Bin ich wertlos in deinen Augen ...? von North-Blue ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Müde schlug ich die Augen auf. Mein Kopf dröhnte. Ich brauchte einen Moment um zu realisieren, was mich geweckt hatte. Da ertönte es wieder, ein lautes Klopfen an meiner Tür, welches sich langsam zu einem unüberhörbaren Hämmern steigerte und meinen pochenden Kopfschmerzen Konkurrenz machte. Verstimmt brummte ich, schlug die Decke zurück, stand schwankend auf und öffnete mit einem Ruck die Tür. „Was?!?“ brüllte ich die dahinterstehende Person an, was ich Sekunden später bereute. Zwei emotionslose und kalte Augen blickten mir entgegen. »Oh Mist«, dachte ich mir, »der hat mir gerade noch gefehlt«. Vor mir stand mein “heißgeliebter“ Vater, kein anderer als der Chirurg des Todes, Trafalgar Law, und blickte mich mit einem Blick an, bei dem jeder andere wohl geflüchtet wäre. „Mina“ sprach dieser mit rauer, gleichgültiger Stimme. „Ich habe dich heute Morgen beim Frühstück vermisst. Weißt du eigentlich, wie spät es ist?“ Ich scheine ihn daraufhin wohl ziemlich verwirrt angesehen zu haben, denn sein Gesicht nahm einen noch düsteren Ausdruck an, ehe er fortfuhr. „Ok, jetzt mal Klartext. Sämtliche Crewmitglieder außer dir sind heute Morgen beim Frühstück erschienen, nur du nicht. Zudem fehlen im Vorratslager mehrere Flaschen Alkohol, und zwar hochprozentiger. Darüber hinaus geht von dir eine Alkoholfahne aus, die man Zehn Meilen gegen den Wind riecht. Kannst du mir das erklären, Fräulein?“ Ertappt blickte ich zu Boden. Das der Typ aber auch immer alles merken musste. „Chill mal, ich bin Piratin. Ich werde jawohl noch Alkohol trinken dürfen wenn mir danach ist!“, erwiderte ich trotzig. Laws Augen verengten sich kaum merklich, bevor er mit schneidender Stimme antwortete: „Mina, du bist grade mal 17. Du hast zu tun oder zu lassen, was ich dir sage. Und wenn du meinst dich mir widersetzen zu können, bitteschön, aber dann wirst du mit den Konsequenzen leben müssen. Fürs erste wirst du das Deck schrubben und du hast heute Küchendienst und wirst dem Koch helfen.“ Wütend blickte ich ihn an. „Du hast mir keine Befehle zu erteilen Law, merk dir das mal!“ Ihm war anzumerken, dass er so langsam ans Ende seiner Geduld kam. „Mina.“ Seine Stimme nahm einen eisigen Tonfall an, bei dem es mir kalt den Rücken runterlief. »Oh oh, hatte ich es übertrieben? « Ich hörte ihn tief Luft holen und sah, wie sich sein Kiefer anspannte. „Zum letzten Mal. Ich bin nicht nur dein Captain, sondern auch dein verdammter Vater! Also zeig mal ein wenig Respekt und tu einmal im Leben, was ich dir sage. Oder willst du irgendwann mit ner Alkoholvergiftung bei mir auf dem Obduktionstischtisch landen?“, flüsterte er mit monotoner Stimme. Das reichte mir. „Vater?! Ich bin dir doch normalerweise scheißegal, jetzt tu hier nicht einen auf Vater! Das würde dir doch vollkommen egal sein, wenn ich verrecke! Ich habe keinen Vater!“ Ich drehte mich um und knallte die Tür zu. Von außen vernahm ich noch ein gemurmeltes „Pah, Frauen und ihre Stimmungsschwankungen!“ und sich entfernende Schritte. Ich ließ mich auf mein Bett sinken. »Ach du Kacke, was war das denn? Normalerweise verlor ich nie so die Beherrschung, schon gar nicht meinem Vater gegenüber… Das musste echt am Alkohol gelegen haben, den ich letzte Nacht in Massen konsumiert hatte... « Wie aufs Stichwort fühlte ich die Übelkeit in mir hochwallen, und ich stürzte ins Bad, um mich über der Kloschüssel zu übergeben. Kaum fühlte ich mich etwas besser, fingen die Kopfschmerzen wieder an. Mit dröhnendem Kopf kehrte ich zu meinem Bett zurück, wobei ich Mühe hatte, nirgendswo gegen zu laufen. Zum Glück hatte ich noch Kopfschmerztabletten in meinem Schrank, die ich mal aus Laws Arbeitszimmer geklaut hatte. Ich widerstand der Versuchung, mich einfach wieder hinzulegen, ging ins Bad, duschte mich und begann mich anzuziehen. » Moment mal… Heißt das, ich habe Law eben im Nachthemd die Tür aufgemacht? « Ich spürte wie mein Gesicht warm wurde. Nachdem ich mir einfach einen Hoodie und eine Jeans übergestreift hatte, putzte ich mir noch die Zähne, um diesen widerlichen bitteren Geschmack und die Alkoholfahne loszuwerden. Aus dem Spiegel blickte mir ein blasses, junges Mädchen mit müden und glasigen Augen entgegen. Ich hatte wie mein Vater tiefe Augenringe, auch wenn meine noch dunkler zu sein schienen. Auch die Augen und die Gesichtsform hatte ich von meinem Vater. Nur war ich deutlich kleiner als er, und auch die Haarfarbe hatte ich sicher nicht von ihm geerbt, denn meine Haare waren kupferrot und lockig und reichten mir bis zu den Schulterblättern. Ich seufzte. Wenn Law doch nur wüsste, wieso ich im Moment so viel trank. Ich tat es nicht, weil es mir so gut schmeckte oder weil ich mich dann cool fühlte. Nein, nur so konnte ich des Nachts schlafen, ohne stundenlang nachdenkend wachzuliegen. Ich hatte auch stark abgenommen, wenn ich mal zum Essen erschien, aß ich kaum etwas, mir fehlte einfach der Appetit. Doch es war mir egal, wie ich aussah. Ob ich damit meiner Gesundheit schadete. Ich fühlte mich einfach nur noch…leer. Bemerken schien mein Vater all das jedoch nicht, oder es interessierte ihn einfach nicht. Es war grade die Ignoranz meines Vaters, die mich so krankmachte. Egal was ich tat, wie viel ich trainierte, welche Fortschritte ich machte, mein Vater ignorierte mich. Schon seit Jahren. Manchmal kam es sogar vor, dass sie wochenlang nicht miteinander redeten. Doch ich hatte nie aufgegeben. Immer weitergemacht, um nur einmal Anerkennung in den Augen meines Vaters zu sehen oder gelobt zu werden. Doch das war nie der Fall gewesen, Law war mir gegenüber immer kalt geblieben. Mir schien es, als würde er sogar jedes andere Crewmitglied mir gegenüber bevorzugen. Wahrscheinlich hatte er sich einfach einen Sohn gewünscht und war enttäuscht eine Tochter zu haben. Eine Tochter wie mich. Da ich durch Leistung bei meinem Vater nichts erreicht hatte, hatte ich aufgegeben. Ich fühlte mich wertlos. Als Kind hatte ich immer davon geträumt, ein starker Pirat zu werden der von allen, aber besonders von Law, respektiert wurde und dann Seite an Seite mit ihm zu kämpfen. Aber dies sollte sich wohl nicht erfüllen. Seit ich das realisiert hatte, ließ ich mich total gehen. Ich trainierte nicht mehr, verließ so gut wie nie mein Zimmer und das Essen vernachlässigte ich auch immer mehr. »Wenn doch nur meine Mam hier wäre... « Über meine Mutter wusste ich nichts. Ich lebte seit ich denken konnte auf der Death, einem hässlichen, stickigen und viel zu engen U-Boot. Mehrmals schon hatte ich versucht etwas über meine Mutter bei meinem Vater zu erfahren, dieser blockte jedoch immer ab und sein Gesicht verfinsterte sich jedes Mal. Ich seufzte erneut. Dann fiel mir ein, dass ich ja noch das Deck schrubben musste. „Na toll, als Putze bin ich ihm also gut genug“ brummte ich. Ich stand auf, streckte mich und wankte zur Tür. Kapitel 2: ----------- Gedankenverloren ging ich langsam den Gang hinunter in Richtung Deck. Die hellen, warmen Farben der Wände und das grelle Licht der Flurbeleuchtung bildeten einen starken Kontrast zu meiner momentan eher gedrückten Gefühlslage. Wenn man das, was ich fühlte, überhaupt als Gefühle bezeichnen konnte. Es war vielmehr ein Gefühl von innerer Leere. Ich nahm mir aus der Kammer am Ende des Gangs die Utensilien, die ich benötigte, um das Deck zu schrubben, und trat durch die Tür auf das Außendeck. Sofort wehte mir frische Seeluft um die Nase und die Sonne schien mir ins Gesicht. Jeder andere hätte das wahrscheinlich toll gefunden und sich nach dem langen Aufenthalt in dem dunklen U-Boot darauf gefreut, eine Weile auf dem sonnendurchfluteten Deck verweilen zu können, aber ich hasste es. Ich hätte mich viel lieber weiter in meinem dunklen Zimmer verkrochen. Deshalb nahm ich mir vor, die Arbeit hier so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, dann meinen Küchendienst abzuarbeiten und mich schließlich nochmal Schlafen zu legen. Denn trotz dass ich heute sogar verschlafen hatte, fühlte ich mich extrem müde. Dazu kamen noch meine Kopfschmerzen, welche auch die eingenommenen Schmerztabletten nicht vollständig hatten verschwinden lassen können. Ich begann mit dem Schrubben des Decks. Bereits nach kurzer Zeit begann mein Arm zu schmerzen, nach zwei Stunden fühlte er sich an als ob er gleich abfallen würde. Die Sonne schien prall in meinen Nacken, und ich hatte grade erst etwas mehr als die Hälfte geschafft. Frustriert lehnte ich mich an die Reling. »Wenn diese Arbeit doch wenigstens Sinn machen würde, aber es ist doch eh nur eine doofe Beschäftigungsmaßnahme meines Vaters, damit ich merke, wer hier auf dem Schiff das Sagen hat… Aber ganz ehrlich, ich bin nie gefragt worden, ob ich ihn als meinen Captain akzeptiere, also muss ich ihn auch nicht als solchen anerkennen. Und Befehle entgegen nehmen schon mal gar nicht. « Entschlossen legte ich die Bürste neben den Wassereimer auf den Boden, ließ das Deck halbfertig geschrubbt zurück und begab mich in die Kombüse, um meinen Küchendienst abzuarbeiten. Dort angekommen wurde ich vom Koch, einem Typen namens Saburo, angewiesen, Kartoffeln zu schälen und diese anschließend kleinzuschneiden und der Suppe hinzuzugeben. Müde wie ich war, brauchte ich zunächst eine Ewigkeit die Dinger zu schälen, und dann kippte ich aus Versehen fast die Hälfte der Kartoffelschalen mit in die Suppe. Ups. Nun ja, vielleicht war das Law ja eine Lehre, mich nicht mehr zum Küchendienst zu verdonnern. Nachdem ich auf Anweisung des Kochs die Tische im Speiseraum gedeckt und die Suppenkessel auf diesen platziert hatte, legte ich noch jedem Crewmitglied einen Brotkanten neben seinen Teller. Law einen besonders großen, da ich genau wusste, dass er Brot hasst. Der Speiseraum war ein mittelgroßer Raum, in dem circa 30 Personen Platz hatten. Da die Crew mit einschließlich mir aus 21 Mitgliedern bestand, waren noch einige Plätze unbesetzt. Der Raum selber war in demselben hässlichen Gelb wie das U-Boot gestrichen. Nach nur zehn Minuten tauchten bereits die ersten meiner Crewmitglieder auf. Die meisten grüßten mich, manche nickten mir nur zu und für ein oder zwei war ich Luft. Mir war das vollkommen egal. Fast waren mir die, die mich nicht beachteten, lieber als die, die um jeden Preis ein Gespräch mit mir anfangen wollten. Wie zum Beispiel Penguin und Shachi, die beide neben mir saßen und mich mit Fragen wie „Wo warst du heute Morgen?“ oder „Warum isst du nichts?“ löcherten. Da ich mit den beiden ganz sicher nicht über diese Themen reden wollte, gab ich mein Bestes, sie einfach wie Luft zu behandeln. Außerdem war ich mir sicher, dass sie alles brühwarm an Law weitererzählen würden – Wenn Law die beiden nicht sogar extra darauf angesetzt hatte, mich auszufragen. Als Law wenig später den Speiseraum betrat, wurde es still. Alle Augenpaare richteten sich auf ihn. Alle außer meine. Ich fixierte einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Ich hörte Law sich räuspern, bevor er mit seiner üblichen monotonen Stimme zum Reden ansetzte: „Wie ihr bemerkt habt, sind wir seit gestern aufgetaucht. Wir werden morgen Nachmittag die nächste Insel erreichen. Ausgang wird nur begrenzt möglich sein, da sich eine Marinehauptbasis auf der Insel befindet. Wir werden für drei Tage dort vor Anker liegen. Es gilt wie immer: Wer das Boot verlässt, meldet sich ab. Die zu erledigenden Aufgaben werde ich morgen früh verteilen.“ Als sich Law gesetzt hatte, schwoll der Lärmpegel der Gespräche wieder an. »Ausgang, hm?« Ich war schon lange nicht mehr von Bord gegangen, ich hatte in der letzten Zeit einfach nie Lust dazu gehabt. Viel zu sehr hatte ich die Stille in meinem Zimmer genossen, während alle übrigen von Bord gegangen waren. Aber ich nahm mir vor, mich dieses Mal wenigstens kurz auf der Insel umzusehen. Als alle anderen aufgegessen hatten, stand ich auf und wollte gerade den Weg zurück in meine Kombüse antreten, als ich hinter mir ein Räuspern vernahm. Ich drehte mich um, und sah in die sturmgrauen Augen meines Vaters. „Mina“, erklang seine raue Stimme, „Folge mir in mein Arbeitszimmer. Wir haben zu reden.“ Ohne weitere Worte ging er mit mir im Schlepptau den Gang entlang. Er betrat sein Zimmer und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Ich blieb in der Tür stehen und betrachtete sein Büro. In der Mitte des Raumes stand sein Schreibtisch. Links und rechts davon waren Bücherregale mit Fachbüchern über alle möglichen medizinischen Bereiche. An der hinteren Wand war ein kleines Fenster, durch welches Sonnenlicht hereinfiel. Dann richtete sich mein Blick auf Law. Er blicke mich ungeduldig und mit einer hochgezogenen Augenbraue an und schien darauf zu warten, dass ich mich setzte. Also setzte ich mich ihm gegenüber und blickte ihn fragend an. „Also Mina“, setzte er an. „Auf einem Schiff ist es wichtig, dass alle verlässlich ihrer Arbeit nachgehen und dieses deshalb jederzeit gegen einen Angriff gewappnet ist. Dafür ist es notwendig, dass der Captain von allen respektiert wird, die Crew diesem loyal ergeben ist und seine Befehle ohne zu zögern ausgeführt werden.“ Law machte eine Pause, bevor er mit erhobener und eisiger Stimme fortfuhr: „Ich verstehe allerdings nicht, wieso du glaubst, dich meinen Befehlen widersetzen zu können, Mina. Nicht nur dass du das Deck nur zur Hälfte geschrubbt hast, du verunstaltest auch noch die Suppe –ja, ich habe es gemerkt dass da Kartoffelschalen drin waren- und gefährdest somit auch noch die Gesundheit deiner Crewmitglieder! Grade als Tochter eines Arztes solltest du wissen was die Glykoalkaloide in Kartoffelschalen für Auswirkungen haben können! Erwarte nicht dass ich du Sonderrechte hast, nur weil du meine Tochter bist, denn-“ „Hör auf!“, brüllte ich ihn an, „Du behandelst mich doch sogar noch schlechter als die anderen! Was habe ich dir getan?! Bin ich dir nicht gut genug?! Ist es dir vielleicht mal in den Sinn gekommen, dass ich es gar nicht schaffen kann, das Deck alleine zu schrubben?! Warum zeugst du überhaupt ein Kind wenn du es dann nicht auf die Kette kriegst, dich darum zu kümmern?!“ Damit hatte ich bei ihm wohl einen Nerv getroffen. Ich sah regelrecht, wie sich seine Miene verfinsterte, ehe er mit leiser Stimme sprach: „Das reicht Mina. Da dir anscheinend immer noch der nötige Respekt vor deinem Captain fehlt, wirst du das Deck ab jetzt jeden Tag schrubben. Einmal morgens und einmal abends. Du wirst die Lager neu sortieren. Den Spüldienst übernehmen. Die Waffen im Waffenraum schärfen. Und die restliche Zeit hast du in deiner Kabine zu bleiben. Haben wir uns da verstanden?“ Ich antwortete ihm nicht. Ich blickte ihn hasserfüllt an und stürmte aus seinem Arbeitszimmer. Lief den Gang entlang in mein Zimmer. Erst als ich mein Zimmer erreicht hatte und die Tür hinter mir verschlossen war, ließ ich meinen Tränen, die ich bis dahin zurückgehalten hatte, freien Lauf. Ich sank auf den Boden und lehnte mich gegen die Tür. Ich fühlte mich einfach nur einsam. Mir fehlte jemand, der mich einfach mal in den Arm nahm und mich tröstete. Aber da ich eine solche Person nicht hatte, saß ich noch stundenlang zusammengekauert auf dem Boden. Erst des Nachts schaffte ich es, aufzustehen und mich in mein Bett zu legen. Es sollte weitere drei Stunden dauern, ehe ich es durch einen gestiegenen Alkoholpegel schaffte, langsam ins Reich der Träume abzutauchen. Kapitel 3: ----------- Ich konnte nicht lange geschlafen haben, denn als ich aufwachte, war es noch dunkel. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst kurz nach 5 Uhr war. Was mich aufgeweckt hatte wusste ich nicht, aber da ich eh nicht mehr einschlafen konnte, beschloss ich, ins Bad zu gehen. Dabei gestaltete sich bereits das Aufstehen als Problem. Neben meinen inzwischen zur Routine gewordenen Kopfschmerzen fühlte ich mich durch den Nahrungsmangel der letzten Tage schwach und mir war schwindlig. Mühselig schleppte ich mich ins Bad. Um meinen Kreislauf anzuregen, duschte ich abwechselnd warm und kalt. Im Anschluss daran griff ich mir irgendwelche Kleidungsstücke aus meinem Schrank und zog diese an. Ich besaß eh nur schwarze und graue Hoodies und ein paar dunkle Jeans. Mein Aussehen war mir eigentlich komplett egal. Solange ich keinen dieser weißen Anzüge anziehen musste, die die restliche Crew trug. Law musste einen über den Durst getrunken haben, als er die entworfen hatte. Ich ließ den Blick durch mein Zimmer schweifen, welches eher spärlich eingerichtet war. Neben meinem Bett und dem Kleiderschrank waren noch ein kleiner Schreibtisch und ein Bücherregal vorhanden. Das Regal quoll über vor Fachbüchern über Kampftechniken und Waffen, die ich mir mal zugelegt hatte, als ich noch den Ehrgeiz gehabt hatte, so zu trainieren, dass ich in Punkto Stärke irgendwann mit meinem Vater mithalten konnte. »Was war das für eine verschwendete Zeit gewesen« dachte ich traurig. Ich konnte nun zwar -in meinen Augen- einigermaßen gut kämpfen, jedoch konnte ich noch lange nicht mit meinem Vater oder anderen Piraten mithalten. Und in meiner momentanen Verfassung sowieso nicht. Seufzend wandte ich den Blick ab, drehte mich um und verließ mein Zimmer. Wollte ich zumindest. Als ich die Tür aufmachte, lag neben dieser an die Wand gelehnt ein großer, weißer Eisbär in einem orangenen Anzug und schlief seelenruhig. Bepo. »Was machte der denn hier...?« Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf, bis mich die Erkenntnis wie ein Blitz traf. Wut kochte in mir hoch. Law hatte also seinen Plüschbären geschickt, damit dieser aufpasste, dass ich mein Zimmer nicht einfach verließ. Vorsichtig, um ihn nicht aufzuwecken, schloss ich meine Tür, und schlich leise den Gang entlang in Richtung Deck. Ich brauchte dringend frische Luft. Auf dem Deck angekommen atmete ich erst mal tief durch. »Was bildete sich mein Vater eigentlich ein? Erst halste der mir unmenschlich viel Arbeit auf, dann ließ der mich auch noch überwachen! Och ne, die ganzen Strafaufgaben, die er mir aufgegeben hatte, hab ich ja ganz vergessen... Was sollte ich nochmal machen? Spüldienst, Deck schrubben und...?« Ich hatte Law wohl nicht richtig zugehört, denn ich erinnerte mich nicht mehr daran, was ich noch alles machen musste. Was ich jedoch wusste, war, dass ich die Aufgaben nicht machen würde. Ich war mir bewusst, dass ich dadurch wahrscheinlich den Ärger meines Lebens bekommen würde. Aber wenn Law glaubte, dass ich alles machte, was er mir auftrug, nur weil er mein Erzeuger war, hatte er sich echt getäuscht. Sollte er mich doch von Bord werfen, mir war mittlerweile egal was mit mir passierte. Wahrscheinlich behielt er mich nur an Bord, damit ich niemandem Insiderinfos über seine Bande lieferte. Ich trat an die Reling und betrachtete die aufgehende Sonne. So verweilte ich eine ganze Weile, genoss die Stille, und dachte nach. Ich wusste nicht, was mir die Zukunft bringen würde. Ich hatte in meinem Leben nichts erreicht, hatte keine Pläne oder Ziele mehr. Genau genommen vegetierte ich grade vor mich hin. Zu sagen, dass mein Leben sinnlos war, traf es wohl am besten. Ich sah noch einmal ins Meer und zu den sich schäumenden Wogen, ehe ich mich umdrehte und zurück unter Deck ging. Planlos lief ich die scheinbar wie ein Labyrinth angelegten Gänge entlang. Als ich klein war, hatte ich mich hier oft verlaufen. Ein kurzer Anflug eines Lächelns flog über mein Gesicht. Damals, ich war 4 gewesen, hatte ich dann solange weinend in irgendeinem Gang gesessen, bis mein Vater oder ein anderes Crewmitglied mich gefunden und getröstet hatte. Nicht selten hatte mich mein Vater dann mit meiner schlechten Orientierungslosigkeit aufgezogen. Ich spürte einen Stich in meinem Herzen. Zu der Zeit war die Beziehung zwischen mir und meinem Vater so unbeschwert gewesen. So vertraut. Ich hatte ihn als mein großes Vorbild angesehen. Ihm nachzueifern versucht. Hart trainiert. Mit der Zeit hatten wir uns jedoch immer weiter distanziert, Law hatte sich immer kälter mir gegenüber verhalten. Irgendwann hatte er mich kaum mehr beachtet, wenn er mich anblickte, waren in seinen Augen keine Gefühle mehr gewesen. Ich meine, mit Liebe, Stolz oder Anerkennung hatte er mich noch nie angesehen. Aber die Kälte in seinen Augen, wenn er mich anblickte, war zuvor nicht dagewesen. Das fing an, als ich gerade einmal 7 war. Ich war noch ein Kind gewesen und konnte damit überhaupt nicht umgehen. Hatte mich gefragt, was ich falsch gemacht hatte. Immer härter trainiert, weil ich dachte, dass er stolz auf mich wäre, wenn er sähe, was er für eine starke Tochter hat. Pustekuchen. Es wurde immer schlimmer. Wie oft habe ich schon damals des Nachts weinend wachgelegen und mir die Schuld dafür gegeben, dass Law mich zu hassen schien... Ich war so in Gedanken versunken, dass ich garnicht bemerkte, wie ich gegen etwas lief. Kurz danach fand ich mich auf dem Boden wieder. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass Bepo vor mir stand und mir seine Tatze hinhielt, um mir aufzuhelfen. Ich nahm seine Hilfe an, doch als ich aufstand, verschwamm kurz die Sicht vor meinen Augen und ich musste mich an ihm abstützen. Ich nahm kaum wahr, dass sich Bepo tausendfach bei mir entschuldigte. »Hatte Bepo mich etwa gesucht, nachdem er gemerkt hatte, dass ich nicht mehr in meinem Zimmer war? Warum ließ Law mich so überwachen?« Sobald ich wieder einigermaßen sehen konnte, setzte ich meinen Weg in Richtung Kantine fort. Auch wenn ich nicht vorhatte, etwas zu essen, so war doch bei jeder Mahlzeit Anwesenheitspflicht und ich wusste, dass mich Law bei erneutem Nichterscheinen zur Not auch in die Kantine schleifen würde. Zumal heute eingeteilt würde, wer welche Aufgaben beim Anlegen an die Insel zu erledigen hatte. Als ich die Kantine betrat, waren dutzende Augenpaare auf mich gerichtet. Na toll. Ich hatte Law, welcher vorne stand und eine seiner Ansprachen hielt, mitten im Satz unterbrochen, wofür ich einen kalten Blick seinerseits kassierte. Ihn ebenfalls kalt ansehend setzte ich mich auf meinen Platz neben Penguin und Shachi, die mir nur kurz zunickten und ihre Aufmerksamkeit dann wieder Law schenkten. "...Also, als letztes ist noch der Wachposten für das Schiff einzuteilen. Es werden 3 Leute eingeteilt werden, die mir bei jeder kleinsten Auffälligkeit Bescheid zu geben haben. Beachtet, dass die Marine hier stationiert ist. Es ist also ganz besonders große Aufmerksamkeit geboten. Darüber hinaus..." Ich nahm seine Worte wie durch einen Schleier wahr. Viel zu sehr hatte ich mit der in mir aufkommenden Übelkeit zu kämpfen. Zudem schien sich alles um mich herum zu drehen. "...Der Wachposten wird von Shachi, Jean Bart und Penguin übernommen werden." Neben mir hörte ich die beiden motzen, dass ausgerechnet sie diese unliebsame Aufgabe erhalten hatten. "Die Aufgaben werden morgen neu verteilt. Ich erwarte vollsten Einsatz bei der Erfüllung dieser.", fuhr Law fort. Verwundert hob ich meinen Kopf. Ich wandte mich an den neben mir sitzenden Penguin und fragte ihn: "Sag mal, weißt du welcher Aufgabe ich zugeteilt wurde?" Dieser schien nachzudenken und sah mich stirnrunzelnd an, ehe er antwortete "Ne Sorry, aber am besten fragst du da mal den Captain..." "Seid vorsichtig und verhaltet euch unauffällig. Zettelt keinen Streit an. Und trinkt nur so viel, dass ihr alleine zurück zum Schiff findet. Ich will morgen früh keine Schnapsleichen aufsammeln müssen. Außerdem seid ihr so angreifbarer.", schloss Law seine Ansprache an die Mannschaft. Ich wartete, bis alle aufgegessen hatten und den Raum verließen, -was mir wie eine Ewigkeit vorkam- und stand dann auf, um mich mit langsamen Schritten in Laws Richtung zu begeben. Dieser saß noch an seinem Platz und war in irgendwelche Seekarten vertieft. Da er mich entweder nicht bemerkte, oder mich ignorierte, räusperte ich mich. Langsam hob Law den Kopf, sah mich kurz an und sprach mit monotoner Stimme: „Was gibt´s?" Gekränkt sah ich ihn an. Als er vorhin zur Crew gesprochen hatte, war seine Stimme nicht so kalt gewesen. "Da ich zu spät kam, habe ich die Aufgabenverteilung nicht ganz mitbekommen. Ich wollte somit fragen, welcher Aufgabe ich nach dem Anlegen des Schiffs nachzugehen habe." Law senkte seinen Blick wieder auf seine vorliegenden Pläne und Skizzen, ehe er mir antwortete. "Keine." Verwirrt runzelte ich die Stirn. "Wie meinst du das, Law?", fragte ich ihn. "Du hast mich schon richtig verstanden, Mina." Law schob stand auf und schob seinen Stuhl zurück, ehe er weitersprach: "Ich dachte, ich hätte mich gestern deutlich ausgedrückt. Ich erwarte von meinen Crewmitgliedern absoluten Gehorsam und Loyalität. Ich muss mich auf sie verlassen können, und sie sich auf mich. Auch müssen sie über eine gewisse physische Stärke verfügen, sonst bringen sie die ganze Crew in Schwierigkeiten. Du weißt, wie gefährlich es sein kann, wenn ein Mitglied der Crew in die Hände des Gegners gelangt. Du hingegen schaffst es nicht einmal, das Deck zu schrubben. Und das Schiff lasse ich auch nur von Leuten überwachen, denen ich voll und ganz vertrauen kann. Du Mina wirst in deiner Kabine bleiben. Ich werde jemanden zu deiner Bewachung dalassen. Und vergiss nicht, vorher die Aufgaben zu erledigen, die ich dir gestern gab." Mit diesen Worten nahm mein Vater seine Sachen und ließ mich alleine in der Kantine stehen. Nur langsam realisierte ich, was dieser mir grade an den Kopf geworfen hatte. Er hielt mich für schwach? Er...Er vertraute mir nicht? Dachte er etwa, ich würde meine Crew verraten? Und er wollte mich überwachen lassen?! Die Traurigkeit, die sich zunächst in mir ausgebreitet hatte, wich langsam, aber stetig, Zorn und Hass. Da war auf der einen Seite der Hass auf Law. Dafür, wie er mich behandelte. Dass er mich für schwach und unfähig hielt und mich überwachen lassen wollte. Grade neu hinzugekommenen Crewmitgliedern mehr vertraute als seiner Tochter. Aber da war auch noch der Hass auf mich selbst. Dass ich zu wenig trainiert hatte. Dass ich schwach war. Ich war ein Nichts in den Augen meines Vaters. Wut kochte in mir hoch, und im nächsten Moment warf ich einen vor mir stehenden Teller gegen die Wand, der zerbrach. Doch das war mir nicht genug. Schwer atmend konnte ich meine Aggressionen nicht mehr unterdrücken. Ich musste dringend meine Wut an irgendwas auslassen, sonst würde ich noch wahnsinnig werden. So begab ich mich zum Trainingsraum. Kapitel 4: ----------- Bereits eine gefühlte Stunde verbrachte ich damit, im Trainingsraum sämtliche Einrichtungsgegenstände mit meinem Katana zu Kleinholz zu verarbeiten. Überall im Raum lagen kaputte Trainingsutensilien, zersplittertes Holz der Waffenregale und Glasscherben. Doch mein Zorn war noch lange nicht verebbt. Zitternd vor Wut stand ich in der Mitte des Raumes und umklammerte meine Waffe so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten und sich meine Fingernägel ins Fleisch bohrten. An meinem Körper befanden sich durch die umherfliegenden Glassplitter zahlreiche Schnittverletzungen, die teilweise sogar ziemlich stark bluteten. In meinem linken Handgelenk befand sich ein größerer Splitter. Unter mir bildete sich bereits eine Blutlache. Ich betrachtete den zerstörten Raum. Das passierte also, wenn man sich seiner Wut hingab, statt sie zu unterdrücken. Aber es hatte sich gut angefühlt... Zumindest bis jetzt. Denn langsam spürte ich immer stärker den Schmerz der Verletzungen, die ich mir zugezogen hatte. Mir war schon immer bewusst gewesen, dass Law mich für zu schwach hielt. Aber dass er es mir so direkt ins Gesicht sagte, war dann einfach zu viel gewesen und ich hatte die Kontrolle verloren. Eine plötzliche Welle von Müdigkeit überkam mich, und ich wäre am liebsten auf der Stelle eingeschlafen. Dennoch zwang ich mich, den Weg zurück in meine Kabine anzutreten. Auf dem Weg dorthin hinterließ ich eine Spur von Blutstropfen, über die wohl früher oder später jemand stolpern würde. Das würde noch Ärger geben. Durch den Blutverlust wurde mir schwindlig. Fuck. Hatte ich mich etwa zu sehr verausgabt und die Verletzungen unterschätzt? Kurz vor meiner Kabinentür fiel ich auf meine Knie. »Mist.« Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen könnte, wäre, dass mich jemand in diesem Zustand fand und Law herholen würde. Ich musste es wenigstens bis in mein Zimmer schaffen. Keuchend lehnte ich mich an die Wand, und versuchte, gegen die mich einnehmende Schwärze anzukämpfen. Ein Kampf, den ich verlieren sollte. Kurz darauf schloss ich vollkommen erschöpft meine Augen und gab mich der erlösenden Dunkelheit hin. Mühsam öffnete ich meine Augen. Mehrmals musste ich gegen das grelle Licht anblinzeln. Ich starrte an eine weiße Decke. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kamen meine Erinnerungen an das Geschehene zurück. Ich hatte in Wut den Trainingsraum zerstört und mir dabei Verletzungen zugezogen, die mich auf dem Weg zurück in meine Kabine hatten das Bewusstsein verliere lassen... »Moment mal, wo bin ich denn grade? Liege ich immer noch auf dem Flur?« Mit großer Anstrengung drehte ich meinen Kopf zur Seite. Dort stand Law, mit dem Rücken zu mir, und zog eine Spritze auf. Ich hörte, wie er leise vor sich hin murmelte, verstand aber nicht genau, was. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mich im Behandlungszimmer befinden musste. Die medizinische Ausrüstung, der Desinfektionsmittelgeruch und die Einrichtung des Raumes waren da eindeutig. Ich schien auf einer Liege in der Mitte des Rames zu liegen. Ich sah, wie Law sich langsam umdrehte und wie er wahrnahm, dass ich wach war. Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich direkt vor mich. Sein Blick war nicht wie sonst kalt und emotionslos, sondern es spiegelten sich Wut und Fassungslosigkeit darin wieder. "Sag mal was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Du hast nicht nur den gesamten Trainingsraum zerstört, Nein, auch der Flur sah aus als ob man ein Tier darin geschlachtet hätte! Was glaubst du, wie geschockt Bepo war, als er dich fand! Du hast Glück, dass man dich so schnell gefunden hat! Aus Strafe hätte ich dich eigentlich liegen lassen sollen, damit du beim nächsten Mal dein Hirn einschaltest! Wenn es überhaupt ein nächstes Mal gegeben hätte..." Ich schloss die Augen wieder. Mir war einfach nur kotzübel und von Laws Standpauke wurde das auch nicht besser. Hätte ich in der letzten Zeit was gegessen, hätte ich mich sicherlich jetzt erbrochen. Ein leichtes Pieksen an meinem Arm zeigte mir, dass mir mein Vater wohl gerade eine Spritze geben wollte. Aber leider wollte ich das nicht. Trotzig wie ein kleines Kind zog ich meinen Arm weg. Law hatte mich schwach genannt. Ich würde ihm das Gegenteil beweisen, indem ich jetzt aufstand und hier rausmarschierte. So war zumindest mein Plan. Leider ließ der sich nicht so gut in die Tat umsetzen wie ich erhofft hatte. Zum einen hielt Law meinen Arm fest, welchen ich ihm zu entziehen versuchte, während er mir die Spritze verpassen wollte. Zum anderen knickten meine Beine sofort, als ich mich zur Seite drehte und aufstehen wollte, unter mir weg und konnten mich nicht tragen. Unsanft kam ich auf dem Boden auf. Law schien das alles wortlos zu beobachten. Erneut startete ich einen Versuch, aufzustehen. Der misslang. Ich fühlte mich dafür viel zu schwach und müde. "Was hast du mir für Medikamente gegeben Law?", krächzte ich, immer noch mit allen vieren auf dem Boden liegend. "Beruhigungsmittel. Du brauchst Schlaf, Mina.", antwortete dieser mit kühler Stimme. "Und wenn du nicht aufhörst, dich gegen die Spritze zu wehren, werde ich dich auf der Liege fixieren müssen, und glaub mir, das willst du nicht." Er beugte sich zu mir hinunter, und hielt meinen Arm fest. Ausgerechnet den, in dem zuvor der große Glassplitter gesteckt hatte. "Ey Lawii, nisch machen", lallte ich. Was auch immer er mir zuvor verabreicht hatte, ich fühlte mich besoffen davon. "Du tust misch weh", heulte ich. Wieder versuchte ich, meinen Arm aus seinem Griff zu entziehen. Da riss ihm wohl endgültig der Geduldsfaden. Ohne Mühe hob dieser mich unsanft hoch, legte mich auf die Liege und fixierte meine Arme und Beine mit Gurten. Bewegungsunfähig sah ich, wie er erneut mit der Spritze an mich herantrat und es kurz darauf piekste. Fast gleichzeitig überkam mich eine unglaubliche Müdigkeit, der ich nach kurzer Zeit nachgab. Als ich das nächste Mal aufwachte, fühlte ich mich schon viel besser. Zwar waren die Kopfschmerzen und die Übelkeit noch da, aber die restlichen Schmerzen waren deutlich zurückgegangen. Mein Blick schweifte durch Laws Arztzimmer. Auf einer Uhr sah ich, dass es bereits nach 17 Uhr war. Wir mussten also bereits angelegt haben. Mühsam richtete ich mich auf. Die Fixierungen hatte Law zum Glück gelöst. Neben mir regte sich etwas. Neben die Tür gelehnt standen Penguin und Shachi, flüsternd in ein Gespräch vertieft. Als ich meine Füße aufsetzte und schwankend aufstand, drehten die beiden ihre Köpfe in meine Richtung, nur um im selben Moment loszustürmen. Penguin in meine Richtung, und Shachi verließ das Zimmer, vermutlich, um Law zu holen. Penguin versuchte sofort, mich dazu zu bewegen, mich wieder hinzulegen, was ich nicht zuließ. Ich wollte doch nur hier raus. Grade, als ich rabiater gegenüber Penguin zu werden beabsichtigte, betrat Shachi mit Law im Schlepptau das Zimmer. Dieser hatte einen äußerst genervten Gesichtsausdruck. "Bleib liegen, Mina.", sprach dieser mit monotoner Stimme. Ich tat was er sagte. Nicht, weil er mir das befahl, sondern weil mich mein Aufstehversuch komplett ermüdet hatte. Auf einen Wink Laws hin verließen Penguin und Shachi das Zimmer. Law trat näher an mich heran. "Da die Mannschaft gleich das Schiff verlässt und an Land geht, solltest du wissen, dass du in diesem Raum bleiben wirst. Ich werde Bepo mit deiner Überwachung beauftragen. Solltest du auf dumme Ideen kommen, hat Bepo die Erlaubnis, dagegen vorzugehen. Wenn ich mit dem Koordinieren des Auffüllens der Vorräte und den anderen Aufgaben fertig bin, werde ich dich aufsuchen. Dies kann etwas dauern. Aber ich denke, wir müssen uns dann nochmal unterhalten. Scheint so, als ob du grundlegende Regeln dieses Schiffes noch immer nicht begriffen hättest. Aber was erwarte ich auch von dir..." Den letzten Satz hatte Law eher zu sich selbst als zu jemand anderem gesprochen. Ich hatte ihn natürlich trotzdem gehört. Wütend stand ich auf. Und stolperte zu meinem Pech. Schon wieder. Diesmal hatte ich weniger Glück und knallte mit meinem Kopf gegen den Medizinschrank. Ich spürte das warme Blut meinen Kopf herunterlaufen. Law, der grade auf dem Weg zur Tür gewesen war, hielt inne und sah mich ob meiner Dummheit ungläubig an. Zum zweiten Mal an diesem Tag musste Law mich hochheben und wieder auf die Liege legen. Wieder fixierte er mich an diese. "Zu deiner eigenen Sicherheit", sprach dieser. Dann untersuchte er meine neu entstandene Platzwunde am Kopf, leuchtete in mein Auge und fragte mich, ob mir schwindlig sei oder übel, was ich bejahte. Law stöhnte genervt auf und schien etwas im Medizinschrank zu suchen. "Du hast es wahrscheinlich auch noch geschafft, dir grade eine Gehirnerschütterung zuzuziehen." Erbarmungslos setzte er erneut eine Spritze an meinem Arm an. Ich wollte protestieren, wollte er mich etwa schon wieder schlafen schicken? Dumpf vernahm ich noch seine kalte Stimme: "So bist du wenigstens keine Gefahr mehr für dich selbst.", ehe ich weg döste. Kapitel 5: ----------- Schmerzen. Das war das Erste, das ich wahrnahm, sobald ich aufgewacht war. Mein Kopf und meine verletzte Hand schmerzten höllisch und mir war speiübel. Als ich versuchte, die Augen zu öffnen, wurde ich von der untergehenden Abendsonne geblendet. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten. Mühsam richtete ich mich auf. Nachdem mir wieder eingefallen war, warum zur Hölle ich auf einer Liege in Laws Behandlungszimmer lag, sah ich auf die Uhr. Es war 21:07 Uhr. Ich hatte demnach ganze 4 Stunden geschlafen. Benommen blickte ich mich um und entdeckte Bepo, der mit dem Rücken an die Tür gelehnt auf dem Boden saß und schlief. »Stimmt, der sollte mich ja überwachen..« Diese Erkenntnis ließ meine Stimmung, die ohnehin schon im Keller war, noch mieser werden. Mein lieber Vater hatte mich mal wieder eingesperrt und unter Bewachung gestellt. Ich stellte beide Füße auf den Boden und versuchte aufzustehen, indem ich mich an der Liege abstützte. Noch wacklig auf den Beinen näherte ich mich dem schlafenden Bepo. Gebannt betrachtete ich seinen entspannten Gesichtsausdruck und seine regelmäßigen, tiefen Atemzüge. Ich verblieb eine ganze Weile so und beobachtete Bepo beim Schlafen. Ich seufzte. Mein Vater hatte mir ja vorhin angedroht, noch vorbeizukommen um mit mir über mein "Fehlverhalten" im Trainingsraum zu sprechen. Ich fühlte mich schon mies genug, ich wollte nicht erneut von ihm gesagt bekommen, wie unfähig ich war. Schämte er sich, eine Tochter wie mich zu haben? Hatte sich Law einen kampfstarken Jungen gewünscht, der in die Fußstapfen seines Vaters trat? Hatte sich Law überhaupt ein Kind gewünscht, oder war ich ihm angehängt worden...? Wenn ich so eine Enttäuschung darstellte, wieso warf er mich dann nicht aus der Crew? Gegen meinen Willen traten Tränen in meine Augen. Ich musste dringend hier raus. Ich überlegte, wie ich am Besten hier raus kam, ohne dass Bepo aufwachte. Würde ich ihn einfach zur Seite schieben, würde er aufwachen. "Was muss der auch direkt vor der Tür liegen!", knurrte ich. Mein Blick schweifte durch den Raum, und blieb an der Spritze hängen, die Law mir vorhin verabreicht hatte. Sie lag auf dem Medizinschrank. Ich näherte mich dieser, und sah, dass in der dazugehörigen Ampulle noch die Hälfte drin war. Es schien sich um ein starkes Schlafmittel zu handeln. Ob ich Bepo damit...? Da er sowieso schlief, würde er es nicht bemerken und ich könnte aus meinem Gefängnis entfliehen.. Meine anfängliche Begeisterung für diesen Plan wich jedoch kurz darauf Zweifeln und Gewissensbissen. Aber was sollte schon schief gehen? Keiner würde es bemerken, da war ich mir sicher. Außerdem hatte Law mich damit vorhin doch sogar mehrmals ruhiggestellt.. Ich wollte Bepo ja nicht schaden, sondern nur seinen schlafenden Zustand verlängern und intensivieren. Ich nahm mir eine saubere Spritze aus dem Schrank und zog diese mit dem Mittel auf. Dann trat ich vorsichtig auf Bepo zu. In Zeitlupentempo setze ich die Spritze an seiner Ellenbogeninnenseite an und injizierte ihm das Medikament. Zu meinem Pech schlug dieser gleichzeitig die Augen auf. Der anfänglichen Müdigkeit in seinen Augen wich sehr schnell Panik und Entsetzen, als dieser mich und mein Handeln bemerkte. Sekunden später wirkte jedoch bereits das Mittel, und Bepos Augen fielen wieder zu. Auch wenn man ihm ansah, dass er gegen die Müdigkeit ankämpfte. »Scheiße!« Panik breitete sich in mir aus. Dass Bepo aufwachte und mich sah, war nicht eingeplant gewesen. Ich schob ihn zur Seite und öffnete die Tür. Ich brauchte dringend frische Luft um nachzudenken. So lief ich in Richtung Deck. Auf der Hälfte des Weges verschwamm plötzlich meine Sicht und ich musste mich seitlich an die Wand lehnen. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Als ich sie wieder aufschlug, war mir immer noch schwindlig. Langsam, aber beständig, setzte ich meinen Weg fort. Fast hatte ich es bis zum Deck geschafft. Nur noch wenige Meter trennten mich von der Tür. Als diese sich abrupt öffnete und kein anderer als mein Vater eintrat.»Mist, Einen unpassenderen Moment hätte der sich nicht aussuchen können«! fluchte ich innerlich. Law bemerkte mich nicht direkt, da er sich grade mit Penguin und Shachi unterhielt, die ihn über die Ereignisse während ihrer Wachschicht informierten. Erst, als die drei schon ein paar Meter gegangen waren, fiel Laws Blick auf mich und er sah mich erst mit Verwirrung an, dann wurde sein Ausdruck düster. "Mina. Was machst du hier?", ertönte seine kühle Stimme, die laut in den Gängen widerhallte. Law kam mit schnellen Schritten auf mich zu. "Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, dass du Bettruhe brauchst. Ich sagte doch, du sollst das Behandlungszimmer nicht verlassen. Du hast schon wieder meine Befehle missachtet. Hat Bepo etwa wieder nicht aufgepasst?" Unbewusst drückte ich mich immer stärker gegen die Wand. Ich versuchte Laws Blick, der mich förmlich zu röntgen schien, auszuweichen, indem ich auf den Boden blickte. Mein Schweigen auf diese Frage hin muss Law wohl seltsam vorgekommen sein, denn seine Augen verengten sich und er runzelte seine Stirn. "Mina, was verschweigst du mir?" Da ich ihm nicht antwortete, packte er meinen Arm und zog mich mit sich in Richtung Behandlungszimmer. Wie ein Schraubstock legte sich sein Griff um meine Hand. Je näher wir dem Raum kamen, desto vehementer versuchte ich, mich aus seinem Griff zu lösen und stehenzubleiben. Law hingegen steigerte, je mehr ich mich wehrte, sein Tempo. Es schien ihm seltsam vorzukommen, dass ich nicht mit der Sprache rausrückte und abhauen wollte. Am Raum angekommen, stieß er langsam die Tür auf und sah sich um. Sofort entdeckte er Bepo, der immer noch direkt neben der Tür lag und schlief. Law tat an diesen heran."Bepo?", flüsterte dieser. "Bepo?" Laws Stimme war lauter geworden. Ich wusste, dass Law Bepo schon lange kannte und ihm diese Situation suspekt vorkommen musste. Das Bepo viel schlief, war kein Geheimnis. Normalerweise jedoch nicht so tief. Ich sah, wie sich Law zu Bepo herunterbeugte und Bepos Puls maß. Seine Stirn runzelte sich. Dann fiel sein Blick auf die Spritze, die ich fahrlässig neben Bepo auf dem Boden hatte liegen lassen. Ich sah, dass er eins und eins zusammenzählte und sich ein düsterer, fast schon geschockter Ausdruck auf seinem Gesicht abzeichnete. Ruckartig stand mein Vater auf und rief Penguin und Shachi zu sich. Als er mich anblickte, war in seinen Augen nur Kälte und Wut, und auch Entsetzen. Panik machte sich in mir breit. Ich drehte mich um und lief. Doch ich kam nicht weit. Bereits nach wenigen Metern hörte ich Law "Room" rufen und es bildete sich eine blaue Kuppel um mich herum. Sekunden später befand ich mich wieder vor meinem Vater. Dieser packte mich am Kragen und drückte mich gegen die Wand. In diesem Moment hatte ich das erste Mal richtige Angst vor meinem Vater. "Mina, du hast deinen Nakama betäubt?! Was ist in dich gefahren?!, brüllte mich dieser an. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Ich konnte mich nicht erinnern, dass er je so ausgerastet war. Dabei hatte ich mich doch nur nicht weiter einsperren lassen wollen. Hatte ich einen Fehler begangen?... »Nein«, dachte ich, mein Vater behandelte mich doch auch nicht besser. Entschlossen hob ich meine beiden Hände und versuchte Laws Griff zu lockern, woraufhin dieser mich noch fester festhielt. "Penguin, Shachi!", befahl er, "bringt sie in eine Arrestzelle, ich kümmere mich später um sie." Die beiden angesprochenen sahen ihren Captain überrascht an, gehorchten ihm aber und hielten mich fest. Scheinbar hatten sie die Situation nicht verstanden. Als ich von ihnen weggeführt wurde, sah ich, wie sich Law über Bepo beugte und erneut seinen Puls maß. Der Weg zu den Arrestzellen zog sich ewig hin. Immer wieder warfen mir meine beiden Bewacher irritierte Blicke zu, ich hingegen sah stur geradeaus. Die Zellen wurden eigentlich nie benutzt, Law machte normalerweise keine Gefangenen und sie dienten höchstens manchmal als Ausnüchterungszellen, falls irgendein Crewmitglied mal viel zu tief ins Glas geschaut haben sollte und auf andere losging. Bei den Zellen angekommen, blieben wir stehen. Shachi öffnete eine von diesen und Penguin führte mich hinein. Sie sahen mich fragend an, und Shachi sprach aus, was wohl beide grade dachten: "Mina, was ist passiert? Wieso lag Bepo am Boden, und warum lässt der Captain dich hier einsperren?" Die Verwirrung war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. Ich ignorierte ihn. Nach ein paar Minuten des Wartens auf eine Antwort gaben die beiden auf, seufzten und schlossen die Zellentür ab, ehe sie den Gang verließen. Ich setze mich auf den Boden, zog meine Knie an und guckte ins Leere. Mit der Zeit fing ich an zu zittern, es war nicht gerade warm hier drin. Das war noch untertrieben, es war sogar arschkalt. Ich hätte mir jetzt Sorgen um Bepo machen, Gewissensbisse verspüren oder den Drang haben können, mich zu entschuldigen. Jedoch verspürte ich nichts davon. Ich fühlte sich einfach nur leer, einsam und ungeliebt. Ich dachte in dieser Nacht noch sehr viel nach. Mein Vater schien mich zu hassen, ich wurde von ihm benachteiligt und eingesperrt, und ich war schwach. Und wenn ich das richtig einschätzte, würde sich die Beziehung zwischen mir und meinem Vater in der Zukunft auch eher nur noch verschlechtern. Auch wenn mir das Leben als Pirat immer gefallen hatte, schien ich Laws Ansicht nach nicht hier hin zu gehören. So fasste ich noch tief in der Nacht, während mir das sanfte Mondlicht durch ein Gangfenster ins Gesicht leuchtete und meine Zelle in ein gespenstisches Weiß tauchte, den Entschluss, dass ich schon bald dieses Schiff, und mit Law den letzten und einzigen Menschen, der mir früher mal etwas bedeutet hatte, verlassen würde. Kapitel 6: ----------- Geschlafen hatte ich in dieser Nacht nicht. Vielmehr waren meine Gefühle in dieser Zeit Achterbahn gefahren und meine Stimmung hatte stets zwischen depressiv, gleichgültig und wütend geschwankt. Dennoch stand mein Entschluss, die Crew meines Vaters zu verlassen, fest. Ich würde ihm damit bestimmt auch noch einen Gefallen tun. Die ganze Nacht über hatte ich damit verbracht, mich an gute wie auch schlechte Zeiten auf der Death zurückzuerinnern. Ich wusste nicht, was ich machen würde, hätte ich erst einmal die Crew verlassen. Ich glaubte nicht einmal, dass ich dadurch glücklicher werden würde. Doch ich wollte nicht noch einmal diese Enttäuschung in den Augen meines Vaters sehen müssen, wenn dieser mich ansah. Mittlerweile ging die Sonne auf, und ich starrte immer noch abwesend die Wand an. Doch ich sah sie nicht wirklich, ich war geistig komplett abwesend. Die mich umgebende Kälte nahm ich schon gar nicht mehr wahr. Die wenigen mich erreichenden Sonnenstrahlen wärmten mich nicht. Nur am Rande bemerkte ich, dass mir Essen hingestellt wurde. Von wem, wusste ich nicht, es war mir aber auch egal. Ich verlor sämtliches Zeitgefühl. Irgendwann wurde mein Teller ausgetauscht und ein neuer hingestellt. Es musste demnach schon Mittag sein. Wieder verging einige Zeit, ehe ich erneut jemanden an meine Zelle herantreten sah. Wenn ich die unterschiedlichen Stimmen richtig deutete, waren mindestens drei Personen anwesend. Ich war mittlerweile zu müde, um meine Augen aufzubehalten, und so schloss ich diese. Ich nahm nur einzelne Gesprächsfetzen wahr. "Hat...wirklich...Bepo...indem...?" "Wieso hat...Essen nicht...?" "Blass...Captain...sofort!" Ich hörte, wie die Zellentür aufgesperrt wurde und jemand an mich herantrat. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, abzuhauen. Wenn ich das gekonnt hätte. Leider schaffte ich es nicht, meinen Körper auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Erst als ich die warme Hand desjenigen, der in meine Zelle getreten war, auf meiner Stirn spürte, verstand ich, wie kalt ich selbst sein musste. Irgendjemand schien auf mich einzureden, aber ich hörte nicht, was. Als nächstes spürte ich, wie ich hochgehoben und getragen wurde. Minuten später wurde ich auf etwas weiches gelegt. Zum ersten Mal an diesem Tag wandte ich meinen Kopf ein wenig zur Seite, um meine Umgebung zu betrachten. Ich lag tatsächlich schon wieder auf der Liege in Laws Behandlungszimmer. Oh Nein. Law wollte ich jetzt eigentlich ungern begegnen. Doch machen konnte ich nichts dagegen, ich fühlte mich zu schwach, um auch nur ansatzweise einen Aufstehversuch zu starten. Eine Weile lag ich einfach nur da, bis ich eine kalte und genervt klingende Stimme vernahm: "Ihr könnt alle gehen, Penguin und Shachi, ihr bleibt hier." Man konnte sich entfernende Schritte hören, ehe Law weitersprach: "Also, was gibt es?" Es war Penguin, der ihm antwortete: "Captain, irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Ihre Haut fühlt sich eiskalt an, sie reagiert auf nichts und sie ist leichenblass. Sie hat weder heute Morgen noch heute Mittag ihr Essen angerührt oder etwas getrunken. Und Captain, ich und Shachi sitzen ja beim Essen normalerweise neben ihr. Die ganzen letzten Tage schon hat sie bei den Mahlzeiten nur dagesessen und nichts zu sich genommen." Law schien ihnen nicht zu antworten, stattdessen legte er seine Hand auf meine Stirn. Sie fühlte sich warm, und gleichzeitig rau an. "Sagt mal, ihr habt die Zelle aber mit einer Decke ausgestattet gehabt, oder?", wandte sich Law an die beiden. Daraufhin herrschte betretenes Schweigen, was Law als Nein auffasste. "Sie ist unterkühlt und geschwächt. Shachi, hol eine Decke. Und Penguin, hilf mir sie an eine Nährinfusion anzuschließen." Ich musste weggedämmert sein, denn als ich aufwachte, war es vollkommen still im Raum und ich schien die einzige anwesende Person zu sein. Mir ging es schon viel besser als am Mittag, auch wenn ich mich etwas benommen fühlte. Langsam setzte ich mich auf und sah mich um. Die Sonne ging schon unter, es musste also schon spät sein. Erst jetzt fiel mir der Schlauch auf, der mir intravenös eine Flüssigkeit zuzuleiten schien. Ich zog ihn aus meiner Armbeuge und entfernte den Zugang, schlug meine Decke zurück und stand auf. Nach anfänglichem Schwanken trat ich zur Tür und legte meine Hand auf die Klinke. Noch nie war ich mir in einer Sache so sicher gewesen wie jetzt. Wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, würden wir morgen ablegen und ich hätte meine Chance vertan. Bis zur nächsten Insel konnte es Wochen dauern, und zudem stand das Gespräch mit meinem Vater wegen der Sache im Trainingsraum und der Angelegenheit mit Bepo noch aus, Konfliktpotenzial war also gegeben. Ich atmete tief durch, und trat durch die Tür auf den Gang. Es war niemand zu sehen. Wahrscheinlich war die Crew beim Abendessen, was mir gelegen kam. So leise wie möglich begab ich mich zu meiner Kabine. Der Weg kam mir ewig lang vor. Ich beeilte mich und nahm mir nur etwas Geld, meine Jacke und mein Katana mit, welches ich mit einem Gurt auf meinem Rücken befestigte. Ein letztes Mal sah ich mich in meiner Kabine um, ehe ich mich umdrehte und diese hinter mir ließ. Langsam schloss ich meine Kabinentür. Die kurz in mir aufwallenden Zweifel verdrängte ich sofort. Auf schnellstem Wege begab ich mich in Richtung Deck. Mehrmals musste ich mich dabei vor vorbeieilenden Crewmitgliedern verstecken, die auf dem Rückweg vom Essen zu ihren Kabinen waren. Ich hoffte inständig, dass Law nach dem Essen nicht direkt ins Behandlungszimmer gegangen war, um nach mir zu sehen und ihm somit mein Fehlen auffiel. »Obwohl- warum sollte er sich nach meinem Wohlergehen erkunden wollen?«, dachte ich bitterlich. Sicher würde es ihm spätestens morgen Nachmittag auffallen, wenn ihm einfiel, dass er mir noch eine Strafpredigt zu halten hatte... Außer Atem stand ich gefühlte Stunden später vor der Tür des Außendecks. Als ich hinter mir Gelächter anderer Crewmitglieder vernahm, die in diese Richtung zu kommen schienen, riss ich schnell die Tür auf und lief hinaus. Es war stockduster und man erkannte kaum die Hand vor Augen. Ohne einen Blick zurück sprang ich von Bord und kam hart auf dem Boden auf. So schnell ich konnte, lief ich einfach geradeaus in die dunkle Nacht, weg von der Death, weg von meinem Vater und hin zu einer Zukunft, von der ich nicht wusste, was sie mir bringen würde. Ein paar Stunden später auf der Death: Müde stützte Law seinen Kopf auf seine Hände und gähnte. Seit einer gefühlten Ewigkeit schon studierte er dieses Buch über die Funktionsweise der molekularen Zellerkennung im Gehirn. Sein Kopf schmerzte tierisch. Seufzend schlug er das Buch zu und streckte sich. So müde wie er sich fühlte, hoffte er, dass er heute Nacht ausnahmsweise einmal würde durchschlafen können. Er musste vorher nur noch einmal nach Mina schauen. Mina... Law seufzte. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Tochter hatte sich ins Bodenlose verschlechtert. Mina trieb ihn in letzter Zeit beinahe täglich in den Wahnsinn, auch wenn er das vor seiner Crew niemals offen zeigen würde. Sie missachtete seine Befehle, widersetzte sich ihm, hatte den Trainingsraum beinahe vollkommen zerstört und ihren Nakama betäubt! Die letzten beiden Dinge hatten ihn zutiefst schockiert. Es zeigte ihm, dass sie immer mehr wurde wie ihre Mutter. Mittlerweile war sie ihrer Mutter nicht mehr nur äußerlich ähnlich, sondern auch in ihrem Handeln und Denken erkannte Law Minas Mutter wieder. Immer ähnlicher wurden sich die Beiden. Und dass musste er verhindern, um jeden Preis. Zu schmerzhaft war für ihn die Erinnerung daran, was an dem warmen Sommertag vor 17 Jahren passiert war, an dem Mina ihre Mutter verloren hatte... Durch ein hektisches Klopfen an seiner Tür wurde er aus seinen Gedanken gerissen. "Herein", rief Law, und fragte sich, wer ihn um so eine Uhrzeit noch störte. Die Tür wurde mit Schwung aufgestoßen und Penguin kam, nach Atem ringend, herein. Dieser begann auch sofort ohne Pause zu reden: "Captain, wir haben ein Problem. Ich sollte ja zwischendurch mal nach Mina schauen, und- Sie ist weg! Ich und ein paar andere haben schon alles abgesucht, aber wir können sie nirgends finden!" Law sah ihn mit unergründlicher Miene an, und befahl ihm weiterzusuchen, ehe er aus seinem Büro trat, um sich selbst ein Bild von der Situation zu verschaffen. Kapitel 7: ----------- Scheiße, tat mein Rücken weh. Die ganze Nacht über hatte ich gegen die Wand gelehnt in einem Hauseingang verbracht, und das rächte sich jetzt. Nun, als die Stadt von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet wurde, sah ich zum ersten Mal die hellen, weißen Häuser, welche strikt in einer Reihe standen und eine Art Gasse bildeten. Jedes Haus sah gleich aus. Wie langweilig... Ich stand auf und begann, planlos durch die Stadt zu laufen. Viel gab es nicht zu sehen. Neben den Häusern waren noch ein Marktplatz, ein Rathaus, eine Kirche und ein paar Bars vorhanden. Alles war in demselben, eintönigen Weiß gehalten. Diese Stadt ödete mich jetzt schon an. Bestimmt lebten hier nur reiche, eitle Spießer, die in ihrer Freizeit nichts besseres zu tun hatten, als Gartenzwerge zu sammeln und mit den Nachbarn zu streiten, welches Haus weißer war. Jetzt, als ich meinen Entschluss, das Schiff meines Vaters zu verlassen, in die Tat umgesetzt hatte, wusste ich nicht, wohin ich gehen sollte, geschweige denn, was ich aus meinem Leben machen sollte. Darüber hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Ich wusste nur, dass ich es nicht lange auf dieser Insel aushalten würde. Zumal es hier ja auch eine Marinehauptbasis gab. Zwar glaubte ich nicht, dass der Marine bekannt war, dass Trafalgar Law eine Tochter hatte, geschweige denn, wie ich aussah, aber ich musste ja auch keine Konfrontation mit der Marine herausfordern. Law hatte stets darauf geachtet, dass ich der Marine gegenüber unauffällig blieb. Was mir immer voll gegen den Strich gegangen war, schließlich hatte ich eine berühmt-berüchtigte Piratin werden wollen. Als ich klein war, hatte ich oft von meinem eigenen Steckbrief geträumt und Law geschworen, irgendwann ein höheres Kopfgeld als er zu haben. Ein kurzer Anflug eines Lächelns huschte über mein Gesicht. »Wie naiv ich doch damals noch gewesen war...« Trotz, dass es noch früh am Tag war, liefen schon verhältnismäßig viele Menschen durch die Gassen der Stadt. Und, wie wäre es auch nicht anders zu erwarten gewesen, trugen sie allesamt weiße Klamotten. Neben denen fiel ich in meinen schwarzen Sachen auf wie ein bunter Hund, und so wunderte ich mich nicht, dass ich unverhohlen angestarrt wurde. »Hatten die noch nie einen schlechtgelaunten, dunkelgekleideten Piraten gesehen?« Diese Leute machten mich aggressiv. Finster starrte ich jeden an, der mir begegnete. Ich nahm mir vor, erst einmal eine Gaststätte aufzusuchen und nach einem Zimmer zu fragen. Ich wusste, dass das Boot meines Vaters erst heute Abend ablegen würde. Sicherlich würde meine Crew- meine ehemalige Crew- heute noch einmal ordentlich feiern gehen. Und so konnte ich mich besser vor ihnen verstecken. Darüber hinaus war ich todmüde und konnte eine Mütze Schlaf gut gebrauchen. Ich suchte mir eine Herberge am Rande der Stadt aus und wartete am Tresen auf den Wirt. Ungeduldig klopfte ich mit meinen Fingern auf diesen. Irgendwann tauchte er dann endlich auf. Es war ein kleiner, dicker und unsympathisch wirkender Mann, welcher aufmerksam mein Gesicht musterte und mich dann nach meinem Begehr fragte. Sein Blick blieb einen Moment lang an meinem Katana hängen. Ich ließ mir ein kleines Zimmer geben und musste dafür ein halbes Vermögen hinblättern. Der Mann führte mich noch bis zu meinem Zimmer und ließ mich schließlich alleine. Ich war von vornerein davon ausgegangen, dass mein Zimmer nicht besonders groß sein würde. Aber es war winzig! Außer einem Bett, einer Uhr und einem Fenster gab es darin nichts. »Obwohl«, dachte ich mir, »immer noch besser als die Arrestzelle, in die Law mich gesperrt hatte.« Durch das Fenster hatte ich einen perfekten Ausblick auf die Stadt. Von oben sah man, dass tatsächlich ohne Ausnahme alles in weiß gehalten war. Selbst der Sand des Strandes, den man von hier aus nur grob erkennen konnte, schien strahlend weiß zu sein. Ich wusste zwar nicht, wie diese Insel hieß, aber der Name "Weiße-Spießer-Insel" wäre sicherlich passend gewesen. Erschöpft ließ ich mich auf meinem Bett nieder und deckte mich zu. Trotz meiner Müdigkeit wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Gefühlte Stunden lag ich noch wach, ehe mich der Schlaf dann doch übermannte. Ausgeschlafen wachte ich auf und streckte mich. Mein Blick fiel auf die Uhr an der Wand. Ruckartig richtete ich mich auf. Es war schon fast 20 Uhr! Hatte ich etwa ganze 12 Stunden geschlafen? Das hieß... Sie waren weg. Meine Crew musste bereits weitergefahren sein. Es war ein komisches Gefühl. Aber es war meine Entscheidung gewesen, und jetzt musste ich fortan alleine klarkommen. Trotzdem verspürte ich irgendwo tief in meinem Herzen einen Stich, als mir bewusst wurde, dass ich meinen Vater vielleicht nie wieder sah. Betrübt nahm ich meine Sachen und beschloss, mir noch einmal die Stadt anzusehen. Ich brauchte dringend frische Luft. Mein Katana auf den Rücken schnallend öffnete ich meine Zimmertür. Ich bemerkte sofort, dass etwas nicht zu stimmen schien. Ich konnte weit und breit zwar niemanden erblicken, jedoch war die Atmosphäre um mich herum total angespannt. Es war viel zu leise, für das dies ein Gasthaus war. Kein Geräusch drang an meine Ohren. Langsam, und genauestens meine Umgebung im Auge behaltend, stieg ich die Treppen hinunter. Im Erdgeschoss angekommen, war immer noch keine Menschenseele zu sehen. Die ganze Situation kam mir mehr als suspekt vor. Mit schnellen Schritten durchquerte ich die Eingangshalle und blieb vor der Tür stehen. Ich war gerade dabei, diese zu öffnen, als ich hinter mir eine Bewegung wahrnahm. Im Bruchteil einer Sekunde hatte ich mich umgedreht, die auf mich gerichtete Waffe gesehen und demjenigen diese aus der Hand getreten. Erst im Anschluss daran erkannte ich, dass ich von mehreren dutzend Marinesoldaten umgeben war. Verblüfft starrte ich sie an. »Was taten die denn hier?« Einer von ihnen, vermutlich der Befehlshabende, trat nun vor und räusperte sich, ehe er zum Reden ansetzte: "Trafalgar D. Ocean Mina. Du bist festgenommen. Ergib dich." Ich war so irritiert, dass ich erstmal nicht antwortete. »Moment, woher kannten die meinen vollständigen Namen? Selbst Law hatte mich noch nie mit diesem angesprochen. Und woher wussten diese, wie ich aussah? Oder dass ich hier war?« Ich war mir nur in einer Sache sicher, und zwar dass ich mich ganz sicher nicht von ein paar Marineheinis festnehmen lassen würde. Wut kochte in mir hoch. Ich zog mein Katana und wartete darauf, dass meine Gegner den ersten Schritt machen würden. Die ließen auch nicht auf sich lange warten, nach wenigen Sekunden stürmten vier der Soldaten auf mich zu. Ohne Rücksicht schlitzte ich diese auf. Das umherspritzende Blut löste in mir keinen Ekel, sondern vielmehr das Verlangen nach mehr aus. Wie vor ein paar Tagen im Trainingsraum, unterdrückte ich meine Wut nicht, sondern ließ ihr die Oberhand. Nur waren meine Opfer diesmal keine Waffenregale und Trainingszubehör, sondern lebende Menschen. Und ich fand Gefallen am Töten. In meinem Blutrausch tötete ich fast die gesamte anwesende Marineeinheit. Bis mir mein von den Strapazen der letzten Tage gekennzeichneter Körper einen Strich durch die Rechnung machte. Denn als mir für einen kurzen Moment schwindlig wurde und ich infolgedessen zur Seite taumelte, nutzte das einer der verbliebenen Marinesoldaten, um mir sein Knie in meinen Magen zu rammen. »Verflucht« Meinen Bauch haltend sank ich auf die Knie. Als Nächstes wurden mir Handschellen angelegt. Doch ich hatte noch lange nicht aufgegeben. Ich würde eher sterben, als mich von denen festnehmen zu lassen. So viel Piratenehre besaß ich dann doch. Ich rollte mich zu Seite weg und stand auf. Es waren noch genau 7 Marinesoldaten im Raum. Mindestens das Dreifache von ihnen lag tot am Boden, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass ich so verhasst angesehen wurde. Mit gefesselten Händen hatte ich im Kampf keine Chance zu gewinnen. Also tat ich das, womit sie wohl nicht gerechnet hatten: Ich lief zum geschlossenen Fenster und sprang mit voller Wucht dagegen. Hart kam ich inmitten eines Haufens aus Glasscherben auf dem Boden auf. Ich spürte, wie sich einige von diesen in mein Fleisch bohrten. Doch ich zwang mich aufzustehen, nur um den Schock meines Lebens zu bekommen. Ich war von Marinesoldaten umzingelt, die allesamt ihre Waffen auf mich gerichtet hatten. Sie schienen das Gasthaus schon zuvor umstellt zu haben. Hinter mir ging die Türe des Gasthauses auf, und die Marinesoldaten von eben traten heraus. Hasserfüllt starrten sie mich an. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich würde nicht einfach so aufgeben. Ich würde bis zum Ende kämpfen. So lief ich geradewegs in die bewaffnete Menge der Marinesoldaten, nur um ein paar von ihnen meinen Fuß ins Gesicht zu treten, ehe mich einige der von ihnen abgefeuerten Kugeln in der Schulter, im Bauchraum und am Arm trafen. Schmerzerfüllt sank ich zu Boden. Ich hatte verloren, ich war genau so schwach, wie Law es immer gesagt hatte. Ich war von der Death abgehauen, um schließlich als Gefangener bei der Marine zu landen. Das nenn ich mal vom Regen in die Traufe. Während ich von der Marine abgeführt wurde, verschwamm meine Sicht und mich überkam eine wohltuende Schwärze, welcher ich mich nur zu gerne hingab. Ich wusste, ab jetzt konnte alles nur noch schlimmer werden. Kapitel 8: ----------- Nur mit Mühe schaffte ich es, überhaupt meine Augen zu öffnen. Sie waren schwer wie Blei. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Orientierungslos sah ich mich um. Ich war in eine Zelle gesperrt. Vor dieser befand sich ein schmaler Gang, welcher nur schwach durch eine Fackel beleuchtet wurde. Als ich versuchte, mich zu bewegen, bemerkte ich die Fesseln an meinen Händen und Füßen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo ich mich hier befand oder wie ich hier her gekommen war. Nur langsam und bruchteilhaft kamen in mir die Erinnerungen an die Ereignisse im Gasthaus zurück. Dass ich den Kampf verloren hatte, und nun Gefangene der Marine war. Ein anderer hätte jetzt Wut, Angst oder Traurigkeit verspürt. Doch mir war es in diesem Moment egal, was als nächstes passieren würde. Ich hatte bestimmt mehrere Stunden dort gesessen und abwesend die Zellentür betrachtet, ehe ich Schritte vernahm. Kurze Zeit später erschienen zwei Umrisse in meinem Sichtfeld. Müde schloss ich die Augen. Nachdem ich hörte, wie sich ein Schlüssel in der Tür drehte, schien jemand meine Zelle zu betreten. Ich stellte mich schlafend, was sich als Fehler herausstellte, als ich von einem der beiden eine saftige Ohrfeige kassierte. Sofort schlug ich meine Augen auf. Meine Wange pochte und durch den Schmerz traten mir Tränen in die Augen. Nebenbei spürte ich, wie meine Fesseln gelöst wurden und ich auf die Beine gehoben wurde. Ein stechender Schmerz in meinem Fuß ließ mich zusammenzucken. »Stimmt, ich hab ja so einige Kugeln abbekommen...« Darauf keine Rücksicht nehmend, wurde ich von den zwei Marinesoldaten aus meiner Zelle hinaus in den Gang gedrängt. Deutlich spürte ich die Waffe, die mir von einem der Beiden in den Rücken gedrückt wurde. Wortlos wurden mir Handschellen angelegt. Sekunden später wurde ich weitergestoßen, in den dunklen, engen Gang hinein. Mir fiel auf, dass es noch hunderte andere Zellen gab, die aber alle leer waren. Das zog sich eine Weile so hin, ehe wir durch eine hölzerne Tür traten. Geblendet vom Sonnenlicht schloss ich reflexartig die Augen. Mir wurde für einen kurzen Moment lang schwindlig und ich schwankte. Gleichzeitig wurde ich von dem Soldaten hinter mir weitergedrängt, woraufhin ich stolperte und der Länge nach hinfiel. Ich vernahm um mich herum lautes Gelächter, es waren scheinbar noch mehr Marinesoldaten anwesend. Deutlich waren einzelne Aussagen herauszuhören, wie "Und das soll die Tochter des berüchtigten Chirurg des Todes sein? Das ich nicht lache, die Kleine ist voll die Witzfigur!" oder "Ich glaub ich weiß, wieso sie alleine hier auf der Insel herumlief! Trafalgar Law hat sich sicher so für sie geschämt, dass er sie hier ausgesetzt hat!". Das Gelächter schwoll immer lauter an. Ich verspürte nichts. Weder war ich wütend, noch stimmten mich diese Worte traurig. Denn ich wusste, dass sie mit beiden Aussagen Recht hatten. Ich war tatsächlich stärkemäßig eine Witzfigur neben meinem Vater. Des Weiteren war ich mir auch sicher, dass, wenn ich die Death nicht eigenständig verlassen hätte, mein Vater mich irgendwann ganz sicher von Bord geworfen hätte. So blieb ich teilnahmslos am Boden liegen und ließ diese Demütigung über mich ergehen, bis ich an den Haaren hochgerissen wurde. Meine beiden Wächter wollten weitergehen. Ohne Gegenwehr ließ ich mich von ihnen weiterführen. Nachdem wir durch schier endlose Gänge und Räume gegangen waren, blieben wir vor einer großen, roten Pforte stehen. Einer der Soldaten klopfte an, als ein "Herein" zu hören war, öffnete er die Tür. Den Blick zu Boden gesenkt, betrat ich mit meinen Begleitern einen großen, hell beleuchteten Raum. Es gab drei große Fenster und er war in Hellblau gestrichen. Im Kontrast dazu waren sämtliche Einrichtungsgegenstände in Weiß gehalten. Mehrere Marineplakate und Steckbriefe hingen an der Wand. Auf einer Wanduhr sah ich, dass es halb 10 am Morgen war. "Sir, wir bringen Ihnen die Gefangene." Erst jetzt bemerkte ich den Mann, der in der Mitte des Raumes an einem Schreibtisch saß. Dieser trug einen weißen Mantel mit goldenen Schulterabzeichen. Er wirkte alt, und sein Gesicht war von vielen Narben durchzogen. Die wenigen Haare, die er besaß, waren ergraut und hingen ihm platt vom Kopf herunter. Sein ebenfalls grauer Schnurrbart war gekringelt. Das Einzige, was nicht zu seinem Alter zu passen schien, waren seine eisblauen, funkelnden Augen. Zufrieden und interessiert betrachtete er mich mit diesen. Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. "Ihr könnt gehen." Die beiden Soldaten verließen umgehend den Raum und ließen mich mit diesem Kerl alleine. "Trafalgar D. Ocean Mina. Was für eine Freude, dich wiederzusehen. Setz dich doch." Fragend blickte ich ihn an. »Wiedersehen? War ich dem schon mal begegnet?« Da ich zu müde war, um mich mit ihm anzulegen, tat ich was er sagte und setzte mich. Sein Grinsen wurde noch breiter. "Brav, brav, du gehorchst ja." »Bitte? Hielt der mich für ein Hündchen?« Meine Stimmung verschlechterte sich, sofern das noch möglich war. Nach außen hin ließ ich mir hingegen nichts anmerken und starrte ihn weiter ausdruckslos an. "Also, du fragst dich sicher, wieso du hier bist." Ich schwieg ihn an, woran er sich nicht störte, im Gegenteil, er redete einfach weiter. "Oh, wo bleiben denn meine Manieren. Ich sollte mich wohl erstmal vorstellen. Mein Name ist Vizeadmiral Akamatsu und du kennst mich gewiss durch meine Heldentaten aus der Zeitung." Sein Grinsen wurde so breit, dass ich glaubte, ihm würden jeden Moment die Zähne rausfallen. Ich schüttelte den Kopf. »Ach du... In was für einer Anstalt war ich hier nur gelandet?« Einen Moment lang schien dieser beleidigt zu sein, dass ich ihn nicht kannte. Dann fasste er sich wieder und sprach weiter: "Nun ja, ich kann eben vom einem Piraten nicht erwarten, dass er Zeitung lesen kann. Wie dem auch sei. Du, Mina, bist hier, um uns im Kampf gegen die auf den Meeren vorherrschende Gesetzlosigkeit und Piraterie zu unterstützen." Ich sah in an, als ob er mir grade erzählt hätte, dass Law zusammen mit Eustass Kid auf pinken Einhörnern sitzend mit Barbiepuppen spielen würde. "Guck nicht so schockiert, Mina. Schon bald wirst du auf der Seite der Marine stehen." "Eher sterbe ich, du Marinedrecksack"; flüsterte ich kalt. "Glaub mir Kleine, das lässt sich einrichten. Aber ein schöner Tod würde es nicht werden." "Was wollt ihr überhaupt von mir? Ich bin nicht mal stark, sonst wäre ich wohl kaum hier. Sucht euch nen anderen, der euch hilft." "Falsch, Mina. Wir haben explizit dich rausgesucht, weil du etwas kannst, was uns fehlt." "Sag mal, hast du nen Sonnenstich?", murrte ich. "Ach, du weißt gar nicht, was ich meine? Du hast noch nie die Kontrolle über dich verloren und alles um dich herum zerstört? Der Bericht, der mir von deiner gestrigen Verhaftung vorliegt, sagt da aber was anderes. Du hast das halbe Gasthaus auseinandergenommen und mehrere Dutzend unserer Soldaten getötet." Sprachlos sah ich ihn an. Wovon redete er? Ja, ich verlor manchmal die Kontrolle über mich, wenn ich wütend war. Aber damit war ich doch gewiss nicht der Einzige. "Das ist eine Fähigkeit, die auch deine Mutter und schon deine Großmutter besaßen. Bei extremen Gefühlslagen verfielen sie in eine Art Blutrausch und zerstörten alles um sich herum. Man verliert die Kontrolle über seinen Geist und sein Handeln und stoppt erst, wenn man am Ende seiner Kräfte ist oder alles Leben um sich herum ausgelöscht hat. Die Intensität richtet sich nach der jeweiligen Stärke des Anwenders Wir können dir helfen zu lernen, das zu kontrollieren, Mina. Du wirst mächtiger werden als dein Vater." Geschockt starrte ich ihn an. "Wovon rede- Moment, was wissen sie über meine Mutter?! Kannten Sie sie?" Ein unheilvolles Glitzern legte sich in die Augen des Vizeadmirals. "Ja Mina, ich kannte deine Mutter, sogar sehr gut. Ocean Sunēku. Ihr seht euch wirklich verdammt ähnlich. Bis auf das Gesicht und die Augen, die hast du von diesem verabscheuungswürdigen Piraten geerbt." »Ocean Sunēku...« Endlich wusste ich den Namen meiner Mutter. Für einen Moment spürte ich Hoffnung in mir aufkeimen. Würde ich nach all dieser Zeit doch noch meine Mutter kennenlernen? "Was wissen Sie über meine Mutter? Woher kannten Sie sie?!" Aufgebracht fixierte ich sein Gesicht. "Alles zu seiner Zeit. Also, Mina, wirst du mit uns kooperieren? Wir werden zusammen deine Fähigkeiten trainieren und unter Kontrolle bringen, und du wirst der Marine helfen." "Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Ich bin selber Piratin, die Marine ist mein Feind. Niemals werde ich mich mit dieser verbünden." Akamatsu sah mich an und lachte. Es war ein tiefes, diabolisches Lachen. Dann grinste er mich wieder mit seinem unsympathischen Lächeln an, ehe er mir mit belustigter Stimme antwortete: "Ich hätte wirklich nichts anderes von der Tochter Trafalgar Laws erwartet. Jedoch glaube ich, dass du deine Meinung ändern und schon bald den Wunsch nach Rache und Gerechtigkeit verspüren wirst. Rache an Gesetzesbrechern, Piraten, und allen voran, an deinem Vater." Ruckartig sprang ich auf. "Ich werde meinem Vater, egal wie er mich behandelt hat, nie auch nur ein Haar krümmen werden", zischte ich, woraufhin der Vizeadmiral erneut laut auflachte. "Sicher? Auch wenn er daran Schuld ist, dass du einsam und ohne Mutter unter Gesetzlosen auf dem Meer aufgewachsen bist?" Meine Augen verengten sich. »Wovon zur Hölle sprach der?« "Dein Vater scheint ja so einiges vor dir geheim gehalten zu haben. Hör mir jetzt genau zu, Trafalgar D. Ocean Mina."Der Vizeadmiral nahm einen fast schon psychopathischen Gesichtsausdruck an und sah mir direkt in die Augen, als er die Worte sprach, die ich wohl niemals wieder würde vergessen können: "Deine Mutter, Ocean Sunēku, wurde vor 17 Jahren von keinem anderen als deinem Vater, Trafalgar D. Water Law, kaltblütig ermordet." Kapitel 9: ----------- "Deine Mutter, Ocean Sunēku, wurde vor 17 Jahren von keinem anderen als deinem Vater, Trafalgar D. Water Law, kaltblütig ermordet." Eine Ewigkeit schienen diese Worte im Raum zu stehen, ehe sie mich erreichten. Noch länger hingegen brauchte ich, bis ich verstand, was dies bedeutete. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich den Vizeadmiral an. Kein Wort brachte ich über meine Lippen. Immer wieder wiederholte ich diesen Satz in meinem Kopf. Das konnte einfach nicht wahr sein. »Mein Vater hat meine Mutter... Nein, das ging doch nicht, er hätte doch niemals- Das musste ein Scherz sein...« Verzweifelt sah ich Akamatsu in die Augen, suchte nach einem Anzeichen dafür, dass er die zuvor getätigte Aussage nicht ernst gemeint hatte. Doch seine Augen strahlten in diesem Moment eine solche Ernsthaftigkeit aus, dass ich wusste, er hatte die Wahrheit gesprochen. In diesem Moment brach für mich eine Welt zusammen. Wimmernd sank ich auf meine Knie und hielt mir den Kopf. Starke Emotionen kamen in mir hoch und vernebelten meinen Verstand. Zum einen war da Trauer und die Gewissheit, dass ich meine Mutter nie würde kennenlernen können. Bis grade hatte ich tief in meinem Herzen wenigstens noch einen kleinen Funken Hoffnung darauf bewahrt, welcher soeben erloschen war. Dann sollte sie auch noch meinem Vater getötet worden sein- dem Mann, der in meiner Kindheit mein Vorbild gewesen war, zu dem ich einmal aufgeschaut hatte, und dem ich nachzueifern versuchte! Langsam, aber beständig, kochten noch zwei andere Gefühle in mir hoch. Wut und Hass auf meinen Vater und der Wunsch nach Vergeltung. Mein anfängliches Wimmern steigerte sich zu einem wahnsinnigen Lachen. Da war wieder dieses Verlangen, alles um mich herum zu zerstören. Zu zerfetzen und zu töten. Ich gab diesem nach. Schwankend und schwer atmend stand ich auf. Mein Gesicht zierte ein irres Grinsen. Erneut sah ich den Vizeadmiral an, welcher mich interessiert und zufrieden musterte. Leider waren meine Hände noch gefesselt, aber das war mir gerade egal. Ohne Nachzudenken griff ich ihn an und versuchte, meinen Fuß in sein Gesicht zu rammen. Doch dieser duckte sich im Bruchteil einer Sekunde weg und versetzte mir einen Tritt in den Rücken, sodass ich in die Wand krachte. Schmerzerfüllt konnte ich mich nicht mehr rühren. Doch ich wollte mehr, wollte dass jemand litt. So schaffte ich es, trotz der Schmerzen aufzustehen, und drehte mich wieder zum Vizeadmiral um. Nur dass dieser nicht mehr alleine war, ganze 7 Marinesoldaten waren hinzugekommen. Ihre Waffen waren auf mich gerichtet, was ich in dem Moment ausblendete. Ohne Verstand sprang ich auf sie zu, um meinen Blutdurst zu stillen. Natürlich schossen diese auf mich, und trafen. Ich sank zu Boden. Erst als ich nun blutüberströmt auf dem Teppich lag und mich langsam Schwärze umhüllte, verebbten diese starken Gefühle, ich fühlte die Schmerzen der Verletzungen und ich gab mich der erlösenden Dunkelheit hin. Als ich wieder bei Bewusstsein war, lag ich in einem warmen und weichen Bett. Ich ließ meine Augen zunächst geschlossen. Zu sehr klammerte ich mich mit meinen Hoffnungen noch an dem letzten Strohhalm fest, dass alles nur ein Traum gewesen war. Ich hatte die Death nie verlassen, war nie in die Fänge der Marine geraten und mein Vater war auch nicht der Mörder meiner Mutter. Ja, so musste es sein. Ich würde jetzt einfach die Augen aufschlagen, und wäre im Behandlungszimmer der Death. So öffnete ich langsam meine Augen. Entsetzen machte sich in mir breit, als ich mich nicht auf der Death, sondern in einem mir fremden Raum befand und 2 bewaffnete Marinesoldaten vor meinem Bett standen. Ruckartig versuchte ich mich aufzurichten, was jedoch an den Fesseln an meinen Händen und Füßen scheiterte. "Ahhh, du bist wach.", ertönte eine ölige Stimme aus der Richtung, in der sich die Tür befand. Als ich meinen Kopf drehte, stand Vizeadmiral Akamatsu vor mir und wies die beiden Soldaten an, den Raum zu verlassen. Dann setzte er sich gegenüber von meinem Bett auf einen Stuhl, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und sah mich an. "Und, hast du dich entschieden?", fragte er mich ohne Umschweife. "Ich weiß nicht", flüsterte ich tonlos. "Aber ich habe einige Fragen, die ich ihnen gerne stellen würde." Sein Gesicht spannte sich merklich an, ehe er mir "In Ordnung. Ob ich antworte, hängt jedoch von der Frage ab." zuraunte. "Du solltest dir jedoch darüber im Klaren sein, dass wenn du dich weigerst, für uns zu arbeiten, du diese Marinebasis nicht mehr lebend verlassen wirst." Schweigend nickte ich, was bei meinem Gegenüber ein Grinsen auslöste. Scheinbar war dieser sich sicher, dass er mich überzeugt hatte. "Was ich mich schon die ganze Zeit frage: Mein Vater hat mich vor der Marine immer versteckt gehalten. Woher wusste die Marine, wie ich aussehe und dass ich die Crew meines Vaters verlassen habe?" "Mina, wir haben unsere Augen und Ohren überall. Unterschätze besser niemals die Einflusssphäre der Marine. Zudem sollte Law seine Crewmitglieder sorgfältiger auswählen." Er ließ ein lautes Lachen vernehmen. Davon ungeachtet stellte ich meine nächste Frage: "Woher wussten Sie, dass ich mich in dem Gasthaus befand?" "Mina, das Gasthaus wird von einem Marineangehörigen geleitet. Jeder Mensch, der dort übernachtet, wird von ihm an uns gemeldet und mit Steckbriefen abgeglichen. Da wir wussten, dass du dort umherwanderst, haben wir eine Meldung an ihn herausgegeben, mitsamt Personenbeschreibung." Nun verstand ich auch, wieso mich der Gastwirt so intensiv gemustert hatte, als ich nach einem Zimmer gefragt hatte. Nicht darauf eingehend stellte ich meine nächste Frage: "Was passiert mit mir, wenn ich wütend bin? Ich- Ich verliere komplett die Kontrolle über mich!" Gebannt sah den Vizeadmiral an. "Das ist die Fähigkeit, von der ich sprach. Wobei es weniger eine Fähigkeit als vielmehr eine fehlende emotionale Kontrolle ist, welche dir zu unermesslicher Stärke verhelfen kann. Richtig eingesetzt werden größere Kräfte in dir erweckt, als dir normalerweise zur Verfügung stehen. Auch Schmerzen werden bis man vollkommen erschöpft ist zunächst ausgeblendet. Da du es noch nicht kontrollieren kannst, unterscheidest du dabei nicht zwischen Freund oder Feind. Wenn du das erst einmal gezielt einsetzen kannst, wirst du die perfekte Waffe im Kampf gegen die Piraten sein. Du wirst ruhmreich werden, Mina. Und vielleicht sogar so berühmt, wie ich es bin." Seine Augen glitzerten ob dieser Vorstellung. Dieser Typ wurde mir immer unsympathischer. Dennoch musste ich ihm noch diese eine Frage stellen, die mir mehr auf der Seele brannte als alles andere. "Es gibt wirklich keinen Zweifel daran, dass es mein Vater war, der meine Mutter tötete?" Meine Stimme war zittrig. Der Vizeadmiral sah mich ernst an, ehe er mir antwortete: "Nein, Mina, Irrtum ist ausgeschlossen. Tut mir Leid, dass du es so erfahren musstest." Einige Minuten lang herrschte Schweigen, ehe er sich räusperte. "Aber um nun zum eigentlichen Thema zurückzukommen, ich warte immer noch auf eine Antwort. Wirst du auf unserer Seite stehen, oder wählst du den Tod?" Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Abwesend sah ich aus dem Fenster. Ich wusste, ich würde hier und jetzt eine Entscheidung treffen müssen. Doch ich wollte nicht mehr. Nichts würde sich bessern, wenn ich für die Marine arbeiten würde. Ich würde nur zu einem Werkzeug der Regierung werden. Womöglich würde ich im Kampf gegen Piraten noch meinem Vater über den Weg laufen. Und genau das wollte ich nicht. Nie wollte ich diesem Mann der sich als mein Vater bezeichnete in die Augen sehen. Die Vorstellung, dass ich diesem Mann einmal nachgeeifert hatte, als ich noch klein war, widerte mich an. Ich entschied mich also für den Tod. Als ich dem Vizeadmiral das mitteilen wollte, versagte meine Stimme. Ungeduldig sah er mich an. Grade, als ich meinen Mut zusammennahm und meine Sprache wiederfand, ertönten auf dem Flur hastige Schritte und kurz darauf wurde die Tür aufgestoßen. Kapitel 10: ------------ Vollkommen außer Atem standen zwei Marinesoldaten vor uns. Akamatsu schien über diese Unterbrechung alles andere als erfreut zu sein und wollte sie grade wieder hinausschicken, als einer der beiden auf ihn zutrat und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Sein Gesichtsausdruck war zuerst düster, dann hellte er sich auf und schließlich grinste er. Auf seinen Befehl hin wurden meine Fesseln gelöst und ich rieb mir meine schmerzenden Handgelenke. "So, Mina, nun wirst du zeigen können, auf welcher Seite du stehst. Komm mit" Mit schnellen Schritten verließ er das Zimmer und ich folgte ihm, nicht zuletzt wegen der von den Marinesoldaten auf mich gerichteten Waffen. Als ich auf den Gang trat, blieb ich einen Moment lang erstaunt stehen. Ich war tatsächlich auf der Krankenstation für richtige Marinesoldaten untergebracht worden. Akamatsu behandelte mich also nicht schlechter als einen Mitarbeiter der Marine... Schweigend ging ich weiter. Ich hatte Probleme, mit dem Vizeadmiral mitzuhalten. Wegen der noch nicht verheilten Verletzungen konnte ich nur langsam gehen und jeder Schritt schmerzte. Der Weg schien sich eine Ewigkeit so hinzuziehen. Ich fragte mich, wo wir überhaupt hinliefen. Irgendwann blieb Akamatsu stehen, drehte sich zu mir um und wartete, bis ich ihn eingeholt hatte. Grinsend sah er mich an. "Hörst du es auch, Mina?", fragte er mich. Erst jetzt nahm ich die lauten Kampfgeräusche und Schreie wahr. Waren wir hier in der Nähe der Trainingsplätze, oder woher kam dieser Lärm? Nachdenklich zog ich meine Augenbrauen zusammen. Je länger wir den Gang entlangschritten, und je näher wir der großen Tür am Ende des Ganges kamen, desto lauter wurde die Geräuschkulisse. Am Ende des Ganges machten wir halt. Noch immer wusste ich nicht, was wir hier wollten. Fragend blickte ich Akamatsu an. "Hier Mina, wirst du dich entscheiden müssen, ob du durch mein Training eine Karriere bei der Marine beabsichtigst oder du dein Leben beenden wirst. Als mein Schüler würdest du stark werden. Bedenke, was dein Vater getan hat. Mit meiner Hilfe wirst du deine Mutter rächen können. Solltest du dich jedoch gegen mich wenden, wird dir das noch Leid tun..." Mit diesen Worten trat er hinter mich und hielt mir eine Waffe an den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Was war nur hinter dieser Tür? Gleichzeitig bekam ich von ihm mein Katana, das ich beim Kampf im Gasthaus verloren hatte, in die Hand gedrückt. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Warum gab er mir eine Waffe? "Versuch erst gar nicht, mich anzugreifen. Wenn du nur daran denkst, werde ich dir eine Kugel in den Kopf jagen. Die Waffe wirst du für etwas anderes brauchen." Akamatsu drängte mich weiterzugehen. Er wollte wohl, dass ich die Tür öffnete. Trotz, dass sich alles in mir dagegen sträubte, weil ich ein ungutes Gefühl bei der Sache hatte, hob ich langsam meine Hand, drückte die Klinke nieder und stieß die Tür auf. Dahinter befand sich entgegen meiner Erwartungen kein Raum oder ein Gang, sondern die Tür ermöglichte einen Zugang zu einer relativ großen Empore, auf welche wir nun traten. Geblendet von der Sonne torkelte ich vorwärts, bis ich auf Widerstand stieß. Vor mir befand sich das Geländer der Empore. Von hier aus hatte man einen Ausblick über die gesamte Stadt. Aber nicht nur über diese, wie ich feststellen musste, sondern man sah auch den Vorplatz der Marinebasis, der sich einige Meter tiefer befand. Und als ich realisierte, was sich in diesem Moment auf diesem abspielte, bekam ich fast einen Herzinfarkt. Dort stand ein Großteil meiner Crew und lieferte sich einen Kampf mit der Marine, die ihnen anzahlmäßig um das mindestens 30-fache überlegen war. Ich konnte Bepo, Penguin und Jean Bart erkennen, welche sich deutlich von den anderen Crewmitgliedern abhoben. Ich schluckte. »Was taten die denn hier?« Jeder andere Pirat, der von der Marine gefangengenommen worden war, hätte sich sicherlich gefreut, wenn seine Crew aufgetaucht wäre. Ich nicht, meine Crew ekelte mich an. Allein schon, weil sie dem Mörder meiner Mutter treu ergeben waren. Und dann fand ich auch Law, welcher grade an vorderster Front mehrere Marinesoldaten niedermetzelte. Beim Anblick meines Vaters empfand ich nichts als Hass. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Würde Law jetzt vor mir stehen, hätte ich versucht ihm das Selbe anzutun wie er meiner Mutter. Akamatsu, welcher direkt hinter mir stand und mir die Waffe nun in den Rücken hielt, flüsterte mir zu: "Und, Mina, gefällt dir, was du siehst?" Er lachte mir leise ins Ohr. Ich schwieg, was dieser wohl als Anlass dafür zu sehen schien, weiterzureden: "Los Mina, zeig deinem Vater, auf wessen Seite du stehst." Das war keine Bitte gewesen, vielmehr ein Befehl, das wusste ich. Deshalb hatte ich von ihm also mein Katana zurückerhalten. Er wollte, dass ich Law und meine Crew angriff. Es war eigentlich egal, wie ich mich nun entschied. Würde ich mich weigern, würde Akamatsu mich hier und jetzt erschießen. Sollte ich Law und meine Crew angreifen, wäre ich innerhalb weniger Sekunden Hackfleisch. Denn dass er nicht davor zurückschreckte, Familienangehörige zu ermorden, wusste ich ja nun. Er würde gewiss auch mir gegenüber keine Gnade zeigen, wenn ich ihn angriff. Grade, als ich überlegte, ob ich nun Pest oder Cholera wählen sollte, entdeckte Law mich. Er hatte einen undefinierbaren Blick in seinen Augen. Nach und nach sahen auch die anderen Crewmitglieder zu mir hoch. Gleichzeitig wurden sie von immer mehr Marinesoldaten umringt. Da hörte ich zum ersten Mal seit ein paar Tagen wieder Laws monotone Stimme: "Mina, komm, beeil dich uns läuft die Zeit davon!", rief er. Als ich daraufhin in Laws kalte Augen blickte, fasste ich meinen Entschluss. Ihm würde ich nicht die Genugtuung überlassen, mich zu töten. Denn dass er das tun würde, weil ich abgehauen war, mich seinen Befehlen widersetzt hatte und nun auch noch wusste, was er meiner Mutter angetan hatte, daran bestand kein Zweifel. "Akamatsu", flüsterte ich, "Tu es. Bitte." Als ich von ihm ein irritiertes "Was?" zurückbekam, flehte ich ihn regelrecht an: "Erschieß mich. Bitte." Einen Moment lang schien er sprachlos, dann brach er in lautes Gelächter aus. "Hast du das gehört, Trafalgar Law? Deine Tochter möchte lieber sterben, als mit dir mitzugehen!" Deutlich war zu sehen, wie sich Laws Gesicht anspannte. Er rief seinen Crewmitgliedern irgendwelche Befehle zu, die daraufhin langsam vor der Marine zurückwichen. Law selber blieb unterhalb des Gebäudevorsprungs, auf dem ich mich befand, stehen und sah Akamatsu voller Hass an. "Trafalgar Law, so sehen wir uns also wieder, hehe. Unser letztes Zusammentreffen war ja eher flüchtig.", vernahm ich die ölige Stimme des Vizeadmirals. "Halt die Klappe oder ich zerschneid dich in tausende kleine Stücke, du Mistkerl", zischte Law. "Und jetzt rück meine Tochter raus, wenn dir dein Leben lieb ist." Abermals lachte Akamatsu laut auf. "Wieso fragen wir nicht Mina, ob sie überhaupt zu dir will?" Ich schloss meine Augen. Ich wollte einfach nichts mehr hören, fühlen oder sehen müssen. Ich wollte nur noch meine Ruhe haben. Dann setzte ich zu einer Antwort an: "Vater. Ich hasse dich, und wenn ich noch bei Kräften wäre, würde ich dich ohne zu zögern töten." Als ich nun meine Augen wieder aufschlug, blickte ich in das gefühlskalte Gesicht meines Vaters. Düster blickten mich seine Augen an, und eine Spur von Ungläubigkeit war darin zu lesen. Im Hintergrund hörte man Laws Crew, die ihrem Captain zurief, dass er sich beeilen solle. Immer mehr Marinesoldaten liefen aus der Basis und griffen sie an. Law war einen Moment lang abgelenkt, als ihn mehrere dutzend Soldaten umzingelten. Ich wusste, dass es nun Zeit war, sich aus dieser Welt zu verabschieden. Entschlossen sah ich meinem Vater in die Augen, welcher grade mehrere Soldaten gleichzeitig auseinandernahm, ehe ich mein Katana hob und mir dieses in meinen Oberkörper stieß. Warmes Blut lief sogleich den Griff und meine Hände hinab. Kraftlos sank ich auf meine Knie und kippte anschließend zur Seite. Ich spürte, wie Akamatsu meinen Oberarm packte, mich umdrehte und sich meine Wunde ansah. Scheinbar erkannte er, dass man für mich nichts mehr tun konnte. "Du hättest soviel erreichen können, Mina. Aber scheinbar bist du schwächer, als ich dachte." Er hob mich hoch und trug mich in Richtung des Geländers. Am Rande von diesem blieb er stehen. Mit schwindendem Bewusstsein nahm ich wahr, dass er mich darüber hob und mich über den Abgrund hielt. Allem Anschein nach wollte er mich nun, da ich für ihn als Waffe im Kampf gegen Piraten nutzlos geworden war, in die Tiefe fallen lassen, um mich wie Abfall zu entsorgen. Müde schloss ich die Augen und hoffte, dass es schnell gehen würde. Ich wurde losgelassen, und fiel gen Boden, darauf vorbereitet, jeden Moment aufzuknallen. Da meine Augen zu waren, sah ich nicht die blaue Kuppel, welche sich Sekunden vor dem Aufprall um mich herum bildete. Erst durch das vernommene "Shambles!" realisierte ich, dass da gerade irgendetwas anders lief, als ich geplant hatte. Kapitel 11: ------------ Hart landete ich in Laws Armen. Mehr tot als lebendig öffnete ich mit letzter Kraft kurz meine Augen. Da mein Kopf zur Seite gedreht war, hatte ich nur einen Ausblick auf den sich bewegenden Boden. Ich bekam nicht mit, was um mich herum geschah. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Nein, Law würde mich nicht retten können. Ich würde in seinen Armen sterben. Das würde seinem Ego bestimmt einen ordentlichen Kratzer verpassen, immerhin war er als Chirurg weitbekannt. Im nächsten Moment durchfuhr mich eine Welle des Schmerzes und ich krümmte mich zusammen. Zitternd riss ich meine Augen auf. Nur am Rande nahm ich wahr, dass Law seine Schritte beschleunigte. Ich hatte mir das Sterben ganz anders vorgestellt, und wünschte mir, dass es nicht mehr lange dauerte. Immer wieder dämmerte ich weg, nur um dann Minuten später wieder das Bewusstsein zu erlangen. Mein ganzer Körper fühlte sich an, als würde er brennen. Von der einen auf die andere Minute bekam ich keinen Sauerstoff mehr und ich schnappte röchelnd nach Luft. Immer wieder verkrampfte sich mein Körper und ich wand mich schmerzerfüllt in Laws Armen. Irgendwas stimmte hier nicht. Niemals hätte das Katana so etwas verursacht. Wimmernd klammerte ich mich an Laws Handgelenk fest, als mich der Schmerz erneut wie ein Blitz durchfuhr. Ich war mittlerweile total verschwitzt, mir wurde abwechselnd sehr warm und dann eiskalt. "Bitte L-Law, töte m-mich einfach", krächzte ich. Doch ich konnte von Seiten Laws keinerlei Reaktion auf meine Bitte feststellen. Dabei schmeckte ich Blut in meinem Mund und ich fühlte etwas warmes mein Gesicht runterlaufen. Als mich endlich Schwärze umgab, meinen Verstand benebelte und ich nichts mehr empfand, glaubte ich, mein Leben endlich hinter mir gelassen zu haben. Ich fühlte nichts. War ich tot? Wenn das der Tod wäre, gefiel er mir. Da waren keine Sorgen, Ängste oder Schmerzen mehr. Das einzige, was ich vernahm, waren einzelne Stimmen, die wie durch einen Schleier an mich heranklangen. Ich verstand nicht, was gesagt wurde. Immer weiter entfernten sie sich. Sekunden später war ich wieder bewusstlos. Immerzu sollte ich in der nächsten Zeit vorübergehend das Bewusstsein erlangen, nur um kurz darauf wieder ohnmächtig zu werden. Dabei umgab mich jedes Mal eine undurchdringbare Schwärze, nur einzelne Worte oder Sätze drangen an mich heran. Dann war da noch das monotone Piepen eines EKG-Gerätes, welches ich trotz meines benommenen Zustands als nervtötend empfand. Dies ging einige Zeit so weiter, ehe ich begann, meinen Körper wieder zu spüren. Langsam kam das Gefühl in diesen zurück. Meine Augen öffnen konnte ich trotzdem noch nicht. Sie waren schwer wie Blei. Und auch sonst war ich unfähig, mich zu bewegen, ich lag nur da und wartete, dass es sich besserte. Mit zunehmendem Bewusstsein kamen auch immer deutlicher die Schmerzen zurück. War es zunächst nur ein massives Druckgefühl, das ich empfand, so entwickelte sich dieses zu einem vehementen Stechen und Brennen im gesamten Körper und schließlich fühlte es sich an, als ob mir jemand sämtliche Knochen im Leib einzeln gebrochen hätte. Einige Zeit später gelang es mir dann auch, endlich meine Augen zu öffnen. Nach mehrmaligem Blinzeln hatten sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnt und ich sah an die weiße, ebenmäßige Zimmerdecke. Fast zeitgleich vernahm ich, dass Stühle gerückt wurden und wie jemand sprach: "Sie ist wach. Shachi, geh den Captain holen." »Shachi?...«, dachte ich. »Also bin ich wirklich wieder auf der Death gelandet...« Spätestens hier war jeder Zweifel ausgeschlossen, dass ich tot war. Frustriert schloss ich meine Augen und öffnete sie erst dann wieder, als ich eine quietschende Tür und Schritte vernahm. Mit viel Mühe schaffte ich es, meinen Kopf zu drehen. Als meine Augen die meines Vaters trafen, lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Zu sagen, dass er mich düster ansah, wäre noch untertrieben gewesen. Es war vielmehr eine Mischung aus Gefühlskälte, Enttäuschung, Wut und- da war noch etwas, das ich nicht deuten konnte... "Penguin, Shachi, bitte lasst uns kurz allein." Laws Stimme klang merkwürdig rau. Mir entging nicht, dass Penguin und Shachi mir beim Rausgehen mitleidige Blicke zuwarfen. Law nahm sich einen Stuhl und setzte sich direkt vor mich. Verzweifelt versuchte ich, ihm nicht in die Augen zu sehen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er nicht wie sonst seine blöde gefleckte Mütze trug, sondern seine Haare wild durcheinander vom Kopf abstanden. Sein Anblick löste puren Hass in mir aus. Warum hatte er mich nicht einfach sterben lassen? Er wollte doch scheinbar nur, dass ich noch mehr litt. Nie würde ich dem Mörder meiner Mutter verzeihen könne, und er würde noch für seine Tat bezahlen. Außer, dass sich meine Augen verengten, war mir meine Wut über sein Erscheinen nicht anzumerken. Viel zu entkräftet war ich, als dass ich hätte einen Streit anfangen, geschweige denn reden, können. Dessen unbeachtet setzte Law zum Reden an: "Dein gesundheitlicher Zustand scheint im Moment den Umständen entsprechend stabil zu sein. Deine Verletzungen, welche durch das Katana im Oberkörper verursacht wurden, sind soweit abgeheilt, Narbenbildung ist trotzdem wahrscheinlich. Deine derzeitigen körperlichen Beschwerden rühren von dem Gift, mit dessen Auswirkungen dein Körper noch immer zu kämpfen hat. Zumindest konnten wir durch ein künstliches Koma deine Körperfunktionen in den letzten zwei Wochen so reduzieren, dass dein Körper sich soweit erholen konnte. Die nächsten zwei Wochen wirst du komplett im Bett bleiben." Ich hatte nur halbwegs zugehört. Vielmehr hatte mich Laws Tonfall verunsichert. Distanziert und emotionslos hatte er die Sätze runtergerasselt. Erst spät erreichten mich seine Worte. »Moment, was? Hatte er grade irgendwas von Gift geredet?« Nur langsam verarbeitete mein Gehirn das Gesagte. »Hieß das, an dem Katana war Gift gewesen? Aber wieso?...« Das erklärte natürlich die Schmerzen, und wieso ich fast erstickt wäre... »Und ich war ernsthaft ganze 2 Wochen ohnmächtig gewesen?« Meine wirren Gedankengänge wurden jäh von Law unterbrochen. Er räusperte sich, und ich wusste, dass der unangenehme Teil nun erst folgen würde. Laws bis dahin eher neutraler Gesichtsausdruck verfinsterte sich um einige Nuancen, ehe er fortfuhr: "Mina, wenn ich eins nicht dulde, dann ist das Illoyalität. Hätte es irgendein anderes Crewmitglied gewagt, sich meinen Befehlen zu widersetzen, einen Nakama anzugreifen, unerlaubt das Schiff zu verlassen und dann auch noch seinem Captain gegenüber eine Todesdrohung auszusprechen, dann hätte man dieses Crewmitglied später in Einzelteilen aus dem Meer fischen können, nachdem es als Objekt für meine Experimente gedient hat. Dass du meine Tochter bist, macht die Sache nur noch schlimmer. Glaub nicht, dass ich über dein Fehlverhalten hinwegsehen werde, Mina. Zu gegebener Zeit wirst du deine Strafe erhalten. Darüber hinaus wirst du mir noch berichten, was genau du beim Feind herausgefunden hast und wie du überhaupt in diese Lage gekommen bist. Dazu werde ich dich morgen befragen." Ich sah Law tief Luft holen, dann redete er mit noch härterer, eisigerer Stimme weiter: "Mina. Versuche nie, nie wieder abzuhauen, oder ich werde härtere Seiten aufziehen müssen. Das war das letzte Mal, dass ich bei dir nachsichtig war. Du hast nicht nur dich in Gefahr gebracht, sondern auch deine gesamte Crew, aber das scheint dir ja egal zu sein." Aus Reflex hätte ich ihm nun am liebsten an den Kopf geknallt, dass das nicht stimmte. Doch bei genauerem Nachdenken wurde mir bewusst, dass er Recht hatte. Mir war sowohl mein Leben, als auch das der Crew, egal gewesen. Und das war immer noch so. So nahm ich all meine Kraft zusammen, um ihm zu antworten: "Du hast Recht, Captain." Das "Captain" sprach ich mit der größtmöglichen Verachtung aus. "Es war mir tatsächlich egal, was mit dir, der Crew oder mir passiert. Ich habe dich nicht darum gebeten, in die Marinebasis zu kommen. Sollte es dir Leid tun, dass du mich da rausgeholt hast, kannst du ja gerne das beenden, was Vizeadmiral Akamatsu begonnen hat. Ja, Law, töte mich doch, wenn ich so eine Belastung für dich bin. Ich wäre lieber gestorben, als mit dir mitzugehen!" Die letzten Worte gingen in einem Hustenanfall unter. Laws Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er die Worte jedoch sehr wohl gehört. Ich glaubte, einen Moment lang Traurigkeit in diesem ausgemacht zu haben, als ich Sekunden später jedoch erneut hinsah, war da keine solche Emotion, und so ging ich davon aus, dass es nur Einbildung gewesen sei. Bedrohlich nahe trat er an mich heran und flüsterte mir beängstigend monoton zu: "Ich dachte, ich hätte dir deutlich gemacht, was auf Befehlsverweigerung steht, Mina. Ich hab auch kein Problem damit, dich längerfristig in einer Zelle einzuquartieren." Nach diesen Worten kontrollierte er noch schweigsam einige Geräte und Schläuche im Raum, ehe er diesen verließ. So blieb ich alleine mit den immer stärker werdenden Schmerzen zurück und ich wünschte mir trotz meiner vorherrschenden Übelkeit und Kopfschmerzen etwas Alkohol, um endlich wieder ins Land der Träume abtauchen zu können. Nur so schien es mir möglich, all das hier zu vergessen. Da ich noch stundenlang wach lag, über das Geschehene nachdachte, und eben keinen Alkohol zur Hand hatte, sollte dies erst nach Stunden der Fall sein. Kapitel 12: ------------ Als ich am nächsten Tag aufwachte, ging es mir alles andere als besser. Ich war vollkommen verschwitzt, und mein Körper schien mit der Sonne wettzuglühen. Sobald ich meinen Kopf auch nur ein paar Zentimeter anhob, verschwamm der gesamte Raum vor meinen Augen und ich bekam das Gefühl, als ob ich mich auf der Stelle übergeben müsste. Da ich keinen Schlaf fand, wälzte ich mich unruhig hin und her. Mir war viel zu warm. Ich fühlte mich erschöpft und matt und ich hasste mich dafür, dass ich so schwach war. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich im Schlaf sämtliche Kabel, an die ich angeschlossen war, hinausgerissen hatte. Das Piepen des EKG war verstummt, und die Nährinfusion, die mich mit Nährstoffen versorgt hatte, lief nun auf den Boden. Auch der Zugang, der mir für die Nährinfusion am linken Arm gelegt worden war, hatte sich gelöst, sodass sich nun ein kleines Blutrinnsal seinen Weg meinen Arm hinunter bahnte. Langsam und geistesabwesend strich ich über die kleine Verletzung. Wie in Trance kratzte ich die Stelle auf. Ich weiß nicht aber,- irgendwie tat es gut. Aus dem anfangs kleinen Blutrinnsal wurde ein größeres, ehe ich endlich bemerkte, was ich da eigentlich tat. Ein Geräusch von der Tür her ließ mich meinen Kopf drehen. Dort stand Bepo und fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Situation. Erschrocken versteckte ich meinen Arm unter der Decke. Fragend blickte ich ihn an. "Ich- ähm sollte nachsehen, ob alles ok ist, Entschuldigung." Das leise Zittern in seiner Stimme entging mir nicht. Hatte er etwa Angst vor mir? Erbost sah ich ihn an. Ich wollte jetzt echt mit niemandem reden, schon gar nicht mit jemandem, der sich alle 2 Sekunden für irgendwas entschuldigte. So ignorierte ich ihn einfach und schloss meine Augen. Leider verstand Bepo nicht, dass ich einfach nur meine Ruhe haben wollte, und so vernahm ich kurz darauf erneut seine Stimme: "Aber Mina, dein EKG-Anschluss hat sich ja gelöst, wieso sagst du denn nichts? Und die Infusion auch, dabei ist die doch wichtig, der Captain meinte doch, dass du eh schon Anzeichen von Untergewicht zeigen würdest, und-" Bepo verstummte, als er meinen mörderischen Blick sah. »Law hatte bitte was gesagt? Was fiel dem eigentlich ein, so einen Müll herumzuerzählen? Ich war jawohl der letzte, den man auf diesem Schiff als untergewichtig bezeichnen könnte! Klar hatte ich die letzte Zeit wenig bis gar nichts gegessen, aber untergewichtig war ich deswegen noch lange nicht!« Bepo schien zu verstehen, dass er etwas falsches gesagt haben musste, denn er ergänzte hastig: "E-Entschuldige, das hätte ich nicht s-sagen dürfen-" Doch ich hatte bereits verstanden, was hier ablief. Law redete also mit seiner Crew über mich, und ich sollte nix davon wissen. Was besprach er noch alles mit seiner Crew? Wusste Bepo vielleicht etwas über den Mord an meiner Mutter? Wussten vielleicht sogar alle auf diesem U-Boot etwas darüber, nur ich nicht? Ich knirschte mit den Zähnen. Ich begann diese Crew mit jeder Sekunde mehr und mehr zu hassen, von meinem Vater mal ganz zu schweigen. Ich sah, dass Bepo langsam, aber stetig, vor mir zurückwich. Kurz, bevor er durch die Tür trat, flüsterte er noch: "Entschuldige, ich -ähm-, werde dann mal dem Captain Bericht erstatten gehen." Bevor ich ihn zurückhalten konnte, war Bepo auch schon verschwunden. Murrend kuschelte ich mich tiefer in mein Kissen. Ich musste zugeben, gemütlich war das Bett ja schon. Schon kurze Zeit später fielen meine Augen zu, und ich schlief ein. Mir war jedoch nur wenige Minuten Schlaf gegönnt, ehe ich durch ein Geräusch aus diesem unsanft wieder herausgerissen wurde. Benommen hob ich leicht meinen Kopf, nachzusehen, wer mich nun schon wieder nervte. Zu meinem Pech war es ausgerechnet Law, welcher an die Wand gelehnt neben meinem Bett saß und mich mit seinem durchdringenden, kalten Blick fixierte. Augenblicklich verspürte ich bei seinem Anblick wieder den Hass in mir aufquellen. Niemals würde ich ihm verzeihen, was er getan hatte. Und mein Hass auf ihn wuchs von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute. Was ich am allerschlimmsten fand, war, dass Law immer noch so tat, als sei nichts passiert. Ich würde ihn irgendwann damit konfrontieren, dass ich über seine Tat Bescheid wusste. Derzeitig fühlte ich mich jedoch noch nicht in der Lage dazu. Und wenn ich ehrlich war, wollte ich das Ganze nicht auch noch von ihm bestätigt bekommen. "Mina", erklang seine kalte Stimme. "Dich kann man scheinbar nicht alleine lassen, ohne dass du wieder Mist baust", sprach er weiter und warf dabei einen Seitenblick auf meinen Arm. Ich folgte seinem Blick und bemerkte, dass um die von mir zuvor aufgekratzte Stelle herum ein Verband angebracht worden war. Auch die Schläuche, die ich mir zuvor im Schlaf herausgerissen hatte, waren wieder am richtigen Platz angebracht worden. » Verflixt«, fluchte ich, »wann hatte er das denn gemacht?« Müde ließ ich meinen Kopf ins Kissen zurücksinken. "Ich hoffe, du verstehst, dass ich dich in der nächsten Zeit überwachen lassen werde. Meine Crew hat zwar eigentlich etwas besseres zu tun, aber scheinbar musst du ja beaufsichtigt werden." Ich schloss meine Augen und ignorierte ihn einfach. Ich nahm mir fest vor, mit ihm nie wieder auch nur ein Wort zu wechseln. Über mein Schweigen hinwegsehend sprach Law einfach weiter: "Da wir das nun geklärt hätten, können wir ja jetzt über das sprechen, was sich in der Marinebasis ereignet hat. Um gleich zur Sache zu kommen: Wieso hast du an dem Abend überhaupt das Schiff verlassen?" Ich kniff meine Augen fester zusammen. War seine Frage ernst gemeint? Er hatte mich eingesperrt und mich behandelt wie Dreck! Und dann die ganzen Strafaufgaben, die er mir gestellt hatte! Er behandelte mich wie seinen Sklaven, nicht wie seine Tochter! Und dann wunderte er sich, dass ich weggelaufen war? Innerlich aufgebracht, versuchte ich, mir äußerlich nicht anmerken zu lassen, wie wütend mich diese Frage machte. "Redest du nicht mit mir? Macht nichts, glaub mir, ich werde die Antworten auf meine Fragen schon noch bekommen. Viel wichtiger ist: Wie bist du eigentlich in die Fänge der Marine geraten? Sag jetzt nicht, dass du so dumm warst, denen in die Hände zu laufen. Das würde ich dir glatt noch zutrauen." Ich wusste, dass er nur versuchte, mich zu provozieren und so eine Antwort aus mir herauszubekommen. Trotzdem verletzten mich seine Worte und zeigten mir, wie wenig mir mein eigener Vater zutraute. Aber ich tat ihm nicht den Gefallen, auf seine Aussage zu reagieren. Schweigend lag ich da, ließ meine Augen geschlossen und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass Law mich einfach in Ruhe lassen und gehen würde. Ich hörte ihn genervt aufstöhnen. Anscheinend hatte selbst seine Geduld Grenzen. "Mina, du antwortest mir jetzt besser." Beharrlich schwieg ich weiter. Was wollte er schon machen, mich angreifen? Sollte er doch. "Versuch erst gar nicht, mich zu ignorieren, Mina. Ich kann nämlich auch ungemütlich werden.", vernahm ich seine kalte Stimme. Er schien echt wütend zu sein. Dessen ungeachtet schenkte ich ihm noch immer keinerlei Beachtung. Mein Kopf tat schrecklich weh, mein gesamter Körper schmerzte von Minute zu Minute mehr und ich hatte das Gefühl, mich jeden Moment übergeben zu müssen. Währenddessen hatte mein Vater nichts besseres zu tun, als mich über Sachen auszufragen, über die ich mit niemandem reden wollte. Mit ihm schon gar nicht. "Was wollte Vizeadmiral Akamatsu von dir?" Laws Stimme war zwar kühl und monoton, aber es war deutlich die unterdrückte Wut von ihm herauszuhören, als er den Namen des Vizeadmirals nannte. »Woher kannte Law ihn überhaupt? Moment mal.. Hatte Akamatsu damals nicht Law gegenüber geäußert, dass sie sich schon mal getroffen hatten? Was wurde mir hier verschwiegen?« "Was hat er dir gesagt, dass du lieber sterben wolltest, als zu deiner Crew zurückzukehren? Dass du mich töten wolltest, dass du mich nun hasst? " Laws Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden, bis es ein kaum vernehmbares, eisiges Flüstern gewesen war. Gegen meinen Willen traten die Tränen in meine Augen. Er sollte aufhören. Ich konnte es nicht mehr hören. Er wusste doch ganz genau, was er getan hatte. "Vergiss nicht, dass ich dein Fehlverhalten nicht unbestraft lassen werde. Bedenke, dass, wenn es irgendein anderes Crewmitglied gewagt haben sollte, mir zu drohen, man danach seine Überreste vom Fußboden hätte kratzen können. Ich dulde keine Illoyalität, Mina. Damit du das verstehst, werde ich dein Fehlverhalten ab jetzt wohl härter sanktionieren müssen. Tu dir selbst nen Gefallen und beantworte jetzt meine Fragen, sonst werde ich mir die Antworten anders holen." Mir lief der kalte Schweiß runter. Was meinte er? Wollte er mich jetzt auch noch töten? Ich wurde aus meinen Überlegungen rausgerissen, als ich einen unbeschreiblichen Schmerz in meinem Oberkörper verspürte. Genau dort, wo ich mir das Katana durchgestoßen hatte. Sofort krümmte ich mich zusammen. Stark zitternd riss ich meine Augen auf und blickte geschockt Law an. Desinteressiert erwiderte dieser meinen Blick. "Nachwirkungen des Gifts, mit dem dein Katana kontaminiert war. Bewirkt, dass deine Wunden schlecht bis gar nicht zusammenwachsen. Dagegen verabreiche ich dir eigentlich regelmäßig ein Schmerzmittel, damit der Schmerz auszuhalten ist. Scheinbar verliert die Dosis aber grade ihre Wirkung." Ich konnte in Laws Gesicht ein Grinsen ausmachen. "Wenn du willst, dass ich dir eine neue Dosis spritze, brauchst du das nur zu sagen, Mina." Ich wusste, was er damit bezwecken wollte. Er verweigerte mir meine Medikamente, damit ich wieder mit ihm sprach und ihm die gewünschten Informationen lieferte. Das konnte er vergessen. Ich würde den Mörder meiner Mutter sicherlich nicht um irgendwas anbetteln. Law schien meine Aversion gegen seinen Vorschlag zu bemerken, denn er teilte mir weiter mit: "Scheinbar kommst du auch ohne Medikamente klar. Solltest du es dir anders überlegen, ich bin nebenan. Sag einfach deiner Aufsichtsperson Bescheid." Mit diesen Worten verließ er den Raum, und ein miesgelauntes Crewmitglied, dessen Name ich mir nicht merken konnte, da ich eh fand, dass alle gleich aussahen, betrat den Raum. Man merkte ihm deutlich an, dass er besseres zu tun haben schien, als hier den Babysitter zu spielen. Vollkommen erschöpft ließ ich mich in mein Kissen zurücksinken und versuchte die Schmerzwellen, die mich minütlich überkamen, so gut es ging auszuhalten. Dieser elende Sadist sollte nicht glauben, dass ich klein bei geben würde. Kapitel 13: ------------ Einschlafen sollte ich in nächster Zeit erst einmal nicht mehr können. Immer schwächer wurde die Wirkung des Schmerzmittels, entsprechend nahmen die Schmerzen zu. Mir war viel zu warm und ich schwitzte tierisch. Regelmäßig musste ich vor Schmerzen wortwörtlich die Zähne zusammenbeißen, um die Pein auszuhalten. Innerlich Law verfluchend, war ich nach außen hin vollkommen gefasst und machte keinen Mucks. Dass ich hier anfangen würde, vor Schmerzen rumzujammern oder zu flennen, würde Law doch nur in die Karten spielen. Mein Vater tauchte nicht mehr auf, um nach mir zu sehen und ließ mich hier dahinvegetieren. Ich hatte keine Ahnung, wie lange das Gespräch mit ihm her war. Es konnten ein paar Stunden sein, vielleicht aber auch Tage. Ich hatte mein Zeitgefühl vollkommen verloren. Da wir unter Wasser waren, konnte ich nicht einmal sagen, ob es Tag oder Nacht war. Und die Uhr half mir da auch nicht weiter, die war nämlich stehen geblieben. Wahrscheinlich war die Batterie leer. Ich kam mir total dämlich und ausgeliefert vor, da ich hier nur rumliegen konnte und 24/7 beobachtet wurde. Weil ich nicht schlafen konnte, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich war nicht im Stande zu beschreiben, was ich im Moment fühlte. Ich war einfach nur noch fertig. Die letzten Tage und Wochen waren einfach zu viel für mich gewesen. Ich war tieftraurig, dass ich nun die Gewissheit hatte, dass meine Mutter wirklich tot war. Mein Vater hatte sich zwar schon immer geweigert, mir irgendwas über sie zu erzählen, aber die Hoffnung aufgegeben, sie doch einmal kennenzulernen, hatte ich nie. Als ich klein war, hatte ich sogar oft Bilder von ihr gemalt. Ich hatte zwar keinen blassen Schimmer, wie sie aussah, aber ich hatte mir einfach vorgestellt, wie sie vielleicht ausgesehen hatte. Rote Haare wie ich, kecke Sommersprossen, ozeanblaue Augen und ein sanftes, herzerwärmendes Lächeln, mit dem sie jeder sofort in sein Herz schloss. Auf den gemalten Bildern hatten meine Mutter, Law und ich immer zusammen gelacht oder zusammen gespielt. Wir hatten alle so glücklich ausgesehen. Das, wovon ich damals immer geglaubt hatte, dass es sich eines Tages erfüllen würde, war, wie ich heute wusste, immer nur eine unerreichbare Wunschvorstellung eines kleinen, einsamen Mädchens gewesen. Dafür, dass er mir meine Mutter genommen hatte, würde Law noch büßen. Mir war bewusst, dass ich Law niemals in einem Kampf besiegen würde besiegen können. Aber mir würde schon noch etwas einfallen, wie ich mich rächen konnte. Allein schon, dass er mich bewachen ließ, reichte aus, um mir meine Stimmung weiter zu vermiesen. Mein derzeitiger "Babysitter" beachtete mich erst gar nicht und blätterte in einem Buch. Nun, der war mir lieber als Penguin, welcher zuvor hier Aufsicht gehabt hatte. Der hatte mir nämlich ein Ohr abgelabert. Natürlich hatte ich ihn ignoriert, aber er hatte trotzdem immer weiter wie ein Wasserfall geredet. Ich hatte mir nicht einmal gemerkt, worüber. Nur am Rande bekam ich mit, wie Tür aufging und jemand mit meiner derzeitigen Aufsichtsperson redete. War etwa schon wieder "Wachablösung"? Ich fand das ganze sowieso bescheuert. Was glaubte Law, was ich machte, wenn er mich nicht bewachte? Dass ich wieder abhauen würde? Jetzt mal ernsthaft, ich konnte mich erstens nicht mal richtig bewegen, und zweitens waren wir grade unter Wasser. Oder ging er davon aus, dass ich mir erneut ein Katana reinrammte? Nicht, dass das so abwegig wäre... Ich seufzte. Diesbezüglich hatte ich keine Ahnung, wie es weitergehen würde. Ich war hellwach, als das ganze U-Boot plötzlich anfing, wild hin und her zu wackeln. Meiner Übelkeit verhalf das nicht grade zur Linderung. War der Captain betrunken oder was sollte das? Murrend versuchte ich, mich aufzusetzen, was mir auch unter einiger Anstrengung gelang. Erst jetzt fiel mir auf, dass außer mir keiner mehr im Raum war, was mir mehr als seltsam vorkam. Hatte Law gemerkt, wie unnötig es war, mich überwachen zu lassen? Ich hörte, wie auf dem Flur Crewmitglieder hektisch hin und her liefen, ehe das Schiff erneut einen heftigen Ruck zur Seite machte und das Licht zu flackern begann. Was war hier nur los? Langsam setzte ich erst einen Fuß auf dem Boden auf, dann den anderen. Mühsam versuchte ich, mich an dem Tisch neben meinem Bett hochzuziehen. Nun erst merkte ich, wie schwach ich geworden war. Nach mehrmaligem Anlauf gelang es mir, halbwegs sicher auf meinen Füßen zu stehen. Langsam und an der Wand abstützend torkelte ich in Richtung Tür. An dieser angekommen, war ich bereits aus der Puste. Doch irgendetwas stimmte an Bord der Death nicht, und ich würde herausfinden, was das war. Zittrig legte ich meine Hand auf den Türknauf und öffnete die Tür. Auf dem Gang war ein wildes Durcheinander. Hastig liefen Crewmitglieder auf und ab und riefen sich gegenseitig Befehle zu. Dazu kam noch das monotone, schrille Piepen mehrerer Warnanzeigen. Von mir nahm keiner Notiz. Ich kam mir inmitten dieses Trubels vollkommen überfordert und verloren vor. Das Chaos lichtete sich vom einen zum anderen Moment, als die gesamte Crew sich plötzlich in eine Richtung begab und der Gang sich vollkommen leerte. Was zur Hölle war hier los? Erneut schwankte das U-Boot heftig, und ich flog der Länge nach auf die Fresse. Mit meinem Kopf schlug ich dabei hart gegen die Wand. Ich schloss meine Augen, als der mir mittlerweile wohlbekannte Schmerz sich in meinem Kopf ausbreitete. Und weil das noch nicht schlimm genug war, hatte ich mir allem Anschein nach auch noch eine Platzwunde zugezogen, denn ich fühlte deutlich das warme Blut mein Gesicht hinunterlaufen. Unter größter Anstrengung schaffte ich es, erneut auf die Beine zu kommen. Immer wieder verschwamm die Sicht vor meinen Augen. Trotzdem wankte ich Schritt für Schritt in die Richtung des Ganges, in den zuvor meine "heißgeliebten" Nakama verschwunden waren. Der Weg war eine einzige Tortur, jeder Schritt schmerzte höllisch. Nach einer gefühlten Ewigkeit vernahm ich wieder Stimmen. Sie klangen nicht mehr so hektisch wie zuvor, es war aber trotzdem rauszuhören, dass die Crew sehr aufgebracht war. Wenn ich richtig lag, kamen die Stimmen aus dem Navigationsraum. Die Tür stand einen Spaltbreit offen und ich konnte Teile dessen, was dort gesprochen wurde, mit anhören. Ich war nicht fähig, eine der Stimmen zuordnen. "Captain...gefährlich, wenn weiterhin..." "Wäre alles nicht passiert, wenn..." "Captain, das... nicht durchgehen lassen!" "Jetzt haben...werden uns verfolgen!" Ich verstand nur Bahnhof. Was war passiert? Die nächsten Minuten herrschte Schweigen, bis ich die verhasste, kalte Stimme meines Vaters vernahm: "Ich bin euer Captain. Wir werden so verfahren, wie ich das angeordnet habe. Darüber hinaus werdet ihr doch wohl-" Genau in dem Moment knickten meine Beine unter ihrer Last ein und ich atmete keuchend auf, als sich meine nicht verheilte Wunde wieder bemerkbar machte. Hatte sie vorher auch schon geschmerzt, war das kein Vergleich hierzu gewesen. Mit weit aufgerissenen Augen bewegte ich meine Hand auf diese zu und berührte zitternd meine Verletzung. Sofort war meine Hand voller Blut. Übelkeit stieg in mir hoch. Mein Keuchen schien nicht unbemerkt geblieben zu sein, da sich zeitgleich die Tür des Navigationsraums öffnete und ich von mehreren Nakama angestarrt wurde. "Ähm. Captain Law? Ich glaube, das solltest du dir besser einmal ansehen." Law, der scheinbar inmitten seiner Ansprache unterbrochen worden war, hielt inne. "Saburo, ich bin mir sicher, was auch immer du mir auf dem Gang faszinierendes zeigen willst, es kann auch noch zwei Minuten warten." Law klang genervt. "Ich glaube nicht, dass das warten kann, Captain", erklang erneut die zögerliche Stimme des Kochs. Ich hörte Law murren, ehe auch er in mein Sichtfeld kam. Als er mich ansah, konnte ich deutlich die Wut in seinem Blick sehen, ehe er an mich herantrat. "Mina, was zur Hölle machst du hier?" Trotz der eigentlich ernsten Situation klang seine Stimme desinteressiert und gelangweilt. Immer schwerer fiel mir das Atmen. Law entging das natürlich nicht und er besah sich meine Wunde genauer. Das Fluchen, welches er daraufhin ausstieß, verhieß nichts gutes, das wusste ich. "Mina, als ich dir absolute Bettruhe verordnet habe, hatte das auch einen Grund. Deine Wunde ist wieder aufgegangen, weil du dich zu viel bewegt hast. Ich weiß nicht mal, ob ich das wieder zusammengeflickt bekomme. Kannst du nicht einmal im Leben auf mich hören, du sturköpfiges Kind?", zischte er. Er beugte sich vor, um mich hochzuheben. Wahrscheinlich wollte er mich ins Behandlungszimmer zurückbringen. Kurz bevor er dies jedoch in die Tat umsetzen konnte, wich ich unter Aufbringung all meiner verbliebenen Kräfte vor ihm zurück. Er war der letzte, von dem ich mich würde tragen lassen, geschweige denn, dass er mich behandeln sollte. Nur über meine Leiche. Law ekelte mich an. Dieses miese Schwein wollte also, dass ich auf ihn hörte? Ich hob meinen Kopf an, sodass ich direkt in seine kalten Augen blickte. Ich hasste diesen Ausdruck in seinen Augen, wenn er mich ansah. "F-Fahr zur Hölle, Law", krächzte ich. Dann spuckte ich ihm, dem berüchtigten Chirurg des Todes, vor versammelter Mannschaft, mitten ins Gesicht und zeigte ihm so, was ich von ihm hielt. Kapitel 14: ------------ Deutlich vernahm ich, wie die Crew, die sich um uns im Kreis herum aufgestellt hatte, aufkeuchte. Die Zeit schien still zu stehen. Die Stille wurde erdrückend. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie sich Law in Zeitlupentempo die Spucke aus dem Gesicht wischte. Ich schloss meine Augen. Ich wusste, was nun passieren würde. Meine Vermutung wurde bestätigt, als ich von Law am Kragen gepackt und gegen die Wand gedrückt wurde. Seine Hand schloss sich um meine Kehle. Ich hatte große Probleme, noch Luft zu kriegen. "Das hast du gerade nicht wirklich getan", knurrte er wutentbrannt. Ein Klatschen ertönte und hallte laut im Gang wider. Law hatte seine Hand erhoben und mir direkt ins Gesicht geschlagen. Meine Wange pulsierte unangenehm. Doch ich zeigte keinerlei Reaktion und ließ ihn gewähren. Law hatte mich nie zuvor geschlagen. Dass er es nun doch tat, zeigte nur, wie sehr sich unsere Beziehung zueinander verändert hatte. Ein Pirat war er schon immer gewesen, aber nie einer, der unnötig Gewalt angewendet hätte. "Mina. Ich dachte, ich hätte dir klar gemacht, was es auf meinem Schiff für Konsequenzen hat, wenn du mir keinen Respekt gegenüberbringst. Ich hatte dich gewarnt, dass ich dein Fehlverhalten ab jetzt härter bestrafen würde. Aber anscheinend kapierst dus nicht, oder?" Seine Stimme war eisig. Seine Griff um meinen Hals wurde fester. Ich schlug meine Augen auf und sah meinem Vater ins Gesicht. Es hatte einen mörderischen Ausdruck. Das würde -nein, das könnte- gar nicht gut für mich enden. So nutzte ich diese letzte Gelegenheit, um Law ehrlich zu sagen, wie ich über ihn dachte. Aus der Perspektive der anderen wirkte das gewiss lebensmüde, doch war ich nicht genau das? Was brächte es mir, weiterzuleben? Was wäre das für ein Leben, eingesperrt beim Mörder meiner Mutter, gejagt von der Marine? Mit dem Tod würde alles vorbei sein, ich würde nicht mehr fühlen, denken und leiden müssen. Bei dieser Vorstellung schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. "Weißt du, Vater, Respekt muss man sich verdienen. Ich sehe keinen Grund, wieso ich dich sadistischen Mistkerl respektieren sollte. Ich wünsche dir nichts sehnlicher, als dass die Marine dich findet und beseitigt. Und ich hoffe, dass du dabei leiden wirst." Ich hatte all das nur flüstern können, trotzdem hatten alle es gehört. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es. Ich war mir sicher, dass ich hier nicht mehr lebend rauskommen würde. Doch weniger das, als vielmehr die Tatsache, dass es mir vollkommen gleich war, was Law nun mit mir anstellen würde, beunruhigte mich. Durch den Sauerstoffmangel wurde mir bereits schwarz vor Augen. Trotzdem war ich bemüht, möglichst nicht nach Luft zu schnappen, um vor Law ja keine Schwäche zu zeigen. Die Augen geschlossen, wartete ich auf die Reaktion meines Vaters. Die ließ auch nicht lange auf sich warten. Hart traf mich seine Faust im Magen. Trotz meinem Versuch, dass alles stillschweigend hinzunehmen, konnte ich ein Wimmern nicht unterdrücken. Das war deutlich schmerzhafter, als ich es angenommen hatte. Sein nächster Schlag traf meine Rippen. Deutlich war das Knacksen dieser zu vernehmen, als einige dieser brachen. Zischend zog ich die Luft ein. Die Zähne zusammenbeißend, hoffte ich, dass es schnell gehen würde. Als er dieses Mal in meine zuvor wieder aufgegangene Wunde schlug, konnte ich nicht anders als zu schreien. Scheinbar wusste er genau, welche Stellen besonders schmerzten. Tränen bahnten sich ihren Weg mein Gesicht runter. Ich zitterte. Mein ganzer Körper schmerzte höllisch. Ich musste stark husten und schmeckte Blut in meinem Mund. Doch ich wehrte mich nicht.   Von der einen zur anderen Sekunde ließ Law mich los und ich fiel schlaff auf den Boden. Bewegungsunfähig blieb ich liegen. Als ich es schaffte, unter großer Mühe meine Augen zu öffnen, bemerkte ich erst, dass ich in einer großen Blutlache lag. Nur schemenhaft erkannte ich Law, der langsam auf mich zutrat. Zu spät realisierte ich, was er nun vorhatte. Er stellte einen Fuß auf meinen Arm, ehe er das Wort ergriff: "Mina. Das war noch harmlos. zu dem, was ich normalerweise mit Menschen anstelle, die sich gegen mich auflehnen. Solltest du dich jemals wieder gegen mich wenden, wirst du das noch bereuen." Seine Stimme war kalt und ohne jegliche Emotion. Dann trat er mit aller Kraft zu, und ein unnatürliches Knacksen verriet jedem Anwesendem, dass er meinen Arm gebrochen hatte. Ich begann heftig zu schluchzen. Warum tötete er mich nicht einfach? Doch die Frage konnte ich mir selbst beantworten. Hätte er mich getötet, hätten meine Schmerzen ein Ende gehabt. Doch Law wollte, dass ich leide. Und indem er mich in diesem Zustand ließ, erreichte er ebendies. So sollte ich Respekt und Ehrfurcht ihm gegenüber erlangen. Was totaler Müll war. Nie hatte ich ihn so wenig respektiert wie jetzt. Er wollte vor der versammelten Crew ein Exempel statuieren, um zu zeigen, dass er keinen Ungehorsam duldete, auch nicht von seiner Tochter.   So lag ich auf dem Boden des Gangs in meinem eigenen Blut und betete dafür, dass mir endlich jemand den Gnadenstoß verpasste. Mit schwindendem Bewusstsein vernahm ich nur noch Laws desinteressiert klingende Stimme: "Bringt sie schon mal in den OP-Raum, ich komme gleich nach." Dann überkam mich endlich die wohltuende Schwärze, auf die ich die ganze Zeit gewartet hatte.     Es war bereits drei Tage her, seit ich im Behandlungszimmer wieder zu mir gekommen war. Wieder lag ich bewegungsunfähig in meinem Bett und versuchte, die Schmerzen zu ignorieren. Mein Arm war dick eingegipst und auch um meinen Oberkörper war ein Verband angebracht. Es war irgendwie bescheuert, von ein und dem selben Menschen erst verletzt und dann behandelt zu werden. Ich hasste diesen Raum langsam. Ich konnte hier nichts tun, als rumzuliegen und die Decke anzustarren. Während ich beim Aufwachen aus der Narkose keine Schmerzen gespürt hatte, weil sich Law scheinbar dazu erbarmt hatte, mir ein Schmerzmittel zu verabreichen, fühlte ich jetzt, da die Wirkung von diesem nachgelassen hatte, den Schmerz mit vollem Bewusstsein. Doch ich beklagte mich nicht, dazu würde ich mich nicht herablassen. Wie zuvor auch wurde ich auch nun wieder bewacht. Dabei wurde ich von den Crewmitgliedern unterschiedlich behandelt. Der Großteil der Aufpasser behandelte mich wie Luft. Manche grüßten mich beim Reinkommen, sprachen aber ansonsten nicht mit mir. Dann gab es da noch diejenigen, die ihre Zeit damit verbrachten, mich böse anzustarren. Am schlimmsten war jedoch die kleine Randgruppe, die mir ein Ohr ablaberte. Natürlich bestand diese Gruppe nur aus Penguin und Shachi. Die beiden hatten mich, ob ich es wollte oder nicht, genauestens über die Vorkommnisse der letzten Tage informiert. Jetzt wusste ich, dass wir tatsächlich von der Marine verfolgt wurden, Law aber nicht verstand, wie genau die Marine immer ihren aktuellen Aufenthaltsort rausbekam. Zudem hatte der Captain, seitdem ich ihn angespuckt hatte, total miese Laune, was die Crew deutlich zu spüren bekam. Dafür gab die Crew wiederum mir die Schuld. Leider hatten die beiden mich auch massenweise mit weniger relevanten Informationen versorgt. So wusste ich nun nicht nur, was es die letzten Tage zu Essen gegeben hatte, sondern auch, dass in 17 Tagen Penguins Geburtstag sein würde und Shachis Lieblingsfarbe Seegrasgrün war. Darüber hinaus hielten sie mir Vorträge darüber, dass ich mich falsch verhalten hätte und dass der Captain mich zu Recht zurechtgewiesen hätte, da ich ja anders nicht auf ihn hören würde und so weiter. Ich zeigte jedoch keinerlei Reaktion darauf, wenn mich jemand ansprach. +Teilnahmslos lag ich in meinem Bett und wartete, dass die Zeit verging.   Bepo war hier noch nicht aufgetaucht, ebenso wenig wie Law. Und ich hoffte, dass mein Vater auch erst einmal nicht hier auftauchen würde. Ich fand es weniger beschämend, dass Law mich vor aller Augen so zugerichtet hatte, als vielmehr, dass er mich hatte überleben lassen. Ich hatte gewusst, dass Law so reagieren würde, wenn ich ihn vor der gesamten Mannschaft demütigte. Aber das hatte mich nicht davon abgehalten. Ich hatte nicht einberechnet, dass ich eventuell überleben würde. Und dass ich dann doch überlebt hatte, war für mich das Schlimmste an der Sache. Law... Glaubte er wirklich, dass ich ihn nun respektierte? Da hatte er sich aber mächtig geschnitten. Ich hasste ihn nach wie vor. Jetzt noch mehr als jemals zuvor. Aber ich hatte aufgehört, zu denken, dass ich meine Mutter würde rächen können. Ich war einfach zu schwach dafür. In der letzten Zeit hatte ich hin und hergeschwankt zwischen dem Wunsch zu überleben und Rache zu nehmen, und einfach zu sterben und all das hinter mir zu lassen. Doch nun hatte ich mich entschieden. Ich hatte mein Leben aufgegeben. Zu schön war die Vorstellung, einfach einschlafen zu können, und nicht mehr aufzuwachen. Law hatte mir etwas genommen, was ich brauchen würde, um dauerhaft weiterleben zu können. Er hatte mir meinen Lebenswillen genommen. Es wäre naiv zu glauben, dass sich irgendwas noch würde bessern können. Und... Ich war zwar kein religiöser Mensch, aber irgendwo tief in mir drin hegte ich einen Funken Hoffnung darauf, dass ich nach meinem Tod meine Mutter kennenlernen würde. Ob es wohl eine Art "Himmel" gab? Ich hatte bisher in meinem Leben nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, ob es so etwas wie ein "Leben nach dem Tod" gab, geschweige denn, wie es aussehen könnte. Doch jetzt, wo ich mich immer schwächer werden fühlte, und mich auch nichts mehr in dieser Welt hielt, begann ich, über solche Dinge nachzudenken. Wie meine Mutter wohl sein würde? Ähnelten wir uns? Oder waren wir uns charakterlich überhaupt nicht ähnlich? Ob Law und meine Mutter sich geliebt hatten? Ich bereute es, damals nicht die Gelegenheit genutzt zu haben, Vizeadmiral Akamatsu danach zu fragen. Er hatte meine Mutter scheinbar gekannt. Und Law auch. Stattdessen hatte ich mich mit unnötigen Fragen aufgehalten, wie zum Beispiel, woher die Marine damals gewusst hatte, wie ich aussehe oder dass ich das Schiff verlassen hatte. Ich wusste schon gar nicht mehr, was Akamatsu daraufhin geantwortet hatte, und es war mir auch egal. Bis es mir plötzlich doch wieder einfiel, und es mir kalt den Rücken runterlief.   "Mina, wir haben unsere Augen und Ohren überall. Unterschätze besser niemals die Einflusssphäre der Marine. Zudem sollte Law seine Crewmitglieder sorgfältiger auswählen."   Genau das hatte mir Akamatsu damals geantwortet. Und ich wusste genau, was das bedeutete. Irgendwo auf diesem U-Boot befand sich ein Spion der Marine. Kapitel 15: ------------ Diese Nacht hatte ich kaum geschlafen. Zwar war ich todmüde und fertig, aber die Schmerzen hielten mich wach. Auch war ich mir erst heute Nacht der Fakten bewusst geworden, welche ich in den letzten Tagen zu verdrängen versucht hatte: Meine Mutter war tot. Mein Vater hasste mich. Er hatte meine Mutter getötet. Ich konnte nicht von diesem U-Boot entkommen. Doch ich konnte nicht mehr stark bleiben, und so fing ich mitten in der Nacht an, bitterlich zu weinen. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Wenn er mich so hasste, wieso hatte er mich dann nicht bei der Marine gelassen? Wieso ließ er mich nicht woanders leben, wo ich vielleicht glücklicher wäre? Nachdem ich mich die halbe Nacht lang mit ebendiesen Fragen gequält hatte, fielen meine Augen dann doch irgendwann zu und ich schlief ein. Ich konnte nicht lange geschlafen haben, ehe ich früh am Morgen durch einen für diese Uhrzeit ungewöhnlich hohen Lärmpegel geweckt wurde. Das U-Boot schaukelte stark hin und her, und da wir unter Wasser waren, war dies auch nicht auf einen starken Wellengang zurückzuführen. Wurden wir etwa schon wieder angegriffen? Ich schloss meine Augen und kuschelte mich tiefer in mein Kissen. Ich hatte kein schlechtes Gewissen deswegen, Law hätte mich ja nicht vor der Marine "retten" müssen. Ich war mir ziemlich sicher, dass es mir bei er Marine besser ergangen wäre. Zumindest besser als hier. Lieber wäre ich damals gestorben, als mit Law zur Death zurückzukehren. Trotzdem fragte ich mich schon die ganze Zeit, wer von der Crew der Marinespion war. Von den meisten der Crewmitglieder kannte ich, obwohl ich teilweise mit ihnen aufgewachsen war, nicht einmal den Namen. Theoretisch könnte es jeder sein, und vertrauen tat ich niemandem. Law und mich mal ausgeschlossen, waren das noch knapp 20 Leute, die in Frage kämen. Obwohl ich es für unwahrscheinlich hielt, dass Bepo ein Spion war. Mein Vater und er kannten sich schon seit langer Zeit und er schien mir einfach nicht der Typ für einen Spion zu sein. Oder war das vielleicht alles Fassade? Nun, eigentlich konnte mir das alles ja egal sein. Ich hatte meinen Entschluss gefasst. Eigentlich schon damals, als ich mir mein Katana reingerammt hatte. Aber als mein Vater mich nun niedergeschlagen hatte, hatte das mein Herz endgültig gebrochen. Ich fühlte mich... wie eine leere, leblose Hülle. Niemand würde mich vermissen, die Crew wäre sicherlich eher froh, mich los zu sein. Sobald mein Aufpasser den Raum verlassen würde, um die anderen beim Widerstand gegen die Marine zu unterstützen, würde ich meinen Plan in die Tat umsetzen. Ich wusste, dass Law unter all den Medikamenten, die er hier aufbewahrte, auch Schlaftabletten hatte. Und gegen eine Überdosis von denen würde nicht einmal Law etwas tun können. Leider wurde mir ein Strich durch die Rechnung gemacht. Denn obwohl wir scheinbar angegriffen wurden, verließ dieses Mal meine Aufsichtsperson nicht das Behandlungszimmer. Ahnte Law etwa etwas? Frustriert wartete ich mit immer schwerer werdenden Augenlidern darauf, dass ich endlich allein gelassen wurde. Doch irgendwann übermannte mich der Schlaf, den ich heute Nacht so sehr vernachlässigt hatte. Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, fühlte ich mich schon viel ausgeruhter. Ich schien einige Zeit geschlafen zu haben, denn der Angriff schien vorüber zu sein. Zumindest war nichts mehr zu hören und das U-Boot fuhr wieder normal und keine Schlangenlinien mehr. Desinteressiert blickte ich durch den Raum, fest im Glauben, wieder von einem dieser Ottos beaufsichtigt zu werden. Um so geschockter war ich, als ich plötzlich in Laws sturmgraue, kalte Seelenspiegel blickte. Gegenüber meines Bettes stand er gegen die Wand gelehnt und musterte mich. Bewegungsunfähig starrte ich ihn an. Das war das erste Mal, seit er mich geschlagen hatte, dass ich ihn sah. Wie lange stand der schon da? Unter großen Schmerzen versuchte ich, mich aufzusetzen. "Bleib liegen." Beim Klang seiner gleichgültigen Stimme zuckte ich zusammen, ließ mich aber dann wieder in mein Bett zurücksinken. Der hatte mir gerade noch gefehlt, was wollte der denn hier? "Falls es dich interessiert, ich habe vorhin deine Verbände gewechselt." Bitte was? Er hatte tatsächlich.. Aber das hieß ja dann, dass... Ich spürte, wie mein Gesicht rot wurde. "Jetzt guck doch nicht so. So oft wie du in der letzten Zeit verletzt warst, solltest du dich doch bereits daran gewöhnt haben." Wütend sah ich nicht ihn an, sondern fixierte einen Punkt hinter ihm an der Wand. "Deine Rippen und dein Arm sollten schneller heilen als normalerweise, ich habe die Brüche operativ mit Platten verstärkt. Das wird sich von alleine regeln. Ganz im Gegensatz zu deiner Wunde, die du dir in der Marinebasis zugefügt hast." Law nahm sich einen Stuhl, setzte sich direkt an mein Bett und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. "Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie heilt die Wunde nicht. Ich vermute, dass es daran liegt, dass das Katana mit Gift kontaminiert war, und zwar mit einem, dass mir unbekannt ist. Es wäre deutlich leichter für mich, ein Gegenmittel zu finden, wenn du endlich mit der Sprache rausrücken würdest, was in der Marinebasis vorgefallen ist." Ich schwieg. Dass Law so tat, als ob in den letzten Tagen nichts passiert sei, widerte mich an. "Früher oder später wirst du es mir erzählen müssen, Mina. Oder ich werde das als Befehlsverweigerung ansehen. Das Bett wirst du erst wieder verlassen können, wenn alles verheilt ist." Ich erwiderte nichts. War wahrscheinlich auch besser so, denn sonst wäre das nur wieder in einem Streit ausgeartet. Law sah einfach darüber hinweg, dass ich ihm nicht antwortete, und sprach weiter: "Übrigens wird die parenterale Ernährung ab heute nicht mehr nötig sein und du wirst wieder normale Kost zu dir nehmen können. Den Zugang kann ich also entfernen." Als er sich vorbeugte, um den kleinen Schlauch und den Venenzugang aus meiner Ellenbogeninnenseite zu entfernen, versuchte ich still zu halten und mich nicht zu wehren. Dass ich zu zittern begann, als er sich mir näherte, konnte ich jedoch nicht unterdrücken. Beim Gedanken daran, wieder richtiges Essen zu mir nehmen zu sollen, wurde mir kotzübel. Abwesend nahm ich zur Kenntnis, wie er mir anschließend ein Pflaster über die Stelle klebte. Ich dachte, dass er mich nun in Ruhe lassen würde. Aber da sollte ich mich gewaltig getäuscht haben. "Kommen wir nun dazu, weswegen ich eigentlich hier bin." Irritiert sah ich ihn an. Was wollte er denn noch? "Ich bin mir sicher, dass du mitbekommen hast, dass die Marine uns verfolgt. Bisher weiß ich nicht, woher diese immer so genau in Kenntnis gesetzt sind, wo wir uns befinden. Ich habe jedoch eine Vermutung, Mina." Fragend blickte ich ihn an. Ob er wusste, dass sich ein Spion an Bord befand? "Du weißt etwas darüber, oder?" Das war keine Frage, das wusste ich. Vielmehr war es eine Aufforderung, ihm jetzt alles zu erzählen. Trotzdem schüttelte ich meinen Kopf. Ich wäre der letzte, von dem etwas darüber erfahren würde. "Ich hoffe du weißt, dass ich es hasse, angelogen zu werden." Ich krallte meine Hände in die Bettdecke. Woher wusste er das nun wieder? "Du warst noch nie eine gute Lügnerin, Mina. Dein Gesicht lässt sich lesen wie ein offenes Buch." Ja natürlich. Meine Mimik musste mich verraten haben. Law war ein sadistisches Arsch, aber er war nicht dumm, wie ich mir zu meinem eigenen Missfallen eingestehen musste. "Ich weiß, dass irgendjemand auf diesem Schiff Kontakt zur Marine hat. Und, dass du mir irgendwas vorzuenthalten scheinst." Laws Stimme war um einige Grad kälter geworden. "Vielleicht tue ich das ja. Und, was willst du dagegen machen?" Meine Stimme war leise und brüchig, da ich lange nicht mehr geredet hatte. "Ich dachte, du hättest nach dem letzten Mal dazugelernt. Scheinbar bist du immer noch genauso stur und kindisch wie vorher. Ich werde nicht zulassen, dass jemandem aus meiner Crew etwas zustößt, nur weil du, meine eigene Tochter, keinen Bock hat, mir die Wahrheit zu sagen." Law stand auf und bewegte sich einige Schritte in Richtung Tür. Kurz vor der Tür drehte er sich jedoch noch einmal zu mir herum. "Ich komme in einer Stunde wieder. Dann möchte ich alles wissen, was du über diese Sache weißt. Ansonsten werde ich zu härteren Maßnahmen greifen müssen." Mit diesen Worten verließ er den Raum und Penguin, der vermutlich auf mich aufpassen sollte, betrat ihn. Kapitel 16: ------------ Geistesabwesend starrte ich seit bestimmt zehn Minuten die Tür an, durch die mein Vater verschwunden war. Was er wohl damit gemeint hatte, dass er zu härteren Maßnahmen greifen würde? Ich hatte keine Angst davor, dass Law mich erneut körperlich verletzte. Das war mir egal. Vielmehr versetzte es mir einen Stich ins Herz, was aus unserer Beziehung zueinander geworden war. Wenn ich das mit früher verglich... Auch als ich klein war, hatten wir so unsere Probleme miteinander gehabt. Law war halt nie der liebevolle, fürsorgliche Vater gewesen. Das hätte einfach nicht seinem Wesen entsprochen. Das Gefühl, dass er mich hassen würde, hatte ich früher jedoch nie gehabt. Das hatte ich erst, seit ich 7 war. Und es war über die Jahre hinweg immer schlimmer geworden. Ich wusste bis heute nicht, was ich damals getan hatte, dass mein Vater mich nicht mehr mochte. Aber trotzdem hatte ich einmal zu ihm aufgeschaut. Damals hatte ich einfach versucht, über seine emotionale Kälte hinwegzusehen und mir durch Training meiner Kräfte seinen Respekt zu verdienen. Bis ich eingesehen hatte, dass es keinen Sinn hatte. Ich verzog mein Gesicht. Dass ich einmal den Mörder meiner Mutter als Vorbild gehabt hatte, verursachte bei mir Übelkeit. Ich nahm mir fest vor, nie wieder daran zu denken. In einer Stunde würde Law also hier auftauchen, um aus mir Informationen über den Marinespion rauszuholen. »Aber... Eigentlich wusste ich doch nichts, was Law weiterbringen würde... Dass sich ein Spion an Bord befand, ahnte er ja schon selbst. Und wer das war, wusste ich ja auch nicht. Was wollte er denn dann bitteschön von mir wissen?« Trotzdem war es mir, als ob ich etwas wichtiges übersehen hätte. So ging ich gedanklich noch einmal die Gespräche mit dem Vizeadmiral durch. Ich fand jedoch nichts, was auf die Identität des Spions schließen lassen würde. Ich wusste nicht einmal, ob es sich um einen oder mehrere Spione handelte. Das einzige, was auf den Spion auf jeden Fall zutreffen musste, war, dass er schon längere Zeit an Bord war. Weiterbringen tat mich diese Erkenntnis nicht, denn das traf auf ungefähr zwei Drittel der Mannschaft zu. Warum dachte ich überhaupt darüber nach? Sollte mir doch nur recht sein, wenn sich hier ein Marinespion an Bord befand und Law auf die Nerven ging. Ein Blick auf die Wanduhr verriet mir, dass Law hier jeden Moment auftauchen würde. Die Bedenkzeit war wie im Flug vergangen. Ich ging nicht davon aus, dass er mir glauben würde, dass ich nichts wusste, was ihn weiterbringen würde. Und selbst wenn, würde ich ihm nichts sagen. Ich schloss meine Augen. Ich fühlte mich unglaublich müde und erschöpft. Zudem war mir viel zu warm. Als ich eine Hand auf meine Stirn legte, fühlte ich, dass sie ungewöhnlich warm war. Super, dass ich Fieber bekam, war genau das, was ich jetzt brauchte. Nachher pumpte Law mich noch mit irgendeinem Zeugs voll. Law... »Was hatte er vorhin nochmal zu mir gesagt?« "Ich werde nicht zulassen, dass jemandem aus meiner Crew etwas zustößt, nur weil du, meine eigene Tochter, keinen Bock hat, mir die Wahrheit zu sagen." Also gab er sowieso mir die Schuld. Die Schuld dafür, dass wir verfolgt wurden, dass die Crew in Gefahr war und wahrscheinlich auch dafür, dass der Spion überhaupt erst an Bord gelangt war. Dabei suchte er doch die Crewmitglieder aus, und nicht ich. Wenn, dann war es überhaupt seine Schuld. Was er mit dem Spion machen würde, wenn er ihn finden würde, wollte ich gar nicht erst wissen. Law verstand bei Dingen wie Illoyalität oder Verrat keinen Spaß, sicher würde er seiner sadistischen Ader freien Lauf lassen. Der Spion konnte einem fast Leid tun. Ich lächelte müde, als ich erkannte, dass mir diese Fakten einen Weg boten, endlich aus diesem Leben zu verschwinden. Law war eh schon sauer auf mich. Würde ich nun einfach behaupten, dass ich der Marinespion sei, müsste er mich theoretisch ausschalten, oder? Ich wusste, dass das ein dämlicher Plan war, aber ich versuchte grade alles, um aus dieser scheiß Situation zu entkommen. So beschloss ich, Law noch ein letztes Mal so richtig auf die Nerven zu gehen. Innerlich hoffte ich, dass er mir nur dieses eine Mal meine Lüge nicht anmerken würde. Nur wenige Minuten später öffnete sich die Tür und Law betrat das Zimmer. Er wies Penguin an, dieses zu verlassen und setzte sich anschließend mit dem Stuhl direkt neben mich. Sein Blick ruhte dabei auf mir. Erst nun fielen mir die dunklen Augenringe auf, die sein Gesicht um Jahre älter erschienen ließen. Ob er des Nachts so viel arbeitete? Oder verbrachte er einfach so viel Zeit damit, böse Pläne zu schmieden? Letzterer Gedanke brachte mich innerlich zum Grinsen, nach außen hin bewahrte ich jedoch mein Pokerface. Still lag ich in meinem Bett und wartete darauf, dass er das Wort ergriff. Ein unangenehmes Schweigen entstand, ehe Law zum Reden ansetzte: "Und, bist du zur Vernunft gekommen?" Seine Stimme klang genervt und ungeduldig. Ich überlegte, wie ich ihm meine Lüge nun am besten auftischte, ohne dass er etwas bemerkte. Also begann ich damit, Gegenfragen zu stellen, um die Konversation in die richtige Richtung zu lenken. "Das kommt sich darauf an, wie du Vernunft definierst, Law." Deutlich sah ich, wie ein fragender Ausdruck auf sein Gesicht trat. Oh, wenn er nur wüsste, wie viel hinter dieser Aussage steckte. Denn das, was ich vorhatte, wäre in seinen Augen gewiss alles andere als vernünftig. Ohne auf meine ihm wahrscheinlich seltsam vorkommende Bemerkung weiter einzugehen, sprach Law weiter: "Mina, du weißt, was ich von dir wissen will." "Nö, tut mir Leid. Aber ich bin mir sicher, dass du es mir nun lang und breit erklären wirst." Sichtbar genervt rieb er sich die Schläfen. Ich genoss es in vollen Zügen, ihm so auf die Nerven zu gehen. "Sag mir einfach, was du über einen möglichen Marinespion auf unserem Schiff weißt." Ich weiß nicht, ob das daran lag, dass ich vermutlich Fieber hatte, aber ich fühlte mich total high. So kam es, dass mir seltsame Antworten einfielen. Sehr seltsame sogar. Aber es gehörte zu meinem Plan, ihn erst einmal zu provozieren, ehe ich die große Bombe würde platzen lassen. Denn wenn ich in all den Jahren etwas gelernt hatte, dann, wie man Law so richtig auf die Palme bringen konnte. "Achsooo, der Spion. Wieso sagst du das nicht gleich? Du redest sicherlich von Günther, oder?" Sein Gesichtsausdruck ließ sich nun am besten beschreiben, wenn man sagte, dass er dreinblickte wie ein Auto. "Mina, ich wüsste es wohl, wenn es jemanden auf diesem Schiff geben würde, der Günther heißt." "Ups, mein Fehler. Warte, wie hieß er noch gleich? Ich glaube, es war... Kevin? Oder doch Hans-Jürgen?" Laws verwirrtem Gesichtsausdruck wich Wut. Dies spiegelte sich auch in seiner Stimme wieder, welche nun nicht mehr genervt, sondern vielmehr kalt war. "Mina, treib es nicht auf die Spitze und hör auf, deine Spielchen mit mir zu spielen. Hast du Informationen über die Identität des Spions?" Ich ließ mein Gesicht einen ernsten Ausdruck annehmen, damit Law mir die folgenden Worte auch wirklich abkaufte. Auch meine Stimme ließ ich emotionslos klingen. "Ja, ich besitze Informationen darüber." Ich sah, wie sich Laws Augen verengten. Abwartend sah er mich an. Ich ließ einen Moment verstreichen, ehe ich ihm fest in die Augen blickte und ihm mit eiskalter Stimme die wohl größte Lüge meines Lebens auftischte: "Ich bin es gewesen, Vater. Ich habe der Marine Informationen übermittelt und dafür gesorgt, dass sie euch verfolgen. Ich bin der Marinespion, den du suchst." Kapitel 17: ------------ Ich hätte nun mit jeder nur möglichen Reaktion gerechnet. Dass er mich schlägt, mich anbrüllt oder mich direkt ausschaltet. Aber Law reagierte gar nicht. Stumm betrachtete er mich. In seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck. "Nein, bist du nicht." Er sprach ruhig und bestimmt. Es wurde deutlich, dass er keinen Zweifel daran hegte. Es machte mich unglaublich wütend, dass er mich direkt durchschaut hatte, und dies machte sich auch an meiner Stimme bemerkbar, welche aufgebracht und zornig klang: "Doch, ich war es. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, ich habe der Marine-" "-Informationen übermittelt, während du bewusstlos hier im Bett lagst und überwacht wurdest? Mich würde echt mal brennend interessieren, wie du das geschafft hast.", ergänzte Law im gleichgültigen Tonfall meinen Satz. Ertappt senkte ich meinen Kopf. Das hatte ich nicht bedacht. "Das sehe ich mal als Bestätigung meiner Behauptung. Nun frage ich mich nur, wieso du dann behauptest, dass du der Spion seist, Mina. Das Naheliegendste wäre, dass du versuchst, von jemandem abzulenken. Demzufolge deinem Komplizen. Dass es jedoch zwei Spione an Bord gibt, kann ich eindeutig ausschließen. Eine weitere Annahme wäre, dass du die Schuld auf dich nehmen willst, weil du weißt, wer der Spion ist und so zu verhindern versuchst, dass derjenige dafür von mir belangt wird. Aber auch das halte ich für unwahrscheinlich, da du mit deinem bisherigen Verhalten eher gezeigt hast, dass dir deine sämtlichen Nakama so ziemlich am Arsch vorbeigehen. Wieso solltest du dich aber sonst als Spion ausgeben? Erklärs mir." Unwillkürlich begann ich zu zittern. Nicht wegen dem, was Law grade gesagt hatte, oder weil ich etwa Angst hatte. Nein, obwohl ich stark schwitzte, war mir plötzlich extrem kalt. Ich zog meine Decke enger um mich. Ohne auf seine Frage einzugehen, stellte ich meine Gegenfrage: "Wieso bist du dir so sicher, dass ich keinen Komplizen habe?" Meine Stimme klang müde und brüchig und spiegelte somit perfekt meinen derzeitigen Gefühlszustand wider. Law sah mich einen Moment nur schweigend an, ehe er zu einer Antwort ansetzte: "Ich habe meine Gründe. Darüber reden wir aber ein anderes Mal." Ich wollte gerade etwas darauf erwidern, als Law mir aus meiner Sicht vollkommen unerwartet von der einen auf die andere Sekunde seine Hand auf meine Stirn legte. "Du hast Fieber", stellte er fest, "Warum sagst du das nicht?" Genervt schloss ich meine Augen. Diesem Heini entging echt nichts. "Vielleicht, damit du mich nicht mit irgendwelchen Medikamenten vollpumpst?", murmelte ich. Ich fühlte mich extrem müde und wollte einfach nur noch meine Ruhe haben. "Das kommt sich ganz auf die Ursache an. Ich werde dich wohl untersuchen müssen" gab Law monoton zurück. Da ich mich schon im Halbschlaf befand, bekam ich nur am Rande mit, wie Law mich untersuchte. Als ich jedoch einen stechenden Schmerz verspürte, war ich wieder hellwach. Ich war schweißgebadet und mir war schwindlig. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich, dass er mir den Verband um meine Wunde entfernt hatte und diese desinfizierte. Es tat höllisch weh. "Verdammter Idiot, was machst du da?", flüsterte ich. Zum Anbrüllen war ich leider nicht mehr in der Lage. Er beachtete mich gar nicht und brachte einen neuen Verband an. Ich war mir bewusst, dass Law grade meine Wunde am Versorgen war. Doch irgendetwas schien nicht zu stimmen. Sein Gesichtsausdruck war ernst und nachdenklich. Für dass dies eigentlich für einen Arzt Routine sein sollte, guckte er einfach zu nachdenklich. Abermals legte er seine Hand auf meine Stirn. Sie fühlte sich rau und gleichzeitig angenehm kühl an. Ich hatte große Mühe, meinen Drang, seine Hand wegzustoßen, zu unterdrücken. Ich beschränkte mich darauf, ihn finster anzustarren. "Deine Wunde hat sich entzündet und eitert. Daher das hohe Fieber. Schlimm genug, dass sie nicht zusammenwächst, jetzt auch noch das. Welcher normale Mensch ist auch so dämlich, sich ein vergiftetes Katana reinzurammen?", murrte Law. Ich beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. Wahrscheinlich wollte Law mich nur provozieren, damit ich ihm meine Beweggründe für mein damaliges Handeln nannte. "Ich werde dir nichts zum Fiebersenken verabreichen, da durch das Fieber das Bakterienwachstum verlangsamt und der Stoffwechsel angeregt wird. Trotzdem werde ich dir etwas zur Beruhigung spritzen, da dein Körper grade absolute Ruhe braucht und ich dir zutrauen würde, dass du bei der nächstmöglichen Gelegenheit wieder auf dem Gang rumrennst." Mit diesen Worten bewegte er sich in Richtung des Arzneimittelschranks, um augenscheinlich die Spritze aufzuziehen. Miesgelaunt brummend zog ich mir die Decke hoch bis zur Nasenspitze. Wie sollte ich bitteschön in diesem Zustand auf dem Gang rumlaufen? Der hatte echt seltsame Ideen. Und seine Spritze konnte er sich selber spritzen, ich wollte die nicht. Als Law mit der Spritze an mich herantrat und mit einer schnellen Bewegung meinen Arm packte, hatte ich jedoch kaum eine Chance, ihm diesen wieder zu entreißen. Dessen ungeachtet versuchte ich es natürlich trotzdem, rein aus Prinzip. Doch mein Versuch wirkte ob meiner Kraftlosigkeit eher lächerlich Kurz darauf schon spürte ich das mir mittlerweile vertraut gewordene Piksen der Nadel und die kalte Flüssigkeit, welche mir injiziert wurde. Immer energieloser fühlte ich mich, und schon bald darauf hatte ich Mühe, meine Augen noch offen zu halten. Ich empfand es als äußerst erniedrigend, so wehrlos zu sein. Das Letzte, was ich vernahm, ehe ich der Müdigkeit nachgab und einschlief, war Laws weit entfernt klingende Stimme: "Dass du Sturkopf dich aber auch immer gegen alles wehren musst. Ich werd später jemanden vorbeischicken, der dir Essen bringt." Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, als ich aufwachte, aber ich war noch so erschöpft, dass ich große Mühe hatte, auch nur annähernd meine Augen zu öffnen. Sie fühlten sich schwer und geschwollen an. Mir war nach wie vor viel zu warm, aber der Schwindel schien nachgelassen zu haben. Eine gefühlte Ewigkeit später schaffte ich es dann doch und sah mich im Raum um. Das Erste, das mir regelrecht ins Auge stach, war die fehlende Aufsichtsperson. Zum ersten Mal seit Wochen war ich unbeaufsichtigt. Das war seltsam und passte echt nicht zu Law. Erst jetzt fiel mein Blick auf den Teller, der neben mir stand. Auch ein Glas mit Wasser befand sich daneben. Das Essen löste bei mir Übelkeit aus. Ich konnte nicht einmal genau sagen, was es darstellen sollte. Es war einfach nur eine grüne Pampe, die alles andere als gut roch. Damit hatte der Koch mal wieder einen Rekord im Ekel-Essen-Kochen aufgestellt. Manchmal fragte ich mich echt, wie der Typ als Koch hier gelandet war. Angewidert und schlechtgelaunt beförderte ich das Essen gegen die nächste Wand, wo die Schüssel scheppernd zerbrach. Das Glas Wasser hingegen nahm ich dankbar an. Mein Hals fühlte sich an wie Sandpapier und ich hatte starken Durst. So setzte ich das Glas ohne weitere Umschweife an meine Lippen an und trank es in einem Zug halbleer. Dass das Wasser den selben seltsamen Geruch ausströmte wie das Essen bemerkte ich leider zu spät. Nur den Bruchteil einer Sekunde später fiel mir unter starkem Zittern klirrend das Glas aus der Hand und ich machte Bekanntschaft mit dem Boden, als ich von der einen auf die andere Sekunde keine Luft mehr bekam und mir schwarz vor Augen wurde. Kapitel 18: ------------ Als ich das Bewusstsein wiedererlangte, begann der Todeskampf erst richtig. Ich wand ich mich vor Schmerzen. Mein ganzer Körper fühlte sich an, als würde er brennen. Immer wieder durchzuckten Krämpfe wie grelle Blitze meinen Leib. Parallel zu diesen bohrten sich bei jedem Krampf meine Fingernägel in meine Haut und schon nach kurzer Zeit fühlte ich das warme Blut meine Handflächen hinunterlaufen. Erneut bekam ich keine Luft mehr und ich versuchte in Todesangst vehement, nach Luft zu schnappen. Ich realisierte, dass ich immer noch auf dem Boden lag. Es konnten auch erst wenige Minuten bis Sekunden vergangen sein, seit ich das Wasser getrunken hatte. Doch es fühlte sich an, als seine bereits einige Stunden vergangen. Das Ganze schien noch von niemandem bemerkt worden zu sein. Nach einem erneuten Hustenanfall spürte ich, wie sich Blut in meinem Mund ansammelte. Beim Geschmack von diesem breitete sich Übelkeit in mir aus. Als ich nun unter großer Anstrengung meine Augen öffnete, erkannte ich meine Umgebung nur schemenhaft. Immer dunkler wurde es vor meinen Augen, ehe ich begann, auch meinen Körper nicht mehr zu spüren. Das Atmen war schmerzhaft und ich konnte nicht ausreichend Sauerstoff einatmen, da meine Kehle wie zugeschnürt war, wodurch mir schwindlig wurde. Ich spürte, dass es mit mir zu Ende ging und so schloss ich kraftlos meine Augen. Sekunden später schon gab ich der wohltuenden Schwärze nach, fest davon ausgehend, dieser Welt nun endlich für immer zu entfliehen. Da war nichts. Keine Schmerzen, keine Angst. Ich schlug meine Augen auf. Um mich herum war alles schwarz. Erst nach einiger Zeit wurde es um mich herum heller und ich erkannte, dass ich in einer Art größerem Raum war, welcher vollkommen leer war. Es waren keine Türen oder Fenster vorhanden und er war ziemlich groß. Da ich keine Schmerzen mehr verspürte, konnte ich mich ohne Probleme aufsetzen. Wo war ich hier? Was war passiert? Langsam kamen mir die Erinnerungen an das zurück, was zuvor geschehen war. Das hieß... Ich war tot? Bedächtig sah ich mich um. Ich fühlte mich hier seltsamerweise geborgen. Wenn das hier der Tod war, dann gefiel er mir. Nie zuvor hatte ich mich so befreit und sorgenfrei gefühlt. Wie mein Vater wohl reagieren wird, wenn er über meine Leiche stolpert? Oder war er vielleicht sogar dafür verantwortlich, dass ich vergiftet worden war? Nun, das war mir jetzt auch egal. So schloss ich meine Augen wieder und genoss die Stille und die mich umgebende Dunkelheit. Nie wieder würde ich mich mit so einem Mist beschäftigen müssen. Ich weiß nicht, wie lange ich bereits an diesem Ort war, als all das hier zum Albtraum wurde. Ich lag nach wie vor auf dem Boden und döste vor mich hin. Es war mollig warm und ich hatte Mühe, nicht einzuschlafen. Als jedoch plötzlich bunte Lichter um mich herumschwirrten, war ich wieder hellwach. Gebannt beobachtete ich, wie diese sich durch die Dunkelheit bewegten, bis sie sich vor mir sammelten und anfingen, grell zu leuchten. Mit einer Hand vor den Augen versuchte ich, gegen das blendende Licht anzublinzeln. Die Lichter hatten sich ausgeweitet und nahmen nun feste Gestalt an. Vom einen auf den anderen Moment nahm das Leuchten wieder ab und ich sah, dass mir mehrere Personen gegenüberstanden. Sobald ich nun erkannte, wer das war, keuchte ich überrascht auf. Meine gesamte ehemalige Crew stand vor mir. Sie starrten mich feindselig, ja teilweise mit Hass in den Augen, an. Dass sie nicht real sein konnten, wusste ich. Sie leuchteten in einem geisterhaften Weiß. Warte... Hieß das, sie waren auch alle gestorben? Erschrocken wich ich einige Zentimeter zurück und stand auf. So verweilten wir einige Zeit lang und sahen uns einfach nur an. Als langjähriges, wenn auch unfreiwilliges, Crewmitglied der Heart-Piratenbande war ich es gewöhnt, dass ich nicht von all meinen Nakama freundlich behandelt wurde. Es hatte schon immer den ein oder anderen gegeben, der mich finster angestarrt hatte, weil er meinte, dass Law mich bevorzugte. Darüber hatte ich hinwegsehen können, zumeist hatte ich mich darauf beschränkt, denjenigen finster zurückanzustarren. Dass mich nun aber allesamt anblickten, als ob sie mich abgrundtief hassten, war ein mir vollkommen fremder Anblick. Sogar Bepo sah mich mit einem Blick an, der eindeutig zeigte, dass er mir den Tod wünschte. Es sah echt seltsam aus. Irritiert stand ich auf trat ich einige Schritte an sie heran. "Was... Was macht ihr hier?" Deutlich war meine Verwunderung über ihre Anwesenheit aus meiner Stimme rauszuhören. Doch ich bekam keine Antwort. Schweigend und ohne auch nur einmal zu Blinzeln starrten sie mich an. Ich fühlte mich total unwohl in dieser Situation. Hatte ich nicht einmal im Tod meine Ruhe vor denen? Warum waren sie überhaupt hier? Sie konnten jawohl kaum alle auch gestorben sein... Zudem ging von ihnen ein seltsames Leuchten aus. Langsam hob ich meine Hand und bewegte sie auf Bepos Gesicht zu. Voller Hass starrte mich dieser an, reagierte aber ansonsten nicht. In Zeitlupe näherte ich mich seinem Pelz, erwartend, jeden Moment sein weiches Fell an meinen Fingerspitzen zu spüren. Doch meine Finger stießen auf Luft. Ich konnte einfach durch ihn hindurchgreifen. Der Teil meiner Hand, welcher sich nun so gesehen in seinem Körper befand, wurde eiskalt. Sofort zog ich meine Hand zurück und trat ein paar Schritte nach hinten. Also waren sie nicht materiell. Waren das Geister? Als ich hingegen mit meiner rechten Hand mein Gesicht berührte, war dieses greifbar. Was war hier nur los? Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als ich eine Stimme vernahm. "Bist du endlich verreckt? Hat ja lange genug gedauert." Ruckartig riss ich meinen Kopf hoch. Es war eindeutig Shachi gewesen, der da gesprochen hatte. Seine Stimme war hämisch und er grinste. Sein gleichzeitig starrer, hasserfüllter Blick ließ ihn wahnsinnig wirken. Unfähig, darauf etwas zu erwidern, sah ich ihn einfach nur weiterhin an. Was zum... "Hab mich schon gefragt, wann der Captain dich endlich um die Ecke bringen wird, aber dass hast du ihm ja nun netterweise abgenommen." Entsetzt sah ich das Crewmitglied an, welches nun das Wort ergriffen hatte. Ich war mir nicht einmal sicher, wie er hieß. Was war hier nur los? "Du warst eh nur eine Last für uns alle. Ein Schwächling wie du hatte nichts an Bord unseres Schiffes zu suchen." "Genau, wir sind froh, dich los zu sein. Das werden wir feiern!" Wie aufs Stichwort rissen sie jubelnd ihre Arme hoch und grölten. Laut hallte ihr Lachen im Raum wider. Das musste ein Traum sein... Ein verdammt mieser Albtraum... Während ich noch fassungslos versuchte, eine Erklärung für all das zu finden, tauchte plötzlich ein weiteres Licht in meinem Blickfeld auf, welches sich alsbald ausweitete und menschliche Gestalt annahm. Als ich realisierte, wer da nun noch vor mir stand, überkam mich das dringende Bedürfnis, meinen Kopf gegen die Wand zu hauen. Das konnte doch nicht wahr sein, hatte ich denn nie Ruhe vor ihm? Vor mir stand die geisterhafte Gestalt meines Vaters, welcher mich mit leeren Augen ansah. "Endlich bin ich dich los. Du warst nichts als eine Last für mich." Tränen traten in meine Augen. Ich wollte das alles nicht hören. "Weißt du eigentlich, wie beschämend es immer für mich war, so eine schwache Tochter wie dich zu haben? Du bist wertlos. Ich bin froh, dich los zu sein." Keinerlei Emotion war in seiner Stimme. Ich konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Mein Vater sprach grade genau das aus, wovor ich immer Angst gehabt hatte. Immer mehr Tränen bahnten sich den Weg mein Gesicht hinunter. "Du heulst? Wie erbärmlich." Ich hatte Law noch nie in einem solchen Tonfall mit mir reden hören. Er wirkte regelrecht angewidert von meinem Verhalten. Ich wischte mir mit meinem Ärmel die Tränen weg. Als ich meinen Blick wieder nach vorne richtete, hatte sich bereits eine neue Gestalt dort gebildet. Als ich dieser Person ins Gesicht sah, blieb mir hingegen fast das Herz stehen. Vor mir stand nun eine Frau, welche in etwa die gleiche Größe hatte wie ich. Ihr Haar war hüftlang und genauso kupferrot wie meines. Ihre grünen Augen waren ausdruckslos und es war, als blickten sie durch mich hindurch. Ich glaubte, meinen Verstand nun endgültig zu verlieren. Ich stand meiner Mutter gegenüber. Sie sah genauso aus, wie ich sie mir immer vorgestellt hatte. Langsam trat ich auf sie zu. "Ma-Mama?" Meine Stimme zitterte stark. Doch meine Mutter reagierte nicht. Starr blickte sie geradeaus. Ich hob meine Hand und legte sie an ihre Wange. Entgegen meiner Hoffnungen trafen meine Finger jedoch nicht auf die Wärme ihres Körpers, sondern griffen ins Leere. Ich hielt in meiner Bewegung inne und senkte meinen Blick. Wie gerne hätte ich sie jetzt einfach umarmt. "Du..." Sofort blickte ich meiner Mutter ins Gesicht, als ich ihre Stimme vernahm. Meine Crewmitglieder und meinen Vater, die im Hintergrund standen und wie zuvor bewegungslos geradeaus sahen, blendete ich einfach aus. Das war das erste Mal, dass meine Mutter mit mir redete. "Du bist eine Enttäuschung für mich. So schwach, wie du bist, hätte ich dich nie bekommen sollen." Es war, als hätte sie mich geohrfeigt. Ihre Worte schmerzten fürchterlich. Ich sank auf meine Knie und hielt mir meine Ohren zu. Ich wollte das nicht mehr hören. Ich musste hier weg. Schwer atmend und wimmernd sah ich noch einmal in die Richtung meiner Mutter, nur um zu erkennen, dass sie immer durchsichtiger wurde. Meine Crewmitglieder lösten sich bereits in Licht auf. Mein Vater war auch nur noch eine schwach erkennbare Lichtgestalt. Stumm beobachtete ich, wie sich all diese Personen wieder auflösten. Dann war ich wieder alleine und fühlte mich schrecklicher als jemals zuvor. Nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Mein Körper schmerzte von Minute zu Minute mehr, mir war schwindlig und der Raum schien sich zu drehen. Mir war, als müsste ich mich jede Sekunde übergeben. Was war hier nur los? Wenn ich doch tot war, wieso konnte ich dann noch Schmerzen empfinden? Immer tauber wurden meine Gliedmaßen, schon bald konnte ich mich überhaupt nicht mehr bewegen. Umso weniger ich meine Körper und diesen Raum noch wahrnahm, desto deutlicher nahm ich andere Stimmen wahr, welche zunächst klangen, als seien sie weit entfernt. Mit zunehmender Zeit jedoch wurden sie lauter und deutlicher, bis ich schließlich einzelne Wortfetzen verstehen konnte: "...Captain, sie… wieder… Bewusstsein!" Kapitel 19: ------------ Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, wo ich mich befand. Und vor allem, dass ich wohl doch nicht tot war. Doch die Freude, die jeder andere beim Feststellen dieser Tatsachen wohl verspürt hätte, blieb bei mir aus. Ich bezweifelte stark, dass es eine positive Seite hatte, dass ich noch lebte. "Dann ist es noch nicht zu spät. Ihr beiden, beeilt euch und helft mir, sie hochzuheben." Deutlich drang Laws Stimme an mein Ohr und hinterließ ein unangenehmes Gefühl. Sie klang... so anders als sonst. Normalerweise war sein Tonfall ruhig und emotionslos, manchmal auch kalt. So gut wie nie gab er anderen durch seine Mimik, Gestik oder seine Artikulation Einblicke in seine Gedanken oder seine Gefühlswelt. Er war stets darum bemüht, nach außen hin ein Pokerface zu bewahren. Ich wusste, dass mein Vater es als Schwäche ansah, wenn man offen seine Gefühle zeigte und diese nicht unter Kontrolle halten konnte. Aber jetzt war deutlich die Wut aus seiner Stimme rauszuhören. Die Stimmen um mich herum waren jedoch auch schon das Einzige, was ich von meiner Umgebung wahrnahm. Meinen Körper spürte ich kaum und ich fühlte mich benommen, als stände ich unter starken Beruhigungsmitteln. Bewegen konnte ich mich nicht, und teilweise hatte ich sogar gar kein Gefühl in meinen Körperteilen. So fühlte ich weder meinen linken Arm noch meine Beine ab den Knien abwärts, auch ein Teil meines Rückens war empfindungslos. Mein restlicher Körper hingegen schmerzte höllisch. Das Atmen fiel mir von Sekunde zu Sekunde schwerer, irgendwas schien mir förmlich die Kehle zuzuschnüren. Ich hatte einen seltsamen Geschmack im Mund und mir war bitterkalt. Selbst das Denken bereitete mir große Schwierigkeiten, denn mein Kopf fühlte sich an, als ob ich mit 180 gegen die nächste Wand gelaufen wäre. Trotz meiner Kopfschmerzen versuchte ich zunächst, über das grade Erlebte nachzudenken. Doch das ich gab schon nach kurzer Zeit auf, als sich Übelkeit in mir ausbreitete. Ich beschloss, mich später damit auseinanderzusetzen und vorerst einfach nur still liegen zu bleiben. Der Entschluss, ruhig zu bleiben, war jedoch kurz darauf schon wieder hinfällig, denn als Law mich zusammen mit jemand anders hochhob und mich allem Anschein auf der Krankenliege niederlegte, wimmerte ich vor Schmerzen. Es tat einfach unerträglich weh. Gleichzeitig schämte ich mich dafür, wieder einmal vor Law so schwach zu sein. Ich wollte nicht, dass er mich behandelte. Aber ich war nicht in der Lage, dass zu kommunizieren. Meine Augen ließ ich geschlossen. Ich war viel zu erschöpft, als dass ich jetzt mit irgendwem in ein Gespräch verwickelt werden wollte. "Wir müssen ihre Vitalfunktionen überprüfen. Bepo, schließ sie an das EKG an. Und Shachi, miss ihre Sauerstoffsättigung." Ich verzog mein Gesicht. Ihre Stimmen klangen ungewöhnlich laut, mir war es, als würden sie mir ins Ohr brüllen. "Dem Geruch nach, den ihr Atem verströmt, ist sie eindeutig mit Kaliumzyanid vergiftet worden. Passt auf, dass ihr nicht damit in Berührung kommt, das Zeug ist nämlich hautresorptiv." "Captain? Ihre Sauerstoffsättigung liegt bei nur 79% und ihr Atem ist viel zu flach-" "Dann schließ sie an das Beatmungsgerät an, beobachte aber weiter ihre Sauerstoffsättigung." Ich spürte, wie mir die Beatmungsmaske aufgelegt wurde. Trotzdem fiel mir das Atmen noch schwerer als zuvor. "Ähm, Captain? Ihre Atmung nimmt weiter ab, anstatt sich zu bessern." "Das liegt am Kaliumcyanid, es verhindert die Sauerstoffaufnahme. Ich werde ihr jetzt ein Antidoton verabreichen müssen. Penguin, gib mir den Behälter dort mit der Aufschrift Hydroxycobalamin und bereite schon einmal eine Infusion vor. Bepo, hast du sie an das EKG angeschlossen?" Wie zur Bestätigung ertönte ein lautes und unregelmäßiges Piepsen. Nach einem kurzen Moment des Schweigens vernahm ich erneut Laws Stimme "Sie hat Herzrhythmusstörungen. Das ist untypisch für eine solche Vergiftung..." Im Gegensatz zu vorher konnte ich nicht mehr so deutlich die Wut aus seiner Stimme raushören, er schien sie einigermaßen in den Griff bekommen zu haben. Vielmehr klang seine Stimme nun konzentriert und bestimmt. Nur am Rande nahm ich den nun folgenden Stich wahr, als Law mir ein Medikament injizierte. "Bepo, miss ihren Blutdruck. Penguin, hilf mir sie an die Infusion anzuschließen, wir müssen ihren Flüssigkeitshaushalt im Gleichgewicht halten." Diesmal spürte ich den Stich nicht, was bedeuten musste, dass sie mir den Zugang in den Arm gelegt haben mussten, welcher taub war. Kurz darauf spürte ich die Hand von jemandem auf meiner Stirn. "Ihre Körpertemperatur ist zu warm, Captain." Das war eindeutig Shachis Stimme. Langsam und mit großer Mühe öffnete ich meine Augen. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Viel sehen konnte ich nicht, da mein Kopf gerade auf dem Kissen lag, blickte ich an die Decke. "Captain? Sie ist wach." Unter großer Anstrengung schaffte ich es, meinen Kopf zur Seite zu drehen. Meine Sicht war verschwommen. Schwindel überkam mich. Ich sah, wie Law an mich herantrat und mich musterte. Dann leuchtete er mir mit einer kleinen Lampe ins Auge. "Ihre Pupillen sind stark geweitet. Ich habe da einen Verdacht. Shachi, bring eine Probe des Wassers in mein Arbeitszimmer und begib dich danach in die Kantine." Ich sah, wie Shachi sich Handschuhe anzog und anschließend mit einer Pipette einige Tropfen des Wassers aufzog. Eilig verließ er daraufhin den Raum. Mir fiel auf, dass Laws Stimme wieder den üblichen monotonen und neutralen Ton angenommen hatte. "Penguin, versammle den Rest der Crew in der Kantine und pass auf, dass keiner den Raum verlässt." Auch dieser verließ mit eiligem Tempo und ohne weitere Nachfragen zu stellen die Kabine. Dann wendete sich Law wieder mir zu. Auch er legte mir nun seine Hand auf meine Stirn. Seine Hand war um einiges rauer als die von Shachi. "Du hast tatsächlich Fieber.", stellte er daraufhin fest. Ich verstand nicht, was er meinte, denn mir war total kalt. Und ich wünschte mir, dass er seine Hand von meiner Stirn nähme, denn er kotzte mich an. Wäre ich nicht in diesem Zustand, würde er jetzt was zu hören bekommen. Ich beschränkte mich darauf, ihm einen bösen Blick zuzuwerfen. Doch Law ging nicht darauf ein. Er verhielt sich sowieso grade seltsam. Ich merkte ihm deutlich an, dass er im Moment gedanklich woanders war und ihn irgendwas beschäftigte. "Das sollte sich aber geben, wenn das Gegengift erst einmal richtig wirkt. Deine Atmung und dein Puls scheinen sich schon wieder zu normalisieren. Ich denke, dein Zustand ist einigermaßen stabil." Mit diesen Worten begab sich Law in Richtung der Tür. Ich wusste echt nicht, wieso Law dachte, dass sich mein Zustand gebessert haben sollte. Vielmehr fühlte ich mich immer benommener und schwächer. Auch das Taubheitsgefühl in Teilen meines Körpers bestand weiterhin. Etwas verbessert hatte sich meine Atmung tatsächlich, doch ohne die Atemmaske wäre ich wahrscheinlich trotzdem noch in Atemnot, da war ich mir sicher. "Bepo, du wirst hierbleiben und auf sie aufpassen. Ich habe ein paar wichtige Angelegenheiten zu regeln. Sollte es irgendwelche Auffälligkeiten geben, wirst du mich sofort holen kommen." Kurz darauf schon war er durch die Tür getreten und verschwunden. Somit blieb ich nun mit Bepo alleine zurück. Ich merkte sofort, dass diesem das alles andere als geheuer war, denn seine Körpersprache war da eindeutig. Kaum war Law die Tür hinaus, betrachtete mich Bepo mit unruhigem Blick und wich nervös ein paar Schritte zurück, bis er an die Wand stieß. Ich brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, was mit ihm los war. Er schien sich daran zu erinnern, was damals passiert war, als er mich hatte überwachen sollen. Ich hatte ihn ohne mit der Wimper zu zucken betäubt, um aus dem Raum zu entkommen. Man, was glaubte er eigentlich, was ich ihm antun würde? In meinem Zustand konnte ich ihm nicht einmal eine Beleidigung an den Kopf werfen, und dann sah der mich so an, als ob ich ihn jetzt gleich auffressen würde. Ich beschränkte mich darauf, Bepo einen bitterbösen Blick zuzuwerfen. Dieser reagierte darauf tatsächlich, indem er zurückschreckte und noch näher an die Tür heranging. Ich beachtete Bepo nicht weiter und schloss ich meine Augen. Law ließ meiner Meinung nach echt seltsame Leute an Bord. Müdigkeit breitete sich in mir aus und vernebelte meinen Verstand. Es dauerte nicht lange, und ich war eingeschlafen. Kapitel 20: ------------ Laws Sicht: Langsam schloss er die Tür hinter sich und atmete, nachdem er sich versichert hatte, dass sich außer ihm niemand sonst auf dem Gang befand, erst einmal tief durch. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Ja, seine Laune war scheiße. Aber das würde er, soweit es ihm möglich war, vor keinem anderen offen zeigen. Gefühle offen zu zeigen war seiner Meinung nach ein Zeichen von mentaler Schwäche und machte einen angreifbar. Er hatte grade gelogen. Minas Zustand war alles andere als stabil. Aber es würde niemandem weiterhelfen, wenn er das aussprach und so noch mehr Unruhe verbreitete. Im Moment konnte auch er nichts weiter für sie tun, außer abzuwarten, dass das Gegengift seine Wirkung entfaltete. Und selbst wenn sie das hier überlebte, konnte er nicht ausschließen, dass dauerhafte Schäden oder Spätkomplikationen auftreten würden. Es war nur ein Zufall gewesen, dass Mina überhaupt so schnell gefunden worden war. Er war bereits auf dem Weg in die Kantine gewesen, als er auf Shachi getroffen war und ihm die Anweisung gegeben hatte, ihr Essen zu bringen. Wie er im Nachhinein von ihm erfahren hatte, war dieser, nachdem er Minas Essen dort abgestellt hatte, noch einmal ins Krankenzimmer zurückgekehrt, weil er das Besteck vergessen hatte. Dort hatte Shachi dann Mina mehr tot als lebendig am Boden liegend gefunden und ihn sofort hinzugeholt. Wenn er das richtig einschätzte, hatte Mina großes Glück gehabt, dass sie das Wasser nicht leer getrunken hatte. Grade noch rechtzeitig hatte er sie behandeln können. Auch wenn es noch nicht sicher stand, wie gut ihr ohnehin geschwächter Körper das alles würde wegstecken können. Law wusste nicht, wieso Mina zu der Zeit ohne Aufsicht gewesen war. Aber er würde denjenigen, der sie hätte beaufsichtigen sollen und dies nicht getan hatte, noch zur Rede stellen. Kurz darauf wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als er Schritte vom anderen Ende des Ganges vernahm. Augenblicklich setzte er wieder eine gleichgültige Miene auf und drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Schritte gekommen waren. Bei näherem Hinsehen bemerkte Law, dass es nur Shachi war, der da auf ihn zugelaufen kam. Außer Atem setzte er auch gleich zum Reden an: "Captain, ich habe die Probe in dein Arbeitszimmer gebracht und war grade auf dem Weg in die Kantine, wie du es mir aufgetragen hattest." "In Ordnung. Folge mir, ich bin auch auf dem Weg dorthin." Schweigend gingen sie den Gang entlang. Dann jedoch begann Shachi, ihn mit irgendwelchem belanglosen Zeugs zuzuquatschen. Er hörte ihm jedoch nicht zu, sondern hing abwesend seinen eigenen Gedanken nach. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe sie die Kantine erreichten. Während ihnen beim Entlangehen des Ganges noch ein lautes Stimmengewirr entgegenschlug, verstummten jegliche Gespräche, nachdem sie den Raum betreten hatten. Shachi setzte sich zu den anderen an einen Tisch, während er sich nach vorne begab, um sich dort gegen die Wand zu lehnen. Law betrachtete nachdenklich seine Crew. Es war schon ein bunt zusammengewürfelter Haufen, welcher ihm da entgegenblickte. Aber genau das machte die Crew seiner Meinung erst so interessant- die ganzen verschiedenen Persönlichkeiten mit ihren unterschiedlichen Vergangenheiten, Interessen, Stärken und Schwächen. Da die meisten Angelegenheiten während der normalen Mahlzeiten besprochen wurden und eine ebendiese erst vor kurzer Zeit stattgefunden hatte, war es ungewöhnlich, dass er alle hier hatte versammeln lassen. Und so wunderte Law sich auch nicht, dass er fragend und teilweise auch irritiert angeblickt wurde. Langsam ließ er seinen Blick über seine Crew schweifen und zählte nach, ob auch wirklich alle anwesend waren. Nachdenklich runzelte er seine Stirn. Er kam auf 17 Personen. Wenn er bedachte, dass sich Mina und Bepo im Krankenzimmer aufhielten, fehlten noch genau zwei weitere Personen. Bevor er jedoch weiter überlegen konnte, wer genau seiner Aufforderung, sich hier zu versammeln, nicht nachgekommen war, holte ihn eine Stimme in die Realität zurück. "Captain, ähm...warum sollten wir herkommen?", fragte eine zaghafte Stimme. Law sah stumm zu demjenigen, der gesprochen hatte. Er war noch nicht lange in der Crew und schien noch nicht zu wissen, wann man ihn ansprach und wann man ihn besser in Ruhe ließ. Sein Name war Mītobōru, er war passend zu seinem Namen eher der rundliche Typ, dafür aber hervorragend im Nahkampf, was man ihm zunächst gar nicht zutrauen würde. Law beschränkte sich darauf, ihm einen bösen Blick zuzuwerfen, unter dem dieser regelrecht zusammenzuschrumpfen schien. "Es gab einen Angriff auf einen eurer Nakama." Er beobachtete genau, wie jeder Einzelne auf diese Worte reagierte. Vielleicht würde sich der Spion, sofern er denn anwesend sein sollte, nun verraten. Doch dies war nicht der Fall. Ohne Ausnahme las Law in den Gesichtern seiner Crew eine Mischung aus Schock, Entsetzen und Wut. Selbst Penguin und Shachi, welche bereits von dem Vorfall wussten und denen diese Nachricht somit nicht mehr neu sein sollte, machten betroffene Gesichter. Einige Minuten lang herrschte unangenehmes Schweigen. Dann begann die Crew, wild durcheinanderzureden. Nur wenige Augenblicke später schon wurde er mit Fragen wie "Wer wurde angegriffen?!", "War das die Marine?!" und "Wie geht’s unserem Nakama?!" bombardiert. Genervt schloss Law seine Augen und atmete einmal tief durch. Er beschloss, erst einmal auf keine ihrer Fragen zu antworten. Nicht nur, weil ihm das jetzt zu lange dauern würde, sondern auch, da er, indem er der Crew Einzelheiten vorenthielt, darauf spekulierte, dass sich der Spion schon bald verplappern würde, wenn dieser von Indizien wusste, die er gar nicht publik gemacht hatte. Denn Law hatte sich fest vorgenommen, später jedes einzelne Crewmitglied zu befragen. Er würde den Spion entlarven, heute noch. Statt nun also Antworten auf ihre Fragen zu geben, stellte er ihnen Gegenfragen. Es gab ein paar Dinge, auf die er dringend Antworten benötigte, um Licht in diese Angelegenheit zu bringen. "Es fehlen Crewmitglieder im Raum. Wo sind sie?" Law hatte Mühe, seine Stimme so gleichgültig klingen zu lassen, wie er es beabsichtigte. Nachdem sich die Mannschaft im Raum umgesehen hatte, bekam er auch recht schnell eine Antwort auf seine Frage: "Nun ja...Bepo fehlt. Und Mina." Fast hätte er genervt aufgestöhnt. Zum Glück hatte Law genug Selbstbeherrschung, um dies nicht zu tun. "Danke, soweit war ich auch schon. Hat sonst noch jemand nen klugen Einfall?", antwortete er mit vor Sarkasmus triefender Stimme. Irgendwie war ihm klar gewesen, dass man die beiden als erstes nennen würde. Bei einem Eisbären und der einzigen weiblichen Person an Bord fiel es erstes auf, wenn sie nicht anwesend waren. Diesmal war es Penguin, der sich zu Wort meldete. "Captain, Saburo und Kōri sind auch nicht anwesend." Law horchte auf und blickte sich um. Tatsächlich waren die beiden nicht im Raum. Diese beiden Namen alarmierten ihn. Saburo hatte als Koch das Essen zubereitet, welches Mina vorhin zu sich genommen hatte. Und Kōri war derjenige gewesen, welchen er eigentlich vorhin dazu beordert hatte, auf Mina aufzupassen, was dieser scheinbar nicht getan hatte. Sein Verstand sagte ihm, dass es kein Zufall sein konnte, dass ausgerechnet die beiden nicht anwesend waren. "Weiß jemand, wo sich die beiden aufhalten?" "Ähm, nun ja... Saburo fühlte sich vorhin gar nicht gut und bat mich, ausnahmsweise das Essen zuzubereiten. Aber Captain, ich habe nicht-" Mit seinem Blick gebot Law ihm, nicht weiterzureden. Er wusste auch so, was dieser zu sagen beabsichtigte. Er hatte das Essen zwar zubereitet, aber er hatte es nicht vergiftet. Und er glaubte ihm. Wer wäre bitteschön so dumm, das Essen zu vergiften, das man selbst gekocht hat? Das wäre viel zu auffällig. "Und wo ist Kōri?" Seine Stimme klang angespannt. "Ich weiß es nicht Captain, ich habe ihn seit mehreren Stunden nicht mehr gesehen..." Dies kam ihm alles mehr als suspekt vor. Es konnte noch nicht lange her sein, als er Kōri angewiesen hatte, die nächste Wachtschicht im Krankenzimmer zu übernehmen. Dabei hatte er im Gegensatz zu den meisten anderen nicht mit Murren reagiert, sondern diese Aufforderung relativ gefasst entgegengenommen. Deshalb kam es ihm umso kurioser vor, dass er nicht nur Mina unbeaufsichtigt gelassen hatte, sondern auch nun nicht bei der Versammlung der Crew aufgetaucht war. Denn es war in der Crew eigentlich bekannt, wie seine Einstellung gegenüber Dingen wie der Befehlsverweigerung war. Und grade Kōri, der noch ziemlich jung und unbeholfen war, war ihm noch nie durch Befehlsverweigerung oder ähnliches aufgefallen. Irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht. Kapitel 21: ------------ "Hat ihn sonst noch jemand in der letzten Zeit gesehen?" Auf seine Frage hin herrschte Schweigen, was er als Nein auffasste. "Dann werdet ihr euch jetzt jeweils in 3er und 4er-Gruppen zusammentun und ihn suchen. Sollte ihn jemand auffinden, schickt er ihn zu mir." Auf diese Order hin verließ der größte Teil der Crew in kleinen Gruppen den Raum. Auch Law hatte noch einiges zu tun, um das er sich nun kümmern wollte. Zunächst musste er erst einmal die Giftprobe analysieren, die er in sein Arbeitszimmer hatte bringen lassen und, je nachdem, was dabei raus kam, Interventions- und Behandlungsmöglichkeiten aus den Ergebnissen ableiten. Auch musste er erneut nach Mina schauen. Und nach Saburo, der ja, wie er zuvor erfahren hatte, scheinbar auch erkrankt war. Anschließend würde er noch Einzelgespräche mit jedem Crewmitglied führen und jedes Zimmer durchsuchen, in der Hoffnung, diesem verdammten Spion endlich auf die Schliche zu kommen. Law war grade dabei, die Kantine zu verlassen, als eine größere Gruppe aus, bestehend aus 8 Crewmitgliedern, auf ihn zukam und vor ihm stehenblieb. Fragend sah er sie an. Er war sich sicher, dass sie nähere Informationen bezüglich des Spions haben wollten. Doch wie sich herausstellte, sollte er sich diesbezüglich irren. Nach einigen Sekunden des Wartens ergriff dann auch einer von ihnen das Wort: "Captain? Könnten wir kurz mit dir sprechen?" Er klang irgendwie, als ob ihm das, was er zu bereden hatte, unangenehm wäre. "Ja, aber wirklich nur kurz, ich habe zu tun. Was gibt es denn?" "Also...", begann sein Gegenüber, "Es geht um Mina. Wir wissen natürlich, dass es deine Entscheidung ist, aber wir haben uns beraten, und wir dachten, es wäre vielleicht besser, wenn... nun ja... wenn sie die Crew verlassen würde. Immerhin werden wir von der Marine verfolgt, sie bringt uns somit alle in Gefahr, zudem kommst du doch auch nicht mit ihr klar Captain, daher denken wir, dass-" "Du hast in einem Punkt Recht. Und zwar darin, dass es meine Entscheidung ist. Dann wäre die Sache hiermit wohl geklärt." Mit diesen Worten ließ Law sie stehen und begab sich noch schlechter gelaunt als zuvor in sein Arbeitszimmer. Auf dem Weg dorthin begegnete er immer wieder Crewmitgliedern, die die Gänge nach ihrem verschwundenem Nakama durchforsteten. In seinem Arbeitszimmer angekommen, verschloss Law als erstes die Tür. Er wollte erst einmal seine Ruhe haben. An seinem Schreibtisch sitzend ließ er das Geschehene Revue passieren. Er kam nicht umhin, sich über die Crewmitglieder zu ärgern, welche ihn soeben angesprochen hatten. Es war nicht das erste Mal in der letzten Zeit, dass ihn Mitglieder seiner Crew darauf ansprachen, warum er Mina noch an Bord behielt, wo sie doch wegen ihr von der Marine verfolgt werden würden. Doch er hatte nichts dergleichen vor. Er begann sich zu fragen, ob seine Crew vorhin auch so betroffen reagiert hätte, wenn er ihnen gesagt hätte, dass es Mina war, die angegriffen worden war. Irgendwie bezweifelte er dies. Ja, auch ihm ging Mina in der letzten Zeit manchmal so ziemlich auf die Nerven. Das war noch untertrieben, sie trieb ihn zeitweise regelrecht in den Wahnsinn- auch wenn er versuchte, dass alles möglichst gleichgültig hinzunehmen und sich das vor allen Dingen nicht anmerken zu lassen. Sie nahm ihn einfach nicht ernst, er würde wohl demnächst härter durchgreifen müssen. Und auch er hatte sich in der letzten Zeit manchmal gefragt, ob es richtig gewesen war, sie damals mitzunehmen. Aber was wäre die Alternative gewesen? Akamatsu hätte sie dann von klein auf zu einem Marinesoldaten großgezogen, und wohin das führte, hatte er ja bei Minas Mutter gesehen. Mina wäre eine für die Marine nichts als eine Waffe im Kampf für die "Gerechtigkeit" gewesen. So wie Sunēku... Es wäre das Beste, wenn Mina nichts von der Angelegenheit mit ihrer Mutter erfuhr. Oder, weshalb diese sie nicht großgezogen hatte. Ja, er hatte ihr nicht erzählt, dass ihre Mutter tot war. Denn das würde unweigerlich zu der Frage führen, wieso sie wann und wo verstorben wäre. Und darüber würde er nicht reden. Zudem würde Minas Reaktion darauf alles andere als positiv ausfallen, und er war der Meinung, dass im Moment auf dem Schiff genug Trubel war. Trotz all seiner momentanen Probleme mit seiner Tochter hatte er ihr ohne zu Zögern geholfen. Er war Arzt, und sie war Mitglied seiner Crew. In einem solchen Moment musste man persönliche Differenzen außer Acht lassen. Was ihn dahingegen wurmte, war, dass Mina auf Akamatsu getroffen war. Hätte Law gewusst, dass der sich auf dieser Insel befindet, hätte er erst gar nicht dort angelegt. Woher hätte er aber auch wissen sollen, dass Mina bei der erstbesten Gelegenheit einfach so abhauen würde? Und noch immer wusste er nicht, was Akamatsu Mina in der Marinebasis erzählt hatte, was sie dazu bewegt haben könnte, ihr selbst ein Katana reinzurammen. Er glaubte nicht, dass der Marineheini so blöd gewesen war, ihr von ihrer Mutter zu erzählen, denn damit würde er sich ein ziemliches Eigentor schießen. Zumal er sich sicher war, dass, wenn Mina irgendetwas über ihre Mutter erfahren hätte, sie ihn damit konfrontieren würde. Man, wie er es hasste, über etwas uninformiert zu sein. Müde rieb er sich seine Augen. Die letzten Tage hatte er so gut wie gar nicht geschlafen. Wie denn auch, irgendwo auf seinem Schiff lief ein Spion der Marine herum und griff seine Crew an! Und scheinbar hatte er es nun auf seine Tochter abgesehen. Es machte ihn unfassbar wütend, dass der Spion ihm so auf der Nase herumtanzte. Bis er den Spion eliminiert hatte, würde Law Mina noch stärker bewachen lassen. Aber nur von den Leuten, denen er zu 100% vertrauen konnte. Sicher, die meisten seiner Crewmitglieder kannte er schon seit Jahren, und er wusste auch, dass er sich auf seine Crew verlassen konnte, aber unter diesen gegebenen Umständen war ein gewisses Maß an Misstrauen notwendig. Wobei er Mina ursprünglich aus einem anderen Grund hatte bewachen lassen. Law erinnerte sich noch genau daran, wie sie ihn nach der Sache in der Marinehauptbasis bat, sie zu töten. Sogar mehrmals. Und er hatte von Penguin und Shachi erfahren, dass sie schon seit längerem bei den Mahlzeiten wenig bis gar nichts aß, was sich auch an ihrem Gewicht widerzuspiegeln begann. Deshalb hatte er sie auch länger als nötig durch eine Nährinfusion ernährt, um die Mangelernährung der letzten Zeit zu kompensieren. Er war sich einigermaßen sicher, dass sie wieder von alleine essen würde und dass das alles bloß einer ihrer pubertären Phasen zuzuschreiben wäre. Er glaubte, dass ihr damaliger Versuch, sich mit ihrem Katana zu töten, ein Kurzschlussreaktion gewesen war und er ging eigentlich nicht davon aus, dass sie derartiges zu wiederholen beabsichtigte. Da jedoch auch die Möglichkeit bestand, dass er sich in dieser Hinsicht irrte, ließ er sie überwachen. Denn sein Bauchgefühl sagte ihm, dass hinter ihrem Verhalten mehr zu stecken schien als eine pubertäre Phase. Sicher war sicher. Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. Verdammt, er war der letzte, der sich mit pubertären Allyren von Teenagern auskannte. Ihm fiel ein, dass er sich auch noch genauer mit der Wunde, welche sich Mina damals mit dem Katana zugefügt hatte, beschäftigen musste. Nach wie vor war sie nicht zusammengewachsen und bisher war es ihm nicht gelungen, ein geeignetes Gegengift zu finden. Er hatte also noch einiges zu tun. Und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich besser mal an die Arbeit machen sollte. Ganze zwei Stunden sollte er nun brauchen, um die Giftprobe zu untersuchen und sich mit geeigneten Antidota und Behandlungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Er wusste nun, wie er Minas Wunde behandeln musste, damit sie endlich verheilte. Doch wirklich freuen konnte er sich darüber nicht. Denn er hatte das Gift identifiziert, das Mina mit dem Wasser zu sich genommen hatte. Neben dem von ihm von vornerein vermuteten Kaliumcyanid befand sich noch eine weitere, wenn auch gering konzentrierte Substanz darin, die voraussichtlich erhebliche gesundheitliche Folgeschäden mit sich ziehen würde. Aber er musste nun einen klaren Kopf bewahren. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, stand er auf und verließ sein Arbeitszimmer. Kapitel 22: ------------ Als ich nun mein Bewusstsein wiedererlangte, fühlte ich mich noch matter und schwächer als vorher. Zwar waren die akuten Schmerzen deutlich zurückgegangen, aber ich schwitzte tierisch und mir war kotzübel. Am meisten Probleme bereitete mir jedoch das Atmen, welches sich nur unter großer Anstrengung bewerkstelligen ließ. Während ich körperlich zu schwach war, um mich mehr als nur ein paar Zentimeter zu bewegen, arbeitete mein Verstand und meine Wahrnehmung hingegen auf Hochtouren und so schwirrten mir hunderte von Fragen durch den Kopf. Zunächst einmal verstand ich echt nicht, was grade überhaupt passiert war. Ich hatte nur etwas Wasser getrunken und schon war ich zusammengebrochen... Mir war klar, dass es vergiftet worden sein musste. Aber von wem? Eigentlich gab es da nur zwei Möglichkeiten. Auf der einen Seite hätte es natürlich Law sein können, der mich vergiftet hatte. Aber wieso hätte er mich dann retten sollen? Nein, das war irgendwie unlogisch... Oder wollte er mich vielleicht absichtlich nur schwächen und gar nicht töten? Aber mit welcher Intention? Die zweite Möglichkeit wäre, dass all das hier von diesem unterbelichteten Marinespion fabriziert worden war. Aber wieso griff er dann mich an, und nicht Law? Oder die ganze Crew? Die ganze Sache wäre doch viel verheerender für Law gewesen, wenn die gesamte Crew vergiftetes Essen untergeschoben bekommen hätte. Ich fand es fast schon schade, dass der Spion nicht Law vergiftet hatte. Er hätte es meiner Meinung nach verdient. Warum er mich gerettet hatte, verstand ich nicht. Was bezweckte er damit? Glaubte er, dass ich ihn jetzt nicht mehr hassen würde? Falls ja, täuschte er sich gewaltig. Mist. Warum hatte man mich auch so schnell gefunden, ich war mir sicher, dass ich sonst gestorben wäre... Ja, ich war mehr als sauer darüber, dass Law mich nicht hatte sterben lassen. Jetzt lag ich schon wieder in diesem Krankenzimmer. Schon seit Wochen. Und immer, wenn es mir ein klein wenig besser ging, passierte wieder irgendetwas, wofür ich erneut hier landete. Es war echt zum Kotzen. Und was waren das für Gestalten gewesen, auf die ich nach meinem vermeintlichen Tod getroffen war? Meine Crew... Mein Vater... Und auch meine Mutter... Alle hatten mir vorgeworfen, dass ich schwach und nutzlos war, eine Enttäuschung darstellte... Beim Gedanken an ihre Worte wurde mir noch übler als ohnehin schon. Dabei war ich mir sicher, dass diese Figuren nur meiner Einbildung entsprungen waren. Denn auch wenn es sich vollkommen real angefühlt hatte, wieso hatte meine Mutter dann genau so ausgesehen, wie ich sie mir immer vorgestellt hatte? Dadurch war mir klar, dass es sich bloß um eine Vorstellung meines Unterbewusstseins gehandelt haben musste.. Auch wenn ich es irgendwie schade fand, doch nicht auf meine Mutter getroffen zu sein. Auch wenn die Begegnung eher negativ konnotiert gewesen war. Jäh wurden meine Gedankengänge unterbrochen. Von einem plötzlichen Hustenanfall ergriffen, war es mir unmöglich, weiter zu atmen und so bekam ich keine Luft mehr. Panisch schnappte ich nach Luft und glaubte, ersticken zu müssen. Unter Aufbringung all meiner Kräfte schaffte ich es, mich halbwegs aufrecht hinzusetzen. Dabei bemerkte ich zudem, dass ich meinen kompletten linken Arm noch immer nicht spürte und ihn demzufolge auch nicht bewegen konnte. Dasselbe galt für meine Beine. Als mir jemand kräftig auf den Rücken klopfte, besserte sich meine Atmung ein wenig und es gelang mir langsam, wieder in einem einigermaßen normalen Rhythmus zu atmen. Kraftlos sank ich zurück in mein Kissen und erblickte denjenigen, der mir geholfen hatte. Penguin stand direkt neben mir und sah mich besorgt an. "Geht´s wieder?", fragte er. Ich nickte. Penguin blickte verdammt ernst drein, was überhaupt nicht zu ihm passte. "Du hast ganz schön lange geschlafen. Du hast einen ganzen Tag verpennt. Wie geht´s dir?" Ich blickte ihn einen Moment lang verdutzt an. Ich war es einfach nicht gewohnt, dass sich jemand nach meinem Wohlbefinden erkundigte. Zuerst wollte ich ihm wie immer keine Antwort geben, beschloss dann aber ausnahmsweise, ihm doch zu antworten, sonst würde er mich die ganze nächste Zeit mit derselben Frage löchern, und darauf hatte ich nun mal gar keinen Bock. Zumindest wollte ich ihm antworten. Als ich jedoch zu sprechen anfangen beabsichtigte, realisierte ich erst, dass sich auch meine Zunge taub anfühlte und ich kein Wort rausbrachte, nur ein seltsames Röcheln verließ meinen Mund. Geschockt hielt ich inne. Mein Gehirn schien Ewigkeiten zu brauchen, bis es begriff, was das bedeutete. Ich konnte nicht laufen, konnte nur eine Hand bewegen und nun auch noch nicht einmal sprechen? Langsam hob ich meine noch funktionstüchtige Hand an meinen Kehlkopf. Geistesabwesend strich ich darüber. Ich redete normalerweise ohnehin nicht viel, aber es nicht mehr zu können, war etwas ganz anderes... Ich fühlte mich total entstellt. Und ich wusste nicht einmal, ob ich je wieder würde sprechen können. Penguin schien verstanden zu haben, was in mir vorging. "Mina, der Captain wird später noch vorbeikommen. Glaub mir, er wird schon wissen, wie man das kuriert. Hoffe ich zumindest..." Mit der Situation vollkommen überfordert, kratzte sich Penguin am Kopf. Na, das hörte sich ja mal sehr überzeugend an. Und was ich noch schlimmer fand, war, dass ich scheinbar schon wieder auf Law angewiesen zu sein schien. "Es kann wohl noch etwas dauern, bis er hierherkommt, er ist...ähm... im Moment noch sehr beschäftigt." Seine Stimme klang irgendwie untypisch nervös. So, als ob er nicht wüsste, ob er mich über eine bestimmte Sache informieren durfte oder nicht. Fragend sah ich Penguin an. Nachdenklich kaute sich dieser auf seiner Lippe. Erst nachdem er einen Blick zur Tür geworfen hatte und sich damit zu vergewissern schien, dass wir auch wirklich alleine waren, redete er weiter. Die Stimme war jedoch nur ein Flüstern. "Ok, Mina, ich werde dir verraten, was hier im Moment auf dem Schiff abläuft. Aber erzähle niemandem, vor allem nicht dem Captain, dass ich es dir verraten habe, ok?" Ich sah ihn finster an. Wie sollte ich dass jemandem weitersagen, wenn ich nicht reden konnte? Und selbst wenn ich es könnte, Law wäre der Letzte, der sowas von mir erfahren würde. Auch Penguin schien, nachdem er zunächst über meinen finsteren Blick irritiert war, zu verstehen, was er da grade gesagt hatte. Natürlich fand er das unglaublich lustig. "Haha, ups, hab ganz vergessen, dass du nicht reden kannst." Bei meinem Blick hingegen hörte er auf zu lachen, räusperte sich und redete normal weiter. "Also, nachdem der Captain dich gestern halbwegs wieder zusammengeflickt hatte, hat er die Crew versammeln lassen. Er hat alle darüber informiert, dass es einen Angriff auf einen unserer Nakama gegeben hat und dann die Anwesenheit aller kontrolliert. Aber neben Saburo, der krank im Bett liegt, fehlte noch Kōri. Er hätte dich gestern eigentlich beaufsichtigen sollen. Und wir haben ihn immer noch nicht gefunden.Der Captain ist äußerst schlecht gelaunt und nimmt jetzt schon seit Stunden jedes Crewmitglied einzeln in die Mangel. Es würde mich nicht wundern, wenn er dich gleich auch noch ausfragen wird. Was ja schlecht geht, wenn du nicht sprechen kannst." Schon grinste Penguin wieder. "Weißt du, ich glaube fast, das macht kaum Unterschied, ob du sprechen kannst oder nicht, du redest ja eh nie." Er lachte, während sich mein Gesichtsausdruck weiter verfinsterte. Ich dachte über das eben Gehörte nach. Mein Aufpasser von gestern war also verschwunden. Und während ich unbeaufsichtigt war, wurde ich vergiftet. Auf den ersten Blick schien Kōri mehr als verdächtig zu sein. Irgendetwas störte mich jedoch an dieser Annahme. Bei genauerem Überlegen wusste ich auch, was mir so seltsam vorkam. Und ich hatte auch eine Ahnung, wer wirklich der Marinespion war. "Mina?", riss mich Penguins Stimme aus meinen Gedanken. "Alles Ok? Du guckst so abwesend." Ich nickte ihm zu. Penguin glaubte mir meine Lüge ohne Skepsis und fuhr fort damit, mich zuzulabern. "Ey, weißt du, was noch lustiges passiert ist? Du erinnerst dich doch sicher daran, als du damals Bepo angegriffen hast, oder?" Reflexartig riss ich meinen Kopf hoch und sah ihn an. Angegriffen? Ich hatte lediglich nachgeholfen, dass Bepo ein bisschen tiefer schlief, als ohnehin schon, das konnte man doch nicht als Angreifen bezeichnen. Meine Laune sank, soweit dass überhaupt noch möglich war, noch weiter in den Keller. Penguin schien das hingegen nicht zu bemerken und brabbelte munter weiter. "Nun ja, der Captain hat uns bei der Versammlung nicht gesagt, wer angegriffen wurde. Ich meine, ich wusste es ja bereits, aber der Rest der Crew noch nicht. Und da der Captain fragte, wo Saburo und Kōri seien, konnten die beiden von den restlichen Crewmitgliedern als Opfer des Angriffs ausgeschlossen werden. Und ansonsten fehlten nur noch du und Bepo. So hat sich vorhin das Gerücht verbreitet, dass Bepo angegriffen worden wäre, und zwar von dir! Haha, das musst du dir mal vorstellen, dabei warst du ja das Opfer des Angriffs, und dann verdächtigen die dich, dass-" Auf ein Knurren meinerseits hin hörte Penguin auf zu reden. Irritiert sah er mich an. "Man, du hast echt keinen Humor. Du bist ja schlimmer als der Captain.", meckerte er. "Liegt wohl in der Familie.", fügte er noch murmelnd hinzu. "Ach, tut es das?" Beim Klang dieser Stimme lief es mir kalt den Rücken runter, und ich sah, dass es Penguin nicht anders erging. Er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen. Ich folgte Penguins Blick und sah, dass mein Vater in der Tür stand, und dass wahrscheinlich schon eine ganze Weile. Kapitel 23: ------------ "Ich, ähm... das war doch nur ein Scherz, Captain..." "Ja, ich kriege mich kaum ein vor Lachen.", antwortete Law ihm mit kalter, vor Sarkasmus triefender Stimme. "Und jetzt schließ bitte die Tür, und zwar von außen." Stumm beobachtete ich, wie Penguin das Zimmer verließ und die Tür schloss. Nun war ich mit Law alleine. Na super. Ich fühlte mich alles andere als wohl und ließ Law nicht aus meinen Augen, während dieser an den Medizinschrank herantrat und irgendwas herauszusuchen schien. Dann drehte er sich um und zog eine Spritze auf. Aufmerksam studierte ich sein Gesicht und versuchte, eine Antwort oder auch nur einen kleinen Hinweis darauf zu finden, ob er derjenige gewesen war, der mich vergiftet hatte. Zwar glaubte ich zu wissen, wer der Marinespion war, aber wer sagte denn überhaupt, dass es der Spion gewesen war, der mich vergiftet hatte? Und warum sollte mich die Marine jetzt plötzlich aus dem Weg räumen wollen? Und dann auch noch in einem so stümperhaften Versuch? Law hingegen... Zutrauen würde ich es ihm. Zu einhundert Prozent. Aber es ergab keinen Sinn. Law war nicht der Typ, der hinterhältig mit Gift tötete. Da hatte er andere Mittel und Wege. Und...Warum hätte er mich dann retten sollen? Oder machte es ihm einfach Spaß, mit dem Leben anderer Leute zu spielen? Über Leben und Tod zu entscheiden? Langsam hob ich meinen Arm und massierte mir meine Schläfe. Diese ganze Grübelei verschlimmerte meine Kopfschmerzen um ein Vielfaches. Zu sagen, dass Law schlechtgelaunt aussah, wäre noch untertrieben. Ich hatte vielmehr den Eindruck, als ob er dem nächsten, der es wagte ihn anzusprechen, den Hals umdrehen würde. Scheinbar waren die Verhöre der Crewmitglieder alles andere als erfolgreich gewesen. Wer ihn jetzt noch provozierte, muss lebensmüde sein, das wusste ich. Ich fragte mich, wie er dann regieren würde. Hätte er noch die Geduld, es zu ignorieren, oder würde er austicken? "Mina. Ich rede mit dir." Langsam drehte ich meinen Kopf in seine Richtung. Da Law seinen Standort gewechselt hatte und nun neben meinem Bett stand, musste ich wohl die ganze Zeit über die Wand angestarrt haben. Ich wollte zu einer bissigen Antwort ansetzen, jedoch entwich meiner Kehle kein Laut. Ich hatte für einen Moment ganz vergessen, dass ich nicht sprechen konnte. Genervt blickte Law mich an, ehe er erneut zum Reden ansetzte. "Wie ich grade bereits sagte, ich konnte das Kaliumcyanid, mit dem du vergiftet worden bist, soweit neutralisieren. Allerdings habe ich beim Analysieren des kontaminierten Wassers noch weitere Substanzen festgestellt. Ich bin mir sicher, dass diese noch zu Komplikationen führen können, deshalb werde ich dich untersuchen müssen." Langsam nickte ich. Mir war es eigentlich egal, Hauptsache, er ließ mich bald wieder alleine. Außerdem hatte ich dabei eh kein Mitspracherecht, und in meinem derzeitigem Zustand würde ich ihn maximal böse angucken können. Ich fragte mich langsam echt, ob ich jemals wieder in meine Kajüte zurückkehren würde, denn ich lag nun seit Wochen auf der Krankenstation und immer passierte wieder etwas, dass meinen Aufenthalt verlängerte. In Gedanken versunken nahm ich nur am Rande wahr, wie Law mir Blut abnahm und meine sonstigen Vitalfunktionen überprüfte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schienen meine Vitalwerte nicht ganz seinen Erwartungen zu entsprechen- ob im positiven oder negativen Sinne wusste ich nicht. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie er immer wieder etwas auf einen Zettel notierte. Bei genauerem Hinsehen konnte ich ein kleines Notizbuch erkennen. Was machte er da? Ich wusste gar nicht, dass er für seine Crew Krankenakten anlegte... Meinen Blick auf sich spürend klappte er dieses zu und verstaute es wieder in einer der Schubladen. Ich nahm mir fest vor, dort bei der erstmöglichen Gelegenheit einen Blick hineinzuwerfen. Als mein Vater mir in die Armbeuge meiner linken Hand ein Medikament spritzte, runzelte er seine Stirn. Scheinbar fühlte er, wie kalt meine Hand war. "Kannst du deinen Arm bewegen?", fragte er knapp. Ich schüttelte langsam meinen Kopf. "Ich habe geringe Anteile des Pseudoalkaloids Coniin in deinem Blut festgestellt. Daher die Lähmungserscheinungen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich noch nicht sagen, ob dieser Zustand reversibel ist. Betreffen diese Beschwerden noch andere Körperteile als deinen Arm?" Ich schwieg und machte ihm deutlich, dass ich keine Lust auf seine Gesellschaft hatte. Zumal ich ihm eh nicht hätte antworten können, da ich, wie mir das taube Gefühl meiner Zunge verriet, nach wie vor nicht sprechen konnte. Nach einem kleinen Seitenblick wusste ich, dass sich sein Gesicht merklich verfinstert hatte. Und das wollte was heißen, denn er hatte zuvor schon miese Laune gehabt. "Heute so schweigsam, Mina?", murmelte er mit kalter Stimme. "Ich hoffe, du weißt, dass-" "Ähm, Captain?", wurde mein Vater unterbrochen. Wir sahen beide in Richtung der Tür, in welcher Bepo stand, er trug ein Tablett. Eine längere Pause entstand, in der keiner das Wort ergriff. Allem Anschein nach war es Bepo unangenehm, Law mitten im Satz unterbrochen zu haben und nun so angestarrt zu werden, denn er senkte seinen Blick und stammelte ein "E-Entschuldigung, Captain...Ich sollte doch etwas zu Essen vorbeibringen..." Law wies ihn an, das Tablett auf dem kleinen Tisch neben meinem Bett abzustellen, was dieser auch sofort machte. Erst jetzt konnte ich einen Blick auf den Inhalt des Tabletts werfen- und mir wurde augenblicklich schlecht. Darauf befand sich, neben einer kleinen Flasche Wasser und einem leeren Glas, ein Teller mit mehreren belegten Broten und ein Apfel. Das war doch wohl hoffentlich nicht für mich gedacht, oder? Allein schon der Gedanke, so viel essen zu müssen, ließ meinen Magen rebellieren. Kurz darauf war erneut Bepos Stimme zu vernehmen: "Captain, ich habe gehört, was du grade sagtest, und... Nun ja ich habe vorhin Penguin auf dem Flur getroffen und er sagte mir, dass Mina gar nicht reden kann." Bepo hatte sich, nachdem er das Tablett abgestellt hatte, langsam wieder in Richtung der Tür bewegt, an welcher er nun verweilte. Scheinbar wollte er nicht länger als nötig in diesem Raum verweilen. Verübeln konnte ich es ihm nicht, die Spannung hier drin war angespannt, und Laws offensichtliche schlechte Laune verbesserte dieses Stimmungsbild auch nicht. Wenn ich er gewesen wäre, hätte ich auch das Weite gesucht. Law schien ob dieser Information keineswegs überrascht- oder er versteckte es gut. "Auch der Verlust der Sprechfähigkeit ist ein typisches Symptom bei einer Vergiftung mit Coniin", sprach Law, während er mir mit einer kleinen Lampe ins Auge leuchtete. "Im Gegensatz dazu scheint die Wirkung des Ibogains verflogen zu sein, denn deine Pupillen sind nicht mehr geweitet." Ibogain? Was war das denn jetzt schon wieder? Womit war ich denn noch alles zugepumpt worden? Auf meinen fragenden Blick hin ließ sich Law sogar dazu herab, mich darüber zu informieren, was das für ein Zeugs war. "Auch wenn ich nicht glaube, dass du etwas davon verstehst, aber Ibogain ist ein Halluzinogen, welches oneirogen, also traumerzeugend, wirkt und in höheren Dosen auch zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Tod durch Ersticken führen kann.", sprach er monoton. Während er mir diese Informationen gab, wurde mir langsam bewusst, was er mir da grade an den Kopf geworfen hatte. Er hatte mich dumm genannt. Wütend blickte ich ihn an. Dieses Blickduell war jedoch sehr einseitig, da sein Gesicht ausdruckslos blieb. Erst jetzt verstand ich den Sachinhalt von seinem Gelaber über Ibogain. Es war ein Halluzinogen- also eine Droge! Ich hatte Drogen eingeflößt bekommen! Das erklärte meinen seltsamen Traum, nachdem ich bewusstlos geworden war... "Jedenfalls kann ich noch nicht genau sagen, ob du wieder sprechen werden können wirst, auch wenn ich zumindest die Lähmungserscheinungen mit den richtigen Medikamenten in den Griff bekommen werden sollte. Da mir kein vergleichbarer medizinischer Fall bekannt ist, bei dem der Patient überlebt hat, kann ich dazu noch keine genaue Prognose stellen. Da dein Arm von deiner letzten Disziplinarmaßnahme sowieso noch verletzt ist, macht es keinen großen Unterschied, wenn er nun bewegungsunfähig ist, benutzen könntest du ihn ja ohnehin nicht." Law sprach über meinen medizinischen Zustand so gleichgültig, dass er es tatsächlich schaffte, mich noch wütender zu machen. Wäre ich bei vollen Kräften gewesen, wäre ich ihm jetzt an die Gurgel gegangen. Disziplinarmaßnahme nannte er das? Er hatte mir damals fucking nochmal vor versammelter Mannschaft den Arm gebrochen! Bevor ich ihn jedoch mit einem weiteren bösen Blick strafen konnte, betrat erneut ein Crewmitglied den Raum. Ich wusste beim besten Willen nicht, wie er hieß- die Namen der Crewmitglieder meines Vaters interessierten mich auch ehrlich gesagt nicht- zumal sie für mich eh alle gleich aussahen in ihren weißen Overalls. Nervös knetete dieser seine Hände. Seine beschleunigte Atmung ließ darauf schließen, dass er den Weg hierher gerannt war. Vollkommen aus der Puste kamen die Worte nur abgehackt aus seinem Mund, da er immer wieder nach Luft schnappen musste: "Ca-Captain... Du musst... Sofort mitkommen!" Kapitel 24: ------------ Einige Sekunden lang herrschte Schweigen. Law schien die Situation einzuschätzen. "Ist jemand verletzt?", sprach er, ohne sich irgendeine Gefühlsregung anmerken zu lassen. "Ähm, nein Captain. Wir müssen dir nur dringend etwas zeigen..." Zeitgleich kamen hinter ihm weitere Crewmitglieder zum Vorschein. Sie alle hatten ausnahmslos einen betretenen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Ich war froh über diese Unterbrechung und spekulierte darauf, dass Law mich nun endlich alleine lassen würde. "Wartet einen Moment draußen, ich komme sofort." Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, drehte er sich zu Bepo um und befahl diesem: "Bepo. Pass ein paar Minuten auf Mina auf, ich bin gleich wieder da. Und lass sie nicht aus den Augen." Mit diesen Worten war er auch schon durch die Tür verschwunden und hinterließ ein unangenehmes Schweigen. Bepo schien das mit dem "Nicht-aus-den-Augen-lassen" sehr wörtlich zu nehmen, denn er starrte mich unentwegt an. Ich erwiderte seinen Blick, und so lieferten wir uns eine gefühlte Ewigkeit lang ein Blickduell. Irgendwann senkte Bepo seinen Blick und schaute bedröppelt zu Boden. Man, dieser Bär war so ein Waschlappen… Die Minuten vergingen und Law tauchte nicht mehr auf, was mir nur Recht war. Schließlich hatte Penguin mir zuvor ja verraten, dass Law mich höchstwahrscheinlich noch über das Geschehene ausfragen würde. Auch wenn ich im Moment eh nicht sprechen konnte- auf eine Befragung von meinem Vater hatte ich echt keine Lust. Ich gähnte. Obwohl ich im Moment kaum etwas anderes tat, als zu schlafen, fühlte ich mich total müde und ausgelaugt. Nachdem Law auch eine gefühlte Ewigkeit später noch nicht wiedergekommen war, gab ich meiner Müdigkeit nach und ließ meinen Wachzustand in einen Dämmerzustand übergehen. Das Einzige, was mich noch wachhielt, waren meine pulsierenden Kopfschmerzen- und die Tatsache, dass das U-Boot irgendwann begann, stark zu schwanken. Ich fragte mich echt, was die da wieder anstellten. Waren wir nur in eine Strömung geraten, oder war das wieder die Marine, die uns angriff? Natürlich war es besonders intelligent von Law, wenn er in einem solchen Moment Bepo, den Navigator der Crew, dazu abstellte, auf mich aufzupassen, statt die Crew zu unterstützen. Erneut gähnte ich. Immer schwerer fielen mir meine Gedankengänge, und so nickte ich kurzerhand ein. Wenige Minuten später schon war ich jedoch schon wieder wach und hielt mir meinen Kopf. Der Schmerz trieb mich noch in den Wahnsinn. Ohne Medikamente würde ich in der nächsten Zeit wohl vorerst keinen Schlaf finden. Erst jetzt fiel mir auf, dass das Schiff wieder ruhig fuhr. Was auch immer uns angegriffen hatte, war abgeschüttelt worden. Ein Seitenblick auf Bepo verriet mir, dass er die Augen geschlossen hatte. Schlief er etwa? Ich beneidete ihn echt darum, einfach immer und überall einschlafen zu können. Er war immer so unbesorgt. Und als Laws Vize vertraute Law ihm. Die beiden kannten sich schon länger, als ich zurückdenken konnte. Er genoss das volle Vertrauen meines Vaters, welches ich wohl nie gehabt hatte und auch nie haben würde. Wie gerne würde ich mit diesem Bären tauschen. Wut stieg in mir auf. Ich konnte es nicht glauben, dass dieser Flohpelz all das hatte, das mir verwehrt geblieben war. Warum war Bepo in den Augen meines Vaters etwas Besseres als ich? Immer weiter breitete sich der Hass in mir aus. Der Hass auf Bepo, auf meinen Vater, auf die gesamte Crew… und auch auf mich. Wie gerne wäre ich jetzt aufgestanden, um meine Wut an ihm auszulassen... Ich war mir sicher, dass wenn ich hätte aufstehen können, ich in meiner Wut hundertprozentig auf Bepo losgegangen wäre. Da ich mich aber nicht wirklich bewegen konnte, versuchte ich diesen Druck, diese starken und besitzergreifenden Emotionen, die mich überkamen, zu unterdrücken.Unbewusst ballte ich dabei meine Hand zur Faust, bemerkte gar nicht, dass sich dadurch meine Fingernägel in mein Fleisch bohrten. Erst, als bereits das Blut meine Hand herunterzulaufen begann, bemerkte ich, was ich da grade tat. Doch der Schmerz hatte etwas Positives. Er hatte geholfen. Mein Zorn war so gut wie verebbt. Ich schüttelte meinen Kopf. War ich schon so tief gesunken, dass ich eifersüchtig auf einen wandelnden Bettvorleger war? Früher hätte ich alles dafür gegeben, damit Law mir auch nur ein kleines bisschen Beachtung schenkte. Doch nun empfand ich nichts anderes als Verachtung für diesen Mann, der sich mein Vater nannte. Ich war verwundert darüber, dass ich auf einmal eine solche Wut in mir gespürt hatte. Die Wanduhr führte mir vor Augen, dass es bereits über drei Stunden her war, seit Law uns für "ein paar Minuten" allein gelassen hatte. Nur Sekunden später hatte mich bereits erneut die Müdigkeit übermannt und ich schlief ein. Zumindest kurzzeitig. Denn als ich ein Geräusch neben mir wahrnahm, riss ich meine Augen auf, um dann zu bemerken, dass es nur Penguin war, der neben meinem Bett stand und wohl die Tür beim Betreten des Raumes laut hatte ins Schloss fallen lassen. Benommen blickte ich ihn an. Was wollte der schon wieder hier? Anders als sonst jedoch grinste er mich nicht direkt an- und das wollte was heißen, normalerweise zierte sein Gesicht fast ständig ein stupides Lächeln-, sondern er sah für seine Verhältnisse ernst aus. Erst als er bemerkte, dass ich ihn ansah, setzte er ein ziemlich unglaubwürdiges und erzwungenes Lächeln auf. Okay, irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas war passiert. Und scheinbar wollte Penguin vor mir geheimhalten, worum es sich dabei handelte. "H-Hey, du bist ja wach. Wie geht’s dir?" Finster blickte ich ihn an. Hielt der mich für so dumm, als dass er glaubte, dass ich nichts bemerkt hätte? Davon mal abgesehen, dass er genau wusste, dass ich nicht sprechen konnte. Erwartete er also wirklich eine Antwort auf seine Frage? Ich schloss einen Moment lang meine Augen und versuchte ruhig zu bleiben. Zu meinem Missfallen waren meine Kopfschmerzen noch stärker geworden und mir war schwindlig. "Ähm, also... Law sagte mir, dass ich Bepo ablösen soll und dass ich überprüfen muss, dass du auch wirklich deine Mahlzeit zu dir genommen hast. Er meinte, dass ansonsten die Medikamente nicht richtig wirken können." Ich schwieg. Was blieb mir auch anderes übrig? Erst jetzt erinnerte ich mich wieder daran, dass Bepo mir ja Essen nebens Bett gestellt hatte. Wie so oft in der letzten Zeit schon kroch mir beim Gedanken an Essen die Übelkeit hoch. Ich sah Penguin sich am Kopf kratzen. Er wirkte ob meiner Resignation überfordert. "Wie ich sehe, hast du dein Essen noch nicht angerührt. Hast du etwa keinen Hunger?" Ich nickte. Hoffentlich würde er mich jetzt in Ruhe lassen. Doch da machte mir mein Magen einen Strich durch die Rechnung. Er ließ ein lautes, unverwechselbares Knurren vernehmen. Innerlich fluchte ich. Wieso zur Hölle knurrte denn jetzt mein Magen? Ich hatte doch überhaupt gar keinen Hunger... Auch Penguin ließ sich zu meinem Pech leider nicht täuschen. "Keinen Hunger zu haben hört sich für mich aber anders an, Mina." Ein Grinsen zierte sein Gesicht, und dieses Mal war es ein richtiges. Ich drehte mich auf die andere Seite. Konnte der nicht einfach verschwinden? Der Typ war immerhin Pirat, hatte der nichts besseres zu tun, als jemanden damit zu nerven, dass man essen sollte?Mit der Intention, einfach weiterzuschlafen, schloss ich erneut meine Augen. Ich hätte ja nicht ahnen können, was Penguin nun vorhatte. Wenige Zeit später, ich hatte eigentlich gedacht, dass er den Raum verlassen hatte, stand er plötzlich neben meinem Bett und schnitt den Apfel, der sich auf dem Tablett, welches Bepo zuvor gebracht hatte, befand. Instinktiv wollte ich das Wort ergreifen, um ihm zu sagen, dass er mich in Ruhe lassen sollte- dass ich nicht reden konnte, hatte ich mal wieder komplett verdrängt. Doch sobald ich den Mund aufgemacht hatte, schob Penguin mir ein Stück Apfel in den Mund. Da ich nicht mit so etwas gerechnet hatte, verschluckte ich mich auch noch daran und begann zu husten, bis ich dieses blöde Teil endlich runtergeschluckt hatte. Finster starrte ich ihn an. Was fiel diesem Baka eigentlich ein? Fast wäre ich an diesem Mistding erstickt! Und dann hatte der auch noch nichts Besseres zu tun, als sich darüber kaputtzulachen! Tatsächlich stand Penguin da und kriegte sich kaum ein vor Lachen. Und mein pikierter Gesichtsausdruck schien das alles für ihn noch lustiger zu machen. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, meinte er: „Sorry Mina, aber du brauchst deine Vitamine. Und der Captain meinte, ich soll dich zur Not zwingen, das alles zu essen.“ Na warte. Wenn ich wieder halbwegs fit wäre, würde ich denen das heimzahlen. Und Penguin stand dann ganz oben auf der Liste. Zu meinem Übel war der Teller mit dem kleinen Apfelstück, das ich gegessen hatte, noch lange nicht leer. Neben dem restlichen Apfel lagen noch mehrere belegte Brote darauf. Schnell wandte ich den Blick ab, als ich erneut die Übelkeit in mir hochwallen spürte. Und der Geschmack des Apfels in meinem Mund trug dabei auch nicht grade zur Besserung bei. „Hier, du musst ja hungrig sein, so lange, wie du nichts mehr gegessen hast.“ Erwartungsvoll hielt er mir ein weiteres Stück Apfel hin. Glaubte der jetzt wirklich, dass ich noch mehr davon essen würde? Ich hatte jetzt schon das Gefühl, als ob ich ihm jeden Moment ins Gesicht kotzen müsste. Viel lieber wollte ich erfahren, was vorhin passiert war, als die Crew Law geholt hatte. Und ich war mir sicher, dass ich das aus Penguin rausbekommen könnte. Nur wie, wenn ich das nicht verbal bewerkstelligen konnte? Kapitel 25: ------------ Ich nahm mir vor, es einmal mit Mimik zu versuchen. Eindringlich sah ich Penguin an und bewegte meinen Mund so, als ob ich sprechen wollen würde. Natürlich verstand er das falsch. „Willst du was Anderes essen? Hier liegen auch noch ein paar belegte Brote, wenn du die lieber hast.“ Innerlich schlug ich mir die Hände vor den Kopf. Dieser Typ war manchmal echt schwer von Begriff. Ich schüttelte meinen Kopf und machte mit meiner noch funktionierenden Hand Bewegungen in die Luft, als wollte ich etwas schreiben. Nachdem mich mein Gegenüber einen Moment lang verdutzt angesehen hatte, zeichnete sich Erkenntnis in seinem Gesicht ab, ehe er mit einem Grinsen im Gesicht zum gegenüberliegenden Schrank lief und etwas aus eine der Schubladen herauskramte. Als er mir den Stift und den kleinen Notizblock hinhielt, wusste ich, dass er mich verstanden hatte. Dann folgte nun also der schwierigere Teil. Es war alles andere als leicht, mit nur einer Hand im Liegen etwas zu schreiben. Nichtsdestotrotz nahm ich Penguin die beiden Sachen aus der Hand und setzte zum Schreiben an. Dabei hatte ich große Mühe, das Ganze halbwegs lesbar hinzubekommen. Immer wieder verrutschte der Stift und ließ meine Schrift so noch krakeliger wirken, als sie ohnehin schon war. Doch als ich fertig war und den Zettel an ihn zurück reichte, war an seiner Reaktion deutlich zu erkennen, dass er das dort von mir Niedergeschriebene ohne weitere Probleme entziffern konnte. Was ist vorhin an Bord passiert? Warum ist Law hier nicht mehr aufgetaucht? Entgeistert blickte er mich an. Allem Anschein nach war er davon ausgegangen, dass ich nicht wusste, dass an Bord irgendetwas vorgefallen war. Hielt der mich für komplett unterbelichtet? „Mi-Mina, Ich weiß echt nicht, wovon du redest.“ Genervt schloss ich meine Augen. Musste er jetzt das Offensichtliche auch noch verleugnen? Damit zog er alles nur noch unnötig in die Länge. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Law etwas von meiner Befragungsaktion mitbekam, wuchs mit zunehmender Zeit. Erneut streckte ich meine Hand nach dem Zettel aus, um etwas darauf zu notieren. Da mir das immer noch schwerfiel, versuchte ich, mich so knapp und präzise wie möglich auszudrücken. Lüg mich nicht an. Nervös verlagerte er sein Gewicht vom einen Bein zum anderen. Man konnte merklich sehen, dass er angestrengt nachdachte. Ich konnte echt nicht glauben, dass er sich von so etwas so aus der Ruhe bringen ließ. Ich meine, jetzt mal ehrlich, er war ein Pirat und ließ sich von mir, einem 17-jährigen Mädchen, das ihm nur mal ein bisschen auf den Zahn fühlte, schon so nervös machen? Ich verstand echt nicht, nach welchen Kriterien Law seine Crewmitglieder auswählte- aber Intelligenz oder Durchsetzungsvermögen schienen keine davon zu sein. „Mina, selbst wenn ich es dir sagen wollen würde…. Du weißt doch, was beim letzten Mal passiert ist, als ich dir vertrauliche Informationen weitergegeben habe…“ Ok, jetzt musste ich mir echt etwas einfallen lassen, sonst würde das hier nie etwas geben. So griff ich ein letztes Mal zu Stift und Papier und biss meine Zähne zusammen, um Penguin einen Vorschlag zu unterbreiten, von dem ich hoffen würde, dass er ihn annahm. Wenn du es mir sagst, ess ich auch den kompletten Teller leer, Penguin. Starr und unentwegt blickte ich ihm in die Augen. Seinen Namen hatte ich mit Absicht hineingeschrieben, da ich mal gelesen hatte, dass das Ansprechen mit dem Namen Vertrauen und ein Gefühl des „Wichtigseins“ vermittelte. Zwar vertraute ich ihm weder, noch war er mir wichtig, aber im Moment sollte er das ruhig denken. Und dass er zumindest über mein Angebot nachdachte, sah ich daran, dass er auf seiner Lippe kaute. Als er seufze, wusste ich, dass er sich entschieden hatte. Natürlich hatte ich nicht vor, auch nur einen Bissen mehr vom Teller zu essen, aber das wusste er ja nicht. „Okay, Mina. Aber das, was ich dir jetzt erzählen werde, hast du nicht von mir, verstehst du?“ Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden und er blickte immer wieder zur Tür, wahrscheinlich, um sich zu versichern, dass dort niemand stand. Er räusperte sich, ehe er im gedämpften Tonfall fortfuhr: „Also, du weißt ja, dass vor kurzem einer unserer Nakama verschwunden ist. Kōri, er ist noch nicht lange bei uns. Der Captain beauftragte uns damit, das Schiff nach ihm abzusuchen. Ich glaube, er verdächtigte ihn, etwas mit deinem vergifteten Essen zu tun zu haben, da er dich zu dem gewissen Zeitpunkt eigentlich beaufsichtigen sollte, aber nicht da war. Jedenfalls haben wir die letzten Stunden die Kabinen und den Maschinenraum noch einmal unter die Lupe genommen. Zwischendurch ist auch noch die Marine auf unseren Radaren aufgetaucht, das hat die Sache nicht leichter gemacht…“ Penguin machte eine Pause und atmete hörbar tief ein, ehe er fortfuhr. „Schlussendlich haben wir in einem der ungenutzten Lagerräume dann eine Spur auf einen möglichen Verbleib gefunden, die alarmierend war- und dann haben wir den Captain konsultiert.“ Angespannt sah er mich an. Allem Anschein nach dachte er, dass er mir bereits genug erzählt hatte. Dabei hatte er doch das Wichtigste ausgelassen. Was hatten sie dort vorgefunden, das die Crew so aus der Bahn geworfen hatte? Fragend blickte ich Penguin an und versuchte ihm so zu vermitteln, dass er weitererzählen sollte. Dieser schien alles andere als begeistert von der Idee zu sein, mir noch ausführlichere Informationen zuteil kommen zu lassen. Unruhig rückte er immer wieder seine Mütze zurecht. „Der Captain wird mich umbringen, wenn er hiervon erfährt…“, murmelte er, ehe er sich mit einem Blick zur Tür erneut versicherte, dass dieses Mal kein ungebetener Zuhörer anwesend war. „Also, als wir den Raum durchsuchten, haben wir Blutspuren entdeckt. Spuren ist noch untertrieben, da war eine riesige Blutlache und das Blut war einfach überall, sogar an-“ Penguin unterbrach seine Ausführungen. Er sah so aus, als ob ihm übel wäre. Seine Stimme war zum Ende hin so leise geworden, dass ich Probleme hatte, überhaupt etwas zu verstehen. „Jedenfalls haben dann ein paar von uns den Captain geholt und ein paar sind dageblieben und haben weiter den Raum abgesucht. Außer dem Blut konnten wir aber nichts Verdächtiges feststellen. Du hättest mal Law erleben sollen, so habe außer sich habe ich ihn schon seit langem nicht mehr gesehen …“ Mit einem Mal drehte sich Penguin, der bis dahin ruhelos vor meinem Bett auf und ab gegangen war, zu mir um. Sein Gesicht zeigte plötzlich keine Spur mehr von der zuvor dagewesenen Nervosität. Nachdenklich, fast schon kritisch, betrachtete er mich. Ich weiß nicht, mit welcher Reaktion mein Gegenüber auf das, was er mir grade berichtet hatte, gerechnet hatte, aber es war allem Anschein nach nicht die, die ich zeigte. Ich blickte ihn nur mit ausdruckslosem Gesicht entgegen. Wie sollte ich denn sonst regieren? Es war ja keineswegs so, als ob ich nicht mit einer solchen Entwicklung der Dinge gerechnet hätte- vielmehr passte das, was geschehen war, genau zu meiner Theorie bezüglich des Spions und dem Verbleib von Kōri. Welche Reaktion erwartete er denn? Dass ich aus Angst um mein Leben zu zittern begann, weil ich das nächste Opfer sein könnte? Ich war weder traurig noch besorgt um Kōri, empfand aber auch keine Genugtuung ob der Tatsache, dass er verschwunden war. Es war mir schlicht und ergreifend egal. Es war, als ob die innere Leere, die ich schon seit einiger Zeit verspürte, keine Gefühle zuließ. Irgendwie machte Penguin auf mich den Eindruck, als ob er es bereuen würde, mir davon erzählt zu haben. Kapitel 26: ------------ Eine ganze Weile stand er jetzt schon vor mir und sah mich unentwegt an. Irgendwie war sein Blick…traurig? Nachdem einige Minuten vergangen waren, in denen wir beide einfach in dieser Position verharrt hatten, setzte er sich auf den sich neben meinem Bett befindlichen Stuhl, den Blick weiterhin auf mich geheftet. Erneut biss sich Penguin auf seine Unterlippe, es war wohl eine schlechte Angewohnheit von ihm, wenn er in Gedanken war. Irgendetwas schien ihn sehr zu beschäftigen. „Mina?“ Beim Klang seiner Stimme wusste ich sofort, dass es um etwas Ernstes gehen musste, denn sie klang nicht nur angespannt, sondern es lag beinahe schon etwas Flehendes darin, als er das Wort an mich richtete. „Ich weiß, Kōri ist noch nicht sehr lange an Bord, und es mag verdächtig erscheinen, dass er direkt nach dem Giftangriff auf dich verschwunden ist, aber er ist mein Nakama und ich habe ihn in der kurzen Zeit, in der er jetzt hier ist, gut genug kennengelernt, um sagen zu können, dass er nichts damit zu tun haben kann! Ich bin mir sicher, dass ihm etwas zugestoßen sein muss…“ Er hob seinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. „Mina, ich bitte dich, wenn du irgendetwas weißt, irgendetwas mitbekommen hast, wenn es auch nur eine Vermutung deinerseits ist, wer dahinterstecken könnte, bitte sag es mir. Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber was ist, wenn noch mehr Crewmitglieder angegriffen werden?“ Mit dieser Frage schien er an mein Gewissen und meine Vernunft appellieren zu wollen. Doch das schlug fehl. Für Penguin schien die Crew wie eine Gemeinschaft, ja vielleicht sogar wie eine Familie zu sein, ich wusste es nicht genau. Aber für mich war sie das nicht. Mir waren die Crewmitglieder egal, und ich wusste, dass ich es ihnen auch war. Sollte ich es nun verleugnen, dass ich etwas wusste, oder sollte ich meinem gegenübersitzenden Mannschaftsmitglied reinen Wein einschenken und ihm verdeutlichen, was ich von dieser Crew hielt, auf die Gefahr hin, dass das meine Situation verschlimmern würde? „Du weißt etwas darüber, oder?“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung, das wusste ich. Als ich auf seine Aussage hin nickte, breitete sich auf seinem Gesicht ein Lächeln aus. „Echt? Das ist ja großartig, Mina! Kannst du es aufschreiben, ich gehe in der Zeit den Captain holen, dann kann er direkt Maßnahmen ergreifen, um- ähm, stimmt irgendetwas nicht?“ Erst jetzt schien Penguin mein ernster, beinahe schon verbissener Gesichtsausdruck aufzufallen, der ihn allem Anschein nach irritierte. „Hey, hast du Angst davor, dass du Ärger bekommst, weil du dem Captain nicht eher mitgeteilt hast, dass du etwas über diese Sache weißt? Mach dir keine Sorgen, ich bin mir sicher, dass-“ Erneut unterbrach Penguin seinen Satz, da ich mit dem Kopf geschüttelt hatte. Einen Moment lang war ihm die Verwirrung über mein Verhalten anzusehen, ehe er zu verstehen schien, was ich ihm zu sagen beabsichtigte. Sein Lächeln, dass er ob der Hoffnung, mithilfe meiner Informationen diese Angriffsserie beenden zu können, getragen hatte, fror augenblicklich ein. „Du…Du willst nicht sagen, was du weißt?“, fragte er ungläubig. Es war deutlich herauszuhören, dass er von mir nun ein „Nein“ erwartete. Aber den Gefallen tat ich ihm nicht. Ich musste ihnen endlich zeigen, wie angehörig ich mich der Crew meines Vaters fühlte. Nämlich gar nicht. Nach all den Jahren, die ich schon an Bord der Death verbrachte, fühlte ich mich immer mehr wie eine Fremde. Penguin hingegen schien immer noch zu denken, dass ich mir einen Scherz erlaubte, und so reichte er mir den Notizblock mitsamt Stift, damit ich ihm alles aufschreiben konnte. Doch erneut schüttelte ich meinen Kopf. Verstand der nicht, dass ich ihm nichts erzählen würde? „Mina, was… was soll das heißen? Du kannst doch deine Crew nicht im Stich lassen, was, wenn nachher wieder jemand angegriffen wird? Wieso willst du nichts sagen?!“ Penguin hatte sich ganz schön in Rage geredet. Er war weiß wie eine Wand. Ich zuckte nur mit den Schultern, woraufhin er mich ansah, als sei ich ein Geist. „Aber wieso? Warum willst du uns nicht helfen? Setzt dich jemand unter Druck? Weißt du eigentlich, wie sich dein Vater bei der ganzen Sache fühlt? Erst wirst du fast umgebracht, dann verschwindet jemand und jetzt die Sache mit dem Blut…“ Die Erwähnung meines Vaters machte die Sache nicht besser. Was mein Vater bei der ganzen Sache fühlte? Gar nichts! Warum hätte er es schlimm finden sollen, wenn ich gestorben wäre? Machte er mir nicht schon seit Jahren deutlich, wie wertlos ich war? Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Konnte es sein, dass Penguin mich im Auftrag meines Vaters ausfragen sollte? „Ich weiß, dass der Captain manchmal etwas gefühlskalt rüberkommen kann, Mina. Aber ich bin mir sicher, dass er sich trotzdem um dich sorgt, immerhin bist du seine Toch- Ey, was machst du da?!“ Ich hatte mit dem Block nach ihm geworfen und ihn am Kopf getroffen. Ich wusste, dass das ein mehr als lächerlicher Angriff war und er nicht einmal einen Kratzer abbekommen hatte, aber in meiner derzeitigen Verfassung konnte ich nicht mehr bewerkstelligen. Es war einfach zu viel gewesen, was Penguin da gesagt hatte. Einen Dreck machte sich mein Vater Sorgen um mich. Und was meinte er mit „etwas gefühlskalt“? Dieses Schwein hatte meine Mutter auf dem Gewissen, und das würde ich ihm nie verzeihen. Aber scheinbar fiel Penguin, nein, seine ganze Crew, auf ihn herein. Langsam trat Penguin an mich heran, den Block hatte er wieder aufgehoben. „Ich weiß, du bist vielleicht etwas durcheinander im Moment wegen den ganzen Medikamenten, die du verabreicht bekommen hast. Aber bitte sag mir, was du weißt, sonst lieferst du uns alle, einschließlich dich, ans Messer.“ Erneut hielt er mir den Block hin, in der Erwartung, dass ich nun endlich vernünftig werden würde. Er behandelte mich wie ein kleines, bockiges Kind, dem man in Babysprache beizubringen versuchte, dass es etwas falsch gemacht hatte. Wieso verstand er mich nicht? Da stand ich einmal zu meiner Entscheidung, und dann schob er das darauf, dass ich wegen den Medikamenten nicht ganz klar im Kopf war. Als er begriff, dass ich nicht beabsichtigte, ihm auch nur ein einziges weiteres Sterbenswörtchen aufzuschreiben, legte er die Schreibutensilien auf den Schrank neben meinem Bett und drehte sich um. Dabei lag ein gequälter, ungläubiger Ausdruck in seinem Gesicht. „Habe ich dir irgendetwas getan, dass du wütend auf mich bist?“ Auf diese Frage hin zeigte ich keinerlei Reaktion. Ich war mir nicht sicher, ob ich selbst überhaupt die Antwort wusste. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens immer noch nur die Wand anstarrte, gab Penguin auf, mit Worten zu mir durchdringen zu wollen. „Weißt du, Mina, du hast dich sehr verändert. Ich wünschte, du wärst wieder wie früher. Wenigstens ein kleines bisschen.“ Nachdem er mehrere Schritte in Richtung der Tür getätigt hatte, ergriff er erneut das Wort. Im Gegensatz zu vorher klang seine Stimme jedoch ungewohnt hart und kalt, wie ich es bei ihm noch nie erlebt hatte. „Ich werde dem Captain Bericht erstatten gehen. Ich bin mir sicher, dass er dich dann aufsuchen wird. Wenn du auch nur ein kleines bisschen Verstand besitzt, teilst du ihm besser alles mit, was du weißt. Ansonsten…“ Er drehte sich noch einmal zu mir um und blickte mich an. Keine Spur mehr war in seinem Gesicht von der Freundlichkeit zu sehen, die normalerweise seinen Charakter ausmachte. „Sollte einem meiner Nakama etwas zustoßen, was durch dich hätte verhindert werden können, werde ich dir das niemals verzeihen.“ Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, trat er durch die Tür und ließ mich alleine zurück. Kapitel 27: ------------ Zwei Tage waren seitdem vergangen. Zumindest glaubte ich das, denn unter Wasser ließ sich das Fortschreiten der Zeit nicht immer ganz mitverfolgen, da es vor den Fenstern aufgrund des fehlenden Sonnenlichtes zu jeder Tageszeit gleich dunkel war. Lediglich die Uhr hatte mir hin und wieder einen Hinweis auf die fortschreitende Zeit geliefert. Ich verbrachte die meiste Zeit über damit, zu schlafen. Mein Gesundheitszustand hatte sich, soweit ich das beurteilen konnte, ein wenig verbessert. Ich begann, langsam meine Beine wieder zu spüren und bald darauf auch eingeschränkt bewegen zu können. Dahingegen war ich auch weiterhin nicht fähig zu sprechen. Nicht, dass es mich stören würde, da ich normalerweise ja sowieso so gut wie nie Kontakt zu meinen Nakama zu haben pflegte, aber irgendwie fühlte es sich seltsam an. Ein weitaus größeres Problem stellte jedoch dar, dass mein linker Arm nach wie vor bewegungsunfähig war. Es war in meiner derzeitigen Verfassung mehr als hinderlich, alles mit einem Arm machen zu müssen- und sei es nur, ein Glas Wasser vom Tisch neben dem Bett zu greifen. Dabei zeigte mir mein Körper immer deutlicher, dass er dringend Nahrung benötigte, denn ich fühlte mich schwächer als jemals zuvor. Auch wenn ich das vor Bepo, wenn der mal vorbeikam, weitmöglichst zu verbergen versuchte. Immer noch verspürte ich beim Essen, welches mir gebracht wurde, keinen Hunger, sondern nur Übelkeit, weshalb ich es auch nicht anrührte. Law war entgegen meiner Erwartungen und seiner Aussage, dass er „in ein paar Minuten wiederkommt“, nicht mehr hier aufgetaucht. Bereits seit zwei Tagen war ich unbeaufsichtigt, nur Bepo tauchte ab und an hier auf, kontrollierte meine Geräte und Messwerte und stellte mir Essen hin, welches er später unangerührt wieder mitnahm. Lediglich etwas Wasser trank ich. Es würde einfach nicht zu ihm passen, nicht hier aufzutauchen und zu versuchen, Informationen aus mir herauszubekommen. Nicht, nachdem Penguin ihm netterweise erzählt hatte, dass ich etwas wusste. Denn, dass mein Vater hier noch nicht hergekommen war, empfand ich weniger als positiv, als dass es mich vielmehr beunruhigte. Law war nicht der Typ Mensch, der in so einer Angelegenheit Däumchen drehend in seiner Kajüte sitzen blieb. Nein, irgendwas würde er unternehmen, das wusste ich. Penguin… Noch immer hallten seine Worte in meinen Ohren nach, beschäftigten meinen Verstand mehr, als mir lieb war. „Weißt du, Mina, du hast dich sehr verändert. Ich wünschte, du wärst wieder wie früher. Wenigstens ein kleines bisschen.“ Diese Aussage machte mich im Nachhinein unglaublich wütend. Ich meine- Was hatte er denn erwartet? Ich hatte mich eben etwas verändert, aber wer tat das nicht? Law hatte sich auch verändert, und dem wurde das nicht zum Vorwurf gemacht. Zudem konnte Penguin das ja sowieso mal überhaupt gar nicht beurteilen, dafür müsste er in meiner Haut stecken und das Ganze miterleben. Penguin verstand mich nicht. Niemand schien mich zu verstehen. Meine Denkweise, meine Gefühle, meine Handlungsabsichten… Wieso sollte ich diese Crew beschützen wollen? Obwohl ich mit ihr groß geworden war, Höhen und Tiefen von dieser miterlebt hatte, fühlte ich mich hier fremd. Und das von Tag zu Tag mehr. Wie viel Respekt würde Penguin seinem Captain wohl entgegenbringen, wenn dieser seine Mutter auf dem Gewissen hätte? Sicherlich gar keinen. Also, warum sollte ich das dann tun? Murrend hielt ich mir meinen Kopf, als diesen eine erneute Welle von Schmerz durchfuhr. Statt mir Essen zu bringen, welches ich eh nicht anrührte, könnte mir Bepo wenigstens mal ein paar Schmerztabletten mitbringen. Die würde ich sofort und ohne Widerstand zu mir nehmen. Nachdenklich durch das kleine Fenster das Wasser betrachtend, welches als dunkle, beinahe schon bedrohlich wirkende Masse das U-Boot umgab, bemerkte ich denjenigen, der grade den Raum betreten hatte erst, als dieser die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fielen ließ. Augenblicklich drehte ich mich um, in der Erwartung, Bepo, Penguin oder aber auch Law vorzufinden. Nur mit diesem Typen hätte ich als letztes gerechnet. Bei seinem Anblick lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Vielmehr strahlte er eine Überlegenheit und Dominanz aus, die sich einem die Nackenhaare aufstellen ließ. Es konnte nur einen Grund geben, weshalb er hier war. Er wusste es. Er wusste, dass ich seine Identität als Marinespion kannte. Eindeutig war ihm anzusehen, dass ihm das alles andere als Recht war. Man sah es deutlich in seinen kalten, unheilverkündenden Augen, mit denen er mich fixierte. „Der Captain ist anderweitig beschäftigt, ich soll auf dich aufpassen“, sprach er mit süffisanter Stimme. Es schien ihm voll und ganz in die Karten zu spielen, mit mir nun alleine in einem Raum zu sein, und das auch noch mit Laws Erlaubnis. Ich atmete tief durch. Ich wusste, dass das hier kein gutes Ende nehmen konnte. „Aber das ist doch gut so. So haben wir alle Zeit der Welt der Welt, um uns einmal in Ruhe über gewisse Dinge zu unterhalten.“ Sein immer breiter werdendes Grinsen ließ die Situation noch bedrohlicher wirken, als sie ohnehin schon war. Er verzog seinen Mund hin zu einer psychopathisch wirkenden Grimasse. Sein Gesicht wies kaum noch menschliche Züge auf. Genauso wahnsinnig klang seine Lache, welche er kurz darauf vernehmen ließ. Sich über seine Lippen leckend, trat er näher an mich heran, während er ein Messer zog. „Weißt du, Kleine, ich habe bezüglich dir ganz klare Anweisungen erhalten. Der Vizeadmiral benötigt dich lebend. Das ist aber auch schon alles. Um dich gefügig zu machen, darf ich dich auch verletzen.“ Erneut erfüllte seine verstörende Lache den Raum, hallte laut von den Wänden wieder. „Also, wirst du freiwillig mitkommen, oder muss ich da nachhelfen?“, fragte er. Deutlich war der Spott aus seiner Stimme rauszuhören, wohl wissend, dass er mir eh keine Wahl lassen würde. Irritiert sah ich ihn an. Der Vizeadmiral? Meinte er diesen seltsamen Opa Akamatsu, dem ich in der letzten Marinebasis begegnet war? Und warte… Wie sollte ich eigentlich mit ihm mitkommen? Zwar konnte ich, wenn ich mich anstrengen würde, ein paar wenige Schritte laufen, aber wir befanden uns immer noch unter Wasser! Meinen Blick richtig deutend, setzte mein Gegenüber gleich zu einer Erklärung an: „Glaubst du etwa, ich hätte nicht alles genauestens geplant? Genau in diesem Moment befinden sich fünf große Marineschiffe in Reichweite, die uns auf Schritt und Tritt folgen und die das Boot sofort umzingeln, sobald es auftaucht. Also versuch erst gar nicht, mich auszutricksen.“ Er ging vor meinem Bett auf und ab, während er sich eine Zigarette aus der Tasche seines Overalls angelte und diese anzündete. Nachdem er einmal daran gezogen hatte, wandte er sich wieder mir zu. „Aber lass uns doch erst einmal über etwas Anderes reden.“ Allem Anschein nach gelangweilt, spielte er mit dem Messer. „Ich hörte vorhin, natürlich rein zufällig versteht sich, wie mein lieber Nakama Penguin seinem Kajütenkumpel Shachi etwas Interessantes erzählte. Weißt du, was?“ Er trat nun so nahe an mich heran, dass ich seinen heißen Atem auf meiner Haut spüren konnte. „War ganz aufgebracht, der Kleine. Meinte, dass du wüsstest, wer von der Crew eigentlich ein Spion sei, aber nicht mit der Sprache rausrücken wolltest. Und, dass du die die ganze Crew in Gefahr bringen würdest. Also ich muss schon sagen, du bist gut darin, dich unbeliebt zu machen. Shachi sah ganz schön wütend aus, von dem Pinguintrottel mal ganz zu schweigen. Du kannst eigentlich froh sein, dass sich der Vizeadmiral deiner annimmt, ansonsten würdest du wohl bald von Bord fliegen.“ Merklich spürte ich einen Kloß im Hals. Dabei hatte ich die beiden doch sowieso nicht gemocht… Oder? Nein, versuchte ich mich selbst zu überzeugen. Die beiden war nur die blöden Lakaien desjenigen, der sich mein Vater schimpfte. „Nun würde es mich natürlich mal brennend interessieren, woher du weißt, dass ich der Marinespion bin. Und wieso du es niemandem verraten hast.“ Ich machte keine Anstalten, in irgendeiner Art und Weise auf seine Worte zu reagieren. Sagen konnte ich es ihm sowieso nicht, ich hätte es auch nicht getan, wenn ich gekonnt hätte. Ich war es leid, dass mir alle immer meinten, Befehle geben zu müssen. „Na wird’s bald?“ Deutlich war herauszuhören, wie ungeduldig er war. Als ich immer noch stur an die gegenüberliegende Wand sah, wurde es ihm allem Anschein nach zu bunt. Energisch hielt er mir das Messer an die Kehle. „Weißt du, ich lasse dich eigentlich nur am Leben, weil mir das so befehligt worden ist. Ansonsten hätte ich dich schon längst abgemurkst. In meinen Augen bist du nämlich nichts anderes als Abschaum, ein dreckiger, widerlicher Pirat, der hingerichtet gehört. Und wenn du meinst, hier rumzicken zu müssen…“ Er beugte sich vor und flüsterte mir die folgenden Worte ins Ohr: „Dann mach ich dich kalt. Ich werde einfach sagen, dass du unglücklich auf der Treppe gestürzt wärest und leider das Zeitliche gesegnet hättest. Wir werden schon einen Ersatz finden. Auch wenn es schade wäre, die letzten Jahre umsonst auf diesem Schrottschiff vergeudet zu haben…“ Ich hob meinen Blick und sah ihm feste in die Augen. Der Typ schien nicht zu wissen, dass er mir damit sogar noch einen Gefallen tun würde. Wie Law wohl reagieren würde, wenn sich sein langjähriges Crewmitglied als Spion entpuppte? Nun, wenn ich mir das Messer an meinem Hals bedachte, würde ich das wohl nicht mehr miterleben. Was eigentlich schade war, zu gerne hätte ich einmal sein fassungsloses Gesicht gesehen. Dabei war es wirklich nicht schwer gewesen, die Identität des Spions herauszufinden. Denn dieser hatte in seinem Plan einen Fehler begangen. Einen aus meiner Sicht gravierenden. Ich wunderte mich noch immer, dass es außer mir allem Anschein nach keinem aufgefallen war, wo er sich doch in diesem einen Moment so auffällig verhalten hatte. Kapitel 28: ------------ Ich schloss meine Augen. Es war schon viele Jahre her, seit Saburo bei uns auf dem Schiff als Schiffskoch angeheuert hatte, ich war damals noch zu klein gewesen, als dass ich mich daran erinnern könnte. Bestimmt waren seitdem mindestens zwölf oder dreizehn Jahre vergangen. Viel zu tun gehabt hatte ich mit ihm nie. Er war eher der ruhige, zurückgezogene Typ gewesen, mit dem ich nie ein Wort gewechselt hatte. Selbst wenn ich mal wieder Strafdienst in der Küche hatte verrichten müssen, hatten sich unsere Konversationen auf das Nötigste beschränkt. Wann immer ich dabei anstatt zu arbeiten den Küchendienst geschwänzt hatte oder mal wieder absichtlich wortwörtlich die Suppe versalzen hatte, um Law zu ärgern, hatte er darüber hinweggesehen und mich auch nicht verpetzt- auch wenn Law es meistens trotzdem herausgefunden hatte. Okay, das mit dem versalzten Essen hatte ich nur hin und wieder gemacht, weil ich mit meinen damals sieben oder acht Jahren nicht verstand, weshalb mich mein Vater plötzlich so vollkommen ignorierte und ich dadurch seine Aufmerksamkeit bekam- wenn auch nur in Form einer Standpauke. Damals war ich einfach froh gewesen, wenn er mich beachtete. Kurz gesagt, Saburo hatte sich immer auffallend unauffällig verhalten. Seine Kampfstärke konnte ich nicht einschätzen, denn ich hatte ihn nie in einem Kampf gesehen, da ich bei ebendiesen immer an Bord und unter Deck hatte bleiben müssen, damit mich niemand sah. Und ich wäre unter normalen Umständen wahrscheinlich auch nie darauf gekommen, dass er etwas mit der Marine am Hut haben könnte. Wenn er bei der Sache mit meiner Vergiftung nicht so schlampig vorgegangen wäre. Von Penguin hatte ich ja später erfahren, dass Kōri zu dem Zeitpunkt auf mich hätte aufpassen sollen, als ich vergiftet wurde. Und Saburo hatte krank im Bett gelegen. Im Anschluss an den Vorfall war Kōri dann unauffindbar gewesen. Doch wenn er der Spion gewesen wäre, hätte er sich doch nicht versteckt gehalten, da dies grade erst die Aufmerksamkeit auf ihn lenken würde. Ich meine, er hätte sich einfach nur zurück zu den anderen begeben müssen, und niemandem wäre etwas aufgefallen. Oder er hätte sich ein Alibi besorgt. Vor allem hätte er das Ganze nicht durchgezogen, wenn er selber grade Aufsicht hätte. Nein, er war es nicht gewesen. Ihm musste etwas zugestoßen sein, denn wir befanden uns seit längerer Zeit unter Wasser, er hätte nirgendswohin fliehen können und so hätte man ihn sicher längst gefunden. Wenn ich mir allerdings die Blutspuren im Lagerraum bedachte, von denen mir Penguin erzählt hatte, dann war ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass Kōri nicht mehr unter den Lebenden verweilte. Entweder er hatte aus dem Weg geräumt werden müssen, weil er irgendetwas gesehen hatte, was nicht für seine Augen bestimmt gewesen war, oder er hatte dran glauben müssen, damit er keine Aufsicht führte, und ich alleine und unbeaufsichtigt war. Saburo hingegen hatte ein Alibi. Mir war gesagt worden, dass er krank im Bett lag und Penguin das Kochen übernommen hatte. Doch machte ihn dieses Alibi nicht erst recht verdächtig? Wie wahrscheinlich war es schon, dass Saburo genau an dem Tag, an dem sein Essen vergiftet ist, krank wird? Denn im Normalfall würde man in so einer Situation als aller erstes den Koch verdächtigen. Doch eine Frage konnte ich mir nicht beantworten. Wie hatte Saburo Law getäuscht? So niederträchtig und hasserzeugend Law auch für mich war, er war nicht dumm. Leider. Und deshalb ging ich nicht davon aus, dann man ihn einfach so täuschen konnte, indem man ihm eine Krankheit simulierte. Auch seine Intention war mir noch immer ein Rätsel. Hatte er mich mit dem Gift umbringen wollen? Denn genau das hatte er ja fast getan. Aber sagte er grade nicht, dass er ebendieses eigentlich nicht vorhatte? Oder hatte er mich damit nur schwächen wollen? Mit meiner Annahme, dass Saburo der Spion war, hatte ich jedenfalls Recht gehabt- schließlich stand dieser grade vor mir und hielt mir ein Messer an den Hals. Der Punkt, der mich jedoch überhaupt erst auf ihn als Spion gebracht hatte, war ein anderer gewesen. Ich hatte es in dem Moment gewusst, als er vor kurzem- „Sag mal, willst du mich verarschen? Ich rede mit dir du Mistgöre!“ Unsanft wurde ich aus meinen Gedankengängen gerissen, als sich zusätzlich zu dem Messer, welches mit immer stärkerem Druck gegen meine Kehle gedrückt wurde, noch eine Hand um meinen Hals schloss und mir die Luft abdrückte. Röchelnd schnappte ich nach Luft. Dieser Anblick schien Saburo zu gefallen. „Ja, bettle um dein Leben, du elender Wurm.“ Mit aller mir noch aufbringbaren Kraft hob ich meinen Arm und umfasste mit meiner Hand die meines Gegenübers, versuchte, seinen Griff zu lockern. Dabei drückte ich meine Fingernägel so tief in sein Fleisch, dass ich bereit nach kurzer Zeit sein Blut meine Fingerkuppen entlangfließen spürte. „Weißt du, wenn du deinem Vater alles gesagt hättest, wärst du nun nicht in dieser Situation. Aber in Sachen Naivität stehst du deiner Mutter wohl in nichts nach. Was mir recht kommt.“ Er… Auch er kannte meine Mutter? Aber woher? Durch meine Gegenwehr schien seine Wut auf mich noch zu steigen, und so übte er noch stärkeren Druck auf meinen Hals aus. Trotz allem sagte keiner von uns ein Wort, und die Stimmung im Raum war so gespannt, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Meine Sinne begannen zu schwinden und es bildeten sich bereits weiße Punkte in meinem Sichtfeld. Dann spürte ich, wie sich sein Griff um meinen Hals erst lockerte, und schließlich gänzlich verschwand. „Das ist deine letzte Chance. Kooperiere oder stirb. Und glaub ja nicht, dass ich zimperlich darin bin, Leuten das Lebenslicht auszuknipsen. Es ist meine Pflicht, gesetzlosen Abschaum wie dich zu liquidieren.“ Plötzlich wieder die Ruhe selbst, zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich neben mein Bett. Saburo wirkte fast gelangweilt, als er sich die Kratzspuren auf seiner Hand besah. Allem Anschein nach stufte er den Grad meiner Gegenwehr als lächerlich ein. Im Mundwinkel verweilte immer noch seine Zigarette. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich ihn noch nie zuvor hatte rauchen gesehen- was vermutlich auch daran lag, dass dies auf dem Schiff strikt untersagt war. Auch sonst schien es mir, als ob ich Saburo das erste Mal so richtig ansehen würde. Sonst hatte ich ihn nie wahrgenommen, weil er einfach so unauffällig gewesen war. Ok, das traf eigentlich auf den größten Teil der Crew zu- von den meisten kannte ich nicht einmal den Namen. Das lag unter anderem auch daran, dass beinahe die gesamte Crew dieselben, unifarbenen Anzüge trug, und auch sonst sahen sie für mich allesamt gleich aus. Saburo mit seiner durchschnittlichen Größe und Statur, seinen dunklen Haaren und seinem unscheinbaren Gesicht bildete da auch keine Ausnahme. „Ich muss schon sagen, nachdem der Vizeadmiral so darauf bestand, dass ich dich zu ihm bringen soll, dachte ich irgendwie, dass du mehr auf dem Kasten hast. Vor allem, wenn man bedenkt, wer dein Vater ist. Aber da wurde ich wohl enttäuscht, du bist ja schwächer als der schlechteste Marinerekrut, der mir je untergekommen ist. Scheint, als ob dich der Vizeadmiral weit überschätzt hat. Sicherlich wird es ihn dann auch nicht stören, wenn ich dich jetzt aus dem Weg räume. In deiner Verfassung wirst du uns sowieso nichts nützen. Schade eigentlich, dass du nicht mehr von deinem Vater geerbt hast. Dein Sturkopf ist wohl das Einzige, was du von ihm hast. Kein Wunder, dass dich dein Vater hasst.“ Und schon wieder. Schon wieder wurde mir vorgehalten, wie schwach ich doch war, und das als Tochter des ach so starken „Chirurg des Todes“. Ich konnte und wollte es langsam nicht mehr hören. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mir die Ohren zugehalten. „Also, ich frage dich jetzt ein letztes Mal: Woher wusstest du, dass ich für die Marine arbeite?“ Wusste der echt nicht, dass ich nicht sprechen konnte? Es schien so, denn er wartete mit offensichtlicher Ungeduld auf eine Antwort von mir. Es kratzte vermutlich sehr an seinem Ego, von einem Dreikäsehoch wie mir enttarnt worden zu sein. Ob er mich wirklich umbringen würde, wenn ich ihm nicht Rede und Antwort stand? Wäre das nicht vollkommen überzogen, nachdem er Jahre damit verbracht hatte, mich zu observieren? Mit einer einzigen, flüssigen Bewegung hatte mich Saburo auf die Füße gezogen und drückte mich gegen die Wand. Das Messer verweilte weiterhin an meiner Kehle. Erneut beugte er sich vor und flüsterte mir ins Ohr: „Dir persönlich kann es eigentlich egal sein, wer dich jetzt schlussendlich kaltmacht. Irgendwann hätte dich Law sowieso um die Ecke gebracht, so wie damals deine Mutter. Ja, mein Vorgesetzter hat mir davon erzählt, was damals passiert ist. Eigentlich wollte er dich ja jetzt ausbilden, aber das lohnt sich denke ich nicht. So kann ich dich jetzt schon entsorgen, bevor du doch noch jemanden über meine Identität informierst. Du bist es ohnehin nicht wert, für die Marine zu arbeiten. Du gehörst zum Abschaum dieser Welt, und wirst immer Abschaum bleiben.“ Mit weit aufgerissenen Augen sah ich ihn an. Wieder einmal hatte ich das bestätigt bekommen, was ich zu verdrängen versuchte. Meine Mutter war durch die Hand meines Vaters gestorben. Gegen meinen Willen traten Tränen in meine Augen, die ich eilig wegzublinzeln versuchte. Doch es liefen mir immer mehr Tränen übers Gesicht. Ich konnte nicht mehr stark bleiben. Es war, als ob die kalte, starre Maske, welche ich in der letzten Zeit getragen hatte, mit den Tränen weggeschwemmt würde. Saburo hingegen fand meinen Gefühlsausbruch alles andere als passend. „Kann es sein, dass du mich nicht ernst nimmst, Kleine? Ich gebe dir zehn Sekunden, dann wars das für dich.“ „Zehn.“ Ich verharrte regungslos in meiner Haltung. Ich würde nicht nachgeben. „Neun.“ „Acht.“ Langsam meine Augen schließend, war ich mir sicher, diese nie wieder zu öffnen. „Sieben.“ „Sechs.“ Trotz meines festen Vorsatzes, ruhig weiterzuatmen und mir nichts anmerken zu lassen, ging mein Atem unwillentlich schneller, als ich spürte, wie sich der Druck des Messers auf meiner Kehle verstärkte. „Fünf.“ „Vier.“ Eine letzte, vereinzelte Träne lief meine Wange hinab, als ich daran dachte, dass ich gleich vielleicht meine Mutter wiedersehen würde. Ein Gefühl von Wärme breitete sich in mir aus und ließ mich vergessen, in welcher Situation ich mich grade befand. Meine Träne falsch deutend, sprach Saburo: „Oh, ich liebe es, wenn sie dann, egal wie stark sie sich vorher alle geben, schlussendlich doch noch alle Angst kriegen, bevor ich sie abmurkse.“ „Drei.“ Wenn ich geistig anwesend gewesen wäre, wäre mir nun aufgefallen, dass Saburo nicht mehr weiterzählte. Doch gedanklich hatte ich mich schon von dieser Welt verabschiedet und achtete nicht darauf. So vernahm ich weder das leise Klicken der Tür, als diese sich schloss, noch Saburos Stimme, als dieser mit offenkundiger Belustigung sprach: „Oh, wie es aussieht, möchte uns jemand Gesellschaft leisten.“ Kapitel 29: ------------ ~ Laws Sicht, zwei Tage zuvor ~ Law rieb sich seine Schläfen, als es erneut an der Tür klopfte. Wer auch immer ihn störte, konnte auch noch einen Moment lang warten, denn er war mehr als beschäftigt. Und normalerweise wusste seine Mannschaft, dass wenn er nach dem ersten Klopfen nicht reagierte, er entweder nicht anwesend war oder keine Zeit hatte. Und die besaß er grade nun wirklich nicht. Er war in Raumpläne der Death vertieft gewesen, als ihn das laute Pochen aus seinen Gedanken gerissen hatte. Er konnte gar nicht beschreiben, wie nervig er so etwas empfand. Grade in der momentanen Situation, in der seine Nerven ohnehin schon zum Zerreißen gespannt waren. Er hatte die Blutspuren, die einige seiner Crewmitglieder im Lagerraum gefunden hatten, genauestens begutachtet und untersucht. Ein Abgleich des Blutes hatte eindeutig erwiesen, dass es sich bei diesem um Kōris Blut handelte. Und die Menge des vorgefundenen Blutes und die Anordnung der Blutspritzer ließen ihn auf nichts Gutes schließen. Und das war noch beschönigt ausgedrückt - er als Arzt wusste, dass man mit einem solchen Blutverlust nicht überleben konnte. Derjenige musste mit einer solchen Gewalt gehandelt haben, dass der ganze Raum mit roten Sprenkeln versehen war und sich auf dem Fußboden mehrere Blutlachen befunden hatten. Von Kōri selber war jedoch keine Spur gewesen. Grade im Moment ging er auf einem Plan noch einmal alle Räume durch, um sicher zu gehen, dass er keinen vergaß. Denn das Schiff verlassen haben konnte keiner, immerhin befanden sie sich bereits seit einer längeren Zeit unter Wasser. Und da er sich nicht in Luft aufgelöst haben konnte, musste er sich noch an Bord befinden. Aber- wie konnte es sein, dass jemand unbemerkt eines seiner Crewmitglieder auf seinem U-Boot tötete? Hatte er die Aufsicht so stark vernachlässigt? Er hasste diesen Gedanken, aber dass sich jemand von der Marine in seiner Crew befand, musste bedeuten, dass er in der Vergangenheit seine Crewmitglieder nicht sorgfältig genug ausgesucht hatte. Eigentlich hatte er geglaubt, dass er sich nicht täuschen lassen würde. Er hatte immer genau überprüft, wen er sich da in die Crew holte. Er war nie der Typ gewesen, der sich wildfremde Personen an Bord holte. Und er versuchte im Moment alles Mögliche, um diesen Fehler zu revidieren. Natürlich hatte er als Captain Crewmitglieder, denen er mehr vertraute als anderen, weil er sie schon lange kannte und nach vielen erfolgreichen Kämpfen wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte. Trotzdem überprüfte er alle, ohne Ausnahme. Er hatte mit jedem seiner Mannschaftsmitglieder ein Gespräch geführt- eigentlich war es vielmehr ein Verhör gewesen-, auch mit denen, bei denen er sich sicher war, dass sie nichts mit der Sache zu tun hatten. Wie beispielsweise Bepo, sein erstes Crewmitglied und Vize. Natürlich hatte er ein paar Leute im Kopf, die sich an der einen oder anderen Stelle verdächtig verhalten hatten. Aber es fehlte ihm ein entscheidendes Puzzleteil, ein kleines Indiz, um diese Sache aufzulösen- und ihm war, als befände sich dieses die ganze Zeit schon direkt vor seiner Nase, nur kam er nicht darauf, was es sein könnte, egal, wie lange er sich den Kopf darüber zerbrach. Eigentlich wollte er sich wieder seinen Unterlagen zuwenden, als es plötzlich erneut klopfte. Diesmal noch lauter und ungeduldiger. Laws Laune sank ins Bodenlose. Wer auch immer ihn grade störte, wollte wohl unbedingt eine Strafaufgabe erhalten. Noch bevor er seinen unerwünschten Gast hineinrufen konnte, wurde bereits die Türe aufgerissen. Er musste zugeben, damit hatte er eher nicht gerechnet. Normalerweise hatte seine Crew genügend Verstand, um zu wissen, wann man ihn besser nicht störte. Murrend legte er seine Unterlagen zur Seite und besah sich den Neuankömmling. Law runzelte die Stirn. Penguin hatte er nicht Erwartet. ein solches respektloses Verhalten kam normalerweise nur bei neuen Crewmitgliedern vor- oder bei Bepo, der sich danach zumeist tausendfach dafür entschuldigte. Wenn er ehrlich war, war dieser eigentlich einer derjenigen, dem er ein solch nerviges Verhalten normalerweise nicht zuschrieb. Seine Laune besserte sich durch diese Feststellung jedoch nicht wirklich. Sobald er sich jedoch das angespannte Gesicht Penguins so ansah, schien es einen wichtigen Grund zu geben, weshalb er zu ihm gekommen war. Law beschloss, sich erst einmal anzuhören, was dieser ihm so dringend sagen musste, danach konnte er ihm bei Bedarf immer noch eine Strafpredigt halten. „Penguin, was gibt´s.“ Laws ließ sich seine zuvorigen Gedankengänge nicht anmerken. Er mochte es nicht, wenn ihm jemand in die Karten schaute. Man, sein Gegenüber war nicht nur blass, sondern sah auch ziemlich aufgebracht aus. Das Einzige, was seiner Meinung nach eine solche Rektion nach sich ziehen würde, wäre… „Habt ihr Kōri gefunden?“ Law versuchte, die Anspannung und die Müdigkeit möglichst aus seiner Stimme zu verbannen. Penguin schüttelte seinen Kopf, womit Law nicht gerechnet hätte. Was sonst konnte Penguin so aus der Bahn werfen? „Es geht um Mina.“ Am liebsten hätte sich Law mit seiner Hand an seinen Kopf gefasst und geseufzt. Nach außen hin bewahrte er jedoch sein Pokerface. Hätte ihm eigentlich klar sein sollen, dass seine Tochter wieder irgendetwas angestellt hatte. „Was ist mit ihr? Ich hoffe doch, es geht um etwas Wichtiges, wenn du mich bei meiner Arbeit störst.“ Das schien Penguin als Anlass dafür zu nehmen, ohne Punkt und Komma auf Law einzureden. „Ich war ja grade eben bei ihr und hab ihr das Essen gebracht- das sie übrigens einfach schon wieder nicht gegessen hat- und dann habe ich versucht eine Konversation aufzubauen, also genau genommen war die schriftlich, weil Mina ja im Moment nicht reden kann. Und dann ist das Thema auf die Vorfälle der letzten Zeit gewechselt, und ich habe versucht herauszufinden, ob sie etwas darüber weiß, aber sie hat einfach- Ich meine, dass kann sie doch nicht machen, sie bringt die ganze Crew in Gefahr!“ Law hatte nur die Hälfte verstanden. Penguin hatte sich so in Rage geredet, dass er nicht nur den letzten Teil weggelassen hatte, sondern zum Ende hin auch immer lauter geworden war. Trotzdem beschlich ihn durch den letzten Satz ein ungutes Gefühl. „Penguin, könntest du den letzten Teil noch einmal ruhig und vor allem auch komplett wiederholen?“ Penguin sah ihn erst irritiert an, ehe er betreten zu Boden blickte. Allem Anschein nach bemerkte er erst jetzt, wie laut er geworden war. „Entschuldige, Captain. Ich bin grade nur ziemlich aufgebracht.“ Auf ein Nicken Laws hin fuhr er fort: „Also, ich habe Mina befragt, ob sie etwas über die Sachen weiß, die hier an Bord vorgefallen sind. Natürlich unauffällig, wie du es mir und Shachi aufgetragen hattest. Und dabei kam heraus, dass sie tatsächlich Informationen zu besitzen scheint. Aber sie will mir nichts drüber sagen! Als ich sie darauf hingewiesen habe, dass sie damit vielleicht sogar andere Crewmitglieder gefährdet, schien… schien es ihr egal zu sein! Wirklich, sie hat sich total verändert.“ Penguin biss sich vehement auf seine Lippe, während er sprach. Nachdenklich betrachtete Law diesen einen Moment lang. Ja, er hatte Penguin und Shachi tatsächlich vor kurzem angewiesen, Mina einmal unauffällig auf den Zahn zu fühlen. Denn es war offensichtlich, dass seine Tochter ihm etwas verheimlichte. Wenn nicht sogar mehrere Dinge. Er hegte keinen Zweifel daran, dass das eben Gesagte stimmte. Schon einmal hatte Mina ihm an den Kopf geworfen, dass ihr die Crew egal wäre. Damals hatte er die Sache irgendwann damit abgetan, dass sie wegen den ganzen Medikamenten, die verabreicht bekommen hatte, nicht ganz klar hatte denken können. Dies war nun anders. Law war sich sicher, dass seine Tochter ihre Aussage bezüglich ihrer Einstellung gegenüber der Crew ernst meinte. Sie setzte diese bewusst einer Gefahr aus. Und das würde noch ein Nachspiel haben. Ob sie wirklich etwas über den Spion wusste oder nur bluffte, wusste er nicht hundertprozentig. Er hatte sie vorhin dazu befragen wollen, als ihm die Sache mit dem Lagerraum dazwischengekommen war. Aber es war gut möglich, dass sie etwas wusste. Vielleicht hatte sie etwas gesehen, als der Giftvorfall geschehen war. Als Crewmitglied wäre sie jedoch verpflichtet gewesen, es ihm in seiner Funktion als Captain zu melden. Er hatte sich in letzter Zeit nicht nur einmal gefragt, wie es eigentlich um Minas Loyalität gegenüber der Crew stand. Seine Tochter gab ihm aber auch ausreichend Anlässe dazu. Sie missachtete Befehle, hatte Bepo betäubt, ihm vor versammelter Mannschaft ins Gesicht gespuckt, verschwieg ihm Sachen, wodurch sie andere willentlich einer Gefahr aussetzte… Er könnte diese Liste endlos weiterführen. Fakt war, dass seine Tochter absolut keinen Respekt vor ihm hatte. Und wie ließ ihn das vor seiner Crew dastehen, wenn er nicht einmal eine 17-jährige unter Kontrolle hatte? Er war wirklich wütend auf seine Tochter. Scheinbar musste er mal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden, denn er würde sich nicht länger von ihr auf der Nase rumtanzen lassen. Und wenn sie es bisher nicht verstanden hatte, musste er wohl noch härter durchgreifen. Augenscheinlich hatte Law seiner Tochter noch zu viele Freiräume gelassen. Und dass sie noch immer nichts aß- nun, diesbezüglich musste er sich etwas einfallen lassen. Aber er war sich sicher, dass sich das sowieso wieder legen würde, sobald sie wieder gesund wäre. Law hatte eigentlich besseres zu tun, als sich mit den pubertären Trotzphasen eines Teenagers zu befassen. „Captain bitte, du musst noch einmal mit ihr reden, auf mich hört sie nicht.“ Nun, wenn Law ehrlich war, glaubte er nicht, dass Mina ihm etwas freiwillig preisgeben würde. Stur wie sie war, würde sie ihn wahrscheinlich komplett ignorieren. Normalerweise würde er ihr dann entsprechende Konsequenzen aufzeigen, aber die Zeit drängte. Um Minas Fehlverhalten würde er sich kümmern, wenn er die Spionangelegenheit geklärt hatte. „Nein, ich denke, ich habe eine bessere Idee, wie wir die Sache lösen. Also, wir machen es wie folgt…“ Kapitel 30: ------------ ~ Minas Sicht, Gegenwart~ Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe mich diese Worte erreichten. Langsam öffnete ich meine zuvor zusammengekniffenen Augen und blinzelte gegen das grelle Licht an. Saburo bemerkte dies nicht, denn sein Blick war in Richtung der Tür gewendet. Den Druck des Messers an meiner Kehle hingegen hatte er nicht vermindert. Mir war bewusst, dass eine falsche Bewegung meinerseits unmittelbar mein Ende bedeuten könnte. Trotzdem wandte ich wie in Zeitlupe meinen Kopf so zur Seite, dass ich einen Blick auf die Tür hatte. Und von allen, die ich erwartet hätte, wäre er der letzte gewesen, von dem ich geglaubt hätte, dass er sich hier reintrauen würde. Obwohl Bepo nicht den Eindruck erweckte, als habe er gewusst, auf was er hier drinnen treffen würde. In seiner Pfote hielt dieser ein Tablett mit Essen, er hatte mir demnach nur wieder etwas zu Essen bringen wollen und hatte zu spät gemerkt, in welche Situation er hineingeraten war. Bepo rührte sich nicht. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen sah er abwechselnd mich und Saburo an, als könnte er in unseren Gesichtern eine Erklärung für das sich ihm Darbietende finden. Sekunden später hallte ein lautes Klirren durch den Raum, als das Tablett zu Boden fiel und der sich darauf befindende Teller in kleine Splitter zerbrach. Langsam trat Bepo ein paar Schritte zurück. Wollte er den Raum verlassen? Saburo schien denselben Gedanken wie ich zu haben. „Hey du wandelnder Bettvorleger, wo willst du denn hin?“ Saburos Stimme klang spöttisch, es war deutlich, dass er sich Bepo gegenüber überlegen fühlte. Bepo hingegen trat weiterhin vorsichtig auf die Tür zu, uns ließ er dabei keinen Moment aus den Augen. Dass Bepo ihn so wenig beachtete und auch noch den Raum verlassen wollte, schien Saburo überhaupt nicht in den Kram zu passen. „Bleib hier, oder die Kleine ist gleich einen Kopf kürzer.“ Tatsächlich hielt Bepo in seiner Bewegung inne. Allzu deutlich sah man ihm sein Unbehagen darüber an, dass er in diesem Raum verweilen musste. Und dass er nicht verstand, was hier eigentlich los war. Bepo wusste ja nicht, wer Saburo in Wirklichkeit war. Er kannte ihn bloß als den ruhigen, freundlichen Koch. „S- Saburo, was machst du da? Wenn der Captain das sieht, wirst du- “ Wie schon so oft in den letzten Minuten ließ Saburo seine wahnsinnig klingende Lache ertönen, die Bepo verstummen ließ. „Hach wie niedlich. Du hast es also tatsächlich keinem erzählt, Mina?“ Sanft strich er mir mit seinem Daumen über meine Wange. „Tse tse, eigentlich zu schade, ich wüsste gerne, wieso.“ Seine gespielt liebliche Stimme rief bei mir Übelkeit hervor. Finster blickte ich ihn an. Das Ganze nahm eine Wendung, die mir ganz und gar nicht gefiel. Im nächsten Moment schon änderte sich Saburos Stimmung erneut. Mit voller Wucht schlug er mir ins Gesicht. Schmerz durchzuckte mich wie ein greller Blitz. Trotz der Situation, in der ich mich befand, war diese Attacke vollkommen unvorhergesehen gekommen. Der scharfe Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. Nur dumpf vernahm ich, wie Bepo aufkeuchte. „W- Was tust du da, Saburo?“ Belustigt drehte sich der Angesprochene um. „Hast du es noch immer nicht kapiert, du Hohlschädel?“ Nein, das hatte Bepo scheinbar nicht. Vollkommen entgeistert sah er uns an. Währenddessen hob Saburo seine Hand und schloss diese mit festem Griff um meine Kehle. Mit einem Grinsen auf den Lippen beugte er sich vor und flüsterte mir mit süffisanter Stimme ins Ohr: „Weißt du, so ist es doch viel schöner, wenn ich fühle, wie dir ganz langsam die Luft ausgeht.“ Kraftlos versuchte ich, seinen Griff mit meiner Hand zu lockern. Doch dadurch erreichte ich eher das Gegenteil. Immer fester wurde der Griff um meine Kehle. Gleichzeitig war dieser Griff auch das Einzige, was mich noch aufrecht hielt. Aus eigener Kraft hätte ich schon lange nicht mehr stehen können. Langsam wurde mir die Luft knapp. „Weißt du, Mina, ich habe so viele Jahre meines Lebens damit verschwendet, dich zu observieren, ich kann dich jetzt nicht einfach gehen lassen. Ist dir eigentlich bewusst, wie schwer es war, all diese Zeit über mit euch unzivilisiertem Abschaum zusammenzuleben? Ich finde ich habe mir eine Belohnung verdient, denkst du nicht auch? Und deine Schreie, wenn ich dich Stück für Stück aufschlitze, sind doch wohl genau die Vergütung, die ich verdient habe, nicht? Ich werde dich hier und jetzt umbringen, danach sehne ich mich schon so lange… Dich endlich ins Jenseits zu befördern, als Entschädigung für all die Jahre die ich wegen dir hier vergeudet habe... Es war so schwierig, sich die ganze Zeit über mit dem Töten zurückzuhalten, weil ich ja nicht auffallen durfte – und der Captain wollte ja nicht, dass wir unnötigerweise Menschen töten.“ Langsam wurde mir bewusst, was für einen Psychopathen ich hier vor mir hatte. Einen Marinespion der gerne Menschen umbrachte – das Glück war mir scheinbar mal wieder ganz besonders hold. Saburo hatte seinen Verstand verloren. „Keine Sorge Kleine, in ein paar Minuten hast dus hinter dir.“ Wieder sprach Saburo mit mir, als sei ich ein Kleinkind. Gemächlich hob er sein Messer und fuhr mir damit über meine Wange, welches ein unangenehmes Brennen hinterließ. Mehrere Tropfen warmen Blutes flossen mein Gesicht hinunter. Bei Saburo löste dies Belustigung aus, wie ich deutlich in seinen Augen sah. „Dass Trafalgars Tochter so ein Schwächling ist… Eigentlich eine Schande. Dabei dachte ich bis vor ein paar Jahren, dass du wirklich Potenzial hättest. Aber-“ Mit einem Mal wurde ich losgelassen und kam hart auf dem Boden auf, wo ich bewegungsunfähig liegenblieb. Da ich mir den Kopf gestoßen hatte, fühlte ich mich benommen. Mit einem Blick zur Seite erkannte ich, dass Saburo mich hatte loslassen müssen, weil Bepo ihn angegriffen hatte und er zur Seite ausgewichen war. Sich feindselig anstarrend standen sich die beiden nun gegenüber, Saburo mit einem Messer und Bepo in Kampfstellung. „Du blöder Eisbär wagst es mich zu stören?!“ Saburo schien vollkommen außer Kontrolle zu geraten. Mit weit aufgerissenen Augen begann er zu lachen. „Ich werde dir zeigen, wo dein Platz ist, du Bettvorleger!“ Bepo fühlte sich offensichtlich nicht wohl in seiner Situation, aber er wich auch nicht zurück. „Lass Mina in Ruhe, oder der Captain wird dich-“ „Was wird er? Mir dafür danken, dass ich ihm die Kleine vom Hals geschafft habe?“ Saburo lachte erneut. Und mir wurde übel, als er diese Worte kundgab, entsprachen sie doch genau meinen unausgesprochenen Ängsten. „Wie kannst du sowas nur sagen? Law würde nie-“ „Nie was machen? Ich glaube, du kennst deinen Captain nicht.“ „Ich- Ich bin sein Vize, natürlich kenne ich ihn! Und jetzt lass Mina gehen!“, knurrte Bepo. „Och, wir hatten grade so viel Spaß. Oder willst du mir den etwa wegnehmen?“ Langsam schritt Saburo in meine Richtung, den Blick dabei nicht von Bepo abwendend. Dessen Anspannung wuchs deutlich mit jedem Schritt, den Saburo näher an mich herantrat. „Mina, geh weg von ihm, schnell!“ Bepo klang beinahe panisch. Doch ich blieb bewegungsunfähig liegen. Ob ich nicht abhauen wollte oder dies ob meiner physischen Verfassung nicht konnte wusste ich im Nachhinein nicht mehr. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem. So konnte ich nur vom Boden her zusehen, wie Saburo immer näher kam. Sekunden später schon stand er direkt vor mir und ging in die Hocke. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Quälend langsam strich mir Saburo erneut über meine Wange. „So endet es also nun für dich, Kleine. Auf dem Boden liegend, genau da, wo Verbrecher wie du hingehören.“ Er setzte einen gespielt besorgten Gesichtsausdruck auf und sprach erneut in Babysprache mit mir. Er redete dabei so leise, dass ich echt Mühe hatte, ihn zu verstehen. „Och, hat dich dein Papi im Stich gelassen und hasst dich? Sei froh darüber, besser als das, was er mit deiner Mami gemacht hat, nicht wahr?“ Ohne Vorwarnung stieß er mir sein Messer in meinen Oberarm. Ich fühlte nichts, auch nicht, wie das Blut ebendiesen herunterfloss. Dass es dies tat wusste ich nur, weil ich es mit meinen Augen verfolgte. Es war ein bizarrer Anblick, ein Messer im eigenen Arm stecken zu sehen, dabei aber nichts zu fühlen. Wie es aussah, hatte Saburo nicht damit gerechnet, dass ich keinerlei Reaktion von mir geben würde. Und das schien ihm überhaupt nicht zu passen. „Mina, so macht es keinen Spaß. Du musst schon schreien, wenn ich dich quäle, das verstehst du doch sicher, oder Kleine?“ Sanft strich er mir durch meine Haare, während er mit dem Messer meine hinzugefügte Wunde noch vergrößerte, indem er meinen Arm nach unten hin aufschlitzte, in dem Glauben, mir so Schmerzen zuzufügen. Als ich noch immer keinen Schwäche zeigte, wurde mein Gegenüber ungeduldig. Saburo hob das Messer und schien, seinem erzürnten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, unkontrolliert auf mich einstechen zu wollen, ehe er sich unerwarteter Weise zur Seite rollte. Ich sah auch, wieso. Bepo hatte versucht, Saburo mit einem Tritt auf den Kopf außer Gefecht zu setzen. Da Saburo ausgewichen war, traf Bepo stattdessen mit voller Wucht meinen Kopf. Das Ganze war so schnell vonstatten gegangen, dass ich nicht hatte defensiv reagieren können. Einen Moment lang herrschte Stille, dann begann Saburo lauthals zu lachen, während Bepo nur ein kleinlautes „Entschuldigung“ herausbrachte. Zitternd befühlte ich meinen Kopf und war wenig überrascht, dass meine Finger kurz darauf voller warmem Blut waren. Gleichgültig sah ich zu Bepo auf. War das wirklich unbeabsichtigt gewesen, oder wollte er mir noch das mit der Betäubung von damals heimzahlen? Letztendlich war es mir auch egal, was das Schoßhündchen von meinem Vater anstellte, es wäre unsinnig, sich jetzt darüber aufzuregen, das gab die jetzige Situation einfach nicht her. Saburo hingegen regte sich über Bepos erneutes Unterbrechen auf. „Du elende Flohschleuder, wenn hier einer Mina angreift, dann jawohl ich!“ Bepo war sichtlich irritiert. „A-Aber ich wollte sie doch gar nicht treffen.. Ist alles Okay, Mina?“ Mit diesen Worten drehte er sich zu mir um, um mich anzusehen. Ich blickte finster zurück. „Dann werde ich dich wohl zuerst auslöschen müssen, Bepo.“ Saburos Augen glitzerten gefährlich, als er mit schnellen Schritten auf Bepo zustürmte und mit seinem Messer ausholte. Bepo hingegen ging in Abwehrhaltung. Die beiden waren so ineinander vertieft, dass keiner von ihnen die leise, kalte und monotone Stimme vernahm, welche mir eine Schauer über den Rücken jagte. „Ich glaube, ich habe nun genug gesehen. Room. Shambles.“ Kapitel 31: ------------ Nun ging alles so schnell, dass ich Mühe hatte, das Geschehen zu verfolgen. Nachdem sich eine blaue Kuppel um uns gebildet hatte, tauschte Bepo vom einen auf den anderen Moment den Platz mit einem Stuhl, auf welchen Saburo nun in seiner Wut einstach, ehe er bemerkte, was geschehen war. Mit wutverzerrter Miene sah er auf. „Law“, knurrte er. Mein Vater schwieg. Als ich ihn einen Moment lang anblickte, sah ich, welche Kälte und auch Zorn seine Augen ausstrahlten, als er Saburo betrachtete. Sofort senkte ich meinen Blick. Ich wollte nicht sehen, wie Law mich womöglich mit demselben Ausdruck in seinen Augen musterte. "Saburo." Bei Laws Tonfall jagte es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich war mir nicht sicher, aber eine Sekunde lang glaubte ich, neben der Härte in Laws Stimme auch eine Spur von Enttäuschung auszumachen. Doch das konnte auch Einbildung gewesen sein. "Och Law, jetzt sei doch nicht so ernst. Ich vergnüge mich doch nur ein wenig mit meinen lieben Nakama." Als ich auf diese Worte hin ein zweites Mal ganz kurz meinen Blick zu Laws Gesicht schweifen ließ, sah ich, dass diese Aussage Saburos sein Gesicht einen noch düsteren Ausdruck hatte annehmen lassen. Mit verengten Augen strahlte er eine solch bedrohliche Präsenz aus, dass wohl jeder hier Anwesende im Raum diesen am liebsten schnellst möglichst wieder verlassen hätte. "Du hast uns also an die Marine verraten." Saburo begann zu lachen. Er lachte, während ein wütender und jederzeit zum Töten bereiter Law vor ihm stand. Es ließ ihn zwar wahnsinnig wirken, aber irgendwie bewunderte ich ihn dafür, dass er in einer solchen Situation noch den Mut aufbrachte, Law auszulachen. Law hingegen schien das weniger lustig zu finden. "Saburo", knurrte er, "ich hoffe du weißt, was ich mit Verrätern in meiner Crew mache." Ich kam nicht drum rum, mich angesprochen zu fühlen. "Ich kann es mir denken, Trafalgar. Aber pass auf, dass du mit der da", er zeigte auf mich, "genau dasselbe machst, sie hat dich nämlich genauso verraten. Obwohl- eigentlich wiegt ihr Verrat schwerer, immerhin ist sie deine Tochter, nicht?" Doch Law ging nicht auf diese Aussage ein, er tat, als habe er sie nicht gehört. Er sah mich nicht einmal an. "Es würde dir eh nicht viel nützen, wenn du mich tötest. Deine Crew ist sowieso dem Untergang geweiht." Deutlich war herauszuhören, dass sich Saburo überlegen fühlte. Doch Law ließ sich von seiner Drohung nicht einschüchtern, ganz im Gegenteil. "Wenn du damit auf die fünf Marineschiffe anspielen willst, die haben unsere Radare längst entdeckt. Wir haben den Kurs geändert, schon vor einer ganzen Weile." Auch wenn Saburo versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, sah ich deutlich, wie sehr ihn diese Worte beunruhigten. Dass er keine Unterstützung bei seinem Vorhaben erhalten würde schien seinen ganzen Plan zunichte zu machen. Langsam erhob er sein Messer. "Dann werde ich das hier wohl alleine erledigen müssen. Und anschließend", er leckte sich über seine Lippen, "werde ich mich um deine kleine Tochter kümmern. Wir waren noch nicht fertig miteinander, oder Mina?" Beim Klang meines Namens zuckte ich zusammen und versuchte, mich noch kleiner zu machen. Law hingegen ignorierte mich weiterhin und tat, als habe Saburo nichts bezüglich mir gesagt. "Du willst es also nicht nur mit mir, sondern auch mit meiner ganzen Crew aufnehmen? Du bist zwar von der Marine, aber ich hätte dich trotzdem für intelligenter gehalten, Saburo." Laws Stimme triefte nur so vor Hohn und Spott. Tatsächlich verzog Saburo sein Gesicht zu einer wahnsinnig wirkenden Grimasse, ehe er mit einem irren Lachen und gezücktem Messer auf Law zustürmte. Law jedoch blieb ruhig. Als Saburo nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt war, erhob er seine rechte Hand. "Mes", sprach er ruhig und bestimmt, ehe er seine Hand durch Saburos Brustkorb stieß. Die Zeit schien für einen kurzen Moment lang stillzustehen. Saburos Grinsen erstarrte, bevor es schließlich einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck wich. Mit einem eklig dumpfen Geräusch kam Saburos Herz auf dem Boden auf. Dann kollabierte er.Law nahm ihm das zuvor das Messer aus der Hand. Lediglich Laws Hand, die sich um seine Kehle geschlossen hatte, hielt seinen Körper nun davon ab, auch zu Boden zu fallen. "Shambles." Law tauschte das Messer in seiner Hand mit dem auf dem Boden liegenden Herzen. Mit gleichgültiger Miene drückte Law Saburo nun gegen die nächste Wand, direkt gegenüber dem Platz, an dem ich mich befand. Diese Szene erinnerte mich sehr an die Situation, in der ich mich zuvor befunden hatte. Ich wagte es nicht, meinen Blick vom Geschehen abzuwenden. So bemerkte ich weder, wie stark meine Schnittwunde am Arm mittlerweile blutete, noch nahm ich die mich überkommende Müdigkeit und Benommenheit wahr, welche durch Bepos Tritt auf meinen Kopf auf meinen Kopf herrührten, wahr. All das blendete ich aus. Mir fiel nicht einmal auf, wie stark ich zitterte. Law auch nicht. Er konzentrierte sich voll und ganz auf den Körper, welchen er grade an die Wand drückte und dabei fast erwürgte. "Saburo." Als dieser sich nicht rührte, gab Law ihm eine schallende Ohrfeige. Ich zuckte allein beim Anblick zusammen. Mir war, als hätte Law mich geohrfeigt. Vor meinem inneren Auge blitzte für einen Moment die Erinnerung daran auf, wie Law mich vor einiger Zeit geschlagen hatte. Hass stieg in mir hoch. Wie gerne würde ich jetzt dort stehen und Law eine Schelle verpassen, ihn leiden lassen für seine Taten. Ich sah, wie Saburos Augenlider flackerten, ehe er seine Augen benommen ganz öffnete. Seine Pupillen weiteten sich, als er die Situstion erfasste, in der er sich befand. Dann legte sich ein beinahe schon verbissener und trotziger Ausdruck auf sein Gesicht. In seinen Augen erkannte ich Entschlossenheit. "Also, Saburo. Wo ist Kōri? Ich weiß, dass du für sein Verschwinden verantwortlich bist", knurrte Law mit bedrohlicher Stimme. Doch Saburo antwortete ihm nicht. Fest presste er die Lippen zusammen und hielt Laws Blick stand. Erneut wurde er geohrfeigt, diesmal fester. "Wirds bald?" Saburo begann tatsächlich zu lächeln. In der sich grade abspielenden Situation wirkte dies mehr als fehl am Platz. Die Art und Weise von Saburos passivem Widerstand erinnerte mich sehr an mich selbst. "Hast du schon einmal in der großen Kühltruhe hinten links in der Ecke in der Küche nachgesehen? Darin müsste sich eine blaue Tüte mit den Einzelteilen von dieser Nervensäge befinden. Schade eigentlich, ich hatte ursprünglich geplant, ihn euch demnächst als Gulasch zubereitet unters Essen zu mischen." Ich war nicht der Einzige im Raum, dem sich bei diesen Worten der Magen umdrehte, wie mir ein Seitenblick auf Bepo bestätigte. Dieser war im Gesicht merkwürdig grün angelaufen. Ich war dankbar dafür, dass ich in der letzten Zeit nichts gegessen hatte. "Bepo. Überprüf das", sprach Law mit gefährlich ruhiger Stimme. Bepo jedoch rührte sich nicht vom Fleck und sah Law so geschockt an, als habe dieser ihm grade gesagt, dass er noch heute sein U-Boot pink streichen würde, um in Anschluss daran Saburo zu heiraten. Obwohl die Vorstellung schon lustig war. "Bepo." Diesmal ließ Law keinen Zweifel daran aufkommen, dass er es ernst meinte. Mit einem letzten verzweifelten Blick zurück drehte sich Bepo um und trat langsam auf den Gang. Dann waren nur noch seine sich entfernenden Schritte zu vernehmen. Law sah, dafür, dass er grade die Bestätigung erhalten hatte, dass eines seiner Crewmitglieder tot war und nun zerstückelt in einer Kühltruhe lag, irgendwie viel zu gleichgültig und gefasst aus. So als ob es ihn nicht zu kümmern schien. Doch seine Stimme widerlegte meinen Eindruck. "Warum hast du ihn getötet?" Seine Stimme war eiskalt und voller Hass. "Bedarf es in dieser Gesellschaft wirklich einer Begründung, um Abschaum wie euch aus der Welt zu schaffen? Der Kleine war mir im Weg und hat genervt, außerdem wusste er zu viel. Du hättest mal sehen sollen, wie er um sein Leben gebettelt hat, ehe ich ihn aufgeschlitzt habe. Selbst halbtot hat er noch versucht, zur Tür zu kriechen und nach dir zu rufen, Trafalgar. Genützt hat es ihm nicht." Saburos Stimme klang belustigt. Es folgte ein widerliches Knacken, welches laut im Raum widerhallte. Law hatte Saburo seine Faust in den Oberkörper gerammt und ihm dabei, wie es sich anhörte, einige Rippen gebrochen. "Wer ist dein Auftraggeber?" Saburo schwieg. Ob es an den Schmerzen der gebrochenen Rippen lag oder er diese Information nicht preisgeben wollte, wusste ich nicht. Vermutlich beides. Doch Law wollte eine Antwort. So begann er, Saburos Herz langsam in seiner Hand zu erdrücken. Die ersten Sekunden versuchte Saburo sichtbar, nicht darauf zu reagieren, bis ihm Blut aus seinem Mundwinkel zu laufen begann. Röchelnd schloss er seine Augen. Law veranlasste dies nur dazu, noch fester zuzudrücken. "Beantworte meine Frage Saburo, oder ich werde mich nicht mehr länger zurückhalten." Ich war erstaunt darüber, wie sehr Law seine Stimme wieder im Griff hatte. Saburo hingegen gab nicht nach. Unnachgiebig versuchte er, sich Laws Griff zu entwinden. Dieser übte immer stärkeren Druck auf Saburos Kehle aus. "F-Fahr zur Hölle Trafalgar", brachte Saburo mit brüchiger Stimme und nach Luft ringend heraus. Ich verstand nicht, wieso Saburo ihm nicht sagen wollte, wer sein Auftraggeber war, da er es mir ja auch gesagt hatte. Wahrscheinlich wollte er Law gegenüber einfach nicht nachgeben. Seltsamerweise waren das genau die Worte gewesen, die ich damals benutzt hatte, ehe ich Law ins Gesicht spuckte. Und dies rief mir eine weitere damit zusammenhängende Aussage Laws ins Gedächtnis. "Solltest du dich jemals wieder gegen mich wenden, wirst du das noch bereuen."Genau das hatte Law mir damals gesagt. Und ich hatte das ungute Gefühl, dass ich schon sehr bald auf eine unschöne Weise herausfinden würde, was er damit gemeint hatte. "Ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt. Aber wer nicht hören will muss fühlen." Laws Stimme war kalt wie Eis. Dann war es für einen kurzen Moment, welcher sich anfühlte wie eine Ewigkeit, ganz still. Zu still. Bis die Stille von Saburos Schreien durchbrochen wurde. Law zerdrückte Saburos Herz so fest, dass ich damit rechnete, dass dieser jeden Moment sterben würde. Immer mehr Blut lief Saburos Geicht hinunter. Seine Schreie gingen einem durch Mark und Bein. Ich schloss meine Augen, ich wollte das nicht sehen. Dies ging eine ganze Weile lang so weiter. Bis er urplötzlich wieder verstummte. Langsam blinzelte ich gegen das Licht an. Saburo war mehr tot als lebendig. Die Überheblichkeit, welche er bis vor kurzem ausgestrahlt hatte, war gänzlich verschwunden. Sein Körper zitterte, und auch wenn seine Augen verrieten, dass er eigentlich Widerstand leisten wollte, war er wehrlos. Doch in einer Sache ähnelte er mir: Er würde eher sterben, als Law gegenüber nachzugeben. Seine ganze Kraft zusammennehmend, brachte Saburo Law noch einmal so richtig auf die Palme. "D-Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich Befehle von Abschaum wie dir entgegennehme, Trafalgar? Haben dir deine missratenen Eltern kein Benehmen beigebracht? Oder w-waren die genauso ein dreckiges Piratenpack?" Kapitel 32: ------------ Ich hatte keine Ahnung, wie Laws Kindheit gewesen war oder was seine Eltern für Menschen gewesen waren. Geschweige denn, wieso er Pirat geworden war. Ich musste zugeben, ich wusste diesbezüglich so gut wie gar nichts über meinen Vater. Aber es schien, als habe Saburo mit seiner Aussage einen wunden Punkt getroffen. Die Stimmung im Raum wurde beinahe schon greifbar frostig. Laws Gesichtszüge wurden hart und erbarmungslos. In seinen Augen spiegelte sich der pure Hass wieder. Ich wusste nicht, weshalb Saburos Worte eine solche Wirkung auf Law hatten, ließ sich dieser im Normalfall doch durch nichts und niemanden so schnell aus der Ruhe bringen. So verhasst hatte Law mich nicht einmal angesehen, als ich ihn damals angespuckt hatte. Langsam hob er seine Hand, welche mit eisernem Griff Saburos Kehle umschloss. Dann ließ er Saburos Kopf mir voller Wucht gegen die sich hinter ihm befindende Metallwand knallen. Das erzeugte Geräusch war ekelerregend. Bei dem Knacken wallte die Übelkeit in mir hoch. Dass ich ein großes Rinnsal Blut von Saburos Haarschopf aus seinen Kopf hinunterlaufen sah, machte die Sache nicht besser. Von Saburo war nur ein schwaches Röcheln zu vernehmen. Ich schloss meine Augen. Doch es half nichts. Ich wollte und musste hier weg. Laws Stimme vernahm ich zwar, aber sie klang weit entfernt. Ich fühlte mich plötzlich total schwach und müde. "Wir sind also der Abschaum? Ihr seid die Guten? Du hast keine Ahnung davon, wie es in dieser Welt abläuft. Du glaubst nur das, was dir eingetrichtert wird. Du bist nichts weiter als-" "Captain?" Durch die Stimme seines Vizen wurde Law aus seinem Handeln gerissen. Ich öffnete meine Augen und sah Bepo mit ein paar anderen im Türrahmen stehen. Mit kaltem Blick sah er zu seinem Vizen. Dieser sah vollkommen fertig aus . "Captain, es stimmt, was er gesagt hat. Wir haben Kōri ge-gefunden. Jedenfalls glauben wir, dass er es ist, weil er war..." Bepo braucht seinen Satz gar nicht fortzuführen. Jedem hier Anwesenden war bewusst, was er sagen wollte. Kōris Körper war nicht mehr eindeutig identifizierbar, da Saburo ihn zerstückelt hatte. Und Bepo war nicht der Einzige, der aussah, als ob er sich gleich übergeben würde. Die anderen wussten gar nicht, was eigentlich los war. Langsam wanderten ihre Blicke von Saburo, welcher von Law nach wie vor festgehalten wurde und am Rande der Bewusstlosigkeit schwebte, hin zu mir, die blutgetränkt und zitternd auf dem Boden saß. Man konnte förmlich sehen, wie sich über ihren Köpfen große Fragezeichen bildeten. "Captain, was ist hier eigentlich los?", mischte sich nun eine mir vertraute Stimme ein. Hinter Bepo konnte ich Shachi ausmachen, der das Wort an seinen Captain gerichtet hatte und die sich vor ihm abspielende Szene ebenfalls mit großer Irritation und Verwirrung hinnahm. Mit einem Mal lockerte Law seinen Griff um Saburos Hals. Soforte sackte dieser zu Boden und blieb dort regungslos liegen. Law betrachtete ihn einen Moment lang stumm, dann drehte er sich zu seiner Crew um. "Veranlasst, dass sich alle im Gemeinschaftsraum versammeln." Laws Stimme klang wieder so monoton wie eh und je, so, als sei nichts passiert. Als sich auf seine Anweisung hin keiner rührte, sondern alle Anwesenden weiterhin sprachlos im Türrahmen standen, wurde Law energischer. "Wird's bald?" Kaum bewegten sich die ersten, fügte er noch etwas hinzu: "Wartet, ihr vier bleibt noch kurz hier." Ich sah, wie er ihnen bedeutete, in den Raum reinzukommen. "Bepo und Mītobōru, ihr beiden fesselt Saburo und bringt in ihn eine Arrestzelle. Stellt sicher, dass er nicht entwischen kann." Ich sah, wie Bepo und noch jemand damit begannen, Saburo zu fesseln. "Shachi, du kommst mit mir." Der Angesprochene sah zu Law auf, und wollte sich in Bewegung setzen, ehe sein Blick auf mich fiel. "Captain, was ist mit Mina?" Shachi sah irritiert zwischen mir und Law hin und her, nicht verstehend, wieso mein Vater mich ignorierte. Law sah mich noch immer nicht an, sondern bewegte sich langsam in Richtung Tür, Shachi mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck musternd. "Wenn du dich nicht daran störst, dass sie gerade eben willentlich die gesamte Crew in Gefahr gebracht und verraten hat, kannst du ihre Wunden behandeln. Ansonsten kann das bis nach der Mannschaftsversammlung warten. Ich denke, sie hat deutlich gemacht, dass sie auf niemanden von uns angewiesen ist." Mit diesen Worten trat er aus dem Raum, dicht gefolgt von Bepo und Mītobōru, welche den außer Gefecht gesetzten Saburo bei sich trugen. Shachi blieb unschlüssig im Türrahmen stehen, nicht wissend, was er von Laws Worten halten sollte. Als ich seinen Blick auf mir spürte, erwiderte ich diesen. "Mina, stimmt es, was er gesagt hat? Du... hast uns verraten?" Seine Stimme klang gequält. Ich sah zu Boden. Das schien ihm als Bestätigung zu genügen. "Ich hätte es mir denken können. Penguin hat mir gegenüber schon so etwas angedeutet..." Er schüttelte den Kopf und trat näher an mich heran. "Mina, Saburo hat dich dazu gezwungen, oder?" Ich kenne dich doch, das passt gar nicht zu dir. Ich werde mit dem Captain reden und-" "N-Nein, bitte nicht..." Meine Stimme war nur ein leises, flehendes Flüstern gewesen, und doch hatten mir diese Worte einiges an Kraft abverlangt. Ich selbst war erstaunt darüber, dass ich wieder sprechen konnte- ich hatte es einfach getan, ohne weiter darüber nachzudenken. Das taube, unangenehme Gefühl, welches in den letzten Tagen beinahe dauerhaft präsent gewesen war, hatte deutlich an Intensität abgenommen- ich verspürte lediglich noch ein leichtes Kribbeln. Mir war es bis jetzt nicht aufgefallen. "Hey, du kannst ja wieder sprechen." Shachi klang erstaunt. Ich nickte bloß. Ich war mir nicht sicher, ob diese Tatsache so gut war. Besonders, wenn ich an das bevorstehende Gespräch mit meinem Vater dachte, welches mit Sicherheit bald stattfinden würde. "Sag mal", begann mein Gegenüber zögerlich, "was ist eigentlich zwischen dir und dem Captain? Die Blicke, die du ihm manchmal zuwirfst... Man könnte als Außenstehender beinahe meinen, dass du ihn hassen würdest..." Sich bei diesem Thema sichtlich unwohl fühlend, kaute Shachi auf seiner Lippe. "Also, weißt du Mina, ich weiß echt nicht, was zwischen dir und dem Captain vorgefallen ist, aber du solltest wissen, dass er echt kein schlechter Mensch ist. Ich weiß, er kann manchmal etwas unsensibel, empathielos oder grantig sein, aber er ist ein sehr guter Captain, dem das Wohl seiner Crew am Herzen liegt- sonst würde ich ihm doch wohl kaum so loyal folgen, oder? Ich bin stolz darauf, ein Teil seiner Crew zu sein. Und ich bin mir sicher, dass wenn wir deutlich machen, dass ein Missverständnis vorliegt…" Ich schüttelte meinen Kopf. Manchmal beschlich mich der leise Verdacht, dass Law seiner Crew eine Gehirnwäsche verpasst hatte. So verblendet konnte doch kein Mensch sein, oder? Wenn Shachi doch nur wüsste, was Law in Wirklichkeit für ein Mensch war... Nur am Rande nahm ich wahr, wie Shachi damit begonnen hatte, meine Wunde am Kopf zu untersuchen. Vollkommen erschöpft schloss ich meine Augen. Ich öffnete sie nicht einmal, als ich wenige Zeit später ein unangenehmes Brennen an der Wunde verspürte. Ich wusste, dass Shachi diese desinfizierte. Das Desinfizieren von Wunden gehörte zu den Dingen, die ein jedes Crewmitglied auch ohne Law beherrschte. Eigentlich jeder an Bord besaß zumindest Grundkenntnisse in der medizinischen Versorgung. Darauf legte Law großen Wert. Und es war auch notwendig für den Fall, dass Law eine Operation durchführen musste- denn selbst der beste Chirurg konnte nicht gleichzeitig operieren und die ganzen Geräte überwachen. Zudem beabsichtigte er, dass seine Crew sich bis zu einem gewissen Grad selbst behandeln konnte, damit sie ihn nicht mit jedem Kratzer, Kater oder Schnupfen nervten. "Ich würde eine leichte Gehirnerschütterung nicht ausschließen, aber das soll besser der Captain beurteilen." Nun, das erklärte zumindest mein Schwindelgefühl und die Übelkeit, die ich verspürte. Obwohl letzteres auch durch den schwer im Raum hängenden Geruch von Blut kommen konnte. Als ich mühsam meine Augen wieder öffnete, die sich so schwer anfühlten wie Blei, sah ich mich zum ersten Mal im Raum um. Blutsprenkel waren im gesamten Raum verteilt, sich deutlich von den kalten, metallenen Wänden abhebend. Es war, nicht einmal außerordentlich viel Blut, welches Saburo und ich verloren hatten, aber die Reichweite der Blutspritzer machte dies wieder wett. Wenn man mal von meinem Arm absah, welcher immer noch blutete. Ich hatte eigentlich gedacht, mich an den Anblick von Blut gewöhnt zu haben, vor allem nach den ganzen Geschehnissen der letzten Zeit, aber zusammen mit dem charakteristischen Geruch von diesem wurde mir das ganze zu viel. Der Raum um mich herum begann sich zu drehen. Schon die ganze Zeit über zitterte ich stark, mir war einerseits merkwürdig kalt, andererseits war ich mit der Situation heillos überfordert. Ich wollte hier nur noch weg. Kapitel 33: ------------ "Alles in Ordnung?" Ich war sehr verwundert darüber, Sorge aus Shachis Stimme herauszuhören. Entgegen meinem wirklichen derzeitigen Befinden nickte ich. Warum kümmerte sich Shachi überhaupt um meine Wunden? Er schien sich dadurch irgendeinen Vorteil zu erhoffen, da war ich mir sicher. Ich sah, wie er sich als nächstes vorbeugte, um meinen verletzten Arm in Augenschein zu nehmen. Zischend und laut vernehmbar atmete er ein, als er die lange Schnittwunde betrachtete. Ich hingegen fühlte keinen Schmerz, da ich seit dem Giftangriff den kompletten Arm nicht mehr spürte. Aber die Wunde sah schlimm aus. Saburo hatte ganze Arbeit geleistet. Shachi drückte eine sterile Kompresse auf diese, welche er behelfsmäßig mit einem Verband fixierte. "Das muss sich der Captain auf jeden Fall bald ansehen, sonst könnte das zu Komplikationen führen. Ich befürchte, dass muss genäht werden." Ich nickte bloß. Der Ausblick darauf, dass Law sich die Wunden auch noch ansehen würde, bereitete mir Unbehagen Großes Unbehagen. Entgegen meiner Erwartung, dass Shachi nun schnellst möglichst zur Mannschaftsversammlung gehen würde, kniete er sich vor mich hin und sah mir fest in die Augen. Es schien mir, als suche er nach den richtigen Worten, denn er wirkte unruhig. "Ich muss dich noch etwas fragen, Mina." Sein Tonfall war anders als zuvor. Weniger besorgt als vielmehr ernst und nachdenklich. "Penguin hatte ja vor wenigen Tagen hier auf dich aufgepasst. Der Captain hatte ihn angewiesen, wenn möglich etwas über den Marinespion aus dir herauszubekommen", setzte Shachi zum Sprechen an. Wieso erzählte er mir das? Ich war mir sicher, dass Law nicht begeistert davon wäre, dass ich von seinen Instruktionen der Crew gegenüber bezüglich mir erfuhr. Skeptisch betrachtete ich Shachi. Das bedeutete, dass Law tatsächlich andere Crewmitglieder dazu benutzte, mich auszufragen. Ich musste vorsichtig sein und durfte niemandem mehr vertrauen. Es schien mir, als ob hier jeder außer mir Law loyal ergeben zu sein schien. "Weißt du, ich habe vorhin ja bereits erwähnt, das Penguin mir gegenüber angedeutet hat, dass du die Crew im Stich gelassen hättest. Er sagte mir, dass du bereits wusstest, wer der Spion der Marine sei, du es aber nicht sagen wolltest. Stimmt das, Mina?" Doch ich antwortete ihm nicht. Krampfhaft presste ich meine Lippen aufeinander. Dann, ganz langsam, nickte ich. Im ersten Moment schien er verblüfft darüber zu sein, dass ich das Ganze so direkt zugab. Dann nahm sein Gesicht einen harten, angespannten Ausdruck an. "Ich... bin ich wirklich sehr enttäuscht von dir, Mina. Du hast nicht nur dich und unsere Crew gefährdet, sondern du bist wahrscheinlich für den Tod eines Nakamas mitverantwortlich." Mir hätte diese Aussage eigentlich egal sein müssen. So wie mir im Moment beinahe alles egal war. Doch sie war es nicht. Gegen meinen Willen trieb sie mir die Tränen in die Augen, und ich verstand nicht einmal, wieso. Ich konnte einfach nicht damit umgehen, wenn ich Leute, die mir einmal etwas bedeutet hatten, enttäuschte. "Sag mir nur noch eins. Warum? Die Crew müsste doch für dich nach all den Jahren für dich wie eine Familie geworden sein..." "Warum?" Meine Stimme war heiser, da ich so lange schon nicht mehr geredet hatte. "Du fragst ernsthaft, warum? Ich werde nicht nur eingesperrt, sondern auch noch ignoriert, die ganze Zeit über überwacht, geschlagen, und zum Sündenbock für alles gemacht! Ich bin kein Teil dieser Crew, und ich werde es wahrscheinlich auch nie sein. Bemerkst du nicht die Blicke, die mir die Crew in der letzten Zeit zuwirft? Für sie trage ich doch die Schuld an all diesen Entwicklungen der letzten Zeit... Aber verdammt, ich hatte das mit Kōri doch nicht geplant, ich wusste doch nicht, was der Spion vorhatte, und als ich es gemerkt habe, war es eh zu spät..." Ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, liefen mir die Tränen in Strömen über mein Gesicht. Ich konnte mir nicht erklären, wieso ich auf einmal einen solchen Gefühlsausbruch hatte oder woher diese Gedanken plötzlich kamen. Vielleicht hatte ich das Ganze zu lange in mich hineingefressen. Oder es lag daran, dass ich mich so unglaublich müde fühlte und keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Dabei wollte ich Shachi all das gar nicht erzählen. Wahrscheinlich würde ich es schon sehr bald bereuen. "Und mein Vater, für ihn bin ich doch auch nur eine einzige Enttäuschung... Dabei hat er doch mein Leben zerstört, indem er damals... damals..." Ich wischte mir stark zitternd die Tränen aus meinem Gesicht, was sich als sinnloses Unterfangen herausstellte, da immer mehr von diesen nachfolgten. Aber ich konnte nicht weiterreden. Nicht mit Shachi, nicht über dieses Thema. Ich begann mich jetzt schon dafür zu hassen, dass ich diese Worte überhaupt zugelassen hatte. Meine Gedanken und Gefühle gingen niemanden etwas an. Diese Einstellung war das wahrscheinlich Einzige, was ich mit Law gemeinsam hatte. Ich fühlte einen Kloß im Hals. Ich hatte das Gefühl, als ob ich nicht mehr weiteratmen könnte. Mein Brustkorb schien sich zu verengen. Panisch atmete ich immer tiefer ein und aus, bekam trotzdem nicht genug Luft. Shachi stand vollkommen überfordert vor mir, allem Anschein nach hatte er nicht mit einer solchen Reaktion meinerseits gerechnet. "Mina, beruhige dich doch!" Ich hörte diese Worte nur wie durch einen Schleier, ihren Inhalt verstand ich nicht. Mein Schwindel und meine Kopfschmerzen steigerten sich ins Unermessliche. "Mina, du hyperventilierst, du musst damit aufhören, sonst- Hey, was machst du da?" Ich reagierte nicht auf seine Worte, ich wusste nicht, was er meinte. Ich sah nur, wie er zügig auf mich zueilte, sich erneut hinkniete und langsam nach meiner rechten, unverwundeten Hand griff und diese langsam zu sich zog. Sie war verkrampft und voller Blut. Scheinbar hatte ich mit diese in meine Wunde am linken Arm gekrallt, ohne es zu merken. Doch es war mir im Moment egal. Immernoch hatte ich das Gefühl , als ob ich jeden Moment ersticken würde. „Ich werde den Captain holen gehen.“ Er war schon fast an der Tür, als er innehielt. Irgendetwas schien ihn von seinem Vorhaben abzuhalten. Wahrscheinlich wurde er sich dessen bewusst, wie Law reagieren würde, wenn er ihn jetzt störte. Stattdessen begann Shachi, beruhigend auf mich einzureden. „Mina bitte, versuche langsam und gleichmäßig zu atmen. Dir passiert hier nichts.“ Doch ich hörte nicht auf seine leeren Worte. Panisch schnappte ich weiter nach Luft. "Das bringt so alles nichts, ich werde dir ein Beruhigungsmittel spritzen müssen." Hastig eilte Shachi zum Medizinschrank, über mein heftiges Kopfschütteln hinwegsehend. Ich wollte nicht immer ruhig gestellt werden. Ich hasste es. Ich versuchte aufstehen, aber ich hatte keine Kontrolle über meinen Körper. Ich war zu schwach, alleine beim Versuch verschwamm meine Sicht. Ich hörte Shachi im Schrank nach dem Medikament suchen. Der Gedanke an die Spritze ließ meine Atmung nicht besser werden, ganz im Gegenteil, es gab nichts schlimmeres als Beruhigungsmittel. Alleine dieses Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können, hilflos ausgeliefert zu sein... "Ah, hier ist es, Diazepam! Mal sehen, 30 mg sollten genug sein..." Instinktiv wich ich zurück, als mein Brustkorb heftig zu schmerzen begann. Das Pieken der Spritze bemerkte ich im Vergleich dazu überhaupt gar nicht. Das Medikament begann schnell zu wirken. Kurz nachdem Shachi es mir verabreicht hatte, kämpfte ich schon dagegen an, dass meine Augen zufielen. Ich bekam noch mit, wie er mich behutsam hochhob und wieder auf meinem Bett verfrachtete. Einen Moment lang sah er zu, wie sich meine Atmung wieder halbwegs normalisierte. "Besser, du schläfst und erholst dich jetzt erst einmal. Der Captain wird sicherlich später vorbeikommen, da wirst du deine Kräfte noch brauchen." Seine Stimme klang so anders als sonst, so monoton. Und seine Anmerkung bezüglich Law beunruhigte mich sehr. Langsam wurde mein Verstand immer benebelter, und ich war dabei, gegen meinen Willen einzuschlafen. Der Gedanke daran, zu schlafen und diese Situation für einen Moment lang zu vergessen, war einfach zu verlockend. Doch ich wusste, dass wenn ich wieder aufwachen würde, die ganze Scheiße erst richtig beginnen würde. Kapitel 34: ------------ Ich lag schon seit einer ganzen Weile wach und konnte nicht mehr einschlafen. Obwohl ich allem Anschein nach mehrere Stunden geschlafen hatte, fühlte ich mich müder und ausgelaugter als zuvor. Das waren wahrscheinlich Nebenwirkungen des Beruhigungsmittels, welches Shachi mir verabreicht hatte. Ich wusste, dass sich außer mir noch jemand im Raum befand. Ab und zu vernahm ich Schritte an meinem Bett, doch die Augen geöffnet hatte ich bis dato noch nicht. Ich wollte im Moment jeglicher Art von Kommunikation aus dem Weg gehen. Wie ich dankbar feststellte, war zumindest der Geruch von Blut beinahe gänzlich verschwunden und wurde nun durch den vergleichsweise deutlich angenehmeren Geruch von Desinfektionsmittel ersetzt. Mühsam drehte ich meinen Kopf zur Seite. Auf einem Stuhl nahe der Türe saß Penguin. Er sah vollkommen übermüdet und abgekämpft aus, während er zwanghaft versuchte, sich auf das Buch in seinen Händen zu konzentrieren. Er beachtete mich nicht. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass er sich wohl eine Verletzung am Kopf zugezogen hatte, denn er trug einen Verband um diesen. Langsam traten auch die Geschehnisse von Saburos Angriff und meinem Gefühlsausbruch in mein Bewusstsein. Ich fasste mir verzweifelt an meinen Kopf. Mist. Das konnte alles einfach nicht wirklich passiert sein, das durfte einfach nicht geschehen sein... Wie hatte ich nur so die Kontrolle über mich verlieren können? Ich hatte Shachi beinahe alles erzählt und war dann auch noch in Tränen ausgebrochen... Beim Gedanken daran, dass er all das wahrscheinlich dann auch noch brühwarm Law weitererzählt hatte, wurde mir speiübel. Ich hasste mich dafür, so offen meine Gefühle gezeigt zu haben. Und Penguin wusste sicherlich auch von der Sache, wahrscheinlich war sie ihm sogar bis ins kleinste Detail bekannt, so gut, wie er sich mit Shachi verstand. Bestimmt hatten sie dann noch gemeinsam darüber gelacht. Am liebsten hätte ich keinen der beiden nie wieder auch nur angesehen, so unangenehm war mir mein Gefühlsausbruch. Doch ich musste mit Penguin reden, denn es gab ein paar Fragen, auf die ich endlich Antworten benötigte. Und er war im Moment scheinbar der Einzige, dem ich diese stellen konnte. "Penguin?" Mein Satz wurde von dumpfen Husten begleitet, da mein Hals knochentrocken war und sich meine Stimmbänder auch erst wieder an ihren Gebrauch gewöhnen mussten. Doch Penguin gab vor, nichts gehört zu haben. Er hielt seinen Blick stur weiterhin in sein Buch gesenkt. Dabei wahr es offensichtlich, dass er nicht darin las. "Wenn du das Buch verkehrt herum hältst, kannst du den Text nicht lesen. Oder ist das ein Bilderbuch?" Durch meine Frage vollkommen aus der Bahn geworfen, sah Penguin irritiert auf. Erst jetzt bemerkte er, dass er sein Buch falsch herum gehalten hatte. Resigniert seufzend legte er es zur Seite, nur um seinen Blick im Anschluss daran auf mich zu richten. "Du bist aufgewacht", stellte er in nüchternem Tonfall fest. Langsam nickte ich. Wir sahen uns eine ganze Weile lang schweigend an, darauf wartend, dass der jeweils andere das Wort ergriff. Als mir der Blickkontakt zu viel wurde, sah ich mich im Raum um. Tatsächlich erinnerte nichts mehr an die sich zuvor zugetragene Situation. Das Blut war, während ich geschlafen hatte, gänzlich weggewischt worden, und wenn ich die Platzwunde an meinem Kopf nicht so deutlich spüren würde, hätte ich denken können, dass all das nur ein schlechter Traum gewesen war. Gedankenverloren strich ich über meine Verletzung am Arm. Der von Shachi als Notlösung behelfsmäßig angebrachte Fixierverband zum Halten der Wundkompresse war durch einen antiseptischen Wundverband ausgetauscht worden. Höchstwahrscheinlich konnte ich froh sein, dass der Arm taub war, denn Law hätte mir mit Gewissheit kein Schmerzmittel verabreicht. "Der Captain hat gestern Abend deine Wunden versorgt." Gestern Abend? Das bedeutete, ich hatte mehr als nur ein paar Stunden geschlafen. Und ich war irgendwie froh darum, dass ich während Laws Behandlung nicht bei Bewusstsein gewesen war. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Andererseits hasste ich den Gedanken, dass Law mich behandelt hatte, während ich bewusstlos und somit wehrlos gewesen war. Wieso hatte Law überhaupt meine Wunden versorgt? Erst ließ er mich links liegen, und dann behandelte er meine Wunden? Obwohl, genau genommen war es Shachi gewesen, der sich um meine Wunden gekümmert hatte. Law bezweckte damit irgendetwas... Vermutlich wusste er, dass er mich nur ausfragen konnte, wenn ich bei Bewusstsein war. Tot nützte ich ihm grade nichts. Wenn er seine Informationen haben würde, sähe dies wahrscheinlich anders aus. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich am Leben lassen würde, da ich eine Gefahr für seine Crew darstellte. Er hatte mir deutlich gesagt, dass er von nun an bei Fehltritten meinerseits zu härteren Maßnahmen greifen würde. Und ich hegte keinen Zweifel daran, dass er dies umsetzen würde. Wenn ich ehrlich war, hatte ich Angst vor dem Gespräch mit meinem Vater. Ich wünschte, ich könnte mir selbst gegenüber behaupten, dass mir Laws Strafe egal wäre. Es waren nicht die körperlichen Strafen, die mir Angst machten. Egal, wie schmerzhaft seine Bestrafungen sein konnten, es gab etwas, was noch schlimmer war. Denn ich musste nur immer daran denken, dass es mein eigener Vater war, der mir das antat. Meinen Gesichtsausdruck vollkommen richtig deutend, sprach Penguin weiter: "So wütend, wie der Captain auf dich ist, kannst du vermutlich froh sein, dass er sich überhaupt deiner Wunden angenommen hat." Seine Stimme klang für ihn ungewöhnlich sachlich und desinteressiert. Vermutlich würde er ich mir gegenüber nie wieder so wie früher verhalten, diese Sache würde immer zwischen uns stehen. Auch wenn mir Penguin und Shachi immer auf die Nerven gegangen waren, wusste ich nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Seine Aussage reichte mir, um mich direkt auf hundertachzig zu bringen. "Ja, was habe ich doch für ein Glück, dass sich der großartige Trafalgar Law um meine Wunden gekümmert hat. Was täte ich doch bloß ohne meinen lieben Vater", brachte ich zynisch hervor. "Fast wären ich und Bepo auch noch draufgegangen, wenn Law nicht zufällig mal seinen Arsch ins Krankenzimmer bewegt hätte. Ist er eigentlich so dumm oder warum merkt er es nicht, wenn auf seinem Schiff Leute abgeschlachtet werden?" "Es war kein Zufall, dass er ins Krankenzimmer gegangen ist." Penguin ignorierte meinen rüden Tonfall. Mit dieser Aussage schaffte er es, mich vollends aus dem Konzept zu bringen. Bevor ich weiter nachfragen konnte, führte Penguin genauer aus, worauf er hinauswollte. "Nach unserem letzten Gespräch bin ich, wie ich es dir gesagt hatte, zum Captain gegangen, um ihn darüber zu informieren, dass du ihm Informationen vorenthältst, da ich dachte, dass er nochmal mit dir reden würde. Da er sich jedoch sicher war, dass es eine effektivere Methode gäbe und der Marinespion dich erneut anzugreifen versuchen würde, haben wir stattdessen den Plan beschlossen, den Spion aus der Reserve zu locken, indem wir innerhalb der Crew die Information verbreitet haben, dass du Kenntnisse darüber hättest, wer aus der Mannschaft hinter dem Giftangriff stecke und somit für die Marine arbeite, diese aber nicht preisgeben wolltest. Wir gingen davon aus, dass der Spion verhindern wolle, dass seine Identität auffliegt." "Ihr habt mich in der Crew schlechtgemacht, um Saburo reinzulegen?" Ich senkte meinen Kopf. Das hätte ich mir eigentlich denken können. Penguin verzog sein Gesicht. "Glaub mir, Mina, da mussten wir nicht mehr viel nachhelfen. Die Meinung der Crew über dich ist... nun ja, nicht so toll." Ich war mir sicher, dass "nicht so toll" vermutlich noch stark untertrieben war. Aber wahrscheinlich konnte mir das auch egal sein, da ich nicht einmal wusste, ob ich das "Gespräch" mit meinem Vater überleben würde. "Bei der nächsten sich ergebenden Gelegenheit hat Law dann vorgetäuscht, dass jemand deine Aufsicht übernehmen müsse, weil ich erkrankt sei. Da sich keiner um die Aufgabe gerissen hat, konnten wir mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Spion die Gelegenheit, dass dich keiner beaufsichtigt, nutzen würde, um dich zum Schweigen zu bringen.Wir mussten also nur abwarten, wer bei dir auftauchen wird. Law hatte mich angewiesen, aus einer geeigneten Position heraus das Krankenzimmer zu überwachen und ihm Bescheid zu geben, sobald jemand reingeht. Es wäre ein guter Plan gewesen, jedoch sind zwei Dinge schief gelaufen." Fragend sah ich ihn an. Penguin wies wortlos auf seinen Verband am Kopf, welcher aufgrund seiner Mütze kaum sichtbar war. "Ich war schon einige Zeit dabei, dein Zimmer zu beobachten und habe bereits geglaubt, dass der Plan fehlgeschlagen sei, als Saburo bei mir auftauchte. Er sagte, dass der Captain mich sofort sprechen wollen würde. Ich habe den Fehler begangen, zu denken, dass er ganz sicher nicht der gesuchte Spion sein kann, da er schon so lange dabei ist. Auch bin ich davon ausgegangen, dass der Captain irgendetwas wirklich wichtiges mit mir zu klären hätte, wenn er mich von meinem Posten wegbeordert, also wollte ich mich sofort auf den Weg machen. Kaum hatte ich Saburo jedoch den Rücken zugedreht, hat er mich von hinten niedergeschlagen." Penguin seuftze, dann fuhr er fort. "Als ich das wieder zu Bewusstsein kam, war Law bei mir. Ich hätte ihm regelmäßig Bericht erstatten sollen und ihm war es komisch vorgekommen, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe, deshalb hat er nach dem Rechten gesehen. Ich habe ihm dann das mit Saburo berichtet, er hat sich kurz meine Wunde angesehen, um auszuschließen, dass ich nicht lebensgefährlich verletzt bin, und wollte dann Saburo zur Rede stellen, der sich allem Anschein nach bei dir im Krankenzimmer befand. Doch dann passierte die zweite unvorhergesehene Sache." Kapitel 35: ------------ "Bepo", flüsterte ich. Ja, der Vize hatte auf mich bei dem Vorfall nicht den Eindruck erweckt, dass er in die Sache eingeweiht gewesen wäre. "Richtig. In dem Moment, in dem der Captain sich in Richtung des Krankenzimmers begeben wollte, sah er, wie Bepo dieses grade betrat. Er hat dann erst einmal abgewartet, wie sich die Situation entwickelt und erst eingegriffen, als es nötig wurde." "Er hat mich als Köder für Saburo benutzt?", fasste ich mit tonloser Stimme das zusammen, was ich soeben erfahren hatte. "Mina, nachdem, was du getan hast, -" "Was ich getan habe? Warum wird immer nur darauf geschaut, was ich falsch mache? Was ist mit Laws Fehlern? Werden über die hinweggesehen, nur, weil er euer Captain ist?" "Law hat so agiert, wie es für alle Beteiligten am best-" "Wie es für alle am besten war? Warum hat er dann so lange gewartet, bis er eingegriffen hat? Als Saburo bereits meinen Arm halb aufgeschlitzt hatte und mir mit voller Wucht gegen den Kopf getreten wurde, hat er da irgendetwas gemacht?" Ich fühlte den Hass in mir pulsieren. Natürlich war Penguin auf Laws Seite. Was hatte ich denn auch anderes erwartet? Auch Penguin blieb nicht mehr ruhig. Mit vor Wut verengten Augen sah er mich an, durchbohrte mich schon fast mit seinem Blick. "Mina. Jemand ist gestorben. Das ist etwas vollkommen anderes. Es war notwendig, so zu handeln." Er tat, als sei es das Normalste der Welt, dass ein Vater dabei zusah, wie seine Tochter angegriffen wurde. Und als sei es meine eigene Schuld, dass all das so abgelaufen war. Dabei war ich es so unendlich Leid, dass die Schuld immer bei mir gesucht wurde. Warum konnte niemand zugeben, dass auch mein Vater nicht fehlerfrei war? "Ich habe ihn nicht getötet, Penguin! Und das weißt du auch..." "Aber du hättest es verhindern können, wenn du dem Captain deine Informationen weitergegeben hättest", erwiderte er aufgebracht. "Und was hätte das gebracht? Kōri war zu dem Zeitpunkt schon tot! Ich habe keine Schuld daran!" Ausdruckslos sah er mich an. "Genauso, wie du keine Schuld daran trägst, dass wir wegen den uns verfolgenden Marineschiffen den Kurs ändern mussten und nun einen Versorgungsengpass haben, weil die nun gewählte Route um einiges länger ist?" "Ich habe niemandem gesagt, dass er den Kurs ändern soll. Das war euer Captain." Die Atmosphäre zwischen mir und Penguin war zum Zerreißen gespannt. Als er mir eine gefühlte Ewigkeit später mit einem genervten Schnauben den Rücken zuwandte, ließ ich nicht locker. "Hast du eigentlich jemals an Law als Captain gezweifelt? Es bereut, seiner Crew beigetreten zu sein?" Penguin wandte mir sein Gesicht zu. Man konnte deutlich erkennen, wie verwundert er über diesen Themenwechsel war. Dann wich seiner Irritation Entschlossenheit und ein konzentrierter Ausdruck trat auf sein Gesicht. "Ich vertraue dem Captain, würde ihn mit meinem Leben verteidigen und bin stolz darauf, in seiner Crew zu sein." Ich hätte es mir denken können, dass Penguin so tickte. "Das ist keine Loyalität", antwortete ich ihm auf seine Ansprache, "das ist fanatische Dummheit." "Du nennst mich dumm? Wer hat denn hier beinahe die ganze Crew in die Scheiße geritten?" Ich biss mir auf meine Lippe, um meine Wut zu kompensieren. Es war offensichtlich, dass auch er seine Aufgebrachtheit nur mit großer Mühe zügeln konnte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Penguin sein Verhalten mir gegenüber so stark verändern würde. "Vielleicht habe ich ja Gründe für mein Verhalten...?" Penguin schüttelte seinen Kopf. "Es gibt keinen Grund, der es rechtfertigen könnte, das Leben eines Nakamas zu gefährden." "Ja, natürlich, Penguin. Du hast keine Ahnung, was abläuft, aber glaubst, in dieser Situation mit deinem Halbwissen ein Urteil fällen zu können, ohne beide Perspektiven zu kennen." Ich hatte ernsthafte Probleme, noch ruhig zu bleiben. Penguin jedoch schien mir entweder gar nicht zuzuhören, oder er hörte nur das, was er wollte. Fakt war, dass er nicht einmal im Ansatz auf meine Einwände einging. "Wir sind eine Crew, Mina. Bei dem kleinsten Anzeichen auf die Gefährdung eines Crewmitgliedes hättest du dem Captain Bescheid geben müssen. Aber ich glaube, ich hatte meinen Standpunkt dazu bereits deutlich gemacht." Ja, das hatte er. Das Gespräch war zwar schon ein paar Tage her, dennoch klangen mir seine Worte noch so deutlich in den Ohren nach, als habe er sie grade erst gesagt: „Sollte einem meiner Nakama etwas zustoßen, was durch dich hätte verhindert werden können, werde ich dir das niemals verzeihen.“ Dieser Fall war nun eingetreten, Kōri war tot, und laut Penguin war dies allein meine Schuld. "Ich verstehe es nicht, wieso du willentlich so gehandelt hast. Und da bin ich nicht der einzige, dein Vater versteht es auch nicht, wenn ich das richtig beurteile. Was glaubst du wohl, wie er jetzt dasteht? Selbst wenn ihr euch im Moment manchmal nicht so gut versteht, wenn du ihn über die Vorkommnisse informiert hättest, hättest du ihm damit dein Vertrauen bewiesen." Ich war sprachlos vor Zorn. "Wir verstehen uns im Moment nicht so gut? Findest du das nicht ein klein wenig untertrieben? Ich hasse ihn! Und es ist mir scheißegal, wie er jetzt dasteht." Ich sah, wie sich Penguins Gesicht verfinsterte und er etwas erwidern wollte, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Und überhaupt, ich vertraue ihm nicht, wie er mir auch nicht vertraut. Ich vertraue keinem von euch." Eine Spur von Traurigkeit breitete sich in seinen Augen aus. "Du hast dich stark zum Negativen verändert, Mina. Seit dem Vorfall in der Marinebasis bist du so. Ich hoffe, dass du wieder zu deinem alten Ich zurückfindest. Wenn es noch nicht zu spät ist... Aber das wird der Captain entscheiden müssen." Diese Aussage machte mich sprachlos, weil sie mich verletzte. Bis vor kurzem war Penguin einer der letzten gewesen, die halbwegs auf meiner Seite gestanden hatten. Und nun dieser offenkundige Gleichgültigkeit. Ich fühlte, wie mir erneut die Tränen kamen. Ich hatte keinen blassen Schimmer, weshalb ich neuerdings so emotional drauf war. Aber ich durfte meine Gefühle nicht schon wieder zeigen. Ich musste die Kontrolle behalten. Ich wollte nur noch hier weg. Allein sein, raus aus diesem Raum, von diesem U-Boot, und vor allen von diesen Menschen. Ruckartig richtete ich mich auf, was ein starkes Schwindelgefühl zur Folge hatte. Für meine derzeitigen Verhältnisse schnell setzte ich meine Füße dem Boden auf und versuchte, aufzustehen. Mein Puls raste. Zittrig stand ich kurz darauf auf meinen Füßen, stützte mich an der Wand ab und begann, mich in Richtung der Tür zu bewegen. "Darf ich fragen, wo du hinwillst? Der Captain hat dir absolute Bettruhe verordnet. Mit einer Gehirnerschütterung sollte man nicht herumlaufen und die Naht an deinem Arm darf keinen mechanischen Reizen ausgesetzt werden, sonst könnte sie wieder aufgehen." Ich blendete seine Stimme einfach aus. Ich hatte schon genug damit zu kämpfen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dazu kamen noch Kopfschmerzen in einem Ausmaße, als hätte ich letzte Nacht einen neuen Trinkrekord aufstellen wollen. "Mir doch egal", flüsterte ich matt. Die wenige Kraft, die ich durch den Schlaf der letzten Stunden erhalten hatte, war vollkommen aufgebraucht. Erschöpft schloss ich meine Augen und sank langsam zu Boden. Den Rücken gegen die Wand gelehnt, verharrte ich kraftlos in dieser Position. Einen Moment lang standen diese Worte im Raum, bis ich herannahende Schritte vernahm. "Das habe ich mir schon fast gedacht." Penguin ging vor mir in die Knie und hob mich ohne sichtbare Mühe hoch. Langsam trug er mich zurück zum Krankenbett und legte mich vorsichtig auf diesem ab, ehe er mich behutsam zudeckte. Dieses sorgsame Verhalten passte absolut nicht zu dem kalten Ausdruck in seinem Gesicht. "Dir scheint ja im Moment nicht nur deine Gesundheit egal zu sein." Penguins Stimme war ungewohnt gefühllos. "Hasst du mich jetzt?" Meine Stimme war monoton und leise. Ich wusste nicht einmal, weshalb ich das fragte. Ich fühlte mich total benommen und das klare Denken fiel mir mehr als nur schwer. Penguin schwieg und lieferte mir auf diese Art und Weise eine Antwort auf meine Frage. Die Stille wurde erdrückend. "Ich glaube, das sollte im Moment dein kleinstes Problem sein." Benommen sah ich ihn an, nicht verstehend, was er meinte. "Der Captain wird gleich vorbeikommen." Da war es wieder, dieses beklemmende Gefühl, wenn ich an das bevorstehende Gespräch mit meinem Vater dachte. Aber ich wusste, dass es jetzt sowieso zu spät für einen Rückzieher war, ich bereute mein Handeln nicht. Also würde ich jetzt alles auf eine Karte setzen müssen. Ich hatte mich damals entschieden, nun würde ich keine halben Sachen machen. "Penguin?", murmelte ich schläfrig. "Hmm?" Seine Stimme zeugte von beinahe genauso großer Müdigkeit wie meine. "Was macht Law mit Leuten, die gegen seine Crew agieren? Die offen zeigen, dass sie die Crew hassen?" "Ich weiß es nicht." Penguin klang vom einen auf den anderen Moment wieder hellwach und todernst. Doch es war ihm anzuhören, dass er sehr wohl etwas über dieses Thema wusste. "Versuch jetzt zu schlafen, Mina." Kapitel 36: ------------ Das nannte Penguin also "Der Captain wird gleich vorbeikommen"? Es waren nun mittlerweile vier Tage vergangen, seitdem ich mit ihm das Streitgespräch geführt hatte, und Law war kein einziges Mal hier aufgetaucht. Mein gesundheitlicher Zustand war alles andere als optimal. Zwar begannen meine Wunden zu heilen, trotzdem fühlte ich mich von Tag zu Tag schwächer, was vermutlich, nein eindeutig, auf den Nahrungsmangel zurückzuführen war. Im Gegensatz zu vor ein paar Wochen war ich nicht an eine Nährinfusion angeschlossen worden- es schien, als sei es meinem Vater egal, was mit mir passierte. Nicht, dass es mich stören würde, aber so lange, wie ich schon keine Nahrung mehr zu mir genommen hatte, würde ich nicht mehr lange bei Bewusstsein bleiben. Was bei der Aussicht auf das bevorstehende Gespräch mit Law wahrscheinlich sogar noch von Vorteil wäre. Es war absurd, aber ich schien in einem Krankenzimmer zu verhungern. Obwohl, wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich war, selbst wenn man mir Essen hingestellt hätte, ich hätte es nicht angerührt. Etwas Wasser war das Einzige, das ich täglich zu mir nahm. Und das auch nur, weil das trockene Gefühl der Haut und die mit der Dehydration einhergehenden Kopfschmerzen kaum auszuhalten waren. Natürlich war "etwas" Wasser nicht genug, um auf Dauer damit auszukommen, aber mehr als das eine Glas Wasser, welches mir wortlos des Morgens von täglich jemand anderem hingestellt wurde, konnte ich nicht trinken- mehr war nicht verfügbar. Und um Wasser betteln würde ich ganz sicherlich nicht- auch ich hatte noch einen gewissen Stolz. Es war, als bekäme ich grade genug, um zu überleben, damit mein Vater mich noch befragen konnte. Aber dafür war es beinahe schon zu spät, denn durch den Flüssigkeitsmangel war mein Hals ausgetrocknet und meine Zunge geschwollen, es war zweifelhaft, dass ich in diesem Zustand ein halbwegs normales Gespräch würde führen können. Am schlimmsten jedoch war der trockene Reizhusten, welcher mich immer wieder überfiel. Mir ging die ganze Zeit über durch den Kopf, was wohl bei der Mannschaftsversammlung thematisiert worden war. Ich hätte Penguin danach fragen sollen... Aber während des Gespräches mit ihm hatte ich dies schlichtweg vergessen. Weder Penguin noch Shachi waren noch einmal hier aufgetaucht. Es zehrte sehr an meinen Nerven, seit Tagen zu denken, dass Law jeden Moment hier auftauchen könnte. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, bei jedem Schritt, den ich auf dem Flur vernahm, jagte mein Puls in die Höhe. Ob Law mich zunächst mental und körperlich schwächen wollte, bevor er mich befragte? Wenn ja, war ihm das gelungen. Da ich mittlerweile zu geschwächt war, um mich wirklich zu bewegen, war ich gezwungen, im Bett liegen zu bleiben. Ausgerechnet jetzt, wo mich seit Tagen niemand beaufsichtigte. Mir war, als wollte sich niemand länger als nötig mit mir in einem Raum befinden. Ich fühlte mich ausgeliefert, wie ein Lamm, dass auf seinen Schlachter wartete. Hin und wieder schaffte ich es, für kurze Zeit einzuschlafen. Und jedes Mal, wenn ich dann wieder wach wurde, überprüfte ich als erstes nervös, ob Law zwischenzeitlich das Zimmer betreten hatte. Grade war ich erneut dabei, langsam wegzudämmern, als ich plötzlich das Geräusch der sich schließenden Türe vernahm. Ich bekam fast einen Herzinfarkt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich bewegungsunfähig die Decke an. Mein Atem ging unregelmäßig und das Pochen meines Herzens war unerträglich laut, als ich näher kommenden Schritte vernahm. Ich war mir sicher, dass es Law war, der mein Zimmer betreten hatte. Kaum nahm ich aus meinen Augenwinkeln eine auf mich zukommende, schnelle Bewegung wahr, riss ich im Adrenalinrausch meinen Arm hoch und hielt ihn mir schützend vor mein Gesicht, in der festen Überzeugung, dass er mich zu schlagen beabsichtigte. Mit fest zusammengekniffenen Augen wartete ich auf den kommenden Schmerz. "Mina?", vernahm ich eine zurückhaltende Stimme. Zitternd lugte ich unter meinem Arm hervor, welcher einen möglichen Schlag hätte abschwächen sollen. Wider Erwarten sah ich nicht in die kalten, grauen Iriden meines Vaters, sondern in große, runde Knopfaugen, die mich ob meines Verhaltens verwundert anblickten. Mein Atem ging stockend, nur langsam realisierend, dass es nicht mein Vater war, der mir gegenüberstand. Bepo. Es war Bepo, der neben meinem Bett stand. Ich hätte nicht geglaubt, dass alleine der Gedanke daran, dass mein Vater den Raum betreten haben könnte, bei mir solch eine Panikattacke auslösen würde. Ich war ein einziges Nervenbündel. Als ich die Bewegung wahrgenommen hatte, hatte ich geglaubt, dass es mein Vater sei, der mir nun seine Reaktion auf mein Verhalten zeigte. "Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken." Bepo sah mich mit geknickten Ohren an. Ich atmete tief durch, versuchte, meinen vor Schreck immer noch zu raschen Atem zu beruhigen. Wollte er mir nun auch noch sagen, dass es alleine meine Schuld war, dass Kōri gestorben war? Mir eine Moralpredigt darüber halten, was ich für ein schlechter Mensch war, wie es Penguin und Shachi bereits getan hatten? Verdeutlichen, wie perfekt mein Vater doch war? Konnte ich nicht einmal davon verschont bleiben... Ausdruckslos sah ich ihn an, abwartend, was er von mir wollte. Das angespannte Schweigen wurde nur durch einen Hustenanfall meinerseits unterbrochen. Wenn ich nicht bald etwas trank, würde das noch ernsthaftere Folgen nach sich ziehen, als einen ausgetrockneten Hals. "Ich, ähm, wollte schauen, wie es dir geht", begann er zögerlich. Ich schnaubte. Dachte er wirklich, ich würde ihm das abkaufen? Wahrscheinlich sollte er mich aushorchen, das wäre ja nicht das erste Mal. Mit Penguin und Shachi hatte ich versucht zu reden, und wohin hatte das geführt? Nein, schlussendlich verstand mich doch niemand, dafür waren sie ihrem Captain viel zu hörig. Beging man den Fehler, jemandem zu vertrauen, nutzte derjenige dies schon bald darauf aus. Das war schon immer der Fall gewesen, wenn ich geglaubt hatte, mich auf jemanden verlassen zu können. Ich würde nie wieder jemandem vertrauen können. Es endete immer gleich. Und nur wer Erwartungen an jemand anderes stellte, konnte auch enttäuscht werden. Von nun an würde ich keinen mehr an mich heranlassen. Ich drehte mich mühsam von Bepo weg und schloss meine Augen. Sollte er doch denken, was er wollte, ich wollte nur noch meine Ruhe haben. Ich hatte bereits genug mit dem Schwindel und der Übelkeit zu kämpfen. Doch wie es für ihn typisch war, verstand Bepo nicht, wann man einen besser in Ruhe ließ. Ich hörte, wie Bepo um das Bett herumlief. Ich öffnete meine Augen einen Spalt breit. Tatsächlich stand Bepo wieder vor mir und sah mich erwartungsvoll an. "Ist alles in Ordnung?", führte er sein ziemlich einseitiges Gespräch fort, während er auf seinen Tatzen ungeduldig vor und zurück wippte. Ich erwiderte seinen Blick, reagierte aber ansonsten nicht auf seine Frage. Nach einer Weile unterbrach Bepo den Blickkontakt und sah sich im Raum um. Es schien mir, als ob er etwas suchen würde. Misstrauisch beobachtete ich jeden seiner Schritte, als er langsam umherging. Sich am Kopf kratzend und irritiert umsehend blieb er schließlich stehen. "Wo ist denn dein Infusionsständer?" Ich sah weiterhin nur stumm an, nicht verstehend, weshalb er ausgerechnet mich das fragte. "Ich war mir sicher, dass der Captain eine Infusion angewiesen hatte... Wahrscheinlich wurde es in der Hektik einfach vergessen." Ja natürlich, die Crew hatte es vergessen, mich an eine Nährinfusion anzuschließen. Wers glaubt wird selig. Und natürlich fiel es vier Tage lang niemandem auf. Genauso, wie ich nur sporadisch, und wenn überhaupt viel zu wenig, Wasser bekam. Wie naiv war Bepo eigentlich? Wenn es überhaupt stimmte, dass Law so eine Instruktion erteilt hatte- vielmehr glaubte ich, dass es ihm herzlich wenig interessierte, ob ich hier verhungerte. Zugegeben, mir war es auch egal. "Aber wovon hast du dich dann die letzten Tage ernährt?" Auch diese Frage ließ ich unbeantwortet. Bepo nahm mein ignorantes Verhalten kommentarlos hin. "Ich werde dem Captain auf jeden Fall Bescheid geben, dass er schnellstmöglichst danach sehen soll..." Glaubte Bepo allen Ernstes, dass Law das auch nur ansatzweise interessieren würde? Ich konnte kaum in Worte fassen, wie genervt ich war. Der Vize meines Vaters war so ziemlich der Letzte, mit dem ich jetzt reden wollte. Müde schloss ich erneut meine Augen, mir fest vornehmend, Bepo komplett auszublenden. Es fiel mir schwer, die in mir aufsteigende Wut zu unterdrücken. "Hey, schläfst du etwa?" Bepos Stimme klang verwundert. War es so eine Seltenheit, dass jemand, der in einem Bett lag und die Augen schloss, zu schlafen beabsichtigte? Ich war mit meinen Nerven am Ende. Mühsam öffnete ich ein weiteres Mal meine Augen, um ihn abschätzend zu mustern. "Bepo?" Meine Stimme war lediglich ein Krächzen. Das Sprechen war anstrengend und schmerzhaft. "Ja?" Er wirkte freudig, dass ich endlich mit ihm sprach. Doch ich ließ mich durch sein Lächeln nicht beirren. Wie oft war ich schon so angesehen worden, nur um von demjenigen kurz darauf sprichwörtlich ein Messer in den Rücken gerammt zu bekommen. Ich würde darauf nicht mehr hereinfallen. Zu lange schon hatte ich Menschen vertraut, in der Hoffnung, jemand würde mich verstehen. "Verpiss dich." Der Versuch, all meine Verachtung in diesen Satz zu legen, scheiterte kläglich, da meine Stimmbänder nicht mitmachten und meine Stimme wie eine rostige Gießkanne klingen ließen. Ich konnte förmlich sehen, wie sein Grinsen erstarrte, als langsam zu ihm durchdrang, was ich gesagt hatte. "Aber Mina, ich-" "Verschwinde, oder ich werde dir diesmal schlimmere Dinge antun, als dich nur zu betäuben." Meine Stimme war eiskalt, sie klang fremd in meinen Ohren. Ich wusste, dass ich Bepo nicht angreifen wollte. Ich wollte doch nur, dass er mich in Ruhe ließ, und mir nicht vorspielte, dass er sich um mich sorgte. Angesichts der Tatsache, dass ich nicht einmal genug Kraft aufbringen konnte, um aufzustehen, wirkte diese Drohung sowieso mehr als lächerlich. Doch sie verfehlte ihre Wirkung nicht, Bepo wich vor mir zurück. Er wirkte nervös und durcheinander. Ein betretener Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Heißt das, es stimmt, was innerhalb der Crew erzählt wird?" Ich schwieg. Ich war mir nicht sicher, was genau er meinte. Entweder bezog er sich darauf, dass ich die Crew gefährdet hatte, indem ich Saburo nicht als Spion verraten hatte, oder er bezog sich auf die Ansicht der anderen, dass ich Kōris Tod zu verschulden hatte. Ich hatte das Gefühl, als sei mir diese Frage schon unendlich oft gestellt worden. Warum fragte mich das eigentlich jeder, wenn man mir dann doch nicht glaubte? Was brächte es mir, zu versuchen, ihm die Wahrheit zu erzählen? Gar nichts, denn er stand voll und ganz hinter seinem Captain. "Aber Mina, das geht doch gar nicht, der Captain ist doch dein Vater!" Bepo sah mich verständnislos an. Scheinbar war es seiner Auffassung nach nicht möglich, dass ich mich gegen meinen geliebten Vater wenden könnte. Warum eigentlich? Weil unser Verhältnis so vertraut, unbeschwert und herzlich war? Absolut lächerlich. Aber darüber würde ich jetzt nicht diskutieren, es brächte sowieso nichts- zudem war ich todmüde. Ich wollte im Moment nichts lieber tun, als der Müdigkeit nachzugeben und so, wenn auch nur kurz, in den Zustand der Empfindungslosigkeit überzugehen. Als er merkte, dass ich zu seiner Aussage keine Stellung nahm, trottete er langsam in Richtung Tür. "Ich werde Bericht erstatten gehen, ich bin gleich wieder da", murmelte er gedämpft. Bericht erstatten gehen. Das hieß, Law hatte ihn tatsächlich hierhergeschickt, um mich zu befragen. Ich war mit einem Male unglaublich froh, Bepo nichts erzählt zu haben. Kaum hatte ich das Schließen der Tür vernommen, gab ich dem immer stärker werdendem Bedürfnis zu schlafen nach, nichtsahnend, was mich beim Aufwachen dieses Mal erwarten würde. Kapitel 37: ------------ Als ich aus dieses mal dem Schlaf erwachte, ging es mir keineswegs besser. Vielmehr fühlte ich mich , als ob ich von einem Seekönig zerkaut und wieder ausgespuckt worden wäre. Da meine Augenlider schwer wie Blei waren, ließ ich meine Augen vorerst geschlossen. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, ruhig und gleichmäßig zu atmen- was mir alles andere als leicht fiel. Jeder Atemzug schmerzte, als ob mir jemand mit einer große Nadel in den Brustkorb stechen würde. Wo dieser Schmerz herkam, also wodurch er verursacht wurde, konnte ich mir nicht erklären. Stück für Stück trat in mein Bewusstsein, was sich abgespielt hatte, bevor ich eingeschlafen war. Bepo hatte versucht, mich auszufragen, und war dann anschließend gegangen, um Law Bericht zu erstatten. Zudem hatte er anschließend wiederkommen wollen- unter anderem auch wegen der fehlenden Nährinfusion. Wie aufs Stichwort wurde ich mir erst jetzt dem dumpfen Stechen in meiner rechten Hand bewusst, welches unverwechselbar vom Zugang einer Infusion stammen musste. Hieß das, Bepo war hier? Mühsam öffnete ich meine Augen. Nachdem ich einen Moment lang gegen den in mir aufkommenden Schwindel ankämpfte, drehte ich schlaftrunken und zunächst ein wenig orientierungslos meinen Kopf zur Seite, in der Erwartung, dort Bepo auszumachen. Doch dies sollte nicht der Fall sein. Als ich stattdessen direkt in zwei eisige Augen sah, schien mein Herz für einen Moment lang auszusetzen. Unmittelbar gegenüber von mir an die Wand gelehnt und mich mit seinem kalten Blick fixierend, stand kein anderer als mein Vater. Mit vor Schreck geweiteten Augen erwiderte ich seinen Blick. Auch wenn ich seit Tagen gewusst hatte, dass er hier jederzeit auftauchen könnte, traf mich diese Situation vollkommen unvorhergesehen und vor allem auch unvorbereitet. Er sah mich starr und regungslos an, betrachtete mich, wie ein Raubtier seine Beute. Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Position verharrten, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Und wurde mir mit jeder vergehenden Sekunde sicherer, dass das hier kein gutes Ende nehmen würde. "Ich hoffe, du bist dir darüber im Klaren, was dein Handeln für Konsequenzen haben wird." Während seine Stimme monoton, sachlich und kühl klang, als ob er über das Wetter reden würde, sprachen seine Augen da eine andere Sprache, sie verrieten, das ihm die Situation wohl nicht einmal annähernd so egal war, wie er es vorgab. Was für mich nicht unbedingt von Vorteil war. In seinen Seelenspiegeln schien ein Sturm zu toben. Ich glaubte, neben der offensichtlichen Wut auch Bitterkeit und Verachtung in diesen zu erkennen. Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, mich von ihm nicht einschüchtern zu lassen, schrumpfte ich unter seinem Blick gegen meinen Willen förmlich in mich zusammen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, nicht fähig, den Blickkontakt zu unterbrechen. Erst als mich der Schwindel wieder ergriff und die Sicht vor meinen Augen verschwamm, wandte ich meinen Blick ab und schloss meine Augen. Ich fühlte mich gar nicht wohl dabei, Law nun nicht mehr im Auge zu haben. Ich fühlte mich ausgeliefert, wie auf dem Präsentierteller, unfähig, mich wegzubewegen. Ich wartete auf sein weiteres Handeln, rechnete dabei mit allem. Law war in solchen Dingen so gut wie unmöglich einzuschätzen. Doch als ich sie wieder öffnete, stand Law bereits an der Tür, mir den Rücken zugedreht. "Sobald du aus medizinischer Sicht vernehmungsfähig bist, werden wir uns mal ausführlich unterhalten müssen." Er sprach das "unterhalten" mit einer solchen Härte aus, dass ich nicht davon ausging, dass es ein nettes Gespräch werden würde. Vielmehr klang es nach "Du-wirst-mir-alles-sagen-was-du-weißt-und-dein-Tod-wird-ein-kleines-bisschen-weniger-schmerzhaft". Ich war mir sicher, dass ich im Moment sowieso nur noch lebte, weil Law noch Informationen von mir brauchte... Ehe ich auch nur annähernd eine Reaktion auf diese Worte hatte zeigen können, war Law bereits durch die Tür getreten und verschwunden. Mit rasendem Puls lag ich noch lange wach. Ich wusste nicht, ob ich froh sein sollte, dass ich noch ein paar Tage länger lebte. Und ob die Warterei auf das Kommende nicht viel schlimmer war, als das, was unvermeidbar passieren würde. In den nächsten Tagen spielte sich langsam eine Routine im Tagesablauf ein. Wenn ich aufwachte, dauerte es zumeist nur wenige Minuten, ehe Penguin den Raum betrat und meine leere Infusionsflasche gegen eine neue austauschte. Dann wurden meine Vitalwerte überprüft, ich bekam eine Spritze mit irgendeinem Zeugs drin injiziert, welches Müdigkeit in mir hervorrief und wachte zumeist erst am Nachmittag wieder auf. Am Abend wiederholte sich diese Prozedur. Penguin war scheinbar der Einzige, der für diesen Posten eingeteilt worden war, denn ein anderes Crewmitglied bekam ich in dieser Zeit nicht zu Gesicht- was ich nicht unbedingt als negativ empfand. Penguin redete in dieser Zeit kein einziges Wort mit mir. Sein Gesicht hatte durchgehend einen nachdenklichen, konzentrierten und überhaupt nicht zu ihm passenden Ausdruck. Er sah mir nicht in die Augen, erledigte die medizinische Versorgung jedes Mal so schnell wie möglich und verließ anschließend den Raum wieder. Ich sprach ihn auch nicht von mir aus an, denn ich wusste, dass er mich entweder ignorieren würde oder das Ganze in einer heillosen Diskussion enden würde. Law war seit seiner Androhung auf eine ernsthafte "Unterhaltung" nicht mehr hier aufgetaucht. Vermutlich wartete er ab, bis ich grade so regeneriert war, dass ich ihm alle gewünschten Informationen liefern konnte, ehe er mich die Konsequenzen meines Handeln würde spüren lassen. Ich wünschte mir, dass die Nachwirkungen von Saburos Giftattacke länger angedauert hätten und ich nach wie vor nicht hätte sprechen können. Sehr zu meinem Missfallen musste ich feststellen, das meine Gesundheit sich schneller besserte, als mir lieb war. Die Symptome der Dehydration und der mangelhaften Ernährung waren durch die Infusion stark zurückgegangen, ich fühlte mich nicht mehr so schwach wie noch vor ein paar Tagen. Mit der Zeit konnte ich mich sogar im Bett aufrecht hinsetzen, ohne dass ich allzu starke Schwindel- oder Kopfschmerzattacken bekam. Lediglich mein Arm war nach wie vor taub. Meine Versuche, die Heilung durch regelmäßiges Entfernen des intravenösen Zugangs an meiner Hand zu manipulieren und somit zu verlangsamen, zeigten keinerlei Wirkung. Penguin brachte ihn jedes Mal mit gerunzelter Stirn wieder an. Erneut hieß es zu warten. Und wieder zerrte dies merklich an meinen Nerven. Wenn ich wach war, behielt ich beinahe ständig die Tür im Auge. Doch es sollte einige Zeit dauern, ehe Law sich dazu herabließ, mich erneut aufzusuchen. Genau genommen waren es fast zwei Wochen, welche vergangen waren, seit er das letzte Mal den Raum betreten hatte. Ich versuchte ruhig zu bleiben. Denn ich war mir sicher, bereits zu wissen, was mir bevorstand. Aber ich würde ihn nicht um Verzeihung oder Gnade oder sonstigen Müll bitten oder anflehen. Nein, ich stand zu dem, was ich getan hatte. Und ich glaubte nicht, dass mein Vater überhaupt in der Position war, über mich zu urteilen und mir zu sagen, dass ich falsch gehandelt hatte. Er war der allerletzte Mensch, der das Recht hatte, mir das zu sagen, wenn man bedachte, was er getan hatte. Da ich mich vollkommen an den routinemäßig gleichen Tagesablauf gewöhnt hatte, warf es mich komplett aus der Bahn, als eines Abends anstelle von Penguin Bepo im Krankenzimmer erschien. Auch er wirkte anders als sonst, angespannt und eingeschüchtert. Nachdem er sich einen Moment lang, scheinbar wie um Zeit zu schinden, ziellos im Raum umgesehen hatte, trat er näher an mich heran. Es war offensichtlich, dass er nach den Ereignissen unschlüssig war, wie er sich mir gegenüber verhalten sollte. Dann beugte er sich zu mir vor, um mir langsam den Zugang aus meiner Hand zu entfernen. "Ich... Ich soll dich zum Captain bringen, Mina." Okay, das kam unerwartet. Wieso kam Law nicht nach hier, sondern schickte sein kleines Schoßhündchen, um mich abzuholen? "Mina? Ähm..." Bepo kratzte sich am Kopf, so, als wisse er nicht, wie er seinen Satz formulieren solle. "Tschuldige, aber bitte versuch zumindest, den Captain nicht noch mehr zu reizen, er hat sowieso schon sehr schlechte Laune." Bepos Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden, beinahe so, als habe er Angst, dass Law hören könnte, was er da gesagt hatte. Soso, Law war also schlecht gelaunt? Hoffentlich lag das daran, dass ihm irgendetwas richtig Mieses passiert war, das würde ich ihm echt wünschen. Ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen, als ich von Bepo ohne Vorwarnung hochgehoben wurde. Erst jetzt trat ihn mein Bewusstsein, was mir bevorstand. Und, dass ich gegen die nun folgende Entwicklung der Dinge nichts mehr würde unternehmen können. Ich ließ Bepo widerstandslos gewähren, hielt meinen Blick starr gen Boden gerichtet. Versuchte, meine Umgebung auszublenden, auch die mich vom einen auf den anderen Moment erfassende Kälte. Die Blicke der anderen Crewmitglieder, als wir auf den Gang traten. All das war jetzt unwichtig und belanglos. Unwillentlich krallte ich mich in Bepos Pelz fest, in der Hoffnung, irgendwie Halt zu finden vor dem, was passieren würde. Viel zu schnell kamen wir am Büro meines Vaters an, an dem mich Bepo wortlos runterließ. Ich stütze mich an der Wand ab, um nicht den Halt zu verlieren und umzufallen, denn meine Beine waren es nach der langen Zeit im Krankenbett nicht mehr gewohnt, mein Gewicht zu tragen. Bepo klopfte zaghaft an der Tür. Als keine Antwort kam, wiederholte er dies, nur diesmal lauter. Bis aus dem Raum eine äußerst genervte Stimme zu vernehmen war: "Komm rein, Bepo." Kapitel 38: ------------ Ich bekam nur am Rande mit, wie Bepo die Tür öffnete. Das alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Ich nahm meine Umgebung bloß verschwommen wahr. Erst, als Bepo mehrmals meinen Namen rief, erkannte ich, dass er das Büro meines Vaters bereits betreten hatte, während ich nach wie vor an Ort und Stelle auf dem Flur verweilte. Bepo begab sich zurück auf den Gang und sah mich fragend und mit schief gelegtem Kopf an. "Kommst du? Der Captain wartet." Seine im gedämpften Tonfall gesprochenen Worte erreichten mich zwar akustisch, aber sie brachten mich keineswegs dazu, mich auch nur einen Millimeter näher in Richtung von Laws Büro zu bewegen. Urplötzlich ergriff mich Panik. Langsam und Bepo nicht aus den Augen lassend, trat ich ein paar wacklige und unsichere Schritte zurück. Dann drehte ich mich mit einem Male um und versuchte, so schnell es mir möglich war, den größtmöglichen Abstand zwischen mir und ihm herzustellen. Es war offensichtlich, dass Bepo mit einer solchen Fluchtreaktion meinerseits nicht gerechnet hatte, denn die ersten Sekunden lang war von seiner Seite her nichts zu hören. Scheinbar war er sprachlos vor Verblüffung. Dann, als er endlich verstand, was ich da grade tat, hechtete er mir hinterher. Natürlich hatte er mich nach kürzester Zeit eingeholt- ich bewegte mich nur mit langsamen, schwankenden Schritten fort und war dementsprechend nicht weit gekommen. Meine Beine zitterten bereits wegen der für sie ungewohnten Belastung. Trotzdem dachte ich nicht einmal daran, stehen zu bleiben. "Warte, wo gehst du hin?" Bepo schien echt nicht verstehen zu können, dass ich nicht mit meinem Vater reden wollte. Er überbrückte die letzten Meter, die uns noch trennten, und stoppte meinen Abhauversuch schlussendlich, indem er mich mit seiner Tatze festhielt. "Mina, komm jetzt besser mit, ehe der Captain noch wütender wird", flüsterte er mir zu, ehe er mich am Arm festhaltend zurück in die Richtung zog, in der Law sich befand. Ich ging widerstandslos mit. Ich wusste selber, dass ich dem Gespräch mit meinem Vater nicht mehr länger aus dem Weg gehen konnte. Es war einfach eine Kurzschlussreaktion meinerseits gewesen. Und zwar keine besonders intelligente, wenn man bedachte, dass ich weder in der Lage war, weit zu laufen, noch von diesem U-Boot entkommen, da wir uns nach wie vor unter Wasser befanden. Erneut vor Laws Büro angekommen, ließ Bepo mich dieses Mal nicht aus den Augen. Die Tür stand immer noch offen. Mit leichtem Nachdruck wurde ich von ebendiesem in den Raum geschoben, wobei ich den Blick starr gen Boden gerichtet hielt. "Hab sie hergebracht, Captain." "Du kannst gehen." Jetzt wusste ich, was Bepo damit gemeint hatte, als er sagte, dass Law schlecht gelaunt sei. Und das war noch untertrieben, die Stimmung meines Vaters war unterirdisch schlecht. Um das zu merken, brauchte ich ihn nicht einmal ansehen- der eine Satz von ihm hatte mir zur Einschätzung gereicht. Seine Stimme hatte eine Kälte und Härte, die selbst für ihn rekordverdächtig war. Als ich, nachdem Bepo den Raum verlassen hatte, das Schließen der Tür vernahm, ging ich davon aus, dass Law das Wort ergreifen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Eine unangenehme, spannungsgeladene Stille verbreitete sich und zwang mich dazu, meinen Kopf nun doch ein wenig anzuheben, um einen Blick in Richtung meines Vaters zu wagen. Dieser hingegen beachtete mich nicht, sondern las an seinem Schreibtisch konzentriert in einem Buch. Ich kam mir vor wie bestellt und nicht abgeholt. Normalerweise wäre mir das nur recht gewesen, dass ich ignoriert wurde, aber ich spürte, dass meine Beine mit dem Tragen meines Gewichtes langsam an ihr Limit stießen und ich nicht mehr lange stehen bleiben würde können. Aber ich würde mich jetzt nicht von mir aus bemerkbar machen. Ich war mir sicher, dass Law sich dessen bewusst war und mich deshalb extra stehen ließ. Eine gefühlte Ewigkeit später erst klappte mein heißgeliebter Vater sein Buch zu und wies mich mit einer Handbewegung an, Platz zu nehmen. Auch wenn ich nichts lieber getan hätte als das, war es dieses Mal mein Stolz, der es mir verbot, Befehle oder Anweisungen von meinem Vater anzunehmen. Mein Vater versuchte zwar, sich diesbezüglich nichts anmerken zu lassen, aber ich sah deutlich, dass ihn mein Verhalten jetzt schon reizte. "Ich denke mal, du weißt, weshalb du hier bist." Seine Stimme war unterkühlt. Doch ich gab ihm keine Antwort, sondern blickte nur stumm auf die sich hinter ihm befindende Wand. Mir war bewusst, dass ich hier grade sprichwörtlich noch mehr Öl ins Feuer goss, aber genauso wusste ich, dass es jetzt kaum einen Unterschied mehr machte. "Nein? Soll ich deinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge helfen?", fragte er mich in einem Tonfall, der nichts Gutes verhieß. Okay, wenn man ihn so schnell auf die Palme bringen konnte wie jetzt, schien er echt einen miesen Tag zu haben. Er sah ziemlich gereizt aus, und ich wusste, dass es lebensmüde war, sich ihm in einem solchen Fall noch zu widersetzen. Man konnte sagen, dass es wie ein Spiel mit dem Feuer war, wenn man nicht aufpasste, verbrannte man sich. Wobei es bei Law wahrscheinlich zu Schlimmerem kommen würde, als nur einer Verbrennung. "Wo soll ich nur anfangen? Erst betäubst du Bepo, verschwindest dann des Nachts aus dem Krankenzimmer und wir müssen die halbe Insel nach dir absuchen, nur um dann zu erfahren, dass die Marine dich geschnappt hat. Als wir uns ebenfalls in die Marinebasis begeben, hältst du mir vor, dass du mich hasst und erstichst dich beinahe mit deinem eigenen Katana. Später spuckst du mir vor versammelter Mannschaft ins Gesicht, und, um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, verschweigst du mir willentlich Informationen über einen Marinespion, wodurch du die gesamte Crew in ernsthafte Gefahr gebracht hast." Laws Stimme war zum Ende hin immer kälter und aufgebrachter geworden. Ich hob meinen Kopf und sah meinen Vater stumm an. Der Blick, mit dem mich dieser bedachte, war eisig. Da ich nun wirklich nicht länger stehen konnte, nahm ich nun tatsächlich auf dem Stuhl Platz, auf den Law vorhin verwiesen hatte. "Du wirst mir jetzt sofort sagen, was du mit diesen Aktionen bezweckt hast, Mina." Doch genau das würde ich nicht tun. Ich hatte mir selbst vorgenommen, nicht mehr über meine Gefühle, Gedanken, Erlebnisse oder sonstiges zu reden. Mit niemandem. Und schon gar nicht mit dem Verursacher all dieser Probleme. Eher würde ich würde all das mit ins Grab nehmen. "Versuch erst gar nicht, mich zu ignorieren." Auch wenn Laws Stimme ruhig und monoton blieb, wusste ich, dass mein Vater mein jetziges Verhalten überhaupt nicht ab konnte. Was ein Grund mehr dafür war, ihn weiterhin links liegen zu lassen. Soweit jedenfalls ging meine Planung. Ihn einfach nicht beachten, nicht auf seine Fragen und Provokationen einzugehen und vor allen Dingen, es schnell hinter mich zu bringen. Doch dieses Vorhaben hatte nicht lange Bestand. "Mina, das, was du getan hast, ist nichts anderes als Verrat, das ist dir doch wohl hoffentlich klar, oder? Und auch, was auf ein solches Verhalten folgt? Es war mitunter deine Fahrlässigkeit, wegen der jetzt einer deiner Nakama tot ist. Damit kann und werde ich dich nicht durchkommen las-" "Meine Fahrlässigkeit? Bin ich jetzt neuerdings für die Sicherheit der gesamten Crew verantwortlich? Du bist der hier der Captain, das ist deine Aufgabe! Wie kannst du es bitte jahrelang nicht merken, dass sich jemand von der Marine an Bord befindet? Ich war nicht derjenige, der Kōri getötet hat, und ich habe Saburo auch nicht gesagt, dass er es tun soll! Er war bereits tot, ehe ich überhaupt wusste, dass er Saburo im Weg war und somit auf seiner Abschussliste stand!" Schwer atmend, und vollkommen in Rage geredet, fiel mir erst auf, dass ich mein Schweigen gebrochen hatte, als ich sah, wie stark sich das Gesicht meines Vaters durch meine Worte verfinstert hatte. "Mina. Ich glaube, du bist die letzte, die wirklich allerletzte Person, von der ich mir Vorwürfe machen lassen muss, dass ich meine Crew in Gefahr gebracht habe." Ich kannte meinen Vater gut genug, um zu wissen, dass ich mit meiner Aussage einen wunden Punkt bei ihm getroffen hatte. "Außerdem hast du grade selbst zugegeben, dass du bereits wusstest, dass Saburo der Spion ist, bevor er Kōri tötete. Zu dem Zeitpunkt haben sowohl ich, als auch Penguin, dich mehrmals gefragt, ob du Informationen über den Spion besitzt, was du abgestritten hast. Dadurch hast du mir die Möglichkeit genommen, rechtzeitig Interventionsmaßnahmen gegen ihn einzuleiten, und demzufolge bist du, neben Saburo, mitverantwortlich für Kōris Tod." Er ließ eine Pause, schien darauf zu warten, dass ich ihm widersprach. Doch ich tat ihm diesen Gefallen nicht ein zweites Mal. "Ich verstehe absolut nicht, woher deine plötzliche Abneigung gegen die Crew kommt." Er sah mir fest in die Augen, schien in diesen eine Antwort zu suchen. "Sag mir endlich, was in dich gefahren ist, dass du gegen deine eigene Crew agierst! Ich weiß, dass es etwas mit dem Vorfall in der Marinebasis zu tun hat, also rück endlich mit der Sprache raus, oder es wird ernsthaf-" "Du bist nicht mein Captain, also hör auf, mir Befehle zu erteilen", unterbrach ich ihn mit tonloser Stimme. Mir war es, als ob wir für einen Moment die Rollen getauscht hatten. Nach außen hin wirkte mein Verhalten ganz gewiss bescheuert, aber ich würde mich nicht von meinem Vater herumkommandieren lassen. Das fasste Law, der es gewohnt war, dass seine Crew ihm ohne große Nachfragen gehorchte, natürlich nicht besonders positiv auf. "Hast du mir grade einen Befehl erteilt?" Seine Stimme war bedrohlich. Ich wusste, dass ich Grenzen überschritten hatte, die ich nicht hätte überschreiten dürfen. Aber ich bereute es trotzdem nicht. Law hingegen ignorierte meine Aussage, dass ich ihn nicht als Captain akzeptierte, einfach. "Mina, ich bin nicht nur dein Captain, ich bin zusätzlich dein Vater, und grade deshalb wirst du aufhören, so respektlos zu sein, besonders vor der Crew. Weißt du eigentlich, wie ich vor meiner Mannschaft dastehe, jetzt wo rausgekommen ist, dass die Tochter ihres Captains einen ihrer Nakama auf dem Gewissen hat? Glaubst du, sie können einem solchen Captain noch vertrauen?" Ich antwortete ihm nicht, ich war dazu nicht fähig. Ich war wegen Laws offensichtlichem Egozentrismus so wütend, wie schon lange nicht mehr. Ich konnte nicht in Worte fassen, wie groß der Hass war, den ich verspürte. Zornestränen traten in meine Augen. Schwankend stand ich auf. Law tat es mir gleich und trat langsam und bedrohlich wirkend auf mich zu. Vollkommen von meiner Wut gelenkt, holte ich aus, um ihm eine zu klatschen. Doch meine Hand wurde abgefangen. Er hatte meine Attacke natürlich kommen sehen. Grob packte mein Vater meinen Arm und hielt mich fest. Ich wusste, dass ich meine Lage gerade noch weiter verschlechtert hatte, Laws Mine sprach da Bände. "Du kannst es wohl kaum erwarten, deine Strafe zu erhalten." Seine Stimme war schneidend und ohne jegliche Emotion. Es lief mir eiskalt den Rücken herunter, als ich ihm in die Augen sah. Solch eine Kälte und Distanz hatten sie auch ausgestrahlt, als er Saburo gestellt hatte. "Du wirst gewiss verstehen, dass ich dich nicht frei herumlaufen lassen werde, da ich nicht weiß, wem deine Loyalität gilt." Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Ich hatte eine böse Vorahnung darüber, was er meinte. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln oder den festen Griff um meinen Oberarm zu lockern, trat er auf den Gang und zog mich mit sich. Wie schon zuvor bei Bepo, hatte es keinen Sinn, Widerstand zu leisten. Nachdem wir schier endlos durch die Gänge gegangen waren, kamen wir dort an, wovon ich schon befürchtet hatte, dass er mich hinbringen würde. Die Zellen. Ob Saburo auch hier war? Ich konnte aus diesem Winkel nicht in alle Zellen reinblicken, demzufolge war es nicht zwingend ausgeschlossen. Unsanft wurde ich von meinem Vater in die sich am nächsten zur Tür befindenden Zelle befördert und eingesperrt. Es war genau dieselbe Zelle wie die, in die ich damals gesperrt worden war, als ich Bepo betäubt hatte. Nur diesmal war eine Decke vorhanden. "Du kannst dir bis morgen Abend überlegen, ob du mir nicht doch noch etwas zu sagen hast, ansonsten ist das hier für die nächste Zeit dein neues Zuhause", gab er zynisch von sich, ehe er mich alleine ließ. Kapitel 39: ------------ Mittlerweile war es Nacht geworden, und ich saß bereits seit mehreren Stunden mit dem Rücken gegen die Gitter gelehnt da und versuchte fieberhaft, jegliche Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Ich wollte endlich zur Ruhe kommen und abschalten, bevor der morgige, zweifellos sehr stressige, Tag begann. Doch immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich dann doch noch einmal gedanklich das Gespräch mit meinem Vater durchging. Das Gefühl der Wut, dass ich zuvor bei seinen Worten verspürt hatte, war verebbt. An Stelle von diesem hatte sich ein Empfinden innerer Leere in mir ausgebreitet, welches ich als noch tausendfach schlimmer wahrnahm. Während Emotionen wie Zorn oder Hass einem wenigstens noch das Gefühl vermittelten, lebendig zu sein, war dieser Zustand für mich unerträglich. Und er war mittlerweile zu meinem ständigen Wegbegleiter geworden. Ich hatte inzwischen zudem große Mühe, dem Bedürfnis nach Schlaf nicht nachzugeben. Die in der Zelle vorhandene Decke hatte ich bis jetzt nicht angerührt, und dementsprechend lag sie immer noch sauber zusammengefalten in der Ecke. Ich wollte mich nicht zudecken, war doch das Gefühl von Kälte im Moment das Einzige, dass mir bewies, dass ich überhaupt noch etwas empfinden konnte. Ich sah dieses als Positiv, etwas, dass voll und ganz meine derzeitigen Gefühlslage widerspiegelte. Bewegungslos und den Blick stumpf gen Boden gerichtet verweilte ich so in der Zelle. Doch weder mein Wille noch die mich umgebende Kühle konnten mich schlussendlich davon abhalten, dem Schlaf länger zu entfliehen. Es musste bereits tiefste Nacht geworden sein, als ich vollkommen erschöpft meine Augen schloss und glaubte, nun wenigstens, wenn auch nur für einen kurzen Moment, meinen erdrückenden und deprimierten Gedankengängen entkommen zu können. Was hätte ich in dem Moment nicht alles dafür gegeben, einfach für immer einschlafen zu können und nicht mehr aufzuwachen... Erdrückende Stille. Das war einige Minuten lang das Einzige, was in mein Bewusstsein trat, ehe sich vor meinen Augen langsam ein Bild manifestierte. Wo war ich hier? Der Raum war mittelgroß und spärlich beleuchtet. Irgendwie kam er mir bekannt vor... Ein Lagerraum der Death? Ein Würgen ließ mich in Richtung der rechtsgelegenen Wand drehen. Saburo und Kōri? Die beiden standen nur wenige Meter von mir entfernt, Saburo drückte den Anderen so gegen die Wand, dass dieser sich nicht mehr bewegen konnte. Während sich auf Kōris Gesicht eine Mischung aus Panik und Hass abzeichnete, war in Saburos Gesicht Belustigung zu lesen. "Saburo?" Meine Stimme war nur ein brüchiges Flüstern. Doch er schien mich nicht zu hören, zumindest reagierte er nicht auf meine Worte. "Saburo, was soll der Scheiß?" Kōri klang äußerst aufgebracht und versuchte vehement, sich aus seiner Lage zu befreien. "Sorry Kleiner, aber du weißt zuviel und stehst meinen Plänen im Weg. Außerdem nervst du mich tierisch." "Was zum- Argh, lass mich sofort los, oder ich melde das dem Captain!" Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte ich die sich vor mir abspielende Szene. Saburo hatte seine eine Hand inzwischen um Kōris Kehle gelegt, während er mit der anderen ein Messer hervorzog. Wie vom Blitz getroffen zuckten sowohl ich als auch Kōri zusammen, als wir die Klinge erblickten. Doch irgendetwas hinderte mich daran, Kōri zu helfen. Vor Angst wie gelähmt blieb ich an Ort und Stelle stehen und verfolgte das Geschehen, eine dunkle Vorahnung darüber habend, was nun wahrscheinlich passieren würde. Ich wagte kaum zu atmen. Noch immer wurde ich wie Luft behandelt. Kōris Gegenwehr wurde unterdessen immer stärker. "Saburo, was zur Hölle tust du-" Ohne jegliche Vorwarnung hob Saburo das Messer und stach dann mit voller Kraft zu. Sofort wandte ich mich ab und schloss meine Augen, hörte nur Kōris Schreie. Ich presste meine Hände auf meine Ohren, um die Geräusche zumindest halbwegs abzuschirmen. Erst, als eine gefühlte Ewigkeit später ein dumpfes Geräusch zu mir durchdrang und ansonsten eine besorgniserregende Stille herrschte, öffnete ich langsam meine zugekniffenen Augen und drehte mich um. Etwas, was ich sofort bereuen sollte, denn mir bot sich ein übelkeiterregender Anblick. Die gesamte Wand, die zuvor noch komplett weiß gewesen war, war nun übersäht mit roten Sprenkeln. Und als mein Blick nach unten wanderte, konnte ich Kōri ausmachen, welcher, übersäht mit unzähligen, stark blutenden Stichwunden, heftig nach Luft rang. Seine ehemals weiße Mannschaftsuniform war rot verfärbt. Ich wandte meinen Blick ab, als ich Saburo lachen hörte. "Das ist doch langweilig, du musst dich schon wehren." Saburos Gesicht zierte ein irres Grinsen. Langsam trat ich ein paar Schritte zurück. Mein Blick huschte gehetzt zwischen den Beiden hin und her. Kōri versuchte währenddessen, von Saburo wegzukriechen, was ihm misslang. "H-Hilfe.." Kōris Stimme war lediglich ein schwaches Wispern, aber es war mir, als habe er mich angebrüllt. Mich schien nach wie vor niemand wahrzunehmen. Mein Blick war wie gefesselt von dem ganzen Blut. Und als Saburo mit langsamen Schritten auf Kōri zutrat, war ich mir sicher, dass dieser das nicht mehr lange durchhalten würde. "Saburo, nicht..." Meine Aufforderung rief erwartungsgemäß keinerlei Reaktion hervor. Es war, als sei ich unsichtbar. Und je näher dieser an Kōri herantrat, desdo größer wurde meine Verzweiflung. Doch ich konnte nicht eingreifen, mein Körper war wie erstarrt. Als Saburo sich zu Kōri hinunterbeugte und erneut sein inzwischen blutverschmiertes Messer hob, begann ich wegen meiner Handlungsunfähigkeit die Fassung zu verlieren. "Saburo- Hör auf Saburo, er ist doch schon halbtot!" Doch der einzige, der meine Worte zu hören schien, war Kōri. Mit offenkundig großem Kraftaufwand wandte er mir sein Gesicht zu. Sein Blick ging mir duch Mark und Bein. Ich konnte neben der puren Verzweiflung, dem Schmerz und seiner Todesangst deutlich die Frage herauslesen, wieso ich ihm nicht half. Panisch flehend sah er mich an, während Saburo mit dem Messer ausholte. "Saburo, nicht!" Ich spürte Tränen meine Wange hinunterlaufen, während meine Sicht allmählich verschwamm. Mein gesamter Körper fühlte sich mit einem Mal benommen und schwer an... Dumpf vernahm ich eine nicht zuordbare Stimme, welche in mein dämmriges Bewusstsein zu treten versuchte. "-na, Mina wach doch auf!" Als ich mit einem Mal unsanft an der Schulter gerüttelt wurde, war ich sofort hellwach. Nun, zumindest körperlich, geistig war ich noch nicht ganz bei der Sache. Denn als ich ruckartig die Augen öffnete, ging ich fest davon aus, immer noch mit Saburo und Kōri in einem blutbesprenkelten Raum zu sein. Als ich hingegen in Shachis Gesicht blickte und die sich hinter ihm befindende Zellengitter erkannte, wurde ich mir langsam der tatsächlichen Situation bewusst. Trotz der im Raum immer noch vorherrschenden Kälte vollkommen verschwitzt und schwer atmend, lag ich seitlich zu einer Kugel zusammengerollt auf dem Boden und starrte Shachi an, der mich mit einem undefinierbaren Blick musterte. Meine Wange brannte und pochte unangenehm. Sie war noch nass von Tränen, ich hatte also tatsächlich geweint. Als ich seine immer noch erhobene und in der Bewegung innegehaltene Hand sah, verstand ich, dass er mir eine Ohrfeige verpasst haben musste, damit ich aufwachte. Als er realisierte, dass ich seine Hand fixierte, ließ er diese sinken, und setzte zu einer Entschuldigung an: "Sorry Mina, aber anders habe ich dich nicht wach bekommen. Du, ähm, hast im Schlaf um dich geschlagen, ich musste dich wecken." Wie bereits bei unserem letzten Gespräch, klang seine Stimme merkwürdig monoton und ernst. Auch wenn ich das ihm gegenüber wohl niemals offen zugeben würde, war ich froh dafür, dass er mich aufgeweckt hatte, wenn auch auf diese Art und Weise. Langsam wurde mein Atem wieder ruhiger. Es war alles nur ein Traum gewesen. Ich war immer noch in der Zelle, hier waren weder Kōri noch Saburo, und vor Allem war hier kein Blut. Das war der mitunter seltsamste Traum, den ich jemals gehabt hatte. Und für einen solchen hatte er sich außerordentlich real angefühlt, denn Kōris verzweifelte Schreie klangen mir noch immer in den Ohren nach. Die Panik in seinen Augen, als er mich um Hilfe angefleht hatte... Ich würde diesen Blick, selbst wenn er nicht real gewesen war, wohl niemals wieder vergessen können. Es hatte sich alles so echt angefühlt. Und bei der Erinnerung an das Blut wurde mir schlagartig kotzübel. Zumal ich es immer noch förmlich riechen konnte. Aber... Kōri war tot. Er hatte diesen Moment vor einiger Zeit wirklich durchleben müssen, vermutlich noch schlimmer, als eben im Traum. Ob der Tod für ihn in diesem Moment erlösend gewesen war in Anbetracht von Saburos Folterwahn, oder hatte er sich ans Leben geklammert und zu überleben versucht? Warum träumte ich so etwas? Was wollte mir mein Unterbewusstsein dadurch vermitteln? Ich war nicht schuld an Kōris Tod... Aber- grade eben hatte ich nichts unternommen, einfach zugesehen... Das war allerdings auch nur ein Traum gewesen, in der Realität hätte ich nichts tun können. Oder doch? Verdammte Scheiße... "Hier ist dein Essen." Erst durch den Klang seiner Stimme wurde ich wieder in die Realität zurückgeholt und an die Anwesenheit Shachis erinnert. Es schien, als habe er in den zweieinhalb Wochen, die seit unserem Gespräch vergangen waren, nichts an seiner Einstellung mir und meiner vermeintlichen Schuld gegenüber geändert. Die Distanz, mit welcher er mir neuerdings gegenübertrat, war ungewohnt. Grade Shachi war mir früher immer durch seine stets unbekümmerte und gutgelaunte Art und Weise auf die Nerven gegangen. Langsam stellte er ein Tablett neben mir ab und stand auf. Ich sah erst gar nicht nach, was sich darauf befand, denn der Geruch alleine reichte aus, um meine Übelkeit noch zu verstärken. "Übrigens wärmt dich die Decke sicherlich besser, wenn sie nicht unangetastet in der Ecke liegt." Mit dieser überaus hilfreichen Bemerkung wandte er sich um und trat durch die offenstehende Türe, welche er sofort hinter sich verschloss. Irgendwie lächerlich. Dachte er wirklich, dass ich ansonsten aufspringen und ausbrechen würde? Als er schon beinahe aus meiner Sichtweite war, drehte sich Shachi noch einmal um, seine Gesichtszüge wirkten wie versteinert. "Falls es dich interessiert: Du hast im Schlaf andauernd Saburos Namen gemurmelt. Falls du für diesen Mörder schwärmst oder sonstige romantische Gefühle hegst, muss ich dich leider enttäuschen und dir sagen, dass ihr wohl keine gemeinsame Zukunft haben werdet. Scheint in deinem Traum ja trotzdem heiß hergegangen zu sein." Sein bitterer Tonfall stand dem von Law in nichts nach. Dann verschwand er, mich mit dieser seltsamen Feststellung zurücklassend. Und ich brauchte für meine Verhältnisse ziemlich lange, bis ich verstand, was Shachi mit dieser Aussage zu sagen beabsichtigt hatte. Es war einfach zu absurd und bescheuert, als dass ich es sofort kapiert hätte. Er dachte, dass ich was mit Saburo am Laufen hatte oder in ihn verknallt war? Bah, der Typ war fast doppelt so alt wie ich! Wenn Shachi nur wüsste, weshalb ich in Wirklichkeit im Schlaf Saburos Namen gesagt hatte... Der Traum mit ihm hatte überhaupt nichts mit romantischen Gefühlen zu tun gehabt, ich wünschte mir fast, dass es so gewesen wäre, denn alles wäre besser gewesen, als einmal Kōris letzte Minuten miterleben zu müssen. Aber natürlich war es für Shachi normal, bei einem Traum panisch, verweint und schweißgebadet aufzuwachen, nur, weil man sich verknallt hatte. Das war mitunter das Dümmste, das mir je untergekommen war. Mal von dem Altersunterschied abgesehen, war Saburo ein Psychopath und hatte, nur mal so nebenbei bemerkt, schon mehrmals versucht, mich umzubringen. Bei meinem Glück würde bald wahrscheinlich das ganze Schiff denken, dass ich mich in den ehemaligen Koch verknallt hatte. Shit happenes. Und Law würde das sicherlich weniger lustig finden. Kapitel 40: ------------ Die nächsten Stunden, bis zur Mittagszeit etwa, verbrachte ich vor mich hindämmernd. Ich wollte nicht gänzlich einschlafen, denn ich hatte -und das gab ich offen zu-, Angst davor, erneut einen solchen Traum zu haben. Die in der Zelle nach wie vor vorherrschenden kalten Temperaturen nahm ich kaum noch wahr, ich hatte mich an sie gewöhnt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Zu Fliehen versuchen, sobald wir an der nächsten Insel anlegten? Beim letzten Mal, als ich geflohen war, war ich bei der Marine gelandet und Law hatte mich aufgespürt und wieder mitgenommen. Und davor das Mal, als ich Bepo betäubt hatte, war ich gerademal bis zur Tür gekommen, ehe ich ihm über den Weg gelaufen war. Nachgeben kam für mich auch nicht in Frage. Selbst wenn ich ihm die gewünschten Informationen geben würde, würde er mich niemals im Leben hier rauslassen. Nein, denn es dachte hier ja scheinbar jeder, dass ich Schuld an Kōris Tod hatte. Es war zum Verrücktwerden. Egal, was ich probierte, es endete immer gleich. Warum sollte ich also überhaupt noch versuchen, hier rauszukommen? Heute Abend, wenn ich meinem Vater noch einmal verdeutlichen würde, dass ich ihm rein gar nichts zu sagen hatte, würde ich wahrscheinlich erfahren, wie er weiter mit mir verfahren würde. So wie ich ihn einschätzte, würde das nichts Positives sein. Ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen, als ein Ruck durch das gesamte U-Boot ging. Unsanft stieß ich mir meinen Kopf an den Gittern. Waren wir etwa aufgetaucht? Das Sonnenlicht, welches durch das kleine Fenster an der gegenüberliegenden Wand des Flures schien, bestätigte diese Annahme. Sofort hielt ich mir meine Hand vor meine Augen, als ich von ebendiesem geblendet wurde und rückte innerhalb der Zelle in die hinterste Ecke, welche im Schatten lag. Ich hatte in der letzten Zeit eine richtige Aversion gegen die Sonne entwickelt. Gleichzeitig fragte ich mich, ob Law als Arzt sich nicht Sorgen darum machen sollte, ob die Mannschaft bei den langen Tauchgängen nicht langsam einen Vitamin-D- Mangel entwickelte, so selten wie diese manchmal nur das Tageslicht sah. Zum Glück war das nicht mein Problem. Als ich meinen Körper, der vom langen Nichtbewegen und Liegen auf dem kalten Boden ganz steif und verspannt geworden war, streckte, fiel mir die Schüssel mit Essen ins Auge, welche Shachi mir zuvor gebracht hatte. Darin befand sich eine undefinierbare Masse aus weißem Brei, welcher widerlich stank. Ernsthaft, diese Crew sollte sich dringend einmal einen neuen Koch zulegen. Selbst wenn Saburo von der Marine gewesen war, er hatte wenigstens kochen können. Es dauerte noch eine Weile, dann vernahm ich, wie erwartet, Schritte auf dem Gang. Es war irgendwie logisch, dass wenn ich zum Frühstück Essen hingestellt bekam, ich Mittags auch damit genervt werden würde. Tatsächlich war es dieses Mal keiner der üblichen Nervensägen Shachi, Penguin oder Bepo. Nein, der von der Statur her eher rundliche Typ, der meiner Einschätzung nach nur ein paar Jahre älter sein konnte als ich selbst und der sich noch nicht allzu lange in der Mannschaft befand, gehörte zu denjenigen, mit denen ich sonst nie ein Wort wechselte. Wenn ich nicht falsch lag, hieß er Mītobōru. Ich kannte ihn zwar so gut wie gar nicht, aber das, was ich über ihn wusste, genügte, um ihn nicht ausstehen zu können. Einmal hatte ich mitbekommen, wie er mit ein paar anderen Crewmitgliedern darüber am diskutieren war, ob Frauen überhaupt etwas auf Piratenschiffen zu suchen hatten. Seiner Meinung nach höchstens zum Kartoffeln schälen oder zeitweilig als Beschäftigung, wenn an Bord Langeweile aufkam. Ansonsten würden Frauen nach Hause gehören, um dort Kinder großzuziehen und so weiter. Keine Ahnung, ob er nicht wusste, dass ich vom Nachbartisch aus zuhörte, oder ob er das gesagt hatte, um mich mich zu provozieren, aber das war der Moment gewesen, in dem ich mir sicher war, dass ich diesen Hohlkopf wohl nie würde ausstehen können. Ok, es kam noch dazu, dass er die Angewohnheit hatte, Leute bei Law zu verpetzen. Mich hatte er schon zwei Mal gemeldet, weil er meinte, dass ich das Deck nicht sauber genug geschrubbt hatte. Blödes, verwöhntes Arschloch. Und das selbstgefällige Grinsen, mit dem er nun vor meiner Zelle stand, zeigte offenkundig, dass er es genoss, Macht über andere zu haben. Verwunderlich war nur, dass er sich in Laws Anwesenheit immer komplett anders benahm. Da war er immer zurückhaltend, unterwürfig, ja beinahe schon schüchtern. Wie hieß es so schön? Nach oben buckeln, nach unten treten. Passte perfekt zu ihm. "Du willst sicherlich dein Essen haben, Kleine." Alleine seine Stimme reichte aus, um mich aggressiv zu machen. Er sprach mit mir, als sei ich ein Kleinkind. Außerdem erkannte doch wohl jeder Blindfisch, dass ich noch nicht einmal mein Frühstück gegessen hatte. "Danke, ich hab noch. Und wenn du Fettsack mich noch einmal Kleine nennst, bist du bald nen Kopf kürzer", murrte ich. "Wie hast du mich grade genannt?!" Mītobōru war sofort auf Hundertachzig. Hastig entriegelte er die Tür, stellte eine Schüssel, in der sich aller Wahrscheinlichkeit nach mein Essen befand, auf dem Boden ab und baute sich bedrohlich vor mir auf. "Fettsack. Bist du schwerhörig?", wiederholte ich mit Nachdruck, wohlwissend, dass ich ihn damit grade auf die Palme brachte. "Du kleine Mistgöre!" Mītobōru war vollkommen außer sich. Langsam und mit großer Mühe stand ich auf, ihm dabei fest in die Augen sehend. "Weißt du, wenn du mal dein Hirn einschalten würdest, würdest du bemerken, dass ich sogar größer bin als du. Scheinst wohl was kompensieren zu müssen, indem du deine Makel auf andere projizierst. Also wenn überhaupt bist du hier der kleine, dicke Zwerg." Es stimmte tatsächlich. Ich war mit meinen 1,71 Meter von der Größe her mindestens durchschnittlich groß für mein Alter, während Mītobōru es maximal auf 1,65 Meter brachte- wenn hier also einer klein war, dann jawohl er. Normalerweise war ich der Letzte, der Menschen nach dem Äußeren beurteilte oder sie für ebendieses beleidigte. Aber mein Gegenüber hatte es nicht anders verdient, er sollte nicht denken, dass ich mich nicht traute, ihm Kontra zu geben, nur weil er jede Kleinigkeit petzen ging. Außerdem hatte er angefangen. Sprachlos vor Wut suchte dieser nun nach den richtigen Worten. Und das dauerte bei ihm ziemlich lange, er war wohl nicht der hellste. Aber ohne etwas zu erwidern würde er sicherlich nicht gehen. Er war einer der Typen, die immer das letzte Wort haben mussten, das wusste ich. Und schon gar nicht würde er sich etwas von einer Frau sagen lassen, das würde zu sehr an seinem Ego kratzen. Wie ich solche Kerle doch hasste. Nach einer gefühlten Ewigkeit trat er mit feixendem Gesichtsausdruck näher an mich heran. "Muss ein ziemliches Scheißgefühl sein, wenn einen der eigene Vater einsperrt, oder Mina?", begann er hämisch von sich zu geben. "Aber ich kann ihn da vollends verstehen, wenn ich so eine Schande wie dich als Tochter hätte, würde ich mich auch schämen. Glaub ja nicht, dass es auch nur noch einen innerhalb der Crew gibt, der zu dir hält, denn wir wissen alle, dass du uns an die Marine verraten hast. Ich persönlich verstehe nicht einmal, weshalb der Captain dich überhaupt noch an Bord behält. Wenn es nach mir ginge, würden wir dich einfach an der nächsten Insel aussetzen und-" "Argh, verdammte Scheiße!" Seine Stimme klang eine Oktave höher als zuvor. Bei mir war eine Sicherung durchgebrannt und so hatte ich mit voller Wucht mein Knie hochgezogen und es ihm in die Kronjuwelen gerammt. Als er nach meinem Oberarm greifen wollte, um mich festzuhalten, wich ich zur Seite aus. Ich zitterte vor Wut. Dieser elende Pisser hatte doch keine Ahnung, wovon er sprach, zumal ich nicht diejenige gewesen war, die irgendwen an die Marine verraten hatte. Ich wollte ihn grade nur noch büßen lassen für seine Worte. Und so griff ich nach der Schüssel, in der sich noch das Essen vom Frühstück befand, und beförderte sie gegen Mītobōrus Kopf, an welchem sie zerbrach. Der Getroffene stolperte ein paar Schritte zurück, verließ eiligst die Zelle und knallte das Gitter zu. Nun erst sah ich, dass er durch die Scherben einen langen, tiefen Schnitt auf seiner Schläfe davongetragen hatte. Geschah ihm recht. Hoffentlich würde das eine schöne Narbe geben, von der er für die Ewigkeit etwas hatte. Schwer atmend und zornig starrten wir uns an. Langsam hob er seine Hand, um die Wunde zu betasten. Als er all das Blut an seiner Hand sah, wurde sein Blick noch finsterer. "Du kleine Verräterin wagst es, erneut deine Hand gegen diese Crew zu erheben? Hat es dir noch nicht gereicht, was du Kōri angetan hast? Ich werde all das dem Captain sagen, das ist dir wohl hoffentlich klar?" "Mach doch, was du willst, du elende Petze. Hast keine Eier in der Hose, sondern versteckst dich hinter meinem Vater." "Du elende kleine... Das wird dir alles noch Leid tun, Mina." "Was will Law machen, mich einsperren?", fragte ich ironisch. „Ich glaube, du kennst deinen Vater nicht.“ In Mītobōrus Augen lag ein schadenfroher Ausdruck. „Ja, das gebe ich dir Recht, das glaube ich auch." Früher hatte ich geglaubt, meinen Vater zu kennen. Aber mit der Zeit war er mir immer fremder geworden. Nicht nur, dass mir bewusst geworden war, dass ich kaum etwas über ihn wusste, mein Bild von meinem Vater war schlichtweg zerstört worden durch die ganzen Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten Zeit. "Wobei es die Crew sicherlich lustig finden wird, zu erfahren, dass du dich von nem siebzehnjährigen Mädchen hast schlagen lassen." Zuerst sah er so aus, als habe er grade in eine Zitrone gebissen. Dann setzte er ein widerwärtiges Grinsen auf. "Genauso, wie Selbige es lustig fand, zu hören, was zwischen dir und Saburo gelaufen ist?" Okay, mit dieser Aussage hatte er mich wirklich erwischt. Mir entgleisten sämtliche Gesichtszüge. Verdammte Scheiße Shachi, was hattest du denen bitteschön erzählt? "Weißt du was? Genauso hat dein Vater auch geguckt, als er davon erfahren hat. Dass die eigene Tochter so etwas bringt... Echt, in deiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken." Oh Gott, das konnte doch nicht wahr sein... Dafür würde ich Shachi sowas von einen Kopf kürzer machen! Und Mītobōrus Grinsen machte die Sache auch nicht besser, nein, es machte mich vielmehr tierisch aggressiv. "Mītobōru du schwabbelige Tonne, beim nächsten Mal wird es nicht nur bei einem Kratzer bleiben, das schwöre ich dir", brachte ich zischend hervor. "Wir werden ja noch sehen, wer hier den Kürzeren zieht. Von mir aus kannst du dadrin verrotten", antwortete er mir mit säuerlicher Stimme. Mit diesen Worten wandte er sich leise vor sich hinfluchend ab, um, bei Law Bericht zu erstatten zu gehen. Und sich vermutlich verarzten zu lassen. Das würde noch Ärger geben, das wusste ich. Aber konnte ich meine Situation überhaupt noch verschlimmern? Kapitel 41: ------------ Langsam ließ ich mich an der Zellenwand neben der Tür hinabsinken, bemerkte dabei die Schüssel mit meinem Mittagessen, aus der es immer noch dampfte. Nach wie vor verspürte ich diesen nicht unterdrückbaren Zorn in mir, welcher durch Mītobōrus Worte ausgelöst worden war. Wütend schlug ich mit geballter Faust auf das Porzellan, das dem Druck nachgab und, wie zuvor schon die andere Schüssel, in kleine Einzelteile zersprang. Augenblicklich durchzuckte Schmerz meine Hand. Doch das war für mich kein Grund, in meinem Tun innezuhalten. Immer stärker schlug ich in den Scherbenhaufen, nahm den Schmerz gerne in Kauf. Denn grade er war es, der mir zeigte, dass ich überhaupt noch lebte. Meine Hand war übersäht von teilweise besorgniserregend tiefen Schnittwunden, die, wie ich nach kürzester Zeit feststellen musste, unaufhörlich und stark bluteten. Erst jetzt trat in mein Bewusstsein, was ich da grade getan hatte. "Verdammte Scheiße!" Aus Frustration traten mir Tränen in die Augen. Ich wusste echt nicht, was mit mir los war, ich hatte totale Stimmungsschwankungen. Ich war vollkommen überfordert und nicht einmal annähernd so selbstsicher, wie ich mich grade vor Mītobōru gegeben hatte. Behelfsmäßig wickelte ich die Decke um meine Verletzung und begab mich wieder in die hinterste Zellenecke. Als ich meinen Blick durch die Zelle schweifen ließ, sah ich, dass inzwischen überall Scherben verteilt lagen. Man hätte meinen können, hier hätte ein Polterabend stattgefunden. Inzwischen sowohl körperlich als auch seelisch vollkommen erschöpft, schloss ich meine Augen. Ich hätte mein Leben schon vor einigen Wochen nicht unbedingt als lebenswert bezeichnet, aber nun hatte es sich noch einmal um hundertachtzig Grad zum Negativen gewendet. Ich meine- ich saß hier eingesperrt in einer Zelle, meine ehemalige Crew hasste mich, mir wurde vorgeworfen, Schuld am Tod eines Mannschaftsmitglieds zu haben, ich hatte herausgefunden, was in Wirklichkeit mit meiner Mutter passiert war und mein Vater und ich hassten uns wie niemals zuvor. Nein, auch wenn ich damals nicht erwartet hatte, dass sich meine Situation verbessern würde, mit einer solchen Entwicklung hatte ich ganz sicherlich nicht gerechnet. Ich vertrieb mir nun folgend in meiner Ecke stundenlang die Zeit damit, mir zu überlegen, wie ich Law am Abend gegenübertreten sollte. Er hatte ja angekündigt, mir heute Abend noch einmal die Chance zu geben, ihm seine Fragen zu beantworten. Wie sich das schon anhörte. Als ob ich froh sein könnte, dass er sich überhaupt dazu hinabließ, mich noch einmal mit seinen Fragen auszuquetschen. Als ob es eine Ehre sei, seine Fragen beantworten zu dürfen. Was er wohl machte, wenn ich das nicht tat? Würde er die gewünschten Antworten dann mit Gewalt aus mir herausholen? Ich konnte meinen Vater diesbezüglich überhaupt nicht einschätzen. Ich wusste jedoch, dass mein Vater immer das zu bekommen versuchte, was er wollte, notfalls auch mit härteren Mitteln. Aber in einer Sache war ich mir nach wie vor sicher: Ich würde nicht nachgeben. Niemals. Sollte er sich die gewünschten Informationen doch von Saburo oder sonstwem holen. Wo ich bei einem weiteren Punkt war. Saburo. Jetzt wusste ich, dass Shachi tatsächlich Gerüchte über mich und Saburo und eine vermeintliche Romanze oder was auch immer in die Welt gesetzt hatte. Und ich wollte gar nicht wissen, welche ausgeschmückte Version Law nun zu Ohren bekommen hatte. Hatte dieser Idiot eigentlich eine Ahnung, was er mit seiner Behauptung anrichtete? Ich hatte grade wahrscheinlich das letzte bisschen Ehre verloren, das mir auf diesem Schiff noch geblieben war! Ein stechendes Gefühl holte mich in die Realität zurück. In meiner Hand befanden sich noch Splitter, wie ich schmerzhaft feststellen musste. Und die dünne Decke war schon voller Blut. Fluchend beförderte ich sie gegen die nächste Wand und legte mich dann auf den kalten Boden, das Brennen in meiner Hand ignorierend. Ich war kurz davor, einzuschlafen. Nur mühsam blieb ich wach, auch wenn ich nichts lieber getan hätte, als zu schlafen. Aber die Angst vor einem erneuten Traum mit Kōri war zu groß. Es war bereits später Nachmittag, als ich auf dem Gang Schritte vernahm, die sich mir näherten. Meine erste Befürchtung, dass es Law war, der früher als angekündigt hier aufkreuzte, konnte ich bei genauerem Hinhören beschwichtigen, da ich wusste, dass Law niemals so trampeln würde. So wunderte ich mich kein bisschen, als kurz darauf Bepo vor meiner Zelle stand. Schwerfällig richtete ich mich auf und sah ihn abwartend an. Er hingegen wirkte nervös, als er langsam eintrat und das in der Zelle vorherrschende Chaos sah. Okay, es war sicherlich nicht alltäglich, dass eine Zelle voller Scherben, Essensresten und Blutspuren war, aber das war meiner Meinung nach noch lange kein Grund, dass es einem so die Sprache verschlug. Was wollte er hier? Es war nicht einmal Essenszeit. Skeptisch musterte ich mein Gegenüber. Als mein Blick jedoch auf den Gegenstand fiel, den dieser in seinen Tatzen hielt, wurde jedoch auch ich sprachunfähig. Handschellen. Sollte das ein schlechter Scherz sein? Meinen Blick auf sich spürend und sich dabei in seiner Rolle sichtlich unwohl fühlend, begann Bepo herumdrucksend zu erklären: "Also, ich... Entschuldige, Mina, aber das ist eine Anordnung vom Captain." Langsam stand ich auf, Bepo dabei nicht aus den Augen lassend. Das war also Laws Antwort auf mein zuvoriges Verhalten? Wollte er mich so kleinkriegen? Ich musste zugeben, Law war als Vater einmalig. Im negativen Sinne. "Er wird gleich auch noch vorbeikommen..." Unsicher, wie ich nun reagieren würde, war seine Stimme mit jedem Wort leiser geworden. Mein Blick huschte von Bepo und den Handschellen einen kurzen, unauffälligen Moment lang zur Zellentür. Er hatte sie fahrlässigerweise offenstehen gelassen. Ob ich es versuchen sollte? Verschlimmern konnte ich meine Situation doch eh nicht mehr. Die Situation glich auf eine beunruhigende Art und Weise der damaligen, als ich Bepo hatte betäuben müssen, um den Raum zu verlassen. Auch jetzt war es wieder allein Bepo, der mich davon abhielt, mich zu befreien. Diesmal musste ich es klüger anstellen. Ich fasste einen Plan. Langsam, so als sei ich zur Vernunft gekommen und würde nachgeben, hielt ich Bepo stumm meine rechte Hand hin, damit er die Handschelle an dieser befestigen konnte. Ich hörte ihn aufkeuchen, als er die Verletzungen und das Blut sah. "Mina, was ist pas-" "Jetzt mach einfach", gab ich zerknirscht von mir. Zögernd wollte er meiner Aufforderung nachkommen. Doch kurz, bevor er dies bewerkstelligen konnte, warf ich mich urplötzlich mit aller Kraft gegen ihn, sodass er nach hinten fiel und die Handschellen laut scheppernd neben ihm auf dem Boden landeten. Ich nutze seine anfängliche Überraschung und Orientierungslosigkeit aus und schnappte mir die Handschellen. In Sekundenschnelle hatte ich die eine Seite um Bepos Tatze un die andere am Gitter der Zelle festgemacht. Als ich einen Schritt zurücktrat, um Abstand zwischen mich und Bepo zu bringen, konnte ich es erst selbst nicht glauben, dass es tatsächlich geklappt hatte. Das war viel zu einfach gewesen. "Mina, was soll das, mach mich los", begann mein Gegenüber auch sogleich schon loszujammern, sobald er realisiert hatte, in welcher Lage er sich befand. Hektisch an der Kette ziehend versuchte er sich zu befreien. Stumm betrachtete ich ihn dabei, dann glitt mein Blick zu Boden und mir fielen die vielen, spitzen Scherben ins Auge. Wieder flammte unglaublicher Hass in mir auf. Hass auf Bepo, auf die gesamte Crew und ganz besonders auf meinen Vater. Und grade bot sich mir die Gelegenheit, ihm auch etwas zu nehmen, das ihm wichtig war. Bepo und er kannten sich schon länger als ich lebte. Und dieser lag grad handlungsunfähig zu meinen Füßen. Ich bräuchte lediglich... Wie in Zeitlupe beugte ich mich hinunter und hob eine besonders spitze Scherbe auf. Wie gebannt betrachtete ich sie. Ich wusste, wenn man es richtig anstellte, konnte man mit dieser unnütz wirkenden Scherbe sogar töten. Für einen kurzen Moment verspürte ich Genugtuung bei dem Gedanken, es Law mit gleichen Karten heimzuzahlen. Ja, ich wollte, dass er einmal genauso litt. Und dafür müsste ich nur Bepo... "Ähm, Mina?" Eine leise Stimme riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Ich zuckte zusammen und ließ die Scherbe fallen. Ich starrte Bepo an, konnte meinen Blick nicht abwenden. Fuck, was war das denn grade gewesen? Ich hatte tatsächlich überlegt, Bepo zu töten? Ich erkannte mich selber nicht mehr wieder. Meine zuvorigen Gedankengänge beunruhigten mich zutiefst, sie machten mir beinahe schon Angst. War ich schon so tief gesunken, dass ich mich auf Laws Niveau herunterbegab? Und es hatte sich auch noch richtig angefühlt, was ich vorgehabt hatte... Ich fasste mir an meinen Kopf. Ich war wahrscheinlich einfach nur zu lange eingesperrt gewesen, das tat niemandem gut. Dazu kam noch die Müdigkeit und der Schwindel. Ja, ich war mir sicher, dass meine Gedankengänge daher rührten. Erst nun gewann ich die Kontrolle über meinen Körper zurück und versuchte, so gut es mir möglich war, meine Unsicherheit über meine Gedankengänge zu überspielen. "Mina, mach mich los, bitte, das kannst du doch nicht machen..." Nervös zog Bepo an den Handschellen. "Ja, ist ein ziemliches Scheißgefühl, angekettet zu werden, oder?", fragte ich ihn bitter. "Ich sag auch dem Captain nichts, versprochen, wirklich!" Ich schnaubte verächtlich auf. Das konnte er seiner Großmutter erzählen. Law gegenüber war der doch hörig wie ein Hund seinem Herrchen. Law würde nur fragen müssen, ob irgendwas erwähnenswertes passiert sei, und schon würde sich Bepo durch sein Rumgedruckse verdächtig machen und bereits nach wenigen Sekunden alles auspacken. So gut kannte ich ihn dann doch. "Vergiss es. Du kannst froh sein, dass es nur beim Anketten geblieben ist." "W-Wie meinst du das denn jetzt schon wieder?" Mir schien, als wisse er ganz genau, was mir zuvor für Rachegedanken durch den Kopf gegangen waren. Was ich überlegt hatte, ihm anzutun. Was ich mit der Scherbe zu tun beabsichtigt hatte... Ich schwieg. Es machte eh kaum noch einen Unterschied, was ich tat oder nicht. Für die gesamte Crew war ich doch schon eine Mörderin, obwohl ich an Kōris Tod keine Schuld trug. "Sei leise, oder ich überlege es mir noch anders." Nein, das hatte ich eigentlich nicht vor, aber das musste er ja nicht wissen. "Was ist nur aus dir geworden Mina, ich erkenne dich überhaupt nicht mehr wieder." Traurig ließ er seine Ohren hängen. Ich sollte mich verändert haben? Ja, das hatte ich definitiv! Und ich wollte mal denjenigen sehen, der sich nach den Erlebnissen der letzten Zeit nicht verändert hätte. Wortlos ging ich auf die Türe zu. Ich brauchte dringend Ruhe zum Nachdenken, ich war, auch wenn ich das nach außen hin nicht zeigte, vollkommen durcheinander. "A-Aber wo gehst du denn hin, du kannst mich doch nicht hier lassen!" "Fresse halten." Ohne den immer noch vollkommen eingeschüchterten Bepo eines weiteren Blickes zu würdigen, trat ich auf den Gang und schloss behutsam die Zellentüre hinter mir. Nun war ich zwar frei, aber wusste nicht, was ich machen sollte. Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass wir zwar aufgetaucht waren, aber an noch keiner Insel angelegt hatten. Verdammte Scheiße. Und wenn ich hier noch länger stehen blieb, würde ich zu hundert Prozent entdeckt werden. Kapitel 42: ------------ ~ Laws Sicht ~ Mit zum Zerreißen angespannten Nerven saß Law an seinem Schreibtisch und versuchte, den sich vor ihm auftürmenden Stapel an Arbeit zu minimieren. Durch den Vorfall mit den Marineschiffen hatten sie den Kurs ändern müssen, wodurch sie zur nächsten Insel um einiges länger brauchen würden. Die Vorräte waren mittlerweile mehr als knapp geworden, und es würde noch mindestens drei Tage dauern, ehe sie anlegen würden. Dem ursprünglichen Plan nach hätten sie bereits vor eineinhalb Wochen anlegen sollen. Um dem Nahrungsmittelengpass halbwegs entgegenzuwirken, war sämtliches Essen von ihm streng rationiert worden. Das hatte zwar seitens seiner Crew keinerlei Begeisterung hervorgerufen, aber es war ein notwendiger Schritt gewesen. Dann hatte sich auch noch ein Mannschaftsmitglied einen grippalen Infekt eingefangen und damit gleich ein Viertel der Crew angesteckt. Das war zum Glück nichts Ernstes und in ein paar Tagen würden sie wieder fit sein, aber nun kam er nicht umhin, die gesamte Schichteinteilung über den Haufen zu werfen und neu zu planen. Auch musste er dringend nach einem neuen Koch Ausschau halten, denn das, was sich die Mannschaft im Moment zusammenkochte, war ungenießbar- und dafür waren die Lebensmittel echt zu schade. Zudem hatte das U-Boot durch den langen Tauchgang, der notwendig gewesen war, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich jeden Verfolger abschüttelten, deutliche reparaturbedürftige Schäden davongetragen, weshalb sie vorerst aufgetaucht waren und die noch verbleibende Strecke zu Insel oberhalb der Wasseroberfläche zurücklegen würden, um es dort zu reparieren. Das U-Boot war zwar stabil gebaut, aber die wochenlange Dauerbelastung durch den ständigen Wasserdruck war selbst für dieses zu viel. Es bestand das Risiko, dass die Außenwand bei einer noch längeren Belastung nachgeben würde- und dann wären sie alle so ziemlich am Arsch. Und als bereite das ihm all das noch nicht genug Scherereien, war da noch die Sache mit Saburo, Kōri und seiner Tochter. Laws Laune war so sehr im Keller wie schon lange nicht mehr. Er hasste es, sich das selbst gegenüber zugeben zu müssen und er würde es wohl auch niemals laut aussprechen, aber er blickte in der ganzen Sache nicht mehr durch. Es gab zu viele Fragen, die noch offen waren. Und sowohl Mina als auch Saburo schwiegen beharrlich. Wie hatte Mina herausgefunden, dass Saburo der Spion war? Und steckten die beiden unter einer Decke? Wieso hätte sie ihn sonst nicht verraten sollen? Aber warum hatte er sie dann vergiftet und zu töten versucht? Was hatte in Mina diese Dispositionsänderung zur Crew ausgelöst? Wie hatte Saburo überhaupt Kontakt zur Marine gehalten? Das war nur ein Bruchteil der Fragen, die sich angesammelt hatten. Und Law wollte endlich Antworten haben. Die Stimmung innerhalb der Crew war angespannt und geladen- und auch bedrückt. Es verwunderte ihn nicht, immerhin hatten sie grade auf brutale Weise ein Mannschaftsmitglied verloren. Nein, genau genommen waren es zwei. Denn, dass Saburo sich als Spion der Marine herausgestellt hatte, hatte die Crew auch nicht kalt gelassen, immerhin war er ein langjähriges Crewmitglied, Nakama und Koch gewesen. Auch er selbst hätte von allen infrage kommenden Mannschaftsmitgliedern Saburo mit als letztes als Spion in Betracht gezogen. Er war unglaublich wütend auf seinen ehemaligen Koch. Und auch auf sich selbst. Er fühlte sich mitschuldig dafür, dass eines seiner Crewmitglieder, für deren Schutz er mitzusorgen hatte, bereits so jung und so sinnlos sein Leben hatte lassen müssen. Er hätte es doch merken müssen, das sich seit Jahren ein Marinespion an Bord befand. Aber er vertraute seiner Crew- besonders denjenigen, die bereits so lange dazugehörten. In dem Fall war das wohl ein Fehler gewesen. Und irgendwie war es auch deprimierend, nachdem, was Saburo in den Jahren in dieser Crew alles miterlebt hatte. Zukünftige Crewmitglieder würde er ganz sicher sorgfältiger aussuchen. Und Mina... Welche Rolle seine Tochter bei den Geschehnissen spielte, war ihm noch nicht ganz klar. Fakt war, dass sie sich gegen ihre Crew gestellt hatte. Weshalb sie das getan hatte, würde er schon noch herausfinden. Er konnte nicht in Worte fassen, wie enttäuscht er von seiner Tochter war. Nicht nur, weil er nun wie der letzte Vollidiot vor seiner Crew dastand. Nein, seine eigene Tochter hatte ihn und die Crew verraten! Natürlich hatte er ihre ihm gegenüber rebellischen Allüren wahrgenommen, aber er hätte sie niemals als Anzeichen auf einen bevorstehenden Verrat gedeutet. Nun, wenn man bedachte, was ihre Mutter damals getan hatte, schien es wohl in der Familie zu liegen, dachte er bitter. Müde stützte er seinen Kopf in seinen Händen ab, konnte dabei ein Gähnen nicht unterdrücken. Für Schlaf blieb ihm im Moment einfach keine Zeit, er hatte zu viel zu tun. Selbst wenn er versuchte zu schlafen, brauchte es gefühlte Stunden, ehe er eingeschlafen war. In seinem Kopf schwirrten ihm jedes Mal einfach zu viele Gedanken umher. Er musste endlich vergessen, was damals passiert war. Nur war das schwer, weil die derzeitige Angelegenheit, so wie sie sich ihm darstellte, deutliche Parallelen dazu aufwies. Das Ganze war nun zwar schon beinahe zwei Wochen her, aber jetzt erst waren innerhalb der Crew Einzelheiten zu Kōris Todesumständen bekannt geworden, die er als Captain bis dato bewusst zurückgehalten hatte. Irgendwer der unmittelbar Beteiligten musste sich verplappert haben. Er musste schnellstmöglichst aus Mina herausbekommen, was in der Marinebasis passiert war, und was sie nun dazu verleitete, sich in einer solchen Weise gegen ihn zu stellen. Und zwar bevor noch etwas passierte. Er war sich sicher, dass dieser Mistkerl Akamatsu der Auftraggeber Saburos war und so seine Finger mit im Spiel hatte. Aber bestätigen wollte Saburo ihm das nicht, er schwieg wie ein Grab. Er verlor mit den beiden langsam echt jede Geduld. Und solange er nicht wusste, welche Rolle seine Tochter bei dieser ganzen Sache spielte, war er lieber übervorsichtig. Was war mit seiner Tochter los, dass sie so handelte? Er wollte dafür ungerne auf solche Mittel zurückgreifen, wie er sie derzeitig einsetzte, um Saburo zum Reden zu kriegen, aber ihm gingen allmählich die Alternativen aus, und er konnte nicht einfach abwarten und tatenlos dabei zusehen, wie alles noch schlimmer wurde. Sie schien es geradezu darauf abgesehen zu haben, ihn auf die Palme zu treiben. Heute Abend würde er ihr noch einmal eine Chance geben, ihm das Ganze zu erklären. Was er mit ihr machen würde, wenn sich seine Annahmen als wahr herausstellen würden? Er hatte keine Ahnung. Natürlich wusste er, dass er ihr Fehlverhalten sanktionieren werden müsste, aber so konnte es ja nicht auf Dauer weitergehen. Ihr fehlte einfach jeglicher Respekt vor ihm. Was er hingegen mit Saburo machen würde, wusste er. Aber konnte doch nicht selbiges seiner Tochter… Andererseits war sie mit schuldig am Tod eines Mannschaftmitgliedes… Law rieb sich seinen schmerzenden Kopf. Er stand grade in einem echten Rollenkonflikt zwischen seiner Position als Captain und seiner Vaterrolle. Damit würde er sich befassen, wenn es soweit war, grade hatten andere Dinge Priorität. Bevor er später noch einmal Mina befragen würde, wollte er sich noch einmal Saburo vorknöpfen. Bis er einen Überblick über diese Sache hatte, hatte er sie erst einmal in einer Arrestzelle isoliert, damit sie keinen Mist baute. Oder nachher noch Saburo zur Flucht verhalf, er traute ihr grade alles zu. Es war umso wichtiger, herauszufinden, wie sie wirklich zur Crew stand und ob sie eine mögliche Gefahr für diese darstellte. Er hatte schon einmal den Fehler begangen, eine solche Situation zu unterschätzen, was damals verheerende Folgen gehabt hatte. Diesmal würde er das ganze objektiv betrachten und so entscheiden, wie es für seine Crew am besten sein würde. Law hoffte zudem, dass in dem von Shachi verbreiteten Gerücht, dass Mina etwas mit Saburo hatte, nichts dran war. Sollte auch nur das kleinste Fünkchen Wahrheit darin stecken, würde er Saburo aber sowas von auseinandernehmen, denn seine Tochter war grade einmal siebzehn! Mina zu isolieren hatte scheinbar nichts gebracht, denn erst vor wenigen Stunden hatte er erfahren müssen, dass sie Mītobōru angegriffen hatte, der ihr Essen hatte bringen wollen. Es konnte es jawohl nicht angehen, dass sie nun auch noch jeden angriff, der ihre Zelle betrat. Law hatte noch andere Dinge zu tun, als seine Mannschaft zu verarzten. Deswegen hatte er Bepo losgeschickt, um dem Ganzen erst einmal Einhalt zu gebieten. Wo blieb dieser überhaupt? Genervt blickte dieser auf die Uhr, nur um stirnrunzelnd festzustellen, dass Bepo schon seit zwei Stunden weg war. Ihm war nicht aufgefallen, wie schnell die Zeit verflogen war. Dabei hatte er ihm doch den eindeutigen Befehl erteilt gehabt, ihm danach Bericht zu erstatten. Wenn er nicht bald hier auftauchte, würde er wohl mal nachsehen müssen. Hoffentlich hatte seine Tochter nicht wieder irgendwas angestel- Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als es klopfte. In der Erwartung, endlich Bepo vor sich zu haben, bat er diesen ungeduldig herein. Kapitel 43: ------------ ~ Minas Sicht, kurz zuvor~ So schritt ich, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben, den Gang entlang. Ich wollte nur weg von dieser Zelle. Bloß am Rande bekam ich noch Bepos quengelndes Betteln mit, dass ich ihn endlich befreien sollte. In Gedanken war ich ganz woanders. Niemals war ich so erschrocken über mein eigenes Handeln gewesen und zu keinem Zeitpunkt war ich mir jemals selbst so fremd vorgekommen. Was war grade nur mit mir los gewesen? Ich ging nicht einmal davon aus, dass ich lange auf freiem Fuß bleiben würde, denn ich konnte momentan nirgendswo hin, schließlich befanden wir uns mitten auf dem Meer. Und ich dachte realistisch: Wenn ich geschnappt werden würde, würde das für mich schlecht enden. Sehr schlecht sogar, wenn man bedachte, dass ich Bepo eingesperrt hatte. Law fand sowas überhaupt nicht lustig- nun, im Grunde genommen, fand Law generell gar nichts lustig. Ich kam nur sehr langsam voran. Das lag zum einen daran, dass mir nach wie vor schwindlig war und ich es immer noch nicht gewöhnt war, wieder richtig zu laufen. Nach dem langen Aufenthalt im Krankenbett hatten sich meine Muskeln zurückgebildet, und mussten sich nun erst wieder ans Laufen gewöhnen. Deshalb war ich darauf angewiesen, mich beim Gehen an der Wand abzustützen. Dann musste ich auch noch tierisch aufpassen, dass ich niemandem aus der Crew über den Weg lief. Alle paar Meter blieb ich stehen, um zu horchen, ob jemand kam. Und das war mehrmals sogar der Fall. Glücklicherweise war mein Gehör so gut, dass ich jedes Mal bei herannahenden Schritten rechtzeitig in Deckung gehen konnte. Trotzdem waren es verhältnismäßig wenige Mannschaftsmitglieder, die durch die Gänge liefen. Wo waren die alle? Es war nicht einmal Essenszeit. Wann es wohl jemandem auffallen würde, dass ich weg war? Lange dauen würde das sicherlich nicht, da machte ich mir gar keine falschen Hoffnungen. Entweder würde Bepo sich bald bemerkbar machen, ich würde entdeckt werden, oder jemandem würden die blutigen Handabdrücke auffallen, die ich beim Abstützen an der Wand des Ganges hinterließ. Eine gefühlte Ewigkeit später, es kam mir so vor, als habe ich einen halben Marathon zurückgelegt, vernahm ich das erste Mal Stimmen. Nach einem Blick durch den Gang erkannte ich, dass sie aus einer der Kabinen stammen mussten. Ich war bereits so lange von der Crew isoliert, dass ich überhaupt nicht wusste, was in der letzten Zeit alles geschehen war. Ich konnte gar nicht anders, als mitzuhören. Behutsam, um ja nicht entdeckt zu werden, schlich ich mich näher an die geschlossene Tür heran. Eine leise, gedämpfte Stimme drang an mein Ohr. Ich hatte große Mühe, die Worte zu verstehen. "Und du bist dir wirklich sicher?" Ich runzelte meine Stirn. Wer sprach da? Durch die Tür hörte ich die Stimmen nicht gut genug, als dass ich sie zuordnen könnte. Unschlüssig verharrte ich einige Sekunden lang regungslos, dann drückte ich wie in Zeitlupe die Türklinke herunter. Die Tür öffnete sich einige Millimeter, also genug, um das Gespräch besser mitverfolgen zu können. Ich hoffte, dass mein Handeln niemandem aufgefallen war. "Shachi sagte, dass es da keinen Zweifel gäbe..." Schweigen erfüllte den Raum. "Aber eins verstehe ich nicht, wieso hätte er sie dann vergiften sollen?" Ich runzelte meine Stirn. Sie sprachen über mich. Und ich glaubte, Penguins Stimme zu erkennen, den Rest konnte ich nicht zuordnen. "Na, um von sich abzulenken! So waren wir alle mit dem Giftangriff beschäftigt, und Kōris Verschwinden rückte in den Hintergrund! Ein richtiger Marinespion hätte das Gift doch wohl richtig dosiert, oder? Aber nein, sie hat knapp überlebt- das war wahrscheinlich von beiden so geplant!" Keine Ahnung, wer da sprach, aber seine Stimme klang aggressiv. Und das, was er sagte, war absoluter Blödsinn. Obwohl ich mich genauso fragte, weshalb Saburo mich hatte vergiften wollen, wenn sein eigentlicher Auftrag doch gewesen war, mich zu Akamatsu zu bringen. "Na also ich weiß nicht so recht..." Ich horchte auf. Hielt Penguin etwa zu mir? Genau das schienen sich auch die Anderen zu fragen. "Glaubst du ihr etwa?" "Nein Leute, das tue ich nicht." Ich ballte meine Hand zur Faust. Schmerz durchzuckte diese und erinnerte mich unabdingbar daran, dass diese verletzt war. Ich war eher wütend auf mich selbst als auf jemand anderen. Wie hatte ich auch nur eine Sekunde lang davon ausgehen können, dass er zu mir halten würde? War ich wirklich so blöd?Seine Ansage an mich vor zwei Wochen diesbezüglich war jawohl eindeutig gewesen. "Es ist einfach nur so, dass Mina schon so lange in der Crew ist…“, hörte ich Penguin seine Aussage ergänzen. „Na und? Saburo war auch schon seit Jahren in der Crew, und wie du sehen kannst, ist er ein mieses, sadistisches Drecksschwein. Und offensichtlich hat Mina ihm geholfen, sie ist also auch nicht besser.“ Ich konnte nicht sagen, dass mich diese Worte kalt ließen. Auch wenn es der übliche Scheiß war, der mir schon die ganze Zeit über an den Kopf geknallt wurde. Eine unangenehme Stille hatte sich in dem Raum ausgebreitet, die eine ganze Weile lang andauerte. „Was glaubst du passiert nun mit den beiden?“ Es war wieder Penguin, der antwortete: „Ich weiß es nicht, ich habe mich noch nicht getraut, den Captain danach zu fragen. Du weißt ja, was er im Moment für eine Scheißlaune hat. Aber soweit ich weiß, braucht er von Saburo noch Informationen. Und Mina… Wenn sie nicht bald mit der Sprache rausrückt, sieht es für sie schlecht aus.“ „Wieso schlecht?“, vernahm ich wieder die aggressive Stimme von zuvor, „Sie hat Saburo geholfen, dann hat sie auch keine bessere Behandlung als er verdient.“ Ich wusste noch immer nicht, wer von meinen lieben Ex-Nakamas da grade so einen Mist redete, aber ich hasste ihn jetzt schon. „Sag mal Shīru, woher kannten du und Kōri euch eigentlich?“, hörte ich Penguin das Thema wechseln. „Wir haben uns als Kinder angefreundet. Nun, eigentlich waren wir viel eher die dicksten Kumpels“, begann eine bis dahin nicht vernommene Stimme zu sprechen. Sie klang irgendwie müde und betreten. „Wir hatten schon als Kinder beide keine Eltern mehr und haben uns zusammen durchgeschlagen. Anfangs war noch seine kleine Schwester dabei…Wisst ihr, als Kind auf der Straße zu leben, ist alles andere als leicht. Aber wir haben uns gegenseitig geholfen, wo wir nur konnten, egal, was passierte. Wir konnten uns ja nur durch Diebstähle bei reicheren Menschen am Leben halten, und das klappt viel besser, wenn man zu zweit ist.“ Ein unwohles Gefühl breitete sich in mir aus. „Was ist mit seiner Schwester passiert?“, hörte ich Penguin fragen. „Das ist schon mindestens zehn Jahre her… Die Kleine war krank und auf der Insel war kein Arzt, der ihr helfen wollte, ohne dafür eine horrende Summe zu verlangen. Wir haben wirklich alles versucht, aber wir waren selber erst neun und konnten nur dabei zusehen, wie es ihr immer schlechter ging, bis sie schließlich…“ Erneut herrschte Schweigen im Raum, bis Shīru weitersprach. „Wir dachten, dass wir für den Rest unseres Lebens auf dieser Insel am Existenzminimum lebend unser Dasein fristen würden, bis wir durch den Captain in dieser Crew die Chance auf einen Neuanfang bekamen. Du kannst gar nicht glauben, wie dankbar wir dem Captain waren, und ich bin es immer noch und ich werde ihm dafür auch überallhin loyal folgen. Aber ich verstehe einfach nicht, warum Kōri sterben musste- ich meine, wir alle würden diese Crew mit unserem Leben verteidigen, aber sein Tod war so sinnlos… Und er muss furchtbar gelitten haben...“ Mir wurde mit einem Mal ganz kalt. „Glaub mir, Shīru, der Captain wird die beiden dafür angemessen zur Rechenschaft ziehen.“ Ich wandte mich zum Gehen. Ich konnte und wollte das einfach nicht weiter mitanhören. So schnell es mir möglich war, entfernte ich mich von dem Raum. Stärker als jemals zuvor kamen die Schuldgefühle wieder in mir hoch. Ich hatte Kōri doch nicht getötet, wieso fühlte ich mich jetzt so schlecht? Ich hatte ihm seinen besten Freund genommen. Sie waren zusammen aufgewachsen. Es war alles meine Schuld. Ich war keinen Deut besser als Law… Ohne darauf zu achten, wo mich meine Füße hintrugen, stolperte ich durch die Gänge. Im Moment war es mir vollkommen egal, ob mich jemand sah oder hörte. Früher oder später würde ich ohnehin gefunden werden. Ich bemerkte nicht einmal, dass das Schiff leicht zu schwanken begonnen hatte. Ich wurde erst wieder in die Realität zurückgeholt, als ich plötzlich vor einer massiven Eisentür stand. Es war Wochen her, seit ich das letzte Mal durch diese hindurchgegangen war. Es war die Tür zum Außendeck. Durch die kleine Luke konnte ich sehen, dass draußen ein Sturm tobte. Der Himmel war schwarz und wolkenverhangen. Hatte vorhin nicht noch die Sonne geschienen? Langsam streckte ich meine Hand nach der Klinke aus und drückte diese nieder, ehe ich die Türe aufzog. Noch nie war mir diese so schwer vorgekommen, ich hatte regelrechte Mühe dabei, sie zu öffnen. Oder ich war einfach schwächer geworden? Ich betrat mit wackligen Schritten das Deck. Regen peitschte mir entgegen und durchnässte in kürzester Zeit meine Kleidung. Der starke Wind machte es mir beinahe unmöglich, vorwärts zu laufen. Starker Wellengang umgab das Boot, das Deck war durch das viele Wasser mehr als rutschig. Wie in Trance und entgegen jeglicher Vernunft, bewegte ich mich immer näher auf die Reling zu, nur um mich dann gefährlich nahe über diese herüberzulehnen. Waren mir bis grade noch tausende Gedanken durch den Kopf gegangen, herrschte in diesem in dem Moment, in dem ich in das tiefschwarze Wasser herunterblickte, vollkommene Leere. Gebannt sah ich, wie das Wasser immer höher gegen die Außenwand des Schiffes schlug. Es war fast, als würde es nach mir schnappen. Und ich war kurz davor, dem nachzugeben. Es schien mir der derzeitig einfachste Ausweg aus dieser Situation zu sein. Ich würde mich nicht mehr mit dem ganzen Mist hier auseinandersetzen müssen, müsste mich nicht mehr mit dieser Crew herumzanken und ich würde nie wieder die Kälte in den Augen meines Vaters sehen müssen, wenn er mich ansah. Ich tat ihnen weh, wie ich an Shīru und Bepo sehen konnte, und sie taten mir weh. Ich war besser ohne sie dran und sie ohne mich. Das war nur logisch, wie ich fand. Es klang seltsam, aber die Gedanken an einen baldigen Tod ließen mich mich besser fühlen. Es war, als wären für einen kurzen Moment alle Sorgen wie weggeblasen. Mit einem Mal kam mir alles so leicht vor. Ich müsste lediglich über diese Reling steigen. Es würde nicht einmal lange dauern. Schwimmen konnte ich kaum, mir war es nie beigebracht worden, und das Wasser war eiskalt. Es hätte alles so einfach sein können. Doch ich schien nicht einmal die Entscheidung treffen zu dürfen, wann ich starb. Dies wurde mir bewusst, als ich grob am Arm gepackt und herumgerissen wurde, nur um dann in Mītobōrus wutverzerrtes Gesicht zu blicken. Ich hatte ihn nicht kommen gehört, was bei dem lauten Wellenrauschen kein Wunder war. „Du kleine…Wieso hat der Captain dich rausgelassen, nachdem was du alles getan hast? Das kann doch nicht sein Ernst sein, du bist eine Gefahr für die gesamte Crew!“ Wie es schien, hatte mein Gegenüber die Situation vollkommen falsch erfasst. Ich blickte ihm nicht in die Augen. „Du kommst jetzt mit, das klären wir jetzt, eben hast du mich noch verletzt, dann kann er dich doch nicht jetzt schon wieder frei herumlaufen lassen!“ Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, zog er mich mit sich in Richtung der Tür, die wieder ins Innere führte. Ich ließ mich ohne Gegenwehr mitziehen. Ich fühlte dabei nichts. Ich hatte grade mein Leben beenden wollen, keine Angst vor dem Tod. Und dieser Todeswunsch brannte unentwegt in mir weiter. Warum sollte ich also Angst vor meinem Vater haben? Nein, außer innerer Leere und dem Wunsch, endlich meine Ruhe vor all dem zu haben, verspürte ich rein gar nichts. Nur gedämpft bekam ich mit, wie er leise vor sich hin murmelte. Ich schnappte lediglich Wortfetzen wie „Mörderin“ und „gehört weggesperrt“ auf. Doch diese Worte waren für mich bedeutungslos. Obwohl Mītobōru sich in einem für ihn rekordmäßigen Tempo fortbewegte, schien es mir eine Ewigkeit zu dauern, ehe wir ins Innere des U-Bootes traten. Und noch länger zog sich der Weg durch die Gänge hin, ehe wir dort ankamen, wo er hinwollte: Laws Arbeitszimmer. Kapitel 44: ------------ Kaum an der Türe zu Laws Arbeitszimmer angekommen, klopfte Mītobōru auch schon an. „Komm rein“, war nur Sekunden später Laws genervt klingende Stimme zu vernehmen. Mītobōru wandte sich noch einmal zu mir um und warf mir einen vernichtenden Blick zu. Als er die Tür aufmachte und eintrat, sah man nur allzu deutlich, dass Law wohl jemand anderen erwartet hatte. Sein irritierter und gleichzeitig gereizter Gesichtsausdruck sprach da Bände. Mein Vater saß inmitten von Büchern und Seekarten an seinem Schreibtisch, den Kopf auf seiner Hand abgestützt. Da Mītobōru vor mir stand und dieser den halben Türrahmen einnahm, konnte Law mich aus seinem Blickwinkel nicht sehen. Mit gerunzelter Stirn blickte er Mītobōru an, wohl darauf wartend, dass dieser sagte, warum er zu ihm gekommen war. „Mītobōru, ich habe wirklich noch viel zu tun, also wenn es nichts Wichtiges ist-“ Mītobōru räusperte sich, ehe er mit seiner üblichen schleimigen Stimme antwortete, die er immer dann aufsetzte, wenn er mit Law redete: „Captain, nun, es geht um Folgendes: Weißt du, ich respektiere deine Entscheidungen als Captain, und ich möchte sie ungerne hinterfragen, aber hältst du es wirklich für das Richtige, sie jetzt schon wieder frei agieren zu lassen? Ich dachte, dass die Ereignisse der letzten Wochen gezeigt hätten, dass sie eine Gefahr für die Crew darstellt!“ Mein Vater zog nur eine Augenbraue nach oben, blickte ihn fragend an, während er mit einem genervten Aufseufzen seine Unterlagen beiseitelegte. „Wovon genau sprichst du? “ „Na von ihr!“ Mit einem Ruck zog er mich an meinem Arm nach vorne in den Raum rein. Ich behielt den Blick zu Boden gesenkt, mein Körper war angespannt. Mītobōrus Hand schloss sich wie ein Schraubstock um meinen Arm. „Findest du es wirklich in Ordnung, sie schon wieder alleine rumlaufen zu lassen? Du weißt doch, dass sie mich erst vorhin angegriffen hat, was, wenn wieder etwas passiert? Es wäre doch möglich, dass sie schon wieder jemanden angreift, oder noch schlimmeres anstellt!“ Mit einem lauten Knall zog Mītobōru die Türe hinter sich zu und schob mich mit seiner Hand an meiner Schulter näher an Laws Schreibtisch heran, sodass ich nun direkt vor meinem Vater stand. Mītobōru selbst lehnte sich neben seinem Captain gegen die Wand. Laws Miene fror augenblicklich ein, als er mich erblickte. Natürlich wusste er, dass er mich nicht hatte frei herumlaufen lassen, eher das Gegenteil war der Fall gewesen. Man konnte deutlich sehen, wie er eins und eins zusammenzählte und ihm klar wurde, dass meine Anwesenheit in diesem Raum nur bedeuten konnte, dass bei Bepo etwas nicht nach Plan gelaufen war. „Mina. Wo ist Bepo.“, knurrte er. Ich schwieg und sah ihn nicht an. Ich zitterte vor Kälte. Durch den Aufenthalt im Regen an Deck war meine Kleidung vollkommen durchnässt. Da ich sowieso lediglich ein Shirt und eine nicht grade warme Jeans trug, fror ich total. Auch meine Haare, die mir in nassen Strähnen vom Kopf hingen, verhalfen da nicht grade zur Besserung. Als meinem Vater klar wurde, dass ich wieder einmal weigerte, mit ihm zu reden, schien sein ohnehin schon strapazierter Geduldsfaden zu reißen. „Verdammt Mina, du willst dir wohl unbedingt Ärger einhandeln! Kannst du nicht einmal darauf hören, was man dir sagt? Ich frage dich jetzt noch einmal, wo ist Bepo?“ Seine Stimme war kälter als Eis. Er versuchte nicht einmal, seine Wut zu unterdrücken, und das hieß, dass er wirklich wütend sein musste, denn normalerweise ließ er sich in Sachen Gefühle von niemandem in die Karten gucken. „Mītobōru“, wandte er sich nun an denjenigen, der mich hierhergeschleppt hatte, „Wo hast du sie gefunden?“ Dieser war von Laws Reaktion sichtlich irritiert, schien aber langsam zu merken, dass ich wohl mal wieder Mist gebaut hatte und dass ich allem Anschein nach ohne die Legitimation meines Vaters unterwegs gewesen war. „Na auf dem Außendeck, wieso?“ „Ist dir irgendetwas aufgefallen?“ „Hmm, warte mal kurz…“ Er schien nachzudenken. Während Law mich weiterhin mit einem finsteren Blick fixierte, ließ ich meinen kurz zu Mītobōrus Gesicht hinüberwandern. Der Ausdruck auf diesem hätte mich, wenn mir diese Situation nicht so egal wäre, beunruhigen müssen. Feixend sah er mich an, sich scheinbar tierisch darüber freuend, dass ich Ärger bekam. Erst jetzt fiel mir die große Narbe an seiner Schläfe auf, welche von meinem Angriff herrührte und offenbar genäht worden war. „Naja, also… Da war schon etwas Merkwürdiges. Als ich das Deck betrat, hatte sie in der einen Hand eine Teleschnecke und in der anderen Hand so etwas wie eine Karte. Aber ehe ich bei ihr war, hat sie mich bemerkt und beides ins Meer geworfen.“ Wovon sprach der? Dachte er sich das grade aus, um mir noch mehr Ärger zu bereiten? Doch ich versuchte erst gar nicht, das richtig zu stellen. Ich würde, komme was wolle, mit niemandem mehr reden, es endete immer gleich. Mir würde doch niemand glauben. Und vor allen Dingen war es mir auch egal, was nun passierte. Es war nicht das erste Mal, dass ich mir vornahm zu schweigen, aber dieses Mal würde ich es durchziehen und mich nicht durch irgendwelche Provokationen aus der Reserve locken lassen. „Eine Karte und eine Teleschnecke? Bist du dir sicher?“ „Ja, Captain. Sie hat eindeutig mit jemandem geredet, wegen des Sturms konnte ich die Worte aber nicht verstehen.“ Ich hob meinen Blick. Kaufte mein Vater ihm das wirklich ab? „Jetzt mal Klartext. Mit wem hast du telefoniert?“ Alarmierend tonlos und eindringlich versuchte er, eine Antwort aus mir herauszubekommen. Ich wusste, dass dies bei ihm die letzte Vorstufe davor war, richtig wütend zu werden. Das hielt mich nicht davon ab, ihm einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. „Mina, hast du etwa Kontakt zur Marine aufgenommen?“ Zähneknirschend stand Law auf, umrundete den Schreibtisch und blieb bedrohlich vor mir stehen. Im ersten Moment dachte ich, dass er mich nun schlagen würde, aber er drehte sich seitlich zu Mītobōru, um diesem etwas zu befehligen: „Mītobōru, geh umgehend in den Navigationsraum. Penguin müsste grade Wachschicht haben. Gib ihm Bescheid, dass er die Radare nach sich nähernden Schiffen absuchen soll und er mir jede noch so kleine Auffälligkeit zu melden hat! Wenn du fertig bist, komm zu den Arrestzellen- und beeil dich.“ „Aye, Captain.“ Sofort verließ dieser den Raum, um die ihm erteilten Anweisungen zu erfüllen. Und, um wahrscheinlich nebenbei noch rumzuerzählen, dass ich dabei erwischt worden sei, wie ich die Marine kontaktiert hätte. Mir war klar, dass ihm jeder glauben würde. Aber… das war mir ehrlich gesagt egal. So, wie eigentlich alles andere auch. Denn schon bald würde ich mich nicht mehr mit all diesen Problemen herumschlagen müssen… Dachte Law jetzt ernsthaft, ich hätte die Marine kontaktiert und denen unseren Standpunkt durchgegeben? Oh, wenn er nur wüsste, wie falsch er damit lag. Und wo hätte ich bitteschön die Teleschnecke herhaben sollen? Zudem hatte ich doch selber gar keine Ahnung, wo wir uns grade befanden! Kaum war Mītobōru weg, widmete mein Vater seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz mir. Drohend stellte er sich vor mich. Ich wandte meinen Blick ab, als ich in seinen Augen für einen Moment lang neben Wut auch eine Spur von Enttäuschung auszumachen schien. Das unvermeidliche Brennen in meinen Augen blinzelte ich weg. Warum nur ging es mir noch immer so auf die Substanz, dass ich so eine Enttäuschung für ihn war? Mir war doch alles andere auch egal, nur wieso das nicht? „Was ist eigentlich in dich gefahren?“, vernahm ich nur Sekunden später seine wutentbrannte, aber dennoch beherrschte Stimme. „Übernimmst du jetzt Saburos Rolle? Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, was das für Folgen haben würde, wenn die Marine jetzt hier auftauchen würde?“ Während er sprach, wurde seine Stimme immer kühler. Doch ich hielt meinen Blick unentwegt gen Boden gerichtet. Dass ich ihn nicht einmal ansah, schien ihn erst recht wütend zu machen. Laut knallte er mit seiner Hand auf den neben ihm stehenden Schreibtisch. „Mina, ich glaube, du versteht den Ernst der Lage nicht! Wenn jetzt die Marine hier auftaucht, bist du diejenige, die ich dafür zur Verantwortung zu ziehen habe! Nach all den Dingen, die du die letzten Wochen getan hast, werde ich kein Auge zudrücken, nur, weil du meine Tochter bist! Ich hoffe, du weißt, was das für dich für Folg- Mina, ich rede mit dir!“ Ich hatte mich von ihm abgewandt, als er wieder einmal betont hatte, dass ich seine Tochter war. Mit dem Rücken zu ihm stehend und für ihn nicht sichtbar, kniff ich fest die Augen zusammen, um die Flüssigkeit, die sich in meinen Augenwinkeln angesammelt hatte, bloß nicht sichtbar werden zu lassen. Nicht vor meinem Vater. Was war nur plötzlich los mit mir? Auf der einen Seite empfand ich nur diese dunkle Leere, und gleichzeitig begann ich beinahe, vor meinem Vater zu loszuheulen… Und für letzteres hasste ich mich wirklich. Als er von mir noch immer keine Reaktion erhielt, packte er mich, wie es zuvor bereits Mītobōru getan hatte, unerwarteterweise fest am Oberarm und zog mich mit sich zur Tür. „Bepo wird mir ganz sicher erzählen, was passiert ist. Und es wäre besser für dich, wenn du ihm dieses Mal nichts getan hast. Gehe ich recht in der Annahme, dass er sich bei den Arrestzellen befindet?“ Ich wusste nicht, wieso er das wusste, aber ich bestätigte es ihm auch nicht. Den Boden des Gangs ansehend schwieg ich. Genervt wurde ich von meinem Vater mitgezogen. Dass ich bei seinem Tempo nicht mithalten konnte, schien ihm egal zu sein. Mehrmals stolperte ich beinahe, wurde nur durch seinen Griff am Fallen gehindert. Er sah mich nicht an. Seine Augen waren stur geradeaus gerichtet, während er sich mit mir in Richtung der Zellen begab, um nach seinem Vizen zu sehen. Es kam mir nur wie wenige Sekunden vor, ehe wir am Gang ankamen, den mein Vater angesteuert hatte. Dieser beschleunigte seine Schritte und trat an die Zelle heran, in welcher sich Bepo befand. Es bot sich ein für Außenstehende im ersten Augenblick sicherlich erschreckend aussehendes Bild: Die Zelle war voller blutiger Scherben, welche sogar bis auf den Flur hinaus verteilt waren, und inmitten dieser lag Bepo, mit einer Tatze nach wie vor an das Gitter gekettet. Da durch den draußen wolkenverhangenen Himmel kaum Licht durchs Fenster drang und die Flurbeleuchtung in diesem Teil des Schiffes eher dürftig war, konnte man in der kaum beleuchteten Zelle nicht eindeutig ausmachen, was mit Bepo los war. „Bepo?“ Laws Stimme klang angespannt. Als der Angesprochene sich nicht rührte, verfinsterte sich das Gesicht meines Vaters. „Room.“ Um uns herum bildete sich eine blaue Kuppel. „Shambles.“ Sekunden später schon hatte Bepo mit einer auf dem Flurfußboden liegenden Scherbe den Platz getauscht. Augenblicklich beugte sich Law zu diesem herunter und fühlte seinen Puls. Zeitgleich schlug Bepo seine Augen auf und blinzelte irritiert gegen das Licht an, ehe er sich langsam aufsetzte. „Bepo, alles okay?“ „J-Ja, ich bin nur eingeschlafen, Entschuldigung“, gab der Angesprochene sogleich zurück. Noch immer vollkommen weggetreten sah er sich um, bevor er realisierte, wo er sich befand. „Aber… Wieso liege ich auf dem Boden?“, fragte er, scheinbar vollkommen überfordert, meinen Vater. Erneut ließ er seinen Blick umherwandern, während er sich gähnend am Kopf kratzte. Kapitel 45: ------------ Als er dabei mich bemerkte, sah er mich eine Zeit lang verwirrt an. Man konnte förmlich sehen, wie es in seinem Kopf ratterte, ehe er seinen Kopf zur Zelle wandte und die sich darin befindlichen Handschellen und Scherben ins Auge fasste. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und starrte mich an, gleichzeitig wich er vor mir zurück. „Ca-Captain, jetzt fällt es mir wieder ein! Mina hat mich eingesperrt, als ich nach ihr gesehen habe! U-Und sie dann hatte sie plötzlich eine scharfe Scherbe in der Hand, ich dachte wirklich, dass sie mich angreifen will!“, sprudelte es sogleich aus ihm heraus. Law antwortete ihm nicht. Berechnend und kalt durchbohrte er mich mit seinem Blick. Ich sah zwar zu ihm, aber ich sah ihn nicht wirklich. Meine Augen waren stumpf auf die hinter ihm liegende Wand gerichtet. Mit jeder vergehenden Sekunde stieg nun die Anspannung im Raum. Klirrende Kälte verbreitete sich. Selbst als Mītobōru mit den Worten „Ich bin wieder da, Captain“ die Szenerie betrat, wandte mein Vater seinen Blick nicht von mir ab. „Mina.“ Seine Stimme war eisig und schneidend. „Du bist zu weit gegangen, endgültig.“ Er wandte sich den beiden anderen Anwesenden zu. „Bepo, du kommst mit.“ Eingeschüchtert nickte der Vize sofort. „Mītobōru, sperr sie wieder ein, und sorg dafür, dass sie nicht wieder abhaut“, knurrte er. „Mach ich, Captain.“ Ich war wahrscheinlich der einzige Anwesende, dem die unterdrückte Schadenfreude bei seiner Aussage auffiel. Ohne mich auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sich mein Vater um und entfernte sich einige Schritte. Bepo blieb unschlüssig stehen, er sah mich verschreckt an. „Bepo!“, rief Law ungeduldig. „Entschuldigung." Eilig hastete der Bär seinem Captain hinterher, welcher bereits weitergegangen war. Sekunden später schon waren sie außer Sichtweite. Und ich somit alleine mit Mītobōru. Zögernd wandte ich meinen Kopf in seine Richtung, begegnete seinem Blick. Ein kaltes, unheilverheißendes Lächeln zierte sein Gesicht. Langsam schritt er näher auf mich zu. „Siehst du, der Captain glaubt mir alles, was ich ihm über dich erzähle“, begann er gehässig. „Penguin gerade zum Beispiel sah ziemlich aufgebracht aus, als ich ihm davon berichtet habe, was du getan hast. Und den Rest der Crew wird das sicherlich auch brennend interessieren. Weißt du, ich helfe nur ein bisschen nach, dass du aus der Crew fliegst.“ Da mir mittlerweile egal war, was mit mir passieren würde, schwieg ich und blickte ihn nur empfindungslos an. Seine Worte bedeuten mir nichts. Und die Meinung der Crew auch. Ich hatte keine Kraft mehr, mit ihm darüber zu diskutieren. Als ich ihm nicht die von ihm scheinbar erhoffte Reaktion zeigte, überbrückte er auch noch die letzten Meter zwischen uns und packte mich grob am Arm. „Tu nicht so, als ob dich das nicht interessieren würde. Ich hasse deine arrogante Art. Glaubst du, du wärst was Besseres, nur, weil du die Tochter vom Captain bist?“, zischte er, ehe er mich mit sich zog. Ich kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass es ihn aggressiv machte, wenn man ihn ignorierte. Und, dass er in solchen Momenten unberechenbar werden konnte. Er brachte mich nicht in dieselbe Zelle wie zuvor, sondern in die allerletzte im Gang. In dieser angekommen, drückte er mich unsanft gegen die Wand. Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt, als er mir etwas ins Ohr wisperte: „Mal sehen, wie lange du jetzt noch auf cool tun kannst.“ Seine Stimme war voller Wut… und trotzdem traf mich seine Faust vollkommen unerwartet. Erschrocken weiteten sich meine Augen. War sein Hass auf mich bereits so groß? Durch die Härte des Schlags war mein Kopf zur Seite gedreht. Meine linke Gesichtshälfte brannte wie Feuer. „Das war dafür, dass du mir die Schüssel gegen den Kopf geworfen hast.“ Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie er erneut ausholte. Ich versuchte nicht einmal, mich zu wehren. Dieses Mal schlug er mir mit voller Wucht zwischen die Rippen. Fest biss ich meine Zähne zusammen, als mich heftiger Schmerz durchzuckte. Ausgerechnet diese Stelle war durch meine alte Verletzung aus der Marinebasis mehr als schmerzempfindlich. „Und das dafür, dass du mich getreten und beleidigt hast.“ Als ich ihm ins Gesicht blickte und seine offenkundige Abscheu sah, wusste ich, dass er mit mir noch nicht fertig war. Ich schloss meine Augen und wartete auf das Unvermeidliche. Diese ganze Situation erinnerte mich sehr an die, als Saburo mich im Krankenzimmer angegriffen hatte. Und genau wie damals wehrte ich mich nicht. „Wenn du nur wüsstest, wie ähnlich du Saburo grade bist…“, flüsterte ich kaum vernehmbar und unter großer Anstrengung. „Halt deine verdammte Fresse! Vergleich mich nicht noch einmal mit diesem Verräter!“ Blind vor Wut schlug er zu. Immer und immer wieder. Er schien seine ganzen Aggressionen an mir auszulassen. „Na, fühlt sich das gut an? Bist du stolz darauf, diese Crew auseinandergerissen zu haben? Das ist nur ein Bruchteil dessen, was du und dieser Scheißkerl Saburo Kōri angetan habt! Der Captain sollte dir die gleiche Behandlung wie Saburo zukommen lassen…“ Ich konnte mich vor Schmerzen keinen Millimeter bewegen. Jeder Atemzug brannte in meiner Lunge. Da ich durch die Nase nicht genug Luft bekam, versuchte ich durch den Mund zu atmen, was jedoch schiefging. Ich konnte meinen Mund kaum öffnen, und beim Versuch, dies trotzdem zu bewerkstelligen, gab mein Kiefer ein widerliches Knacksen von sich. Erst jetzt, als seine Wut auf mich langsam abflaute, schien er zu realisieren, was er getan hatte. Nicht, dass ihm das leidtun würde, aber er schien wohl Bedenken zu haben, dass ich ihn verpetzen würde. „Erzähl wem davon, und du wirst es bereuen“, zischte er. Mit einer ruckartigen Bewegung ließ er mich los. Augenblicklich sank ich zu Boden. Mītobōru drehte sich ohne ein weiteres Wort zu sagen um und trat aus der Zelle, welche er sogleich verriegelte. Als er mich am Boden liegen sah, breitete sich ein bösartiges Grinsen in seinem Gesicht aus. „Weißt du, sollte mir vom Captain die glorreiche Aufgabe zugeteilt werden, dir die Mahlzeiten bringen zu müssen, könnte es passieren, dass ich es ganz aus Versehen vergesse. Nur damit du Bescheid weißt. Du hättest dich nicht mit mir anlegen sollen.“ Leise vor sich hin lachend wandte er sich ab und ließ mich alleine zurück- nicht, ohne mir vorher noch vor die Füße zu spucken. Ich horchte seinen sich entfernenden Schritten. Da ich in der letzten Zeit sowieso nichts aß, beunruhigte mich diese Androhung nicht so, wie sie es Mītobōrus Meinung nach wahrscheinlich hätte tun sollen. Warum sollte sie es auch? Ich wäre erst vorhin noch, wenn ich nicht aufgehalten worden wäre, ohne Weiteres von Bord gesprungen. Wenn man vom Leben nichts mehr erwartete und es am liebsten selbst beenden würde, störte man sich nicht daran, ob man etwas zu essen bekam. Unter großer Anstrengung schaffte ich es, in die hinterste Ecke der Zelle zu kriechen. Schwer atmend lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Wand, als sich mein ganzer Körper vor Schmerzen verkrampfte. Vorsichtig betastete ich mein Gesicht. Es war blutverklebt und an einigen Stellen stark angeschwollen. Mein Kiefer schien gebrochen zu sein, er schmerzte bei der kleinsten Bewegung und meine Wangeninnenseite blutete. Doch die noch weitaus schmerzhaftere Verletzung war die, die durch seine Schläge gegen meinen Oberkörper verursacht worden war, denn diese hatten, wenn ich das richtig einschätzte, meine Wunde aus der Marinebasis wieder aufgerissen, von der ich gedacht hatte, dass sie mittlerweile halbwegs verheilt gewesen wäre. Als ich meine Hand auf diese legte, stellte ich fest, dass mein Shirt an der betreffenden Stelle bereits voller Blut war. Dunkel glänzend benetzte es nun auch meine Hand. Immer wieder verschwamm die Sicht vor meinen Augen und ich ließ meine Hand langsam wieder sinken. Durch einen im Vergleich zu den anderen Verletzungen zwar deutlich geringeren, aber trotzdem mehr als unangenehmen Schmerz wurde ich daran erinnert, dass sich in dieser nach wie vor die Splitter befanden. Als mich immer stärkerer Schwindel überkam, schloss ich meine Augen. Von der einen auf die andere Sekunde fühlte ich mich komplett übermüdet. Trotz der körperlichen Schmerzen schaffte ich es, meinen Atem in einen halbwegs ruhigen Rhythmus zu bringen. Irgendwann begann mein Bewusstsein zu schwinden. Schwärze breitete sich um herum aus, und griff nach mir, während sie die Kälte und die Schmerzen zu vertreiben schien. Ich wehrte mich nicht dagegen, sondern gab ihr immer mehr nach. Ich fühlte mich wie in Watte gepackt. Kurze Zeit später verlor ich das Bewusstsein. In den nächsten zwei Tagen kam ich immer wieder zu mir, mal für kürzere und mal für längere Zeit. Wie es aussah, waren wir zwischenzeitlich wieder abgetaucht. Das war zwar ungewöhnlich, aber ich versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Denn mein Verstand war bereits damit überlastet, die Schmerzen auszuhalten. Auch hatte ich durch die Dehydrierung mittlerweile noch ganz andere Beschwerden. Genau wie es Mītobōru angekündigt hatte, sorgte er dafür, dass ich weder etwas zu essen noch etwas zu trinken bekam. Während ich die Kochkünste der Crew nicht vermisste, trieben mich die durch die Dehydration hervorgerufenen Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühle in den Wahnsinn. Auch wenn ich wach war, öffnete ich mittlerweile weder meine Augen, noch hob ich meinen Kopf. Es war einfach zu anstrengend. Da mein Mund- und Rachenbereich vollends ausgetrocknet war, musste ich andauernd husten. Mit gebrochenem Kiefer und einer offenen Wunde im Bereich des Brustkorbes war das eine einzige Tortur, ich war froh für jede Minute, in der ich bewusstlos war… Und je mehr Zeit verging, desto seltener und kürzer erlangte ich das Bewusstsein zurück. Ich wusste, dass das an der Dehydration lag. Ein junger, gesunder Mensch konnte maximal drei bis vier Tage ohne Wasser überleben. Ich war zwar jung, aber gesund sicherlich nicht, und hatte schon beinahe drei Tage nichts mehr getrunken. Bald würde mein Körper schlappmachen. Sehr bald… Als ich an diesem Abend die Augen schloss, war ich mir nicht einmal sicher, ob ich sie am nächsten Tag noch einmal öffnen würde. Kapitel 46: ------------ ~ gleichzeitig, Penguins Sicht ~ Müde rieb sich Penguin seine Augen und gähnte. Er hatte seine Schicht im Navigationsraum zwar erst vor einer Viertelstunde begonnen, aber er langweilte sich jetzt schon zu Tode. Da ein großer Teil der Crew mit einem grippalen Infekt im Bett lag, durfte er nun andauernd die Schichten der anderen übernehmen. Die Aufgabe bestand eigentlich nur darin, die Radare nach sich nähernden Schiffen abzusuchen und bei sich nähernder Gefahr dem Captain Bescheid zu geben. So zumindest in der Theorie. Praktisch gesehen saß man stundenlang rum, ohne dass etwas passierte und fragte sich, was man verbrochen hatte, um diese Aufgabe am Hals zu haben. Nur zu gerne würde er seinem Bedürfnis nach Schlaf nachgeben und die Schicht einfach verpennen, wie er es in der Vergangenheit schon öfters getan hatte. Aber so schlecht, wie sein Captain derzeitig gelaunt war, wollte er es nicht unbedingt erleben, was passierte, wenn dieser ihn schlafend am Arbeitsplatz vorfand. Auch ging ihm nach wie vor das Gespräch durch den Kopf, welches er grade eben erst mit einem Teil seiner Nakama geführt hatte. Sie alle waren ausnahmslos von Minas Schuld überzeugt und erwarteten, dass der Captain sie dafür in naher Zukunft zur Rechenschaft ziehen würde. Mina war in der Crew, soweit er das beurteilen konnte, beinahe genauso verhasst wie Saburo. Auch er war wütend auf Mina. Und vor allen Dingen enttäuscht. Sehr sogar. Er hatte Mina gesagt, dass er es ihr niemals verzeihen würde, wenn wegen ihr einem seiner Nakama etwas zustoßen würde. Und genauso hatte er ihr, nachdem er von Kōris Ermordung erfahren hatte, offen gesagt, dass er sie für seinen Tod mitverantwortlich machte. Und daran hielt er nach wie vor fest. Jedoch anders als seine Nakama. Denn diese hatten sich damit abgefunden, dass Mina die Seiten gewechselt hatte, hinterfragten dies nicht und nahmen es einfach so hin. Anstatt über diese Tatsache bestürzt zu sein, gaben sie sich lieber dem blinden Hass hin, hatten in Mina einen Sündenbock gefunden. Es war für sie um einiges leichter, sich der Meinung anzuschließen, dass sie die Crew einfach verraten hatte und bestraft gehörte. Sie dachten nur Schwarz-Weiß. Auch Penguin hatte versucht, so zu denken. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab, irgendetwas kam ihm an der ganzen Sache seltsam vor. Da gab es noch diesen kleinen, winzigen Teil in ihm, der hoffte, dass all das hier nur ein großes Missverständnis war, das sich bald aufklären würde. Er wünschte sich beinahe, dass er genauso denken könnte wie die anderen, denn das würde ihm die Sache deutlich leichter machen. Er kannte sie seit vielen Jahren, niemals hätte er ihr so etwas zugetraut. Dass sie nun doch so gehandelt hatte, machte ihn fassungslos. Auch wenn er nicht glaubte, Mina ihr Handeln verzeihen zu können, wollte Penguin mehr über die Hintergründe erfahren. Niemand entschied einfach so von heute auf morgen, dass er seine Crew an den Feind verriet. Mina musste Gründe haben, etwas, was dieses Verhalten in ihr hervorgerufen hatte. Darin war sich Penguin sicher. Natürlich rechtfertigte nichts in der Welt, dass man seine Crew im Stich ließ. Aber irgendetwas musste doch geschehen sein, dass sie es doch getan hatte… Penguin hatte zwischendurch sogar die Vermutung, dass sie irgendwer zu diesem Verhalten gezwungen hatte. Doch das Problem an der Sache war nicht nur, dass Mina sich derzeitig hartnäckig im Schweigen übte, sondern auch, dass sie bereits zugegeben hatte, dass sie nicht nur schon länger gewusst hatte, wer der Spion war, sondern dass ihr die Crew und ihre Nakama sowieso egal waren. Und wenn sie dem Captain gegenüber nicht bald mit der Sprache rausrückte, wäre sowieso Schicht im Schacht, denn dieser verlor langsam sowohl mit Saburo als auch mit Mina jegliche Geduld. Beide schwiegen über das Geschehene wie ein Grab. Penguin hatte vor ein paar Tagen gesehen, wie Saburo mittlerweile aussah. Durch die Versuche des Captains, ihn zum Sprechen zu bewegen, hatte er diesen bis an den Rande des Wahnsinns gefoltert, ihn körperlich komplett zugrunde gerichtet. Aber trotzdem hatte er noch kein einziges Wort gesprochen. Wie es aussah, wollte Saburo all die Informationen mit ins Grab nehmen. Er hoffte, auch wenn er wirklich wütend auf Mina war, wirklich, dass ihr Selbiges erspart bleiben würde. Es war zweifelhaft, dass sie das überleben würde, so geschwächt wie sie war. Penguin vertraute im Moment einfach darauf, dass Law seiner Tochter nichts der dergleichen antun würde. Wobei die Tatsache, dass Mina seine Tochter war, die ganze Sache eher noch verkomplizierte. Er war sich sicher, dass der Captain nicht minder enttäuscht von Mina sein wird, als er selbst es war. Law als ihr Vater musste ihr Verhalten vor der Crew rechtfertigen, und grade jetzt hagelte es regelrecht Kritik. Jeder Fehltritt von ihr fiel auf ihn zurück. Und auch sonst… Es musste für einen Captain immer schlimm sein, wenn ein Mannschaftsmitglied sich gegen seine Crew wandte, aber wenn es dann auch noch die eigene Tochter war, die einem in den Rücken fiel… Es blieb nur zu hoffen, dass in der nächsten Zeit nichts passieren würde, was die Situation noch weiter verschärfte. Eine Hoffnung, die sich nur wenige Sekunden später in Luft auflösen würde. Als ohne Vorwarnung mit einem Ruck die Tür zum Navigationsraum geöffnet wurde, fiel Penguin fast vom Stuhl. Erschrocken sah er sich um, befürchtend, dass der Captain im Türrahmen stehen würde, um ihm eine Standpauke darüber zu halten, dass er seine Arbeit nicht so vernachlässigen sollte. Doch stattdessen stand ihm ein ziemlich schlechtgelaunter Mītobōru gegenüber, welcher wutentbrannt die Türe hinter sich zuschlug. Mit fragendem Blick sah Penguin ihn an. Auch wenn er erleichtert war, dass es nicht der Captain war, der den Raum betreten hatte, konnte er nicht grade von sich behaupten, dass er über Mītobōrus Erscheinen froh war. Mit ihm hatte er normalerweise eher wenig zu tun, was nicht zuletzt daran lag, dass dieser ein ziemlicher Schleimer und eine unbelehrbare Petze war. „Sie hat es schon wieder getan!“, knurrte sein Gegenüber. Irritiert sah Penguin ihn an, keinen blassen Schimmer habend, wovon dieser sprach. Doch er hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend, als er nachfragte: „Wovon redest du?“ „Siehst du das?“ Mītobōru trat näher an ihn heran und wies mit seiner Hand auf eine sich an seiner Schläfe befindliche, breite Schnittwunde, welche mit zahlreichen Stichen genäht worden war. Es sah ziemlich… schmerzhaft aus. „Dieses kleine Miststück hat mich angegriffen, als ich ihr nur etwas zu essen bringen wollte! Das Mädchen hat komplett den Verstand verloren!“ Penguin unterdrückte ein genervtes Aufseufzen. Mina machte mit ihrem Handeln alles nur noch schlimmer. Auch wenn er Mītobōru nicht wirklich mochte, würde er niemals die Hand gegen ein Crewmitglied erheben. Sie waren eine Crew und mussten zusammenhalten. „Und das war noch nicht einmal alles!“, knurrte Mītobōru. Penguins ungutes Gefühl verstärkte sich weiter. Er war sich nicht einmal sicher, ob er wirklich wissen wollte, was Mina noch alles angestellt hatte. „Als ich vorhin an Deck gegangen bin, habe ich sie an der Reling stehen gesehen. Das kam mir mehr als seltsam vor, weil draußen ein Sturm tobte. Sie hatte in der einen Hand eine Teleschnecke und in der anderen Hand eine Karte. Ich bin dann näher herangegangen. Wegen des lauten Windes habe ich erst bemerkt, dass sie mit jemandem redet, als ich nur noch ein paar Meter von ihr entfernt war. Sobald ich sie jedoch ansprach, hat sie sich erschrocken und die Sachen hinter sich ins Meer fallen lassen. Ich bin mit ihr zum Captain gegangen, weil ich von ihm wissen wollte, warum sie schon wieder frei herumlaufen darf, obwohl sie mich erst kurz zuvor verletzt hat und ganz offensichtlich Saburo dabei unterstützt hat, Kōri zu töten. Dabei hat sich herausgestellt, dass sie wohl aus der Arrestzelle ausgebrochen sein muss, obwohl Bepo auf sie aufpassen sollte. Der Captain versucht grade aus ihr herauszubekommen, was mit Bepo passiert ist.“ Mītobōru hatte, während er mit immer lauter zu werdender Stimme von den Vorkommnissen berichtete, angefangen, im Raum auf und ab zu gehen. „Aber der Grund, wieso ich hier bin, ist, dass der Captain vermutet, dass Mina, als sie an Deck war, die Marine kontaktiert haben könnte und denen unseren aktuellen Standort verraten hat. Du sollst also jetzt unbedingt die Monitore im Auge behalten und jede noch so kleine Auffälligkeit sofort melden.“ Penguin war ob dieser Informationen sprachlos. Wenn nun die Marine hier auftauchen würde, und es sich somit als wahr herausstellen würde, dass Mina diese kontaktiert hatte, dann… wäre somit der letzte unwiderlegbare Beweis erbracht, dass sie die Seiten gewechselt hatte. Um zu zeigen, dass er verstanden hatte, nickte Penguin. Nachdenklich zog er seine Augenbrauen zusammen, als ihm mehrere Fragen durch den Kopf schwirrten. „Warte. Was macht euch so sicher, dass es die Marine war, die sie kontaktiert hat?“ „Weil der Captain sie ausgefragt hat. Und sie hat es nicht abgestritten.“ Okay, dagegen wusste auch Penguin nicht zu argumentieren. Denn wenn Mina in dieser Sache unschuldig wäre, dann würde sie diese Vorwürfe doch abstreiten, oder? „Und… Hat der Captain schon gesagt, was mit ihr passiert?“ Als auf seine Frage hin ein zufriedener Ausdruck auf seinem Gesicht erschien, wusste er, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte. „Nein. Aber ich glaube, wir können darauf hoffen, dass sie bald von Bord fliegt“, beantwortete er mir meine Frage mit einem Grinsen im Gesicht. Ich erwiderte sein Grinsen, allerdings mit einem falschen. „Ich muss gehen, der Captain wartet bei den Arrestzellen auf mich.“ Schon war er verschwunden, und das falsche Grinsen perlte wie Wassertropfen von meinem Gesicht. Ich wandte ich mich den Überwachungsmonitoren zu. Wenn sich ein Schiff nähern sollte, dann würden diese mir das anzeigen. Doch im Moment war auf diesen nichts Ungewöhnliches zu sehen. Penguin konnte grade nicht wirklich fassen, was Mina getan haben sollte. Und sie stritt es nicht einmal ab… Während sie beim Mord an Kōri nur eine Teilschuld getroffen hatte, wäre sie in diesem Fall die alleinige Schuldige… Er knirschte mit den Zähnen. Wieso machte sie so etwas? Hatte Saburo sie auf die Seite der Marine gezogen, oder war das dieser Vizeadmiral gewesen, den sie damals beim Vorfall in der Marinebasis getroffen hatten? Was könnte sie so beeinflussen, dass sie sich nicht nur gegen die Crew, in der sie aufgewachsen war, wandte, sondern auch gegen ihren eigenen Vater? Und ob Mina tatsächlich etwas mit Saburo hatte, so wie es Shachi herumerzählt hatte? Das würde zwar erklären, weshalb sie auf seiner Seite stand, aber… Bisher hatte er nicht gewusst, was er von dem Gerücht halten sollte. Shachi erzählte nämlich viel herum, wenn der Tag lang war. Aber dieses Mal schien er sich seiner Sache ziemlich sicher gewesen zu sein… Penguin verzog schlechtgelaunt das Gesicht. Er hatte Mina, bis diese ganzen Sachen passiert waren, wirklich gemocht, zudem hatte er dadurch, dass er zusammen mit Shachi seit längerer Zeit auf Anordnung des Captains ein Auge auf sie gehabt hatte, mit der Zeit eine Art Beschützerinstinkt ihr gegenüber entwickelt. Allein die Vorstellung, dass sie mit jemandem aus der Crew etwas anfing, behagte ihm überhaupt nicht. Und dass es ausgerechnet Saburo sein sollte, ging ihm vollends gegen den Strich. Missmutig starrte er die sich vor ihm befindlichen Radare an. Ganz in seine Gedanken vertieft, verlor er irgendwann jegliches Zeitgefühl. Müdigkeit verbreitete sich erneut in seinem Kopf und ließen seine Gedanken träge werden. Er wusste nicht, wie viele Minuten oder Stunden er bereits hier gesessen hatte, als ihn mit einem Mal ein schrilles, monotones Piepen aufhorchen ließ. Sofort suchte er die Monitore nach der Ursache für den ausgelösten Alarm ab. Als er drei große, sich nähernde Punkte ausmachen konnte, sprang er wie vom Blitz getroffen auf. Mit weit aufgerissenen Augen war sein Blick auf den Bildschirm fixiert. „Verdammt Mina, was hast du getan!“, fluchte er, ehe er sich endlich aus seiner Starre löste und den Raum verließ, um seinem Captain Bescheid zu geben. Kapitel 47: ------------ Vollkommen überhastet stürzte er aus dem Navigationsraum. Der durchdringende, gleichmäßige Alarmton raubte Penguin grade den letzten Nerv. Er versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren. Law hatte ihm vorhin durch Mītobōru ausrichten lassen, dass er ihm jede noch so kleine Auffälligkeit sofort zu melden hatte. Und dass Mina eventuell die Marine kontaktiert hatte und diese nun hier auftauchen könnte. Das war eine strikte Anweisung von seinem Captain gewesen, an die er sich halten musste. Aber was, wenn das gar nicht die Marine war, die sie sich da näherte? Was, wenn es sich bei den drei auf dem Radar angezeigten Punkten um einfache Passagierschiffe handelte? Oder Handelsschiffe? Ja, es wäre ungewöhnlich, dass drei von diesen nebeneinander herfahren würden, aber es war nicht unmöglich. Und er wollte den Captain nicht wegen solchen Lappalien nerven, bei der Scheißlaune, die dieser derzeitig permanent innehatte. Penguin musste nur schnell an Deck nachzusehen, und wenn sich bestätigte, dass keine Gefahr drohte, brauchte er dem Captain von dieser Sache nicht zu berichten. Dass er damit einen klaren Befehl missachtete, schob er für einen Moment zur Seite. Er musste sich jetzt sofort entscheiden, denn sollte es sich doch um einen Ernstfall handeln, würde er wertvolle Zeit verlieren. Wie automatisch und entgegen jeglicher Vernunft, begab er sich zurück in den Navigationsraum, schaltete das nervige Piepen ab, nahm sich ein extra für solche Fälle vorgesehenes Fernglas aus der untersten Schublade des Wandschrankes und bewegte sich anschließend in Richtung des Decks. Je näher er diesem kam, desto schneller wurde er. Er war kein schlechter Läufer, innerhalb von kurzer Zeit war er am Ziel. Glücklicherweise lief ihm unterwegs niemand über den Weg, auf Erklärungen hatte er grade weder Zeit noch Lust. Augenblicklich zog er die Eisentür auf, welche ihn vom Deck trennte. Sofort schlug ihm heftiger Wind entgegen und erschwerte ihm das Vorwärtsbewegen. Das Meer war aufgewühlt und es regnete immer noch, jedoch nicht so stark wie vorhin, als ein richtiger Sturm getobt hatte. Glücklicherweise war die Sicht nicht durch Nebel oder sonstiges eingeschränkt. Mühsam kämpfte er sich voran, bis er die Reling erreicht hatte. Einen kurzen Moment lang hielt er inne. Hier also hatte Mina eben gestanden und die Marine kontaktiert? Kopfschüttelnd hob er das Fernglas an seine Augen und suchte den Horizont konzentriert nach einer Spur der auf dem Radar angezeigten Schiffe ab. Nach nur wenigen Sekunden wurde er fündig. Die Schiffe waren noch weit entfernt und mit bloßem Auge wären sie wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur als kleine Punkte in der Ferne ausmachbar gewesen. Durch das Fernglas jedoch konnte er sie genauer erkennen. Als hätte es ihm einen Stromschlag verpasst, ließ er das Fernglas fallen. Die Größe der Schiffe, die Grün- und Blautöne, in denen die sie gemustert waren, aber vor allem die nicht zu übersehenden, weißen Segel, auf denen sich ein nur allzu bekanntes Symbol befand- es war tatsächlich die Marine, die da mit drei Schiffen auf sie zusteuerte. Und das bestimmt nicht mit friedlichen Absichten. Langsam schritt er rückwärts, wandte dabei den Blick nicht von der näherkommenden Bedrohung ab. Er wusste, dass die Schiffe nicht einfach zufällig hier sein konnten. Nicht drei von denen auf einmal, die dann auch noch zielstrebig auf ihr vergleichsweise kleines U-Boot zufuhren. Nein, jemand musste ihnen Bescheid gegeben haben, wohlwissend, was das für Konsequenzen haben würde. Und Penguin wusste, wer es getan hatte. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Aber er konnte sich absolut keinen Reim darauf machen, was Mina damit bezweckte. Wollte sie sie alle ans Messer liefern? Endlich löste er sich aus seiner Starre, drehte sich um und begann sogleich zu rennen. Innerhalb von Sekunden war er an der Außendecktür, welche er aufriss und mit einem lauten Knallen wieder zuschlug. Wie immer, wenn man es eilig hatte, kam ihm der Weg zu Laws Arbeitszimmer unendlich lang vor. Er hoffte, dass sich der Captain dort auch befand, denn grade zählte jede Sekunde, und da war es mehr als hinderlich, wenn er den Captain erst würde suchen müssen. Vollkommen aus der Puste kam er schließlich vor dem Raum an, und trat auch sofort und ohne Anzuklopfen ein. Er wusste zwar, dass sein Captain das überhaupt nicht ausstehen konnte, aber für solche Höflichkeiten war grade einfach keine Zeit da. Penguin konnte gar nicht in Worte fassen, wie erleichtert er war, als er beim Betreten des Raumes seinen Captain am Schreibtisch sitzend vorfand. Er schien bis grade in ein Gespräch mit dem ebenfalls anwesenden Bepo vertieft gewesen zu sein. Beide sahen mich nun an. Während Bepo einen betretenen, beinahe schon traurigen Ausdruck im Gesicht hatte, waren Laws Gesichtszüge selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich hart und gefühllos. Und scheinbar wusste Law genau, was es bedeutete, dass er in seinem Arbeitszimmer auftauchte. „Wir werden angegriffen“, stellte dieser in einem derart nüchternen Tonfall fest, dass es ob der Situation, in der sie sich befanden, schon unheimlich war. Alle Anwesenden wussten, dass dies die endgültige Bestätigung dafür war, dass Mina vorhin tatsächlich die Marine kontaktiert haben musste. „Wie viele Schiffe sind es, und wie viel Zeit bleibt uns noch.“ Seine Miene war wie versteinert. „Es sind drei Schiffe, und ich denke, dass es bei unserer derzeitigen Geschwindigkeit noch etwa fünfzehn Minuten dauern wird, bis sie sich in Schussweite befinden.“ Nun war es an Law zu entscheiden, ob sie kämpfen oder abhauen würden. „Penguin, glaubst du, das U-Boot wird einem erneuten Tauchgang standhalten?“ Penguin war, da in der letzten Zeit so viele krank geworden waren, mit für die Instandhaltung des Schiffs verantwortlich gewesen. Dieses war mittlerweile an einigen Stellen sehr reparaturbedürftig geworden. „Ich denke, dass wenn wir nicht zu tief tauchen, es eigentlich kein Problem darstellen sollte“, antwortete er ihm zögerlich. „In Ordnung. Ich möchte im Moment einem Kampf aus dem Weg gehen, da die Crew krankheitsbedingt nicht voll einsatzfähig ist“, erklärte er seine Absichten. „Und noch einmal den Kurs zu ändern geht nicht, da wir jetzt schon einen Versorgungsengpass haben, wir müssen so bald wie möglich zur nächsten Insel gelangen. Wir werden sofort abtauchen. Bepo, gib den anderen Bescheid.“ Als Law nun aufstand, taten es ihm Penguin und Bepo gleich. Letzterer war bereits an der Tür, als Penguin sich dazu durchrang, seinem Captain noch die Frage zu stellen, die ihn schon die ganze Zeit über beschäftigte. „Aber was passiert nun mit Mina?“, wisperte er. Beinahe greifbare Kälte verbreitete sich im Raum, ihm entging nicht, dass Bepo bei dieser Frage traurig seine Ohren hängen ließ, ehe dieser den Raum verließ, „Sie hat die Grenzen des Duldbaren weit überschritten“, war alles, was er von Law dazu an Auskunft bekam. Seine Stimme war beängstigend abgestumpft und Penguin lief es kalt den Rücken runter. „Aber darum werde ich mich später kümmern, jetzt müssen wir erst einmal die Marine loswerden.“ Mit diesen Worten wies er Penguin an, sich an die Arbeit zu machen, was dieser auch resigniert machte. Wenn sein Captain Mina nun infolgedessen, was sie getan hatte, fortan so wie Saburo behandeln würde, könnte er nichts dagegen ausrichten. Nachdem die Death abgetaucht war, gelang es ihnen, die drei Schiffe durch Laws Taktik so grade abzuschütteln. Es kehrte Ruhe ein, zumindest in dieser Hinsicht. Denn es sprach sich innerhalb kürzester Zeit herum, was passiert war, und wer dafür verantwortlich gemacht wurde. In den nächsten drei Tagen heizte sich die Stimmung gegen Mina immer weiter auf, und den Captain hatte Penguin seitdem auch nicht mehr gesehen, nicht einmal zu den Mahlzeiten. Heute Abend würden sie aller Voraussicht nach an der nächsten Insel anlegen, was auch langsam Zeit wurde. Der gesamten Crew fiel im U-Boot so langsam sprichwörtlich die Decke auf den Kopf, und dadurch, dass sie so lange auf so engem Raum zusammen waren, verschlechterte sich die Stimmung, die durch die aktuellen Geschehnisse sowieso miserabel war, noch zusätzlich. Obwohl bereits drei Tage vergangen waren, konnte Penguin noch immer nicht glauben, was Mina getan hatte. Wo kam nur dieser Hass her, den sie der Crew entgegenbrachte? Bis jetzt hatte er versucht, sich aus der Sache einfach rauszuhalten. Und das bekam er die ersten drei Tage auch hin. Bis er am dritten Tag beim Mittagessen etwas mitbekam, was ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Er saß wie immer mit Shachi zusammen an einem Vierertisch, Hunger hatte er keinen. Gedankenverloren betrachtete er den gegenüberliegenden Sitzplatz, der wie immer in den letzten Wochen unbesetzt blieb. Mina war schon seit Ewigkeiten nicht mehr beim Essen gewesen. „Hey, hast du keinen Hunger?“, wurde er nun von seinem Sitznachbarn Shachi aus seinen Gedanken geholt. „Ähm… Nein, mir ist schlecht“, redete sich Penguin raus. Er hatte grade absolut keine Lust, sich zu unterhalten. „Achso. Wenn der Captain wieder besser drauf ist, kannst du ihm ja nach nem Medikament dagegen fragen.“ Nach ein paar Sekunden des Schweigens fügte dieser noch hinzu: „Wenn du nichts essen willst, kann ich dann deine Portion haben?“ Er nickte nur und war dabei, wieder wegzudösen, als ihn eine Stimme vom Nachbartisch aufhorchen ließ. „… als ob ich der auch noch Essen bringen würde, nach dem, was sie gemacht hat! Wir haben eh kaum noch was an Bord, und ich bin mir sicher, dass der Captain sie an der nächsten Insel sowieso rauswirft!“ Unauffällig wandte er seinen Kopf in die Richtung der Stimme. Er war wenig überrascht, Mītobōru sprechen zu sehen. Als seine drei Tischnachbaren diesem auch noch zustimmten, stieg in ihm die Wut hoch. Ja, Mina hatte wirklich Scheiße gebaut, und auch er war wütend auf sie, aber das ging echt zu weit. „Hey Penguin, hast du das gehört?“, flüsterte ihm nun Shachi von der Seite her zu. „Ja, habe ich. Ich kümmere mich darum“, antwortete er ihm mit gedämpfter Stimme. Er wusste, dass auch Shachi fassungslos und frustriert über das Geschehene war. Auch wenn er es nicht offen zugab, auch ihm war Mina wichtig gewesen, da war sich Penguin sicher. Sie beide hatten bis zuletzt gehofft, dass das Ganze nur ein großes Missverständnis war. Umso größer waren nun die Wut und die Enttäuschung darüber, was sie getan hatte. Penguin wartete noch ab, bis die anderen fertig gegessen hatten und sich wortlos in alle Richtungen verteilten, ehe auch er aufstand und zügig die Kantine verließ. Er wollte nur kurz nachschauen, ob bei Mina alles in Ordnung war. Kapitel 48: ------------ Wenig später bereits befand er sich im hinteren Teil des Schiffes, in dem auch die Arrestzellen waren. Irgendwie schien es immer kälter zu werden, je näher an diese herankam. Dieser Abschnitt des Schiffes wurde zumeist deutlich weniger beheizt als die bewohnten. Normalerweise reichte dies auch vollkommen aus, da beinahe die gesamte Mannschaft Overalls trug, die recht warm waren. Und für gewöhnlich befand sich ja auch niemand in den Arrestzellen. Dass ihm trotzdem so kalt war, konnte nur bedeuten, dass die nächste Insel eine Winterinsel sein würde. Als er sein Ziel erreicht hatte, herrschte erdrückende Stille. Langsam trat er an die erste Zelle heran, in der er Mina vermutete. Zumindest war sie noch in dieser gewesen, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Nun hingegen war die Zelle, wenn man von den Scherben absah, leer. Und genauso verlassen waren auch die darauffolgenden. Stirnrunzelnd ging Penguin weiter. Wo war sie hin? Erst in der letzten Zelle wurde er fündig. Im Schatten der hinteren Ecke von dieser, konnte er eine gegen die Wand gelehnte und in sich zusammengesunkene Gestalt ausmachen. „Mina?“, fragte er vorsichtig. Doch es erfolgte keinerlei Reaktion. Penguin wartete einige Sekunden ab, doch nichts deutete darauf hin, dass sie ihn gehört hatte. Ob er die Zelle betreten sollte, nach dem, was sie beim letzten Mal mit Bepo gemacht hatte? Doch dann gingen ihm Mītobōrus zuvorige Worte erneut durch den Kopf und er erinnerte sich daran, warum er überhaupt hergekommen war. Er wollte lediglich sicherstellen, dass es ihr gut ging. Langsam entriegelte er die Tür und trat ein. Auch darauf reagierte Mina nicht. Schlief sie? Zögernd ging er näher an sie heran und kniete sich anschließend vor ihr hin, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. Wie er es erwartet hatte, schien sie zu schlafen. Ihr Kopf war zur Seite gesunken und so gedreht, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Ich kann nicht glauben, was du getan hast“, flüsterte er, wohlwissend, dass sie ihn wahrscheinlich nicht hörte. Wie in Zeitlupe streckte er seine Hand aus und legte sie an ihre Wange. Sie war eiskalt. Behutsam drehte er ihren Kopf so, dass er in ihr Gesicht blicken konnte. Als er dieses jedoch betrachtete, war er mehr als erschrocken über den sich ihm bietenden Anblick. Mina war leichenblass. Umso deutlicher hoben sich dadurch ihre dunklen Augenringe und ihre eingefallenen Wangen ab. Ihr Gesicht war größtenteils von verkrustetem Blut bedeckt, ihr linkes Auge war blau und geschwollen und ihre Lippe aufgeplatzt. Erst, nachdem bereits einige Sekunden vergangen waren, in denen er sie einfach nur fassungslos angeblickt hatte, fiel ihm auf, dass ein bereits getrocknetes Rinnsal Blut aus ihrem Mund bis zu ihrem Kinn verlief und ihr Kiefer merkwürdig verformt wirkte. Er sah… gebrochen aus. Als er den Kieferknochen vorsichtig abtastete, bestätigte sich dieser Verdacht. Erschüttert strich er ihr eine Strähne ihres kupferroten Haares aus dem Gesicht. Wer war hierfür verantwortlich? Sie war körperlich ohnehin schon geschwächt gewesen, sie anzugreifen war eine Handlung, die an Feigheit nicht mehr zu überbieten war. Hatte Law sie so zugerichtet? Nein, irgendwie konnte er sich das nicht vorstellen. Fakt war, dass sie schlimm aussah. Nicht nur wegen den Verletzungen, sondern auch sonst. Sie war total mager und schwach. Kein Vergleich zu früher… Auch ihr Atem war viel zu flach und verdeutlichte, dass irgendetwas nicht stimmte. Und wenn Mītobōru sagte, dass er ihr nichts zu essen vorbeigebracht hatte, meinte er damit ganz bestimmt auch, dass er ihr auch nichts zu trinken gegeben hatte. Und wenn sie schon seit drei Tagen hier drin war, wäre sie dementsprechend vollkommen dehydriert... Dieser elende Fettsack! „Mina, aufwachen“, versuchte er sie doch noch dazu zu bringen, ihre Augen zu öffnen. Da sie auf seine Worte in keinster Art und Weise reagierte, rüttelte er sie leicht an ihrer Schulter. „Hey, komm zu dir.“ Als er den T-Shirt Stoff an ihrer Schulter berührte, fühlte er, dass er klammfeucht war. Er runzelte seine Stirn. Es hatte zwar in der letzten Zeit öfters geregnet, aber Mina war seit drei Tagen unentwegt in dieser Zelle gewesen. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Wenn das kein Wasser war, dann musste es… Langsam hob er seine Hand, nur um dann feststellen zu müssen, dass seine Handfläche voller Blut war. Sein Blick richtete sich nun auf ihr T-Shirt. Da das Shirt schwarz war, hatte er es bei den schlechten Lichtverhältnissen zunächst nicht bemerkt, aber an einigen Stellen glänzte der Stoff wegen des Blutes dunkel, besonders an ihrem Oberkörper. Bei ihm schrillten alle Alarmglocken. So langsam glaubte er nicht mehr, dass sie nur schlief… Routinemäßig griff Penguin nach ihrer rechten Hand, um ihren Puls zu fühlen, als er sie reflexartig beinahe wieder losgelassen hätte. Irgendetwas an dieser fühlte sich seltsam an. Bei genauerem Hinsehen konnte er mehrere, teils ziemlich große Splitter in ihrer Hand ausmachen, um die herum sich die Haut entzündet hatte, an einigen Stellen eiterte sie sogar bereits. Die Verletzung schien also schon älter zu sein. Die gesamte Hand mitsamt Gelenk war dick angeschwollen, ein Messen des Pulses war hier unmöglich. Und sie sollte besser dringend verarztet werden… War das niemandem aufgefallen? Nun, die Frage konnte er sich eigentlich selbst beantworten. Allem Anschein nach war nur Mītobōru dafür zuständig gewesen, nach ihr zu gucken, und der hatte das nicht gemacht. Vorsichtig besah sich Penguin nun auch Minas linke Hand. In ihr konnte er keine Splitter erkennen, dafür war sie bläulich angelaufen und merkwürdig steif. Erst jetzt erinnerte er sich wieder daran, dass sie ihren Arm nach dem Giftvorfall ja nicht mehr hatte bewegen können – und scheinbar war dies immer noch der Fall. Auch diese Hand sollte besser in naher Zukunft behandelt werden, denn die blaue Verfärbung war kein gutes Zeichen. Penguin hielt einen Moment lang inne. Irgendetwas störte ihn an dieser Sache. Nur wollte ihm grade partout nicht einfallen, was das war. Gedanklich ging er noch einmal die letzten Tage und Stunden durch. Was hatte er nur übersehen? Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, wusste er es. Doch es warf nur noch mehr Fragen auf. Es war etwas an der von Mītobōru ihm gegenüber getätigten Aussage, dass ihn stutzig werden ließ. „Als ich vorhin an Deck gegangen bin, habe ich sie an der Reling stehen gesehen. Das kam mir mehr als seltsam vor, weil draußen ein Sturm tobte. Sie hatte in der einen Hand eine Teleschnecke und in der anderen Hand eine Karte. Ich bin dann näher herangegangen.“ Genau das hatte Mītobōru ihm gesagt. Aber es ergab keinen Sinn. Was wurde hier für ein Spiel gespielt? Warum behauptete Mītobōru, dass Mina in einer Hand die Karte und in der anderen die Teleschnecke gehabt hatte, wenn sie ganz eindeutig die eine Hand gar nicht und die andere nur sehr eingeschränkt benutzen konnte? Und wenn Mina es nicht getan hatte, wieso widersprach sie dieser Anschuldigung dann nicht? Irgendwas war an der Sache doch eindeutig faul. Aber das herauszufinden war Sache des Captains. Und zu dem würde er Mina jetzt wohl bringen müssen, denn sie brauchte dringend medizinische Versorgung. Hoffentlich hatte sich dessen Laune inzwischen verbessert. Behutsam legte er seinen Arm um ihren Körper und hob sie hoch. Sie fühlte sich an wie ein Eisklotz. Jetzt musste er nur noch herausfinden, wo sich sein Captain gerade aufhielt. Unschlüssig blieb Penguin stehen. In Laws Kajüte brauchte er erst gar nicht nachzusehen. Dieser hielt sich zumeist in seinem Arbeitszimmer auf, und wenn er dort einmal nicht war, fand man ihn eigentlich immer im Behandlungsraum. Law war ein echter Workaholiker, was man ihm anhand seiner Augenringe auch mehr als deutlich ansah. Er entschied sich, zuallererst im Arbeitszimmer nachzusehen. Als er sich mit Mina in den Armen umwandte, um die Zelle zu verlassen, fielen ihm die Blutspritzer an der Zelleninnenwand auf. Auch auf dem Boden befand sich getrocknetes Blut, und von dort aus verlief eine Spur von ebendiesem dorthin, wo Mina bis grade gesessen hatte. Er war zuvor so auf sie fixiert gewesen, dass er alles andere ausgeblendet hatte. Es war ein übelkeiterregender Anblick. Was war hier nur vorgefallen? Er wandte seinen Blick ab und verließ eiligen Schrittes die Zelle und auch den Gang. Er wollte sich auf dem allerschnellsten Wege zu seinem Captain begeben. Doch so weit kam er gar nicht. Er hatte grade etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als ihm derjenige über den Weg lief, den er grade am allerwenigsten gebrauchen konnte. Mītobōru. Penguin hatte ihn überhaupt nicht kommen gesehen, da er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Erst als er nur noch gut zwei Meter von ihm entfernt war, bemerkte er ihn. Da Mītobōru unvermittelt vor ihm stehen geblieben war, wäre Penguin beinahe gegen ihn gelaufen. Er versuchte ihn, trotz dem unguten Gefühl, das ihn überkam, einfach nicht zu beachten und wollte an ihm vorbeigehen. Doch Mītobōru hielt ihn am Arm fest und baute sich vor ihm auf. Er schien aufgebracht zu sein. Doch wahrscheinlich war er nicht einmal halb so wütend, wie Penguin es auf ihn war. Doch er hatte jetzt absolut keine Zeit, sich mit diesem zu beschäftigen, da er Mina wirklich dringend zu Law bringen musste. Mit zu Schlitzen verengten Augen fixierte Mītobōru zunächst ihn, ehe er seinen Blick über Mina wandern ließ. Ein düsterer Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Wo willst du mit ihr hin?“, knurrte er auch schon. „Zum Captain. Sie braucht medizinische Versorgung“, antwortete er ihm knapp und wollte sich aus dessen Griff entwinden. Doch dieser verstärkte sich lediglich noch. „Du hilfst dieser Mörderin auch noch?“ „Du willst doch nur nicht, dass der Captain erfährt, dass du ihr in der ganzen Zeit über keine Nahrung gebracht hast, weil du dann Ärger bekommen würdest!“, konterte er. „Wenn du ihm nur ein Sterbenswörtchen davon verrätst… “, begann sein Gegenüber zu drohen. „Darum geht es mir grade gar nicht, Mina ist stark dehydriert und verletzt, wenn ich sie nicht schnell zum Captain bringe-“ „Glaubst du, sie hat damals auch nur eine Sekunde gezögert, Kōri sterben zu lassen?“ „Nimm deine Wixgriffel weg und lass mich durch, sonst setzt es was!“ Penguin war auf hundertachtzig. Er konnte es nicht fassen, was er grade gehört hatte. Das hieß, Mītobōru hatte es in Kauf genommen, dass sie starb? Tatsächlich wurde er losgelassen. „Wenn du dich jetzt auf ihre Seite schlägst, wirst du das noch bereuen“, setzte er seine Drohung fort. „Ich schlag mich nicht auf ihre Seite! Aber ich werde sie in diesem Zustand auch nicht so liegen lassen!“ Mit diesen Worten lief er einfach an ihm vorbei, ohne zurückzusehen oder auf die Aufforderungen des anderen zu hören, dass er stehen bleiben solle. „Penguin warte, der Captain wird dir eh nicht glauben, du hast keine Beweise! Außerdem müssen wir als Crew zusammenhalten!“ Doch er setzte seinen Weg fort, nur den einen Gedanken im Kopf habend: Er musste Mina zu Law bringen, der würde das alles wieder hinbekommen, immerhin war er Arzt. Mit den Nerven inzwischen vollkommen am Ende, kam er schließlich bei Laws Arbeitszimmer an. Beim Laufen hatte er bemerkt, dass sich sein weißer Mannschaftsoverall mit ihrem Blut vollsog. Mist, in was für ne kranke Scheiße war er jetzt schon wieder hineingeraten? Es blieb nur zu hoffen, dass sein Captain auch da war. Langsam drückte er die Klinke herunter. Frustriert musste er feststellen, dass abgeschlossen war. Verdammte Scheiße! Innerlich fluchend wandte er sich ab, um es als nächstes im Behandlungsraum zu versuchen. Im Eiltempo, um ja keine Zeit zu verlieren, begab er sich auf den Weg dorthin. Eigentlich war der Behandlungsraum von Laws Arbeitszimmer nur maximal zwei Gehminuten entfernt, aber grade kam ihm die Strecke vor wie eine Ewigkeit. Als er irgendwann Schritte hinter sich vernahm, ging er fest davon aus, dass er schon wieder Mītobōru an der Backe kleben hatte, weshalb er sein Tempo noch steigerte. Gleichzeitig musste er darauf achten, dass Mina beim Laufen nicht zu sehr durchgeschüttelt wurde. „Penguin, warte!“ Shachis Stimme erkennend, drehte er sich beim Laufen um und blieb stehen. Sogleich hatte dieser ihn eingeholt und sog zischend die Luft ein, als er Mina sah. „Was ist passiert?“, fragte er entsetzt, während er sie mit geweiteten Augen anstarrte. „Ich weiß es nicht, aber sie ist verletzt und ich finde den Captain nicht!“ „Ich habe ihn grade eben noch gesehen, ich glaube er hat die Lagerbestände geprü-“ „Shachi, du musst ihn sofort suchen und ihm sagen, dass er sofort in den Behandlungsraum kommen soll!“ „Mach ich“, antwortete dieser nur und war schon in die entgegengesetzte Richtung losgelaufen. Scheinbar hatte auch er den Ernst der Lage erkannt. Penguin war froh, dass dieser ihm half, ohne darauf zu herumzureiten, was Mina in der letzten Zeit alles getan hatte. Irgendwie war es logisch, dass Law grade die Lage überprüfte, schließlich mussten sie ebendiese heute Abend an der nächsten Insel auffüllen. Kurze Zeit später war er bereits am Behandlungsraum angelangt, welcher zu seiner Erleichterung nicht abgeschlossen war. Beim Eintreten macht er das Licht an und stellte fest, dass sich niemand im Raum befand. Es schien Glück gewesen zu sein, dass er Shachi getroffen hatte, denn wenn er seinen Captain jetzt erst hätte suchen müssen, hätte das vermutlich ewig gedauert. Behutsam legte er Mina auf der Behandlungsliege ab. Sie wirkte, soweit das überhaupt möglich war, noch blasser als zuvor. Jetzt erst sah er, dass auch er selbst voller Blut war. Aber es war nicht seines… Und es war so viel, konnte Mina so einen Blutverlust überhaupt wegstecken? Sie sah grade so zerbrechlich aus wie Porzellan… Außerdem waren ihre Lippen blau angelaufen. Wieso waren sie plötzlich blau? Er war heillos überfordert mit der Situation. Nervös lief er auf und ab. Wo blieb sein Captain? Er hatte gewusst, dass es Mina ohne Nahrung nicht grade gut gehen würde, deshalb hatte er nach ihr geguckt und er hätte ihr später auch noch was vorbeigebracht, aber mit so etwas hatte er ganz sicher nicht gerechnet. Kopfschüttelnd schloss er sie an das EKG und das Pulsoximeter an, um schon einmal ihre Vitalwerte zu überprüfen. Erschrocken stellte er fest, dass ihr Herz kaum noch und unregelmäßig schlug, wodurch ihre Sauerstoffsättigung und ihr Puls viel zu niedrig waren. Als er Schritte auf dem Flur hörte und nur Sekunden später die Tür aufgerissen wurde, schnellte sein Kopf sofort in diese Richtung. Er sah, wie sein Captain dicht gefolgt von Shachi den Raum betrat. Dieser hatte eine unergründliche Miene aufgesetzt, während er ohne zu zögern an die Behandlungsliege herantrat. Scheinbar hatte Shachi ihn bereits grob darüber informiert, was ihn hier erwarten würde, denn er wirkte nicht überrascht, Mina zu sehen. „Was ist vorgefallen“, fragte dieser ihn direkt. Unterdessen zog er sich Untersuchungshandschuhe an. Das war etwas, was Penguin an seinem Captain wirklich schätzte. Er nahm seine Aufgabe als Arzt der Crew ernst und behielt eigentlich immer einen kühlen Kopf. „Ich weiß es nicht genau, sie war schon verletzt, als ich sie gefunden habe. Ihr Kiefer scheint gebrochen zu sein und da war überall Blut, und… sie hat seit Tagen nichts getrunken oder gegessen. Sie reagiert auch überhaupt nicht.“ Law, der angespannt zwischen dem EKG-Monitor, dem Pulsoximeter und Mina hin- und hersah, während er sie untersuchte und scheinbar den Schweregrad ihrer Verletzungen einzuschätzen versuchte, antwortete ihm nicht. Als er jedoch in das Gesicht seines Captains blickte, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Law war normalerweise durch so gut wie gar nichts aus der Ruhe zu bringen, doch nun waren seine Augen merklich geweitet und seine Lippen zusammengepresst, während er den Blick nicht von seiner Tochter abwandte. Penguin erstarrte auf der Stelle. Wenn selbst Law als erfahrener Arzt so dreinblickte, musste das was heißen. Es schien, als sei die Situation noch ernster als er geglaubt hatte… „Captain, was is-“ „Wir müssen sofort operieren, sonst wird sie an Multiorganversagen ster-“ Sie alle verstummten sofort, als das EKG einen ununterbrochenen, schrillen Ton von sich gab. Jeder Einzelne wusste, was dieses Geräusch bedeutete. Ihr Herz war stehengeblieben. Kapitel 49: ------------ Es war diese eine Sekunde, in der sie alle wie ohnmächtig auf den Monitor des EKG-Gerätes starrten, die Penguin vorkam wie Stunden, und in der die Stimmung endgültig zu kippen schien. Die schrille Alarmmeldung des Gerätes ging ihm durch Mark und Bein. Nein, das konnte einfach nicht sein… Mit weit aufgerissenen Augen löste er sich aus seiner Starre und wandte seinen Kopf seinem Captain zu. Laws Blick, als das Gerät ihm den Herzstillstand seiner Tochter anzeigte, würde er wohl nie vergessen können. Doch auch dieser besann sich augenblicklich wieder und begann, Reanimationsmaßnahmen einzuleiten. „Penguin, beginn mit der Herzdruckmassage und der Beatmung, und Shachi, hol den Defibrillator aus dem OP-Raum, ich werde sie an das Dialysegerät anschließen und eine isotonische Infusionslösung vorbereiten!“ Im Nachhinein war er mehr als froh darüber, dass zumindest der Captain einen klaren Kopf behalten hatte, denn er selber hätte in diesem Moment überhaupt keine Ahnung gehabt, was er tun sollte. Obwohl er den Ablauf einer Reanimationsmaßnahme in der Theorie eigentlich in- und auswendig kannte, war es etwas ganz anderes, plötzlich und unerwartet damit konfrontiert zu werden. Es war überhaupt nicht vergleichbar mit einer Übung, denn hier hatte man einen lebendigen Menschen vor sich- hier ging es tatsächlich um Leben und Tod… Und grade zählte jede einzelne Sekunde. Hastig trat Penguin näher an Mina heran. Wie automatisch begann er damit, die ihm erteilte Anweisung auszuführen. Unmittelbar, aber dennoch vorsichtig, legte er seine beiden Handballen übereinander mittig auf ihren Oberkörper, und begann durch rasches Eindrücken des Brustkorbes mit der Herzdruckmassage. Dass sich auch ziemlich genau dort ihre Verletzung befand, blendete er zeitweilig einfach aus. Die Priorität lag auf dem Wiederbeleben, um alles andere würden sie sich danach kümmern. Nach dreißigmaliger Wiederholung ging er zur Beatmung über. Behutsam umfasste er Minas Kinn und drehte ihren zur Seite gesunkenen Kopf wieder mittig, um ihn dann nach hinten zu strecken. Für den Bruchteil einer Sekunde geriet er ins Stocken, als er in ihr Gesicht sah. Wenn da nicht das ganze getrocknete Blut wäre, könnte man denken, dass sie einfach nur friedlich schlafen würde, und nicht klinisch tot sei. Er wusste selber, dass es vollkommen absurd und bescheuert klang, aber er würde fast sagen, dass sie… glücklich aussah? Gleichzeitig hätte er sich für diesen Gedanken ohrfeigen können. Ihr Leben hing am seidenen Faden, und er fantasierte sich hier so einen Mist zusammen. Zögernd begann er mit der Mund-zu-Mund-Beatmung, indem er mit einer Hand ihre Nase zuhielt, einatmete, ihren Mund mit seinen Lippen umschloss und dann Luft insufflierte. Als sich dadurch ihr Brustkorb hob, setzte er ab und atmete ein zweites Mal ein, um die Prozedur zu wiederholen. Nach der zweiten Atemspende setzte er die Herzdruckmassage fort. Doch Mina gab nach wie vor keine Lebenszeichen von sich. Wo verdammt nochmal blieb Shachi? Wie aufs Stichwort erschien ebendieser im Raum. Doch Penguin hatte keine Zeit, sich um sein Umfeld zu kümmern, er konzentrierte sich vollstens darauf, die Herzdruckmassage auszuüben. Erst, als sein Captain die Elektroden des Defibrillators befestigt hatte, und ihn anwies, zurückzutreten, hielt er in seinem Tun inne. Er wusste, dass der Defibrillator nun die letzte Chance war, Mina ins Leben zurückzuholen. Während das Gerät mehrere Tausend Volt durch ihren Körper schickte, wandte er seinen Kopf ab und starrte verbissen auf die EKG-Anzeige, fest darauf hoffend, dass die derzeitig angezeigte Nulllinie verschwinden würde. Doch er wartete vergebens. Ruckartig wandte er seinen Blick wieder seinem Captain zu, welcher nicht minder fassungslos aussah- ein bei ihm äußerst seltener Anblick. Nur zu gut wussten alle Anwesenden, dass die Chance, einen Menschen reanimieren zu können, mit jedem Versuch sank. Und bereits nach drei Minuten nahm dieser irreversible Schäden. Als ein erneuter Stromstoß ihren kleinen, schmächtigen Körper durchzuckte, fühlte er sich, als würde er selber unter Strom stehen. Es musste einfach klappen… Doch nachdem sich auch dieses Mal an den Werten des EKG-Gerät nichts veränderte, sah er frustriert zu Boden, die Hände zu Fäusten geballt und zwang sich, ruhig zu bleiben. Das konnte einfach nicht wahr sein… Nur Sekundenbruchteile später verstummte das dauerhafte Piepen. Er dachte zuerst, dass Law die Maschine abgeschaltet hatte, bis er ein in deutlich länger auseinanderliegenden Intervallen ertönendes Piepen vernahm. Ungläubig sah er hoch. Ihr Herz schlug wieder, wenn auch nur schwach. Er wusste, dass die Erleichterung, die er verspürte, eigentlich vollkommen fehl am Platz war, da es nach wie vor nicht sicher war, ob Mina überleben würde, sie war immerhin schwer verletzt und es lag noch ein ziemliches Stück Arbeit vor ihnen. Aber es bestand Hoffnung darauf, dass sie es schaffen konnte. Wie er jedoch mit einem Blick zu seinem Captain feststellen musste, zeigte dessen Mimik keine Spur von Erleichterung. Angespannt betrachtete er die geringe Herzkurve auf dem Monitor. „Wir werden sie hier operieren, ein Transport in den OP-Saal kostet Zeit, die wir grade nicht haben. Penguin, bereite die Intubationsnarkose vor, und Shachi, hol eine Blutkonserve Gruppe Null, Rhesusfaktor negativ.“ Während er redete, begann er bereits, ihre Wunde zu untersuchen. Penguin erhielt erst jetzt einen Blick auf die zahlreichen, blau-, grün- und gelbgefärbten Hämatome, die überall auf ihrem Oberkörper verteilt waren und sich deutlich von der blassen Haut abhoben. Er war sich sicher, dass wenn er herausfinden sollte, wer dafür verantwortlich wäre, er diesem genau dasselbe antun würde. Aber erst einmal mussten sie Mina am Leben erhalten. Mit großer Vorsicht brachte er den Tubus für die Narkose und die Beatmung, da ihr Kiefer verletzt war, über die Nase in der Luftröhre an. „Captain, Narkose und Beatmung sind gesichert.“ „Bluttransfusion auch“, vernahm er Shachis Stimme. „Dann lasst uns keine Zeit mehr verlieren. Wir kümmern uns zuerst um die kritischen Verletzungen, alles andere ist zweitrangig“, wies er sie an. Penguin fragte sich wirklich, wie sein Captain es schaffte, in einer solchen Situation so ruhig zu bleiben. Hatte er zuvor gedacht, dass mit dem vorhin erlittenen Herzstillstand das Schlimmste überstanden gewesen sei, musste er im Nachhinein feststellen, dass er sich geirrt haben sollte. Erst knappe zwei Stunden später konnten sie die OP abschließen. Es war zu mehreren Komplikationen gekommen. Zunächst hatten sie feststellen müssen, dass sich um die aufgegangene Wunde herum Nekrosen, also Gewebeschäden durch abgestorbene Zellen, gebildet hatten, welche sie entfernen mussten. Zudem hatte sich die Wunde entzündet, an ein Nähen war erst zu denken, wenn die Entzündung verheilt war. Bei ihrem Kieferbruch stießen sie auf die nächste Problematik. Normalerweise musste ein solcher innerhalb von 48 Stunden behandelt werden, um die volle Funktionalität von diesem wiederherstellen zu können. Jedoch war bereits mehr Zeit vergangen, und der Kiefer lief Gefahr, schief zusammenzuwachsen. Die Ursache, weshalb ihr Arm blau war, hatten sie noch nicht gefunden, und ihr anderer Arm war durch die Entzündungen nach wie vor stark angeschwollen. Grade, als sie dachten, ihr Kreislauf sei auf dem Weg, einigermaßen stabil zu werden, fing das EKG-Gerät an, verrückt zu spielen, und dann ging auch noch das Blut für die Transfusion aus. Penguin war froh, als sie Mina nach der OP vorsichtig in eines der Krankenbetten im Nebenraum legen konnten. Sie verschwand beinahe völlig zwischen den schier unzählbar wirkenden Schläuchen und Geräten, an die sie angeschlossen war. Erst jetzt blieb ihnen Zeit, zu realisieren, was hier grade überhaupt abgelaufen war. Nachdem sie bereits eine ganze Weile lang einfach nur schweigend dagestanden hatten, wandte sich Law schließlich zu ihnen um. „Ich liege doch richtig in der Annahme, dass es Mītobōru war, der ihr keine Nahrung gebracht hat?“ Es klang weniger nach einer Frage als vielmehr nach einer Feststellung, die er nur noch einmal bestätigt haben wollte, was Penguin auch tat. „Ja, Captain.“ „Der Kerl hat doch Dreck am Stecken, erst lügt er mich an, und jetzt das…“, knurrte Law. Penguin wurde hellhörig. Sein Captain wusste bereits, dass an Mītobōrus Aussage etwas nicht stimmte? „Shachi, hol umgehend Bepo nach hier, er müsste grade bei den Lagern oder in seine Kajüte sein.“ Der Angesprochene setzte sich sofort in Bewegung, Sekunden später war er außer Sichtweite. Erneut erfüllte Schweigen den Raum. Penguins Blick richtete sich wieder auf Mina. Sie war noch genauso blass wie zuvor. „Wird sie durchkommen?“, hörte er sich selbst mit einer ihm fremd klingenden Stimme fragen. Mit einem Seitenblick stellte er fest, dass auch Law seine Tochter anblickte. „Ich habe alles getan, was mir möglich war. Jetzt müssen wir abwarten. Aber selbst wenn sie aufwacht, kann sie durch den Herzstillstand dauerhafte gesundheitliche Schäden davongetragen haben.“ Penguin hätte ein eindeutiges „Ja“ deutlich besser gefallen, aber er wusste selber, dass sie froh sein konnten, dass Mina überhaupt noch lebte. Für einen kurzen Moment herrschte Stille zwischen den beiden, ehe Penguin sich zu einer weiteren Frage durchrang: „Aber ich verstehe das nicht, wieso hatte sie auf einmal einen Herzstillstand? Ich meine, natürlich war sie schwer verletzt, als ich sie gefunden habe, aber… Die Wunde war doch nicht tödlich, und der Kieferbruch auch nicht?“ „Die Verletzungen waren auch nicht der Grund für den Herzstillstand, sie waren höchstens ein verstärkender Faktor dafür, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Die eigentliche Ursache für diesen war, dass Mina so stark dehydriert gewesen ist. Also, um es kurz zu fassen, wenn ein Mensch schon längere Zeit lang nichts mehr getrunken hat und dementsprechend dehydriert ist, kommt es, sofern keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, irgendwann zum totalen Nierenversagen. Da ohne die Nieren die Entgiftung des Körpers nicht mehr funktioniert, steigt nicht nur die Konzentration von Giftstoffen, sondern auch die von Kalium. Diese Hyperkaliämie verursacht bereits nach kurzer Zeit Herzrhythmusstörungen und eine Verlangsamung des Herzschlages, schlussendlich kommt es dann zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Ein gesunder Mensch hält es im Normalfall drei Tage ohne Wasser aus. Wenn Mina tatsächlich so lange nichts mehr getrunken hatte, ist es schon ungewöhnlich, dass sie das in ihrem Zustand überhaupt so lange überlebt hat, besonders, weil sie zusätzlich noch so viel Blut verloren hat.“ Der Tonfall seines Captains war zum letzten Satz hin so bitter geworden, dass es ihm kalt den Rücken runter lief. Gleichzeitig ließ dieser dunkel erahnen, was grade in seinem Captain vor sich ging. Auch wenn er seine Gefühle wie immer unter Verschluss hielt, war nicht schwer zu erkennen, dass er unglaublich wütend war. Als Schritte auf dem Flur zu vernehmen waren, wandten sie beide den Kopf in Richtung der Tür. „Penguin, ich muss nachher noch mit dir ein Einzelgespräch führen. Komm nach dem Abendessen wieder nach hier, aber unauffällig.“ Diese Worte kamen für ihn mehr als überraschend, er hatte keinen blassen Schimmer, worum es ging- aber beruhigend war diese Aussage nicht grade. Hatte er irgendwas verbrochen? Sein Captain sah ihn nicht an. „Ja, Captain“, bestätigte er noch, dass er ihn verstanden hatte, als auch schon die Türe aufging und Shachi, dicht gefolgt von Bepo, eintrat. Irritiert sah letzterer sich um. Scheinbar wusste er nicht, warum er herbeordert worden war. „Captain, wieso-“ Bepo verstummte, als er die Gesichtsausdrücke der Anwesenden sah. Dann erst fiel sein Blick auf Mina. Langsam trat er näher an diese heran. Selbst er schien zu verstehen, dass etwas Ernstes passiert war. Eine ganze Weile lang betrachtete er ungläubig das sich ihm bietende Bild, dann drehte er sich mit entsetztem Gesicht um. Die Frage, die er stellte, war nicht besonders förderlich für die ohnehin schon mehr als angespannte Stimmung: „Ca-Captain, hast du sie etwa so zugerichtet?“ Kapitel 50: ------------ Bepo merkte sofort, dass er etwas Falsches gesagt haben musste, als sich, nachdem er die Frage gestellt hatte, auf dem Gesicht seines Captains blanke Wut abzeichnete. „Bepo. Darf ich dich fragen, was dich zu dieser Annahme verleitet?“ Laws Stimme war deutlich unterkühlt. Es war selten, dass er so mit seinem Vizen redete. Beinahe bedrohlich trat er näher auf diesen zu. Und Bepo trat gleich mehrere Meter zurück. „Ähhm, entschuldige Captain-“ setzte dieser sogleich vollkommen eingeschüchtert zu einer Entschuldigung an. „Ich hab dir ne Frage gestellt“, knurrte er. Seine Augen blitzten gefährlich auf. „Naja, als vor ein paar Tagen diese Sachen passiert sind, da warst du so sauer auf sie, Captain. Also… Ich dachte…“ Bepo schien sich mehr als unwohl in seiner Rolle zu fühlen. „Du dachtest, dass ich meine Tochter zusammenschlage, und sie dann tagelang ohne Wasser oder Nahrung sich selbst zu überlassen, nur um sie dann reanimieren zu müssen, weil sie wegen fortgeschrittener Dehydration einen Herzstillstand erlitten hat?“ Laws Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. „Was?! N-Nein, Captain, glaub mir, das wusste ich nicht! Entschuldigung, ich habe mich nur so erschrocken, als ich sie gesehen habe…“ Law sah ihn noch für einen Moment mit unergründlicher Miene an, ehe er seinen Blick von ihm abwandte und stattdessen wieder mit versteinertem Ausdruck Mina betrachtete. „Bepo, mach dich ausnahmsweise mal nützlich und sperr diesen Vollidioten Mītobōru in eine Zelle, ich kümmere mich nachher um ihn“, murrte er mit nur allzu deutlicher schlechter Laune. Bepo verließ niedergeschlagen den Raum. Normalerweise verhielt sich Law dem Vizen gegenüber nicht einmal bei mieser Stimmung so. Penguin hätte in diesem Moment nur zu gerne gewusst, was in seinem Captain vorging. „Und ihr beiden“, wandte er sich nun an Penguin und Shachi, „sagt mir jetzt mal, was überhaupt passiert ist.“ „Das wüsste ich auch gerne, als ich Penguin auf dem Flur getroffen habe, war Mina nämlich schon in diesem Zustand“, meldete sich nun sein Kajütennachbar Shachi zu Wort. „Also, Penguin?“ Law klang ungeduldig und gereizt. Und das monotone Piepen des EKG -Gerätes sorgte für zusätzliche Anspannung im Raum. Der Angesprochene war zunächst etwas überfordert, als ihn mit einem Mal beide ansahen. Für einen kurzen Moment lang wusste er gar nicht mehr, was überhaupt passiert war, in Gedanken war er noch voll und bei dem, was in den letzten Minuten geschehen war- sie hatten grade immerhin Mina wiederbeleben müssen! Doch nachdem er sich bemühte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, fiel ihm wieder ein, wie es überhaupt zu dieser Situation gekommen war. „Also… Es hat damit angefangen, dass ich vorhin beim Mittagessen mitbekommen habe, wie Mītobōru herumposaunt hat, dass er Mina entgegen deiner Anweisung kein Essen bringen würde, weil es seiner Meinung nach eine Verschwendung wäre, da du sie an der nächsten Insel wahrscheinlich ohnehin rauswerfen würdest. Ich bin dann nach dem Essen zu ihr gegangen, weil ich nachsehen wollte, ob bei ihr alles in Ordnung ist. Ich meine, ich weiß, dass sie Scheiße gebaut hat, aber Mītobōrus Aktion ging mir wirklich deutlich zu weit. Als ich dann bei ihr war, habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Also, zuerst dachte ich, dass sie nur schläft, aber dann habe ich die Verletzungen und all das Blut gesehen, und sie hat nicht reagiert- ich meine, nicht nur ihr Gesicht war voll davon, sondern auch ihr Shirt und die Zelle wies auch Blutspritzer auf, außerdem war sie eiskalt… Da habe ich sie hochgehoben und wollte sie schnellstmöglich zu dir bringen, Captain. Aber auf dem Weg ist mir dann Mītobōru begegnet, und er wollte nicht, dass ich Mina ärztlich versorgen lasse. Er meinte, dass sie eine Mörderin sei und ich ihr deswegen nicht helfen solle, und…“ Penguin musste einen Moment lang nachdenken. Das Gespräch mit Mītobōru schien ihm eine Ewigkeit her zu sein. Zudem ging es ihm schon seit heute Morgen nicht besonders gut, immer wieder wurde ihm schwindlig, weshalb er sich grade gegen die Wand lehnte. „Er sagte noch, dass ich es bereuen würde, wenn ich mich auf ihre Seite schlagen würde, dass ich keinerlei Beweise hätte und dass du mir eh nicht glauben würdest.“ Er machte eine kurze Pause und sah seinen Captain an. Dieser blickte finster und mit vor der Brust verschränkten Armen zurück. Verunsichert sah Penguin zu Shachi, welcher beinahe genauso dreinblickte. „Jedenfalls habe ich Mītobōru stehen gelassen und dann versucht, dich zu finden. Aber du warst nicht in deinem Arbeitszimmer, deshalb wollte ich es als nächstes im Behandlungsraum versuchen. Dann ist mir Shachi über den Weg gelaufen, und wir haben uns darauf verständigt, dass ich Mina in den Behandlungsraum bringe und er dich suchen geht.“ „Ist das alles, was du weißt?“ „Nein, da ist noch etwas. Als Mītobōru vor drei Tagen bei mir im Navigationsraum war, um mir zu sagen, dass ich die Monitore im Auge behalten solle, hat er mir gesagt, dass Mina ihn und Bepo angegriffen hätte und dass du davon ausgehen würdest, dass sie die Marine kontaktiert habe, weil er sie an Deck dabei erwischt habe. Dabei hat er mir gegenüber aber geäußert, dass Mina eine Karte in der einen und eine Teleschnecke in der anderen Hand gehabt hätte. Aber das kann nicht stimmen, weil-“ „-Sie ihre linke Hand nicht benutzen kann, und, wie wir nun festgestellt haben, ihre rechte auch verletzt ist“, beendete er seinen Satz. Penguin war wirklich überrascht, dass sein Captain über diese Tatsache bereits in Kenntnis gesetzt war. „Woher weißt du das?“, fragte er deshalb noch einmal nach. „Erstens bin ich hier der behandelnde Arzt an Bord und weiß dementsprechend über Minas Verletzungen Bescheid, und zweitens merke ich es, wenn man mich anlügt. Mir kam an Mītobōrus Aussage direkt etwas seltsam vor. Aber ich bin, beziehungsweise tue es immer noch, davon ausgegangen, dass, wenn Mina die Marine nicht kontaktiert hätte, sie die Vorwürfe abgestritten hätte. Das hat sie nicht getan. Ich habe Mītobōru dann gestern auf die Unstimmigkeit mit Minas Arm angesprochen, und er meinte, dass er sich vielleicht vertan gehabt hätte.“ „Vertan? Captain, vielleicht hat er sich das Ganze auch nur ausgedacht!“ „Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen. Aber irgendwer muss ja der Marine unseren Standpunkt durchgegeben haben, und Mina wollte sich zum Sachverhalt nicht äußern. Fakt ist, Mītobōru beharrt auf seiner Aussage, obwohl ich weiß, dass er mich in einigen Punkten ganz eindeutig angelogen hat. Auch kann ich mir auch nicht so ganz erklären, woher Mina die Teleschnecke gehabt haben soll, denn die, die wir an Bord haben, sind noch alle da.“ „Aber wieso hätte Mina die Marine kontaktieren sollen? Ich verstehe das nicht…“ „Glaub mir, ich bin da nicht schlauer als du. Aber aus der Crew hätte genauso wenig jemand ein Motiv. Und wenn man bedenkt, was sie und Saburo-“ „Aber Captain, ich habe mitbekommen, dass Mītobōru Mina um jeden Preis von Bord haben will. Und dass er sie hätte verdursten lassen und mich anschließend davon abhalten wollte, sie verarzten zu lassen, zeigt meiner Meinung nach, dass er vor nichts zurückzuschrecken scheint. Er war auch überhaupt nicht überrascht, als sie verletzt war. Was ist, wenn er das alles inszeniert hat, um sie loszuwerden? Ich meine, was wäre, wenn er Mina verletzt hat und der Marine unseren Standpunkt durchgegeben hat, damit du Mina von Bord wirfst?“ Bevor Law ihm darauf jedoch überhaupt antworten konnte, erhielt Penguin Einspruch gegen seine Aussage von einer Person, von der er so ziemlich als letztes erwartet hätte, dass sie ihm in den Rücken fallen würde. Ausgerechnet sein langjähriger Kumpel Shachi wandte sich zu ihm und sah ihn mit gerunzelter Stirn an, ehe er zu sprechen begann: „Penguin, ich weiß ja, dass Mītobōru Scheiße gebaut hat. Aber ich glaube eher weniger, dass er deswegen direkt die ganze Crew in eine solche Gefahr bringt, nur, weil er eine Abneigung gegen eines der Crewmitglieder hegt.“ „Ach, aber Mina traust du es sehr wohl zu?“; fragte er angriffslustig. Er wusste selber nicht, wieso er sich mit einem Mal so sicher war, dass Mina nicht die Marine kontaktiert hatte. Es waren einfach zu viele Ungereimtheiten an Mītobōrus Geschichte. Es war das erste Mal seit dem Vorfall mit den drei Schiffen, dass er die Story von ihm komplett infrage stellte. Außerdem konnte er nicht fassen, dass sich Shachi auf dessen Seite schlug. „Also, wenn ich ehrlich bin…“, setzte dieser an. „Shachi, du hast doch gesehen, was mit Mina passiert ist, sie war sogar klinisch tot! Und wir haben beide gehört, wie Mītobōru beim Essen damit rumgeprahlt hat, dass er ihr keine Nahrung bringt!“ „Ich weiß, dass Mītobōru bei der Angelegenheit mit dem Essen komplett falsch gehandelt hat. Aber Penguin, sei doch mal vernünftig, Mina hat in der letzten Zeit so viel Mist verzapft, ich meine, wegen ihr ist ein Crewmitglied gestorben! Ja, wenn ich ganz ehrlich bin, traue ich es ihr zu. Glaub mir, ich habe die letzten Wochen immer gehofft, dass sich das alles als Irrtum herausstellen würde, aber die jetzige Beweislage lässt für mich keinen anderen Schluss mehr zu, als dass Mina bei dieser Sache dahintersteckt. Ich meine, ich bin doch auch froh, dass Mina nicht gestorben ist! Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Mītobōru sich so etwas einfallen lassen hätte, nur, um sie loszuwerden…“ „Es war nicht alleine Minas Schuld, dass Kōri gestorben ist! Ja, sie hat sehr viel getan, was nicht zu entschuldigen ist, aber deswegen darf man sie noch lange nicht für alles verantwortlich machen.“ Wütend funkelte er Shachi an. „Penguin, zum letzten Mal: Mina ist die Einzige in dieser Crew, die überhaupt etwas mit der Marine zu tun hat, immerhin hat sie mit einem Spion von denen zusammengearbeitet! Und genau genommen ist es egal, ob Mina nur eine Teilschuld an Kōris Tod trägt oder die ganze Schuld, Fakt ist, sie ist schuldig! Sie hat mitgeholfen, einen Menschen zu töten, einen unserer Nakama! Dass sie dann auch noch was mit dem Spion anfängt, setzt dem Ganzen noch die Krone auf! Sag mir einen Grund, weshalb sie unsere Crew nicht an die Marine hätte-“ „Sag mal, bist du jetzt komplett gehirnamputiert? Ich dachte, du wärst einer der letzten halbwegs vernünftig Denkenden hier an Bord, aber nein, jetzt hast du dich auch noch von den anderen einseifen lassen! Schalte doch mal dein nicht vorhandenes Gehirn ein!“ „Es reicht ihr beiden!“ Laws Stimme war eiskalt. Tatsächlich verstummten sie augenblicklich. Die Blicke, die er und Shachi sich hingegen zuwarfen, waren düster und sprachen Bände. Was zur Hölle war mit Shachi los? Erneut wandte sich Penguin an seinen Captain: „Aber du weißt doch jetzt, dass an Mītobōrus Geschichte etwas nicht stimmen kann, und er hätte Mina einfach so sterben lassen!“ „Ja, und dafür werde ich ihn zur Rechenschaft ziehen. Bis dahi-“ „Ihn zur Rechenschaft ziehen? Es liegt doch nahe, dass es auch Mītobōru war, der sie verletzt hat! Es reicht nicht, dass du ihn irgendwann zur Rechenschaft ziehst, er hat beinahe Mina getötet, ich würde ihn sofort von Bord werfen!“ „Penguin, ich werde ihn nicht so davonkommen lassen, und wenn er etwas mit ihren Verletzungen zu tun hat, dann werde ich das herausfinden. Aber-“ „Natürlich hat er etwas mit ihren Verletzungen zu tun, Mina wird sich wohl kaum selbst verprügelt haben!“ Er war tierisch gereizt, und der grade einsetzende, pochende Kopfschmerz machte die Sache auch nicht besser. „Penguin. Mäßige deinen Ton und lass mich verdammt nochmal ausreden. Und die Entscheidungen treffe immer noch ich. Und dass Mina sich nicht selbst solche Verletzungen zugefügt haben kann, weiß ich selber. Glaub mir, ich werde aus Mītobōru die Wahrheit rausbekommen. Aber es bringt nichts, jetzt in Wut voreilig zu handeln“, brachte er durch zusammengepresste Zähne hervor. „Doch, grade jetzt sollten wir sofort handeln.“ Penguin verstand absolut nicht, worauf sein Captain noch warten wollte. „Wenn du mir weiterhin widersprichst, handelst du dir ne Strafaufgabe ein.“ „Aber Captain, er-“ „Willst du unbedingt eine Strafaufgabe haben?“ Penguin wollte daraufhin zunächst erneut etwas erwidern, entschied sich dann jedoch um. Seinem Captain gegenüber würde er sowieso den Kürzeren ziehen. Als dieser merkte, dass Penguin ihm nicht mehr widersprach, fuhr er fort: „Ich habe einen Plan, wie wir herauskriegen können, wer der Marine unseren Standort durchgegeben hat.“ Auch wenn Law nach außen hin wieder einigermaßen gefasst aussah, wusste Penguin, dass dieser innerlich auf hundertachtzig war. „Die Insel, an der wir gleich anlegen werden, verfügt über eine kleine Marinebasis. Wenn jemand von diesem Schiff diese Basis kontaktiert hat, wird es dort Aufzeichnungen darüber geben. Ich werde sie mit einem Teil der Crew angreifen und die Aufzeichnungen stehlen, dann wissen wir ganz sicher, ob und wer von den beiden für diesen Mist verantwortlich ist. Außerdem ist es wichtig, dass ihr niemandem von dieser ganzen Angelegenheit erzählt.“ „Und wann werden wir die Marinebasis überfallen?“, fragte Shachi neben ihm. „Wir müssen zuvor abgesichert haben, dass wir danach sofort ablegen können. Das heißt, die Vorräte müssen aufgefüllt und das Schiff repariert sein. Also frühestens in zwei Tagen. Shachi, du wirst beim Abendessen verkünden lassen, dass die Crew sich gegen 19:30 erneut im Speiseraum versammeln soll.“ Der Angesprochene nickte und vermied es stur, Penguin anzusehen. „Captain, wem würdest du eher glauben, dass er nichts mit der Marineangelegenheit zu tun hat? Mina oder Mītobōru?“ Fest und unnachgiebig sah Penguin seinen Captain an. „Ich glaube nicht, dass das relevant sein wird, ich werde nach der Beweislage entscheiden müssen.“ In dem Moment mischte sich Shachi wieder ein: „Penguin, wenn Mītobōru die Marine verständigt hätte, hätte er Law anschließend doch nicht darauf aufmerksam gemacht, das wäre mehr als dämlich. Mina hingegen-“ „Sag mal, wie kannst du dieses Arschloch eigentlich noch verteidigen?“ „Warst du es nicht, der gesagt hat, dass er ihr das mit Kōri nicht verzeihen werden kann?“ „Habe ich auch nicht, okay? Ja, ich habe ihr diese Scheiße nicht verziehen, aber deswegen lasse ich noch lange nicht zu, dass der Idiot sie fast umbringt oder ihr irgendwelchen Mist in die Schuhe schiebt!“ „Du bist so verblendet, Pengui- ey, lass mich sofort los!“ Penguin wusste echt nicht, was mit ihm an diesem Tag los war, dass er so leicht reizbar war. Aber bei Shachis Worten brannte bei ihm endgültig eine Sicherung durch. Wie konnte der aber auch nur so ignorant sein? Er drückte den etwas kleineren Shachi nun mit einer Hand an seinem Kragen gegen die Wand. Das dauerte nur einige Sekundenbruchteile an, als er schon von einer Hand auf seiner Schulter herumgerissen wurde und in die verengten, grauen Augen seines Captains sah. Diesem schien endgültig der Kragen zu platzen. „Penguin, jetzt reichts mir endgültig! Du hast die nächsten zwei Wochen Küchendienst, und wenn so etwas noch einmal vorkommt, gibt’s richtig Ärger! Meine Güte, bin ich hier im Kindergarten gelandet?“ Kühl fixierte er ihn, in seiner Stimme schwang ein bedrohlicher Unterton mit. Shachi sah ihn, als ob er ihm am liebsten eine klatschen würde. Finster starrte er zurück. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte sich Penguin um und verließ den Raum. Er konnte seine Wut auf Shachi gar nicht in Worte fassen. Seit Wochen hatten sie versucht, herauszufinden, warum Mina sich plötzlich so verhielt, und nun gab es Hinweise darauf, dass sie in zumindest einer Sache unschuldig sein könnte, und schon schlug Shachi sich auf Mītobōrus Seite! Sein Captain hatte ihm gesagt, dass er erst später noch mit ihm sprechen wollte. Aufs Abendessen hatte er keine Lust, und er fühlte sich auch nicht wirklich gut. Deswegen entschloss sich Penguin, sich noch eine kurze Weile hinzulegen, vielleicht würde es ihm dann etwas besser gehen. Außerdem hatte er grade absolut keine Lust, sich mit Shachi an einen Tisch zu setzen. Hoffentlich hatte er sich beim nächsten Gespräch mit Law besser unter Kontrolle, sonst könnte das schlecht für ihn enden. Als er nach dem schier endlosen Weg zu seiner Kajüte endlich in seinem Bett lag, war er entgegen seiner Erwartungen direkt eingeschlafen. Kapitel 51: ------------ Beim Aufwachen schmerzte sein Kopf so brachial, als ob er viel zu tief in Glas geschaut hätte - und dabei hatte er definitiv nichts getrunken. Noch dazu war ihm viel zu kalt. Penguin ließ seine Augen zunächst geschlossen, und zog sich murrend die Decke hoch bis zur Nasenspitze. Er schaffte es kaum, einen klaren Gedanken zu fassen, und so träge, wie seine Gedankengänge abliefen, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, ehe ihm wieder bewusst wurde, was vorhin alles passiert war. Der Konflikt mit Mītobōru, der Zustand, in dem er Mina gefunden hatte, der Moment, als plötzlich vor der OP ihr Herz stehengeblieben war, das anschließende Gespräch mit dem Captain und Shachi, der daraufhin folgende Streit mit diesem, und schlussendlich, wie er das Abendessen geschwänzt hatte, weil er sich einfach nur noch scheiße gefühlt hatte, und dann eingeschlafen war. Er war sich sicher, dass er sich beim Rest der Crew angesteckt hatte, der zum größten Teil vor kurzem auch krank gewesen war. Doch auch wenn Penguin sich halbwegs an das vorangegangene Geschehen zurückerinnern konnte, kam es ihm trotzdem so vor, als ob er irgendetwas Wichtiges vergessen hätte. Genervt massierte er sich seine schmerzenden Schläfen, die stetige Wellen pochenden Schmerzes aussandten, ehe er sich mit einem Mal ruckartig aufsetzte. Sein Körper boykottierte diese Aktion mit Schwindel und Übelkeit, doch dies blendete er im ersten Moment gänzlich aus. Jetzt wusste er wieder, was ihm entfallen war - er hatte das Gespräch mit Law total vergessen! Sein Captain hatte ihn doch angewiesen, nach dem Abendessen möglichst unauffällig zu ihm zu kommen ... Wie viel Uhr war es überhaupt inzwischen? Benommen richtete Penguin seinen Blick auf die sich über der Tür befindliche Uhr, und er bekam sogleich den nächsten Dämpfer verpasst. Scheiße, es war schon Viertel nach acht, das Abendessen war schon lange vorbei, und die Crewversammlung wahrscheinlich auch … Der Captain hasste es, wenn man seiner Anweisung nicht nachkam, besonders, wenn sie wichtig gewesen zu sein schien - und das zeigte er einem dann meistens auch. Aber was wollte der überhaupt von ihm? War nicht alles geklärt? Ihm war wirklich nicht nach noch mehr schlechten Nachrichten zumute. Er war kurz davor, sich einfach wieder hinzulegen, und weiterzuschlafen. Er war eh viel zu spät dran, Ärger würde er ohnehin bekommen. Normalerweise war er absolut nicht der Typ dafür, zu spät zu kommen, aber in diesem Moment war er einfach nicht zu gebrauchen - seine Kopfschmerzen schienen ihn zu töten, und sein gesamter Körper fühlte sich an, als ob er unter die Räder gekommen wäre. Ans Aufstehen war für ihn nicht zu denken. „Auch mal wach?“, riss ihn mit einem Mal vollkommen unerwartet eine dunkle, ruhige Stimme aus seinen Gedanken. Penguin bekam fast einen Herzinfarkt, als er realisierte, dass er entgegen seiner bisherigen Erwartung nicht alleine im Raum war. Hastig wandte er seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war – nur, um dann noch einmal fast einen Herzinfarkt zu erleiden. Sein Captain stand neben dem kleinen Bullauge, durch das man normalerweise aufs Meer blicken konnte, gegen die Wand gelehnt da, und blickte alles andere als freundlich drein. Im Gegensatz zu zuvor sah er jedoch weniger wütend, als vielmehr müde und erschöpft aus, und seine dunklen Augenringe standen denen von Mina in nichts nach – da merkte man echt die Verwandtschaft der beiden. Manchmal fragte er sich wirklich, ob so etwas wie Augenringe nicht doch vererbbar waren. Noch während er seinen Captain anstarrte, als ob er einen Geist gesehen hätte, stieß dieser sich von der Wand ab, und setzte sich ihm gegenüber auf Shachis leeres Bett.  „Entschuldige, Captain, ich fühlte mich vorhin nicht gut, und ich habe dann wohl irgendwie das Gespräch verpennt“, setzte Penguin zu einer Entschuldigung an. Seine Stimme war ein einziges heiseres Krächzen. Zu seiner Verwunderung schien sein Captain jedoch nicht einmal sauer auf ihn zu sein. „Das habe ich mir schon gedacht“, war alles, was Law daraufhin erwiderte. Er klang genauso müde, wie er aussah. „Ach echt?“, antwortete er intelligenterweise. „Ja. Ein Arzt erkennt sowas.“ „Mh, stimmt.“ „Das erklärt zumindest, weshalb du dich vorhin so zickig verhalten hast“, stellte sein Gegenüber nüchtern fest. „Normalerweise bist du ja nicht so versessen darauf, dir Strafaufgaben einzuhandeln.“ „Sorry Captain, kommt nicht wieder vor“, murmelte er kleinlaut. Penguin konnte nicht verhindern, dass er gähnen musste. Verschlafen sah er seinen Captain an, darauf wartend, dass dieser das Wort ergriff. „Bei der Mannschaftsversammlung habe ich lediglich die Aufgaben verteilt und die Crew wie immer auf die üblichen Verhaltensregeln hingewiesen, du hast also nichts Wichtiges verpasst. Über alle anderen Dinge-“ Er hielt in seinen Ausführungen inne, als Penguin von einem Hustenanfall geschüttelt wurde. Erst, als dieser sich wieder beruhigt hatte, sprach er weiter: „Über alle anderen Dinge sprechen wir, wenn du wieder gesund bist. Wenn ich das richtig sehe, hast du dich bei den anderen angesteckt.“ „Aber sind die nicht größtenteils schon seit ein paar Tagen wieder gesund?“ „Ein grippaler Infekt hat eine Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen.“ Stimmt, die Inkubationszeit hatte er komplett vergessen. Das war die Zeit, die zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch einer Krankheit verging. Dementsprechend hatte er sich wahrscheinlich schon vor ein paar Tagen bei den anderen angesteckt. Vollkommen ohne Vorwarnung legte sein Captain seine Hand auf seine Stirn. Sein Gesicht war konzentriert und nachdenklich. „Erhöhte Temperatur, und wenn ich das richtig einschätze, wird sie auch noch weiter steigen. Ich stell dich erst einmal von jeglichen Aufgaben frei. Du wirst im Bett bleiben, dann solltest du in ein paar Tagen wieder fit sein.“  „Ja, Captain“, brummte er verstimmt. Da legten sie mal nach einer gefühlten Ewigkeit an einer Insel an, und er wurde krank und sollte im Bett bleiben. Perfektes Timing. Wieso sprach er überhaupt von erhöhterTemperatur? Ihm war verdammt kalt. Law sah ihn misstrauisch an. „Die anderen waren überglücklich, als sie nicht arbeiten mussten. Teilweise haben sie sogar so ein Drama draus gemacht, als ob sie wegen dem grippalen Infekt sterbenskrank wären. Und du freust dich nach den Überstunden der letzten Tage nicht einmal über arbeitsfreie Zeit?“ „Hmm“, brummte Penguin nur. Er hatte wenig Lust darauf, die nächste Zeit ohne Beschäftigung verbringen zu müssen, die ihn von den ganzen Vorkommnissen hätte ablenken können. Ja, er fühlte sich grade alles andere als gesund, aber so würde er die ganze Zeit über nachdenken und sich den Kopf darüber zerbrechen, ob und wie sich die Situation in der Crew und vor allem auch Minas Gesundheitszustand veränderte. Natürlich würde er grade letzteres nicht offen zugeben. „Das ist langweilig. Und außerdem will ich mit zur Marinebasis.“ „Ich hätte dich sowieso nicht mitgenommen“ entgegnete sein Captain trocken. „Ey, wieso das denn, ich hab in der letzten Zeit viel trainiert“, schmollte Penguin. „Irgendwer muss doch währenddessen nach Mina gucken, oder?“  Mit dieser Antwort hatte er ehrlichgesagt nicht gerechnet. Law wollte, dass er nach Mina sah, während er weg war? Hoffentlich kam es während seiner Abwesenheit nicht zu irgendwelchen Komplikationen. Nicht wissend, was er darauf erwidern sollte, wechselte er schnell das Thema. „Wann werden wir anlegen?“ „Wir haben schon angelegt, und der Rest der Crew ist grade dabei, Vorräte ranzuschaffen.“ Law war wieder aufgestanden und stand nun mit dem Rücken zu ihm vor dem Fenster. Erneut entschied sich Penguin dazu, das Thema zu wechseln. „Was willst du überhaupt mit mir besprechen?“, fragte er nun heiser. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl bei der Sache. Nie zuvor hatte Law explizit ein Einzelgespräch mit ihm gesucht. Dabei konnte er sich nicht daran erinnern, sich etwas zu Schulden kommen gelassen zu haben. Aber wenn sein Captain ihn wegen irgendetwas zusammenstauchen wollen würde, könnte er das doch auch vor den anderen machen, oder? „Das siehst du dann. Ich werde Bepo anweisen, ab und zu nach dir zu sehen.“ Na super, irgendwie hätte er mit einer solchen Antwort rechnen müssen. Müde ließ er seinen immer schwerer werdenden Kopf ins Kissen zurücksinken. Er hasste es, krank zu sein. Und er hoffte, dass Bepo ihn nicht allzu oft nerven würde. Wobei, der war immer noch besser als Shachi, denn auf den hatte er im Moment überhaupt keinen Bock. Er bekam nicht einmal mit, ob Law noch etwas sagte, denn er war kurz darauf bereits eingeschlafen. Als Penguin das nächste Mal wach wurde, fühlte er sich noch matter als zuvor. Und Laws Voraussage, dass sein Fieber steigen würde, traf leider auch ein. Vollkommen verschwitzt befreite er sich von seiner Decke. Wenn er denjenigen erwischte, der ihn einfach mit seinen dreckigen Bazillen angesteckt hatte… Als er sich mühselig aufrichtete, sah er, dass Shachis Bett nach wie vor leer war. War der etwa schon wach? Die Uhr verriet ihm, dass es bereits 14:30 Uhr nachmittags war. Er hatte den halben Tag verpennt! Und trotzdem war er noch total übermüdet. Genau genommen, könnte er jetzt auch einfach weiterschlafen – wenn er nur nicht so einen Durst hätte. Er musste sich regelrecht dazu zwingen, aufzustehen. Nachdem er den anfänglichen Schwindel überwunden hatte, griff er nach der sich auf der kleinen Kommode befindlichen Wasserflasche. Mit einem Zug hatte er sie halb leer getrunken. Sein Blick fiel auf das Fenster und die sich ihm bietende Aussicht. Langsam trat er näher an dieses heran. Viel konnte er nicht erkennen, denn es war wie erwartet eine Winterinsel, und es schneite dementsprechend stark. Gähnend wandte er sich wieder ab, nur um sich wieder einmal fast zu Tode zu erschrecken. Direkt vor ihm stand Bepo. Man, seit wann war er eigentlich so schreckhaft? „Entschuldige, ich hätte anklopfen sollen.“ Genervt und darauf bedacht, sein Gleichgewicht zu halten, wankte Penguin zurück zu seinem Bett und setzte sich. „Hier, ich wollte dir was zu essen bringen.“ Erwartungsvoll hielt er ihm ein Tablett entgegen.  Obwohl seine letzte Mahlzeit schon länger her war, weckte das ihm angebotene Essen nicht grade Hungergefühle in ihm. Irgendwie roch es unappetitlich – und die grün-bläuliche Farbe der Brühe verbesserte diesen Eindruck auch nicht wirklich. „Was ist das?“, fragte er mit rauer Stimme. Er sah, wie Bepo sich nachdenklich am Kopf kratze, ehe dieser zu einer Antwort ansetzte: „Weiß ich selber nicht so genau…“ Na, das klang ja vielversprechend. „Habt ihr nicht die Vorräte aufgefüllt?“ „Doch, haben wir. Aber wir haben ja noch keinen neuen Koch, und deshalb habe ich gekocht. Und dabei ist das herausgekommen… Entschuldigung.“ „Ich habe keinen Hunger.“ Das war noch nicht einmal gelogen. „Oh, verstehe. Das haben die anderen auch gesagt, deswegen ist noch so viel davon übrig. Nur der Captain hat seine Portion ohne zu meckern aufgegessen.“ Er klang bei seinem letzten Satz schon beinahe stolz. Irgendwie tat der Vize ihm leid. Trotzdem kostete ihn sein nachfolgendes Handeln sehr viel Überwindung. „In Ordnung, ich kann ja mal probieren.“ Wie in Zeitlupe streckte er seine Hand nach dem Löffel aus und führte eine Portion des glibberigen Zeugs zu seinem Mund. Verdammt, war das widerlich!  Nach außen hin versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. Aber innerlich musste er gegen den Drang ankämpfen, das Zeug wieder auszuspucken. Er konnte aus der Masse unter anderem Fisch, Zucker, Banane, Käse, Apfel, Spinat und irgendetwas alkoholhaltiges herausschmecken. Ihm lief es kalt den Rücken herunter. Hoffentlich bekam er jetzt nicht auch noch eine Lebensmittelvergiftung. „Schmeckt es?“, hörte er Bepo zaghaft nachfragen. Hastig nickte Penguin und ließ den Löffel wieder in die Schüssel fallen. Und Bepo schien sich tatsächlich darüber zu freuen, dass es ihm augenscheinlich schmeckte. „Ich hab bei dir extra Honig reingetan, gegen Halsschmerzen.“  Ihm wurde übel, weswegen er seinen Blick von dem Tablett abwandte. „Willst du noch was? Ich habe wie gesagt auch noch ganz viel in der Küche.“ Die Begeisterung war deutlich herauszuhören. „Ähm, ich glaube, ich esse das hier später weiter.“ Penguin deutete auf die Schüssel. Eifrig nickend nahm Bepo das Tablett und stellte es auf seiner Kommode ab. „Gut, dass ich weiß, dass es dir schmeckt, ich kann dir morgen nochmal dasselbe kochen.“ „Ähm, ja“, würgte Penguin hervor. „Dir geht es nicht gut, oder? Soll ich dich jetzt besser in Ruhe lassen?“ Zuerst wollte er dem tatsächlich zustimmen, bis ihm wieder eine Sache einfiel, die ihn schon seit längerer Zeit beschäftigte. Nachdenklich runzelte er die Stirn. „Ich muss dich was fragen, Bepo. Als vor ein paar Tagen dieser Zwischenfall mit den Marineschiffen war, und ich dem Captain gemeldet habe, dass diese auf den Radaren aufgetaucht sind, warst du auch in seinem Arbeitszimmer anwesend. Wenn ich das richtig gesehen habe, habt ihr irgendetwas besprochen, bis ich euch unterbrochen habe. Worum ging es da?“ Penguin merkte sofort, dass er ein heikles Thema angesprochen hatte, als Bepo ihn nervös ansah und stotternd zurückwich. „Ach, das… ähm, da haben wir uns über den Sturm draußen unterhalten – bei so einem Wetter ist es gar nicht mal so leicht zu navigieren…“ „Du willst mir sagen, dass du dich mit dem Captain übers Wetter unterhalten hast?“, fragte er ihn zweifelnd. Natürlich glaubte Penguin ihm nicht. Er hatte noch allzu deutlich Bepos deprimierten und Laws kalten Gesichtsausdruck vor Augen, als er damals den Raum betreten hatte. Und er war sich sicher, dass diese nicht wegen des schlechten Wetters so geguckt hatten. „Bepo, du hattest schon einmal bessere Ausreden“, stellte er ernüchternd fest. „E-Entschuldigung.“ Bepo ging langsam rückwärts zur Tür und sah ihn dabei unentwegt so an, als sei er ein Raubtier. „Ich muss jetzt aber auch gehen, ich... muss noch in der Küche aufräumen.“ Jetzt wusste Penguin, dass die beiden auf jeden Fall irgendetwas brisantes besprochen haben mussten, wenn es ihm scheinbar sogar verboten war, darüber zu sprechen. Aber er wusste auch, dass er es in diesem Fall wohl nicht so leicht aus Bepo herausbekommen würde. Also nutzte er die Chance, bevor dieser aus dem Raum verschwand, um ihn noch etwas zu fragen, was ihm nicht mehr aus dem Kopf ging: „Bepo, warte kurz- wie geht’s eigentlich Mina?“ „Ich weiß es nicht, der Captain hat schon seit gestern nicht mehr mit mir geredet. Er hat mir gesagt, dass ich das Auffüllen der Vorräte koordinieren und ab und zu nach dir gucken soll, mehr nicht. Ich habe ihn zwar eben kurz beim Mittagessen gesehen, aber da war er nur ein paar Minuten anwesend, hat aufgegessen und war direkt wieder weg.“ Ja, wahrscheinlich war dem schlecht vom Essen, dachte Penguin. Er hoffte einfach, dass es bei Mina zu keinen Komplikationen kam. „Ich muss jetzt aber auch wirklich gehen, ´tschuldige. Ähm, bis später.“ Nur Sekunden danach war Bepo bereits durch die Tür verschwunden. Penguin sah ihm einige Minuten lang kopfschüttelnd hinterher. Irgendwie war vom Zusammenhalt der Crew, der noch bis vor wenige Wochen spürbar gewesen war, nicht mehr viel übrig. Er vermisste die Zeiten, in denen sie als eine Mannschaft zusammen gegen andere gekämpft hatten – denn nun bekämpften sie sich nur noch innerhalb der Mannschaft. Es war fast übertrieben, das hier überhaupt noch als Mannschaft zu bezeichnen. Und ausgerechnet jetzt verwandelte sich auch noch Shachi in so einen Vollidioten! Um seinen eher deprimierenden Gedankengängen vorerst Einhalt zu gebieten, da sie seine Kopfschmerzen noch verstärkten, legte er sich wieder hin. Vollkommen ausgelaugt schloss er seine Augen. Wenn es sein musste, würde er auch noch den Rest des Tages verpennen, er wollte endlich wieder gesundwerden. Außerdem lief er so nicht Gefahr, Shachis Fresse sehen zu müssen, wenn dieser in die Kajüte kam. Auf diesen hirnlosen Volltrottel konnte er im Moment wirklich verzichten. Diesmal dauerte es jedoch ziemlich lange, bis er nach ewigen hin- und herwälzen im Bett eingeschlafen war. Erst am übernächsten Tag begann Penguin, sich wieder besser zu fühlen. Seit dem Gespräch mit Bepo war nichts mehr wirklich Erwähnenswertes passiert. Zwar hatte dieser ihm nach wie vor zu den Essenszeiten immer etwas von dem ekligen Zeugs zu essen gebracht, aber er war jedes Mal schnell wieder abgehauen. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass er ihn weiter über das Gespräch mit Law ausfragte. Die restliche Zeit über hatte er geschlafen. Seltsamerweise war ihm Shachi seitdem kein einziges Mal begegnet, obwohl sie sich doch eine Kajüte teilten. Lediglich die Tatsache, dass dessen Sachen immer, wenn er aufwachte, anders im Raum herumgeschmissen lagen, ließ Penguin wissen, dass Shachi überhaupt zwischendurch mal den Raum betreten hatte. Penguin wartete noch bis zum Abend, ehe er langsam aufstand. Er wollte endlich mit dem Captain reden. Durch das viele Schlafen fühlte er sich zwar ausgeruht, aber auch benommen. Sein Schlafrhythmus war vollkommen durcheinander. Und es wunderte ihn auch nicht, dass ihm nach dem langen Liegen beim Aufstehen schwindelig wurde und sich seine Kopfschmerzen für eine Weile verstärkten. Einen Moment lang hielt er inne, bis der Schwindel vorüber war. Er wusste selber, dass er noch nicht zu einhundert Prozent wieder gesund war, aber er hatte keinen Bock, länger hier blöd rumzuliegen. Ob es Mina inzwischen wohl besserging? Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass grade Zeit fürs Abendessen war. Innerhalb von wenigen Minuten hatte er sich geduscht, was durch das viele Schwitzen dringend nötig gewesen war, und sich umgezogen. Ungeduldig trat er auf den Gang. Es war weit und breit niemand zu sehen, und auch generell herrschte Totenstille an Bord der Death. Penguin hatte nicht vor, sich in die Kantine zu den anderen zu begeben. Er würde zu Mina gehen, und dort auf seinen Captain warten. Da die anderen beim Essen waren, würde ihm auch keine der Nervensägen über den Weg laufen – hoffte er zumindest. Natürlich kam es wieder mal ganz anders. Er hatte sein Ziel fast erreicht, als ihm von allen nur möglichen Menschen auf diesem U-Boot ausgerechnet Shachi über den Weg lief. Oder besser gesagt: Sie liefen ineinander und knallten beide zu Boden. Langsam richtete sich Penguin wieder auf, Shachi tat es ihm gleich. Seine Kopfschmerzen waren nun noch viel schlimmer. Sich finster anstarrend, bewegten sie sich keinen Millimeter vom Fleck.  „Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst!“, motzten sie sich beide gleichzeitig übelgelaunt an.   Kapitel 52: ------------ „Penguin, wie ich sehe, geht es dir besser“, brachte sein Gegenüber durch zusammengebissene Zähne hervor. „Ja, das tut es.“ Unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Penguin war grade im Begriff, einfach an Shachi vorbeizugehen, als dieser sich ihm ohne ein weiteres Wort in den Weg stellte. „Warte, Penguin.“ Er hielt ihn an der Schulter fest. Mit verengten Augen sah er Shachi an. Dieser blickte nicht minder ernst zurück. Würde der sich nun endlich für sein Verhalten entschuldigen? Andernfalls konnte er ihn mal kreuzweise, auf eine weitere Diskussion hatte er grade echte keinen Nerv. „Ich hoffe, du läufst nicht immer noch diesem Hirngespinst hinterher, dass Mina das mit der Marine nicht war. Penguin, alle Fakten sprechen gegen sie, du wirst mit deiner Meinung in der Crew komplett alleine dastehen! Wenn jetzt in der Marinebasis endgültig herauskommt, dass sie es war, und genau das wird geschehen, hast du dir nur unnötige Hoffnungen gemacht! Es wäre mir doch auch lieber, wenn sie nichts damit zu tun hätte, aber du musst der Tatsache ins Auge sehen, dass sie von allen infrage kommenden Personen diejenige ist, die die Crew am ehesten-“ „Sollte das rauskommen, was du vermutest, habe ich wenigstens versucht, zu Mina zu halten“, konterte Penguin mit einem vernichtenden Blick. Er hingegen schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht, warum du nicht endlich einsiehst, dass sie nicht mehr auf unserer Seite steht.“ „Und du siehst einfach darüber hinweg, dass es auch Hinweise darauf gibt, dass sie es nicht gewesen sein kann! Du machst es dir viel zu leicht! Ich weiß doch selber, dass sie nicht schuldfrei ist, aber deswegen schiebe ich ihr nicht blind die Schuld für jeden Mist zu, der hier im Moment schiefgeht! „Wundere dich nicht, wenn dich der Rest der Crew demnächst auf dem Kieker hat. Das kann, je nachdem, wen du gegen dich aufbringst, nämlich ziemlich scheiße werden.“ „Weißt du Shachi, ich glaube, ich bin so langsam alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Aber schön, dass ich nun den wahren Charakter meines langjährigen Kumpels kennenlerne.“ „Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?“ Penguin schob Shachis Hand, die ihn nach wie vor an der Schulter festhielt, zur Seite und ging, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, weiter. Erst, als bereits einige Meter Abstand zwischen ihnen waren, antwortete er ihm: „Das soll heißen, dass du mich mehr als anwiderst, Shachi. Nicht, weil du nicht zu Mina hältst, sondern, weil du zu Mītobōru hältst. Denk mal über den Unterschied nach.“ Ohne sich umzudrehen oder auf eine Reaktion seines Nakama zu warten, ging er weiter. Er hatte grade wirklich andere Sorgen, als sich mit Shachi abzugeben. Nur ein oder zwei Minuten später stand er bereits vor der Tür des Krankenzimmers und zögerte zunächst, einzutreten. Nur langsam legte er seine Hand auf die Klinke und drückte sie nieder, vollkommen im Unklaren darüber, was ihn erwarten würde. Ob es ihr wohl schon besserging? Er kannte sich bei der Dauer von Genesungszeiten nach Reanimationen überhaupt nicht aus … Er hätte wohl mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit, dass er einen dunklen Raum vorfinden würde. Stirnrunzelnd betätigte er den Lichtschalter. Das grelle Licht der Deckenlampen erhellte den Raum und ermöglichte ihm, sich im Raum umzusehen. Von seiner derzeitigen Position aus sah alles genauso aus, wie vor ein paar Tagen, als er das letzte Mal hier gewesen war. Nur, dass er diesmal alleine war, Law schien wie erwartet beim Abendessen zu sein. Nun, ganz alleine war er nicht. Am Ende des Raumes, und durch die ganzen sich dort befindlichen medizinischen Gerätschaften von seinem jetzigen Standort aus kaum einsehbar, konnte er Mina ausmachen. Unschlüssig blieb er erst einmal in der Mitte des Raumes stehen, ehe er langsam an sie heranschritt. Mina sah nicht viel besser aus als vor drei Tagen. Nicht einmal die Blässe war aus ihrem Gesicht verschwunden … Als er seine Hand an ihre Wange legte, spürte er, dass sie zumindest nicht mehr so kalt war wie als er sie gefunden hatte. Irgendwie hatte er sich erhofft, dass es ihr inzwischen besser gehen würde, als der Zustand, in dem sie nun war. Frustriert zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich ans Bettende. Stumm starrte er das EKG-Gerät an, welches ihre Herzaktivität aufzeichnete und ein monotones Geräusch von sich gab. Nach einer Weile machte ihn diese Aktivität müde, und er begann, langsam wegzudämmern. Penguin schreckte augenblicklich hoch, als er einige Zeit später ein Geräusch vernahm. Er wandte seinen Blick in Richtung der Tür, durch welche grade sein Captain mit mehreren Kartons in den Armen hereinkam. Dieser schien wenig überrascht zu sein, ihn hier vorzufinden. Law schloss die Tür hinter sich und stellte die Kartons auf dem Boden ab. Auf Penguins fragenden Blick hin, setzte dieser sogar zu einer kurzen Erklärung an: „Ich musste die medizinischen Vorräte auffüllen. Die Vorfälle der letzten Zeit haben sehr an meinem Bestand an Verbänden, Medikamenten, Spritzen und Kanülen gezehrt.“ Penguin nickte. Tatsächlich waren in der letzten Zeit rekordverdächtig viele Leute krank gewesen, und der letzte Aufenthalt auf einer Insel war schon eine ganze Weile her. „Warst du nicht beim Abendessen?“ „Nein, ich wollte zuerst nachsehen, wie es Mi- also ich meine, ich hatte keinen Hunger.“ Sein Gegenüber zog fragend eine Augenbraue hoch. Er schien zu wissen, was Penguin eigentlich hatte sagen wollen, ging aber nicht näher darauf ein. „Du kannst ja Bepo fragen, ob er dir was von seinem übriggebliebenen Essen warmmacht. Er hat mir erzählt, dass es dir geschmeckt hätte.“ Laws spöttischer Unterton war deutlich herauszuhören. Penguin verzog sein Gesicht. Ihm wurde schlecht, wenn er nur an das Zeug dachte. „Komisch Captain, ich habe selbiges von dir gehört. Da scheinen wir wohl beide eine ziemliche Geschmacksverirrung zu haben.“ „Nun, du wirst ja demnächst zwei Wochen Zeit haben, uns dein Talent im Kochen vorzuführen.“ Penguin brummte. Er hasste Küchendienst. Und das wusste sein Captain genau. „Ich hatte mir übrigens schon gedacht, dass ich dich hier antreffen würde, da mir vorhin Shachi aus dieser Richtung entgegenkam und so wütend aussah, als hätte ich ihn dazu verdonnert, für die nächsten zehn Jahre pausenlos Nachtschicht im Navigationsraum zu schieben. Da wusste ich, dass ihr mal wieder eurem Kleinkinderbenehmen freien Lauf gelassen haben müsst.“ Deutlich war herauszuhören, wie genervt er von ihrem Verhalten war. Aber Penguin würde Shachi gegenüber nicht nachgeben. Er würde frühestens wieder normal mit ihm reden, wenn sich dieser zuvor bei ihm entschuldigt hatte. Erst jetzt trat sein Captain näher auf ihn zu und musterte ihn mit kritischem Blick. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, dass du erst wieder zum Dienst antreten soll, wenn du wieder fit bist.“ „Ich fühle mich topfit.“ Natürlich war Penguin klar, dass Law als Arzt sofort merkte, dass das nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Dementsprechend skeptisch wurde er von diesem auch angesehen. Entgegen seiner Erwartungen ging Law jedoch auch dieses Mal nicht näher darauf ein, sondern wandte sich dem EKG-Gerät zu, welches er eingehend studierte. Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte er sich wieder um, sein Gesicht zeigte keinerlei Emotion. Es verhieß nichts Gutes, das wusste Penguin. Sofort machte sich ihn ihm wieder dieses ungute Gefühl breit. Und als er den Bick senkte und in Minas kalkweißes Gesicht sah, ging ihm wieder dieselbe Frage durch den Kopf, die er schon Bepo gestellt hatte, und wegen der er hauptsächlich nach hier gekommen war: „Captain, wie geht es Mina überhaupt? Besonders gesund sieht sie nämlich nicht aus …“ „Das ist sie auch nicht, Mītobōru hat da ganze Arbeit geleistet.“ Seine Stimme klang bitter und wütend. Irritiert zog Penguin die Augenbrauen zusammen. Hatte er irgendetwas verpasst? „Warte mal, heißt das, dass du jetzt weißt, dass Mītobōru Minas Verletzungen verursacht hat?“ „Ja. Ich habe ihn vorgestern ausgehorcht und er hat sich mir gegenüber verplappert und es schlussendlich zugegeben“, knurrte sein Captain. Die Wut in seinem Blick schien tödlich. Nur zu gerne hätte er weitere Details erfahren, aber hielt es für das Beste, dieses Thema vorerst nicht weiter anzuschneiden. „Aber sie wird doch wieder gesundwerden, oder?“ Eigentlich hatte er gedacht, dass er auf diese Frage hin nur eine Bestätigung erhalten konnte. Dass sich das Gesicht seines Captains weiter verfinstern würde, brachte ihn deshalb vollkommen aus dem Konzept. Eigentlich brauchte dieser nicht mehr viel zu sagen, denn sein Gesichtsausdruck sprach bereits Bände. „Aber sie ist doch außer Lebensgefahr, nicht?“ „Ich tue, was ich kann, Penguin. Aber Minas Zustand ist kritisch. Ich habe sie ins künstliche Koma versetzen müssen.“ „Was? Aber wieso? Penguin War fest davon ausgegangen, dass sich ihr Zustand in den letzten Tagen hätte verbessert haben müssen. Erst jetzt, als sein Captain ihm diese Information gab, fiel ihm auf, dass Mina immer noch durch einen Tubus künstlich beatmet wurde. Warum war ihm das nicht früher aufgefallen? Diese Form der Beatmung konnte unbewacht nur unter Narkose stattfinden, da ansonsten, sollte der Patient aufwachen, dieser bei ihm durch das Fremdkörpergefühl Würgen und Erbrechen hervorrief. Law lehnte sich ihm gegenüber mit verschränkten Armen an die Wand. „Zum einen hat sie zu viel Blut verloren. Ich habe ihr bereits Bluttransfusionen verabreicht, aber die Vorräte der Blutgruppe Null an Bord sind aufgebraucht, und ich bin der Einzige außer ihr, der überhaupt diese Blutgruppe mit einem negativen Rhesusfaktor hat. Leider ist es die einzige Blutgruppe, die nicht mit einer anderen Gruppe kompatibel ist.“ Erst jetzt fiel Penguin der Verband um die linke Ellenbeuge seines Captains auf. Und er zählte eins und eins zusammen. „Du hast ihr dein Blut transferiert?“ „Ja. Wie bereits gesagt, das an Bord verfügbare Repertoire an Blutkonserven dieser Gruppe war stark begrenzt und hat dementsprechend nicht ausgereicht, wie du bei der Operation ja auch gesehen hast. Eine weitere Transfusion war zusammen mit der Infusionslösung aber die einzige Möglichkeit, sie vor einem weiteren Kreislaufversagen zu bewahren. Durch das zuvorige Nierenversagen war eine Dialyse unumgänglich, und bei dieser kam es auch wieder zu einem Blutverlust. Ich hätte sie ja wohl kaum verbluten lassen können, Penguin.“ „Ja, natürlich …“ Im Nachhinein wusste er überhaupt nicht mehr, was ihn an dieser Tatsache so erstaunt hatte. Law würde als Arzt, als Captain und in diesem Fall auch als Vater, nichts unversucht lassen, um einem Crewmitglied das Leben zu retten. „Dazu kommt noch, dass sich die Wunde nach wie vor nicht richtig verschließt. Und ihre Nieren arbeiten noch nicht wieder richtig.“ “Aber Captain, wenn ich mich recht erinnere, ist die Wunde jetzt schon mehrere Wochen alt, wie kann es sein, dass sie noch immer nicht verheilt ist und wieder aufgeht?“ „Die Wunde ist von Anfang an schlecht verheilt. Diese Wundheilungsstörungen können verschiedene Ursachen haben. Nach dem Vorfall damals habe ich Zytostatika in der Wunde feststellen können, ebenso an ihrem Katana. Das sind Zellgifte, die normalerweise bei Krebserkrankungen eingesetzt werden und eine Zellteilung bei Tumorzellen verzögern oder komplett verhindern. Bei Wunden wie dieser kann es durch die blockierte Zellteilung zu gravierenden Wundheilungsstörungen kommen. Allerdings habe ich dieses besagte Zellgift damals neutralisiert und die Wunde war dabei, zu heilen. Scheinbar jedoch nur oberflächlich, wenn sie durch einen Schlag, und einen ebensolchen vermute ich als Ursache, wieder aufgegangen ist. Ich denke aber, dass die schlechte Wundheilung bei ihr derzeitig in ihrer mangelhaften Ernährung begründet ist. Eine Fehl- oder Mangelernährung kann den Wundheilungsprozess verzögern beziehungsweise verhindern, da zu den Voraussetzungen für eine gute Wundheilung eine ausreichende Energiezufuhr und eine genügende Versorgung mit Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen gehören.“ Sein Captain hörte sich mal wieder an, als hätte er ein Medizin-Lexikon verschluckt. Nun, wenigstens schien Law sich Mühe zu geben, dass Penguin überhaupt etwas verstand, denn wenn dieser einmal richtig in seinem Fachchinesisch anfing, war es für Leute wie ihn kaum möglich, dieses zu entschlüsseln. Aber das Wesentliche hatte Penguin verstanden: Minas unzureichende Ernährung der letzten Zeit bereitete ihr nun immense Probleme. „Das Problem ist, dass ich die Wunde auch nicht erneut vernähen kann, solange sie noch entzündet ist.“ Er hörte ihn genervt aufatmen. „Aber wie dem auch sei, um dieses Problem werde ich mich kümmern müssen. Ich wollte mit dir eigentlich noch über etwas Anderes reden.“ Diese Worte ließen ihn aufblicken. Sein Captain hatte recht, er hatte ja irgendwas mit ihm besprechen wollen. Das war einer der Gründe, weshalb er überhaupt hier war. Okay, hauptsächlich hatte er in Erfahrung bringen wollen, wie es Mina ging. „Penguin, alles, was wir jetzt bereden, wird unter uns bleiben, verstanden?“ Unter dem ernsten Blick seines Captains regelrecht zusammenschrumpfend, nickte er. „Dir dürfte es sicherlich nicht entgangen sein, wie stark sich Mina seit dem Vorfall in der Marinebasis auf Mashumaro verändert hat, oder?“ Einen kurzen Moment lang sah er seinen Captain einfach nur perplex an. Penguin hatte schon befürchtet, er würde irgendeine Standpauke erhalten, weil er vor ein paar Tagen Shachi so angegangen war. „Ja, Captain. Ich … hatte ja schon mehrmals mit dir darüber gesprochen. Shachi und ich sollten ja auf deinen Befehl hin ein Auge auf sie haben. Seit dieser Sache hat sie sich wirklich enorm verändert. Du erinnerst dich sicher noch an unser Gespräch, als ich zu dir gekommen bin, nachdem ich aus ihr etwas über den Marinespion herausbekommen wollte.“ „Natürlich erinnere ich mich daran. Sie hat sich damals willentlich, obwohl sie wusste, wer der Marinespion, geweigert, die Identität von diesem preiszugeben und dir zudem ziemlich deutlich vor Augen geführt, dass es ihr egal wäre, was mit der Crew passiert.“ Penguin hatte diese Szene noch genau vor Augen. Seine Fassungslosigkeit darüber, als Mina ihm seine Mithilfe verweigerte, den Spion ausfindig zu machen, fühlte er nach wie vor. „Ich verstehe wirklich nicht, was sie bei der Marine erlebt haben kann, dass sie so verändert hat. Ich meine, sie ist damals einfach so in der Nacht verschwunden, und dann finden wir sie, nachdem wir stundenlang nach ihr gesucht haben, bei der Marine wieder, wo sie sich weigert, mit uns zu kommen und sich anschließend verletzt mit ihrem Katana schwer selbst verletzt. Ich meine, was zur Hölle war da los? Und wer war überhaupt dieser schmierige Marineheini bei ihr? Sie kann über diese Ereignisse doch nicht einfach schweigen!“ Eigentlich hatte Penguin diese Fragen nur rein rhetorisch gestellt, da er nicht glaubte, von seinem Captain eine Antwort auf diese erhalten zu können. Aber da schien er sich vertan zu haben, denn Law konnte ihm tatsächlich zumindest eine der Fragen beantworten. „Der „Marineheini“, wie du ihn nennst, war Vizeadmiral Akamatsu.“ Es folgte eine kurze Pause, in der sich der Blick seines Captains merklich verfinsterte, während er mit verschränkten Armen seine Tochter betrachtete. „Er ist Minas Großvater.“ Kapitel 53: ------------ Diese Information brachte ihn nun vollends aus dem Konzept. Nie zuvor hatte der Captain irgendwem gegenüber auch nur das allerkleinste Detail über Minas Familie preisgegeben, und wenn Penguin ehrlich war, hatte er sich auch nie wirklich mit dieser beschäftigt. Okay, natürlich hatte er sich mal gefragt, was eigentlich mit Minas Mutter war, aber da dies scheinbar nicht einmal Mina selbst zu wissen schien, hatte er es irgendwann einfach hingenommen, dass Law nicht darüber redete. Und er wusste, dass es in der Crew vielen so erging. Es hätte ihn dementsprechend im Normalfall schon genug verwundert, wenn Law ihm überhaupt jemals auch nur eine klitzekleine Einzelheit über Minas familiären Hintergrund verraten hätte. Aber das übertraf echt alles. „W-Warte mal, Minas Opa ist Vizeadmiral bei der Marine? Der Typ, der sie schwerverletzt die Balkonbrüstung runtergeworfen hat, ist ihr Opa?“ Penguin war baff. „Ja, genau der“, knurrte Law. „Aber wenn du sie nicht aufgefangen hättest, wäre sie … Ich meine, wenn er ihr Opa ist, wieso hat er das in Kauf genommen? Ich und der Rest der Crew waren zu dem Zeitpunkt zu weit weg, wir haben nicht gehört, worüber ihr euch unterhalten habt, wir haben nur gesehen, wie sie nicht mit dir mitkommen wollte und sich plötzlich ihr Katana in den Oberkörper reingerammt hat - Man könnte fast meinen, der Typ hat ihr, während sie bei ihm war, ne Gehirnwäsche verpasst …“ „Glaub mir, es ist besser, wenn du keine Details aus dieser Konversation kennst.“ Wenn selbst sein Captain das sagte, wollte das schon was heißen, das wusste Penguin. „Captain… Ich verstehe nur bis heute nicht, was sie mit dieser Aktion bezweckt hat! Ich meine, wollte sie etwa sterben …?“ „Ich denke nicht, dass sie wirklich sterben wollte. Ich glaube viel eher, dass zuvor irgendetwas geschehen ist, was sie stark durcheinandergebracht hat und bei ihr zu dieser Kurzschlussreaktion führte.“ „Also ist Minas Mutter auch bei der Marine?“, fragte er vorsichtig nach. Er wusste, dass Minas Mutter ein Thema war, über das sein Captain normalerweise nie sprechen würde. Was auch der Fall war. Bei seiner Frage wurde Laws Blick kalt wie Eis. Es war, als würde die Raumtemperatur um einige Grad sinken. Schnell versuchte Penguin, abzulenken. „Mina weiß nichts davon, dass sie mit diesem Akamatsutypen verwandt ist, oder?“ „Nein, und sie darf es auch nicht wissen. Deshalb wirst du auch mit niemandem darüber reden. Außerdem gehe ich mittlerweile fest davon aus, dass es Akamatsu war, der damals Saburo eingeschleust hat. Ich habe zwar noch nicht komplett durchschaut, was die beiden zu erreichen versuchen, aber es steht außer Frage, dass sie schon mehr als genug Schaden angerichtet haben.“ „Das haben sie auf jeden Fall … Mal abgesehen davon, dass Mina kaum wiederzuerkennen ist. Kōri ist tot. Ich meine … Ich kann einfach nicht glauben, dass Mina eine Teilschuld daran trägt, was mit ihm passiert ist. Das ist nicht wieder gut zu machen.“ Bei diesem Gedanken wurde ihm jedes Mal sehr unwohl. Er hatte den Raum, in dem Kōri getötet worden war, noch deutlich vor Augen. Das ganze Blut … Dass Mina etwas damit zu tun haben sollte, wollte ihm noch immer nicht so ganz in den Kopf. Ihm entging nicht, dass Law nachdenklich seine Stirn runzelte. „Diesbezüglich gibt es noch so einige Dinge, die ich nicht verstehe. Ich weiß weder, wieso Mina Saburo nicht bei mir gemeldet hat, wenn sie über seine Marinespionidentität Bescheid wusste, noch, warum, falls sie zusammengearbeitet haben sollten, dieser sie dann vergiftet hat, denn wenn sie nicht so schnell gefunden worden wäre, wäre sie mit einhundertprozentiger Sicherheit gestorben. Die Erklärung, dass Mina einfach zur Marine übergelaufen sein soll, erscheint mir irgendwie zu viel zu simpel. Und was wollte Saburo überhaupt hier an Bord? Er wird ja wohl kaum so viele Jahre damit verbracht haben, eine damals noch vergleichsweise unbekannte Piratencrew zu infiltrieren, um ein Crewmitglied zu töten und eines zu vergiften, um diese Crew dann in einem stümperhaften Versuch an die Marine auszuliefern?“ Penguin erwiderte daraufhin nichts, weil er auf diese Fragen selber keine Antwort wusste. Er kaute auf seiner Lippe, ehe er eine Frage an seinen Captain richtete, auf die er seit Wochen keine Antwort fand. „Captain, hast du eigentlich eine Ahnung, weshalb Mina in der letzten Zeit selten bis gar nichts isst? Das letzte Mal, als ich sie etwas habe essen sehen, war, als ich sie gezwungen habe, ein Stück Apfel zu sich zu nehmen, und das ist schon lange her. Und sie ist inzwischen viel zu dünn geworden.“ „Ich kann darüber nur Mutmaßungen anstellen, da ich mit ihr noch nicht darüber geredet habe. Ich bin ursprünglich davon ausgegangen, dass das nur eine pubertäre Phase bei ihr wäre. Inzwischen bin ich mir da nicht mehr sicher, es könnte auch eine organische Ursache wie eine chronische Nierenschwäche zugrunde liegen. Fakt ist, dass sie eindeutig zu dünn ist, weshalb ich ihr kalorienhaltige Infusionen verabreichen werde.“ „Aber Captain, Saburo hat Mina ja vergiftet. Was ist, wenn sie schon seit längerem wusste, dass er so etwas vorhat, und deswegen nichts mehr essen wollte?“ „Möglich ist alles. Aber dann bleibt die Frage, wieso sie nicht zu mir gekommen ist. Außerdem wäre es für Saburo als Koch doch ein leichtes gewesen, die gesamte Crew beim Essen zu vergiften.“ „Stimmt auch wieder …“ „Und, ähm …“ Penguin wusste nicht, ob er es wagen konnte, seinen Captain über das Thema auszufragen, über welches Bepo partout nicht hatte reden wollen. Denn wenn Bepo, der sich normalerweise immer irgendwie verplapperte, so darauf bedacht war, nichts zu sagen, dann musste das einen Grund haben. „Ja, ich höre?“ Sich nervös durch die Haare fahrend, suchte er nach den richtigen Worten. „Nun, als wir vor ein paar Tagen von der Marine angegriffen worden sind, da hast du mit Bepo irgendetwas besprochen, was sehr ernst gewesen zu sein scheint. Und ich …“ Penguin hielt für einen Moment lang verunsichert inne, als er bemerkte, dass die Augen seines Captains mit jedem Wort, dass er sprach, kälter zu werden schienen. „… Also ich habe mich gefragt, worum es da gegangen ist. Und wieso du sie eingesperrt hast, wenn dir bekannt war, dass es Hinweise darauf gibt, dass sie eventuell nicht diejenige war, die die Marine kontaktiert hat.“ Jetzt, als er seine Frage laut ausgesprochen hatte, wünschte er sich irgendwie, es nicht getan zu haben. Um Laws stechendem Blick auszuweichen, sah er zu Boden. Unangenehmes Schweigen folgte. „In Ordnung, Penguin, ich werde dir eine grobe Zusammenfassung davon geben. Aber wie bei den anderen Sachen auch, darf absolut niemand etwas davon erfahren, hast du mich verstanden?“ „Ja, Captain“, antwortete er überrascht. Er hatte insgeheim nicht mehr damit gerechnet, dass dieser ihm etwas verraten würde. „Du weißt ja sicherlich, dass Mina Bepo bei dem besagten Vorfall in eine Zelle eingesperrt hat. Das ist zumindest die Version, welche in der Crew die Runde gemacht hat.“ „Ja, davon habe ich gehört.“ „Du musst wissen, dass es eindeutige Hinweise darauf gibt, dass sie ihn, nachdem sie ihn angekettet hat, mit einer Scherbe verletzen wollte, auch eine zeitweilige Tötungsabsicht lässt sich nicht ganz ausschließen. Bepo und ich haben darüber gesprochen, ob es zukünftig überhaupt noch möglich sein wird, sie an Bord unbeaufsichtigt herumlaufen zu lassen. Wegen dieser Sache habe ich sie vorerst in der Zelle gelassen. Außerdem bin ich fest davon ausgegangen, dass sie, sofern sie das mit der Marine nicht gewesen sein sollte, Einspruch gegen Mītobōrus Aussage einlegen würde. Bei ihrem Sturkopf widerspricht sie doch normalerweise allem. Und genau genommen, kann sie es immer noch gewesen sein. Aber das wird sich bald herausstellen.“ Penguin war sprachlos. Mina hatte beabsichtigt, Bepo anzugreifen? Und es gab Hinweise auf eine Tötungsabsicht? Ungläubig wandte er seinen Blick der schmächtigen Gestalt Minas zu. Sie sollte bitte was beabsichtigt haben? Ihm lief es kalt den Rücken runter. „Bist du dir da sicher, Captain?“, fragte er zweifelnd. „Ich bin nicht dabei gewesen. Aber Bepo ist sich zu einhundert Prozent sicher. Jedoch weiß ich auch, dass Bepo gelegentlich zu Übertreibungen neigt. Trotzdem werde ich die Sache ernst nehmen und ihr nachgehen.“ Jetzt verstand Penguin auch, weshalb Law bei seinem Gespräch mit Bepo einen so kalten Gesichtsausdruck gehabt hatte. „Und du, Captain? Traust du ihr das zu?“ Doch auf seine Frage erhielt er keine Antwort. Wobei alleine der Gesichtsausdruck seines Gegenübers Bände sprach. Vollkommen überfordert massierte sich Penguin seine Schläfen. Das musste alles ein großes Missverständnis sein. Er war regelrecht fassungslos. Was war nur aus ihr geworden? „Aber wieso sollte sie Bepo verletzen sollen?“ „Ich weiß es nicht. Ich verstehe bei ihr im Moment vieles nicht.“ „Du hast dich also mit Bepo darüber beratschlagt, ob man sie noch frei herumlaufen lassen kann? Und was ist dabei herausgekommen?“, wechselte er das Thema. „Bepo hat, ich drücke es jetzt mal beschönigt aus, Bedenken, dass so etwas erneut vorkommen könnte, da es nicht das erste Mal ist, dass Mina gegen ihn agiert. Aber ich kann sie nicht auf Dauer einsperren. Dennoch wird sie auf jeden Fall unter stetiger Beobachtung stehen. “ „Ich … denke, das ist wirklich besser so.“ Nach dem, was er grade erfahren hatte, fand er es tatsächlich besser, wenn jemand ein Auge auf Mina hatte. „Also, Penguin. Ich denke, dass du jetzt die Notwendigkeit verstanden hast, warum wir aus Mina herausbekommen müssen, was in der Marinebasis passiert ist, was genau sie mit Saburo zu tun hat, und was genau da vor ein paar Tagen los war.“ „Ja, Captain.“ „Gut. Ich glaube nämlich, du bist genau der Richtige dafür.“ „Ich bin … Warte mal, was? Ich?“ Entgeistert sah Penguin sein Gegenüber an. „Penguin, ich könnte jetzt weiterhin wochenlang erfolglos versuchen, irgendwelche Informationen aus Mina herauszubekommen. Ich kenne sie diesbezüglich, sie würde vollkommen auf stur schalten. Klar habe ich meine Mittel und Wege, um Menschen zum Sprechen zu bringen, aber dafür haben wir erstens keine Zeit, da sie vermutlich immer noch schweigen würde, und zweitens möchte ich bei ihr ungerne auf solche Mittel zurückgreifen.“ „Du meinst, ich soll sie aushorchen? Das hat doch beim letzten Mal auch nicht so wirklich geklappt.“ „Du hast immer noch mehr aus ihr herausbekommen als ich. Penguin, sie wird mir nichts sagen. Seit sie in der Marinebasis war, ist sie mit gegenüber so distanziert. Du musst sie ja nicht direkt auffällig ausfragen, aber du kannst es zumindest versuchen.“ „Wenn du mir als Captain den Auftrag gibst, kann ich ja wohl kaum etwas dagegen tun, oder?“ „Richtig. Aber es ist wichtig, dass du das Ganze nicht als aufgezwungenen Befehl siehst, den du irgendwie nebenbei erledigen sollst, sondern, dass du die Sache wirklich ernst nimmst.“ „In Ordnung. Wenn ich dadurch herausbekommen kann, was mit Mina los ist. Liege ich richtig in der Annahme, dass auch hiervon niemand etwas erfahren soll?“ „Ja. Nicht einmal Shachi, wenn ihr eure Auseinandersetzung dann mal irgendwann beendet habt. Über etwaige Details reden wir, wenn Minas Zustand halbwegs stabil ist.“ „Aye, Captain.“ Einen kurzen Moment lang zögerte er, dann sprach er aus, was ihm grade durch den Kopf ging: „Warum beauftragst du grade mich, Mina auszuhorchen?“ Es war nicht so, dass er diese Aufgabe nicht durchführen wollte. Immerhin war es dringend notwendig, die Wahrheit aus ihr herauszubekommen. Aber er fragte sich schon, weshalb Law von alle infrage kommenden Crewmitgliedern ausgerechnet ihn ausgewählt hatte. „Ich habe meine Gründe.“ Der Gesichtsausdruck seines Captains war unergründlich. Penguin murrte. Diese Antwort war mehr als typisch für Law. Seine Beweggründe behielt er meistens für sich. „Hast du sonst noch irgendeine Frage?“ „Wirst du Mina von Bord werfen, wenn sich die Situation nicht bald bessert? Oder falls sich herausstellt, dass sie doch hinter der Marinesache steckt? Ich habe gehört, wie einige meiner Nakama darüber sprachen …“ „Nein.“ Sein Captain klang fest entschlossen. So, als ob er nicht einmal im Entferntesten darüber nachdenken würde, sie von Bord zu werfen. „Aber du wirst ihr für ihr Verhalten doch bestimmt noch Strafaufgaben erteilen, oder?“ „Ja. Wenn ich auf ihr falsches Verhalten keine Sanktion folgen lassen würde, denkt sie nachher noch, sie käme damit durch. Und der Rest der Crew würde sich fragen, wieso sie sich an Regeln halten sollen, wenn es scheinbar keine negativen Folgen hat, wenn man sie nicht beachtet.“ Law stieß sich von der Wand ab und drehte sich zum Medikamentenschrank um. Er begann damit, Verbände und Medikamententiegel herauszusuchen. Scheinbar wollte er Minas Verbände wechseln. „Captain, noch eine letzte Frage: Wann werden wir das mit der Marinebasis in Angriff nehmen?“ „Voraussichtlich werden wir das U-Boot bis morgen repariert haben, dementsprechend wird das Ganze planmäßig übermorgen stattfinden. Die Details besprechen wir noch. Gibt es sonst noch irgendetwas, worüber wir sprechen sollten?“ Mit diesen Worten wandte er sich wieder Penguin zu und musterte ihn nachdenklich. Ja, genau genommen hatte Penguin noch eine Menge Fragen auf Lager, auf die er eine Antwort suchte. Aber er fand, dass es grade nicht unbedingt der optimale Augenblick dafür war, um seinen Captain zu fragen, ob dieser glaubte, dass Mina wirklich etwas mit Saburo hatte. Oder was er tun sollte, wenn er absolut keine Informationen aus Mina herausbekam. Also schüttelte er seinen Kopf. „In Ordnung. Dann wirst du jetzt in deine Kajüte gehen und dich ausruhen, du kannst mir nämlich nicht erzählen, dass du dich schon wieder gesund fühlen würdest. Wir sehen uns morgen.“ Schon hatte dieser sich bereits wieder umgedreht und sich erneut seiner Arbeit gewidmet. Penguin hätte sich eigentlich denken können, dass es Law aufgefallen sein musste, dass es ihm noch nicht so richtig gut ging. Deswegen widersprach er der Feststellung seines Captains auch nicht. Auch wenn er sich die Bemerkung verkneifen musste, dass dieser selber nicht besonders gesund aussah. „Bis morgen.“ Ohne weitere Umschweife verließ er den Raum und schloss beim Herausgehen die Tür. Auf dem Gang war absolut niemand. Sein Kopf dröhnte, ihm schwirrten tausende Sachen durch diesen. Vollkommen in Gedanken versunken, kam er schließlich bei seiner Kajüte an. Ehe er jedoch die Tür öffnen konnte, wurde sie bereits von innen aufgestoßen. Beinahe wäre er schon wieder in Shachi hereingerannt, denn dieser bemerkte ihn beim Verlassen der Kajüte erst im letzten Moment. Wie schon zuvor auf dem Flur, standen sie sich ohne ein Wort zu sprechen gegenüber und blickten sich einfach nur bitterböse an. Hatte Penguin schon zuvor keinen Bock auf Shachis Geschwafel gehabt, hatte er nun nach dem Gespräch mit Law erst recht keine Nerven dafür. „Penguin, der größte Teil der Crew geht jetzt in die Bar am Hafen. Wenn du mitgehen willst, solltest du dich beeilen.“ Shachi klang kurz angebunden. „Kein Interesse.“ Penguin versuchte, an Shachi vorbei in die Kajüte zu gehen, doch dieser stellte sich ihm wieder einmal in den Weg. „Jetzt fang du nicht auch noch so an, dich wie Mina zu isolieren!“ „Lass Mina da raus, ich hab Kopfschmerzen und möchte mich hinlegen. Und tu nicht so, als sei nichts gewesen.“ „Oh, tut mir leid, dass ich wenigstens versuche, normal zu dir zu sein, was man von dir nicht grade behaupten ka-“ „Halt die Klappe, Shachi!“ Vollkommen ohne Vorwarnung verpasste Penguin ihm einen Kinnhaken. Dieser stolperte einige Schritte zurück und hielt sich seinen nun schmerzenden Unterkiefer. Zunächst schien er überrascht zu sein, dann breitete sich Wut auf seinem Gesicht aus. „Sag mal, hast du jetzt komplett den Verstand verloren?! Das bekommst du zurück!“ Sogleich bekam Penguin Shachis Faust zu spüren, als dieser ihm ins Gesicht schlug. Vollkommen in Rage packte er ihn nun und drückte ihn, wie bereits einige Tage zuvor im Krankenzimmer, gegen die Wand. Sein Auge schmerzte höllisch. Wie es schien, hatte sein Nakama ihm grade ein Veilchen verpasst. Penguins hatte seine Hand schlagbereit erhoben, während Shachi versuchte, ihn seine andere, an seinem Kragen verweilende, Hand wegzudrücken. Erst, als sie sich eine ganze Weile lang finster angestarrt hatten, realisierten sie beide, was sie hier eigentlich grade taten. Augenblicklich ließ er Shachi los und drehte sich um. In Sekundenbruchteilen betrat Penguin die Kajüte und warf die Tür hinter sich zu. Einen Moment lang wartete er ab, ob Shachi nicht hinterherkam, was dieser zum Glück nicht tat. Er setzte sich auf die Kante seines Bettes und massierte sich die schmerzenden Schläfen. Er war wütend auf sich selber, er hatte vollkommen überreagiert. Wobei Shachi ihn wirklich nervte. Frustriert schlug er mit seiner Faust gegen die sich neben ihm befindliche Wand. Diese ganze Sache tat dem Zusammenhalt der Crew gar nicht gut. Je früher sich all das aufklärte, umso besser. Alleine deswegen musste er Mina zum Sprechen bewegen. Wobei sich das wahrscheinlich als schwieriges Unterfangen herausstellen würde. Und all das sowieso nur gesetzt den Fall, dass Mina das hier überlebte. Penguin ließ sich rücklings auf sein Bett fallen und schloss murrend seine Augen. Jetzt wünschte er sich wirklich, er wäre doch mit in die Bar gegangen. Alleine, um auf andere Gedanken zu kommen. Kapitel 54: ------------ Kapitel 54 ~ 2 Tage zuvor, Laws Sicht ~ Angespannt streifte Law sich die Untersuchungshandschuhe von den Händen und beförderte sie in den Mülleimer. Er war überhaupt nicht zufrieden mit Minas Vitalwerten. Und ihre Wunde schien auch nicht zu verheilen. Auch ihr Arm stellte ein Problem dar. Seit sie damals mit dieser Coniin-Ibogain-Mixtur vergiftet worden war, war er gelähmt. Entgegen seiner ursprünglichen Annahme hatte sich dieser Zustand seitdem aber nicht verbessert. Alles deutete im Moment auf eine periphere Lähmung hin. Das bedeutete, dass durch eine Schädigung der Nervenzellen im Rückenmark die Reizübertragung zum Muskel gestört war. Das erklärte auch, weshalb der Arm bläulich verfärbt war, denn eine Durchblutungsstörung war eines der Symptome einer peripheren Lähmung. Die ausschlaggebende Frage war nun, ob die Nerven “nur“ beschädigt, irreversibel durchtrennt, oder sogar beides waren. Bei einer Beschädigung der Nervenzellen konnte er versuchen, die Funktionalität des betreffenden Muskels durch Medikamente und einen operativen Eingriff wiederherzustellen, bei einer kompletten Durchtrennung dieser wären die Erfolgsaussichten nochmals um einiges geringer. Wäre hingegen letzteres der Fall, würde sie den Arm nie wieder bewegen können. Auch die Durchblutungsstörung im Arm nahm er nicht auf die leichte Schulter. Sollten die Medikamente gegen diese nicht anschlagen, könnte das zu einer Gewebsnekrose, also einem Absterben des Gewebes, führen. Diese könnte wiederum eine sich zur Sepsis hin entwickelnde Infektion nach sich ziehen. In diesem Fall wäre eine Amputation unumgänglich. Natürlich würde er als Arzt alles darangeben, dass es nicht so weit kommen würde. Das Gift hatte ganze Arbeit geleistet, dafür, dass er es damals so schnell hatte neutralisieren können. Es hätte sie beinahe umgebracht. Bis heute fragte er sich, wo Saburo dieses hergehabt hatte, denn diese Substanzen waren nicht grade leicht zu beschaffen. Er wusste, dass innerhalb der Crew das Gerücht kursierte, dass Mina und Saburo das mit dem Gift nur vorgetäuscht hatten, um von Mina als Mittäter abzulenken. Aber so ganz glauben konnte Law das nicht. Nicht, wenn er sich ansah, was Mina dadurch für gesundheitliche Schäden davongetragen hatte. Nein, hier lief irgendetwas anderes ab. Ein Gähnen unterdrückend, griff er nach seiner Kaffeetasse und leerte sie in einem Zug. Das Zeug war bereits eiskalt und schmeckte dementsprechend. Aber er brauchte grade dringend das Koffein, um einen einigermaßen klaren Kopf zu behalten. Die letzte Nacht hatte er nicht geschlafen, sondern beinahe komplett hier im Krankenzimmer verbracht. In den ersten Stunden nach einer Reanimation bestand das größte Risiko dafür, dass Komplikationen auftraten. Was auch geschehen war, der hohe Blutverlust setzte ihr nach wie vor zu. Er hatte sich bereits einmal Blut abgenommen, und es sah so aus, als würde Mina eine weitere Transfusion benötigen. Natürlich war er sich als Arzt darüber im Klaren, dass zwischen zwei Blutspenden eigentlich mehrere Wochen liegen sollten. Andererseits konnte er als Erwachsener den Verlust von bis zu 30% seines Blutvolumens kompensieren, solange er sich dieses nicht auf einmal abzapfte. Als sich ihre Vitalwerte auch einen Tag nach der Wiederbelebung noch weiter verschlechtert hatten, hatte er Mina nach langem Abwägen ins künstliche Koma versetzt. Auch wenn ein künstliches Koma besonders in der Aufwachphase immer gewisse Risiken mit sich brachte, würden so ihre Verletzungen um einiges besser verheilen können. Mit einem Seitenblick auf die Uhr bemerkte er, dass es bereits später Nachmittag war. Wie er seine Crew kannte, machte diese nach dem langen, ununterbrochenen Aufenthalt auf dem U-Boot der letzten Wochen, sicherlich grade die Insel unsicher. Hoffentlich hielten sie sich dabei an seine Anweisung, dass sie nicht zu sehr auffallen sollten. Es wurde langsam Zeit, dass er sich Mītobōru vorknöpfte. Er hatte ihn absichtlich erst einmal einen Tag lang eingesperrt gelassen, ehe er mit ihm sprach. Vielleicht merkte dieser dann ja mal, dass er es überhaupt nicht lustig fand, angelogen zu werden. Hatte dieser Idiot eigentlich im Entferntesten eine Ahnung, was für Folgen seine Aktion gehabt hatte? Es konnte doch nicht sein, dass beinahe ein zweites Crewmitglied auf seinem Schiff gestorben wäre! Und dass das der Fall gewesen wäre, wenn Penguin Mina nicht oder erst später gefunden hätte, war unanfechtbar. Sie wäre irreversibel tot gewesen. Egal, was im Moment zwischen ihnen stand, tot sehen wollte er seine Tochter nicht. Er warf einen letzten, prüfenden Blick auf die medizinischen Messgeräte, ehe er das Krankenzimmer verließ. Mit jedem Schritt, den er näher an die Zellen herantrat, verschlechterte sich seine Stimmung zusätzlich. Er fragte sich langsam ernsthaft, was mit seiner Crew los war. Die ganzen letzten Jahre hatten sie die Arrestzellen so gut wie nie gebrauchen müssen. Und jetzt waren sie beinahe dauerhaft besetzt. Reichte es noch nicht, dass er mit Kōri und Saburo zwei Crewmitglieder unwiderruflich verloren hatte? Musste jetzt auch noch Mītobōru so einen Mist bauen? Was hatte er sich dabei bitte gedacht? Selbst er müsste wissen, was eine dreitägige Nichtversorgung mit Wasser bei einem Menschen auslöste. Zähneknirschend kam er schließlich an seinem Ziel an. Glücklicherweise war ihm unterwegs keines seiner Crewmitglieder begegnet, denn seine Laune war wirklich unterirdisch miserabel. Da musste er es nun wirklich nicht auch noch haben, dass er zum einhundertsten Mal gefragt wurde, wo Mītobōru steckte oder wie lange sie an der Insel vor Anker liegen würden. Sogleich wurde er von einem allen Anschein nach nicht minder wütenden Mītobōru empfangen, welcher am Zellengitter stand und bereits seit längerer Zeit auf ihn gewartet zu haben schien, denn dieser begann sofort herumzukeifen. „Captain, was soll der Mist? Warum lässt du mich einsperren!? Weißt du eigentlich, wie verdammt kalt es des Nachts hier drinnen ist? Das ist nicht lustig oder so!“ Erst, als sein Gegenüber fertig gemotzt hatte, sah er Law an. Und schien dabei unter seinem Blick regelrecht zusammenzuschrumpfen. Law konnte es partout nicht ab, wenn man so respektlos mit ihm sprach. Und grade in seiner jetzigen Gemütslage, schoss sich Mītobōru durch sein Verhalten ein Eigentor. Innerlich war Law auf hundertachtzig. Trotzdem tat er nach außen hin so, als sei er die Ruhe selbst. „Ja, Mītobōru. Es ist keineswegs lustig, was hier abgeht. Das habe ich nie behauptet. Warum ich dich hier habe einsperren lassen, solltest du jedoch wissen.“ Für einige Sekunden zeichnete sich eine Spur von Überraschung und Entsetzen auf dessen Gesicht ab, ehe diesem wieder Wut wich. „Ich- Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Captain!“ Seine Stimme klang eindeutig ängstlich. Mītobōrus Reaktion auf seine Worte bestätigten seine Annahme. „Mītobōru. Wir wissen beide, worum es hier geht. Also zieh das hier nicht künstlich in die Länge.“ „Nein weiß ich nicht, lass mich sofort wieder hier raus!“ Wenn Law sich nicht täuschte, konnte er einen Anflug von Panik in seiner Stimme ausmachen. Aber er hatte schon damit gerechnet, dass Mītobōru nicht einfach so mit der Sprache rausrücken würde. Es hätte ihn vielmehr verwundert, wenn dieser das getan hätte. Deshalb glaubte er auch bereits zu wissen, wie er ihn aus der Reserve würde locken können. „Hör auf mit dem Theater, und vor allem, erteil mir keine Befehle. Mina hat mir alles erzählt.“ Mit kühlem Blick fixierte er den Zelleninsassen. Ob dieser auf seinen Bluff hereinfallen würde? Das wäre ja fast schon zu leicht. „Das kann überhaupt nicht sein, ich hab ihr den Kiefer gebrochen! Sie kann überhaupt nicht reden!“, begann er sich zu verteidigen. Nur Sekundenbruchteile später schien ihm bewusst zu werden, was er da grade gesagt hatte. Man konnte förmlich sehen, wie das letzte bisschen Farbe aus seinem Gesicht verschwand, während er langsam zurücktrat, um größtmöglichen Abstand zwischen sich und seinen Captain zu bringen. „Du hast ihr den Kiefer gebrochen? Das werte ich jetzt mal als Geständnis.“ flüsterte Law bedrohlich. Es war schwer zu sagen, ob er in diesem Moment eher Wut oder Verachtung fühlte. Mītobōru schien vor Schreck erstarrt zu sein, denn er rührte sich keinen Millimeter. „Tatsächlich hat mir Mina nichts erzählen können. Weißt du, wieso? Weil sie wegen dir einen Herzstillstand erlitten hat und jetzt im künstlichen Koma liegt!“ „A-Aber ich habe doch gar nichts get-“ „Nichts getan? Du hast sie zusammengeschlagen und sie dann, entgegen meiner Befehle, ohne Nahrung sich selbst überlassen, in dem vollen Bewusstsein, dass sie das eventuell nicht überleben würde.“ „Ich- Aber Captain, sie hat doch auch nichts dagegen unternommen, dass Saburo ungehindert Kōri töten konnte!“ „Ich weiß, was sie getan hat, ich bin nicht dement. Aber ich dulde keinerlei Selbstjustiz auf meinem Schiff. Dafür werde ich dich zur Rechenschaft ziehen. Oder glaubst du allen Ernstes, das, was du getan hast, wäre gerechtfertigt gewesen?“ Es schien, als ob Mītobōru ihm für einen Moment lang tatsächlich wiedersprechen wollte, ehe er mit verbissenem Gesichtsausdruck seinen Kopf sinken ließ. „Es ist echt nicht an grenzenloser Feigheit zu überbieten, was du getan hast. Mal davon abgesehen, dass sie sich in ihrem Zustand wohl kaum gegen dich hat wehren können, sie ist um einiges schwächer als du“, knurrte er. „Nein, hat sie auch nicht! Sie hat es auch nicht versucht! Das zeigt doch nur, dass sie sich schuldig fühlt und das Ganze deswegen als gerechtfertigt angesehen hat!“ „Mītobōru. Ich an deiner Stelle würde jetzt besser die Klappe halten.“ Es kostete ihn grade all seine Selbstbeherrschung und Disziplin, diesem keine reinzuhauen. Insgeheim musste er zugeben, dass es ihn verwunderte, dass Mina nicht einmal versucht haben sollte, sich zu wehren. Normalerweise rebellierte sie doch gegen alles und jeden- sogar, wenn es nur darum ging, dass er ihr ein Medikament spritzen wollte oder ihr Bettruhe verordnete. „Um direkt zum nächsten Thema zu kommen: Mītobōru, ich frage dich jetzt zum letzten Mal: Bleibst du bei deiner Aussage, dass du gesehen hast, wie Mina die Marine kontaktiert hat?“ „J-Ja, Captain.“ „Und du bist dir der Folgen bewusst, die das hätte, wenn ich herausfinden würde, dass du mich angelogen hast?“ Einige Sekunden lang reagierte Mītobōru gar nicht, sondern sah ihn nur mit verengten Augen an. Dann nickte er. „Du solltest wissen, dass ich das überprüfen kann und werde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die hiesige Marinebasis das Gespräch protokolliert haben wird.“ „Nur zu, dann wirst du ja sehen, dass ich die Wahrheit gesagt habe.“ Entgegen seiner Erwartungen klang Mītobōru sehr überzeugt von dem, was er sagte. Law warf ihm einen düsteren Blick zu. Alleine die Sache mit Minas Hand zeigte ihm, dass Mītobōru ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte ein komisches Gefühl bei ihm. Eigentlich wollte Law nun zurück ins Krankenzimmer gehen. „Warte, Captain! W-Was wird nun aus mir?“ „Das werde ich entscheiden, wenn das mit dem Marinevorfall geklärt ist.“ „Aber ich habe seit gestern nichts mehr zu essen oder trinken bekommen, willst du mich etwa verhungern lassen, Captain?!“ „Verdient hättest du es. Ich sollte dich, genauso wie du es mit Mina getan hast, ein paar Tage darin ohne Essen und Trinken dir selbst überlassen.“ Law wusste, dass alleine diese Androhung bei Mītobōru schon die Nerven würden blank liegen lassen. Er entfernte sich einige Schritte von der Zelle, ehe er weitersprach: „Glaub nicht, dass ich dich so davonkommen lasse. Dass du ein Crewmitglied bewusst hättest sterben lassen, lässt dich im Grunde genommen kaum einen Deut besser sein als Saburo. Sollte sich herausstellen, dass du das mit der Marine warst, kannst du dich gleich zu ihm gesellen.“ Es war kein Geheimnis an Bord, wie er mit Saburo umging. Und, dass Law ihn, sobald er die gewünschten Informationen haben würde, beseitigen würde. Für Verräter wie ihn hatte er absolut keinen Platz an Bord. „A-Aber Captain, das kannst du nicht machen!“ Doch er schenkte dem Zelleninsassen keinerlei Beachtung mehr. Ohne einen Blick zurück, entfernte er sich von diesem. Jetzt war der unwiderrufliche Beweis erbracht, dass ein weiteres seiner Crewmitglieder Hand gegen einen seiner Nakama erhoben hatte – in diesem Fall mit beinahe tödlichem Ausgang. Beim Krankenzimmer angekommen, war er grade dabei, die Tür hinter sich zu schließen, als er hörte, dass er von jemandem gerufen wurde. Genervt atmete er einmal tief durch. „Captain, warte!“ Mit einem Blick zurück erkannte Law seinen Vizen, der den Flur entlang auf ihn zulief. Er wies ihn mit einer Handbewegung an, ihm in den Raum zu folgen. Dann verschloss er diesen. „Was gibt’s, Bepo?“ Er machte keinen Hehl daraus, dass er genervt war. „Ich habe dir was zu essen mitgebracht, falls du es wieder nicht zum Abendessen schaffst.“ „Danke, Bepo.“ Tatsächlich hatte er nicht vorgehabt, gleich zum Abendessen zu gehen. Er hatte noch viel zu viel anderes Zeugs zu tun, wie beispielsweise den Überfall auf die Marinebasis zu planen. Er besaß noch zu wenige Informationen über den Grundriss des Gebäudes und die Anzahl der dort diensthabenden Marinesoldaten. Er war niemand, der solche Vorhaben ohne Planung in die Tat umsetzte. Außerdem musste er noch den Schichtplan für die kommende Woche fertigstellen, und Penguins Arbeit, da dieser krank war, auf andere Crewmitglieder verteilen. Hastig stellte sein Gegenüber eine blaue Schüssel mit irgendeinem dampfendem Inhalt, von dem Law hoffte, dass es sich dabei nicht um denselben Inhalt wie beim Mittagessen handelte, auf einem Stuhl in der Ecke ab. „Aber da ist noch was Wichtiges was ich dir sagen muss.“ Law zog fragend eine Augenbraue hoch. Das hätte er sich schon fast denken können, denn Bepo verhielt sich immer so hibbelig, wenn er etwas Dringendes loswerden wollte. „Penguin hat mich eben darüber ausgefragt, was ich damals mit dir besprochen hab, nachdem Mina mich in die Zelle gesperrt hat. ´Tschuldigung Captain, ich weiß nicht, woher er davon weiß. Er hat scheinbar gemerkt, dass es etwas Ernstes war.“ „Du hast ihm aber nicht gesagt, worum es ging, oder?“ „N-Nein, natürlich nicht! Du hast mir ja strikt untersagt, mit irgendwem darüber zu sprechen.“ Das hatte auch seine guten Gründe. So ungern er Dinge vor seiner Crew geheim hielt – Sollte diese erfahren, was Mina im Begriff zu tun gewesen war, würde das die ganze Sache nur unnötig verkomplizieren. Zumal noch überhaupt nicht sicher war, ob sie wirklich Bepo hatte verletzen wollen. „Gut. Kannst du Saburo und Mītobōru nachher noch Nahrung vorbeibringen?“ „Aye, Captain.“ Law hätte Saburo im Grunde genommen am liebsten dort, wo er jetzt war, vor sich dahinvegetieren lassen. Wenn er ihn nicht noch so dringend benötigen würde, hätte er ihn schon längst ihn seine Einzelteile zerlegt und an Akamatsu zurückgeschickt. Er tat wirklich alles, um ihm Informationen zu entlocken, aber Saburo war hartnäckig und leider auch ziemlich willensstark. Nachdenklich durchquerte er den Raum, um, wie bereits so oft in den letzten Stunden, Minas Vitalwerte zu überprüfen. Er konnte keinerlei Veränderung feststellen. „Ähm ... Bist du etwa noch sauer auf mich wegen gestern? Entschuldigung“, vernahm er die Stimme seines Vizen hinter sich. „Ich bin nicht wütend. Ich frage mich lediglich, wieso du mir so etwas zutraust.“ „Aber das tue ich nicht, ich habe bloß Mina gesehen und war im ersten Moment erschrocken darüber, wie sie aussah. Ich weiß doch, dass du so etwas nicht tun würdest …“ „Es ist ja nicht einmal so, als ob du mit deiner Aussage komplett Unrecht gehabt hättest, ich bin schließlich mitverantwortlich für den Zustand, indem sie sich jetzt befindet …“, murmelte Law mehr zu sich selbst als zu Bepo. Dieser kratzte sich verlegen am Kopf, ehe er fortfuhr: „Captain, gibst du dir etwa die Schuld an dem Vorfall?“ „Bepo. Reden wir nicht mehr über diese Angelegenheit.“ „Oh okay …“ Tatsächlich war er als Captain dieser Mannschaft für sämtliche Crewmitglieder verantwortlich. Auch für Mina. Er hatte zwar gemerkt, dass an Mītobōrus Aussage etwas nicht stimmte, aber Mina hatte die Vorwürfe gegen sie nicht abgestritten, und Bepo hatte ihm darüber hinaus berichtet, dass sie ihn zu verletzen versucht hatte. Deswegen hatte er sie erst einmal weiterhin in der Zelle gelassen, um, wenn sie wieder bei klarem Verstand wäre, mit ihr zu reden. Fast drei Tage lang hatte er nicht nach ihr gesehen, sondern darauf vertraut, dass Mītobōru seinen Befehl, nach ihr zu schauen, auch befolgte. Das, was er stattdessen getan hatte, hätte Law diesem niemals zugetraut. Denn Law vertraute seiner Crew. Denn auch wenn ihm diese eine Sache komisch vorgekommen war, daraus alleine hätte er nicht geschlossen, dass Mītobōru direkt versuchte, Mina zu töten. Oder sie überhaupt zu verletzen. Es war strengstens untersagt, so die Hand gegen einen Nakama zu erheben. Er hätte selber einmal nach ihr sehen sollen, er trug immerhin die Verantwortung für sie … Genau genommen hatte er an dem Abend, an dem Penguin sie gefunden hatte, mit ihr sprechen wollen. Es wäre wahrscheinlich für sie bereits zu spät gewesen. „Gibt es sonst noch irgendetwas, was du mir sagen wolltest?“ Law zeigte nach außen hin nicht, was ihn grade beschäftigt hatte. „Nun, also … Soll ich hier bei Mina bleiben und aufpassen?“ Bepos Stimme klang so, als würde er diese Aufgabe nur ungerne ausführen wollen. Dieser Vorschlag überraschte ihn tatsächlich. Nachdem Bepo bereits zweimal mit Mina in Konflikt geraten war, hatte er ihm gegenüber mehr als deutlich durchblicken lassen, dass er nicht mehr mit Mina alleingelassen werden wollte. „Darf ich fragen, wieso du das möchtest?“ „N-Naja Captain. Du siehst aus, als hättest du schon wieder zu lange nicht geschlafen. Eigentlich siehst du eher so aus wie ne wandelnde Leiche … Ich dachte, dann kannst du dich etwas ausruhen.“ „Bepo, mal davon abgesehen, dass ich Arzt bin, glaube ich, dass ich erwachsen genug bin, um zu wissen, wie viel Schlaf ich benö-“ Er hielt inne, als er Bepos eingeschüchtertes Gesicht sah. „Entschuldige Captain, ich mach mir nur Sorgen.“ Law wusste, dass es sein Vize nur gut meinte, was auf dessen fürsorgliche Ader zurückzuführen war. „Mina geht es auch nicht gut, oder?“ Wortlos schüttelte er seinen Kopf. „Aber ihr wird es doch wieder bessergehen, oder?“ „Ich weiß es nicht, Bepo. Es ist noch zu früh, um darüber zu urteilen.“ Müde lehnte er sich gegen die Wand. Bepo hatte recht, er hatte zu wenig geschlafen. Aber das würde er niemals offen zugeben. Zumal er grade eh überhaupt keine Zeit zum Schlafen hatte. Obwohl, wenn Bepo hier eine Zeit lang die Stellung halten würde, könnte er sich um die ganzen anderen noch zu erledigenden Dinge kümmern. Bei Bepo konnte er sich wenigstens sicher sein, dass er diese Aufgabe gewissenhaft und nach bestem Können ausführte. „Bepo, vielleicht könntest du tatsächlich eine Weile hierbleiben. Aber komm mich sofort holen, wenn irgendwas ist, okay? Vor allem, wenn sich ihre Werte verschlechtern sollten.“ „Ja Captain, mache ich!“, nickte dieser ungewöhnlich eifrig. Dachte Bepo etwa wirklich, er würde sich jetzt hinlegen und schlafen? Law hatte sich eigentlich bereits zum Gehen gewendet, als Bepo noch eine Frage an ihn richtete, die er in ähnlicher Form in der letzten Zeit schon einmal gehört hatte: „Weißt du eigentlich schon, wie du weiter mit ihr verfahren wirst, wenn sie aufwacht?“ „Ich werde ihr deutlich vor Augen führen, was sie durch ihr Fehlverhalten angerichtet hat.“ Bepo schien sich unter seinen Worten nicht besonders viel vorstellen zu können, denn er nickte bloß. Law hingegen wusste schon ziemlich genau, was er machen würde. Oder vielmehr, was er Mina machen lassen würde. Schlimm genug, dass er sich überhaupt von seiner 17-jährigen Tochter so auf der Nase herumtanzen lassen musste. Sie war ja schon immer ein Sturkopf gewesen, aber ihre letzten Aktionen … gingen weit über das hinaus, was er als Captain, der für das Wohl einer Crew verantwortlich war, dulden konnte. Warum musste ausgerechnet sie sich so gegen ihn auflehnen? Auch wenn er sie nicht von Bord werfen würde, musste er ihrem Verhalten ein für alle Mal Einhalt gebieten, denn so konnte es wirklich nicht weitergehen. Er würde Mina nur noch diese eine Chance geben. Da von seinem Vizen keine weiteren Nachfragen kamen, begab er sich zur Tür. „In Ordnung, ich komme dann später nochmal vorbei. Bis dann.“ Auf dem menschenleeren Flur verharrte er einen Moment vor der Tür des Krankenzimmers. Er machte sich keinerlei Illusionen darüber, dass Mina ihm, sollte sie aufwachen, noch immer kein Sterbenswörtchen darüber verraten würde, was in den letzten Wochen passiert war. Es sah ganz so aus, als ob er versuchen müsste, über eine dritte Person etwas aus Mina herauszubekommen. Für diese Aufgabe hatte er Penguin ins Auge gefasst. Da dieser schon einmal mit dieser Aufgabe betraut gewesen war und beim Essen auch mit Mina an einem Tisch saß, konnte er sie im Auge behalten, ohne dass es Mina allzu sehr auffallen würde. Außerdem hatte Penguin deutlich gemacht, dass er Mina noch nicht gänzlich aufgegeben hatte und an einer Aufklärung der Geschehnisse interessiert war. Penguin kannte Mina schon seit einigen Jahren, und er hatte bereits ein paar Mal Informationen aus ihr herausbekommen. Mehr jedenfalls als Law selber, wie dieser sehr zu seinem Missfallen feststellen musste. Kapitel 55: ------------                                                                            Kapitel 55                                                                ~ Gegenwart, Shachis Sicht ~  Abwesend nippte Shachi an seinem Glas. Sein Kiefer schmerzte nach wie vor bei jeder Bewegung, da hatte sein Nakama Penguin echt ganze Arbeit geleistet. So sehr er es auch versuchte, das Gespräch mit Penguin wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. „Das soll heißen, dass du mich mehr als anwiderst, Shachi. Nicht, weil du nicht zu Mina hältst, sondern, weil du zu Mītobōru hältst. Denk mal über den Unterschied nach.“ Was hatte Penguin ihm mit dieser Aussage bitteschön vermitteln wollen? Er fand es doch selber mies, was Mītobōru Mina getan hatte. Aber er konnte sich bei bestem Willen nicht vorstellen, dass dieser einen Marineangriff inszeniert haben sollte, nur, um anschließend Mina die Schuld dafür in die Schuhe schieben zu können und sie so eventuell loszuwerden. Mītobōru gehörte zur Crew, er hätte sie niemals wegen so etwas so einer Gefahr ausgesetzt. Penguin war so ein Idiot! Aber das würde der schon merken, wenn der Beweis erbracht wäre, dass Mina hinter der Sache steckte. Und Shachi war sich sicher, dass dies der Fall war. Die Beweislast gegen sie war seiner Meinung nach einfach zu erdrückend. Natürlich wäre es ihm lieber, wenn sie nichts damit zu tun hätte, oder noch besser, wenn diese ganzen Vorkommnisse gar nicht erst passiert wären. Aber sie waren geschehen, und daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Und er würde sich davor hüten, wie Penguin blauäugig der Idee hinterherzulaufen, dass Mina unschuldig sei. Das hatte er in Vergangenheit zu oft gemacht, und jedes Mal war er enttäuscht worden.  Spätestens, als er herausgefunden hatte, dass Mina allem Anschein nach etwas mit Saburo am Laufen gehabt hatte, war sie bei ihm unten durch gewesen. Und dass das der Fall war, hatte er ja nur allzu deutlich daran sehen können, dass sie damals, als er ihr in der Zelle Essen hatte bringen wollen, im Schlaf immer wieder Saburos Namen gemurmelt hatte. Wenn er sich recht erinnerte, hatte sie sogar einzelne Tränen im Gesicht gehabt. Shachi schnaubte. Wahrscheinlich hatte sie geweint, weil sie nun von Saburo getrennt war. Das machte sie zu nichts anderem als einer miesen Verräterin. Sein Griff um das Glas verstärkte sich. Aber wenn sie tatsächlich was mit ihm gehabt hatte, mussten die Übergriffe doch auch gefaked gewesen sein, oder? Immerhin hatte er sie bei dem Giftvorfall damals nur zufällig so schnell gefunden. Oder hatte Saburo das Zeugs absichtlich so dosiert, dass sie so grade überleben würde? Aber mit welcher Intention? Er wurde einfach nicht schlau aus der Sache. Und außerdem, wie konnte man nur so naiv wie Penguin sein? Da schlug der ihm auch noch ins Gesicht! Ernsthaft, was war mit seinem Nakama los? Klar hatten sie sich in echter Männermanier schon das ein oder andere Mal geprügelt. Vielleicht auch öfters.  Aber dann war es immer so gewesen, dass sie sich nach wenigen Minuten wieder eingekriegt hatten, und sich anschließend bei einem Bier über ihr eigenes Verhalten lustig machten. Aber dieses Mal war das etwas Anderes. Shachi würde nicht wieder klein beigeben. Wenn, dann müsste Penguin sich bei ihm entschuldigen, immerhin hatte dieser angefangen. Und er sollte endlich zugeben, dass er sich in dieser Angelegenheit irrte. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich ohne jegliche Vorwarnung eine Hand auf seine Schulter legte. „Eh Shachi, was machsn du fürn langes Gesicht? Du muscht feiern, so Gelegenheit hasch du nich oft!“, lallte ihm derjenige von der Seite zu. Shachi nickte, ohne sich dabei umzudrehen. Seit bereits schon mindestens zwei Stunden saß er mit einigen seiner Nakama in dieser recht zwielichtigen Spelunke herum, und trank, seit sie hier waren, an demselben, sich schier nicht leeren zu wollenden Glas Bier, welches inzwischen nach lauwarmen Spülwasser schmeckte. Trotz mehrmaligem Versuch schaffte er es nicht, seine düsteren Gedanken loszuwerden. Erst jetzt begann Shachi, die am Tisch entstandene hitzige und teils nicht mehr ganz nüchterne Diskussion zu bemerken und mitzuverfolgen. „Ey bistn du blöd, der Captain wird sie doch nisch an Bord behaltn, guck doch ma wasch sie für Scheiße baut. Oder er sperrt sie zu Saburo, dann könn sie da so rumturteln. Obwohl ehär nisch, sonst hatter nachher noch ´n Enkelkind an der Backe.“ Es folgte allgemeines Gelächter. Man merkte den anderen deutlich an, dass sie mehr als nur ein Glas Bier getrunken hatten. Deutlich mehr. Shachi seufzte. Seit Wochen nun diskutierte die Mannschaft, ob Law Mina nun aus der Crew werfen würde. Er glaubte nicht, dass sein Captain dies tun würde. Saburo schmiss er schließlich auch nicht einfach raus – nicht, solange dieser ihm nicht die gewünschten Informationen geliefert hatte. Wobei es unwahrscheinlich war, dass dieser das Schiff überhaupt jemals wieder lebendig verlassen würde, er sah durch Laws Verhörmethoden schon jetzt aus wie ein wandelnder Zombie. Mal davon abgesehen, dass Mina derzeitig gesundheitlich mehr als nur angeschlagen war. Aber dass sie in einem ziemlich miesen Zustand im Krankenzimmer lag, wusste ja so gut wie niemand aus der Crew. Weshalb auch immer Bepo, Penguin und er darüber Stillschweigen bewahren sollten. Es würde sicherlich eh bald auffliegen, immerhin würde sich bestimmt bald jemand fragen, wo- „Leude, wo isch nu eigentlisch Mītobōru? Hab ihn irgendwie schon so gar nisch mehr gesehn.“ Na klasse, perfektes Timing. Shachi bemühte sich, eine unbeteiligte Mine beizubehalten. Glücklicherweise antwortete bereits jemand anderes, ehe irgendwer auf die Idee kam, ihn zu fragen. „Hab Law gefragt, hat gesacht, dass er ne ansteckende Krankheit hat und deswegen isoliert ischt. Wir dürfn das Krankenzimmer nisch betreten.“ „Aso. Wuschtet ihr eigentlisch, dass Shīru darüber nachdenkt, aus der Crew auschzutretn?“ Stirnrunzelnd hob Shachi seinen Kopf. Shīru? Kōris Kindheitsfreund? Hatte der nicht gesagt, dass er trotz alledem Law weiterhin loyal folgen würde? „Ja, isch glaub hier an Bord erinnert ihn alles an Kōri. Der iss total fertisch.“ Finster starrte er in sein Glas. Es war nicht einmal so, dass er Shīru nicht verstehen konnte. Die beiden waren wie Brüder gewesen. Das war alles Minas und Saburos Schuld. Diese ganze Scheiße war auf ihrem Mist gewachsen. Saburo, weil er Kōri getötet hatte, und Mina, weil sie Saburo nicht verpetzt hatte. „Boah, scheiße ey. Mal sehn, wie der Captain das nu wieder hinbiegen will. Ich an seiner Stelle wär verdammt wütend, wenn meine Tochter mich so verarschn würd.“ Von allen Seiten war zustimmendes Brummen zu vernehmen. „Shachi, hat der Capt´n eigentlisch schon wat aus Mina rausgekricht, dass sie die Marine unsern Standort gegeben hat?“ Wieso mussten sie ausgerechnet ihn über diese Themen ausfragen? „Nein, noch nicht. Sie schweigt“, antwortete er knapp. Wenn man es genau nahm, war diese Aussage nicht einmal gelogen. „Hmpf, war ja kla.“ „Und Shachi, wie geht’s nu eigentlisch Penguin? Hab ihn su lang nisch mehr gesehn.“ „Es geht ihm schon wieder besser.“ Nun, zumindest war der dazu imstande, wieder kräftig zuzuschlagen. Also musste es diesem doch wieder besser gehen. „Das isch gut …“ Unangenehmes Schweigen breitete sich am Tisch aus und ließ den in der Bar vorherrschenden Lärmpegel der Gespräche der anderen Barbesucher noch lauter erscheinen als ohnehin schon. Nach einigen Minuten, in denen er gedankenversunken auf den Holztisch gestarrt hatte, entschied er sich dazu, zur Death zurückzukehren. Er stand auf und legte die benötigte Summe Berry auf den Tisch. „Ich geh zurück, bis später.“ „Schon? Du bisch eben doch ein Spießer, Shachi“, kam es grinsend von seinem zuvorigen Sitznachbarn. „Halt die Klappe, Tonchi.“ Nein, er war kein Spießer. Er war grade nur einfach nicht in der Stimmung dazu, mit seinen Nakama über genau die Themen zu reden, die er eigentlich wenigstens heute Abend einmal hatte vergessen wollen. So schnell er konnte, trat er aus der stickigen Bar nach draußen auf den schneebedeckten Gehweg und wurde sogleich von klirrender Kälte empfangen. In diesem Moment war er mehr als froh, an seine Jacke gedacht zu haben. Man, er hasste Winterinseln. Missmutig stapfte er durch den Schnee zurück zum Schiff, wobei er unterwegs immer wieder auf herumtorkelnde Betrunkene traf, denen er aus dem Weg ging. Nicht, dass er sich nicht zur Wehr hätte setzen können, aber auf eine erneute Prügelei hatte er grade so überhaupt keine Lust. Es befanden sich außer ihnen noch so einige andere Piraten auf der Insel, jedoch keine mit besonders hohem Kopfgeld. Das war für sie wiederum von Vorteil, denn unter anderen Piraten fielen sie weniger auf. Komischerweise war ihm in der ganzen Zeit, in der sie schon hier vor Anker lagen, noch kein einziger Marinesoldat über den Weg gelaufen. Und wenn er richtig informiert war, befand sich die Marinebasis dieser Insel etwas abseits der Stadt am Waldrand. Nach einer gefühlten Ewigkeit und halb durchgefroren, stand er schließlich auf dem Deck der Death. Eigentlich wollte er sich auf direktem Wege in seine Kajüte begeben, da er unglaublich müde war. Nachdem er jedoch eine gegen die Reling gelehnte, dunkle Gestalt bemerkte, blieb er stehen. Angespannt trat er mit zunächst zögerlichen Schritten näher an diese heran. Aufgrund der Dunkelheit konnte er nicht erkennen, ob es sich um ein Crewmitglied oder eine fremde Person handelte. Zu seiner Beunruhigung musste er feststellen, dass er keinerlei Waffen bei sich trug. Hektisch sah er sich an Deck um, und versuchte, irgendwo etwas zu finden, was ihm im Ernstfall als Waffe dienen könnte. Tatsächlich konnte er unweit von ihm ein paar Holzplanken ausfindig machen, die wohl wegen den Reparaturarbeiten an der Death dort herumlagen. So leise wie möglich machte Shachi ein paar Schritte zur Seite und griff nach einer der Holzplanken, ehe er sich mit dieser wieder in Richtung Reling begab. Als die besagte Person sich jedoch zu ihm umdrehte, machte sich Erleichterung in ihm breit. Schnell ließ er seine provisorische Waffe sinken. „Ca-Captain, was machst du denn hier?“ Der Gesichtsausdruck seines Captains war, als er sich ihm zuwandte, zunächst ernst und nachdenklich, dann wurde er ausdruckslos. Er konnte sehen, wie Laws Blick an der Holzplanke in seiner Hand haften blieb. „Ich hoffe jetzt einfach mal, dass das kein Meutereiversuch werden soll.“ Entgegen seiner Mimik hatte Laws Stimme bei dieser Aussage einen unüberhörbaren, spöttischen Unterton. „Nein, Captain, ich habe dich nicht erkannt, und nach all den Vorkommnissen der letzten Zeit war ich lieber übervorsichtig, ich wollte dich nicht angreifen, wirk-“ „Das war nicht ernst gemeint.“ „Oh ähm, ach so… Also, Captain, was machst du des nachts hier?“, versuchte er abzulenken. „Ich halte Nachtwache.“ Das hörte sich im ersten Moment tatsächlich logisch an. Wenn man den Fakt außer Acht ließ, dass Law sonst so gut wie nie Nachtwache hielt, da er als Captain zumeist anderweitig zu tun hatte. „Übrigens werden wir das mit der Marinebasis zeitlich vorziehen. Das Schiff ist repariert, die Vorräte aufgefüllt und ich habe alles durchgeplant. Ich möchte nicht länger als nötig hier vor Anker liegen, außerdem steigt dabei die Chance, dass hier wieder die Marine auftaucht. Ich habe den Überfall für morgen Nachmittag angesetzt. Komm morgen vor dem Frühstück mit Penguin in mein Arbeitszimmer. Und denk dran, kein Wort zu irgendwem.“ „Ja, Captain.“ Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Was hättest du gemacht, wenn du mich nicht hier getroffen hättest, um mir das zu sagen?“ Er wusste nicht einmal, weshalb er das wissen wollte. „Ich hätte morgen früh ganz leise an eure Tür geklopft und euch auf nette und rücksichtsvolle Art und Weise mit einem Frühstück am Bett geweckt?“, fragte dieser ihn sarkastisch. Okay, das sollte wohl heißen, dass er sie gnadenlos aus dem Bett geworfen hätte. Laws Stimme wurde wieder ernst, als er weitersprach. „Seid pünktlich, ich werde das Thema mit ein paar Abänderungen beim Frühstück dann beim Rest der Crew ansprechen. Bis morgen.“ „Bis morgen. Gute Nacht.“ Shachi hatte sich bereits zum Gehen gewandt und fast die Tür vom Außendeck erreicht, als ihn Laws Stimme noch einmal in seiner Bewegung innehalten ließ. „Shachi?“ „Ähh … Ja, Captain?“ „Willst du wirklich das Holzbrett mit ins Bett nehmen?“ Augenblicklich richtete sich Shachis Blick zu seiner rechten Hand, in der er tatsächlich nach wie vor die Holzplanke festhielt. Zum Glück war es dunkel, so konnte niemand sehen, wie er rot anlief. „Nein, Captain.“ Man, wieso passierte immer ihm sowas? Shachi ließ das Brett zu Boden fallen und setzte seinen Weg ins Innere des Schiffes fort.  Ursprünglich hatte er beabsichtigt, auf direktem Weg in seine Kajüte zu gehen. Doch als er dabei am Krankenzimmer vorbeikam, blieb er unschlüssig vor der Tür stehen. Nach kurzem Zögern betrat er den Raum. Wie immer schlug ihm starker Desinfektionsmittelgeruch entgegen. Langsam durchquerte er den dunklen Raum, bis er neben Minas Bett stand. Das kristallweiße Mondlicht, welches durch das sich in der Wand befindliche Bullauge hereinfiel, verlieh ihr aufgrund ihres eingefallenen Gesichtes und ihrer ohnehin schon mehr als blassen Haut ein skelettartiges Aussehen. Es verwunderte ihn nicht wirklich, dass sie noch genauso dalag, wie beim letzten Mal. Wann sie wohl aufwachen würde? Law würde sie sicherlich aufgrund der ganzen Fragen, die sich angesammelt hatten, ins Kreuzverhör nehmen. Warum zur Hölle hielt Penguin immer noch zu ihr? Der hatte jawohl einen Dachschaden, er würde sich dadurch nur selber schaden. Kopfschüttelnd entschloss er sich, so langsam auch ins Bett zu gehen, da morgen ein anstrengender Tag werden würde. Auch wenn es nicht nötig wäre, die Marinebasis wegen dieser einen Information zu überfallen. Es stand doch eigentlich bereits fest, dass Mina die Marine auf den Plan gerufen hatte. Und es reichte, wenn er an diesem Gedanken festhielt. Wenn er ehrlich war, wollte er das nicht unbedingt schwarz auf weiß bestätigt bekommen. Ehe er den Raum wieder verließ, drehte er sich noch einmal zu Mina um. „Schlaf gut, Kleine“, murmelte er kaum hörbar. Grummelnd kam er einige Zeit später bei seiner Kajüte an. Als er eintrat, stellte er fest, dass das Licht aus war. Penguin schien bereits zu schlafen. Auch hier wurde der Raum lediglich durch das Mondlicht ein wenig erhellt.  Langsam, und darauf bedacht, leise zu sein, begab sich Shachi zu seinem Bett und setzte sich auf die Bettkante. Mit einem Blick in Penguins schlafendes Gesicht stellte er zu seiner Genugtuung fest, dass dieser von ihrer Schlägerei zumindest ein blaues Auge davongetragen hatte. Obwohl er todmüde war, schaffte er es noch einmal aufzustehen, um zu duschen und sich umzuziehen. Seine Begeisterung darüber, dass er morgen auch noch früher aufstehen würde müssen, hielt sich stark in Grenzen. Zum Glück hatte er nur ein Bier getrunken, sodass er zumindest nicht mit einem fetten Kater aufwachen würde.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)