Bin ich wertlos in deinen Augen ...? von North-Blue ================================================================================ Kapitel 52: ------------ „Penguin, wie ich sehe, geht es dir besser“, brachte sein Gegenüber durch zusammengebissene Zähne hervor. „Ja, das tut es.“ Unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Penguin war grade im Begriff, einfach an Shachi vorbeizugehen, als dieser sich ihm ohne ein weiteres Wort in den Weg stellte. „Warte, Penguin.“ Er hielt ihn an der Schulter fest. Mit verengten Augen sah er Shachi an. Dieser blickte nicht minder ernst zurück. Würde der sich nun endlich für sein Verhalten entschuldigen? Andernfalls konnte er ihn mal kreuzweise, auf eine weitere Diskussion hatte er grade echte keinen Nerv. „Ich hoffe, du läufst nicht immer noch diesem Hirngespinst hinterher, dass Mina das mit der Marine nicht war. Penguin, alle Fakten sprechen gegen sie, du wirst mit deiner Meinung in der Crew komplett alleine dastehen! Wenn jetzt in der Marinebasis endgültig herauskommt, dass sie es war, und genau das wird geschehen, hast du dir nur unnötige Hoffnungen gemacht! Es wäre mir doch auch lieber, wenn sie nichts damit zu tun hätte, aber du musst der Tatsache ins Auge sehen, dass sie von allen infrage kommenden Personen diejenige ist, die die Crew am ehesten-“ „Sollte das rauskommen, was du vermutest, habe ich wenigstens versucht, zu Mina zu halten“, konterte Penguin mit einem vernichtenden Blick. Er hingegen schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht, warum du nicht endlich einsiehst, dass sie nicht mehr auf unserer Seite steht.“ „Und du siehst einfach darüber hinweg, dass es auch Hinweise darauf gibt, dass sie es nicht gewesen sein kann! Du machst es dir viel zu leicht! Ich weiß doch selber, dass sie nicht schuldfrei ist, aber deswegen schiebe ich ihr nicht blind die Schuld für jeden Mist zu, der hier im Moment schiefgeht! „Wundere dich nicht, wenn dich der Rest der Crew demnächst auf dem Kieker hat. Das kann, je nachdem, wen du gegen dich aufbringst, nämlich ziemlich scheiße werden.“ „Weißt du Shachi, ich glaube, ich bin so langsam alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Aber schön, dass ich nun den wahren Charakter meines langjährigen Kumpels kennenlerne.“ „Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?“ Penguin schob Shachis Hand, die ihn nach wie vor an der Schulter festhielt, zur Seite und ging, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, weiter. Erst, als bereits einige Meter Abstand zwischen ihnen waren, antwortete er ihm: „Das soll heißen, dass du mich mehr als anwiderst, Shachi. Nicht, weil du nicht zu Mina hältst, sondern, weil du zu Mītobōru hältst. Denk mal über den Unterschied nach.“ Ohne sich umzudrehen oder auf eine Reaktion seines Nakama zu warten, ging er weiter. Er hatte grade wirklich andere Sorgen, als sich mit Shachi abzugeben. Nur ein oder zwei Minuten später stand er bereits vor der Tür des Krankenzimmers und zögerte zunächst, einzutreten. Nur langsam legte er seine Hand auf die Klinke und drückte sie nieder, vollkommen im Unklaren darüber, was ihn erwarten würde. Ob es ihr wohl schon besserging? Er kannte sich bei der Dauer von Genesungszeiten nach Reanimationen überhaupt nicht aus … Er hätte wohl mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit, dass er einen dunklen Raum vorfinden würde. Stirnrunzelnd betätigte er den Lichtschalter. Das grelle Licht der Deckenlampen erhellte den Raum und ermöglichte ihm, sich im Raum umzusehen. Von seiner derzeitigen Position aus sah alles genauso aus, wie vor ein paar Tagen, als er das letzte Mal hier gewesen war. Nur, dass er diesmal alleine war, Law schien wie erwartet beim Abendessen zu sein. Nun, ganz alleine war er nicht. Am Ende des Raumes, und durch die ganzen sich dort befindlichen medizinischen Gerätschaften von seinem jetzigen Standort aus kaum einsehbar, konnte er Mina ausmachen. Unschlüssig blieb er erst einmal in der Mitte des Raumes stehen, ehe er langsam an sie heranschritt. Mina sah nicht viel besser aus als vor drei Tagen. Nicht einmal die Blässe war aus ihrem Gesicht verschwunden … Als er seine Hand an ihre Wange legte, spürte er, dass sie zumindest nicht mehr so kalt war wie als er sie gefunden hatte. Irgendwie hatte er sich erhofft, dass es ihr inzwischen besser gehen würde, als der Zustand, in dem sie nun war. Frustriert zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich ans Bettende. Stumm starrte er das EKG-Gerät an, welches ihre Herzaktivität aufzeichnete und ein monotones Geräusch von sich gab. Nach einer Weile machte ihn diese Aktivität müde, und er begann, langsam wegzudämmern. Penguin schreckte augenblicklich hoch, als er einige Zeit später ein Geräusch vernahm. Er wandte seinen Blick in Richtung der Tür, durch welche grade sein Captain mit mehreren Kartons in den Armen hereinkam. Dieser schien wenig überrascht zu sein, ihn hier vorzufinden. Law schloss die Tür hinter sich und stellte die Kartons auf dem Boden ab. Auf Penguins fragenden Blick hin, setzte dieser sogar zu einer kurzen Erklärung an: „Ich musste die medizinischen Vorräte auffüllen. Die Vorfälle der letzten Zeit haben sehr an meinem Bestand an Verbänden, Medikamenten, Spritzen und Kanülen gezehrt.“ Penguin nickte. Tatsächlich waren in der letzten Zeit rekordverdächtig viele Leute krank gewesen, und der letzte Aufenthalt auf einer Insel war schon eine ganze Weile her. „Warst du nicht beim Abendessen?“ „Nein, ich wollte zuerst nachsehen, wie es Mi- also ich meine, ich hatte keinen Hunger.“ Sein Gegenüber zog fragend eine Augenbraue hoch. Er schien zu wissen, was Penguin eigentlich hatte sagen wollen, ging aber nicht näher darauf ein. „Du kannst ja Bepo fragen, ob er dir was von seinem übriggebliebenen Essen warmmacht. Er hat mir erzählt, dass es dir geschmeckt hätte.“ Laws spöttischer Unterton war deutlich herauszuhören. Penguin verzog sein Gesicht. Ihm wurde schlecht, wenn er nur an das Zeug dachte. „Komisch Captain, ich habe selbiges von dir gehört. Da scheinen wir wohl beide eine ziemliche Geschmacksverirrung zu haben.“ „Nun, du wirst ja demnächst zwei Wochen Zeit haben, uns dein Talent im Kochen vorzuführen.“ Penguin brummte. Er hasste Küchendienst. Und das wusste sein Captain genau. „Ich hatte mir übrigens schon gedacht, dass ich dich hier antreffen würde, da mir vorhin Shachi aus dieser Richtung entgegenkam und so wütend aussah, als hätte ich ihn dazu verdonnert, für die nächsten zehn Jahre pausenlos Nachtschicht im Navigationsraum zu schieben. Da wusste ich, dass ihr mal wieder eurem Kleinkinderbenehmen freien Lauf gelassen haben müsst.“ Deutlich war herauszuhören, wie genervt er von ihrem Verhalten war. Aber Penguin würde Shachi gegenüber nicht nachgeben. Er würde frühestens wieder normal mit ihm reden, wenn sich dieser zuvor bei ihm entschuldigt hatte. Erst jetzt trat sein Captain näher auf ihn zu und musterte ihn mit kritischem Blick. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, dass du erst wieder zum Dienst antreten soll, wenn du wieder fit bist.“ „Ich fühle mich topfit.“ Natürlich war Penguin klar, dass Law als Arzt sofort merkte, dass das nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Dementsprechend skeptisch wurde er von diesem auch angesehen. Entgegen seiner Erwartungen ging Law jedoch auch dieses Mal nicht näher darauf ein, sondern wandte sich dem EKG-Gerät zu, welches er eingehend studierte. Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte er sich wieder um, sein Gesicht zeigte keinerlei Emotion. Es verhieß nichts Gutes, das wusste Penguin. Sofort machte sich ihn ihm wieder dieses ungute Gefühl breit. Und als er den Bick senkte und in Minas kalkweißes Gesicht sah, ging ihm wieder dieselbe Frage durch den Kopf, die er schon Bepo gestellt hatte, und wegen der er hauptsächlich nach hier gekommen war: „Captain, wie geht es Mina überhaupt? Besonders gesund sieht sie nämlich nicht aus …“ „Das ist sie auch nicht, Mītobōru hat da ganze Arbeit geleistet.“ Seine Stimme klang bitter und wütend. Irritiert zog Penguin die Augenbrauen zusammen. Hatte er irgendetwas verpasst? „Warte mal, heißt das, dass du jetzt weißt, dass Mītobōru Minas Verletzungen verursacht hat?“ „Ja. Ich habe ihn vorgestern ausgehorcht und er hat sich mir gegenüber verplappert und es schlussendlich zugegeben“, knurrte sein Captain. Die Wut in seinem Blick schien tödlich. Nur zu gerne hätte er weitere Details erfahren, aber hielt es für das Beste, dieses Thema vorerst nicht weiter anzuschneiden. „Aber sie wird doch wieder gesundwerden, oder?“ Eigentlich hatte er gedacht, dass er auf diese Frage hin nur eine Bestätigung erhalten konnte. Dass sich das Gesicht seines Captains weiter verfinstern würde, brachte ihn deshalb vollkommen aus dem Konzept. Eigentlich brauchte dieser nicht mehr viel zu sagen, denn sein Gesichtsausdruck sprach bereits Bände. „Aber sie ist doch außer Lebensgefahr, nicht?“ „Ich tue, was ich kann, Penguin. Aber Minas Zustand ist kritisch. Ich habe sie ins künstliche Koma versetzen müssen.“ „Was? Aber wieso? Penguin War fest davon ausgegangen, dass sich ihr Zustand in den letzten Tagen hätte verbessert haben müssen. Erst jetzt, als sein Captain ihm diese Information gab, fiel ihm auf, dass Mina immer noch durch einen Tubus künstlich beatmet wurde. Warum war ihm das nicht früher aufgefallen? Diese Form der Beatmung konnte unbewacht nur unter Narkose stattfinden, da ansonsten, sollte der Patient aufwachen, dieser bei ihm durch das Fremdkörpergefühl Würgen und Erbrechen hervorrief. Law lehnte sich ihm gegenüber mit verschränkten Armen an die Wand. „Zum einen hat sie zu viel Blut verloren. Ich habe ihr bereits Bluttransfusionen verabreicht, aber die Vorräte der Blutgruppe Null an Bord sind aufgebraucht, und ich bin der Einzige außer ihr, der überhaupt diese Blutgruppe mit einem negativen Rhesusfaktor hat. Leider ist es die einzige Blutgruppe, die nicht mit einer anderen Gruppe kompatibel ist.“ Erst jetzt fiel Penguin der Verband um die linke Ellenbeuge seines Captains auf. Und er zählte eins und eins zusammen. „Du hast ihr dein Blut transferiert?“ „Ja. Wie bereits gesagt, das an Bord verfügbare Repertoire an Blutkonserven dieser Gruppe war stark begrenzt und hat dementsprechend nicht ausgereicht, wie du bei der Operation ja auch gesehen hast. Eine weitere Transfusion war zusammen mit der Infusionslösung aber die einzige Möglichkeit, sie vor einem weiteren Kreislaufversagen zu bewahren. Durch das zuvorige Nierenversagen war eine Dialyse unumgänglich, und bei dieser kam es auch wieder zu einem Blutverlust. Ich hätte sie ja wohl kaum verbluten lassen können, Penguin.“ „Ja, natürlich …“ Im Nachhinein wusste er überhaupt nicht mehr, was ihn an dieser Tatsache so erstaunt hatte. Law würde als Arzt, als Captain und in diesem Fall auch als Vater, nichts unversucht lassen, um einem Crewmitglied das Leben zu retten. „Dazu kommt noch, dass sich die Wunde nach wie vor nicht richtig verschließt. Und ihre Nieren arbeiten noch nicht wieder richtig.“ “Aber Captain, wenn ich mich recht erinnere, ist die Wunde jetzt schon mehrere Wochen alt, wie kann es sein, dass sie noch immer nicht verheilt ist und wieder aufgeht?“ „Die Wunde ist von Anfang an schlecht verheilt. Diese Wundheilungsstörungen können verschiedene Ursachen haben. Nach dem Vorfall damals habe ich Zytostatika in der Wunde feststellen können, ebenso an ihrem Katana. Das sind Zellgifte, die normalerweise bei Krebserkrankungen eingesetzt werden und eine Zellteilung bei Tumorzellen verzögern oder komplett verhindern. Bei Wunden wie dieser kann es durch die blockierte Zellteilung zu gravierenden Wundheilungsstörungen kommen. Allerdings habe ich dieses besagte Zellgift damals neutralisiert und die Wunde war dabei, zu heilen. Scheinbar jedoch nur oberflächlich, wenn sie durch einen Schlag, und einen ebensolchen vermute ich als Ursache, wieder aufgegangen ist. Ich denke aber, dass die schlechte Wundheilung bei ihr derzeitig in ihrer mangelhaften Ernährung begründet ist. Eine Fehl- oder Mangelernährung kann den Wundheilungsprozess verzögern beziehungsweise verhindern, da zu den Voraussetzungen für eine gute Wundheilung eine ausreichende Energiezufuhr und eine genügende Versorgung mit Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen gehören.“ Sein Captain hörte sich mal wieder an, als hätte er ein Medizin-Lexikon verschluckt. Nun, wenigstens schien Law sich Mühe zu geben, dass Penguin überhaupt etwas verstand, denn wenn dieser einmal richtig in seinem Fachchinesisch anfing, war es für Leute wie ihn kaum möglich, dieses zu entschlüsseln. Aber das Wesentliche hatte Penguin verstanden: Minas unzureichende Ernährung der letzten Zeit bereitete ihr nun immense Probleme. „Das Problem ist, dass ich die Wunde auch nicht erneut vernähen kann, solange sie noch entzündet ist.“ Er hörte ihn genervt aufatmen. „Aber wie dem auch sei, um dieses Problem werde ich mich kümmern müssen. Ich wollte mit dir eigentlich noch über etwas Anderes reden.“ Diese Worte ließen ihn aufblicken. Sein Captain hatte recht, er hatte ja irgendwas mit ihm besprechen wollen. Das war einer der Gründe, weshalb er überhaupt hier war. Okay, hauptsächlich hatte er in Erfahrung bringen wollen, wie es Mina ging. „Penguin, alles, was wir jetzt bereden, wird unter uns bleiben, verstanden?“ Unter dem ernsten Blick seines Captains regelrecht zusammenschrumpfend, nickte er. „Dir dürfte es sicherlich nicht entgangen sein, wie stark sich Mina seit dem Vorfall in der Marinebasis auf Mashumaro verändert hat, oder?“ Einen kurzen Moment lang sah er seinen Captain einfach nur perplex an. Penguin hatte schon befürchtet, er würde irgendeine Standpauke erhalten, weil er vor ein paar Tagen Shachi so angegangen war. „Ja, Captain. Ich … hatte ja schon mehrmals mit dir darüber gesprochen. Shachi und ich sollten ja auf deinen Befehl hin ein Auge auf sie haben. Seit dieser Sache hat sie sich wirklich enorm verändert. Du erinnerst dich sicher noch an unser Gespräch, als ich zu dir gekommen bin, nachdem ich aus ihr etwas über den Marinespion herausbekommen wollte.“ „Natürlich erinnere ich mich daran. Sie hat sich damals willentlich, obwohl sie wusste, wer der Marinespion, geweigert, die Identität von diesem preiszugeben und dir zudem ziemlich deutlich vor Augen geführt, dass es ihr egal wäre, was mit der Crew passiert.“ Penguin hatte diese Szene noch genau vor Augen. Seine Fassungslosigkeit darüber, als Mina ihm seine Mithilfe verweigerte, den Spion ausfindig zu machen, fühlte er nach wie vor. „Ich verstehe wirklich nicht, was sie bei der Marine erlebt haben kann, dass sie so verändert hat. Ich meine, sie ist damals einfach so in der Nacht verschwunden, und dann finden wir sie, nachdem wir stundenlang nach ihr gesucht haben, bei der Marine wieder, wo sie sich weigert, mit uns zu kommen und sich anschließend verletzt mit ihrem Katana schwer selbst verletzt. Ich meine, was zur Hölle war da los? Und wer war überhaupt dieser schmierige Marineheini bei ihr? Sie kann über diese Ereignisse doch nicht einfach schweigen!“ Eigentlich hatte Penguin diese Fragen nur rein rhetorisch gestellt, da er nicht glaubte, von seinem Captain eine Antwort auf diese erhalten zu können. Aber da schien er sich vertan zu haben, denn Law konnte ihm tatsächlich zumindest eine der Fragen beantworten. „Der „Marineheini“, wie du ihn nennst, war Vizeadmiral Akamatsu.“ Es folgte eine kurze Pause, in der sich der Blick seines Captains merklich verfinsterte, während er mit verschränkten Armen seine Tochter betrachtete. „Er ist Minas Großvater.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)