Zum Inhalt der Seite

Selbstmord ist keine Lösung......oder?

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Abstellkammer

Da Carina den schlechtesten Orientierungssinn aller Zeiten hatte und den direkten Weg nicht kannte, nahm sie einfach genau den Gleichen wie schon zuvor – den indirekten Weg durchs Fenster. „Ich sollte mir das abgewöhnen. So langsam komme ich mir schon vor wie ein Einbrecher“, murmelte sie leise und schloss die Fenstertür langsam hinter sich. Das Schlafzimmer sah noch genauso aus, wie vor wenigen Stunden. Anscheinend hatte der Undertaker es nicht betreten. Zielstrebig steuerte Carina die Tür an, öffnete sie und trat heraus. Dieses Mal ignorierte sie den Eingang zum Badezimmer und ging den schmalen Flur entlang. Zum wiederholten Male fragte sie sich, wer hier wohl gewohnt hatte. Schüler konnten es nicht gewesen sein, im Schlafzimmer stand nur ein Bett. In den anderen Räumlichkeiten, die sie in den letzten Stunden gesehen hatte, waren die Jungen immer mindestens zu dritt auf einem Zimmer gewesen. „Vielleicht ein Lehrer?“, vermutete sie stumm und gelangte zu einer ziemlich breiten Tür. Vorsichtig schob sie sie auf, woraufhin das Holz unter der Bewegung leise knarzte.
 

Der Raum dahinter war unverkennbar ein Arbeitszimmer. 3 der vier Wände wurden von Bücherregalen gesäumt, genau mittig vor dem hinteren Wall stand ein ziemlich großflächiger Schreibtisch samt Stuhl. An der bücherfreien Wand auf der linken Seite hingen – fein säuberlich in einer Reihe – die Sotobas des Undertakers. „Es sind nur 10 Stück. Auf der Campania hatte er elf. Heißt, die eine Sotoba, die sich als seine Sense herausgestellt hat, trägt er bei sich. Also gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hat er nur einen seltsamen Sinn für Dekoration oder er hat sie hier aufgehängt, um statt ihnen meine Death Scythe bei sich zu tragen.“ Keine der zwei Möglichkeiten wollte sie ausschließen. Dass seine Deko ungewöhnlich sein konnte, hatte sie ja schon in seinem Bestattungsunternehmen bemerkt. Immerhin, im Nachhinein machte es deutlich mehr Sinn, dass er seinen Job als Bestatter so meisterhaft ausgeführt hatte. „Wieder ein Punkt auf der Liste, warum ich etwas hätte merken müssen“, murmelte sie und trat in den Raum hinein.
 

Beim Anblick der ganzen Bücher machte ihr Herz einen freudigen Satz. Sie konnte nicht verhindern, dass sich ein verzücktes Lächeln auf ihre Lippen legte. Mit bedächtigen Schritten stellte sich die 18-Jährige direkt vor eines der Regale und strich sanft über mehrere der ledernden Bücherrücken. Als sie eines der Bücher wiedererkannte, griff sie danach und zog es vorsichtig aus dem Regal heraus. Staub wirbelte auf und brannte kurz in ihren Augen. „Stolz und Vorurteil von Jane Austen. Wow, ist sogar eine Erstausgabe“, murmelte sie und blätterte eine der vergilbten Seiten mit Bedacht um. An die Geschichte konnte Carina sich noch gut erinnern, es war ein netter Zeitvertreib gewesen.
 

Die 18-Jährige konnte sich zwar nicht mehr genau daran erinnern, wann es passiert war, aber eigentlich hatten Bücher sie schon immer fasziniert. Die Erwartungen an das Geschriebene, wenn man das Werk zum ersten Mal in der Hand hielt. Das Gefühl unter den Fingern, wenn man Seite um Seite umblätterte. Die Freude und gleichzeitige Enttäuschung, wenn man die letzte Seite einer Geschichte gelesen hatte. Ja, nichts war besser als ein gutes Buch.
 

„Du magst Bücher?“, erklang hinter ihr plötzlich und unerwartet die Stimme des Undertakers, was die Shinigami erschrocken zusammenzucken ließ. Sie hatte nicht einmal gehört, wie er herein gekommen war. „Nein“, seufzte sie und klappte das Buch zu. „Ich liebe sie.“ Behutsam stellte sie das Werk an seinen ursprünglichen Platz zurück und drehte sich dann zu dem Shinigami um. Gleich darauf wurden ihre Augen eine Spur größer. Der Silberhaarige hatte nicht mehr die Kleidung an, die er üblicherweise trug. Jetzt war er eher gekleidet wie ein englischer Gentleman. Seinen Oberkörper bedeckten ein weißes Hemd, eine schwarze Anzugsweste und eine ebenfalls schwarze Krawatte. Abgerundet wurde das Bild durch eine schwarze Anzugshose und –schuhe. Anscheinend hatte er bis gerade eben auch ein Jackett und einen Zylinder getragen, denn diese Kleidungsstücke lagen nun auf dem Schreibtisch.
 

Carinas Mund war mit einem Mal furchtbar trocken.
 

Die Augen des ehemaligen Seelensammlers huschten kurz, aber dafür intensiv über ihr Erscheinungsbild. Das Kleid stand ihr. „Das Kleid steht dir gut“, sagte er nun auch laut. Die 18-Jährige wirkte zuerst verblüfft und dann auf eine seltsame Art verlegen. Was sollte sie darauf jetzt antworten? Danke? Carina hatte noch nie gut mit Komplimenten umgehen können. Nie wusste sie, ob ihr Gegenüber es wirklich ernst meinte oder sie lediglich ein wenig verspotten wollte. Vermutlich lag das vorrangig daran, dass sie nie wirklich richtige Komplimente bekommen hatte. „Was ist das hier für eine Wohnung?“, wechselte sie schnell das Thema und bekam auch sogleich eine Antwort. „Das hier ist das Reich des Direktors. Nett, nicht?“ „Ich nehme an, dass der werte Herr Direktor nicht mehr unter uns weilt?“, seufzte Carina ein wenig genervt, wurde gleich darauf aber eines besseren belehrt. „Oh doch, doch. Er lebt noch. Der Direktor hat sich vor ein paar Wochen auf eine Weltreise begeben und wird erst im Herbst nächsten Jahres zurückerwartet. Und da dachte ich mir, bis er zurück ist übernehme ich seinen Job.“ „Du? Als Direktor?“, fragte die Shinigami zweifelnd, während ihre rechte Augenbraue immer höher wanderte. Das erklärte zumindest seine Kleidung. Und es machte seine Tarnung in ihren Augen noch perfekter. Der Earl und Sebastian würden da sicherlich nicht drauf kommen.
 

„Uuuuuuund? Wie lief deine Suche so bisher?“, fragte der Undertaker plötzlich unschuldig, aber mit einer Spur Schadenfreude in der Stimme. Carina schluckte, um ihre Kehle zu befeuchten. Dann versuchte sie die Wut in ihrem Bauch zu zügeln. „Bisher erfolglos, wie du dir ganz sicher bereits gedacht hast“, fauchte sie. Ein breites Grinsen flog ihr entgegen, woraufhin ihre rechte Augenbraue gefährlich in die Höhe zuckte. Wollte dieser Mistkerl sie eigentlich verarschen? „Jetzt muss ich mir irgendwas einfallen lassen, wie ich überprüfen kann, ob er meine Death Scythe tatsächlich bei sich trägt. Aber wie stelle ich das an?“ „Soll ich dir einen Tipp geben?“, sagte er auf einmal, was Carina stutzen ließ. Er wollte ihr helfen? Nein, da musste irgendetwas faul dran sein. Misstrauisch beäugte sie ihn. „Zu welchem Preis?“, fragte sie und der Undertaker klatschte erfreut in die Hände. „Du kennst die Antwort.“ „Das ist jetzt nicht dein Ernst“, stöhnte sie und schlug sich die Hand gegen die Stirn. Gott, damals schon hatte sie es nicht geschafft, ihn durch einen Witz zum Lachen zu bringen und jetzt hatte sie nicht einmal ein Skelett zur Hand, über das sie stolpern konnte. „Aber Moment mal“, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. „Das könnte mein Problem doch lösen.“ Der Plan gefiel ihr so gut, dass sie ein Grinsen nicht zurückhalten konnte. Der Undertaker, dem das nicht entging, wirkte mit einem Mal sehr verunsichert. Was heckte das junge Ding jetzt schon wieder aus?
 

„Ich soll dich also zum Lachen bringen. Richtig?“, fragte sie ganz unschuldig nach und trat langsam einen Schritt auf den Bestatter zu. Dieser war sich seiner Sache plötzlich nicht mehr allzu sicher, ließ sich allerdings nichts anmerken. „Hehe, wenn du das schaffst, gebe ich dir einen Tipp. Versprochen“, meinte er und bemerkte erst jetzt, dass die Blondine mittlerweile genau vor ihm stand. Automatisch – und hey, er war auch nur ein Mann – glitt sein Blick zu dem Rundhalsausschnitt des Kleides. Carinas Grinsen wurde eine Spur breiter. „Er will lachen? Das kann er haben.“ Und während der Silberhaarige für einen kurzen Moment abgelenkt war, schnellten ihre Hände nach vorne und umfassten seine Seiten. Während der Blick des Undertakers nun blitzschnell in ihr grinsendes Gesicht zurückkehrte, begann sie bereits die Finger zu bewegen und die Reaktion folgte auf dem Fuße. Zuerst entfuhr ihm lediglich ein überraschter Laut, doch eine Sekunde später krümmte sich sein Körper bereits vorn über. Er versuchte automatisch ihren Berührungen zu entgehen, doch Carinas Hände waren flink und fanden ständig einen neuen empfindlichen Punkt. Dann brach das erste Gelächter aus ihm heraus, doch Carina war dennoch noch nicht fertig. „Man sollte immer vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht“, rief sie über seinen Lachanfall hinweg und verstärkte ihre Kitzelattacke nun auch noch. Mittlerweile liefen dem ehemaligen Sensenmann die Tränen über die Wangen und vor lauter Anstrengung ging er bereits in die Knie.
 

„Perfekt“, schoss es ihr durch den Kopf und mit Bedacht tasteten ihre Finger seinen kompletten Oberkörper ab. Verflucht, sie spürte überhaupt nichts. „Na ja, außer seinen stahlharten Muskeln und der Tatsache, dass ich schon wieder rot werde.“ „Stopp! Das…ist genug“, japste der Silberhaarige unter ihr und seufzend ließ sie von ihm ab. Wenn er ihre Death Scythe bei sich trug, dann war sie anscheinend zu blöd um sie zu finden. „Und seine Hose taste ich ganz bestimmt nicht ab.“
 

Der Undertaker erhob sich, hielt sich dabei aber immer noch keuchend den Bauch. „Okay“, atmete er schwer und kicherte amüsiert. „Hehe, ich gebe zu, auf diese Idee ist noch niemand gekommen.“ „Ich bin ja auch nicht niemand. Also? Wie lautet der Tipp?“ Eines seiner gelbgrünen Augen blitze auf, als er sich seinen Pony wieder ein wenig weiter aus dem Gesicht schob. „Ich versichere dir“, begann er und grinste nun wieder sein spitzbübisches Lächeln, „dass ich dein Schwert nicht bei mir trage.“ Carina blinzelte. Was hatte er da gerade gesagt? Verdammt, hatte er etwa… Sein schelmisches Grinsen wurde noch um eine Spur breiter, als er sich vorbeugte und sein Gesicht nun genau über ihrem schwebte. „Glaubst du etwa, ich habe nicht mitbekommen, was du da gerade gemacht hast?“ Carinas Gesicht nahm die Farbe ihres Kleides an. Er hatte sie komplett durchschaut.
 

Rasch wandte sie den Blick von seinem Gesicht ab und entgegnete murmelnd, aber auch ein wenig beschämt: „Ein Versuch war es wert.“ Mürrisch schaute sie ihn nun doch wieder aus den Augenwinkeln an. Er wirkte mehr als nur amüsiert. „Außerdem weiß ich jetzt zumindest, dass du mich nicht grundlos durch die Schule rennen lässt.“ Und schon wieder zog der Undertaker eine Unschuldsmiene. „Hehe, traust du mir so etwas wirklich zu?“ „Ja“, kam es deutlich und wie aus der Pistole geschossen aus dem Mund der Blondine. Missmutig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Gott, wie sollte sie ihre Death Scythe nur jemals finden?
 

„Du siehst aus, als könntest du auch ein paar gute Lacher vertragen“, ertönte neben ihr die Stimme des Totengräbers und eine ungute Vorahnung ließ Carina herumfahren. Gerade noch so stolperte sie einen riesigen Schritt nach hinten und entging somit nur knapp den filigranen Händen des Silberhaarigen. „Oh nein“, sagte sie und hob warnend einen Finger. Ihr Gesichtsausdruck ähnelte nun am ehesten dem eines Tieres auf der Flucht. „Wag dich das ja nicht.“ Doch als sie seinen belustigten Blick sah und sein unheilverkündendes Kichern hörte, wusste Carina, dass es für jegliche Warnungen bereits zu spät war. Sie hatte dieses Spiel begonnen, der Undertaker wollte nun auch mitspielen. Mit einem Geräusch, das irgendwo zwischen einem Japsen und einem Quietschen lag, wirbelte sie herum und rannte zur Tür, den Bestatter dicht hinter sich.
 

„Nein. Bleib weg“, rief sie und flitzte durch den Flur, dicht gefolgt von der Eingangstür. „Na sieh mal einer an. Du kannst ja doch ganz schön flink sein“, lachte der Mann hinter ihr und beschleunigte seine Schritte. Der nächste Flur führte in ein riesiges Treppenhaus, wo die Treppen der 4 Stockwerke sich wendelartig nach unten schlängelten. Ein verschmitztes Grinsen legte sich auf ihr Gesicht. „Nehme ich eben eine Abkürzung.“ Mit einem Satz landete sie auf dem Geländer und stieß sich gleich darauf kraftvoll ab. Kurz erfasste sie in ihrer Magengegend das Gefühl was man hatte, wenn ein Aufzug sich ruckartig nach unten in Bewegung setzte. Doch sie hatte schon längst keine Angst mehr vor Höhen. Ihre Hände fuhren zu dem Saum ihres Kleides und sorgten dafür, dass es an Ort und Stelle blieb. Gedanklich bereitete sich auf den Aufprall vor und landete keine 10 Sekunden später zielstrebig auf ihren Füßen. Am Anfang ihrer Ausbildung wäre so ein Manöver noch undenkbar gewesen. Das Lachen des Undertakers schallte über ihr durch das gesamte Treppenhaus. Er schien wirklich Spaß an diesem Katz- und Mausspiel zu haben. Hastig rannte Carina weiter. Sie hatte zwar selbst keine Ahnung wohin, aber es gab genug Kurven, Abbiegungen, enge Gänge und Treppen, die sie nehmen konnte. Nach ca. 15 Minuten, in denen sie wirklich ohne Pause durch das riesige Gebäude gerannt war, hielt sie das erste Mal an und atmete tief durch. „Mein Gott, ich muss dringend an meiner Kondition arbeiten“, dachte sie sich, gleich darauf knurrte ihr der Magen. „Stimmt, ich hab ja auch eine halbe Ewigkeit nichts mehr gegessen“, murmelte sie, während ihr Blick auf eine ziemlich abgelegene Tür fiel. Vorsichtig sah sie sich auf dem leeren Gang um. Scheinbar schienen momentan alle Schüler Unterricht zu haben und anhand der Stille nahm die Blondine an, dass sie es tatsächlich geschafft hatte den Bestatter abzuhängen.
 

Auf leisen Sohlen schlich sie zur Tür und öffnete sie. Scheinbar handelte es sich hier um eine ziemlich kleine und dunkle Abstellkammer, denn es stand alles Mögliche darin. Ein Besen, Eimer in allen erdenklichen Größen und Farben, ein Wischmopp und noch viele andere Dinge, die Carina in der Dunkelheit des Raumes allerdings nicht erkennen konnte. Fast lautlos schloss sie die Tür hinter sich und seufzte einmal in die Stille der kleinen Kammer hinein. Erst einmal würde sie ein paar Minuten hier drin bleiben und sich einen Plan zurechtlegen, wie sie denn ihre Suche strukturieren würde. Anschließend konnte sie sich immer noch etwas zu Essen organisieren. Und so viel stand fest, in dieser kleinen Abstellkammer würde der Undertaker sie ganz bestimmt nicht…
 

Carina erlitt beinahe einen Herzinfarkt, als aus heiterem Himmel zwei Arme aus der Dunkelheit heraus schossen und sich von hinten um ihre Hüfte schlossen. Ein erschrockener Schrei, viel höher als normalerweise, entfuhr ihr und vollkommen geschockt starrte sie in das breit grinsende Gesicht des Undertakers. „Aber…aber das kann nicht sein“, ging es ihr fassungslos durch den Kopf, während sie ihn wie betäubt anstarrte. Ernsthaft, wie zum Teufel hatte er vor ihr hier sein können? „Hab dich~~~“, flötete er ihr ins Gesicht und bevor sie auch nur ein weiteres Wort, geschweige denn eine Frage formulieren konnte, stürzten sich nun seine Finger auf die empfindlichen Punkte an ihren Seiten. Die 18-Jährige zeigte in etwa dieselbe Reaktion wie ihr Gegenüber zuvor. Ihr Oberkörper krümmte sich nach vorne, hastig versuchte sie seine Hände von sich wegzuziehen, jedoch vergeblich. Carina konnte nicht verhindern, dass sie in lautes Gelächter ausbrach. Wie lange war es schon her, dass sie so herzhaft gelacht hatte? Sie konnte sich nicht erinnern. Das hier war irgendwie…befreiend. Schön. Richtig. Dadurch, dass sie sich so weit nach vorne gebeugt hatte, bemerkte sie gar nicht das ehrliche Lächeln auf den Lippen des Shinigami. Er hatte ja schon immer gesagt, dass es traurig wäre, wenn es kein Gelächter mehr geben würde. Und er mochte ihr Lachen.
 

„B-bitte…ich…kann nicht mehr“, keuchte sie schwer, denn der Undertaker schien noch lange nicht die Absicht zu haben sie loszulassen. Mittlerweile hatte sie Seitenstiche, ihr Zwerchfell schmerzte von der ganzen Lacherei und der wenigen Luft, die sie bekam. Die junge Frau sackte erschöpft gegen die Tür der Abstellkammer zurück und dann endlich, endlich ließ er von ihr ab. Ihre Lungen brannten und sie spürte, wie rot sie von der Anstrengung im Gesicht geworden war. „Hehehe. Nicht so angenehm, was?“, kicherte der Silberhaarige vergnügt, der sich mit seinem rechten Arm ebenfalls an der Tür abstützte und so auf sein Kitzelopfer hinunter blicken konnte. Carina warf ihm daraufhin einen gespielt bösen Blick zu. „Ich hab aber nicht darum gebeten“, atmete sie immer noch ein wenig schwer und schaute zu ihrem Gegenüber auf. Seine silbernen Haare fielen ihm größtenteils über die Schultern. Die Narbe in seinem Gesicht war ihr noch nie so reizvoll vorgekommen. Erst jetzt fiel Carina auf, dass der erste Knopf seines Hemdes geöffnet war und so einen Blick auf eine weitere Narbe am Ansatz seiner Brust preis gab. Seine phosphoreszierenden gelbgrünen Augen leuchteten ihr in der Dunkelheit entgegen, wodurch ihr Herz einen Schlag übersprang.
 

Gott, wie konnte ein Mann allein nur so attraktiv sein?
 

„Es sollte verboten sein, so gut auszusehen“, dachte Carina, als sie ganz plötzlich wieder diese Stimmung zwischen ihnen spürte. Es als Knistern zu bezeichnen wäre viel zu kitschig und noch dazu die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Da war diese…diese Nähe zwischen ihnen, die sie immer noch nicht in Worte fassen konnte. Und apropos Nähe…
 

Der Bestatter war ihr wieder einmal deutlich näher, als es für zwei Personen normal bzw. unbedenklich war. Und sie waren in einer dunklen Abstellkammer. Ganz allein.
 

Wie schaffte sie es nur immer, in solche Situationen zu geraten?
 

Als der Totengräber sich tiefer zu ihr runterbeugte und sein Atem mittlerweile über ihre Lippen strich, bewegte sich Carina um keinen Millimeter. Vermutlich hatte sie sogar ohne es zu bemerken das Atmen eingestellt. Sie erinnerte sich mit einer schier unglaublichen Intensität an das Gefühl von seinem Mund auf ihrem, an die Wärme und die unerwartete Geborgenheit. Und plötzlich sehnte sie sich nach diesem Gefühl. Sie wollte, dass er sich endlich noch ein Stück weiter vorbeugte und sie erneut küsste. Ihr Herz flatterte vor Aufregung. Ihre Augen – die übrigens ebenfalls in der Dunkelheit leuchteten – brannten sich in Seine. Und dann war es innerhalb eines Augenaufschlags plötzlich vorbei. Carina starrte den Undertaker verwirrt an, denn dieser hatte wenige Millimeter vor ihrem Gesicht inne gehalten und einfach angefangen zu lachen. Für einen Moment war die junge Frau komplett neben der Spur. Was… Hatte sie etwas nicht mitbekommen oder warum lachte er jetzt?
 

„Wie war das noch?“, murmelte er leise und schon wieder wehte ein Luftzug über ihre Lippen. „Mr. Ich-bin-attraktiv-und-schrecke-vor-nichts-zurück kann seinen Mund nicht bei sich behalten? Hehe… Ich beweise dir gerne das Gegenteil.“ Die Shinigami hielt automatisch die Luft an, als er sich nun an ihrem Gesicht vorbei beugte und sein Mund an ihrem rechten Ohr zum Liegen kam. „Wenn du einen Kuss möchtest, dann hol ihn dir!“
 

Carina konnte seit einiger Zeit guten Gewissens von sich selbst behaupten, dass sie relativ schlagfertig war. Aber zu diesen Worten fiel selbst ihr keine passende Antwort ein. Mit einem zufriedenen Grinsen lehnte sich der Undertaker wieder zurück und griff an ihr vorbei nach dem Türknauf. Dann ließ er sie in der Dunkelheit der Abstellkammer zurück, das Zufallen der Tür hörte sich in den Ohren der Seelensammlerin wie ein Schlag ins Gesicht an. Fassungslos schloss sie ihre Augen. „Nein, ich bin nicht in ihn verknallt. Nein, auf gar keinen Fall.“
 

Aber sie war ihm restlos verfallen.
 

Und das war in diesem Fall wahrscheinlich noch schlimmer.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück