Zeit der Kirschblüten von Hunter25 ================================================================================ Kapitel 3: Der Hausgast ----------------------- Mittlerweile waren bereits einige Sekunden verstrichen, in denen Sakura einfach nur da gestanden und nichts gesagt hatte. Ihre Augen waren auf den Mann gerichtet, welchen sie seit sechs Jahren nicht mehr gesehen hatte und der nun tatsächlich direkt vor ihr stand. Ihre Gedanken spielten verrückt, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie konnte sich nicht bewegen, nichts sagen. Nur da stehen und ihn betrachten. „Willst du mich weiterhin bloß mit offenem Mund anstarren?“, fragte er kühl und ließ sich schwungvoll auf ihrem olivgrünen Sessel nieder. Elegant schlang er ein Bein über das andere und faltete seine Hände, um sie vor sich auf seinem Schenkel abzulegen. Seine dunklen Augen fixierten ihre und schienen auf eine Antwort zu warten, doch es war, als würde keine kommen. „Er ist es...“, dachte sie sich. „Sasuke. Er ist es. Er ist es wirklich. Was macht er hier? Warum ist er ausgerechnet jetzt wieder hier? Was will er von mir? Wo war er die ganze Zeit über? Was ist geschehen? Was ist hier nur los?“ Ihre Gedanken überschlugen sich und bereiteten ihr allmählich Kopfschmerzen, sodass sie kurz die Augen zusammenkniff und sich ihre Schläfen massierte, bevor sie ihre Augen wieder öffnete. „Er ist immer noch da... Ich träume nicht“, ging es ihr durch den Kopf, woraufhin sie tief ein- und wieder ausatmete, bevor sie nun wesentlich gefasster ein paar Schritte nach vorne trat. „Was willst du hier?“, war ihre erste Frage an ihn. Warum ausgerechnet die, wusste sie selbst nicht. Doch sie wollte es genau jetzt von ihm hören; seinen Grund, seine Ausrede, was auch immer er auf Lager hatte. „Begrüßt man so einen alten Freund?“, fragte er mit einem schiefen Grinsen. „Sag mir, was du von mir willst!“, befahl Sakura genervt. Warum war sie so sauer? Er war doch hier, oder nicht? Ihre große Liebe. Endlich wieder bei ihr, saß direkt vor ihr auf dem Sessel, den sie so gerne benutzte, wenn sie ein gutes Buch las oder für ihr Studium lernte. Und trotzdem schien sie etwas zu stören. Warum war sie nicht glücklich darüber, dass er da war? Warum... spürte sie statt Erleichterung und Freude Kummer und Schmerz? Sasuke musterte sie neugierig und zugleich kritisch. Offenbar war ihm nicht entgangen, dass Sakura nicht gerade erfreut über seinen überraschenden Besuch war. „Also schön“, begann er kurz darauf lange ausatmend und lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück. „Er macht es sich ganz schön bequem für jemanden, der gleich wieder gehen wird“, ging es Sakura durch den Kopf, die abwartend zu dem Dunkelhaarigen nach unten sah. „Ich bin hier, weil ich einen Unterschlupf brauche. Ich werde demnach eine Weile hier bleiben.“ Ihre so schon strahlend grünen Augen wurden noch ein weiteres Mal von der Mittagssonne, die durch ihr hohes Fenster schien, erhellt, nachdem sich ihre Augen ein zweites Mal, seitdem sie wieder in ihrer Wohnung war, vor Erregung weiteten. Hatte sie sich da gerade verhört? Was hatte er ihr gesagt? Einen Unterschlupf? Er brauchte einen Unterschlupf?! Und was zum Teufel suchte er dann bei ihr? „Moment mal“, warf sie hastig ein und hob dabei abwehrend ihre Hand nach oben. „Du willst hier bleiben? Hier bei mir? In meiner Wohnung? Was stellst du dir eigentlich vor? Du tauchst nach Jahren deines plötzlichen Verschwindens wieder auf und erwartest von mir, nachdem weder ich noch die anderen sechs Jahre lang etwas von dir gehört haben, dass ich dich einfach so hier wohnen lasse? Was stimmt denn nicht mit dir?“ Entsetzt und verwirrt zugleich starrte sie zu dem jungen Mann hinunter, der gleich nach ihrer Rede ein amüsiertes Lächeln aufsetzte und sich mit einem Ruck aus dem Sessel schwang. Er kam Sakura bedrohlich nahe und blieb nur wenige Zentimeter vor ihr stehen. Das Mädchen wich nervös einen Schritt zurück, ehe sie ihm in seine faszinierend dunklen Augen sah, die ihr Gesicht fixierten und dabei keine Anstalten machten, irgendwo anders hin zu sehen. Ihre Atmung hatte sich wieder 'mal beschleunigt und ihre Haut begann unangenehm zu kribbeln. Sie musste entsetzt feststellen, dass sie nicht einmal während ihrer Arbeit im Krankenhaus so nervös war, wie sie es in seiner Nähe wurde. Was machte er bloß mit ihr... „Ich glaube du hast mich falsch verstanden“, sprach er mit einer nun wesentlich raueren Stimme als noch zuvor. „Ich habe dich nicht um Erlaubnis gebeten. Ich brauche einen Platz zum schlafen und da kommst du mir ganz gelegen. Oder...“, er machte eine kurze Pause, in der er noch einen weiteren Schritt nach vorne trat und ihr dabei so gefährlich nahe kam, dass es Sakura beinahe das Herz aus der Brust gesprengt hätte. „... willst du mich etwa rausschmeißen?“ Sie schluckte und versuchte ihre Nervosität einigermaßen vor ihm zu verbergen, indem sie ihm selbstsicher entgegenblickte. Doch je länger sie ihm in seine traumhaft schönen Augen sah, desto mehr verlor sie sich in ihnen und desto schwieriger fiel es ihr, ihm ohne zu stottern eine Antwort zu geben. „D-Du... du kannst nicht einfach hier auftauchen u-und denken, dass ich nach deiner Pfeife tanze! Warum brauchst du überhaupt einen Unterschlupf?“ Sie sah ihn fragend an, doch er schien nicht darauf antworten zu wollen. Stattdessen versuchte er von ihrer Frage abzulenken. „Das brauchst du nicht zu wissen“, entgegnete er ihr trocken und wandte sich gleich darauf von ihr ab. „Du studierst jetzt also Medizin? Ich habe die Fotos mit dir im weißen Kittel darauf entdeckt.“ Die junge Frau errötete augenblicklich und sah sich suchend in ihrer Wohnung um. Sie hatte ganz vergessen, dass auf ihrer Kommode im Wohnzimmer mehrere Fotos mit ihr und ihren Freundinnen in ihrer Arbeitskleidung darauf standen. „Wie um alles auf der Welt bist du überhaupt in meine Wohnung gelangt?!“, wollte sie nun von ihm wissen und stellte sich zwischen ihn und ihre Fotos, damit er sich diese nicht länger ansah. „Türschlösser zu knacken ist für mich ein Kinderspiel. Man braucht nur genügend Übung und ein ruhiges Händchen“, erklärte er schmunzelnd und schaute sich weiterhin in ihrer Wohnung um. Sakura wusste nicht, was sie darauf antworten beziehungsweise, was sie ihn fragen sollte. Zum Einen wollte sie ihn darüber belehren, dass er nicht einfach in anderer Menschen Häuser einbrechen konnte und auf der anderen Seite wollte sie ihn fragen, wie viel Übung er bereits darin gehabt hatte. Was war nur aus ihm geworden? War er ein Krimineller? Ein Meistereinbrecher? Wo war er sechs Jahre lang gewesen und was um alles auf der Welt hatte er in dieser Zeit bloß angestellt? Sakura beschlich ein ungutes Gefühl. Was, wenn er von der Polizei gesucht wurde? Und jetzt war er auch noch in ihrer Wohnung! Sie durfte keinen Kriminellen bei sich verstecken! „Ich glaube, du solltest jetzt gehen“, meinte sie vollkommen ernst, woraufhin er sich mit einem skeptischen Blick zu ihr herumdrehte. „Du kannst hier nicht bleiben. Ich bin zwar... froh, dass du wieder hier bist, doch ich kann dich nicht einfach bei mir wohnen lassen. Wenn du gesucht wirst, ist es das Beste, sich der Polizei zu stellen und für deine Taten einzustehen. Aber ich werde ganz sicher keinen Verbrechen bei mir wohnen lassen.“ Sie sah ihn entschlossen an, doch alles, was der Dunkelhaarige darauf erwidern konnte, war ein amüsiertes Lachen. Im ersten Moment ziemlich überrascht über diese Reaktion, sah Sakura ihn mit fragender Miene an, bevor er an ihr vorbei und in ihre Küche ging. Er öffnete den Minikühlschrank und starrte ernüchtert hinein. „Ich kann dich beruhigen“, begann er ruhig. „Ich werde nicht von der Polizei gesucht.“ Er schloss die Kühlschranktür mit einem lauten Seufzer und stemmte eine Hand in die Hüfte. „Hast du nichts anderes zu essen da?“, fragte er fast schon weinselig, woraufhin Sakura verdutzt die Augenbrauen zusammenzog. „Äh... nein. Ich wollte eigentlich etwas kochen, deshalb... müsste ich vorher noch einkaufen“, erklärte sie ihm unsicher, als er kurzerhand mit den Händen klatschte und sich auf den Weg zur Tür machte. „Komm“, sagte er fordernd. „Wir gehen etwas essen.“ Nun sah sie ihn noch ungläubiger an. Was war nur in ihn gefahren? Zuerst brach er unbemerkt in ihre Wohnung ein, dann behauptete er, Erfahrung in Sachen Schlösser-knacken zu haben, was ihn vielleicht oder vielleicht auch nicht wie einen Verbrecher aussehen ließ, und dann wollte er auch noch mit ihr essen gehen. Von einer Sekunde auf die andere! Einfach so war er wieder da und wollte mit ihr etwas essen gehen! Was war hier nur los? „Sasuke-kun...“, startete Sakura den vergeblichen Versuch, ihn davon abzuhalten, diese Sache noch komischer zu machen, als sie es so schon war, doch er ließ ihr erst gar nicht diese Option. „Jetzt komm schon“, meinte er drängelnd und schmiss der jungen Frau ihre Jacke zu. „Ich hab' Hunger.“ „Er ist wie ein kleines Kind“, dachte Sakura sich und kam nicht umhin, ein leichtes Schmunzeln aufzusetzen, bevor sie sich auf den Weg in die Innenstadt machten. Sie hatte mehrmals überlegt, ob sie Hinata oder Ino oder aber auch einem ihrer anderen Freunde schreiben sollte, dass sie gerade mit Sasuke unterwegs war. Sie fühlte sich schlecht dabei, Naruto nicht einzuweihen, nachdem dieser offensichtlich mit seiner Vermutung recht gehabt hatte und es tatsächlich Sasuke gewesen ist, den er am Abend zuvor gesehen hatte. Doch aus irgendeinem Grund schien sie es für richtig zu halten, erst einmal mit ihm alleine zu sprechen und womöglich mehr aus ihm herauszubekommen, bevor sich die anderen auf ihn stürzten. Sie konnte Narutos strahlendes Grinsen bereits vor ihrem inneren Auge sehen und wie dieser über seinen besten Freund herfiel. Vermutlich würden alle unglaublich erleichtert sein, wenn sie erst einmal wussten, dass er wohlauf war. Die beiden hielten an einem kleinen Imbissstand und setzten sich auf die Hocker vor dem Tresen, um sich kurz darauf jeweils eine große Schüssel Nudelsuppe zu bestellen. Sakura dachte angestrengt nach, was sie ihn alles fragen und worauf er ihr überhaupt eine Antwort geben könnte, doch ihr fiel beim besten Willen nicht ein, womit sie anfangen sollte. „Na sag' schon“, kam es plötzlich von Sasuke, der gelangweilt nach vorne sah und den Koch bei seiner Arbeit beobachtete. „Dir liegen doch vermutlich zigtausend Fragen auf der Zunge.“ Sakuras Muskeln verkrampften sich unangenehm, während sie beschämt zu Boden sah. Sie hatte es sich also zu sehr anmerken lassen. „Na ja...“, begann sie leise und grübelte weiterhin in ihrem Kopf, welche Frage sie ihm als Erste stellen sollte. „Wo... bist du die ganze Zeit über gewesen? Ich meine... was ist geschehen? Warum bist du damals einfach fortgegangen?“ „Fangen wir doch erst mal mit einer Frage an“, bemerkte er beiläufig und atmete tief ein, bevor er weitersprach. „Ich kann dir nicht sehr viel darüber erzählen, was ich genau gemacht habe oder warum, aber da du so nett bist, mich auf deiner Couch wohnen zu lassen, werde ich eine Ausnahme machen.“ „Halt, was?“, warf Sakura gleich darauf fragend ein, wobei sich ein belustigtes Lächeln auf Sasukes Lippen abzeichnete. „Alles, was du wissen musst ist, dass ich nicht von der Polizei gesucht werde, keine Drogen bei mir habe und nicht vorhabe, dich in irgendeiner Weise da mit rein zu ziehen. Na ja, nicht mehr, als jetzt.“ Sakura starrte ihn schockiert an. „Was?!“, rief sie laut und in Panik, woraufhin sie Sasuke jedoch amüsiert auflachen sah. „Ganz ruhig“, meinte er und bewegte seine Hände rauf und runter, damit Sakura nicht noch mehr Aufsehen erregte, die daraufhin peinlich berührt zur Seite sah. „Du steckst in keinen Schwierigkeiten. Ich mach' bloß Witze.“ „Du solltest das lieber lassen“, entgegnete sie ihm darauf nervös und legte ihre Serviette beiseite, damit der Koch ihr und Sasuke deren Nudelsuppen auf dem Tresen abstellen konnte. „Ich bin mir nämlich nicht so sicher, was ich dir glauben soll und was nicht. Ich weiß doch rein gar nichts mehr über dich und über die Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben.“ Sie wandte ihren traurigen Blick von ihm ab und nahm einen ersten Happen von ihrer Suppe. Es herrschte kurz Schweigen, ehe Sasuke etwas sagte. Seine Stimme klang fast schon entschuldigend, doch noch viel zu sehr nach seiner kühlen, draufgängerischen Art, als dass Sakura tatsächlich glauben könnte, er würde sich für all das, was er ihr angetan hatte, entschuldigen. „Es ist nicht so, als hätte ich eine Wahl gehabt“, murmelte er leise, woraufhin die Rosahaarige zu ihm auf die Seite sah. „Ich musste damals aus einem bestimmten Grund fort, doch jetzt bin ich wieder hier, und ich brauche deine Hilfe.“ „Wobei?“ Er packte sich eine Scheibe Ei zwischen seine Essstäbchen und verschlang sie in einem Bissen, bevor er antwortete. „Na wegen einem Unterschlupf. Ich muss irgendwo wohnen, solange ich hier bin und ich hatte gehofft, dass ich bei dir unterkommen könnte.“ Ein schweres Gefühl legte sich über Sakuras Brust. Ihr war deutlich anzusehen, dass sie seine Worte gerade hart getroffen hatten. „Also wirst du wieder weggehen?“ „Irgendwann schon“, antwortete er monoton und nahm noch einen weiteren Bissen von seinem Essen. Sie senkte ihren Blick und ließ die Essstäbchen in ihrer rechten Hand langsam auf den Untergrund des Tresens gleiten. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sein würde, ihn ein zweites Mal zu verlieren. Ihn weggehen zu sehen, obwohl sie ihn gerade erst wiederbekommen hatte. Was glaubte er eigentlich, was er da tat? Zuerst ließ er sie und all ihre Freunde im Stich, kam dann ganze sechs Jahre später, ohne sich vorher auch nur ein einziges Mal gemeldet zu haben, zu ihr zurück und bat um Unterschlupf. Und dann... dann würde er wieder weggehen und es würde wieder genauso einsam und leer werden wie früher. Sie konnte seinen Blick auf sich spüren, versuchte sich jedoch ein wenig aufzurappeln und weiter zu essen, damit er nicht sah, dass sie kurz vor einem Heulkrampf stand. Die ersten Tränen versuchten sich bereits einen Weg aus ihren Augen hinaus zu bahnen, doch sie schaffte es, diese zu unterdrücken, und stopfte sich stattdessen den Mund mit gekochtem Ei und Nudeln voll. „Aber vorher bleibe ich noch eine Zeit lang hier“, knüpfte er wieder an seinen vorherigen Satz an und schlürfte die leckere Brühe aus seiner Schüssel. „Und in der Zwischenzeit würde ich gerne mehr von dieser köstlichen Suppe essen.“ Er wischte sich den Mund mit seinem Handrücken ab und überreichte dem Koch und Besitzer dieser kleinen Imbissbude seine Schüssel, wobei er gleich zwei weitere Portionen bestellte. Sakura unterdrückte ein Schmunzeln und versteckte ihr Gesicht in der Nudelsuppe, welche auch sie jetzt aus der Schüssel schlürfte. Sie wusste zwar noch immer rein gar nichts über Sasukes Zwischenaufenthalt in einer vermutlich anderen Stadt... Sie wusste auch nichts über die Dinge, die er in dieser Zeit getan und erlebt hatte... doch sie wusste, dass er jetzt zumindest für eine Weile bei ihr blieb. Und bei Gott... Sie würde alles dafür tun, damit er sie nie wieder verlassen würde. Ihre Mission hatte begonnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)