand hart um ihren rechten Unterarm und er zerrte sie wortlos hinter sich her in Richtung Wohnung. Die Blondine fand ihre Stimme augenblicklich wieder. „Lass mich los“, zischte sie und wehrte sich gegen seinen Griff, doch dieser war steinhart. Sie stemmte ihre Füße in den Boden und legte ihr ganzes Gewicht hinein, doch auch das brachte nicht den gewünschten Effekt. Ganz im Gegenteil, seine Hand packte wenn möglich noch härter zu und jetzt zogen sich Schmerzen durch ihren Arm. „Du tust mir weh“, schrie sie ihn von hinten an und bekam es nun wirklich mit der Angst zu tun. Was hatte er vor? Mittlerweile hatte der silberhaarige Shinigami die Wohnungstür erreicht. Er stieß sie mit einer Hand auf und warf Carina nach vorne, sodass sie über die Türschwelle stolperte. Dann ließ er endlich ihren Arm los, dessen Haut sich bereits durch die feste Berührung gerötet hatte. „Sag mal, spinnst du?“, fauchte sie und war kurz davor ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Doch der Schreck saß ihr immer noch in den Gliedern, daher ließ sie ihre Hände wo sie waren. „Ich dachte ich hätte mich zu Anfang klar ausgedrückt“, sagte der Bestatter mit monotoner Stimme, was fast noch schlimmer war, als wenn er sie angeschrien hätte. „Wir hatten einen Deal. Du kommst mir bei meinem Plan nicht in die Quere, gerade was meine Bizarre Dolls anbelangt. Und meine bisher bestentwickelte Puppe zerstören zu wollen ist nicht gerade etwas, was meiner Meinung nach unter diesen Deal fällt.“ „Wie hast du es überhaupt geschafft, dass sie plötzlich so menschlich sind? Na ja, zumindest menschlicher als die Exemplare auf der Campania“, lenkte Carina vom Thema ab und es funktionierte. Natürlich war der Undertaker viel zu stolz auf sein Experiment, als das er sich darüber ausschweigen konnte. „Auch Leichen können sich weiterentwickeln, solange sie nur Episoden haben.“ „Die hast du bereits beim letzten Mal drangehängt und trotzdem-“ „Dieses Mal“, unterbrach er sie, „ist es die Sehnsucht nach einer Zukunft, die sie antreibt. Wenn Menschen sterben, lassen sie ihre Vergangenheit Revue passieren.“ „Ja, das ist der Cinematic Record.“ Er nickte. „Richtig. Gleichzeitig aber sehnen sie sich nach der Zukunft, die sie eigentlich hätten haben können. Auch wenn sie davon nur Fragmente sehen. Diese Fragmente sind die Episoden.“ Carina erinnert sich mit einem Mal an die Sekunden vor ihrem eigenen Tod. Es stimmte, sie hatte an all die Dinge gedacht, die sie in ihrem Leben noch gerne gemacht hätte. „Aber was, wenn man diese Episoden extrahieren könnte? Was, wenn man Zehntausende davon hätte? Was, wenn diese Fragmente aneinandergereiht länger wären als der Cinematic Record dieses Menschen? Dann wäre das, als hätte man eine Vorschau auf seine Zukunft. Meine gefälschten Erinnerungen von der Campania sind nicht zu vergleichen mit diesen zukünftigen Erinnerungen. Und wenn man diese an den Cinematic Record anhängt, dann erhält man eine Leiche, die einem Menschen unendlich ähnlich ist.“ Carina starrte ihn schweigend an, überwältigt von seiner Erklärung. Es klang alles so logisch, wenn er es sagte. Er seufzte. „Bisher ist die Erfolgsquote allerdings ziemlich gering und hängt stark von der Menge und Qualität der Episoden ab.“ Sein Blick wurde wieder eine Spur schärfer. „Daher konnte ich auch nicht zulassen, dass du ihm etwas zuleide tust. Er ist voller Episoden und mein absolutes Meisterwerk. Also…willst du etwa bestreiten, dass du gegen den Deal verstoßen hast?“ Carina sagte nichts, sie war schlicht und ergreifend sprachlos. Er hatte Recht. Natürlich fiel diese Aktion nicht unter seinen verdammten Deal, aber sollte sie deswegen wirklich ein schlechtes Gewissen haben? Nein, denn sie verabscheute diese verfluchten Dolls. Die Blondine verstand es einfach nicht. Wie konnte ein Mann wie der Undertaker so etwas tun? Er war nett, lustig, wenn man ihn näher kannte total liebenswert und vor allem eins – klug. Außergewöhnlich klug. Man musste sich doch nur einmal seine Erklärungen anhören. Es war alles bis ins kleinste Detail durchdacht und trotzdem war bisher kein Shinigami auf solche Gedanken auch nur im entferntesten Sinne gekommen. Wie konnte also ein intelligentes Wesen wie er nur die Idee gut finden an Leichen solche Experimente durchzuführen? Wenn Carina sich vorstellte, dass nach ihrem Tod jemand so etwas mit ihrem Körper getan hätte, dann wurde ihr ganz flau im Magen. Das konnte kein Mensch wollen. Und sie schätzte den Totengräber als jemanden ein, der solche Dinge nicht einfach grundlos tat. „Ich mag ihn lieben und ich würde vermutlich auch vieles für ihn tun, aber das kann ich ihm nicht einfach so…“ Carina unterbrach mit einem Mal ihren eigenen Gedankengang. Was hatte sie da gerade gedacht? Sie würde vieles für ihn tun? Die Erkenntnis durchbohrte sie wie ein Messer. Konnte…konnte es sein, dass… Ihre Hände begannen ein wenig zu zittern und sie ballte sie zu Fäusten, um es zu verbergen. Ihr Herz pochte schmerzhaft gegen ihre Brust. „Wie ist ihr Name?“, flüsterte sie und der Undertaker starrte sie für einen Moment verwirrt an, herausgerissen aus seinem Missfallen über die Situation. „Wie bitte?“, fragte er und runzelte die Stirn. Ihre Augen kreuzten die seinen und mit lauterer Stimme fragte sie: „Wie ist der Name der Frau, für die du das alles machst?“ Es war für sie plötzlich so klar. So glasklar, dass sie sich fragte, wie sie da nicht früher drauf gekommen war. Warum sollte man versuchen Tote zum Leben zu erwecken? Nicht, weil man sie als Tierwaffen missbrauchen wollte. Nicht, weil man herausfinden wollte, was nach dem vorherbestimmten Ende kam. Nein, weil man jemanden zurückholen wollte. Die verdunkelnden Augen des Undertakers machten ihre Erkenntnis nur noch offensichtlicher. Sie war sich mittlerweile sicher, aber ein großer Teil ihrer selbst hoffte dennoch immer noch, dass er es abstreiten würde. Dass er sie fragen würde, was für einen Schwachsinn sie sich denn da zusammenreimen würde. Dass es keine Frau gab, die er so sehr liebte, dass er für sie jegliche Regeln und jeglichen Anstand über Bord warf. Doch als sich sein Mund das nächste Mal öffnete und er ein einzelnes Wort sprach – einen einzelnen Namen – riss er jegliche ihrer Hoffnungen in die gnadenlose Tiefe, wo sie zusammen mit ihrem Herz auf dem Boden zerschellten und in tausend Stücke zersprangen. „Claudia.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)