Selbstmord ist keine Lösung......oder? von LadyShihoin ================================================================================ Kapitel 17: Die theoretische Prüfung ------------------------------------ Carina hatte Prüfungsangst. Das war eine Tatsache. Sie hatte sie damals in ihrer Schulzeit gehabt und jetzt, als Shinigami, hatte sie sie ebenfalls. „Manche Dinge ändern sich einfach nie“, murmelte sie und betrachtete ihr Spiegelbild. Seit ihrem Eintritt in die Welt der Shinigami waren fast 2 Jahre vergangen. Wie Mr. Crow es ihnen im Unterricht angekündigt hatte, hatte ihr Körper nicht aufgehört sich zu verändern. Nun ja, bis auf Ronald und sie waren ihre Mitschüler sowieso schon aus dem Wachstumsalter raus. Umso mehr hatte es sie also überrascht, als Ronald im letzten Jahr um gut einen ganzen Kopf gewachsen war. Jetzt himmelten die Frauen aus der Personalabteilung und Registratur ihn erst recht an und natürlich gefiel diesem arroganten Idioten das auch noch. Die einzige Ausnahme war Alice, die ebenso wenig wie Carina verstand, was an dem Jungen so toll sein sollte. „Lass ihn doch reden“, hatte sie zu Carina gesagt und schadenfroh gegrinst. „Erinnere ihn einfach öfters an seine Niederlage gegen dich, dann wird er in deiner Gegenwart schon den Mund halten.“ Bei ihr hingegen waren es nur kleine äußerliche Veränderungen gewesen, die nur den Personen auffallen konnten, die die junge Frau nicht tagtäglich sahen. Was ihr mit Abstand am besten gefallen hatte war die Tatsache, dass sie wirklich noch um einige Zentimeter gewachsen war. Wobei sie sich neben Grell, der ja nach wie vor seine 10 cm Absätze trug, immer noch ziemlich klein fühlte. Durch das ganze Training hatte sie zwar ein paar Kilos verloren, war aber zu ihrer großen Erleichterung immer noch keins dieser dünnen Püppchen. „Wie sollte ich mit Untergewicht auch gescheit kämpfen können?“, dachte sie und strich sich kurz über die Stirn. Sogar ein paar weibliche Kurven waren dazugekommen und wenn man Alice‘ Worten Glauben schenkte, dann hatte sie auch ein wenig mehr Oberweite als früher. Ihre blonden Haare hingegen waren nicht mehr ganz so lang wie noch vor 2 Jahren und endeten nun knapp unter ihrem Schlüsselbein. Alles andere war so wie immer. Ein blasses Gesicht, die gerade Nase und natürlich die gelbgrünen Augen der Shinigami. Carina hatte sich gerade dazu viele Gedanken gemacht. Es wurden immer nur Spekulationen darüber aufgestellt, warum die Shinigami so kurzsichtig waren, aber warum musste sich dafür die Augenfarbe ändern? Carina hatte da ihre ganz eigene Theorie. „Die Augen sind der Spiegel der Seele“, sagte sie zu sich selbst und war der festen Überzeugung, dass dieses Sprichwort stimmte. Oft konnte man mit den Augen so viel mehr sagen, als mit Worten. Und danach hatte sie auch ihre Theorie aufgestellt. Mit ihrem Selbstmord hatte sich ihre Seele verändert. Menschen sollten laut der Lehrbücher nicht über ihren eigenen Tod entscheiden und sich somit der vorherbestimmten Ordnung widersetzen dürfen. Und anscheinend wollte irgendeine höhere Macht, dass jeder anhand ihrer Augen erkennen konnte, dass die Shinigami sich der Natur widersetzt hatten. Das sie anders waren. „Wie ein Brandmal. Allerdings ein ausgesprochen schönes Brandmal“, dachte sie und setzte ihre Brille auf. Und jetzt, nach 2 Jahren, war es endlich soweit. Ein nervöses Seufzen entfuhr ihren Lippen und zum wiederholten Male fuhr sie sich mit ihren Fingern durch die Haare. „Du schaffst das“, ermutigte sie sich. „Du hast die letzten 2 Jahre hart an dir gearbeitet und jetzt wirst du es den Anderen mal so richtig zeigen.“ Dennoch plagten sie Zweifel. Was, wenn sie durch eine der Abschlussprüfungen fallen würde? Was würde sie dann nur machen? Und die viel wichtigere Frage, was würde Grell nur dazu sagen? „Diese Blamage würde er mir wohl nie verzeihen“, dachte sie, musste aber gleichzeitig grinsen. Grell war mittlerweile viel mehr ein guter Freund, als nur ihr Lehrer und sie verstanden sich erstaunlich gut. Natürlich konnte Alice diese Tatsache nur schwer verdauen, geschweige denn nachvollziehen. Auch Carina hätte anfangs niemals damit gerechnet, doch wenn sie nun an die vergangenen Jahre zurückdachte, dann war er eine der wenigen Konstanten in ihrem Leben geworden. Obwohl der Rothaarige gar nicht ihr Lehrer hatte sein wollen, hatte er sich ihrer angenommen und sich um sie gekümmert. Carina war sich ziemlich sicher, dass sie ohne seine Hilfe gar nicht erst zur Prüfung zugelassen worden wäre. Und egal wie nervtötend, melodramatisch und selbstverliebt er manchmal auch sein konnte, dafür würde sie ihm immer dankbar sein. „Dann mal los“, sagte sie und verließ ihre kleine Wohnung. Wenn alles gut lief, dann würde sie nicht mehr länger als eine Woche hier wohnen. Schon wieder würde sich alles verändern, aber dieses eine Mal würde sie die Veränderung willkommen heißen. Wer wollte schon auf immer und ewig ein Lehrling bleiben? Während sie sich zum Institut aufmachte, ging sie gedanklich noch einmal ihren Lehrstoff durch. „Hoffentlich hab ich nichts vergessen“, dachte sie und das mulmige Gefühl in ihrem Magen verstärkte sich nur noch. Die letzten zwei Wochen hatte sie immer bis spät in die Nacht gelernt und in den letzten Tagen hatte sie sich sogar von Alice abfragen lassen. Und ihre schwarzhaarige Freundin konnte ihr noch so oft versichern, dass sie den Stoff konnte, Carina hatte trotz allem Angst vor der Prüfung. Dabei handelte es sich hier nur um die Theoretische. Carina wollte gar nicht wissen, wie es ihr heute Abend vor der Praktischen gehen würde. Allein der Gedanke ließ ihr Herz schneller schlagen. Zum ersten Mal würde sie eine Seele einsammeln. Das war das, worauf ihre ganze Ausbildung hinausgelaufen war. Hieß also, sie dürfte es auf keinen Fall vermasseln. „Keinen Druck Carina, bloß keinen Druck“, dachte sie und verdrehte über sich selbst die Augen. 15 Minuten später saß sie zusammen mit ihren Mitschülern im Klassenzimmer und wartete darauf, dass ihr Prüfer auftauchen würde. „Könntest du das bitte lassen? Du machst mich noch ganz nervös“, sagte Ronald und spielte dabei auf Carinas Beine an, die bereits seit einiger Zeit auf und ab wippten. Angesprochene warf ihm daraufhin einen bösen Blick zu. „Tut mir Leid, dass ich etwas aufgeregt bin, es geht hier ja nur schließlich um meine komplette berufliche Zukunft.“ „Ach, ich bitte dich. Wenn hier einer durchfällt, dann wirst du das ganz bestimmt nicht sein.“ Carina blinzelte. „Ähm…danke“, antwortete sie etwas überrumpelt und konnte für einen Moment einfach nicht fassen, dass Ronald ihr ein Kompliment gemacht hatte. Dieser grinste sie nun an. „Also, wenn das Ganze hier vorbei ist, wie wäre es dann mit einem Date?“ Gleich darauf schrie der angehende Seelensammler erschrocken auf, als die junge Frau ihm den Stuhl unterm Hintern wegkickte. „Und ich dachte wirklich für eine Sekunde, dass du reifer geworden wärst. Aber ich hätte es wohl ahnen müssen“, sagte Carina mit verschränkten Armen, eine pochende Ader auf der Stirn. „Einen Versuch war es wert“, murmelte Ronald und setzte sich wieder auf seinen Stuhl, als just in diesem Moment die Tür aufging und Mr. Crow eintrat, gefolgt von einem älteren Herrn in einem braunen Nadelstreifenanzug. Das musste der Prüfer sein. Sofort schnellte Carinas Puls wieder rasant in die Höhe. „Ich hätte vielleicht doch nicht frühstücken sollen“, dachte sie, als sich ihr Magen rumdrehte. „Guten Tag. Mein Name ist Mr. Jones und Sie werden heute bei mir ihre theoretische Abschlussprüfung ablegen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass Täuschungsversuche nicht toleriert werden und zum sofortigen Ausschluss führen.“ Obwohl Carina diese Worte schon tausende Male gehört hatte, machten sie sie doch zusätzlich nervös. Sie hatte keine Zweifel daran, dass sie sich während der Prüfung nicht trauen würde auch nur einmal den Blick zu heben. Nachher wurde das noch falsch interpretiert. Während Mr. Jones die Aufgabenblätter verteilte, warf Mr. Crow ihnen allen einen Blick zu, der deutlich „Blamiert mich bloß nicht“ aussagte. „Großartig, der denkt auch nur an sich selbst“, schoss es ihr durch den Kopf, während der Prüfer nun nach vorne zurückkehrte. „Drehen Sie die Blätter bitte jetzt um. Sie haben 4 Stunden Zeit.“ Geraschel ertönte überall im Klassenraum, doch das bekam Carina schon nicht mehr mit. Sie konzentrierte sich nur noch auf die Blätter vor sich. Mit verschwitzten Händen drehte sie die Prüfung herum und las sogleich die erste Aufgabe. Beschreiben Sie die Aufgaben und Zuständigkeiten der Shinigami im Hinblick auf das ausgewählte Arbeitsgebiet. „Das weiß ich“, dachte sie und ein erleichtertes Lächeln legte sich auf ihren Mund. Schnell begann sie ihre Antwort aufzuschreiben. Sie begann mit der Beschreibung der einzelnen Abteilungen und erklärte anschließend die genauen Funktionen. Sie war sich zwar nicht ganz sicher, ob sie alle Aufgaben der Personalabteilung aufgezählt hatte, aber bei der Registratur machte sie sich keine großen Sorgen. Alice hatte mit ihr oft darüber gesprochen und so waren ihr die Details im Gedächtnis geblieben. Als sie mit den 4 Grundabteilungen fertig war, zögerte Carina kurz. „Ob ich über die Fachabteilungen auch noch schreiben soll?“, überlegte sie und entschied sich schlussendlich dafür. Lieber schrieb sie ein wenig zu viel auf als zu wenig. Während der Ausbildung hatten sie gelernt, dass es neben den Seelensammlern, der Registratur, der Personal- und Brillenabteilung noch weitere Abteilungen gab. Diese standen den Neulingen aber nicht zur Verfügung, anscheinend brauchte man für die Fachbereiche bereits Erfahrung. Daher konnte man erst in die Fachbereiche wechseln, wenn man die Ausbildung in irgendeiner der 4 Grundabteilungen bereits beendet hatte. Und selbst dann schien man noch spezielle Voraussetzungen erfüllen zu müssen. „Vermutlich haben die mit Neulingen einfach schlechte Erfahrungen gemacht“, dachte Carina. Viel wussten sie nicht über diese speziellen Abteilungen, denn das meiste Wissen darüber blieb komplett betriebsintern. Die 18-Jährige vermutete sogar, dass es Abteilungen gab von dessen Existenz sie überhaupt nichts wussten, aber da konnte sie nur spekulieren. „Was hat Mr. Crow noch mal gesagt? Ach ja, es gibt die Forensik. Wenn ich mich recht entsinne hat Grell mal gesagt, dass dort nur ziemlich seltsame Leute arbeiten. Na ja, aber wenn Grell das sagt muss das nichts heißen, er ist ja auch in vielerlei Hinsicht seltsam.“ Der Gedanke ließ sie unwillkürlich grinsen. „So, und dann war da noch die Psychologie und die Ordnungsabteilung, wovon wir überhaupt nichts wissen.“ Carina konnte sich unter den Begrifflichkeiten natürlich so einiges vorstellen, aber da musste doch noch mehr dahinter stecken. Diese Ordnungsabteilung konnte für tausende von Dingen zuständig sein, denn allein der Begriff „Ordnung“ umfasste ja bereits hundert oder mehr Aufgabenfelder. Genauso verhielt es sich mit der Psychologie. „Nicht abschweifen“, ermahnte sie sich selbst und wandte sich nun der nächsten Aufgabe zu. Erläutern Sie die Natur von Dämonen und in welchen Hinsichten sie sich von den Shinigami unterscheiden. Carina stöhnte. Die Frage war an sich einfach, aber sie musste dafür weit ausholen. „Augen zu und durch“, dachte sie. Während ihr Stift über das Papier huschte, verging die Zeit. Das störende Ticken der Uhr im vollkommen stillen Klassenzimmer hatte sie bereits vollkommen ausgeblendet. Obwohl sie sich etwas Wasser mitgebracht hatte, nahm sie keinen einzigen Schluck und konzentrierte sich lediglich auf ihre Arbeit. Nach jeder beantworteten Frage wurde ihr etwas leichter ums Herz, denn das Meiste konnte sie ohne größere Schwierigkeiten beantworten. Egal, ob es um Shinigami, Dämonen, Todessensen, Seelen oder die offiziellen Regeln ging, sie konnte das gesammelte Wissen in ihrem Kopf mühelos abrufen und zu Papier bringen. Nach 3 1/2 Stunden legte die Blondine den Stift zum ersten Mal nieder und las sich ihre Antworten noch einmal durch. Ihre Finger pochten zwar vor Schmerz, aber sie war in einem beinahe euphorischen Zustand. Carina schaute auf und bemerkte erstaunt, dass außer ihr noch alle mit den Aufgaben beschäftigt waren. Einige schrieben ganz normal so wie sie, andere hingegen starrten mit einer leicht verzweifelten Miene auf das Blatt und hofften wohl, dass ihnen die richtige Antwort noch einfallen würde. Carina runzelte verwirrt die Stirn. „Die Prüfung war ja wohl nun wirklich nicht so schlimm“, dachte sie sich und schaute nun neugierig zu ihrem Tischnachbarn hinüber. Auch Ronald war noch am Schreiben, allerdings stockte er alle paar Sekunden. Ganz so, als ob er sich seiner Sache nicht sehr sicher war. „Geschieht ihm recht“, frohlockte sie innerlich und stand nun samt ihren Blättern auf. Alle, wirklich alle, schauten auf und konnten anscheinend nicht fassen, dass sie bereits fertig war. Carina konnte einfach nicht anders. Sie warf ihren Mitschülern ein schadenfrohes Grinsen zu, ging zielgerichtet nach vorne ans Pult und übergab ihre Prüfung. Mr. Jones nahm sie stumm entgegen, nickte ihr einmal bestätigend zu und notierte sich etwas in seinen Unterlagen. Dann überreichte Mr. Crow ihr einen Zettel, wo Ort und genaue Uhrzeit der praktischen Prüfung verzeichnet waren. „Seien Sie pünktlich“, sagte er leise und Carina nickte, bevor sie schließlich das Klassenzimmer verließ. Zu ihrer großen Überraschung saß Alice auf einem der Stühle im Wartebereich. „Was machst du denn hier?“, fragte sie verwundert nach und Alice verschränkte gespielt böse die Arme. „Na hör mal, ich will doch wissen, ob diese ganze Abfragerei etwas gebracht hat. Und da meine Pause vor 10 Minuten angefangen hat dachte ich, ich schau mal vorbei und siehe nach, wie lange du brauchst.“ Bei diesen Worten holte sie ihre Taschenuhr heraus und warf einen kurzen Blick auf das Ziffernblatt. „Siehst du, ich hab es dir doch gesagt. Du hättest noch eine ganze halbe Stunde Zeit gehabt, also nehme ich doch mal stark an, dass die Prüfung gut gelaufen ist, richtig?“ „Könnte man so sagen, ja“, erwiderte Carina und grinste breit. „Aber mir vorher eine Woche lang die Ohren vollheulen“, meckerte Alice, lächelte aber auch erleichtert. „Herzlichen Glückwunsch.“ „Freu dich nicht zu früh. Heute Abend habe ich immerhin noch die praktische Prüfung und ich bin mir ziemlich sicher, dass die nicht so einfach wird.“ Jetzt, wo sie an die noch kommende Prüfung dachte, wurde ihr wieder flau im Magen. „Ach, die packst du auch noch. Und wenn nicht, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass Grell als Mentor ein absoluter Versager ist.“ Carina war sich sicher, wäre sie eine Manga Figur, wäre spätestens in diesem Moment ein ziemlich großer Tropfen an ihrem Hinterkopf erschienen. „Das ist ja mal wieder so typisch“, murmelte sie. Alice war einfach unglaublich… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)