Selbstmord ist keine Lösung......oder? von LadyShihoin ================================================================================ Kapitel 24: Die Enthüllung -------------------------- „Verdammt, habt ihr Beiden etwa gewusst, dass Sebas-chan hier ist? Warum habt ihr mir das denn nicht gleich gesagt? Dann hätte ich mich wenigstens noch sorgfältig schminken können.“ „Genau das haben wir ja befürchtet, also haben Carina und ich es dir lieber nicht gesagt“, sagte Ronald mit einem einfachen Schulterzucken, was Grell beinahe sofort an die Decke gehen ließ. „Ihr elenden…“, begann er, unterbrach sich jedoch gleich darauf selbst. Hinter seinem Rücken hatten Sebastian und Ciel nämlich gerade versucht sich unauffällig aus dem Staub zu machen. Carina konnte es ihnen nicht einmal verübeln. „Moment mal“, rief Grell und war innerhalb eines Augenaufschlags wieder vor den Beiden, seine Death Scythe über dem Kopf erhoben und bereit zum Zuschlagen. „Hiergeblieben“, meckerte er und die Kettensäge fuhr mit einem lauten Surren herab. Sebastian packte die beiden Kinder und brachte sich mit einem geübten Sprung in Sicherheit. Grell grinste. „Erst machst du mich so an, dass ich in Flammen stehe und dann lässt du mich einfach links liegen? Mistkerl.“ „Dass Ihr Feuer gefangen habt, ist ohne mein Zutun geschehen. Würdet Ihr jetzt also bitte den Weg frei machen, wir haben es eilig“, entgegnete Sebastian sichtlich genervt, was jedoch keinen im Raum großartig beeindruckte. „Und wenn ich nein sage?“, fragte Grell, seine Stimme nahm nun einen zuckersüßen Ton an. „Wendest du dann Gewalt an? Auch gut. Ich stehe auf brutale Kerle. Und ein schönes, heißes Liebesgemetzel ist sogar noch besser als eine Romanze.“ „Also manchmal ist er echt unmöglich“, dachte Carina kopfschüttelnd, während Elisabeth ein verängstigtes „Wer ist das?“ von sich gab. „Nur ein Perverser. Aber er ist ansteckend, also kommt Ihm lieber nicht zu nahe und bleibt schön in Deckung“, antwortete der Butler und stellte sich schützend vor die Verlobte seines Herrn. Im nächsten Moment stürzte Grell nach vorne. „Dann wollen wir mal. Und vergiss nicht, ich lasse nur meinen Gefühlen freien Lauf“, rief er und der Schlagabtausch begann. Carina fand es immer wieder faszinierend, was für gute Reflexe der Rothaarige an den Tag legte. Denn rein äußerlich betrachtet, traute man ihm dies gar nicht zu. Als Sebastian ein weiteres Mal der Säge auswich, bohrte sich diese mit Leichtigkeit in die Wand. „Verflucht“, rief Carina, als mit einem Mal eine große Menge Wasser in den Raum eindrang und alle Anwesenden vollkommen durchnässte. Ciel hielt seine Verlobte im Arm, doch der Wasserdruck war für seinen kleinen Körper einfach zu stark. „Junger Herr“, schrie Sebastian und stürmte in dessen Richtung. Jedoch hatte er nicht mit Ronald gerechnet. Der junge Shinigami warf sich erneut samt Rasenmäher auf den Dämon, wodurch dieser dazu gezwungen war ihn erneut abzuwehren. „Ich bin auch noch da, schon vergessen?“, sagte Ronald und leckte sich das Wasser provokant von den Lippen. Die Augen des Butlers glühten vor Zorn rot auf, setzte er hiermit doch die Sicherheit seines Herrn und Meisters aufs Spiel. Ciel war inzwischen zu Boden gegangen und hustete sich die Seele aus dem Leib. Die Kälte schien ihm nicht sonderlich zu bekommen. Doch als er aufsah, wurde er erst richtig bleich. „Lizzy“, schrie er und Carina drehte sich um. Das blonde Mädchen lag ein Stück abseits im Wasser, doch das war nicht der Grund von Ciels panischem Ausruf. Nein, der Grund waren die Leichen, die sich langsam auf seine Verlobte zu bewegten und ihre vermoderten Hände nach ihr ausstreckten. Der kleine Earl versuchte sich aufzurichten, zuckte jedoch gleich darauf schmerzhaft zusammen. „Er hat sich am Bein verletzt“, dachte Carina und besah sich weiterhin die Situation. Sie hatte nichts gegen das Mädchen, aber als Shinigami dürfte sie sich nicht einmischen. Außerdem wusste Carina, dass Elizabeth Midford nicht auf der Liste stand. „Vermutlich wird Sebastian sie irgendwie retten“, vermutete sie stumm. Doch zuweilen sah es nicht danach aus. Er war immer noch mit Ronald beschäftigt. „Lizzy. Steh auf. Lizzy“, rief Ciel und Angesprochene kam langsam wieder zu sich. Voller Entsetzen starrte sie die wandelnden Toten an, die blanke Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Verdammt“ zischte der Junge und erhob seine Pistole. Einige der Leichen wurden in den Kopf getroffen und sackten zu Boden. Doch es waren zu wenig Kugeln und zu viele Gegner. „Nein, die Kugeln sind alle“ erschrak Ciel, als die Pistole plötzlich nur noch klickte. Diesen Moment wählte Sebastian, um sich von Ronald loszureißen. Doch sowohl der Frackträger als auch die Shinigami sahen, dass er es niemals schaffen würde das Mädchen rechtzeitig zu erreichen. Elizabeths Blick fiel auf Ciel und plötzlich verformten sich ihre zitternden Lippen zu einem Lächeln. „Ich…hätte mich dir so gerne bis zuletzt von meiner lieblichen Seite gezeigt, Ciel“, wisperte sie und Angesprochener streckte panisch seine Hand nach ihr aus. „Vielleicht liebt er sie ja wirklich“, dachte Carina, während der 13-Jährige erneut nach seiner Verlobten schrie. Und dann passierte in weniger als einer Sekunde das Unfassbare. Etwas, womit niemand im Raum gerechnet hatte. Nach Ciels Gesichtsausdruck zu schließen, er am allerwenigsten. Elizabeth richtete sich in einer fließenden Bewegung auf, drehte sich herum und rammte – als würde sie es jeden Tag tun – der ersten Leiche vor ihr einem Degen mitten durch den Schädel. Für einen Moment blieb Carina der Mund offen stehen. Das blonde Mädchen wirbelte mit ihrem Degen hin und her, die Toten fielen nach und nach zu Boden. „Ihre Technik und Reflexe sind unglaublich. Als hätte sie nie etwas anderes gemacht“, dachte Carina und schaute der Fechterin dabei zu, wie sie nun auch noch zwei Leichen beseitigte, die hinter ihrem Verlobten gelauert hatten. Selbst das Kämpfen mit zwei Degen schien ihr nicht besonders schwer zu fallen. „Ich habe mir geschworen, dir diese dunkle, harte Seite von mir niemals zu zeigen. Aber jetzt ist es an mir, dich zu beschützen, Ciel.“ Sie wandte ihr Gesicht den restlichen Toten zu, ihre beiden Waffen schützend vor sich gehalten. „Ich bin die Tochter von Marquis Alexis Leon Midford, dem Anführer der englischen Ritterschaft. Ich bin Elizabeth, die Verlobte des Wachhundes der Königin!“ Die 18-Jährige konnte nicht verhindern, dass Bewunderung in ihr aufstieg. Dieses Mädchen war unglaublich, etwas Besonderes. „Wäre Sie doch nur in meiner Zeit geboren und müsste sich nicht den schrecklichen Begebenheiten dieses Jahrhunderts anpassen. Sie könnte so viel erreichen“, schoss es ihr durch den Kopf. Wie viele Frauen musste es geben, die ihre Talente unterdrücken mussten? Einfach, weil es sich für sie nicht gehörte? Während die Shinigami ihren Gedanken nachgehangen hatte, hatte Elizabeth nun auch die letzten Leichen beseitigt. Ihr Blick fiel als nächstes auf Grell und Carina bewegte sich instinktiv. Ihr Katana schlug mit dem Degen des Mädchens zusammen und brachte sie somit kurz vor Grell zum Stillstand. Elizabeths marineblaue Augen weiteten sich erschrocken und Carina lächelte. Mühelos hielt sie dem Druck der Klinge stand. „Na, was wirst du jetzt machen, Verlobte des Wachhundes der Königin?“, fragte sie, woraufhin Angesprochene sie entschlossen anfunkelte. Grell, der immer noch hinter Carina stand, grinste. Irgendwie erinnerte ihn dieses Kind doch schwer an seine Schülerin. Hatte diese ihn doch auch damals so angefunkelt, als er über ihren Berufswunsch gelacht hatte. Im nächsten Moment wich Carina zwei Schritte zurück, denn Sebastian hatte sich zwischen die beiden Kämpferinnen gestellt. Während er sich bei Elizabeth dafür entschuldigte, dass sie sich selbst hatte verteidigen müssen, kehrte Carina zu ihren beiden Mitstreitern zurück. „Du bist schneller geworden“, murmelte Grell zufrieden. Die Blondine zwinkerte ihm kurz zu, drehte sich dann aber wieder zu Sebastian um. Der Butler hatte seine Aufmerksamkeit nun auf die Todesgötter gerichtet. „Überlasst mir alles weitere, Mylady“, sagte er und zupfte sich einen seiner weißen Handschuhe zurecht. „Maaann! Musst du mir gleich zu Beginn schon den Spaß verderben?“, maulte Grell und zückte erneut seine Death Scythe. „Na, was solls. Dann kämpfen wir eben weiter.“ Gerade als der Dämon sich auf den Rothaarigen stürzen wollte, hielt Ciel ihn zurück. „Warte Sebastian. Wir haben jetzt keine Zeit, uns um die Shinigami zu kümmern. Diesmal ist Ryan die Schlüsselfigur, nur er kann diese Leichen stoppen. Wir müssen ihm nach.“ „Häää? Was sagst du da? Du meinst, wenn wir diesen Ryan ausquetschen, erfahren wir etwas über diese wandelnden Leichen?“, fragte Grell. „Wäre keine schlechte Idee“, warf Carina ein, denn das war immerhin der Hauptgrund, warum sie überhaupt hier waren. „Seht mal, werte Kollegen“, meinte Ronald in diesem Moment und hielt Angesprochenen sein Buch unter die Nase. „Verdammt“, fluchte Carina innerlich, als sie erkannte worauf Ronald hinauswollte. Dieser Ryan stand auf ihrer Liste und er schien kein geringerer zu sein als dieser Arzt, der vorhin die erste Leiche hatte „auferstehen“ lassen. Wenn sie ihn ausquetschen wollten, dann mussten sie sich beeilen. „Verstehe“, murmelte Grell leise und warf den beiden Jüngeren einen kurzen Blick zu. „Dann haben wir wohl tatsächlich keine Zeit zu verlieren.“ Mit einer geübten Bewegung sprangen die drei Shinigami wieder durch das Loch und landeten ein Stockwerk höher. „Was für ein Jammer. Wie’s scheint, müssen wir das hier ein andermal fortsetzen, Sebas-chan“, rief Grell, zwinkerte dem Butler zu und formte gleichzeitig einen Kussmund. „Aber nächstes Mal werde ich dich von Kopf bis Fuß in Rosenrot hüllen, das verspreche ich dir. Also bis dann, Süßer.“ Während Carina in lautes Prusten ausbrach, sah Ronald eher so aus, als müsste er sich jeden Moment übergeben. „Ehrlich, was ist bei ihm nur schief gelaufen?“, murmelte er vor sich hin. „Tze, du solltest mal ein wenig mehr Toleranz zeigen. In einem Jahrhundert wird so was normal sein“, entgegnete Carina. Ronald schaute sie fragend an. „Ach ja, und woher willst du das wissen?“ Erst jetzt bemerkte die Blondine, was sie da eigentlich gerade gesagt hatte. „D…d-das denke ich jedenfalls. Die Gesellschaft entwickelt sich doch bestimmt irgendwann weiter, oder nicht?“ Ronald zuckte die Schultern. „Kann sein. Aber hoffentlich dauert das noch, stell dir mal vor von Grell gäbe es mehrere Ausgaben. Gruselig.“ Carina atmete unbemerkt auf. Das war knapp gewesen. Sie musste mit solchen Aussagen vorsichtiger sein. „Hey, hört auf zu trödeln ihr Beiden. Wir haben nicht mehr viel Zeit diesen Ryan zu finden, schon vergessen?“, rief Grell von vorne, woraufhin die beiden Angesprochenen ihre Schritte beschleunigten. „Ja, aber wo sollen wir mit suchen anfangen? Das Schiff ist riesig, er könnte überall sein“, entgegnete Ronald. Carina schlug ihre Liste auf und besah sich ein weiteres Mal die Seite von Ryan Stoker. „Er stirbt in der Lounge der 1. Klasse. Vielleicht sollten wir da mit unserer Suche beginnen, er könnte sich in der Nähe befinden.“ „Gute Idee“, sagte Grell und die Drei machten sich auf den Weg. Schnell, wie sie nun einmal waren, hatten sie den gewünschten Ort in weniger als 10 Minuten erreicht. Und das Glück schien ihnen dieses Mal hold zu sein. Auf dem oberen Stockwerk der Lounge entdeckten sie Ryan. „Puh, wenigstens das hat heute funktioniert“, murmelte Carina, als das Schiff erneut ordentlich wackelte und nun sogar in eine Schieflage kippte. Keinen Zweifel, das Schiff würde in naher Zukunft sinken. Der Arzt konnte sich nicht mehr halten und rutschte über das obere Geländer. Doch Grell reagierte rechtzeitig. Mit einem Satz war er beim Geländer, packte den Braunhaarigen am Bein und hinderte ihn somit daran in die Tiefe zu stürzen. „Hui, was haben wir denn da für ein Sahneschnittchen? Ich hab diiich.“ „Wahrscheinlich heitert ihn das nicht sonderlich auf“, dachte Carina mit einer Spur von Sarkasmus, denn sicherlich war Grell manchmal schlimmer als der Tod. „Du bist Ryan, stimmt’s?“, fragte Grell nun, das Ganze amüsierte ihn sichtlich. Der Mann, der übrigens immer noch Kopfüber hing, starrte den Rothaarigen entsetzt an. „Wo…Woher wissen Sie, wie ich…?“ „Genug! Sparen wir uns die Formalitäten. Sie sind also derjenige, der diese Leichen mit Hilfe eines Tricks umherwandern lässt“, unterbrach Ronald ihn und lehnte sich zu Grells Missfallen gegen den Rothaarigen, um ebenfalls auf Ryan hinunter zu sehen. Carina begab sich nun an Grells andere Seite. „Ja, den habe ich auf dieser seltsamen Versammlung gesehen. Definitiv steckt er dahinter. Halt ihn ruhig noch ein wenig länger so Grell, spätestens wenn das ganze Blut in seinen Kopf geschossen ist, wird er den Mund aufmachen.“ Grell grinste, hörte sich das doch nach einer verdammt lustigen Idee an. Ronald jedoch sprach weiter. „Wissen Sie, so was Irreguläres geht ja gar nicht, oder?“ Carina und Grell warfen ihrem Kollegen einen kurzen Blick zu, dieser lächelte nun. „Sehr richtig. Denn der Tod ist in dieser Welt eine absolut unumstößliche Regel.“ „Wo er recht hat…“, dachte die 18-Jährige, während Grell anscheinend nun die Geduld ausging. „Und?“, fragte er, seine Augen verengten sich leicht. „Wie kann man diese Leichen aufhalten?“ Ryan schien es nicht eine Minute in den Sinn zu kommen, diese Frage nicht zu beantworten. „In…in meiner Kabine steht ein Apparat, mit dem man die vollkommene Erlösung abschalten kann.“ „Oh man, geht das wieder los. Sie Trottel, es gibt keine vollkommene Erlösung“, erwiderte Carina, nun ebenfalls sichtlich genervt. Grell zog den Mann in eine aufrechte Position. „Nun schön, bring uns in deine Kabine. Und zwar etwas flott, eine Dame lässt man nicht warten.“ 5 Minuten später standen sie in einer der luxuriösen Kabinen der 1. Klasse. „Und?“, fragte Grell, während er gleichzeitig mit einer seiner langen Haarsträhnen spielte. „Wo ist dieser Apparat nun?“ Ryan wirkte mit einem Fall vollkommen entsetzt. „Da…das kann nicht sein… Er war ganz sicher hier. Oh nein…“ Er wurde furchtbar bleich, Carina beobachtete seine Gesichtszüge genau. „Er spielt das nicht. Sein Entsetzen ist echt“, dachte sie und wandte sich ihren Mitstreitern zu. „Jemand muss den Apparat geholt haben. Die Tür war nicht aufgebrochen, also muss es jemand mit Zugang zu dieser Kabine gewesen sein.“ Ryan fuhr zu ihr herum. „Dann kann es nur einer gewesen sein“, meinte er und lief, ohne auf die verdutzenden Gesichter der Shinigami zu achten, aus dem Raum. „Folgen wir ihm“, sagte Ronald. Die Todesgötter hefteten sich an seine Fersen und es dauerte nicht lange, bis sie erkannten wohin der Arzt eilte. „Ernsthaft? Aus der Lounge kommen wir doch gerade“, meinte Carina wenig begeistert und schaute Ryan dabei zu, wie er zum Geländer eilte und nach unten sah. “Hey“, rief er auch sogleich und schien ziemlich wütend zu sein. „Du Mistkerl. Was hast du mit dem Apparat vor?“ Sogleich ertönte von irgendwo unten eine glockenhelle Stimme. „Aaah, Ryan. Auf dich habe ich gewartet. Heute ist der große Tag, an dem das Reich, das du erschaffen hast, in nur einer Nacht untergeht wie Pompeji, während mein neues Reich geboren wird.“ „Noch so ein Spinner“, sagten Grell, Carina und Ronald synchron, während Ryan nur ein vollkommen verwirrtes „Häh?“ hervorbrachte. Die Shinigami traten nun ebenfalls an das Geländer. Unten hatte sich einiges getan. Dort, wo zwei Treppen ineinander liefen und eine Zwischenebene zwischen dem Erdgeschoss und erstem Stock bildeten, stand eine kleine Maschine. Zweifellos die Apparatur, um die es die ganze Zeit ging. Neben ihr, mit einem Weinglas in der Hand, stand ein junger Mann mit schulterlangen blonden Haaren und weichen Gesichtszügen. Dass er adelig war, wäre selbst einem Blinden aufgefallen. Neben ihm standen noch vier Personen. Drei Männer in schwarzen Anzügen, die anscheinend seine Gehilfen waren und sich gerade aus der Lounge zurückzogen und dann noch… Carina rang hörbar nach Luft. Glücklicherweise waren Ronald und Grell viel zu abgelenkt von der Situation und achteten deswegen nicht auf sie. „Aber…aber wie…was macht er auf diesem Schiff?“, schoss es ihr durch den Kopf und völlig aus der Fassung gebracht starrte sie den Bestatter an, der unten neben dem blonden Mann stand. Der Undertaker sah noch genauso aus wie vor zwei Jahren, er schien sich kein Stück verändert zu haben. Sein Hut, die schwarzen Roben und die Narben, alles war so wie immer. Die 18-Jährige versteifte sich, ihre Körperhaltung ähnelte nun eher einer Statue. Erinnerungen an die Zeit in seinem Laden kamen in ihr hoch. Sie hatte niemals damit gerechnet, ihn wiederzusehen. Und jetzt war er hier. Hier, an diesem furchtbaren Ort und tat das, was er am allerbesten konnte. Grinsen. Ja, ein breites Grinsen zierte noch immer sein Gesicht. Verflucht, wie würde er reagieren, wenn er sie entdeckte? Just in diesem Moment hob der Silberhaarige seinen Kopf und obwohl Carina nach wie vor seine Augen nicht sehen konnte, wusste sie, dass er sie anstarrte. Seine Miene veränderte sich nicht, sein Grinsen verrutschte nicht einmal. Die Blondine hatte irgendeine Reaktion seinerseits vermutet, immerhin war sie vor zwei Jahren urplötzlich verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Und sie sah vollkommen verändert aus mit ihren Klamotten, den grünen Augen und ihrer Brille. Warum tat er also so, als hätte er sie noch nie gesehen? „Irgendetwas stimmt hier nicht“, dachte die Shinigami, wusste aber nicht so recht was. „Mit der Macht dieses Apparates werde ich ein ganz neues Reich erschaffen“, meinte der blonde Mann nun und deutete euphorisch auf besagtes Gerät. In diesem Moment fiel Carina auf, dass sich noch zwei weitere Personen im Raum befanden. Sebastian stand etwas abseits auf einer der Treppen und hielt Ciel auf einem seiner Arme. Anscheinend hatte sich dieser sein Bein doch schlimmer verletzt und konnte nicht mehr selbst laufen. Beide schienen ebenso wie alle anderen komplett verwirrt von dem Gerede des Mannes zu sein. „Ein Reich der Sittenlosigkeit und Dekadenz, beherrscht von denen, die das ewige Leben erlangt haben. Ich nenne es Kaiserreich Aurora.“ „Das klingt ja abgefahren“, meinte Ronald. „Das klingt einfach nur dämlich“, ergänzte Carina, während Grell sich über die Lippen leckte und schon einmal seine Kettensäge schulterte. „Keine Sorge, ich werde den Kerl gleich blutrot färben.“ „Nicht so hastig“, ertönte es von besagtem Kerl. Er streckte seine linke Hand aus und nun schwebte sein Weinglas gefährlich nahe über der Apparatur. „Oder ist es euch egal, was mit diesem Apparat passiert?“ Sogleich schlang Ronald die Arme um Grell und hielt ihn somit davon ab, sich auf die männliche Blondine zu stürzen. „Halt Kollege. Abbruch.“ „Er hat Recht Grell, wir brauchen diese Maschine“, wisperte Carina leise und der Rothaarige beruhigte sich wieder ein wenig. „Hi hi…Das nenne ich wahre Macht. Mit einem einzigen Glas Wein habe ich Euch alle in der Hand.“ Während Sebastian ebenfalls alles andere als begeistert aussah, splitterten plötzlich um sie herum sämtliche Scheiben und ein Meer aus Leichen strömte in die riesige Halle. Erschrockene Schreie erklangen. „Hilfe…Das sind ja Hunderte“, stellte Ronald entsetzt fest, als immer mehr der Toten in den Raum rannten. „Schnell, Viscount. Aktivieren Sie den Apparat“, rief Ciel über den Lärm hinweg. „Pah“, antwortete der Blonde theatralisch. „Ich bin kein Viscount mehr. Ich bin jetzt Kaiser. Und ich werde den Apparat nur aktivieren, wenn du mich so nennst mit deinem süßen Rotkehlchenschnabel.“ „Ich bin doch dafür, ihn gleich zu töten“, hörte Carina Ciel sagen, während sie ihre Death Scythe erhob und einige der Leichen zu Fall brachte. Grell und Ronald taten es ihr gleich und auch Sebastian wehrte sich. „Kühne Kämpfer, die ihr Leben riskieren während ich bei einem Glas Wein auf sie hinabschaue. Ich fühle mich wie in einem Kolosseum der Dekadenz. Ganz wie Kaiser Nero!“ „Okay, lasst uns den Kerl endlich umbringen“, riefen Carina und Ronald gleichzeitig, denn dieser Typ raubte ihnen noch den letzten Nerv. „Ihr habt mich doch gerade selbst noch davon abgehalten“, schrie Grell, mehr genervt als alle anderen zusammen und zerstückelte nebenher seelenruhig eine weitere Leiche. „Schalt das Ding da endlich ein, mach schon.“ „Na schön“, antwortete der selbsternannte Kaiser. „Der Moment der Reichsgründung ist gekommen. Also, liebe Untertanen! Es wird Zeit, Eurem Kaiser Treue zu schwören und den Tanz des Phönix aufzuführen.“ Eine negative Aura schwappte durch den Raum und Carina war sich sicher, dass alle Anwesenden dasselbe dachten: „Töten wir ihn endlich!“ Dementsprechend unangebracht war das leise Kichern des Undertakers. „Na, na, na. Wollt ihr ihn wirklich töten, ohne zu wissen, was dieser Apparat kann?“ „Wir sind umgeben von menschenfressenden Leichen und er kann noch lachen?“, dachte Carina, während die Anderen um sie herum plötzlich eine ziemlich seltsame Pose ausführten und laut „Phönixe“ riefen. „Gott, wo bin ich hier nur gelandet?“, murmelte sie. „Sehr gut, Freunde! Und nun zeige ich Euch wie meine Todesarmee sich vor mir niederwirft.“ Der Viscount drückte einen der Knöpfe, der sich seitlich an der Maschine befand. Eine Sekunde lang herrschte angespannte Stille, als alle darauf warteten, dass etwas passierte. „Nanu?“, entfuhr es dem „Kaiser“ verblüfft, als überhaupt gar nichts passierte und die Leichen weiterhin laut brüllend umherwandelten. Der Undertaker brach fast zusammen vor Lachen und Carina konnte es ihm nicht einmal verübeln. „Was hat das zu bedeuten?“, rief Ciel verärgert und der Viscount wandte sich an Ryan. „Ryan! Der Apparat, den du entwickelt hast, funktioniert ja gar nicht.“ „Wi…wie bitte?“, entgegnete Angesprochener und Carina bekam das dumme Gefühl, dass auch der Arzt keine Ahnung von der Maschine hatte. Ciel anscheinend auch. „Heißt das, Sie haben ihn gar nicht gebaut?“, fuhr er den Viscount an. „Ich? Das könnte ich doch gar nicht. Ich hab ihn mir nur ausgeliehen.“ „Du Mistkerl hast mich hintergangen“, brüllte Ryan und machte die vollkommene Verwirrung aller Anwesenden nun perfekt. „Pah, was für eine Farce. Komm Carina“, rief Grell und schwang sich mit einer fließenden Bewegung über das Geländer. Carina reagierte sofort und sprang ihrem besten Freund und Mentor hinterher. Sie landete eine Sekunde nach ihm, doch in dieser kurzen Zeitspanne schaffte es der Rothaarige bereits, drei Leichen auf einmal zu enthaupten. Über sich hörte sie Ronald ein beeindrucktes Pfeifen von sich geben. „Was für ein Draufgänger. Huch, Kollege. Wir dürfen doch nicht auf eigene Faust töten“, rief er plötzlich und Carina wandte sich um. Grell lief mit gezückter Kettensäge auf den Viscount zu, seine Absicht war dabei mehr als deutlich. „Grell, nein. Denk an den Hausarrest“, rief Carina ihm hinterher, doch das schien dem Shinigami momentan vollkommen egal zu sein. Seine Death Scythe fuhr hinab, traf jedoch nie ihr Ziel. Carinas Augen weiteten sich. Was zum Teufel… Grells Waffe war abgeblockt worden. Aber nicht von Ronald. Und auch nicht von Sebastian. Es war der Undertaker. Schützend hatte er sich vor den Viscount gestellt. In seiner Hand hielt er eine Sotoba, die er mit Leichtigkeit gegen Grells Death Scythe gedrückt hielt. „Was?“, rief Grell erschrocken aus, konnte anscheinend selbst nicht fassen, was er da sah. „Heh heh…Ich hab schon lange nicht mehr so gelacht…Und ich finde, wenn dieser Witzbold sterben würde, wäre das ein tragischer Verlust für diese Welt. Findet ihr das nicht auch, liebe Ritter der Sense?“ Während Carina noch versuchte zu begreifen, dass der Undertaker allem Anschein nach über Shinigami Bescheid wusste, fiel Grell etwas ganz anderes auf. „Meine Death Scythe kriegt das Ding nicht durch…?!“ „Stimmt, wie kann das sein? Sotoba sind aus Holz und eine Death Scythe kriegt doch eigentlich alles durch“, dachte Carina. Aber die viel wichtigere Frage war doch, wieso konnte der Silberhaarige kämpfen? Das musste doch einen Grund haben. Er war doch nur ein einfacher Bestatter, was zum Teufel war hier bloß los? Im nächsten Moment drückte der Undertaker seinen Arm durch, sodass Grell im hohen Bogen in Richtung Decke flog. Noch in derselben Sekunde glitt die schwarze Robe des Bestatters beiseite und enthüllte weitere Sotoba. Mit einem breiten Grinsen warf er sie in Grells Richtung. Dieser reagierte zu spät. Die Holzgeschosse flogen an ihm vorbei und krachten durch die Decke aus Glas. Ein Regen aus Glassplittern ergoss sich über die Anwesenden. Während Sebastian sich schützend über seinen Herrn warf, schnitt einer der Splitter eine blutende Wunde in Grells Stirn. Carina hingegen achtete nicht auf das Glas. Ihr Blick war nach wie vor auf den Undertaker gerichtet. Er hatte seinen Hut verloren, seine langen Haare fielen ihm nun noch mehr ins Gesicht als zuvor. Er hob seine Hand, um sie sich nach oben über den Kopf zu streichen. „Hach…wie traurig, dass es hier bald kein Gelächter mehr geben wird.“ Carina merkte nicht einmal, wie ihr langsam der Mund aufklappte. Sie merkte auch nicht, dass Grell fluchend neben ihr landete. Nein, das Einzige, was sie wahrnahm, waren seine Augen. Seine phosphoreszierenden Augen. Die Augen eines Shinigami. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)