Midian von Yumiko_Youku (Kyūketsuki) ================================================================================ Kapitel 1: Fullmoon ------------------- Fullmoon Es war die Nacht des 21. Septembers im Jahre 1975. Für einige Menschen ist dieser Tag ein Feiertag. Sie nennen ihn Mabon, auch allgemein bekannt als die Herbst Tag-und-Nacht-Gleiche. An diesem Tag feiern diese Menschen den Herbstanfang und verabschieden sich vom Sommer. Auch ich sollte mich an diesem Tage von einigen Dingen verabschieden. Von meiner Familie, meinem Zuhause und meinem Leben. Die Nacht war sternenklar und der Vollmond schien, die Welt in sein mysteriöses Licht tauchend. Auch die angenehme Temperatur, die trotz des beginnenden Herbstes herrschte, zog mich nach draußen und lud mich zu einem ausladenden Nachtspaziergang ein. Ich verlies das Haus, streichelte meinen Hund Koji, ehe ich den Vorgarten verließ und die kleine Pforte hinter mir schloss. Unser Haus stand abseits der Stadt und deshalb auch näher an der freien Natur. Schon immer hatte mich der umliegende Wald und die Felder angezogen und fasziniert. Und dahin zog es mich auch dieses Mal. Ich hörte das Laub unter meinen Sohlen sanft rascheln und ging tiefer in den Wald hinein, bis ich bei einer gigantischen Eiche ankam, auf dessen ausladende Astgabel ich zu klettern pflegte. Leichter Wind kam auf und spielte in meinem Haar. Ich schloss die Augen und genoss den Augenblick. Dies waren die kleinen Freuden des Lebens. Der sanfte, warme Wind liebkoste meine Haut und fuhr durch mein Haar. Mir war beinahe so, als könnte ich die Mondstrahlen auf meiner Haut spüren und ein sanftes Licht drang durch meine geschlossenen Lider. Ich atmete entspannt ein und aus, ehe ich die Augen öffnete und den Sternenhimmel betrachtete. Ich lies meinen Blick über das Firmament schweifen und zählte die Sternzeichen auf, die ich ausmachen konnte. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es fast Mitternacht war und ich mich schnell auf den Weg nach Hause machen sollte. Ich versicherte mich mit einem Griff in meine Hosentasche, dass ich den Haustürschlüssel noch bei mir trug, dann lief ich los. Mein Schritt verlangsamte sich, als unser Haus in Sichtweite kam. Instinktiv ahnte ich die Gefahr, ohne genau zu wissen warum. Es war beinahe, als warnte mich irgendetwas tief in meinem Inneren. Vor unserem Gartentor blieb ich irritiert stehen. Ich war mir sicher, dass ich die Tür zu gemacht hatte, als ich gegangen war. Zudem sprang Koji nicht um meine Beine um mich, wie üblich, zu begrüßen. Eine kalte Faust griff nach meinem Herzen und ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinab. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Vorsichtig lies ich das Tor hinter mir zufallen und näherte mich unserem Haus. Mein Herz setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus und starres Entsetzen erfüllte mich, als ich den unförmigen Fleischklumpen vor unserer Haustür entdeckte, der einst mein bester Freund und zugleich ein Familienmitglied gewesen war. „Koji...“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und drohte zu versagen. Ich fiel auf die Knie und streckte die zitternde Hand aus. Wer konnte nur etwas so Grausames tun? Mein ganzer Körper bebte, ob vor Trauer, oder Wut, hätte ich nicht sagen können. Ein Schrei lies mich alarmiert hoch fahren. Er kam aus der geöffneten Wohnungstür. Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass die Kreaturen, ich konnte es kaum wagen von Menschen zu sprechen, die Koji das angetan hatten, sich im Haus befinden könnten. Ich versuchte meinen Körper unter Kontrolle zu bekommen und stand auf. Ich schritt durch die geöffnete Wohnungstür, welche aufgebrochen worden war und lief vorsichtig den Flur entlang. Seitdem ich das Haus verlassen hatte, war offensichtlich einiges geschehen. Sämtliche Türen, an denen ich vorbei lief, waren mutwillig aus den Angeln getreten worden. Der Boden war verdreckt und voller Schlamm, in welchem sich Stiefelabdrücke abzeichneten. Bilder waren von den Wänden gerissen worden und lagen verstreut auf dem Boden, zusammen mit Scherben von Fenster und Türen. Ein erneuter Schrei trieb mich zur Eile an und ein vielstimmiges, hämisches Gelächter lies einen Schauer über meinen Rücken wandern. Von der Küche aus spähte ich durch die aus de Angeln gerissene Wohnzimmertür. Auf den ersten Blick sah es dort ebenso aus, wie im Rest des Hauses. Gegenstände waren wahllos zertrümmert und zerstört worden und die Überreste lagen achtlos auf dem Boden. Doch es war nicht das Chaos, welches meinen Blick auf sich lenkte. Inmitten der Unordnung standen ein halbes dutzend unbekannte Männer. Sie trugen Uniformen und Waffen bei sich. In ihrer Mitte stand meine kleine Schwester, welche nicht aufhören wollte zu schreien. Ihr Gesicht war eine Maske des Entsetzen und ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Mein Verstand benötigte einen Augenblick, um zu erkennen, was sie so apathisch anstarrte. Vor ihr lagen die blutüberströmten, fast zur Unkenntlichkeit zerfetzten, Leichen meiner Eltern. Man hatte offensichtlich mehrere Male auf sie geschossen und ihnen bei ihrem Todeskampf zugesehen. Hämatome und blutige Kratz und Bissspuren zierten ihre Körper. Offensichtlich hatten sich die Männer viel Mühe dabei gegeben, die Beiden leiden zu lassen. Ihre Kleider waren zerrissen und ihre trüben Augen blickten in eine unbestimmte Ferne jenseits der Zimmerdecke. Tränen rollten über meine Wangen und ein Körper begann erneut unkontrolliert zu zittern. Das Lachen der Männer schrillte in meinem Ohr. Meine Fäuste ballten sich unwillkürlich und ich stieß ein tiefes Knurren aus. Blind vor Wut packte ich das Nächstbeste, was mir in die Hände fiel. Es war ein gebrauchsübliches Küchenmesser und ich beschloss damit meiner Wut Luft zu machen. Mit einem wilden Aufschrei stürmte ich auf die Männer zu, welche mit dem Rücken zu mir standen und rammte einem von ihnen das Messer in den Rücken. Unbeeindruckt ruhte sein Blick auf mir, als er sich zu mir umdrehte. Sein Gesicht verzog sich zu einer hämischen Grimasse und er packte meinen Hals. Unsanft fühlte sich mich in die Luft gehoben und der Druck auf meine Kehle verstärkte sich. Grob drückte der Mann zu und sein Lachen erfüllte den Raum. Mit zusammengebissenen Zähnen hob ich meine Hände und trieb meine Fingernägel in seine Handrücken. Verärgert verpasste er mir eine schallende Ohrfeige, doch ich lies ihn nicht los. Mein Blick fiel erst auf seine Augen, dann auf seinen Mund. Seine Augen glühten blutrot und sein Mund wurde von einem Paar Reißzähnen geziert. Meine Vermutung war richtig gewesen. Kein Mensch hatte diesen Schaden angerichtet. Es waren Vampire gewesen. Im Gegensatz zu anderen Menschen wussten meine Eltern und ich um die Existenz von Vampiren. Mein Vater hatte als Wachmann für eine Organisation gearbeitet, welche sich selbst die „Hellsing Organisation“ nannte. Und darum wurde mir in just diesem Augenblick klar, dass mein vorheriger Angriff in etwa so effektiv gewesen war, wie ein Wurf mit einem Wattebällchen. Ich begann zu husten und nach Luft zu schnappen. Ein drückendes Engegefühl breitete sich von meinem Nasenrücken über den gesamten Schädel aus. Mein Kopf begann zu dröhnen und dunkle Flecken tanzten vor meinen Augen. Meine Bemühungen freizukommen, ernteten nur Gelächter. Mir wurde schwindelig und die Kraft schwand aus meinem Körper. Ein Finger nach dem anderen stellten den Angriff ein. Meine Hände verloren den Halt und meine Arme pendelten kraftlos in der Luft. Und plötzlich wurde alles still, als würde ich in den Tiefen des Ozeans versinken. Mit einem Mal war mir alles egal. Leben, Sterben. Was tat es zur Sache? Meine Augenlider flackerten und senkten sich, während mein Körper kraftlos im Griff des Vampires hing. Ja genau. Ich würde endlich schlafen. Einfach friedlich einschlafen. Mein Kopf fiel schlaff auf meine Brust und ich gab mich der bleiernen Schwere hin, die mich ergriffen hatte und immer tiefer mit sich zog. Das Kreischen meiner Schwester, die nach mir rief und versuchte zu mir zu gelangen, war das Letzte, was ich wahrnahm, ehe ich das Bewusstsein verlor. Mein Schädel dröhnte immer noch, als ich langsam zu mir kam. Ich blinzelte mehrmals und mein Blickfeld klärte sich allmählich. Erst jetzt kam ich zu Atem und nahm den wertvollen Sauerstoff gierig in meine Lungen auf. „Seht mal.“ Der hämische Tonfall gehörte zu dem Vampir, welcher vor mir stand und mich wie eine Ware begutachtete. Er schien der Anführer der Bande zu sein und hatte eine schnarrende Stimme, die vor Überheblichkeit triefte. „Das Kätzchen ist endlich aufgewacht.“ Erst jetzt bemerkte ich, vermutlich da ich dem Kerl am liebsten eine verpasst hätte, dass ich nicht in der Lage dazu war, meine Arme zu bewegen. Als ich sie probehalber rührte, konnte ich hören, wie etwas metallisches gegen die Heizung schlug, neben der ich saß. Offenbar hatten mich die Vampire mit Handschellen an den Heizkörper gefesselt, als ich bewusstlos gewesen war. Erst in diesem Augenblick bemerkte ich die Totenstille, die mich umgab. Ich zermarterte mir für den Bruchteil einer Sekunde das Hirn. Warum war es so still? Dann traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Meine kleine Schwester hatte aufgehört zu schreien. Ihr entblößter Körper lag auf den Leichen meiner Eltern. Ihren blassen Körper zierten zahllose Bisswunden. Der Vampir, welcher vor mir stand lachte erneut, als er meinen Blick bemerkte. „Die Kleine war nicht schlecht, aber etwas dürr. Sie war innerhalb weniger Sekunden leer.“ Er sprach über sie, als wäre sie eine Art von Flüssigkeitsbehälter gewesen, welchen er und seine Männer ausgetrunken und weggeschmissen hatten, als er leer gewesen war. Erneut kochte die Wut in mir hoch und hätten es die Handschellen nicht verhindert, hätte ich dieser Kreatur am liebsten den Kopf von den Schultern gerissen und sein dämliches Grinsen aus seinem Gesicht getilgt. Allerdings konnte ich ihn nur finster anstarren und meine Zähne knurrend blecken. Oft hatte meine Mutter gescherzt in mir sei ein Wolf verloren gegangen und diesem lies ich nun freiem Lauf. Nun ging der Vampir in die Knie und betrachtete mich wie ein Stück Vieh. „Ich hoffe aus dir ist etwas mehr rauszubekommen.“, meinte er mit einem schmutzigen Grinsen und riss mir das Oberteil vom Körper. Ich knurrte wütend und spuckte ihm in meiner Ohnmacht ins Gesicht. Ärgerlich wischte der Vampir sich den Speichel von der Wange und schlug mir ins Gesicht. Ich schmeckte einen metallischen Geschmack im Mund und etwas Blut kam aus meinem Mundwinkel geflossen. Trotzig erwiderte ich den Blick des Vampires. Erst jetzt bemerkte ich die Armbinde, die der Vampir um den linken Arm geschlungen hatte. Sie war rot, bis auf den weißen Kreis in der Mitte und in dem Kreis war ein schwarzes Hakenkreuz abgebildet. Hatten die Jungs nicht mitbekommen, dass der zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft in Deutschland seit sage und schreibe dreißig Jahren zu Ende war? Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken: „Das Kätzchen hat Biss.“, spottete der Anführer und seine Kameraden stimmten in sein Gelächter ein. Dann wandte er sich wieder mir zu und fuhr mit seinem Finger über meine Brust. Ich zuckte angewidert zusammen. „Ooh.“, flötete er. „Scheint als stände heute eine weitere Jungfrau auf der Speisekarte.“ Er beugte sich weiter vor und sog geräuschvoll die Luft durch die Nase ein. „Ja. Eindeutig. Jungfräulich.“ Das Lachen seiner Kumpanen wurde noch lauter. Mir wurde richtig schlecht, als ich der gierigen Gesichtsausdrucke der Vampire gewahr wurde. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und versuchte ihm mit meiner Stirn das Nasenbein in sein Gehirn zu rammen, doch er wich lachend aus. „Na komm schon, Süße.“, säuselte er. „Ich werde auch ganz sanft zu dir sein. Zwing mich nicht dir weh zu tun.“ Dann hob er mein Kinn an und wollte mich somit zwingen ihm in die Augen zu sehen. Seine Finger waren kalt und glichen einem Schraubstock. Auch seine Augen strahlten eine Eiseskälte aus, doch da war noch etwas anderes in seinem Blick, was beinahe Erbrochenes in meine Mundhöhle trieb. Mit seinem Zeigefinger fuhr er langsam über meine Augenlider, welche ich inzwischen fest zusammen gekniffen hatte, um ihn nicht länger ansehen zu müssen. Dann strich er über meine Wange, bis er bei meinen Lippen angekommen war. Genüsslich fuhr er diese mit seinem Finger nach. Ohne weiter darüber nachzudenken biss ich zu. Der Vampir brüllte auf vor Schmerz und wich zurück. Ich spuckte angewidert den Teil des Fingers aus, den ich ihm abgebissen hatte. Ich wollte keinen Fetzen Haut und keinen Tropfen Blut von diesem Kerl in mir haben. Ein gewisses Triumphgefühl regte sich in mir, als ich sah, wie der Kerl vor Schmerz fluchend seinen schmerzenden Finger hielt. Hoffentlich tat es richtig schön weh. Verdient hatte er es. Als der Vampir sich einigermaßen gefasst hatte, war er außer sich vor Wut. „Du miese Schlampe!“, zeterte er. Seine Hand fuhr an den Holster, den er an seinem Gürtel befestigt hatte und er zog eine Pistole heraus, mit welcher er auf mich zielte. „Das hast du jetzt davon, du mieses Stück!“, schrie er rasend vor Wut und entsicherte die Waffe. Doch statt dem ganzen ein schnelles Ende zu machen und mir in den Kopf oder ins Herz zu schießen, schoss mir der Vampir zweimal in den Rumpf. Ich kniff die Augen zusammen und biss mir kurz auf wimmernd auf die Unterlippe. Schreien würde ich nicht. Diesen Triumph gönnte ich diesem Ungeheuer nicht. Wie in Zeitlupe sah ich, wie das Blut aus der frischen Wunde sickerte. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte der Kerl meinen Magen erwischt. Schüsse in die Magengegend galten als besonders schmerzvoll und führten unweigerlich zum Tod, wenn man sie nicht behandelte. „Glaub ja nicht, dass ich dich einfach so verrecken lasse, Miststück!“, knurrte er und steckte seine Pistole zurück, nachdem er sie wieder gesichert hatte. Das Blut floss meinen Körper hinab und tränkte die Fetzen meiner Kleidung, die zu meinen Füßen lagen. Ich schätzte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis mich der Blutverlust töten würde. Die Vampire schlossen die Augen und schnüffelten. Sie schienen schier nach meinem Lebenssaft zu lechzen und wollten sich schon auf mich stürzen, doch ihr Anführer hielt sie zurück. „Hey. Ihr hattet euren Spaß.“, meinte er mit einem Seitenblick auf meine tote Schwester. „Jetzt bin ich dran.“ Die Anderen grummelten enttäuscht, blieben aber dort, wo sie waren. Der Vampir schien zufrieden und drehte sich wieder zu mir um. „Soo...“, meinte er gedehnt, während er sich provozierend die Lippen leckte und beugte sich wieder über mich. Dabei hatte er nur vergessen, dass meine Beine und Füße nicht gefesselt waren und ich beschloss sofort von ihnen Gebrauch zu machen. Doch leider gelang es dem Vampir, meinem Tritt auszuweichen, der ansonsten sein Kinn schmerzvoll getroffen hätte und er grinste boshaft. „Oh, diesmal nicht, Schlampe.“ Er krallte seine Finger in meine Oberschenkel und drückte sie so zu Boden. Dann fuhr er mit seiner Zunge über meinen Bauch. Er seufzte genießerisch, als er seine Zunge wieder eingefahren und mein Blut gekostet hatte. „Kein schlechtes Exemplar.“, kommentierte er. Solange er nicht hoffte, dass ich mich über das „Kompliment“ freute, dachte ich träge. Allmählich spürte ich, wie mein Körper schwerer wurde. Dafür war garantiert der Blutverlust verantwortlich. Abermals holte er sich mit seiner Zunge die Nahrung, die er begehrte. Als ihm dies nicht mehr zu reichen schien, legte er seinen Mund an eine der Wunden. Gierig trank er und nichts schien seinen Durst stillen zu können. Seine Kumpanen wurden immer unruhiger. Anscheinend konnten sie es kaum erwarten selbst an der Reihe zu sein. Verbissen kämpfte ich darum bei Bewusstsein zu bleiben. Aber welche Hoffnungen hatte ich noch da raus zukommen? Eigentlich war mein Hoffen vernunftwidrig, mein hartnäckiger Kampf sinnlos und vergebens. Gerade als meine Augen zu zufallen drohten, erregten fünf aufeinander folgenden Schüsse meine Aufmerksamkeit. Ich hob den Blick, nur um zu sehen wie die vier anderen Vampire ins Herz getroffen zusammen sackten. Der Vampir, der bis eben mein Blut getrunken hatte, fuhr herum und sprang auf. „Wer ist da? Zeig dich!“, schrie er in den Flur hinaus, aus dem scheinbar die Geschosse gekommen waren. Der Unbekannte gehorchte und betrat den Raum. Es war ein hochgewachsener Mann mit einem roten Mantel und gleichfarbigen Hut, unter welchem schwarze Haare hervorragten. „Wer bist du?“, fragte der Vampir sein Gegenüber. „Mein Name ist Alucard und ich bin hier um Müll wie dich zu entsorgen. Aber das muss dich nicht länger interessieren.“ Der Vampir wich zurück, als er der silbernen Waffe gewahr wurde, welche direkt auf sein Herz gerichtet war. „Lass das!“, schrie er. Seine Stimme triefte nur so vor Verzweiflung. Ich gönnte es ihm aus vollem Herzen und ein schwaches Lächeln erschien auf meinen Lippen. Auch der Fremde grinste breit und dachte gar nicht daran, den Vampir zu verschonen. „Ihr Vampire von heute seid wirklich erbärmlich.“, meinte der Unbekannte, „Ihr tötet nicht aus Hunger, oder Not, sondern weil ihr Gefallen daran habt, Schwächere zu quälen und eure Macht zu demonstrieren.“ Innerhalb von Sekunden war es vorbei. Eigentlich war es ein Hohn: Das Leben, das so schnell geendet hatte, hatte zuvor eine ganze Familie in den Tod gerissen. Doch etwas anderes zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Als der Unbekannte gegrinst hatte, hatte er dabei ein Paar spitze Reißzähne entblößt. Also war auch er ein Vampir. Das erinnerte mich an etwas. Mein Vater hatte von einem domestizierten Vampir erzählt, welcher unter dem Befehl der Hellsing-Organisation, oder genauer dessen Oberhaupt, stand. Dies musste er sein. Nosferatu Alucard. Auch wenn er zur selben Rasse zählte, wie die Ungeheuer, die in dieses Haus eingedrungen waren, hatte ich keine Angst vor ihm. Dies lag nicht nur daran, dass er sie getötet hatte, oder dass ich wusste, dass er auf der Seite der Menschen stand, sondern vielmehr waren es seine Augen, die mir die Furcht nahmen. Sie strahlten eine solche Ruhe aus und versicherten mir, dass alles gut werden würde. Als er bei mir angelangt war, mir war es wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen, beugte er sich zu mir und schien mit einem Blick zu erfassen, wie es um mich stand. Mit einer Hand zerstörte er wütend die Handschellen, die mich gefesselt hatten. „Solche Kreaturen verdienen es nicht am Leben zu bleiben.“, meinte er verächtlich mit einem Seitenblick auf die leblosen Körper. Dann wandte er sich wieder zu mir. „Deine Eltern waren großartige Menschen.“ Er betonte das Wort „Menschen“ besonders, wie eine Art Ehrentitel, den nur bestimmte Leute tragen duften. Ich nickte schwach, da ich das Gefühl hatte ihm zustimmen zu müssen und kämpfte noch immer gegen die bleierne Schwere, die mich umklammert hielt und mit sich reißen wollte. Ich biss die Zähne zusammen und stand schwankend auf. Sofort war Alucard an meiner Seite. „Du solltest nicht...“, begann er, doch ein seltsames Geräusch lies uns beide innehalten. Hinter ihm hatten sich meine Eltern und meine Schwester wieder aufgerichtet. Doch sie waren nicht mehr dieselben. In ihrem Blick lag nichts menschliches mehr. Sie waren zu Ghouls geworden. Untote Kreaturen, die nur einem Instinkt folgten: Dem Instinkt nach menschlichem Fleisch. Augenblicklich zückte und entsicherte Alucard seine Waffe, um sich des Problems zu entledigen, doch meine Stimme hielt ihn zurück. „Bitte nicht...“, bat ich ihn schwach und er sah mich verständnislos an. Ich sammelte mich noch einmal. „Ich... möchte es tun.“, brachte ich schließlich hervor. Als er begriff, wurde sein Blick weicher und er nickte kurz. Er richtete die Waffe auf einen der Drei und hielt die Pistole so, dass ich den Abzug drücken konnte. „Oyasumi.“, flüsterte ich sanft, unterdrückte die Tränen, die mir bereits in den Augen brannten. Nach drei gezielten Schüssen, wurde es still und meine Knie gaben endgültig nach. Alucard schien mich zu mustern und nach eine Weile fragte er: „Bist du noch Jungfrau, Mädchen?“ Es dauerte nahezu eine Ewigkeit, bis ich die Frage verstand, nachdem ich mir schier mein Hirn zermartert hatte. Ich nickte schwach. Er betrachtete meine Wunde und die rote Pfütze, die sich zu meinen Füßen gebildet hatte. „Du hast nicht mehr lange zu leben.“ Diese Feststellung verwunderte mich. Warum erzählte er mir etwas, das mir selbst klar war? Doch dann fügte er hinzu: „Was willst du tun? Willst du sterben?“, fragte er und machte eine bedeutende Pause, ehe er fortfuhr: „Oder willst du mit mir kommen?“ Wieder brauchte mein Gehirn ewig, bis es die Bedeutung der Wörter verstand und begriff, was er damit meinte. Ich blinzelte träge und mein Blick schweifte ziellos umher, bis er bei den leblosen Körpern meiner Familie hängen blieb. Sie waren tot. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Ich hatte die Chance weiter zu machen, weiter zu leben. Sie hätten es sicher gewollt. Doch was wollte ich? Zurückblickend war mein Leben nicht von den größten Erfolgen gespickt gewesen, noch hatte ich Großes geleistet, oder erreicht. Ich hatte kein Ziel im Leben besessen und nichts gehabt wofür es sich zu leben gelohnt hatte. Nun lag ich hier, mein eigenes Blut tränkte meine Kleidung und das Leben floss unaufhaltsam aus meinem Körper. Sterben war gar nicht so schlimm, wie man allgemein annahm. Es fühlte sich in etwa an, als würde man friedlich einschlafen. Wieder versuchte ich die bleierne Schwere abzuschütteln. Ich wusste die Antwort. Ich wollte nicht sterben. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht so. Da ich mich zu schwach fühlte um zu sprechen, versuchte ich nach seiner Hand zu greifen, die nahe meiner auf dem Boden ruhte. Er verstand diese Geste und seine Lippen teilten sich zu seinem Grinsen. Das Letzte was ich wahrnahm, bevor ich das Bewusstsein verlor, waren seine blutroten Augen, die sich in mein Blickfeld schoben und meine Welt rot färbten, ehe sie ins Schwarze versank. Kapitel 2: Awakening -------------------- Awakening Ich blinzelte verwirrt, als ich in einem mir unbekannten Raum aufwachte. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an der Vergangene erinnerte. Mit meiner Zunge befühlte ich vorsichtig meine Zähne. Tatsächlich. Reißzähne. Ich war nun also wirklich ein Vampir. Eine Draculina. Ich hob die Bettdecke an und stellte fest, dass meine Wunden verschwunden waren. Ebenso wie der Rest meiner Kleidung. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als eine wohlklingende Stimme neben meinem Bett ertönte: „Wie geht es dir?“ Ich wurde rot und versuchte hastig meinen Oberkörper mit der Bettdecke zu bedecken. „G... gut.“, stotterte ich unsicher und wandte langsam den Kopf, um Alucard anzusehen. Was war nur mit mir los? Normalerweise war ich nicht so schreckhaft. Ein Grinsen zierte seine Lippen, während sein Blick auf mir ruhte. Es würde nicht wundern, wenn ein Vampir wie er durch dieses dünne Lacken sehen könnte, fuhr mir ein Gedanke durch den Kopf. Ich ignorierte diese fixe Idee und sah mich in dem Raum um. Der gesamte Raum - Decke, Boden Wände - alles bestand aus Stein. Es gab keine Fenster und nur eine Tür. Bis auf das Bett befand sich kaum etwas darin. Ich musste nur eins und eins zusammen zählen, um zu erkennen, dass ich mich in dem Hauptquartier der Hellsing-Organisation befinden musste. Gerade als mir die Stille unangenehm wurde und ich erwog etwas zu sagen, öffnete sich die Tür und zwei Männer betraten den Raum. Als der jüngere der Beiden mich erkannte, stürmte er auf mich zu und umarmte mich. „Alexandra!“, rief er aus und mir kam es vor, als sei er kurz davor in Tränen auszubrechen. Ich achtete darauf, dass die Bettdecke dort blieb, wo ich sie haben wollte und sah zu dem mir wohl bekannten Mann auf. Ich spürte die fragenden Blicke von Alucard und dem anderen Mann. „Onkel...“, begann ich und zog in Betracht ihn zu bitten, dass er mich loslassen sollte, denn zugegebenermaßen war mir die Umarmung peinlich, obwohl ich sie unter anderen Umständen hätte genießen können. Aber da lies er bereits von mir ab und wandte sich Alucard zu: „Ich wusste ja nicht, dass sie diejenige ist, die du zum Vampir gemacht hast, Alucard.“ Dann sah er wieder mich an: „Was ist mit deinen Eltern und deiner Schwester?“ Ich blickte zu Boden und Alucard antwortete anstatt meiner: „Außer ihr lebte niemand mehr.“ Wenn man einen Vampir als lebendig bezeichnen konnte. Alucard schaute abwechselnd meinen Onkel und mich an und fragte: „Sie ist also deine Nichte, Walter?“ Dieser nickte stolz und Alucard fügte hinzu: „Nun, sie hat deine Ausstrahlung, Todesengel.“ Ich zog eine Augenbraue hoch, als ich den Spitznamen meines Onkels vernahm. Todesengel? Bevor ich daran denken konnte, zu fragen was es mit diesem Spitznamen auf sich hatte, räusperte sich der Mann, der am Fußende des Bettes stand. Walter schien zu bemerken, dass er sich für einen Augenblick selbst vergessen hatte, trat einen Schritt von meinem Bett zurück und verbeugte sich höflich: „Verzeihen Sie, Sir Hellsing.“ Dies war also der Oberhaupt der Hellsing Familie, Sir Arthur Hellsing, rief ich mir ins Gedächtnis. „Schon gut, Walter.“ Locker winkte er ab und lächelte mich freundlich an. „Ich bin Arthur Hellsing.“, stellte er sich vor. „Und du bist Alexandra Dolneaz?“, fragte er mich und ich nickte. Sein Lächeln wurde breiter. „Nur nicht so schüchtern.“ Dann wandte er sich an meinen Onkel: „Walter!“ „Ja, Sir?“ „Geben Sie Ihrer Nichte eine unserer Uniformen.“ Walter nickte und verbeugte sich höflich, als er den Raum verlies um das Gewünschte zu holen. Arthur betrachtete mich eine Weile, ehe er fragte: „Dein Vater hat dich sicherlich über unsere Organisation aufgeklärt.“ Ich nickte abermals und Sir Hellsings Blick wurde um eine Spur trauriger. „Ein guter Mann, dein Vater, und deine Mutter war eine hübsche Frau gewesen. Mein Beileid.“ Ich nahm seine Anteilnahme schweigend hin und horchte auf, als Walter zurückkehrte. In seinen Händen trug er eine zusammen gefaltete Uniform, welche er vor mich auf das Bett legte. „Du bist ab heute ein Mitglied unserer Organisation.“, erklärte Arthur munter. „Und hilfst uns im Kampf gegen Vampire und Ghouls. Ich nehme an du bist im Umgang von Waffen vertraut?“ Wieder nickte ich nur. Der blonde Mann lachte etwas und sagte: „Ich hoffe, dass wir bald deine süße Stimme vernehmen können. Aber du brauchst sicher etwas Zeit um dich einzugewöhnen. Das Ganze ist ja noch ziemlich neu für dich.“ Er warf einen Blick auf die Uniform. „Ich hoffe sie passt dir.“ Es entstand eine Pause, die mehrere Minuten andauerte. Alle Blicke ruhten erwartungsvoll auf mir. Scheinbar erwarteten sie, dass ich auf der Stelle meine Uniform einweihte. Ich warf meinem Onkel einen flehenden Blick zu, doch als dieser nicht zu verstehen schien, räusperte ich mich und bat: „Könntet ihr den Raum verlassen, solange ich mich umziehe? Bitte.“ Alucard´s Grinsen wurde breiter und er löste sich plötzlich in Luft auf. Die anderen Männer verließen das Zimmer durch die Tür, Arthur nicht ohne gewisses Bedauern, wie mir schien. Schließlich hatte ich die Uniform angelegt. Sie passte perfekt und bis auf den etwas zu kurzen Rock gefiel sie mir auch recht gut. Ich trat auf den Flur hinaus und sah mich ratlos um. Doch zum Glück tauchte in diesem Augenblick mein Onkel auf, um mich in Sir Hellsing´s Büro zu begleiten. „Ah, Alexandra.“, begrüßte er mich und stand von seinem Schreibtischstuhl auf und kam etwas auf mich zu. „Gut siehst du aus.“, meinte er. „Danke...“, murmelte ich und sah mich unsicher um, da ich ihm nicht direkt in die Augen schauen konnte. Er grinste, ehe er sagte: „Kein Grund nervös zu sein. Ich beiße nicht.“ Apropos beißen. Ich fragte mich, wo sich Alucard befand und wenn man vom Teufel sprach, tauchte er in diesem Augenblick neben mir auf. Auch er bedachte mich mit einem anerkennenden Blick. „Die Uniform steht dir gut.“ Ich wurde rot und bedankte mich. Nun ergriff Arthur das Wort: „Alexandra. Deine erste Mission wartet auf dich.“, lies er mich wissen. Ich hob interessiert meinen Blick. „In einem verlassenen Kloster hat sich ein Vampir breit gemacht. Seine Gefolgschaft, bestehend aus Ghouls wächst stetig und wir müssen etwas gegen ihn unternehmen.“ Er deutete mit seiner Hand auf Alucard. „Alucard wird dich auf dieser Mission begleiten und dafür sorgen, dass alles glatt läuft. Walter hat etwas für dich, was auf der Mission sicher hilfreich sein wird.“ Genau aufs Stichwort betrat Walter den Raum. In seiner Hand hatte er etwas, was er mir überreichte. Meine Augen weiteten sich, als ich erkannte was es war. In meinen Händen hielt ich ein Katana in einer schwarzen Saya, welche von einem weißen Drachen geziert wurde. „Es ist wunderschön.“, murmelte ich andächtig und zog es vorsichtig aus der Saya. Walter lächelte traurig. „Eigentlich sollte es dein Geburtstagsgeschenk werden. Es war die Idee deines Vaters gewesen... Ich bin mir sicher er hätte auch gewollt, dass du es jetzt bekommst.“ Mein Vater hatte mir jahrelang den Umgang mit dieser und anderen Waffen beigebracht, doch diese war immer mein Favorit gewesen. Ich blinzelte die Tränen aus meinen Augen und schob das Schwert zurück in die Scheide. „Vielen Dank.“ Ich befestigte das Katana an meiner Uniform und sah wieder Sir Hellsing an. „Also dann.“, meinte er und klatschte in die Hände, scheinbar um die traurige Stimmung zu vertreiben. „Macht euch auf den Weg.“ „Jawohl.“ Ich salutierte knapp und drehte mich zu Alucard um. Er gab mir zu verstehen, näher an ihn heran zu treten. Als ich gehorchte, legte er seinen Mantel um mich und einen Sekunde später waren wir verschwunden. Ich öffnete die Augen und bemerkte, dass wir uns nicht mehr in der Organisation befanden. Dies musste der Ort sein, wo meine erste Mission stattfinden würde. Wir standen inmitten einer Kirche. Dies musste die Kirche sein, die zu dem erwähnten Kloster gehörte. Irritiert sah ich, wie Alucard es sich auf einer der Bänke bequem machte und aus seinem Mantel eine Blutkonserve fischte. Als er meinen Blick auffing erwiderte er: „Ich will sehen wie du dich so ohne mich schlägst.“ Ich nickte ernst. „Ja, Master.“ Er grinste breit und begann an seinem Getränk zu schlürfen. Ich wandte mich um und betrat den Kreuzgang. Ich musste nicht lange warten und schon kamen unzählige Ghouls in ihrer eigentümlichen, schwankenden Art auf mich zu. Sie waren gekleidet, wie gewöhnliche Menschen, nicht wie Nonnen oder Mönche. Ich schlussfolgerte daraus, dass sie einst einfache Dorfbewohner gewesen waren, die in die Fänge des Priester geraten waren. Ich zückte mein Katana und stürmte auf die Meute zu. Ich war selbst erstaunt darüber, welch ungeahnten Kräfte in diesem Körper steckten. Dies musste daran liegen, dass ich nun eine Draculina war. Ich war schneller und stärker als jemals zuvor. Mühelos wich ich allen Angriffen aus und enthauptete die Ghouls. Schwer atmend stand ich inmitten der leblosen Körper. Das Katana steckte ich in die Saya zurück. Ich drehte meine rechte Hand mit der Handfläche zu mir und starrte sie ungläubig an. So war es also ein Vampir zu sein. »Nur nicht unachtsam werden, Frischling.«, erklang da eine Stimme in meinem Kopf. »Es ist noch nicht vorbei.« Ich zuckte zusammen. „Jawohl, Master.“, antwortete ich laut. Das musste Telepathie gewesen sein, die Alucard angewandt hatte. Ich war mir nicht sicher, ob er meine Antwort vernommen hatte, aber ich folgte seinem Hinweis und zückte wieder meine Waffe. Ich schloss die Augen und lauschte. Von irgendwoher ertönte ein seltsames Knurren, das einem wilden Tier ähnelte. Und es kam näher. Sofort wand ich mich in die Richtung aus denen ich die Geräusche vermutete und lief los. Wenige Augenblicke später stand ich noch einem Schwarm Ghouls gegenüber. Mein Gehör hatte mich also nicht getäuscht. Meine Sinne waren ebenso gestärkt. Mit wenigen Schwertstrichen erlöste ich auch diese Kreaturen von ihrem Leid. Eigentlich sollte ich Mitleid mit ihnen habe, schließlich waren sie nicht aus eigenem Willen zu Ghouls geworden und ich wusste keine Möglichkeit diesen Prozess rückgängig zu machen. Alucard stimmte mir in Gedanken zu, mahnte mich aber zur Vorsicht und warnte mich davor, unachtsam zu werden. Der Vampir, der für das Ganze verantwortlich war, war schließlich noch hier. Wieder konzentrierte ich mich auf all meine Sinne, um den Vampir ausfindig machen zu können. Ich glaubte etwas zu spüren. Etwas das stärker als ein Ghoul war, aber viel schwächer als Alucard. Die Aura des Vampirs, wenn man es so wollte. Ich wandte mich in die Richtung, aus der das Gefühl zu kommen schien. Mit einem lauten Knall öffnete sich die Tür auf die ich gerade zuging und ein Mann in Mönchskutte trat mir entgegen. Ich zögerte kurz, doch nur bis zu dem Augenblick, an dem der vermeintliche Mönch aus seiner Kutte eine Pistole zog und sie auf mich richtete. Der gottesfürchtige Mann, wenn es ihn einmal gegeben haben sollte, war dies nicht mehr. Vor mir stand der Vampir, der die Dorfleute in willenlose Ghouls, seine Untertarnen, verwandelt hatte. Die Wurzel allen Übels an diesem Ort. Ehe ich dazu in der Lage war anzugreifen, schoss der Vampir auf mich. Unwillkürlich kniff ich die Augen zusammen. Nach einigen Sekunden stellte ich irritiert fest, dass ich trotz der Kugeln, die mich durchbohrt haben müssten, keine Schmerzen verspürte. Langsam öffnete ich meine Augen und sah, dass Alucard vor mir stand. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte er die Kugeln eingesteckt, die für mich gedacht waren und eröffnete seinerseits das Feuer auf sein Gegenüber. Der Spuk war so schnell vorbei, wie er gekommen war. Dann drehte sich Alucard zu mir herum. „Nicht schlecht für den Anfang, Frischling.“, meinte er und nach einem Seitenblick auf den getöteten Vampir fügte er hinzu: „Aber am Abgang hapert es noch etwas. “ Ich sah schuldbewusst zu Boden und nickte langsam. Eine Hand berührte meinen Kopf. Ich blickte auf. Alucard tätschelte meinen Kopf, als sei ich ein Welpe. Grinsend sagte er, nachdem er seine Hand wieder weg gezogen hatte: „Nimm es dir nicht so schwer. Jeder fängt einmal an.“ Ich strahlte und ein Lächeln erhellte mein Gesicht. Alucard wandte sich ab. „Aber jetzt lass uns gehen.“ Ich gehorchte und trat zu ihm. Wieder legte er seinen roten Mantel um mich und im nächsten Moment waren wir verschwunden. „Und wie ist es gelaufen?“, fragte Arthur, als Alucard und ich in sein Büro traten, um unseren mündlichen Bericht über die vergangene Mission abzugeben. „Die Zielobjekte wurden vollständig vernichtet.“, gab Alucard Auskunft. Erwartungsvoll blickte Arthur erst mich, dann meinen Meister an. „Und wie hat sich deine Schülerin so gemacht?“ Nach einem kurzen Seitenblick auf meine Wenigkeit meinte Alucard lässig: „Der Frischling? Es ging so.“ Dann lachte er leise, als er meinen entgeistertes Blick auffing und verschwand. Arthur schaute mich aufmunternd an. „Ich bin mir sicher du hast deine Sache gut gemacht.“ „Ich danke Ihnen.“, murmelte ich und drehte mich um, als Walter den Raum betrat. In seiner Hand ein Tablett mit einer Tasse frisch gebrühten Tees. Vorsichtig stellte er es auf Sir Hellsing´s Tisch ab. „Hier. Bitte, Sir.“ „Danke, Walter.“ Arthur hob die Tasse hoch, roch kurz an dem Tee und trank genießerisch einige Schlücke. „Mmh.“, seufzte er zufrieden. „Wirklich köstlich, Walter.“ Dieser deutete eine kurze Verbeugung an. „Besten Dank, Sir.“ Der Leiter der Organisation nahm einen weiteren Schluck, ehe er die Tasse zurück stellte und einen Blick auf mich warf. „Da fällt mir ein... Walter?“ „Ja, Sir?“ „Hast du dich um... die Bedürfnisse deiner lieben Nichte gekümmert?“ „Es ist für alles gesorgt.“, gab mein Onkel zur Antwort. Ich schaute abwechselnd beide an. Über was redeten sie da? Arthur, der meinen Blick bemerkt haben musste, hob zu einer Erklärung an: „Wenn du zurück auf dein Zimmer gehst, wirst du dort eine Blutkonserve vorfinden, um deinen Durst zu stillen.“ Ich schwieg. Ich war mir nicht sicher, ob es mir etwas ausmachte, oder nicht. Schließlich war ich nun ein Vampir und da war es nur normal, dass ich Blut zu mir nehmen musste. Arthur lächelte mir aufmunternd zu. „Ich bin mir sicher du wirst dich schnell daran gewöhnen.“ Ich nickte langsam, gerade als ich gehen wollte, hielt er mich zurück und meinte, sich verlegen an der Wange kratzend: „Es ist nicht nur die Blutkonserve. Auch dein Bett haben wir durch einen Sarg ersetzt, damit du dich ausruhen kannst.“ Mir drohten die Gesichtszüge zu entgleisen. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass so ein enges Ding bequemer sein könnte, als ein weiches Bett. Ich schluckte die bissige Antwort hinunter, die mir auf der Zunge gelegen hatte und nickte ergeben. Walter bot mir an, mich in meinen Raum zu begleiten. Ich hatte nichts dagegen, also ging er voraus. Auf meinem Tisch, in der Mitte des Zimmers, befand sich tatsächlich die angekündigte Blutkonserve. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“, meinte mein Onkel. „Dieses Blut stammt von freiwilligen Spenden. Niemand wurde dafür verletzt, oder getötet, deshalb solltest du das ohne schlechtes Gewissen zu dir nehmen können.“ Unsicher nahm ich den Beutel in die Hand. „Nur zu.“ Mein Onkel nickte mir aufmunternd zu. „Blutgruppe A positiv.“ Diese Information schweigend zur Kenntnis nehmend begann ich zögerlich etwas Blut aus der Konserve zu saugen. Walter schaute mich erwartungsvoll an, als erwartete er, dass ich etwas von mir gab. Also murmelte ich: „Nicht schlecht.“ In der Tat schmeckte das Blut entgegen aller Vermutungen gut. Vielleicht etwas viel nach Eisen, aber nicht schlecht. In Windeseile hatte ich den Beutel geleert und als ich auf die leere Konserve starrte, schämte ich mich fast für meinen übermäßigen Blutdurst. Doch Walter schien es nicht zu stören, im Gegenteil. Höflich fragte er, ob ich noch mehr trinken wollte. Ich verneinte, auch wenn ich in Wirklichkeit noch mehr Durst verspürte. „Du kannst jetzt gehen, Onkel.“, sagte ich ihm und da mir das Ganze zu unhöflich erschien, fügte ich hinzu: „Danke für alles. Richte das auch Sir Hellsing aus.“ Ein Lächeln erhellte Walters Lippen und er umarmte mich kurz. Als er von mir abgelassen hatte wünschte er mir eine angenehme Nachtruhe und verlies den Raum. Nachdem er verschwunden war, ging ich zu dem Spiegel hinüber, der an der gegenüberliegenden Wand hing. Kurz überlegte ich, ob es nicht dumm sei hineinzuschauen, da laut vieler Geschichten Vampire kein Spiegelbild besaßen, doch dies stellte sich nur als Humbug heraus. Ich blickte in den Spiegel hinein. Ich wollte sehen, ob ich so verändert aussah, wie ich mich fühlte. Es war immer noch mein Gesicht, welches mir aus dem Spiegel entgegen blickte. Es wurde von meinem schokoladen-braunen Haar umrahmt und meine Spiegelbild mit den ebenfalls braunen Augen schaute mich unverwandt an. Flüchtig glühten die Iris rot auf. Um zu versichern, dass wirklich ich es war, die dort der Spiegel reflektierte fuhr ich mir mit den Fingern übers Gesicht. Kein Zweifel. Ich berührte den Spiegel. Dies war ich. Ich lies von der reflektierenden Glasfläche ab und wandte mich dem Sarg zu, der anstelle des Bettes, in dem ich aufgewacht war, in der Ecke stand. Er war schwarz und mit roten Samt ausgestattet. Auch wenn ich es mir noch immer nicht vorstellen konnte, dass es bequem war, legte ich mich in die Totenkiste, die ab nun mein Schlafplatz sein sollte. Ich war müde, aber es war mir nicht zu verdenken, schließlich war viel geschehen. Ich gähnte herzhaft und kuschelte mich in den Samt, der zugegebenermaßen wirklich weich und bequem war. Nachdem ich den Sargdeckel geschlossen hatte, schloss ich meine Augen. Kapitel 3: Mission ------------------ Mission Als ich in der nächsten Nacht erwachte, fand ich auf meinem Tisch eine weitere Blutkonserve und eine schriftliche Nachricht. Während ich bedächtig an dem Getränk schlürfte, las ich den Zettel. »Meine liebe Nichte, Ich hoffe du hast ausreichend geschlafen und fühlst dich ausgeruht für die folgende Nacht.« Ich musste grinsen, als ich an seiner Schrift bemerkte, dass er an dem Wort Nacht leicht gezögert hatte. Vermutlich hatte er gewohnheitshalber Tag schreiben wollen. Ich las weiter. »Wenn du dich fertig gemacht hast, sollst du dich unverzüglich in Sir Hellsing´s Büro begeben. Dein Onkel Walter.« Immerhin hatte er sich die peinlichen Floskeln am Briefende gespart. Ich legte das Papier zurück auf den Tisch und durchsuchte die kleine Kommode unter dem Spiegel. Dort fand ich tatsächlich alles nötige um mich ausreichend herzurichten. Ich bürstete mein Haar und glättete meine Uniform. Erst jetzt war mir aufgefallen, dass ich sie nicht ausgezogen hatte, als ich mich schlafen gelegt hatte. Vielleicht sollte ich Walter um entsprechende Nachtkleidung bitten. In der Schublade fand ich zu meiner Überraschung fingerlose Handschuhe, welche ich mir anzog. Sogar daran hatte Walter gedacht. Frisch gestriegelt, mit meinem Katana, welches um meine Hüfte hing, verlies ich mein Zimmer und machte mich sofort auf den Weg in Arthur´s Büro. Dieser hatte mir gerade den Rücken zu gedreht, als ich den Raum betrat. Als er meiner gewahr wurde, wandte er sich um und ein strahlendes Lächeln erhellte sein Gesicht. „Ah, Alexandra.“, begrüßte er mich freudig und tat einige Schritte auf mich zu. „Hattest du eine angenehme...Nacht?“ Ich nickte und fügte hinzu: „Ja, danke.“ Er schmunzelte und fragte: „Und ansonsten ist alles andere auch zu deiner Zufriedenheit.“ Wieder bejahte ich und dies schien ihn zufrieden zu stellen. „Gut.“, meinte er, „Aber wenn doch etwas sein sollte, wende dich einfach an Walter.“ Ich nickte, aber begann mich zu fragen, ob er mich wirklich nur hat rufen lassen, um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Wie ich vermutet hatte kam er dann zum Punkt: „Aber eigentlich habe ich dich aus einem anderen Grund gerufen.“, räumte er ein. Er räusperte sich, ehe er fort fuhr: „Heute sollst du mit einigen unserer Soldaten auf Mission gehen.“ Er zuckte die Schultern. „Du weist schon, damit sie dich etwas kennenlernen und du sie...“ Ich nickte langsam. „Unten wartet bereits ein Mannschaftstransportwagen auf dich. Nun zur Mission.“ Er nahm einen kurzen Schluck aus der Teetasse,die er die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte, ehe er die Details der Mission preisgab: „In einem Wald, einige Kilometer von hier, haben sich ein Paar Vampire eingenistet und sind für einige Überfälle auf Menschen verantwortlich. Von Ghouls ist uns in dieser Gegend nichts bekannt, weshalb wir davon ausgehen, dass sie ihre Opfer vollständig... auffressen. Eure Mission ist es also, diese Kreaturen unschädlich zu machen.“ Ich salutierte knapp. „Jawohl.“ Draußen angekommen, blickte ich zuerst in den sternenklaren Himmel. Der Mond hatte zwar abgenommen, strahlte aber noch immer so hell, sodass ich den Kleintransporter, der vor dem Anwesen parkte, mühelos sehen konnte. Ich öffnete die hintere Tür des Gefährts und als ich der sechs Männer gewahr wurde, die darin saßen, begrüßte ich sie mit einem Kopfnicken und einem leisen: „Guten Abend.“ Normalerweise war ich nicht der schüchterne Typ, aber vermutlich lag es daran, dass ich nicht wusste, wie die Männer auf mich reagieren würden. Schließlich zählte ich zu den Kreaturen der Nacht, auf die sie gewöhnlicherweise Jagd machten. Aber andererseits kannten die Männer sicherlich Alucard und ich schätzte dieser war Furcht einflössender als ein Neuling auf diesem Gebiet wie ich einer war. Auch die Männer begrüßten mich und als ich die Tür geschlossen und mich neben drei der Männer setzte, welche den anderen dreien gegenüber saßen, setzte sich der Wagen in Bewegung. Während der Fahrt wurde nicht geredet, also nutze ich die Gelegenheit um die Männer, die diese Mission mit mir gemeinsam antreten würden, genauer in Augenschein zu nehmen. Es waren sechs Männer und keiner von ihnen schien älter als vierzig zu sein. Sie trugen alle die Uniformen der Organisation und Waffen bei sich. Je länger ich die Männer beobachtete, desto mehr Parallelen fielen mir bei jedem Einzelnen von ihnen zu meinem Vater auf. Unmerklich schüttelte ich den Kopf. Für Sentimentalitäten war jetzt keine Zeit. Ich sollte mich voll und ganz auf die bevorstehende Mission konzentrieren. Ruckelnd kam der Wagen zum Stehen, also waren wir am Ziel angekommen. Die Tür wurde geöffnet und wir sprangen aus dem Wagen. Ich sah in den dunklen Wald hinein, in dem die Vampire in Unwesen treiben sollten. Vor uns teilte sich der Weg in zwei Pfade. Trotz der vampirischen Nachtsicht konnte ich kaum etwas erkennen. Die dichten Bäume ließen kaum Mondlicht hindurch. Ich stellte einige Überlegungen an, ehe ich mich zu den Soldaten um drehte und holte tief Luft. „Wir sollten uns auf keinen Fall trennen.“, erklärte ich, „Einzeln wären wir leichte Beute für diese Kreaturen.“ Ich scheute bewusst vor dem Wort »Vampir« zurück, um mich von ihnen zu distanzieren. „Um den Suchradius zu erhöhen schlage ich vor, dass wir uns in zwei Teams aufteilen und per Funk Kontakt halten.“ Erst jetzt bemerkte ich den Blick des ältesten Mannes, der auf mir ruhte. Scheinbar war er der Einsatzleiter. Er hob eine Augenbraue und meinte streng: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich die Leitung auf dich übertragen habe, Mädchen. Also obliegt die Befehlsgewalt immer noch mir.“ Schuldbewusst sah ich zu Boden. In diesem Moment fing der Einsatzleiter schallend an zu lachen und seine Männer stimmten in sein Gelächter mit ein. „Ich mach nur Späße, Mädchen.“, meinte er. Lachfältchen bildeten sich um seine Augen. „Dein Vorschlag ist vernünftig und so wird´s auch gemacht.“ Er zeigte nacheinander auf seine Männer, während er sie beim Namen nannte und in die Teams einteilte. „Jim, Henry, Samuel. Ihr geht den rechten Weg entlang. Jack, Simon und ich nehmen uns den anderen Weg vor.“ Dann zeigte er auf mich. „Und du, Mädchen, du geht’s mit Sam und den anderen, ja?“ Ich räusperte mich kurz und nickte, fügte aber hinzu: „Mein Name ist Alexandra. Kurz: Alex.“ Wieder fing der Einsatzleiter an zu lachen, als er fertig war meinte er nur: „Ich weiss doch, Mädchen.“Dann zwinkerte er: „Keine Angst. Die Männer beißen nicht.“ Anschließend verteilte er an alle Anwesenden Funkgeräte. Ich wartete bis er mit seinem Team im Wald verschwunden war, dann ging ich gewohnheitsgemäß meinem Team voraus. Es schien ihnen nichts auszumachen und nach wenigen Schritten verfiel ich ins Grübeln. Der Wald war riesig. Ihn komplett abzusuchen konnte Stunden, oder gar Tage dauern. So weit wollte ich es nicht kommen lassen. Also schmiedete ich einen Plan, um die Sache zu beschleunigen und unsere Zielobjekte hervorzulocken. Eine Stimme direkt neben mir unterbrach meine Gedanken: „Nimm es Thomas nicht übel.“ Der jüngste der Gruppe, Jim, lief neben mir. Ich hob den Blick und sah ihn an. Mit Thomas war wohl der Einsatzleiter gemeint. Da fuhr Jim auch schon fort: „Du musst wissen er hatte eine Tochter...Sie wäre jetzt in etwa in deinem Alter. Wahrscheinlich erinnerst du ihn ein bisschen an sie.“ Ehrlich gesagt hatten mir die Neckereien des Teamführers kaum etwas ausgemacht, aber ich nickte und meinte: „Ist schon gut.“ Ich schätzte nun waren wir tief genug im Wald, um meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich hob meine Hand und veranlasste, dass der Trupp stehen blieb. Fragend ruhten die Blicke der Männer auf mir, als ich meinen fingerlosen Handschuh der linken Hand etwas zurück schob und mit dem Daumen der rechten Hand über meinen linken Unterarm fuhr. Aus dem roten Striemen floss bald frisches Blut. Das sollte reichen. Die Männer schienen entsetzt. Entweder weil ihnen die Tragweite meines Handelns bewusst war und sie um meinen Verstand fürchteten, oder ihnen missfiel die Tatsache, dass ich mich selbst verletzt hatte. „Was machst du da?“, fragte Jim gedämpft. Ich legte einen Finger auf meine Lippen und bedeutete den Männern still zu sein und gab ihnen zu verstehen, dass sie sich bedeckt halten sollten. Im ersten Moment starrten sie mich an, doch dann beschlossen sie meinem Befehl folge zu leisten und versteckten sich hinter den Stämmen dicker Bäume. Mein Katana warf ich ihnen zu, sodass es keinen Verdacht bei dem Vampir erregte. Zudem zählte ich auf die geistige Unterlegenheit unserer Zielobjekte, sodass sie meine Uniform nur für einen ausgefallenen Modestil hielten. Ich tat nur wenige Schritte, als eine Stimme hinter mir ertönte: „Na, junges Fräulein? Hast du dich verlaufen?“ Der männliche Vampir, welcher mich nun umkreiste, um mir ins Gesicht zu sehen grinste triumphierend. Er glaubte mit mir leichte Beute gemacht zu haben. Für einige Augenblicke lies ich ihm in diesen Glauben, schließlich war dies Teil meines Planes. Hinter meinem Haarvorhang grinste ich. Wie die Motten zum Licht. Dann sah ich ihn unschuldig an. Sein Grinsen wurde breiter, angesichts meiner scheinbaren Naivität. „Soll dir der nette Mann helfen?“ Er kam noch näher an mich heran. Als ich seinen Atem riechen konnte, entschied ich, dass es genug sein musste. Außerdem regten sich die Männer bereits unruhig hinter den Bäumen. Fest sah ich dem Vampir in die Augen, meine Augen begannen bedrohlich zu glühen. Er wich zurück, doch kam nicht weit. Meine Hand hatte sich durch seinen Brustkorb gebohrt. Er keuchte auf vor Schmerz und sah mich hasserfüllt an. „Du kleines Drecksstück.“, fluchte er, „Du hast mich reingelegt.“ Ich zuckte mit den Schultern und bohrte meine Hand noch etwas tiefer. Noch hatte ich sein Herz nicht erreicht. Solange es schlug, lebte er noch. „Was tust du deines Gleichen an?“, schrie der Mann verzweifelt. Versuchte er etwa an meinen Gefühlen zu appellieren, sodass ich ihn laufen lies? Meine spöttische Grimasse wurde von Wut gezeichnet. „Vergleich mich nicht mir dir.“ Angewidert durchstieß ich sein Herz und lies von ihm ab. Das Blut floss seinen Körper hinab und im nächsten Moment war das Leben aus seinem Körper gewichen und er fiel geräuschvoll zu Boden. Langsam traten die Männer hinter dem Bäumen hervor. „Alles in Ordnung, Mädchen?“, fragte mich Samuel. Ich nickte während ich meine Hand an dem feuchten Gras sauber wischte. Dann warf ich einen kurzen Blick auf den Kratzer an meinem Arm, den ich mir selbst zugefügt hatte. Die Wunde war fast vollständig verheilt. Nur ein dünner, roter Striemen zeugte von der einstigen Verletzung. Dann drehte ich mich zu den Männern um und befestigte mein Katana, welches ich mir aushändigen lies, wieder an meiner Uniform, ehe ich nach dem Funkgerät griff. „Ich habe eines der Zielobjekte neutralisiert.“, setzte ich den Truppenleiter in Kenntnis, „Deshalb schlage ich vor, dass wir uns am Ausgangspunkt treffen und unser weiteres Vorgehen planen, sofern Sie und ihr Trupp nichts gefunden haben.“ Thomas stimmte meinem Vorschlag zu, also beendete ich das Gespräch und steckte das Gerät zurück in meine Tasche. Die Männer, welche das Funkgespräch mit angehört hatten, erhoben keine Wiederworte, sondern setzten sich in Bewegung um zum verabredeten Treffpunkt zu gelangen. Ich hoffte die Männer sahen in mir nicht ebenso ein Monster, wie jenes welches ich gerade beseitigt hatte. Meine Vorgehensweise war zugegebenermaßen grob gewesen, aber immerhin war damit ansonsten niemand zu Schaden gekommen. Ich versuchte auch diesen Gedanken beiseite zu wischen, welcher ganz und gar nichts mit der Mission zu tun hatte. Ich schreckte hoch, als ich einen Aufschrei hinter mir hörte. Ich wirbelte herum und sah, wie Jim sich mit einer Hand die linke Schulter hielt. Ich roch es, noch ehe ich es sah. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor und begann das Gras zu seinen Füßen rot zu färben. „Kuso...“, fluchte ich leise. Sofort waren alle an seiner Seite. Ich spähte in den Wald hinter ihm. Ich konnte niemanden in der Dunkelheit ausmachen. Also lief ich an den Soldaten vorbei, tiefer in den Wald hinein. Die Männer machten Anstalten, mich aufzuhalten, doch ich lies mich nicht beirren. Wer auch immer Jim angeschossen hatte, und es war sehr wahrscheinlich, dass es sich bei diesem jemand um den verbliebenen Vampir handelte, er musste sich in dieser Richtung befinden. Nach wenigen Metern blieb ich stehen. Ich war mir sicher, dass ich nichts Sehen würde, egal wie weit ich noch in den Wald hinein laufen würde. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf meine übrigen Sinne. Gerade als ich meinte den Vampir anhand seines Geruches ausgemacht zu haben, da stürzte sich schon etwas von oben auf mich. Wir gingen zu Boden und eine wilde verbissener Nahkampf auf dem Waldboden begann, bei dem jeder versuchte die Oberhand zu gewinnen. Da ich im Nahkampf so gut wie noch keine Erfahrungen gesammelt hatte, gelang es meinem Gegenüber bald, mich auf dem Boden festzunageln. Meine Wange bohrte sich in die spitzen Steine auf dem Boden. Schwer keuchend lachte der Vampir. „Habe ich dich.“, triumphierte die Frau über mir. „Du miese Schlampe hast meinen Partner umgebracht, dafür werde ich dich büßen lassen.“ Sie legte mir ihre Hände um meinen Hals und drückte zu. Verzweifelt versuchte ich meine Hände frei zu bekommen um die ihrigen zu packen und von meinem Hals weg zu drücken. Auch als es mir gelang, meine Hände unter ihrem Körper hervor zu ziehen, gelang es mir dennoch nicht ihren eisernen Griff zu lockern. Gleich einem Schraubstock drückte sie immer fester zu. Man sollte meinen, ein Vampir benötigte keine Luft zum Atmen und hatte ich bisher dasselbe angenommen, wurde ich nun eines Besseren belehrt. Ein Schuss zerschnitt die Stille und die Vampirfrau lies von mir ab und wich zurück. Hustend richtete ich mich auf. Henry und Samuel hatten ihr Gewehr auf die Frau gerichtet. „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Henry und ich nickte schwach. „Ja. Danke.“ Die beiden grinsten etwas. „Keine Ursache.“, erwiderte Samuel. Laub raschelte, als die Frau bedrohlich auf uns zu kam. „Das werdet ihr mir büßen! Ihr alle!“, kreischte sie schrillend. Ihr Gesicht war eine bestialische Fratze der Wut. Sie schien die Gewehre, die auf die gerichtet waren gar nicht zu bemerken. Als sie auf uns zu rannte, eröffneten Samuel und Henry das Feuer. Aus dem Körper der Frau spritzte eine Blutfontäne und sie fiel leblos zu Boden. Als ich mich versichert hatte, dass sie tatsächlich tot war, ging ich zu den Männern hinüber. „Wir sollten gehen.“, meinte ich, „Der Einsatzleiter wird auf uns warten.“ Die Beiden nickten und stützen Jim, welcher unter einem Baum zusammen gesunken war. „Wird es gehen?“, fragte ich ihn mit prüfenden Blick. Er biss die Zähne zusammen und nickte. „Ja. Es tut nur etwas weh.“ Ich nickte verständnisvoll und beschleunigte meinen Schritt. Er musste zu einem Arzt. Ob die Wunde tödlich sein würde, wusste ich nicht, aber ich sah, dass er mit zunehmendem Blutverlust immer blasser wurde und dies war kein gutes Zeichen. Thomas rannte uns entgegen, als er uns sah. „Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, sein Blick war auf Jim gerichtet. Ich antwortete anstatt seiner: „Wir haben das letzte Zielobjekt eliminiert, allerdings hat Jim eine Verletzung an der Schulter davongetragen. Ich schlage vor wir machen uns auf den schnellsten Wege auf den Rückweg, sodass er einen Arzt aufsuchen kann.“ Thomas nickte ernst. Nacheinander stiegen wir in den Wagen und fuhren los. Jack und Henry hatten erste Hilfe geleistet, sodass Jim´s Blutfluss für´s erste gestillt war. Während der Fahrt wandte sich Jim an mich: „Übrigens hast du dich da draußen gut geschlagen, Alex.“ Die anderen Männer stimmten ihn zu und grinsten mich freundlich an. Ich erwiderte ihre Freundlichkeit mit einem Lächeln und Thomas, der neben mir saß, klopfte mir anerkennend auf die Schulter. „Ja nicht übel, Mädchen. Ich hab´ dich wohl etwas unterschätzt.“ Als wir am Anwesen angekommen waren, sprangen wir aus dem Wagen und halfen Jim beim Ausstieg. Bevor sich die Männer auf den Weg nach Hause machten und Thomas gemeinsam mit Jim den Arzt aufsuchte, wuschelten mir die Männer der Reihe nach durch´s Haar. Als meine Frisur sich endgültig verabschiedet hatte, hob ich die Hand zum Abschied und blickte noch eine Weile den Männern nach. Ein Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Ich genoss das kameradschaftliche Band, welches mich mit diesen Soldaten verband. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass die Sonne bald aufgehen würde, also sollte ich mich sputen. Auch wenn mich das Sonnenlicht vermutlich nicht töten würde, hatte mich mein Meister doch ausdrücklich davor gewarnt. Gerade als ich mich umwandte, um das Anwesen zu betreten tauchte wie aus dem Nichts Alucard vor mir auf. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich aufgrund seines unerwarteten Auftrittes erschrocken hatte. „Du scheinst eine erfolgreiche Jagd hinter dir gehabt zu haben, Frischling.“, meinte er und betrachtete mein Gesicht und schaute amüsiert den Soldaten nach, „Jedenfalls verrät mir das dein glückseliges Lächeln.“, fügte er grinsend hinzu. Ich wurde rot und starrte ihn trotzig an. „Ist es etwa verwerflich, dass auch Vampire Gefühle zeigen, Master?“ „Keineswegs.“, antwortete er, dabei meinte ich ein trauriges Schimmern in seinen Augen zu erkennen. Ihn danach zu fragen schien mir unhöflich und außerdem schien der Schmerz, den er verspürte tief zu sitzen. Er drehte sich um. „Und nun komm, Frischling, Sir Hellsing wartet auf deinen Report.“ Ich folgte ihm nicht sofort. Als er merkte, dass ich stehen blieb, drehte er sich um. „Was ist?“ Ich betrachtete meine Stiefelspitzen, ehe ich den Kopf hob und zu einer Antwort ansetzte: „Master. Ich habe einen Namen: Alexandra Dolneaz.“ Alucard lachte leise und meinte, während er weiter ging: „Ich weiss, aber ein Frischling wie du ist noch zu unerfahren, für einen eigenen Namen.“ Ich lief ihm hinterher. „Und wann qualifiziere ich mich für einen richtigen Namen, Master?“ „Das wirst du schon merken, wenn es so weit ist.“, war das Einzige, was er dazu sagte. Auf weitere Fragen gab er keine Antwort, sodass ich keinen Deut schlauer in Sir Helling´s Büro eintraf. Nachdem ich meinen Bericht abgegeben hatte, zog ich mich in mein Zimmer unten im Keller zurück. Nach einem weiteren Mahl, welches natürlich aus einer Blutkonserve bestand, legte ich mich zum Schlaf in meinem Sarg nieder. Kapitel 4: Damage ----------------- Damage Es vergingen Wochen, bis sich wieder etwas Nennenswertes ereignete, neben den wenigen Aufträgen, die die Organisation bekam. Sir Hellsing hatte eine Versammlung des sogenannten Round Tables einberufen, welche im Anwesen ihre Sitzungen abhielten. An diesem Treffen nahmen zwölf hochrangige, zum Teil adelige Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Militär und Politik teil, welche dem englischen Königshaus ewige Treue geschworen hatten. Man könnte sagen, dass diese Leute im Hintergrund das britische Königshaus beherrschten. Sir Hellsing hatte mich gebeten, vor den Türen des Konferenzsaales Wache zu halten. Er wartete neben mir, als die übrigen Konferenzteilnehmer den Raum betraten und an dem runden Tisch Platz nahmen. Während sie an uns vorbei liefen, klärte mich Arthur über sie auf. Er nannte mir ihre Namen und ihre Funktion. Die letzten beiden Männer blieben bei uns stehen. Sir Hellsing stellte sie mir als Shelby Penwood und Hugh Irons vor. Ich verbeugte mich höflich, so wie es mir meine Manieren und Walter´s Eintrichterungen geboten. Sir Penwood betrachtete mich nicht ohne eine gewisse Neugier. „Das ist also dein Neuzugang, Arthur?“, fragte er seinen langjährigen Freund. Der Angesprochene nickte grinsend und wartete, was Sir Irons dazu sagen würde. Sein Blick ruhte lange auf mir und ich glaubte eine gewisse Abneigung darin lesen zu können. Der ältere Mann rückte seine Brille zurecht und sah dann Arthur an. „Ich hoffe du weist, was du tust, Arthur.“ Dieser grinste nur locker und erwiderte: „Weiss ich das nicht immer?“ „Offenbar nicht.“, meinte Irons geringschätzig mit einem Seitenblick auf mich. „Wie viele dieser Monster willst du dir noch als Haustiere halten?“ Seine Bemerkung machte mich wütend und traurig zugleich. Er tat gerade so, als seien Alucard und ich Monster, die, sobald man sie nur ließe, jeden Menschen im Umkreis von tausenden Meilen töten würden. Das traf mich tief in meinem Stolz. Er stellte mich mit den Monstern auf eine Stufe, die meine Familie getötet hatten und auf dieselbe Stufe mit jeden, die wir jagten und töteten. Ehe ich zu einer Antwort ansetzen konnte, legte mir Arthur versöhnlich eine Hand auf die Schulter. „Jetzt lass mal gut sein, Hugh. Das Mädchen hat bisher hervorragende Arbeit geleistet und viele der Monster getötet, die uns das Leben schwer machen.“ Er legte einen Finger an die Lippen und tat so, als würde er angestrengt nachdenken. „Und lass mich überlegen.. Menschen waren bisher noch nicht dabei.“ Irons verdrehte die Augen über die Albernheiten seines Gegenübers und gab sich geschlagen. Er betrat den Raum und nahm an seinem Stuhl platz. Sir Penwood lächelte mich freundlich an und fragte: „Alexandra war dein Name, ja?“ Ich nickte. „Er meint es nicht so.“, nahm er seinen alten Freund in Schutz, „Er ist nur etwas stur.“, fügte er in gedämpften Ton hinzu. „Er muss erst einmal etwas warm werden. Er gehört eben zur misstrauischen Sorte, musst du wissen.“ „Er ist eben ein alter, sturer Eselskopf.“, sagte Arthur und dachte gar nicht daran seine Stimme zu senken. Ich glaubte Sir Irons empört auf schnauben zu hören. Ich unterdrückte ein Grinsen, aber Arhut blieb es nicht verborgen. Er hob sie Hand, ehe er die Tür schloss. „Also bis nachher.“ Auch Sir Penwood verabschiedete sich freundlich von mir, ehe er den Raum betrat. Trotz der schweren, dicken Türen konnte ich jedes Wort verstehen, was in dem Raum gesprochen wurde, doch nach einer Weile verging mir die Lust zu zuhören. Gelangweilt beobachtete ich Staub, welcher von der Decke rieselte. Endlich, es war mir wie Stunden vorgekommen, hörte ich, wie innen die Stühle gerückt wurden. Nach und nach verliesen die Konferenzteilnehmer den Raum, bis nur noch Sir Irons, Sir Penwood und Sir Hellsing übrig geblieben waren. Sie diskutierten gerade noch über irgendein Thema, beendeten aber ihr Gespräch, als sie nach draußen traten. Penwood lächelte mir zu und hob die Hand zum Abschied. Sir Irons hob die Hand an seinen Hut, nachdem Arthur ihm einen Ellenbogen in die Seite gerammt hatte. „Verdammter Sturrkopf.“ Arthur sah den Beiden nach, ehe er sich mir zu wendete. „War wohl langweilig hier draußen was?“ Er zuckte mit den Schultern und ohne meine Antwort abzuwarten meinte er: „Ich finde diese Sitzungen auch unglaublich langweilig. Hugh meint ständig ich sollte mich zusammen reißen.“ Er zog die Augenbrauen zusammen und setzte einen ernsten Blick auf. Anscheinend wollte er seinen alten Freund imitieren. Ein spitzbübisches Grinsen erhellte sein Gesicht. „Aber doch wäre ich heute fast wieder dabei eingeschlafen, wenn Hugh mich nicht unter dem Tisch getreten hätte.“ Diesmal gelang es mir nicht mein Lachen zu unterdrücken. Sir Hellsing klopfte wieder auf meine Schulter und sagte dann: „Du kannst für den Rest der Nacht tun was du willst, Alex.“ Ich nickte und machte einen kurzen Abstecher zum Kühlschrank, um mir eine Blutkonserve heraus zu fischen. Dann ging ich zurück in den Keller. Nach kurzem Überlegen trank ich den Beutel mit einem Schluck leer und machte mich auf den Weg in die Schießübungsräume der Organisation. Von dort nahm ich mir ein Gewehr und ging nach draußen auf den Übungsplatz. Dort waren einige Pappkameraden aufgestellt, die den Schießübungen dienten. Ich hatte zwar schon etwas Erfahrung mit Pistolen und Gewehren, doch hatte mich meiner Meinung nach noch zu wenig mit ihren befasst. Ich kniff ein Auge zusammen, zielte und drückte ab. Zwar traf ich den Pappkameraden, aber nicht an einer für einen Vampir tödliche Stelle. Unerwartet wie üblich tauchte Alucard hinter mir auf. „Nicht so, Frischling. Du darfst nicht wie ein gewöhnlicher Mensch zielen.“, klärte er mich auf, „Stell dir vor du hättest ein drittes Auge auf der Stirn, mit dem du zielst.“ Ich folgte seinem Ratschlag und konzentrierte mich. Tatsächlich landete ich einen exakten Treffer. Erstaunt setzte ich das Gewehr ab. „Gut gemacht.“, lobte er meinen Schuss. Den Rest der Nacht verbrachte ich auf dem Übungsgelände. Ganz in die Zielübungen vertieft, merkte ich gar nicht, wie plötzlich jemand hinter mir auftauchte und ich zuckte zusammen, als dieser jemand meine Schulter berührte. Es war Thomas. Beschwichtigend hob er beide Hände mit den Handflächen zu mir gedreht. „Ganz ruhig, Mädchen. Reiß mir nicht dem Kopf ab. Ich bin´s nur.“ „Mataku...“ ,seufzte ich und versuchte mein wild klopfendes Herz zu beruhigen. Ich räusperte mich, ehe ich mich straffte und mich an den Mann wandte. „Guten Abend, Thomas.“ Er grinste breit. „Habe ich dich erschreckt, Mädchen?“ „Zugegeben Sie haben mich... unvorbereitet erwischt.“, gestand ich. Er sah zufrieden drein. „Was machen Sie eigentlich hier, Thomas?“ „Du bist nicht die Einzige die Übungen nötig hat, Kleine. Und nicht vor förmlich, Mädchen.“ Ich nickte kurz und wandte mich wieder meinen Gewehr zu. Nach einem weiteren Schuss auf einen der Pappkameraden, fragte ich ihn: „Wie geht es Jim?“ Sein Grinsen wurde noch breiter. „Du machst dir Sorgen um ihn, mh?“, meinte er spitzbübisch. Ich sah ihn nur an und antwortete nach kurzem Schweigen: „Ist es nicht normal, dass man sich um seine Kameraden sorgt?“ Sein Gesichtsausdruck wurde ernst und er nickte. „Da magst du recht haben.“ „Also?“ „Es geht ihm gut. In ein paar Tagen ist er wieder auf dem Damm und wir machen alle zusammen diese Monster fertig.” Ich schenkte ihm ein Lächeln und beobachtete, wie er sein Gewehr ansetzte und mehrmals hintereinander schoss. Dann legte er eine Hand über seine Augen und spähte zu den Zielen hinüber. Er pfiff. „Ein alter Mann kann´s doch noch drauf haben.“ Ich begutachtete seine Treffer und mit allen hatte er ins Schwarze getroffen. Er drehte sich zu mir um, wie ein kleiner Junge der grinsend auf ein Lob wartete. Also nickte ich anerkennend. „Lass mal sehen, Mädchen, was du drauf hast.“ Ich wählte bewusst ein Ziel, welches etwas in 500 Metern Entfernung stand, also sicherlich doppelt so weit weg, wie das welches er getroffen hatte. Ich legte an, konzentrierte mich und schoss den Attrappen direkt ins Herz. Grinsend sah ich ihn an. Er stieß einen leisen Pfiff aus. „Nicht schlecht, Mädchen. Die Organisation kann sich glücklich darüber schätzen, dass sie so jemanden wie dich in ihren Reihen hat.“ Als er sich wieder den Pappkameraden zu wandte und ich der Meinung war, dass ich für den heutigen Abend genug geübt hatte, nutzte ich die Gelegenheit um den Mann, der neben mir stand, zu betrachten. Es schien ihn keineswegs zu stören, dass ich ein Vampir war und ich vermutete, dass seine Kollegen ebenso dachten. Ein leichtes Lächeln schlich sich in mein Gesicht. Es machte mich glücklich zu wissen, dass mich die Menschen hier akzeptierten, bis vielleicht auf Sir Irons, den es noch zu überzeugen galt. Erst jetzt sah ich, dass Thomas nicht mehr auf die Attrappen fokussiert war, sondern mich anblickte. „Na, Mädchen? Gefällt dir was du siehst?“ Als ich betreten schwieg und vor Scham etwas rot wurde, lachte er schallend. „Sieh mal einer an. Selbst ein alter Mann, wie ich hat noch Chancen bei einem so hübschen Mädchen wie dir.“ Dann warf er mir ein beruhigendes Lächeln zu. „Ich mach doch nur Spaß.“ Ätzend lies er sich ins Gras fallen. „Man wird nicht jünger...“, murrte er vor sich hin und klopfte neben sich ins Gras. Also folgte ich seiner Aufforderung und setzte mich ebenfalls. „Also, Mädchen, was liegt dir auf dem Herzen?“ Unwillkürlich zuckte ich unmerklich ertappt zusammen. „Ich frage mich nur...“, begann ich zögerlich, da ich mir nicht sicher war, ob dieses Thema nicht alte Wunden bei dem Mann aufreißen würde. Er nickte mir aufmunternd zu und bedeutete mir so weiter zu sprechen. „Was ist mit Ihre... deiner Tochter geschehen? Jim hat...“ Ich verstummte. Ganz schlechte Themenwahl, Alex. „Entschuldigen Sie, dass ich gefragt habe...“ Doch Thomas lächelte mich an. „Kein Ding, Mädchen. Es ist schon lange her. Ziemlich genau zehn Jahre. Als ich von der Arbeit zurück kam hatte ein Vampir mein Zuhause überfallen, in dem ich mit meiner Frau Marie und meiner kleinen Tochter Anna lebte. Als ich dort eintraf, war von den beiden nicht mehr viel übrig. Der Vampir ist entkommen und wir mussten Anna und Marie einäschern, damit sie nicht als Ghouls ihr Unwesen treiben konnten.“ Wütend biss ich mir auf die Unterlippe. Nicht nur, dass sie seine Familie angegriffen und getötet hatten. Sie hatten zusätzlich noch seine kleine Tochter und vermutlich auch seine Frau geschändet, anderenfalls wären sie nicht zu Ghouls geworden. „Seitdem habe ich mit geschworen...“, fuhr er fort, „So viele mit möglich von diesen Kreaturen zur Strecke zu bringen, wie es nur ging, damit nie wieder jemand dasselbe erleben muss, wie ich es getan hatte.“ Auch wenn ich mich nicht mit diesen Kreaturen identifizierte, bekam ich Aufgrund der Tatsache, dass es Vampire gewesen waren Schuldgefühle. Obwohl ihm ein Vampir dies angetan hatte, behandelte er mich nicht abweisend oder gar wie eine von ihnen. Er schien zu merken, woran ich dachte und lächelte mich an: „Dir mache ich keinen Vorwurf, Mädchen. Du kannst nichts dafür und hast auch überhaupt nichts mit diesen Kreaturen gemein. Außerdem...“ Er machte eine kurze Pause, als schien er zu glauben, dass er mit der folgenden Bemerkung zu weit ging. „Hast du, soweit ich weiss, etwas ähnliches erlebt, nicht wahr?“ Ich nickte langsam. Er legte einen Arm um mich, als wäre ich ein weinendes Kind, welches man trösten müsste. Weder weinte ich, noch benötigte ich Trost, aber seine ehrliche Anteilnahme tat mir gut. Ich bewunderte diesen Mann für seine Stärke. Er konnte eines dieser Monster in den Arm nehmen, welche seine Familie getötet hatten. Ich sollte langsam damit aufhören, mich mit diesen Kreaturen zu vergleichen. Ich tötete weder Unschuldige, noch hatte ich große Lust dazu. Ich tötete nur, um größeres Leid von Anderen abzuwenden. Nun gut, vielleicht war bei diesen Wesen auch etwas persönliche Genugtuung dabei. Schließlich lies Thomas mich wieder los und setzte sich aufrecht ins Gras. „Sag mal, Mädchen? Was hättest du eigentlich getan, wenn es dich nicht hierher verschlagen hätte?“ Ich zupfte etwas Gras und lies es mit dem Wind davon wehen. „Vermutlich hätte ich das Dojo meiner Mutter übernommen.“, murmelte ich, da ich fürchtete es klang albern, doch Thomas drehte sich interessiert zu mir um. „Ein Dojo? Mit Schwertkampf und dem Ganzen?“ Ich nickte. Er pfiff anerkennend. „Nett. Und daher kannst so gut mit seinem Schwert umgehen?“ Katana, dachte ich bei mir, aber das war nicht wichtig. Also zuckte ich mit den Schultern und meinte nur: „Schätze schon.“ Er grinste. „Als Kind wollte ich auch immer mit dem Schwert kämpfen.“ Er tat so, als würde er ein Schwert auf einen Feind nieder sausen lassen. „Wo steht den das Dojo? Wer leitet das denn jetzt, wenn deine Mutter... nicht mehr kann?“ Ich zerrieb einige Grashalme zwischen meinen Händen. „Das Dojo steht in Kyoto und ich schätze mal, dass es geschlossen bleibt. Außer meiner Mutter und meinem Großvater und dessen Vater halt und so weiter....“ Ich räusperte mich kurz, ehe ich fort fuhr: „Hatte niemand größeres Interesse daran.“ Thomas zog eine Augenbraue nach oben. „Kyoto?“, fragte er etwas verwirrt. Ich musste unwillkürlich grinsen. „Meine Mutter war Halb-Japanerin, Halb-Deutsche. Aber ich schätze mal, ich habe so gut wie nichts von ihr geerbt. Ich komme dann wohl eher nach meinem Vater.“ Thomas schien zu überlegen und fragte dann: „Und dein Vater ist... der Bruder von Walter? Denn der ist dein Onkel und besonders japanisch sieht er mir ja nicht aus.“ Ich stimmte ihm zu. „Genau so ist es. Immerhin habe ich einige Worte auf Japanisch gelernt und etwas Deutsch. Mein Großvater kam aus Deutschland. Allerdings haben wir daheim überwiegend Englisch gesprochen. Nun, schließlich haben wir hier gewohnt.“ Ich zuckte mit den Schultern und Thomas nickte. „Es kann nie schaden sich sprachlich zu bilden, wer weiss, wohin einen das Schicksal noch führt.“ Dann stupste er mich zwinkernd mit dem Ellenbogen an. „Vielleicht wartet in Japan ein Traummann auf dich?“ Ich grinste und hob abwehrend die Hände. „Lass mal. Ich bleibe lieber hier. Die Liebe hat mich bisher reichlich wenig interessiert...“ „So eine Verschwendung.“, meinte Thomas, „Aber falls du deine Meinung noch ändern solltest... Ich kenne einige Männer, die interessiert sein könnten und single sind.“ Ich grinste und stand auf. „Dann werde ich es dich wissen lassen.“ Ich hielt ihm die Hand hin und half ihm bei Aufstehen. „Herrgott.“, ätzte er. „Ich, ein Mann, muss mir von einem Fräulein beim Aufstehen helfen.“ Dann hob ich mein Gewehr auf und hob zum Abschied die Hand. „Gute Nacht, Thomas.“ „Wünsche ich dir auch, Alex.“, erwiderte er mit einem Kopfnicken. Ich brachte die Waffe zurück an ihren ursprünglichen Platz und lief auf dem Weg in mein Zimmer, Walter über den Weg. „Wo warst du, Alexandra?“ Ich deutete mit meinem Daumen nach draußen. „Draußen am Übungsgelände.“ Er legte eine Hand auf meine Schultern und atmete erleichtert aus. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, als du nicht auf deinem Zimmer warst.“ „Onkel.“, sagte ich anklagend, „Ich bin alt genug, um...“ Er zog eine Blutkonserve hervor und reichte sie mir. „Schon gut.“, meinte er, „Aber auch wenn du ein Vampir bist, musst du auf deine Ernährung und auf deine Gesundheit achten.“ „Ist gut, Onkel.“ „Und jetzt ab ins Bett. Es ist spät.“ Ich verdrehte die Augen, als ich den Flur entlang ging, um auf mein Zimmer zu gehen. Mein Onkel hatte also einen ausgereiften Mutterkomplex, den man ihm normalerweise nicht ansah, wenn er für die Organisation und Sir Hellsing arbeitete. Grinsend schlürfte ich an dem Blutbeutel und warf ihn fort, als er leer war. Dann zog ich die Kleidung für die Nacht an, die ich nach einigen Tagen, nachdem ich hier eingetroffen war, bekommen hatte. Immerhin hatte Walter von seinem weißen mit Rüschen bedecktem Nachthemd abgesehen, welches er mir zuerst hat geben wollen. Ich gähnte und schloss den Sargdeckel über mir. Kapitel 5: Blood ---------------- Blood Alle Mitglieder der Organisation hatten den Anbruch des neuen Jahres überlebt, trotz Sir Helling´s ungewöhnlicher Silvesterfeier, auf die er bestanden hatte. Es war ein Wunder gewesen, dass er dabei nicht das gesamte Anwesen in Brand gesteckt hatte. Nun ja, es hatte seine Vorteile wenn man einen besonnenen Butler an seiner Seite hat, der im richtigen Moment mit einem Eimer Wasser zur Stelle war. Aufträge für die Organisation hatte es nur sehr selten gegeben. Eigentlich hätte man von Glück sprechen sollen, aber die Langeweile war unerträglich. Wenn ich nicht gerade auf Monsterjagd war, wies mich mein Onkel in seine Tätigkeit ein. Das hieß: Immer freundlich, immer zuvorkommend und allzeit bereit. Nicht, dass ich etwas dagegen hatte, aber wenn mir etwas missfiel, nannte ich es gerne beim Namen. Und so musste ich selbst solche... Menschen wie Arthur´s Bruder Richard so behandeln, wie es mein Onkel von mir erwartete. Fehlte nur noch, dass Walter ein Dienstmädchen-Kostüm für mich beschaffte. Ich bin mir sicher, Sir Hellsing hätte diesen Vorschlag begrüßt. Ich fragte mich, wie Geschwister so unterschiedlich sein konnten. Sollte nicht heißen, ich hätte mit meiner Schwester keine Auseinandersetzungen gehabt, aber Richard Hellsing war ein stiller, verschlossener Mensch, der immer etwas im Schilde zu führen schien. Ich glaubte er schien nur darauf zu warten, dass Arthur starb und er die Leitung der Organisation übernehmen konnte. Hoffentlich würde es dazu nicht kommen, denn dies würde bedeuten, dass Richard über Alucard, Walter und mich so verfügen konnte, wie es ihm beliebte. Schließlich waren Walter und Alucard der Familie Hellsing und deren Oberhaupt verpflichtet und ich gewissermaßen Alucard. Dieser lies sich übrigens nie in der Nähe von Richard blicken und Arthur erwähnte meinen Master nie in der Gegenwart seines Bruders, also vermutete ich, dass Richard nichts von Alucard wusste. Ob ihm Arthur erzählt hatte, dass ich eine Draculina war, wusste ich nicht, aber ich bezweifelte dies. Umso besser. Vermutlich nahm er an, dass ich, als Walter´s Nichte, seinem Beispiel folgte und ebenfalls beschlossen hatte der Hellsing-Familie zu dienen. Generell wurde Richard nicht in die Angelegenheiten der Organisationen eingeweiht. Ein durchaus nennenswerter Zwischenfall ereignete sich am ersten Mai. Auf Anweisung von Walter hin, brachte ich Sir Hellsing seinen Tee, den er an diesem Abend verlangt hatte. Vorsichtig balancierte ich das Tablett, als eine laute Stimme aus Arthur´s Büro drang. Ich beschleunigte meinen Schritt und betrat das Zimmer. Sir Hellsing, welcher mir den Rücken zu gewandt hatte, drehte sich ruckartig zu mir um. Auf eine hastige Geste seiner Hand hin, stellte ich das Tablett auf dem Schreibtisch ab. Ich gehorchte und warf ihm einen Seitenblick zu, während ich zu dem Tisch hinüberging. Arthur diskutierte scheinbar angeregt über das Telefon mit einer anderen Person. Ich begann neugierig zu werden und, trotz aller Manieren und die Floskel man sollte nicht lauschen, konzentrierte mich auf meinen Gehörsinn. Sir Irons war am Apparat und redete wild auf Arthur ein. Es dauerte eine Weile, bis ich den Inhalt des Gespräches erfasst hatte. Anscheinend hatte ein Trupp Vampire das Hauptquartier der Marine überfallen und eingenommen. Sämtliche Mitarbeiter, darunter auch Sir Penwood, waren noch im Gebäude und den Vampiren hilflos ausgeliefert. Sie hatten das Gebäude komplett abgeriegelt und es gelang keiner Sondereinheit es zu stürmen, da die Vampire keine bewaffneten Einsatzkräfte ins Gebäude liesen. Auch auf Verhandlungs-Vorschläge liesen sich die Vampire nicht ein, da sie wohl befürchteten, dass der Verhandlungsführer in Wirklichkeit ein Spezialist sein könnte, der sie überwältigen wollte. Zudem hatten die Vampire Sprengsätze im Gebäude platziert, die sie zünden würden, sobald sie in dem Glauben waren, dass sie jemand über´s Ohr hauen wollte. Nervös zwirbelte Arthur an der Schnur des Telefons, während er fieberhaft überlegte. Die Sorge um seinen Freund war so groß, sodass er kaum einen klaren Gedanken fassten konnte. Auch ich begann zu grübeln. „Sir Hellsing.“, meldete ich mich schließlich zu Wort. Gehetzt drehte sich dieser um und sah mich an. „Ich hätte da eine Idee.“, meinte ich. In seinem Gesicht konnte ich eine Mischung aus Zweifel und Neugier lesen. Er bat Sir Irons über das Telefon zu warten und deckte den Hörer mit seiner Hand ab. Er schien über jede Idee froh zu sein und nahm mir meine Lauscherei nicht krumm. „Wenn ich das richtig verstanden habe...“, begann ich meine Analyse, „... lassen die Vampire niemanden ins Gebäude, da sie fürchten hinterrücks überfallen zu werden. Deshalb glaube ich, man sollte versuchen jemanden in das Marine Hauptquartier schicken, von dem sie annehmen, dass von dieser Person keine Gefahr ausgeht.“ Sir Hellsing nickte langsam, schien noch nicht richtig zu verstehen. „Worauf willst du hinaus?“, fragte er. „Nun...“ Ich strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, ehe ich fortfuhr: „Die Angelegenheit fällt in unseren Aufgabenbereich und auf jeden Fall sollte an erster Stelle an das Wohl der Menschen in dem Gebäude gedacht werden, welche nicht gefährdet werden dürfen.“ Auch in diesem Fall musste Arthur mir recht geben, bat mich aber fortzufahren. „Für unsere Soldaten wäre die Angelegenheit möglicherweise zu gefährlich und zudem könnten sie zu bedrohlich auf die Vampire wirken. Und Alucard dort reinzu schicken wäre aus dem zweiten Grund ebenfalls nicht zu empfehlen.“ So langsam schien Arthur zu verstehen. Sein Blick wurde besorgt, dann ernst und grüblerisch. „Und du glaubst also, dass du die Rolle des Unterhändlers übernehmen und gewährleisten könntest, dass alle Menschen unbeschadet diese Geschichte überstehen?“ „Ich werde zumindest mein Bestes versuchen.“, versprach ich und sah ihn fragend an. „Es ist auch für dich nicht ungefährlich, dass weist du, Alex?“, harkte er nach. Ich nickte. „Aber wesentlich gefährlicher ist es für die Menschen im Gebäude.“, räumte ich ein. Man sah, dass Arthur mit sich kämpfe. Er wollte sowohl die Menschen in dem Gebäude, als auch seine Mitarbeiter in Sicherheit wissen. „Mich werden die Vampire wohl kaum für eine Bedrohung halten.“, merkte ich nach einer kurzen Pause an, „Zudem kann ich auch ohne Waffen mit Vampiren fertig werden, falls es denn nötig sein wird.“ Sir Hellsing legte die Stirn in Falten und schwieg eine Weile. Dann nahm er wieder den Hörer in die Hand und bedeute mir still zu sein und abzuwarten. Er diskutierte mit Sir Irons über den geschmiedeten Plan. Trotz anfänglichen Einwänden, erklärte sich Arthur´s alter Freund nach einer Weile damit einverstanden. Arthur nickte mir ernst zu und ordnete an, dass ich mich für die bevorstehende Mission fertig machen sollte. Walter befahl er mir passende Kleidung zu bringen, denn die Uniform einer Organisation, die Jagd auf Vampire machte, wäre doch für diesen Zweck etwas zu auffällig, sofern den Vampiren die Organisation bekannt war. Wenige Minuten später, war ich in ein lang geschnittenes und langärmliges schwarzes T-Shirt, eine schwarze Leggins und gleichfarbige Stiefel eingekleidet und fertig für den bevorstehenden Auftrag. Mit einem Wagen der Organisation fuhr ich zum Hauptquartier der Marine. Die Polizei hatte die Umgebung weiträumig gesperrt und einige Schaulustige drängten sich an den Absperrbändern. Typisch. Hauptsache sie hatten die Probleme nicht. Ich ging auf einen der Polizisten zu. „Ich komme von der Hellsing Organisation. Wir werden uns jetzt dieses Problems annehmen.“, erklärte ich. Der Mann war sichtlich verwirrt. Entweder kannte er die Hellsing Organisation nicht, oder er wunderte sich, warum sie ein Mädchen alleine hierher schickten, statt einer bewaffneten Spezialeinheit. Aber das war mir egal. Kurzerhand ging ich an ihm vorbei, hob das Absperrband hoch und betrat das Gebäude. Sofort wurden einige Waffen auf mich gerichtet. „Raus hier, oder es knallt!“, brüllte einer der Vampire. Beschwichtigend hob ich beide Hände, sodass sie sehen konnten, dass ich unbewaffnet war. „Ich komme nur als Unterhändler. Wie ihr seht bin ich unbewaffnet und habe nicht die Absicht euch mit Waffengewalt aus diesem Gebäude zu vertreiben.“ Dass ich im Notfall von meinen Händen und Füßen Gebrauch machen würde, musste ich ja nicht erwähnen. Misstrauisch sahen mich die Vampire an und einer nickte einem Kumpanen zu. Dieser kam auf mich zu und fing an mich von oben bis unten abzutasten. „Sie ist sauber.“, meinte er zu dem Vampire, der als erster gesprochen hatte. Auf einen Wink von diesem, liesen alle ihre Waffen sinken. „Und da schicken die ein kleines Mädchen? Haben wohl selbst zu viel Schiss und glauben wir würden keine Frauen kaltmachen.“ Er fing darauf hin laut an zu lachen und seine Kumpanen stimmten in das Gelächter mit ein. Als sie sich beruhigt hatten, lies ich meine Hände wieder sinken. „Also?“, fragte ich, „Darf man vernünftig mit euch reden?“ Der Vampir grinste überheblich und wandte sich an seine Männer: „Ich glaube vor der Kleinen brauchen wir keine Angst zu haben, oder?“ Die Anderen lachten zustimmend. Wenn die wüssten, dachte ich und atmete tief durch. „Es geht um die Freilassung der Geiseln, die ihr hier festhaltet.“, begann ich. Der Anführer hob spöttisch eine Augenbraue. „Ach ja?“ „Ja.“, meinte ich gelassen, „Einigen Menschen da draußen ist sehr an ihrer Sicherheit gelegen.“ Wieder erntete meine Bemerkung einige Lacher. „Und was sollte mich das angehen?“, fragte der Vampir, „Mir ist das völlig egal, ob hier ein paar Menschen draufgehen, oder nicht.“ „Eben. Es ist euch egal, ob sie leben, oder sterben, also könnt ihr sie genauso gut am Leben lassen.“, konterte ich. „So einfach geht es dann doch nicht, Mädchen. Etwas Proviant kann schließlich nicht schaden.“ Er grinste boshaft und dachte er könnte mir mit seiner Grimasse Angst einjagen, doch ich blieb unbeeindruckt. „Vielleicht könnte ich euch für einen Handel begeistern.“, schlug ich vor. Der Anführer schien zumindest interessiert. „Zum Beispiel?“, fragte er. „Ein Fluchtfahrzeug, oder Geld.“, schlug ich vor und der Vampir lachte. „Als ob wir es nötig hätten zu fliehen. Mädchen, dir scheint der Ernst der Lage nicht bewusst zu sein. Wir könnten dich und jeden anderen Menschen einfach so in der Luft zu zerreißen. Und wenn wir mit einem fertig sind, dann bleiben nur noch die Knochen übrig.“ Wieder versuchte er mich einzuschüchtern, aber ich meinte nüchtern: „Es war natürlich nur ein Vorschlag.“ Langsam fing ich an meine Umgebung und die Situation zu analysieren. Der Konferenzraum der Marine musste sich weiter hinten befinden und ich vermutete, dass man dort die wichtigsten Befehlshaber festhielt. Mich ausgenommen befanden sich in der Eingangshalle fünf Vampire. Allerdings hatte ich keine Informationen darüber erhalten, wie viele es tatsächlich waren. Ich vermutete, dass es sicherlich noch mindestens zwei andere waren, welche die Geiseln im Auge behielten. Die Stimme des Vampires riss mich aus meinen Gedanken: „Wie wäre es mit netten Schießeisen?“, fragte er mich scheinheilig. „Das wäre durchaus eine Überlegung wert.“ Natürlich würden wir diesen Kreaturen keine neuwertigen, gefährlichen Waffen in die Hand drücken, aber um Zeit zu schinden reichte es alle Male. Aber sie würden keine Geiseln gehen lassen, ehe sie nicht das erhalten hatten, was sie wollten. „Ich müsste das nur mit meinem Vorsitzenden besprechen.“, antworte ich also. Nach kurzer Überlegung nickte der Vampir. „Aber keine Tricks!“, drohte er mir. Ich nickte und ging nach draußen zu dem Wagen, mit dem ich hierher gefahren war. Ich bedeutete dem Fahrer mir das interne Telefon zu reichen und kontaktierte damit Sir Hellsing. „Ist alles in Ordnung bei euch?“, fragte er sofort. Ich beruhigte ihn und erklärte dann was bisher passiert war. „Ich vermute, dass sie Geiseln in einem separaten Raum gefangen gehalten worden, bewacht von vielleicht zwei oder drei Vampiren. Es ist nicht möglich von der Eingangshalle aus diesen Raum einzusehen, also wäre es mir möglich ohne Gefährdung der Menschen dort, fünf der Vampire zu eliminieren.“ Arthur schwieg und schien die Möglichkeiten gegeneinander abzuwiegen. „Und du bist sicher, dass das funktioniert?“ „Wenn ich darauf achte das Ganze möglichst leise und schnell durchzuziehen, sodass sie ihre Freunde nicht warnen können, dann ja. Wenn ich nichts unternehme kommen wir nicht weiter.“, fügte ich hinzu. Das schien ihn zu überzeugen: „Nun gut. Du hast die Erlaubnis, aber pass auf dich auf und sorge natürlich auch für die Sicherheit der anwesenden Menschen.“ Ich versprach ihm mein Bestes zu tun und legte auf. Wieder einmal wurde ich peinlich genau auf Waffen durchsucht und als sie sich davon überzeugt hatten, dass ich ohne Waffen zurück gekommen war schaute mich der mutmaßliche Anführer der Vampire an. „Und? Was sagt dein Boss dazu?“ Ich schaute ihm ohne zu blinzeln in die Augen. „Er ist damit einverstanden, sofern ich mich davon überzeugt habe, dass es den Menschen hier gut geht.“ Der Vampire schien zu verstehen und nickte langsam mit dem Kopf. „Dann komm mal mit, Kleine.“ Genervt zog ich meine Mundwinkel nach unten. Er drehte sich um und ging langsamen Schrittes tiefer in das Gebäude hinein. Zum Glück war der Gang lang genug, um meinen Plan in die Tat um zu setzten. In einigem Abstand folgte ihm der Rest. Zwei der Vampire liefen je neben mir und die anderen beiden waren hinter mir und stießen in regelmäßigen Abständen ihre Gewehre zwischen meine Rippen, damit ich weiter lief. Das nervte zunehmend und ich musste ein Knurren unterdrücken. Ich durfte mich nicht ablenken lassen. Für das Bevorstehende brauchte ich all meine Gedanken bei mir. Jetzt musste die Sache schnell gehen, ehe wir im Konferenzsaal ankamen. Ich lies mich auf den Boden fallen, stützte mich mit beiden Händen ab, als ich die beiden Vampire, die hinter mir liefen mit meinem Bein von den Füßen fegte. Die Vampire neben mir richteten ihre Waffen auf mich, doch ehe sie schießen, und damit Lärm verursachen konnten, rammte ich dem ersten meine Faust ins Gesicht, den Zweiten trat ich in den Magen. Während diese vor Schmerz zurück taumelten, brach ich einem nach dem anderen das Genick und lies sie lautlos zu Boden gleiten. Noch hatte der Andere nichts bemerkt. Was für eine bemerkenswertes schwaches Gehör er haben musste. Die Vampire, die ich zuerst auf die Bretter geschickt hatte, erhoben sich wieder, doch ehe sie dazu kamen, etwas zu unternehmen rammte ich dem einen meine Hand ins Herz. Dann packte ich den Waffenlauf, der auf mich gerichtet wurde lies den Schuss ins Leere gehen, trat ihm in seine Kronjuwelen und entriss ihm seine Waffe. Der Vampir, welcher vorausgegangen war, hatte inzwischen den Trubel bemerkt und sich umgedreht. Ehe ein Wort über seine Lippen kam, bekam er eine Kugel in die Stirn. Er war tot ehe er den Boden berührte. Ich entledigte mich noch den letzten Vampires und ging weiter. Der Konferenzsaal war nur noch wenige Meter entfernt und ich hielt die Waffe, die ich einem der Vampire abgenommen hatte, auf Anschlag. Ich legte ein Ohr an die Tür und lauschte. Nicht ein Laut drang zu mir durch und ich entdeckte auch bald den Grund dafür: Die Tür war massiv und schalldicht. Umso besser, dann hatten mich die Vampire, die sich dort befanden, sicherlich nicht gehört. Der nächste Schritt war entscheidend, also musste ich mit Bedacht vorgehen. Außerdem durfte ich den Sprengsatz, der möglicherweise im Konferenzraum angebracht war, falls dies nicht nur eine leere Drohung gewesen war, nicht außer Acht lassen. Ich bedauerte es nicht durch Wände sehen oder gar gehen zu können, doch daran konnte ich im Augenblick auch nichts ändern. Vorsichtig drückte ich die Klinge herunter und öffnete die Tür. Wieder blickte ich direkt in den Lauf einer Waffe. „Wer bist du? Und was willst du hier?“, herrschte mich einer der zwei anwesenden Vampire an. Bevor ich zu einer Antwort ansetzte, betrachtete ich meine Umgebung. Tatsächlich waren an den Wänden unzählige Sprengsätze angebracht, neben den zahlreichen, leuchtenden Monitoren. Auf dem Boden kauerten ein dutzend Männer der Marine und am Tischende saß Sir Penwood. Der Tisch war kreisrund, aber dennoch anders als der Round Table welcher sich im Hautpquartier der Hellsing-Organisation befand. In der Mitte befand sich eine Art rundes Loch, welches mit mehreren Holzplatten, die bis zum Boden gingen, ausgestattet war, sodass im Grunde genommen alle Füße der Anwesenden diese Platte berührten, wenn sie am Tisch saßen. Eine Waffe wurde von dem anderem Vampir auf Sir Penwood´s Kopf gerichtet. Als er mich erkannte und versuchte den Mund zu öffnen, gab ich ihm nonverbal zu verstehen nichts zu sagen. „Hey!“, brüllte der Vampir, „Ich rede mit dir, Weib!“ „Ich bin hier um euch dahin zu schicken, wo ihr herkommt: In den tiefsten Schlund der Hölle.“, sagte ich in einem pragmatischen Tonfall. Natürlich erntete ich nur Gelächter. „Ach ja?“, fragte der eine Vampir und entsicherte seine Waffe, welche er auf mich gerichtet hatte. „Und wie willst du das anstellen?“ Die Menschen am Boden warfen mir teils geschockte und besorgte Blicke zu. Ich grinste boshaft und meinte: „Das zeige ich euch nur zu gerne.“ Es war mir klar, dass mein überhitztes Gemüt in diesem Augenblick nicht von Vorteil war, doch ich konnte den Adrenalin Ausstoß nicht verhindern. Ein Teil von mir freute sich auf dieses Gefecht und das Blutvergießen, welches folgte. Wieder lachte der Vampir und zielte auf mein Herz. Mehrere Schüsse ertönte und mein Körper stürzte zu Boden. Der Vampir kam näher und trat gegen meinen Kopf, sodass er zur Seite flog. „Na?“, fragte er hämisch, „War´s das schon?“ Ich öffnete die Augen und grinste. „Nicht im geringsten.“ Der Vampir wich zurück und schickte sich an erneut zu schießen, doch ich war schon aufgesprungen, hatte ihm seine Waffe entrissen und ihm mit einem Tritt auf den Boden geschickt. Jetzt war ich diejenige, die die Waffe auf ihn richtete. Ärgerlich betrachtete ich die Wunde in meinem Knie, die einzige Verletzung die ich von dem Schussfeuer davon getragen hatte. Der Kerl war ganz offenbar nicht der beste Schütze, um nicht zu sagen, dass er geschoßen hatte wie ein blinder Besoffener, oder dergleichen. Geringschätzig betrachtete ich den am Boden liegenden. „Bleib schön da liegen.“, meinte ich und drehte ihm den Rücken zu. Unter den erstaunten Blicken aller verheilte die Wunde, die ich am linken Oberarm von dem Streifschuss beigebracht bekommen hatte. „Ich gebe dir jetzt die einmalige Chance diese Menschen hier gehen zu lassen. Und dann verspreche ich dir, dass es schnell vorbei sein wird.“ Ich lies die Fingerknochen meiner rechten Hand knacken, während ich den Vampir, welcher Sir Penwood in seiner Gewalt hatte ansah. Der Vampir lachte und zückte eine Apparatur, welche einer Fernbedienung ähnelte. „Noch einen Schritt, Weib, und hier fliegt in wenigen Sekunden alles in die Luft.“, drohte er, die Apparatur mit einer Hand in der Luft schwenkend. Hinter mir versuchte der andere Vampir wieder aufzustehen. Triumphierend grinste er mich an. „Na was willst du jetzt tun?“, fragte er vor Schmerz keuchend. Die Männer auf dem Boden begannen vor Angst zu wimmern, ebenso wie Sir Penwood. Einige gaben mir zu verstehen, dass ich mich zurückziehen sollte, um die Eskalation nicht zu riskieren. Ich befeuchtete meine Lippen mit der Zunge und sah dem Vampir vor mir direkt in die Augen. „Kannst du schneller den Auslöser drücken, oder bin ich schneller?“ Der Vampir war sichtlich irritiert und hielt die Apparatur noch fester und entsicherte zusätzlich seine Pistole, die noch immer auf Sir Penwood gerichtet war. Ich roch den Angstschweiß, der bei ihm ausbrach und versuchte ihm mit meinem Blick zu signalisieren, dass alles gut werden würde. Ich lies das Gewehr sinken, welches ich in den Händen hielt und der Vampir grinste, da er annahm, dass seine Drohung Wirkung gezeigt hatte. Doch da hatte er weit gefehlt. Kurz bevor das Gewehr, welches ich zum Schein ablegte, den Boden berühren konnte, packte ich es wieder fester, legte an und erschoss den Vampir hinter mir mit einem gezielten Kopfschuss. Der verbliebene Vampir schrie vor Wut auf und lies seinen Daumen über dem roten Knopf schweben. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben!“, schrie er verzweifelt. Alle anwesenden Menschen wimmerten erschrocken auf und beteten zu Gott und flehten den Vampir an er möge ihr Leben verschonen. „Keine Sorge.“, durchbrach ich das durcheinander mit fester Stimme, „Hier wird niemand sterben, außer diese Kreatur.“ Diese lachte laut auf. „Du hast keine Chance mehr, Weib. Hier schau.“ Er wedelte erneut mit dem Fernzünder herum und erklärte, dass er nur einen Knopfdruck brauchte, um alle Sprengsätze in die Luft fliegen zu lassen. Ich ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. „Keinen Schritt weiter!“, schrie der Vampir und packte den Auslöser fester. Ich hob resignierend beide Hände und lies das Gewehr fallen. Dann richtete der Vampir seine Pistole auf meinen Kopf. „So endet also dein kleines Abenteuer.“, zischte er und seine Augen funkelten bedrohlich, als er sie zu Schlitzen verengte. „Ja.“, stimmte ich ihm zu, „Alles hat ein Ende, aber diesmal ist es dein Leben, das endet.“ Auch meine Augen leuchteten rot auf. Ehe er in der Lage dazu war, den Abzug seiner Waffe zu betätigen, war ich hinter ihm und stieß meine Hand in seine Brust. Vor Schmerz brüllend, lies er seine Pistole fallen, welche klappernd zu Boden fiel. Ich wollte gerade erleichtert aufatmen, als ein klickendes Geräusch alle Anwesenden inne halten lies. Mit einem diabolischen Grinsen hatte der Vampir mit letzter Kraft den Auslöser betätigt. Dann drehten sich seine Augen nach innen und er fiel leblos zu Boden. „Alle Mann, raus hier!“, rief ich den Marines, die noch immer am Boden kauerten zu. Sie gehorchten auf´s Wort, stolperten aus dem Raum und warfen sie Tür hinter sich zu. Dort dürften sie sicher sein, egal was folgte. Nur Sir Penwood saß noch zitternd auf seinem Platz. „Laufen Sie!“, befahl ich und biss die Zähne zusammen als unvermittelt der Schmerz durch mein verwundetes Knie fuhr, sodass ich mich am Tisch abstützen musste. Verdammt ausgerechnet jetzt. Doch Penwood er schüttelte auf meinen Befehl hin den Kopf. „Nicht ohne dich.“, sagte er mit zitternder Stimme. „Jetzt ist keine Zeit dafür den Helden zu spielen. Raus hier!“ Die roten Timer an den Sprengsätzen zeigten fünf Sekunden an. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. In fünf Sekunden würde Sir Penwood niemals unbeschadet den Raum verlassen können. Panik erfasste Sir Penwood und auch mir drohten die Nerven durch zu gehen. Mein Atem beschleunigte sich und ich sah mich hektisch um. Nur noch drei Sekunden. In meiner Verzweiflung packte ich den noch sitzenden Sir Penwood am Kragen und warf ihn unter den Tisch. Unsanft knallte er gegen eine der begrenzenden Holzplatten, stöhnte kurz vor Schmerz auf und blieb am Boden liegen. Schützend warf ich mich, ohne lange zu überlegen, über den Teil von ihm, den der Tisch nicht abdeckte, als die Sprengsätze mit all ihrer zerstörenden Macht über unseren Köpfen explodierten. Kapitel 6: Free --------------- Free Als der Rauch sich lichtete krochen Sir Penwood und ich unter dem Tisch, oder vielmehr was davon noch übrig war, hervor. Zum Glück hatte er nur wenige Kratzer von den Holz- und Glassplittern, welche die Explosion umhergewirbelt hatte, und einige Beulen und blaue Flecken davongetragen. Die Einrichtung hingegen war fast völlig zerstört worden. Tisch und Stühle hatte es vollständig auseinander gerissen und die Scherben der Monitore, die an der Wand hingen, lagen auf dem Boden. Sir Penwoods Blick war entsetzt auf meinem Körper gerichtet. Erst jetzt bemerkte ich die zahlreichen Wunden, die meinen Körper zierten. Unzählige Splitter hatten sich in meine Haut gebohrt und auch die Explosion an sich hatte ihre Spuren hinterlassen. Hastig stand Sir Penwood auf und sah sich gehetzt um. „W-warte hier.“, stotterte er aufgewühlt, „Ich hole Hilfe. Bleib... Bleib am Besten sitzen und beweg dich nicht.“ Hastig verlies er schnellen Schrittes den Raum, als er die Tür geöffnet hatte sah ich, dass seine Männer nicht mehr davor standen, scheinbar hatten sie das Gebäude, das Heil in der Flucht suchend, verlassen. Zitternd richtete ich mich, hingegen Sir Penwood´s Anweisungen, auf. Ich biss die Zähne zusammen, als ohne Vorwarnung ein stechender Schmerz durch meinen gesamten Körper fuhr. Mir wurde schwindelig und mein Blickfeld verschwamm vor meinen Augen. Erschöpft sank ich in die Knie. Mein Schädel dröhnte. Ich zog einen Glassplitter aus meinem Oberarm. Blut sickerte aus der Wunde. Doch zu meinem Erstaunen, schloss sie sich nicht. Offenbar hatte mein Körper nicht genügend Energie um meine Wunden zu heilen. Ich spürte wie ich zunehmend schwächer wurde und die Ohnmacht nach mir griff. Würde das jetzt doch mein Ende sein? Würde ich nun endgültig sterben? Widerstand regte sich in mir und ich versuchte wieder auf die Beine zu kommen, jedoch erfolglos. Als meine Augen sich zu schließen drohten, hörte ich gedämpfte Schritte, die klangen als kämen sie von weit her. Ich drehte meinen Kopf und sah Alucard direkt in die Augen. Auch Sir Penwood war an meiner Seite. Ich sah wie sich sein Mund öffnete und schloss, als er auf mich einredete, doch verstand seine Worte nicht. Alucard schob seine Hände unter meinen geschundenen Körper und hob mich sanft hoch. Vorsichtigen Schrittes trug er mich nach draußen. Dort stand bereits ein Kleintransporter der Organisation für uns bereit, welcher uns in die Organisation brachte. Dort legte mich Alucard behutsam in meinem Sarg ab. „Ma... ster.“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Spar dir deine Kräfte, Frischlig.“, befahl Alucard sanft. Ich nickte schwach und kniff die Augen zusammen, als mich erneut ein jäher Schmerz durchzuckte. Alucard packte meine verkrampfte Hand und drückte sie sanft. Als er von mir abließ biss er sich, unter meinen erstauntem Blick, in seinen rechten Unterarm. Blut tropfte aus der von ihm selbst zugefügten Bisswunde. Dann hielt er mir seinen Arm entgegen. „Trink mein Blut, Frischling.“ Ich blinzelte träge und wollte den Mund öffnen, um etwas zu erwidern, doch Alucard fuhr fort: „Dann wirst du aus meiner Knechtschaft befreit und wirklich eine von uns werden. Ein Vampir, ein Midian, welcher aus eigener Kraft durch die Nacht streift und Blut trinkt.“ Meine Augen weiteten sich flüchtig. Beim Anblick seines Blutes begannen meine Augen rot zu glühen. „Trink.“, befahl er noch einmal ruhig. Unfähig etwas zu erwidern, schob ich meinen Kopf etwas näher und streckte meine Zunge heraus. Immer näher kam sie seiner Wunde und seinem Blut. Schließlich erreichte sie seinen Lebenssaft. Zögerlich zog sich meine Zunge zurück und ein kleiner Tropfen rann meine Kehle hinab. „Mehr.“ Ich folgte Alucard´s Befehl und fuhr erneut mit meiner Zunge über die Wunde. Immer gieriger und verlangender wurden die Bewegungen meiner Zunge, bis ich schließlich meine Lippen an seine Wunde legte und zu saugen begann. Der Geschmack seiner Blutes explodierte auf meiner Zunge. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das Einzige was ich wahrnahm war der Geruch und der Geschmack seines Blutes. Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, löste Alucard mit sanfter Gewalt meine Lippen von seiner Haut. „Das ist genug.“, sagte er und grinste zufrieden. Seine Wunde schloss sich augenblicklich, noch während er sich erhob, genauso wie die Meinigen. Binnen weniger Sekunden war mein gesamter Körper verheilt, so als wäre nie etwas vorgefallen und eine Explosion hätte es nie gegeben. Sprachlos über diese Wandlung starrte ich nur unverwandt meinen unversehrten Körper an. Alucards Stimme riss mich aus meiner Paralyse: „Das hast du gut gemacht, Frischling. Aber denke daran: Mein Blut reicht nicht zu deinem vollständigen Erwachen. Blut ist die Währung der Seele, das silberne Tablett des Willens. Wenn du vollständig jemanden seines Blutes beraubst, dann nimmst du zugleich sein Leben und seine Seele in dich auf.“ Als er meinen Blick auffing, lachte er kurz auf und meinte: „Du wirst es verstehen, wenn es so weit ist, Frischling.“ Ich nickte langsam. Allmählich kam ich wieder zu mir und realisierte was ich getan hatte. Ich hatte Alucards Blut getrunken und mich somit aus seiner sogenannten Knechtschaft befreit, die ich übrigens nie als knechtend empfunden hatte. Aber scheinbar war dies noch nicht alles. Um mich zu vervollständigen musste ich ein Leben in mich aufnehmen. Also... musste ich jemanden vollständig aussaugen. Eines wusste ich bestimmt: Ich würde keine x- beliebige Person in mich aufnehmen. Wieder wurde ich in meinen Gedanken unterbrochen, als Walter und Arthur in mein Zimmer stürmten. Ich fand mich in Walter´s Armen wieder, welcher mich stürmisch umarmte und ohne Punkt und Komma auf mich einredete: „Geht es dir gut? Was ist passiert?“ Als ich Alucard´s amüsiertem Grinsen gewahr wurde, schob ich meinen Onkel von mir. „Mir geht es gut.“ Sir Hellsing trat neben Walter und musterte mich interessiert. „Du bist vollständig geheilt.“, stellte er fest, scheinbar hatte er vorher einen Blick auf meine zahllosen Wunden werfen können. Ich nickte und überlegte, wie ich das Geschehene in Worte fassen sollte, als ich bemerkte wie Arthur und Walter mich und Alucard anstarrten. Ihre Blicke waren auf meine Lippen gerichtet. Verlegen wischte ich das Blut aus meinem Mundwinkel und schaute hilfesuchend Alucard an. „Master...“, begann ich, doch Alucard unterbrach mich grinsend: „Du weist, dass ich das nicht mehr bin.“ Dann warf er Walter und Sir Hellsing einen Blick zu und die Beiden schienen augenblicklich zu verstehen. Ihre Augen weiteten sich flüchtig, doch dann nickten sie verstehend. Arthur fand als erster sein übliches Lächeln und seine Sprache wieder: „Schön, dass es dir gut geht, Alex.“ Auch Walter stimmte ihm zu. „Was ist mit Sir Penwood?“, fragte ich und Sir Hellsing lächelte beruhigend: „Ihm geht es gut. Dank dir. Er lässt dich grüßen und dankt dir herzlich für die Rettung.“ Ich lächelte erleichtert. Plötzlich funkelten Arthur´s Augen auf und ein spitzbübisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Jetzt schuldet er uns was. Das trifft sich gut. Ich wollte mir ohnehin einen Helikopter von ihm leihen.“ Ohne Vorwarnung klatschte Arthur in die Hände und meinte zu Walter gewandt: „Ich glaube jetzt ist es an der Zeit für meinen Tee.“ Er drehte sich noch einmal zu mir um, ehe er den Raum verlies. „Ruh dich noch etwas aus, Alex. Komm, Walter.“ „Natürlich, Sir.“ Mein Onkel wünschte mir eine erholsame Nachtruhe und folgte Sir Hellsing auf dem Fuße. Die Beiden schlossen die Tür hinter sich und ich war mit Alucard alleine. „Du solltest dich schlafen legen.“, meinte auch er und grinste. „Morgen wird ein interessanter Tag.“, sagte er, mehr zu sich selbst, als zu mir, ehe er verschwand. Auch wenn ich nicht recht verstand, legte ich mich zurück in meinen Sarg und schloss die Augen. Meine Augen öffneten sich schlagartig, als die Glocken der Stadt zu Mitternacht schlugen. Zunächst wusste ich nicht, was mich geweckt hatte, doch dann fühlte ich es. Es war als wäre eine Tür aufgestoßen worden, die nun den Blick auf einen neuen Korridor frei gab. Nicht nur, dass meine Regnerationsfähigkeit um ein vielfaches gestiegen war, ich besaß nun auch unter anderem Wissen darüber, wie man Untergebene, also die Hilfsgeister eines Vampires, beschwor. Im Lichte des Vollmondes ging ich nach draußen, um meine neuen Fähigkeiten aus zu testen. Ich entschied mich für etwas zeitgemäßeres als Fledermäuse, nicht dass ich was gegen diese kleinen Tierchen hatte, aber ein bisschen Individualität musste sein, fand ich. Ein roter Schein ging von meinen Augen aus, als ich meine Kräfte freisetzte und im Geiste nach meinen Hilfsgeistern rief. Nur wenige Augenblicke später verdunkelte etwas den Mond. Der dunkle Schwarm Raben kam auf mich zu und umschwärmten mich. Vorsichtig streckte ich meine Hand und zugleich dessen Zeigefinger aus und augenblicklich landete einer der schwarz gefiederten Vögel auf meinem Finger. Ein Lächeln erhellte mein Gesicht und ich lies den Vogel wieder fliegen. Laut krächzend erhob sich der Schwarm wieder und ich schaute ihnen etwas sehnsüchtig nach, als sie in der Dunkelheit verschwanden. Nun regte sich ein anderer Teil meiner Kräfte in mir. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf dieses Gefühl. Nach einer Weile spürte ich, wie meine Füße den Kontakt zum Boden verloren und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, wie ich begann in der Luft zu schweben, auch wenn es nur wenige Zentimeter waren. Aber ich war mir sicher, dass es sich mit genügend Konzentration steigern lies. Doch für diese Nacht lies ich es gut sein und legte mich schlafen. Innerhalb der nächsten Tage fand ich heraus, dass ich neben den Hilfsgeistern und dem Schweben dazu in der Lage war die Geister von Menschen zu manipulieren, also Hypnose, wenn man es so wollte. Beispielsweise konnte ich ihnen, allerdings zumeist nur den wirklich Einfältigen, vorgaukeln, dass ich anders aussah, als ich es tatsächlich tat, oder sie dazu überreden bestimmte Dinge zu tun. Bei Wesen allerdings, wie zum Beispiel Ghouls wirkte es nicht, da diese ohnehin keinen Verstand hatten, auf den man einwirken konnte. Nicht, dass ich diese neuen Fähigkeiten ausgenutzt hätte um einen unfairen Vorteil zu erlangen, doch könnte sich dies in nicht allzu ferner Zukunft sicherlich als nützlich erweisen. Zudem hatte ich mich dazu entschlossen meinem Schweben, welches mittlerweile ziemlich gut funktionierte, ein eleganteres Element hinzu zu fügen, damit das Schweben nach Fliegen aussah. Kurzum: Jedes Mal, wenn ich beabsichtigte zu fliegen, lies ich schwarze, engelsähnliche Flügel auf meinem Rücken erscheinen. Dazu musste ich natürlich dafür sorgen, dass keine Kleidung meine Schultern bedeckte und so die Flügel blockierten. Natürlich hätte ich sie auch so ausfahren können, aber das hätte meine Kleidung ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Schwingen waren übrigens auf meine Hilfsgeister zurück zu führen. Aber ich fand sie schick und überaus dekorativ, außerdem stabilisierten sie den Flug. Zudem war das Ganze eine ziemliches Kontrastprogramm, was mich überaus amüsierte. Der Kontrast zwischen den geflügelten Gottesboten und den Vampiren, also den vermeintlich Bösen und Guten. Aber das war noch nicht alles. Diese schwarzen Schwingen symbolisierten auch einen Todesengel, welches an den Spitznamen meines Onkels erinnerte. In der Zwischenzeit hatte er mir auch erzählt, was es damit auf sich hatte. Auch Alucard hatte des Öfteren erwähnt, dass dieser Spitzname auch zu mir passte und hatte, um zwischen uns Beiden zu differenzieren, ein »Junior« daran gehängt. Meine Spitznamen von ihm wurde ich so schnell nicht los, aber auch ich nannte ihn weiterhin Master. Abgesehen davon, dass es einfach eine Gewohnheitssache war, fühlte es sich für mich nicht so an, als seien wir gleichwertige Vampire oder dergleichen. Er schwebte in völlig anderen Sphären und ich war mir fast sicher, egal was ich tat, ich würde ihm niemals nahe kommen, was das Thema Vampirkräfte anging. Andererseits hatte ich es damit nicht sonderlich eilig, besonders nicht wenn das bedeutete, dass ich unzählige Menschen aussaugen und in mich aufnehmen musste. Ich war nicht die Einzige, die der Meinung war, dass Alucard´s Stärke jenseits aller Vorstellungskraft war. Wieder einmal wurde ich von Walter dazu beauftragt den anwesenden Herren, also Sir Hellsing, Sir Irons und Sir Penwood Tee auf ihr Besprechungszimmer zu bringen. Wenn ich nicht gerade auf Mission war, trug ich dazu öfters die Kleidung, welche ich auch bei dem letzten Zwischenfall getragen hatte. Sie war bequem, fiel nicht weiter auf und man lief nicht in Gefahr, dass einem jeder unter den Rock schauen konnte, wie es die Soldaten öfters scherzhaft versuchten, wenn wir zusammen trainierten. Außerdem hatte ich das Oberteil etwas verändern lassen, sodass der Stoff am Rücken Platz für meine Flügel lies, falls ich diese benötigte. Diese konnte ich inzwischen übrigens für den Kampf nutzen. Nicht nur, dass ich gegebenenfalls Gegner damit einen Stoß versetzen konnte, ich konnte die Federn auch bei Bedarf durch Willenskraft scharf werden lassen und somit einen Feind zerstückeln. Ferner eigneten sich die Schwingen hervorragend als Schutzschilde, die vor heran fliegenden Projektile schützen konnten, wenn man diese nicht gerade im Kopf stecken haben wollte. Als ich vor dem von mir angestrebten Raum angekommen war, hob ich die Hand um höflich anzuklopfen, fing dabei aber einige Gesprächsfetzen auf, die mein Interesse weckten und mich inne halten liesen. „Wir können Alucard´s Eigenmächtigkeiten nicht länger dulden, Arthur. Er wird zu mächtig.“, sagte Sir Irons gerade. Als ich das gehört hatte, konnte ich nicht mehr an mich halten. Ohne mich mit weiteren Höflichkeiten aufzuhalten stürmte ich in den Raum. Die erstaunten Blicke der drei Männer waren auf mich gerichtet. Dann wurde Sir Irons Blick eine Spur kälter und er fragte frostig: „Was hat das zu bedeuten, Alexandra?“ Ich wurde aufgrund meines stürmischen Auftrittes etwas rot und musste mich erst einmal fangen, ehe ich antwortete: „Verzeihen Sie. Ich wollte nicht lauschen, aber ich habe gehört, wie Sie über meinen Meister geredet haben und...“ Mit einer ruckartigen Handbewegung schnitt mir Sir Irons das Wort ab. „Ich bedaure, aber das geht dich nichts an.“ „Aber...“, setzte ich an, doch wieder unterbrach er mich: „Genug! Du vergisst dich!“ Ich wandte mich an Sir Hellsing. Flehend blickte ich ihn an, doch er wich meinem Blick aus und schüttelte den Kopf. „Er hat Recht, Alex.“ Wieder erwog ich Widerspruch zu erheben, doch Sir Irons warf ein: „Vergiss nicht, was du der Hellsing-Organisation zu verdanken hast. Du schuldest ihr deine Dankbarkeit und Loyalität.“ Ich zuckte wie vom einem Schlag getroffen zusammen und suchte wieder den Blick von Sir Hellsing und hoffte darin etwas Verständnis zu finden. Er mied meinen Blick und stimmte seinem alten Freund zu. Meine Augen weiteten sich vor Unverständnis. Auch Sir Penwood versuchte nicht die anderen Beiden von ihrem Entschluss, den sie nun gefällt hatten abzubringen. Sie würden Alucard in den entlegenen Kerkern einsperren und Sir Hellsing verbot mir jemanden davon zu erzählen, oder gar selbst dorthin zu gehen. So musste ich hilflos mit ansehen, wie mein Meister weggesperrt wurde und niemand hätte mir sagen können, ob er je wieder frei kommen würde. Kapitel 7: Apprenticeship ------------------------- Apprenticeship Es dauerte eine Weile, bis ich nach dem Vorfall wieder normal mit Sir Hellsing und den Anderen redete. Arthur bat mich ihn zu verstehen, doch ich konnte dafür absolut kein Verständnis aufbringen. Als würde Alucard plötzlich Amok laufen oder dergleichen. Und wenn sie das wirklich glaubten, konnten sie mich genauso gut wegsperren. Irgendwann wuchs Gras über diese Sache und alle Parteien bewahrten Stillschweigen darüber. Missionen gab es in der Zwischenzeit keine mehr. Außerdem wurde das Ereignis aufgrund eines Anderen schier unbedeutend. Sir Hellsing´s Frau, die er vor kurzem geheiratet hatte, wurde schwanger und Sir Hellsing schien langsam zu begreifen, was das Vater-Sein mit sich brachte. Er wurde, zumindest etwas, ernster und besonnen. Das Besorgnis erregende war allerdings neben der Schwangerschaft, der schwächliche Zustand der zukünftigen Mutter. Es war kaum anzunehmen, dass sie die Geburt überleben würde. Arthur sorgte sich natürlich um das Wohl seiner Frau und seines Kindes. Walter und ich standen ihm so gut es ging zu Seite in diesen schweren Zeiten, besonders als an dem Tag, an dem das Kind geboren wurde, seine Frau tatsächlich starb. Doch für Trauer blieb kaum Zeit, schließlich wollte das Frischgeborene auch versorgt werden. Zugegeben waren sowohl Arthur als auch ich mit der Situation ziemlich überfordert, doch Walter wusste einiges zur Kindespflege beizutragen und gab zu diesen Gelegenheiten überflüssigerweise einige meiner Kindheitsgeschichten zum Besten. Doch alle Anstrengungen und Bemühungen lohnten sich, denn das Mädchen, welches Arthur Integra Fairbrook Wingates genannt hatte, wuchs zu einem lebhaften und selbstbewussten jungen Mädchen heran. Ich fand, dass die drei Vornamen etwas zu viel des Guten waren, aber das ist nicht die Schuld der jungen Generation. Ich selbst konnte zwei Vornamen mein Eigen nennen. Da Sir Hellsing des öfteren zu beschäftigt war, um sich um seine Tochter zu kümmern, lag es an mir das Kind im Auge zu behalten. Das stellte sich als schwieriger heraus als es klang. Gerade lief ich wieder suchend durch das Gebäude, als mir Thomas grinsend entgegen kam. Er schien zu wissen, nach wem ich suchte und fragte: „Na, Mädchen? Wieder auf der Suche nach der jungen Dame?“ Ich nickte erschöpft. „Kaum sieht man wo anders hin, ist sie schon wieder weg.“ Dann erwiderte ich sein Grinsen. „Sie hält einen ganz schön auf Trab.“ „Na dann.“, meinte Thomas, nachdem er mir auf die Schulter geklopft hatte, „Viel Spaß noch.“ „Werde ich haben.“, antwortete ich ironisch und setzte meine Suche fort. Dann hörte ich das Geräusch von Wasser, welches in einem Eimer schwappte. Ich lief zum Ursprung des verdächtigen Geräusch und konnte Integra gerade noch daran hindern, ihrem Onkel einen Eimer Wasser über den Kopf zu gießen. Wie auch immer sie es geschafft hatte, den Eimer an der Decke zu befestigen und das ganze Konstrukt mit einem Seil zu verbinden, um daran im richtigen Augenblick zu ziehen, sodass sich der Inhalt über Richard´s Kopf ergoss. Vor uns stand ein wütender und glücklicherweise trockener Richard. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte er scharf. Ich stellte mich schützend vor Integra. „Nur eine kleine Kinderei, also tun Sie es bitte auch als solche ab.“ Wie ich es hasste diesem Mann all meine Freundlichkeit entgegen zu bringen und ich hätte ihm das kalte Bad aus vollem Herzen gegönnt, aber leider verlangte es die Etikette, dass man Gäste höflich behandelte und das beinhaltete auch, dass sie trocken blieben. Richard erwiderte nichts, sondern ging nur grummelnd seines Weges. Ich atmete erleichtert aus, als er verschwunden war und widerstand dem Drang ihm nachträglich die Zunge raus zu strecken. Integra sah mich trotzig an. „Du bist gemein.“ Ich grinste schief und sagte: „Tut mir Leid Ihnen die Freude zu verderben, junges Fräulein, aber solche Streiche darf ich nicht gestatten. Ihr werter Vater wäre damit sicherlich nicht einverstanden.“ Das entsprach vermutlich nicht ganz der Wahrheit. Vermutlich hätte sich Arthur über seinen Bruder, der wie ein begossener Pudel vor ich stand, amüsiert. Integra´s Mundwinkel zogen sich noch weiter nach unten. Sie war wirklich ein ziemlicher Dickkopf und wusste normalerweise ihren Willen durch zu setzen. „Im Übrigen soll ich von Ihrem Vater ausrichten, dass die Süssigkeiten ausbleiben, wenn Sie kein besseres Benehmen, besonders Ihrem Onkel gegenüber an den Tag legen.“, fügte ich hinzu, „Und die Aktion von vorhin trägt für eine Verbesserung nicht gerade bei.“ Störrisch legte Integra ihre Stirn in Falten. „Wenn du das Vater petzt, dann sorge ich dafür, dass du den ganzen Tag draußen verbringen musst.“ Aufgrund dieser versuchten Drohung musste ich unwillkürlich auflachen, ehe ich mich besorgt umsah, ob nicht Richard zurück gekehrt war und zugehört hatte. „Sie müssen noch eine Menge lernen, junges Fräulein. Das Sonnenlicht schadet mir kaum.“ Und in der Tat konnte ich tagsüber das Gebäude verlassen, allerdings riskierte ich, neben einem temporären Kräfteverlust, einen heftigen Sonnenbrand. „Und denken Sie daran, dass Sie Ihrem Vater versprochen haben, mein... wahres Wesens gegenüber Ihrem Onkel nicht zu erwähnen.“ Allmählich kam sie wieder zur Vernunft und nickte geknickt. „Okay. Tut mir Leid.“ Ich lächelte sie sanft an. „Ist schon in Ordnung. Schließlich war jeder einmal jung und das Gemüt kann jedem durchgehen.“ Sie betrachtete mich eine Weile und fragte dann neugierig: „Wie alt bist du eigentlich, Alex? Und wie lange bist du schon... so?“ Ich überlegte kurz, ehe ich antwortete: „Ich bin 32 Jahre alt. Untot bin ich erst seit elf Jahren.“ Integra schien beeindruckt, auch wenn die Zahlen im Vergleich mit dem Alter meines Meisters schier verblassten. Zehn Jahre war es nun her, seit er in den Keller gesperrt worden war. Das Mädchen schien meine Traurigkeit zu bemerkten und sah mich an. „Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt und ich nickte. „Woran hast du gedacht?“ Ich lächelte traurig. „An meinen Meister.“, antwortete ich wahrheitsgemäss. „Du meinst der Vampir, der dich verwandelt hat?“ „Ja.“ „Vermisst du ihn?“ Wieder nickte ich. Er fehlte mir wirklich. „Ich würde ihn gerne einmal treffen.“, meinte Integra. „Ich bin mir sicher, das werden Sie... eines Tages, junges Fräulein.“, murmelte ich kaum hörbar. Sie konnte ja nicht wissen, dass der Mann über den wir sprachen nur wenige Meter unter uns in den alten Verliesen gefangen war. Dann warf ich einen Blick auf meine Uhr. „Aber jetzt müssen wir uns beeilen. Dein Vater wartet.“ Integra nickte und ich ging gemeinsam mit ihr in das Büro ihres Vaters, wo er sie in der Familientradition unterwies. „Du weist welches Monster wir am meisten zu fürchten haben, Integra?“, fragte ihr Vater gerade. Die beiden Hellsing´s saßen sich auf Stühlen gegenüber. Sir Hellsing hatte sich von Walter eine Zigarre bringen und anzünden lassen. „Den Vampir?“, antwortete mit einem fragenden Tonfall. „So ist es. Ganz genau. Unseren alten Erzfeind Vampir“, bestätigte Sir Hellsing und warf mir einen entschuldigende Blick zu, ehe er mit seinen Fragen fortfuhr: „Und warum, Integra, ist der Vampir so furcherregend?“ Ehe Integra zu einer Antwort ansetzten konnte, fuhr der Mann fort: „Ein Vampir hat doch alle möglichen schwachen Seiten. Er mag keinen Knoblauch, hasst Kruzifixe und an Weihwasser und Hostien verbrennt er sich. Er kann keine fliessenden Gewässer überqueren und verträgt weder Sonnenlicht noch Bibelrezitationen. Die meisten Vampire sind nur bei Nacht aktiv.“ Dabei warfen die beiden mir wieder einen leichten Seitenblick zu. „Und in Frieden ruhen kann er nur in einem engen, dunklen Sarg.“, schloss Arthur seine Aufzählungen, nachdem er seine Tochter wieder angesehen hatte „Und doch gelten Vampire als unbesiegbar. Was meinst du warum, Integra?“ Integra grübelte lange nach und warf mir währenddessen immer wieder hilfesuchende Blicke zu. „Weil Wölfe und Fledermäuse kontrollieren können?“, fragte sie zögerlich. Und andere Kreaturen, ergänzte ich im Geiste, aber Integra hatte mich noch nie beim Beschwören meiner Hilfsgeister gesehen, deshalb sei ihr dieser Fehler verziehen. Außerdem gab es noch andere Kreaturen wie Insekten oder dergleichen. Aber Fledermäuse und Wölfe waren eben das Gängigste. Wölfe würde ich auch gerne eines Tages zu meinen Hilfsgeistern zählen dürfen. Ich hatte für diese Tiere sehr viel übrig. Arthur´s Stimme riss mich auch meinen Gedanken: „Das würde sie nicht unbesiegbar machen.“ „Weil sie erst sterben, wenn man ihnen einen Pflock ins Herz rammt?“, riet Integra erneut. „Nein. Es gibt auch andere Wege sie zu töten.“, gab ihr Vater zur Antwort. „Weil sie Blut trinken können und beliebig viele andere Vampire und Knechte erzeugen können?“ „Das ist sicher eine beängstigende Fähigkeit, aber es macht sie noch nicht unbesiegbar.“ Er nahm die Zigarre aus seinem Mund und meinte: „Es ist viel, viel einfacher.“ Integra überlegte noch einmal. „Weil... er stark ist?“, fragte sie unsicher. „Richtig. Vampire sind sehr, sehr stark, Integra.“ Er machte eine kurze Pause, ehe er fort fuhr: „Extrem schnelle Reflexe, Konzentrationsfähigkeit, ein sechster Sinn, Körperbeherrschung, sonstige besondere Fähigkeiten, Ausdauer, die Fähigkei Blut zu trinken, Verwandlungsfähigkeit, Unsterblichkeit, etc etc. Doch die meisten gefürchtet ist ihre Gewalttätigkeit... Ihre Kraft. Mit Leichtigkeit können sie Menschen in Stücke reißen... wie einen alten Putzlumpen. Das dumme ist, dass sie sich ihrer Kraft bewusst sind und sie haben nicht nur diese einzigartige Fähigkeit, sondern sie setzten ihre Kräfte auch intelligent ein, wie Tyrannen. Ein Nahkampf gegen einen Vampir bedeutet den sicheren Tod. Verstehst du, Integra? Vampire sind intelligente, blutsaugende Teufel. Kann man sich etwas schlimmeres vorstellen?“ Integra war aufgrund des erschlagenden Vortrages still geworden und nickte deshalb nur langsam mit dem Kopf. Ihr Vater stand auf und streichelte ihr sanft über den Kopf. „Wie du siehts sind nicht alle Vampire so sanftmütig wie Alexandra.“ Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Ich könnte auch anders, wenn ich es wollte.“, meinte ich amüsiert grinsend und lies quasi zur Demonstration meine Fingerknochen knacken. Integra löste sich allmählich aus ihrer Erstarrung. „Du hast deine Kräfte aber noch nie gegen Menschen gerichtet, oder?“ „Nein.“, antwortete ich sofort, „Ich gehöre schließlich nicht zu diesen Monstern, die die Organisation jagt.“ Integra lächelte mich versöhnlich an und sah mir direkt in die Augen. „Du bist eben anders. Du bist eine von den Guten.“ Ich wich verlegen ihrem Blick aus und kratze mich am Hinterkopf. Sir Hellsing setzte ein breites Grinsen auf und klopfte kameradschaftlich auf meine Schulter. „Genau.“ Dann klatschte er in die Hände. „Walter.“ „Ja, Sir?“, antwortete Walter, welcher die ganze Seite gleich einem Schatten im Zimmer gewesen war. „Bring uns bitte einen Tee.“ „Jawohl, Sir.“ Augenblicklich verlies mein Onkel das Zimmer um das Gewünschte zu holen. Kurze Zeit später kam er wieder und händigte Integra und Arthur jeweils eine Teetasse aus. „Alex?“, fragte Integra an mich gewandt. „Ja, junges Fräulein?“ Sie beäugte ihren Tee, ehe sie mich ansah. „Warum trinkst du keinen Tee mit uns?“ „Sehr zu meinem Bedauern, vertrage ich so etwas nicht.“ Das Mädchen zog die Augenbrauen zusammen und ihre Mundwinkel zuckten etwas nach unten. „Und wo ist der Unterschied zwischen Tee und dem was du zu dir nimmst? Ist doch beides flüssig.“ Ich lachte kurz auf. „Da fragen Sie mich zu viel, junge Dame. Also, so schade es es auch ist, auch bei Ihren zukünftigen Teepartys werde ich kein Gast sein können.“ Ehrlich gesagt war das das einzig Gute daran. Teepartys gehörten nicht zu meinem liebsten Zeitvertreib, aber Integra hielt zum Glück diese auch nicht regelmässig ab. In dieser Hinsicht war sie erwachsener als die meisten Kinder in ihrem Alter. Sie musste sich um Dinge Gedanken machten, von denen die anderen Kinder keine Ahnung hatten. Integra war sich der Sache vielleicht noch nicht bewusst, aber schließlich würde sie eines Tages diese Organisation übernehmen und leiten, so viel stand für mich fest. Weder ich noch die Soldaten würden ihren Onkel Richard als ihren Vorgesetzten akzeptieren. Auch Arthur schien das Ruder seiner Tochter in die Hand drücken zu wollen, jedenfalls ging ich davon aus, sonst würde er sie nicht unterweisen. Aber eines stand fest: Wenn ich mit meinen Vermutungen richtig lag, würde es sich Richard nicht gefallen lassen, wenn er übergangen und stattdessen Integra zum Oberhaupt ernannt werden würde. Ich hatte mich gerade in mein Zimmer zurück gezogen und wollte mich umziehen, als es sachte an der Tür klopfte. Ich erteilte der Person vor der Tür die Erlaubnis einzutreten. Es war Integra. „Entschuldige, wenn ich dich störe...“, begann sie unsicher und schloss die Tür hinter sich. „Kein Problem.“ Ich musterte sie und fragte mich, was sie hier wollte. Sie hatte mich bisher nur selten in meinem Zimmer aufgesucht. „Könntest du mir von deinem Meister erzählen?“, bat sie mich. Darum ging es also. Die Sache hatte sie beschäftigt und noch zur Ruhe kommen lassen. Ich hatte Sir Hellsing zwar versprochen niemandem von Alucard zu erzählen, aber solange ich nicht erwähnte, dass er für die Organisation gearbeitet hatte und wo er sich befand, dürfte ich doch sicherlich über ihn reden. „Was wollen Sie den wissen, junges Fräulein?“ Integra sah kurz zu Boden und meinte dann: „Du kannst mich ruhig duzen, Alex.“ Ich nickte. „In Ordnung. Also, was willst du denn über meinen Master wissen?“ „Nun...“, sie betrachtete kurz ihre Schuhspitzen, ehe sie den Kopf hob und mit ihren Fragen heraussprudelte: „Wie hast du ihn getroffen? Wie war er so? Warum hat er dich zum Vampir gemacht? Wie alt war er? Wie sah er aus?“ Ich grinste sie an. „Immer schön langsam. Eins nach dem Anderen.“ Ich überlegte kurz. „Getroffen habe ich ihn vor genau elf Jahren. Er war ein Vampir, der Vampire jagte, genau wie ich und als einige Vampire meine Familie überfiel, kam er mir zur Hilfe. Allerdings bin ich bei dem Vorfall so schwer verwundet worden, dass ich meinen Verletzungen erlegen wäre, wenn mein Meister mich nicht verwandelt hätte.“ Integra machte große Augen. „Er hat dich also gerettet?“ Ich nickte zustimmend. „Ich wünsche mir auch so einen Retter.“, seufzte sie und malte sich vermutlich unheimlich romantische Szenen aus. Als sie mit ihren Schwärmereien fertig war, schaute sie mich erwartungsvoll an. „Und wie alt war er und war er sehr stark?“ Ich musste kurz überlegen, sein genaues Alter hatte er mir nie genannt, aber ich glaubte sein Alter einmal aufgeschnappt zu haben. „Er war damals, soweit ich weiss, 544 Jahre alt.“ Integra´s Augen wurden so groß wie Suppenteller. „Woow.“, meinte sie gedehnt, scheinbar stark beeindruckt. Ich musste schmunzeln. Dann fuhr ich fort: „Und ja er war stark. Unglaublich stark. Ich glaube fast, dass es keinen stärkeren Vampir gibt, oder gegeben hat.“ Integra betrachtete mich nachdenklich. „Ob du auch einmal so stark wirst, wie dein Meister?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Das kann ich dir nicht sagen, aber es wäre möglich.“ Integra klatschte begeistert in die Hände. „Dann müssen sich die bösen Vampire in Acht nehmen.“ Ich musste lachen und als ich fertig war meinte ich: „Ich glaube das müssen sie jetzt schon, oder etwa nicht?“, fragte ich mit einem Augenzwinkern. Integra stimmte mir zu und entschuldigte sich noch einmal für die Störung, ehe sie mein Zimmer wieder verlies. Ich drehte der Tür den Rücken zu und seufzte. Langsam kleidete ich mich um. Ich hoffte ich hatte nicht zu viel erzählt. Aber es war nicht nur das. Ich hatte mich an so vieles erinnert und musste wieder feststellen wie sehr ich ihn vermisste. Irgendwie kam mir die Organisation schrecklich leer vor ohne hin, auch wenn es eigentlich genug zu tun gab und ich genügend Menschen um mich herum hatte. Wie es ihm wohl ging? Vielleicht war er aber bereits tot? Ich schüttelte den Kopf und verwarf den Gedanken sofort. Ich wusste, dass er bereits alle möglichen Dinge vom Enthaupten bis zum erschießen hinter sich und überlebt hatte, also würden ihm die wenigen Jahre, wenn man es aus seinem Blickwinkel betrachtete, im Verlies nichts ausmachen. So hoffte ich jedenfalls und wieder begann ich mich zu fragen, ob er jemals den Keller verlassen würde. Nur drei Jahre später würden meine Fragen beantwortet werden. Kapitel 8: Promises ------------------- Promises „Sie haben mich gerufen, Sir Hellsing?“ Ich stand vor einem großen Bett, in welchem Arthur Hellsing nun schon seit einigen Wochen lag. Blass lag er zwischen seinen Kissen und schaffte es kaum sich von selbst aufzurichten. Sein Zustand verschlechterte sich täglich und es schien keine Aussicht auf Besserung zu geben. Er begann zu lachen, wurde aber bald von einem Hustanfall unterbrochen. Als er sich beruhigt hatte sagte er schwach: „Wir kennen uns doch lange genug, Alex. Du könntest mich langsam beim Vornamen nennen.“ „Sie sollten nicht reden.“, erwiderte ich besorgt, „Schonen Sie Ihre Kräfte, Arthur.“ Kurz klomm das spitzbübische Lächeln auf, welches all die Jahre sein Gesicht geziert hatte. Dann wurde er wieder ernst. „Alex...“, begann er keuchend, „Du musst... mir versprechen in Zukunft auf die Organisation und besonders auf Integra acht zu geben... Wenn... ich nicht mehr da bin.“ „Hören Sie auf so schwarz zu sehen.“, tadelte ich ihn, „Sie werden wieder gesund, Arthur.“ Er schüttelte den Kopf. „Du musst nicht lügen. Die Ärzte sagen, ich werde dieses Bett nie mehr verlassen und das weist du auch.“ Ich ballte die Fäuste und biss auf meine Unterlippe. Es war unerträglich zu zu sehen, wie Arthur täglich schwächer wurde und dahin sichte und niemand konnte etwas dagegen unternehmen. „Hellsing und vor allem ihre Tochter braucht Sie.“, murmelte ich, „Sie ist erst dreizehn Jahre alt.“ Sir Helling´s Augen blickten in eine unbestimmte Ferne. „Ja.“, hauchte er, „Sie ist eine hübsche, junge Dame geworden. Genau wie ihre Mutter. Und genauso stark. Sie wird die Last tragen können.“ Diese Bemerkung lies mich aufhorchen, aber sie bestätigte was ich schon lange vermutet hatte. „Sie wollen Ihre Tochter also tatsächlich zum Oberhaupt der Familie und zur Leiterin der Organisation machen?“, fragte ich ihn. Er nickte schwach. „Ja.“ „Und was ist mit Ihrem Bruder?“, warf ich ein. „Richard wird das verstehen.“ Das bezweifelte ich zwar, aber ich wollte Arthur nicht noch mehr beunruhigen. Aber wenn Richard auf falsche Gedanken kam, würde ich da sein, um seine üblem Machenschaften aufzuhalten. „Weiss er es schon? Und was ist mit Integra?“ Er schüttelte den Kopf und schöpfte noch einmal Kraft um zu antworten: „Ich werde es ihnen heute sagen. Wärst du so nett Integra heute Nachmittag hier her zu bringen?“ Ich nickte. „Natürlich. Bis dahin sollten sie sich ausruhen.“ Er versuchte ein Grinsen. „Sieh mal einer an, willst du mir auch noch Befehle erteilen?“ „Man kann es ja mal versuchen.“, witzelte ich. Er gab sich geschlagen und nickte. „Na gut.“ Er schloss die Augen und war augenblicklich eingeschlafen. Sein Atem ging pfeifend, aber seine Brust hob und senkte sich regelmässig. Als ich mich versichert hatte, dass er ruhig schlief verlies ich den Raum. Neben der Tür entdeckte ich Integra, die auf dem Boden hockte, den Kopf auf die Knie gelegt. Sie sprang auf, als sie mich sah. „Wie geht es Vater?“, fragte sie sofort. Ich hob den Finger an die Lippen und bedeutete ihr leiser zu sein. „Es geht ihm gut.“, antwortete ich, „Er schläft gerade.“ Integra warf der Tür, hinter der sich ihr Vater befand, einen besorgten Blick zu. Sanft legte ich ihr eine Hand auf die Schulter und führte die den Flur hinab. „Du solltest dich auch etwas ausruhen, junges Fräulein.“ Sie hatte in den letzten Tagen kaum geschlafen und immer öfters hatte ich sie vor der Tür ihres Vaters erwischt, vor der sie oft stundenlang ausgeharrt hatte. Verständlich. Sie machte sich große Sorgen. Trotzig schüttelte Integra den Kopf. Ich stellte mich vor sie und ging etwas in die Knie, sodass ich auf einer Augenhöhe mit ihr war. „Wenigstens wenn dein Vater schläft, solltest du doch auch beruhigt schlafen können.“ Langsam erhob ich mich wieder und fügte hinzu: „Außerdem will er dich heute Nachmittag sprechen und du willst doch nicht, dass er sich Sorgen macht, weil du selbst ganz krank aussiehst, oder?“ Das zeigte Wirkung. Sofort schüttelte Integra den Kopf und blickte schuldbewusst drein. „Nein.“, antwortete sie geknickt. „Na also.“ Widerstandslos lies sich Integra nun in ihr Zimmer führen und ins Bett bringen. Gerade als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte und einige Schritte gegangen war, stand Richard vor mir. „Kann ich jetzt mit meinem Bruder sprechen?“, fragte er mürrisch. Ich schüttelte den Kopf. „Sir Hellsing schläft, aber er wünscht Sie später zu sehen.“ Ohne einen Abschiesgruß oder ähnliches wandte er sich ab und lief entrüstet murmelnd den Flur entlang. Er konnte es wohl kaum erwarten, dass Arthur starb. Wenn er wüsste, dass ihn dann nicht die erwünschte Leitung der Organisation erwartete. Aber in wenigen Stunden musste er den Tatsachen ins Auge sehen. Ich freute mich schon auf sein entgeistertes Gesicht und gönnte ihm die Enttäuschung, die ihn erwartete, aus vollstem Herzen. Blieb nur noch zu hoffen, dass er das Ganze gefasst trug, aber das war wohl eher Wunschdenken. Ich klopfte an die Tür, welche in Integra´s Zimmer führte. Es waren einige Stunden vergangen, sodass sowohl Arthur als auch Integra genug Zeit gehabt haben müssten um ausgeruht zu sein, sodass ich das Mädchen zu ihrem Vater begleiten konnte. Von drinnen ertönte ein gedämpftes: „Herein.“ Also trat ich ein und sah Integra mit wirrem Haar in ihrem Bett sitzen. Immerhin schien sie etwas geschlafen zu haben. „Dein Vater erwartet dich.“, sagte ich und Integra nickte. Sie stand auf, kleidete sich um und bürstete sich das Haar, während ich vor der Tür wartete. Schließlich war sie fertig und verlies ihr Zimmer. Ihre Augen waren geschwollen. Offenbar hatte sie sich in den Schlaf geweint. Sie schniefte leise, als wir uns auf den Weg zu ihrem Vater machten. Richard wartete bereits vor dessen Zimmer und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt. „Na endlich.“, blaffte er, als er mich und Integra erblickte. Ich entschuldigte mich höflich, obwohl ich ihm am liebsten die Meinung gegeigt hätte. Sein Bruder war totkrank und er hatte noch Nerven sich darüber zu beschweren. Geschwisterliebe, ehrlich. Behutsam klopfte ich an Arthur´s Tür und als dieser uns bat einzutreten kamen wir dieser Bitte nach. Unverändert kränklich und schwach lag er auf seinem Bett. Seine zitternde Hand winkte uns näher heran. Sein Blick schweifte ziellos durch den Raum, bis er an Integra hängen blieb. „Integra...“, murmelte er und versuchte seine Tochter mit der Hand zu erreichen. Integra ergriff die Hand ihres Vater. „Ich bin hier, Vater.“, flüsterte sie unter Tränen. Arthur´s Gesicht zierte ein schwaches Lächeln. „Nicht weinen.“, befahl er sanft und streichelte zärtlich ihre Hand. Dann sammelte er Kraft, um die Worte auszusprechen, die die Zukunft der Organisation bestimmen würde: „Hör zu, Integra, wenn ich nicht mehr bin wirst du die Leitung der Organisation übernehmen. Du sollst als meine Nachfolgerin fortan unser Land und die Gemeinschaft der Protestanten vor fremden Mächten schützen.“ Integra schniefte laut, nickte dann aber und antwortete: „Ja, Vater.“ „Ich hätte dir noch gerne so vieles vermittelt. Du trägst das Blut und den Stolz unserer Familie in die nächste Generation.“, fuhr er fort, „ Ich wollte ich hätte dir ein besserer Vater sein können.“ Dann streckte er seine Hand nach seinem Bruder aus: „Richard, versprich mir, dass du gut auf Integra aufpasst...“ „Ja ,Bruder.“, antwortete dieser, aber ich konnte die Lüge aus seinen Worten fast mit Händen greifen. Er wurde von einem erneuten Hustanfall geschüttelt, ehe er bat: „Könnte ich kurz alleine mit Integra sprechen?“ Ich nickte. „Natürlich.“ Zusammen mit Richard, der mit knirschenden Zähnen unverzüglich verschwand, verlies ich das Zimmer. Mühevoll richtete sich Sir Hellsing etwas im Bett auf. Sofort stürzte Integra zu ihm. „Vater! Du...“ Aber dieser unterbrach sie: „Integra hör mir jetzt genau zu... Bitte. Es ist wirklich wichtig.“ Das Mädchen sah seinen Vater besorgt an und nickte langsam. „Es gibt nur eines was ich dir hinterlassen kann, Integra.“, sagte er, mit aller Kraft, die er aufbringen konnte. „Wenn du wirklich in Gefahr bist... Wenn der Feind hinter dir her ist... geh in den unterirdischen Bereich.“ Er wurde von einem Hustenanfall geschüttelt und Integra wollte gerade den Mund öffnen, um Hilfe zu rufen, doch ihr Vater hielt sie zurück. Als er sich wieder gefasst hatte, fuhr er fort: „Geh runter zu dem verlassenen Kerker! Dort findest du ein Ergebnis unserer Forschung. Dort findest du etwas, das dir hilft dich zu schützen!“ Integra hatte den Worten ihres Vaters aufmerksam gelauscht und nickte erneut. „Aber ...“, begann sie ihre Frage, doch ihr Vater lächelte sie nur an. „Merke es dir, ja? Nur für den Fall der Fälle.“ „Ja, Vater.“, antwortete Integra gehorsam. Nur wenige Minuten später trat auch Integra auf den Flur hinaus und gesellte sich zu mir. Ich hatte die ganze Zeit über im Flur vor Arthur´s Zimmertür gewartet. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, die Beiden zu belauschen, doch um des Anstandes willen hatte ich es nicht getan. „Vater möchte dich noch einmal sprechen.“, flüsterte sie, den Blick auf den Boden gerichtet, um ihre Tränen zu verbergen. Ich nickte wortlos und betrat erneut Sir Hellsing´s Zimmer. Wieder bat er mich näher zu kommen. Seine Stimme schien mit jedem Mal schwächer und brüchiger zu werden. „Gib auch du gut Acht auf Integra, versprich mir das.“, wiederholte er seine Bitte vom Vormittag. Ich sah ihm fest in die Augen. „Ich verspreche es, Arthur.“ Er schien beruhigt und lies sich wieder auf seine Kissen sinken. „Dann... ist es gut.“, hauchte er und schloss die Augen. Arthur Hellsing verstarb am Abend desselben Tages. Er wurde im Kreise seiner Familie bestattet. Es wurden viele Tränen vergossen, besonders von seiner einzigen Tochter, die ihn nun beerben würde. Mit ihren dreizehn Jahren war sie die Leiterin der Hellsing Organisation geworden und sie war sich nicht sicher, ob sie diese Last auch würde tragen können. Doch nur wenige Tage später hatte sie ihre Trauer überwunden und ihre Tränen getrocknet. Walter stellte sie bei den anderen Round Table Mitgliedern als neues Oberhaupt vor und vor allem Sir Penwood konnte es kaum fassen. Integra gelang es jedoch schnell ihn von ihrer Autorität zu überzeugen. Sie hatte mir davon erzählt und ich wäre nur zu gerne dabei gewesen, um Sir Penwood´s entgeistertes Gesicht sehen zu können. So hatten sich schnell alle Beteiligten damit abgefunden und die Dinge liefen wieder in ihren geregelten Bahnen. Sogar Richard schien die Machtübertragung an seine Nichte akzeptiert zu haben. Doch dies stellte sich nach einer Woche als Irrtum heraus. Kapitel 9: Master of Monsters ----------------------------- Master of Monsters Es war die kalte Nacht des ersten Februars. Ich hatte gemütlich in meinem Zimmer im Keller gesessen und ein Buch gelesen, als mein Onkel aufgeregt in mein Zimmer gestürmt kam. Fragend sah ich auf. „Was gibt´s?“ Er musste erst einmal nach Luft schnappen, offenbar hatte er sich wirklich beeilt um hier her zu kommen. „Du musst sofort aufbrechen. Auf einem verlassenen Fabrikgelände treiben unzählige Ghouls ihr Unwesen.“, erklärte er ohne Umschweife, „Der Wagen steht schon bereit und natürlich begleiten dich die anderen Soldaten.“ Ich runzelte die Stirn. Das war wieder einmal der erste Auftrag seit langem. Eigentlich hätte ich mich über die willkommene Abwechslung freuen sollen, doch Arthur war erst seit einer Woche tot und ich wollte Integra ungern alleine lassen, jetzt da ihr Vater verstorben war, doch Walter überredete mich hektisch zum Aufbruch, sodass ich wenige Minuten später, in meine Uniform eingekleidet, auf der Pritsche im Wagen saß. Die Fahrt dauerte verhältnismäßig lange, sodass ich mich fragen musste, wo diese ehemalige Fabrik einmal gewesen sein musste. Kein Wunder, dass sie schließen mussten. Die Fahrt war lange und die Wege waren grauenvoll. Es wäre kein Wunder gewesen, wenn die Reifen des Wagens am Ende platt gewesen wären. Während der letzten Etappe der Fahrt wurden wir ordentlich durch gerüttelt, sodass alle Gespräche erstarben. Als das Gefährt zum Stehen kam, packten alle Anwesenden ihre Gewehre fester und sprangen aus dem Wagen. „Wir müssen besonders wachsam sein.“ Thomas sah jeden einzelnen ernst an. Ich übte mich in Zurückhaltung, was die Führung des Teams anging, schließlich war er der Dienstälteste und Truppenführer. „Wir wissen schließlich nicht was uns genau erwartet.“, fuhr er fort, „Uns wurde nur von einer unbekannten Anzahl von Ghouls berichtet, doch gewöhnlicherweise müsste sich dort auch ein Vampir finden, den es zu töten gilt, denn dann hat er Spuk ein Ende.“ Alle nickten grimmig. Ich legte die Stirn in Falten. „Was hast du, Mädchen?“, fragte Thomas und Simon grinste und stupste mich mit seinem Ellenbogen an. „Melden deine übernatürlichen Sinne etwas, oder was?“, scherzte er und ich schüttelte den Kopf. „Sie melden nichts und das macht mir Sorgen.“ „Wie meinst du das?“ „Wie du schon sagtest, würde man hier einen Vampir erwarten, doch ich spüre keinen. Nur ein Haufen Ghouls.“ Auch Thomas schien besorgt. „Merkwürdig. Aber vielleicht täuscht du dich ja...“, fügte er hinzu, mehr um sich Hoffnung zu machen, wie es mir schien, denn wenn man den Vampir tötete, der die Menschen zu Ghouls gemacht hatte, dann vernichtete man diese ebenfalls. Ich zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise.“, räumte ich ein, auch wenn ich selbst nicht daran glaubte. Normalerweise konnte ich mich auf meine übernatürlichen Vampirsinne verlassen. Aber es gab schließlich immer ein erstes Mal. Ghouls ohne einen Vampir in der Nähe gab es für gewöhnlich auch nicht. Doch statt darüber nach zu grübeln, war es vernünftiger erst einmal die Bedrohung zu dezimieren. Ich zückte mein Katana und die Männer nahmen ihre Waffen in Anschlag. Das Tor, welches den Eingang zum Fabrikgelände darstellte war längst verbogen und verrostet, sodass wir uns nicht die Mühe machen mussten, es zu öffnen. Kaum hatten wir das Gelände betreten, da hörten wir sie noch ehe wir sie sahen: Eine Horde Ghouls bewegte sich langsam auf uns zu. Ich schätzte ihre Zahl auf hunderte. Die Männer und ich nickten uns ernst zu, ehe wir begannen, die Ghouls systematisch mit gezielten Kopfschüssen und präzisen Schwerthieben nieder zu strecken. Nach wenigen Minuten hielt ich von der blutigen Tätigkeit inne und lies meine Klinge sinken, sodass der Ghoul, den ich damit durchbohrt hatte, zu Boden sackte und zu Staub wurde. „Was ist los?“ Samuel hatte sich zu mir umgedreht, als er bemerkt hatte, dass ich nicht mehr kämpfte. „Hört ihr das nicht?“, fragte ich die Männer, noch während ich versuchte die Quelle des unbekannten Geräusches ausfindig zu machen. Ohne ihre Kampfhandlungen zu unterbrechen schüttelten sie den Kopf. „Was denn?“, fragte Jim neugierig, doch ich antwortete nicht. Den Ursprung des Geräusches suchend, überquerte ich das Fabrikgelände. Die Ghouls, die sich mir in den Weg stellten, wischte ich mit einem beiläufigen Hieb meines Katanas zur Seite. Wie in Trance bewegten sich meine Füße beinahe wie von selbst, ganz so als würde ich von dem Klang, der mir fremd war und doch so vertraut schien, magisch angezogen. Nun war ich dem Ursprung ganz nahe. Ich war am Ende des Fabrikgeländes angekommen und stand nun vor der Mauer, die das Gebäude von dem dahinter liegenden Wald trennte. Ich steckte mein Katana in die Saya, machte einen Satz über die Mauer und landete im weichen Gras. Dann bemerkte ich vor mir die roten Blutspuren, die sich von dem grünen Gras abhoben und folgte ihnen. Ich musste nicht weit in den Wald hinein gehen. Unter einem der ersten Bäume sah ich es, oder viel mehr ihn: Ein grauer Wolf. Ich hielt inne und ging langsam in die Knie, um ihn nicht zu beunruhigen oder zu erschrecken. Was machte das Tier mitten in England? Doch dann erinnerte ich mich an einen Zeitungsartikel, den ich vor wenigen Tagen gelesen hatte. Die Schlagzeile war: Wolf aus Londoner Zoo entkommen. Das musste eben jener Wolf gewesen sein. Er knurrte mich an und ich machte eine beruhigende Geste mit meiner Hand. „Sssh. Du musst keine Angst vor mir haben.“ Erst jetzt bemerkte ich die zahlreichen Wunden, die seinen Körper zierten. Sein Fell war an vielen Stellen blutverschmiert und auch aus seinem Maul kam der rote Lebenssaft geflossen. Es sah nicht gut für ihn aus. Um ehrlich zu sein glaubte ich nicht, dass er diese Nacht überstehen würde. Hatten ihm die Ghouls das angetan, oder etwa Menschen? Ich schüttelte traurig den Kopf. Wundern würde es mich nicht. Menschen vernichteten das, wovor sie sich fürchteten, oder was sie nicht verstanden. Es war ein Jammer um ein solch wunderschönes Tier. Inzwischen hatte der Wolf den Kopf gehoben und sah mir direkt in die Augen. Mit seinen bernsteinfarbenen Augen schien er mich wie ein offenes Buch lesen zu können. Es schien mir, als fühlte er eine verwandte Seele und wir teilten eine seltsame Vertrautheit. Sein Blick wurde sanfter und das Knurren erstarb. Er lies mich gewähren, als ich mit meiner Hand sanft durch sein Fell fuhr. Traurig erwiderte ich seinen Blick und wir beide wussten, dass ihm nicht mehr zu helfen war. Alles was ich für ihn hätte tun können war, sein Leid zu lindern. Doch als ich meine Hand hob, um sie in sein Herz zu stoßen, bleckte er die Zähne und ich hielt inne. Immer wieder zog das Tier die Lefzen nach oben, ganz so als wolle er mir etwas damit sagen. Schließlich verstand ich. Tief sah ich in seine Augen, tastete nach seinem Bewusstsein und fragte ihn im Geiste, ob es wirklich das sei was er wolle. Die Antwort war eindeutig. Ich schloss die Augen und nickte langsam. Sanft streichelte ich dem Wolf noch einmal über das graue Fell, ehe ich über seine Augen strich, sodass sich seine Lider schlossen. Ich hob seinen Kopf an und dann biss ich in seine Kehle. Meine Zähne bohrten sich durch Fell und Fleisch. Sein Blut tröpfelte auf den Boden und aus meinem Mund. Dann legte ich meinen Mund über die offene Wunde und begann zu trinken. Als ich merkte, dass sein Herz aufgehört hatte zu schlagen, lies ich von dem leblosen Körper ab und wischte mir das Blut von meinem Mund. Erst jetzt bemerkte ich die Männer hinter mir. Verblüfft starrten sie mich an. Offenbar hatten sie sich Sorgen um mich gemacht, weil ich verschwunden war und hatten nach mir gesucht, statt den Auftrag zu beenden. Ich erhob mich und drehte mich zu ihnen um. „Alles in Ordnung, Mädchen?“, fragte Thomas und ich nickte. „Beenden wir diese Mission.“, meinte ich schlicht und die Soldaten nickten zustimmend. Offenbar hatten sie sich damit abgefunden, dass ich ein Vampir war und als solcher andere Dinge tat als sie selbst und waren sie noch so absonderlich. Nun ja, nur in Jim´s Gesicht konnte ich die Verwirrung ganz klar lesen und musste schmunzeln. Wäre ich an seiner Stelle, hätte ich mich auch gewundert. Die Horde Ghouls war bereits auf etwa die Hälfte dezimiert, aber immer noch eine Bedrohung für die Allgemeinheit, die es vollständig auszulöschen galt. Sieht aus, als hättet ihr ziemlichen Ärger am Hals, erklang da eine Stimme in meinem Kopf. Ich hob die Augenbrauen und grinste, als ich mental antwortete: Wir wissen uns durchaus gegen ein paar Ghouls zu wehren. Der Wolf schien zu lachen. Das glaube ich gerne, Draculina. Es wäre mir eine Freude dir dabei behilflich zu sein, diese Ungeheuer von der Welt zu tilgen. Ich nickte. Das habe ich mir bereits gedacht, als du dich von mir fressen liesest. Er grinste. Auch ein toter Wolf hat ein scharfes Gebiss, meinte er grimmig und mein Grinsen wurde breiter. Also dann los. Die schemenhaften Umrisse des Wolfes wurden zunehmend klarer und materialisierten sich vor mir. Er drehte den Kopf zu mir, schien mir zu zunicken, ehe er sich auf den nächstgelegenen Ghoul stürzte. Erstaunt sahen die Soldaten dem Wolf zu, wie er seinen Gegner niederriss und dessen Kehlen zerfetzte. „Da hast du dir ja einen interessanten Gefährten angelächelt, Mädchen.“, meinte Thomas grinsend, ehe er sich wieder den restlichen Ghouls zu wandte. Die Anderen lachten und Simon sagte: „Ein Vampir und ein Wolf. Ein nettes Gespann.“ Samuel fügte scherzhaft hinzu: „Mit diesen Bestien sollten wir uns besser nicht anlegen, Männer.“ Unerwarteterweise drehte sich der Wolf zu ihm um und knurrte wie zur Bestätigung. Mental gab er mir zu verstehen, dass er dies als Scherz gemeint hatte. Worauf wartest du noch, Partnerin?, fragte er mich, sein Maul zu einem wölfischen Grinsen verzogen. Ich zückte mein Katana und stürzte mich ebenfalls ins Getümmel. „Habt ihr sie gefunden?“ Wutschnaubend lief Richard durch die Flure der Hellsing-Organisation. „Nein, bedaure noch nicht.“, antwortete einer seiner vier Untergebenen. „Ihr müsst sie aufspüren! Unbedingt!“, herrschte Richard die Männern an, „Zwanzig Jahre! Zwanzig Jahre habe ich gewartet, dass der Kerl endlich stirbt! Und jetzt soll ich einfach zusehen wie diese Göre den Chefsessel einnimmt?! Nein! Bringt sie um!“ Aus dem inneren seiner Jackentasche holte er eine Pistole hervor und lud sie nach. Seine Männer taten es ihm gleich. „Findet sie und schickt sie zur Hölle!“, befahl er wütend, „Stopft ihr das Maul! Danach könnt ihr mit ihr machen was ihr wollt! Los!“, trieb er seine Untergebenen erneut zur Eile an. Die Männer nickten und gehorchten. Kaum waren sie außer Sichtweite murmelte Integra: „Vater ist erst eine Woche tot. Du benimmst dich wie ein Unmensch, Onkel Richard.“ Sie hatte in den Luftschächten des Gebäudes Zuflucht gesucht. Alex war überraschend zu einer Mission aufgebrochen und Walter war nirgends aufzufinden. Sie hatte sich an die Worte ihres Vaters erinnert: Wenn sie in Gefahr und der Feind hinter ihr her sei, sollte sie in die unterirdischen Bereiche gehen. Dort würde sie etwas finden, was sie schützen konnte. Entschlossen kroch sie weiter, bis sie vor der großen, schweren Tür, die zu den alten Kerkern führte angekommen war. Integra öffnete sie und schloss sie zugleich hinter sich. „Früher oder später werden sie mich auch hier finden...“, murmelte sie. Es war aussichtslos. Sie sank in sich zusammen, nur um in nächsten Moment vor Schreck hochzufahren. „Wa..?!“, rief sie ungläubig aus. An der gegenüberliegenden Wand saß eine in sich zusammen gesunkene Gestalt, doch sie stellte schnell fest, dass es sich hierbei um eine Leiche handelte. „Eine Leiche? Ist der tot?“ Sie trat noch etwas näher und sah ihre Vermutungen bestätigt. „Damit soll ich mich schützen, Vater? Mit dieser vertrockneten Leiche? Wenn das ein Witz war, dann ein ziemlich geschmackloser.“ Sie seufzte tief und beugte sich etwas zu dem vertrockneten Körper hinunter. „Ich weiss eh nicht mehr weiter. Darf ich mich zu ihnen gesellen, Herr Vorfahre?“ Natürlich antwortete die Leiche ihr nicht und Integra setzte sich links neben die Leiche. Verzweifelt zog sie die Knie an den Oberkörper. „Ich muss zugeben ich habe auf einen strahlenden Ritter in einer goldenen Rüstung gehofft, der mich vor den bösen Feinden schützt...“ Sie seufzte noch einmal tief. „Hier zwanzig Jahre lang eine vertrocknete Leiche liegen zu lassen... Was hast du dir dabei gedacht, Papa?“ Abermals erhielt sie keine Antwort. Die Leiche blieb stumm. Integra zog geräuschvoll die Nase hoch und Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Ich will nicht sterben.“, murmelte sie schniefend. In diesem Augenblick erklangen hektische Schritte und die Tür wurde aufgerissen. „Wir haben sie! Hier! Wir haben sie!“ Von den alarmierenden Schreien seiner Untergebenen, die seine Nichte entdeckt hatten, herbeigerufen, betrat Richard den Raum. „Du machst uns ja ganz schöne Scherereien, Integra.“ Langsam kam Richard näher. „So weit gehst du also um an die Spitze von Hellsing zu kommen?“, fragte Integra ihren Onkel. Verzweiflung und Wut schwangen in ihrer Stimme mit. Eine Faustschlag unterbrach sie und landete mitten auf ihrem Gesicht. „Das wäre ja noch schöner! Ich lasse nicht zu, dass eine Göre wie du mir Befehle gibt.“, meinte Richard geringschätzig. In der Zwischenzeit hatten seine Untergebenen die Leiche entdeckt. „Wer is´n das?“, fragte einer. „Keine Ahnung.“, antwortete ein anderer, „Der ist nicht dokumentiert.“ Er berührte das Gesicht des Toten. „Total vertrocknet.“, stellte er fest. „Der ist mausetot.“, stimmte ihm der andere zu. Richard richtete seine Waffe auf seine Nichte, entsicherte sie und schoss auf ihre linke Schulter. Blut spritzte aus der Wunde, bedeckte den Boden und das Gesicht der Leiche. „Und jetzt die Ohren. Das ist die Strafe dafür, dass du uns solche Umstände machst.“, knurrte Richard und machte sich bereit für den nächsten Schuss. „Glaub ja nicht, dass ich dich einfach so in Frieden dahinscheiden lasse, Integra.“ Ein schmatzendes Geräusch lies alle Anwesenden zusammen zucken. Die vermeintliche Leiche hatte sich erhoben und leckte Integra´s Blut von dem Steinfliesen. „Die Leiche lebt?“, fragte einer der Untergebenen ängstlich, „Richard-Sama?“ „Keine Ahnung.“, antwortete dieser perplex, „Mein Bruder hat mir nie von dem erzählt. Egal! Schickt ihn zur Hölle! Und Integra gleich mit!“, befahl er brüllend. Doch ehe seine Männer seinen Befehlen folge leisten konnten, riss der Untote dem ersten die obere Gesichtshälfte ab, hielt sie in die Höhe und fing das Blut mit seiner Zunge ab, um es begierig zu trinken. Dann wandte er sich den anderen Männern zu und tötete sie in Windeseile auf bestialische Weise. In seiner Verzweiflung packte Richard seine Pistole und schoss fünf mal auf den untoten Mann. „Du Wicht.“, knurrte er, seinen Blick auf Ricard gerichtet. Verächtlich lies er die Geschosse fallen, die er abgefangen hatte, bevor sie seinen Körper erreicht hatten. Stattdessen riss er Richards Finger der rechten Hand ab, sodass dieser vor Schmerz aufschrie. Dann kam der monströse Mann auf Integra zu, doch ehe sie ebenfalls zu töten, blieb er vor ihr stehen und verbeugte sich tief. „Bist du auch nicht verletzt, Sir Hellsing?“, fragte er, „Bitte um meine Befehle, Herrin.“ Er hob den Blick und grinste. Mit der gesunden Hand griff Richard nach der zu Boden gefallenen Waffe. „Hellsing gehört mir.“, presste er keuchend hervor, „Mir! Hellsing gehört mir!“ Er schoss, doch ehe die Kugeln Integra erreichen konnten, fing der Untote sie mit seinem linken Arm ab. „Dein Blut stinkt! Es stinkt ganz infernalisch! Du bist es nicht wert, mein Gebieter zu sein.“, knurrte er. Inzwischen hatte Integra eine Pistole vom Boden gehoben und zielte damit auf ihren Onkel. „Wie heißt du?“, fragte sie den Mann, der sie gerettet hatte, ohne Richard aus den Augen zu lassen. „Alucard.“, antwortete dieser, „Dein Vorgänger hat mich so genannt.“ Ein letzter Schuss ertönte, ehe die Stille der Nacht einkehrte. „Lady Integra!“, rief ich aus und lief im Schnellschritt durch den Flur. Ich war vor wenigen Augenblicken von meiner Mission zurück gekehrt und hatte sofort den Blutgeruch bemerkt, der über dem Anwesen schwebte. Glücklicherweise war sie nur leicht verletzt und lächelte mich an. „Ich bin in Ordnung.“ Ich atmete erleichtert aus. Als sie meinen Blick bemerkte, sagte sie nur: „Onkel Richard...“ Erst jetzt bemerkte ich den hochgewachsenen Mann hinter ihr und mein Herz setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus. „Master!“ Locker wie üblich grinste er mich an. „Lange nicht gesehen, Frischling.“, begrüßte er mich locker, so als sei er nur eine Nacht weg gewesen und nicht etwa dreizehn Jahre. Ich benötigte keine Erklärung um mir zusammen zu reimen, was geschehen war. Richard wollte seinen Anspruch auf die Organisation gültig machen und hatte Integra angegriffen. Diese war irgendwie in den Keller gelangt und hatte Alucard befreit, welcher sie offenbar schlussendlich gerettet hatte. Ehe ich etwas erwidern konnte, hörte ich Schritte, die sich hastig nährten und drehte mich alarmiert um. Doch es war nur mein Onkel. Völlig außer Atem kam er vor uns zum Stehen. „Was ist geschehen?“, fragte er, nachdem er die mitgenommene Integra entdeckt hatte. Diesmal war es an mir ihn aufzuklären. Walter nickte traurig und meinte beklommen: „Verzeihen Sie, Mylady, dass ich nicht zur Stelle gewesen war, um Sie mit meinem Leben zu verteidigen.“ „Ist schon gut, Walter.“, sagte Integra müde. Alucard grinste. „Mir scheint die junge Dame ist erschöpft und benötigt dringend Schlaf.“, meinte er und ich nickte zustimmen. Er hatte recht. Auch wenn sie jetzt die Leiterin der Organisation war und so weiter, dennoch war sie noch ein Mädchen, welches zudem einiges durchgemacht hatte. Also führte sich sie sanft in ihr Zimmer, sodass sie sich umkleiden und schlafen legen konnte. Danach ging ich in die Küche, um mir eine Blutkonserve aus dem Kühlschrank zu holen. Ich griff hinein und kaum hatte ich die Tür geschlossen, da stand Alucard neben mir. „Ich hoffe doch, du hast anstatt meiner die Stellung gehalten, Frischling?“, fragte er mit erhobener Augenbraue. Ich trat einen Schritt zurück, ehe ich mich ihm zu wandte. „Natürlich, Master.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er legte eine Hand auf mein Haupt. „Gut gemacht.“ Ich wurde etwas rot und war mir nicht sicher, ob ich mich freuen, oder ärgern sollte. „Es dämmert schon.“ Alucards Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Du solltest dich ebenfalls schlafen legen.“ Ich nickte. „Braves, Mädchen.“, sagte er, ehe er durch die Wand glitt und verschwand. Ich zog mich in meine fensterloses Zimmer zurück, schlürfte die Blutkonserve leer und legte mich schließlich in den Sarg, um zu schlafen. Kapitel 10: Dead Mine --------------------- Dead Mine Es war kurz nach Sonnenuntergang, als ich meinen Sarg und mein Zimmer verlies, um den Trainingsplatz aufzusuchen. Doch auf dem Weg dorthin, wurde ich von Thomas abgefangen wurde. „Spar dir den Weg, Mädchen.“, sagte er und bedeutete mir ihm zu folgen. „Eine neue Mission?“, fragte ich ihn und er nickte. Ein zufriedenes Grinsen teilte meine Lippen. Es gab keine bessere Medizin gegen Langeweile, als eine Mission, die in einen Kampf und in kleine Metzeleien ausartete. Perfekt. Den Weg in mein Zimmer konnte ich mir sparen, denn mein Katana hatte ich bereits bei mir, sodass es sofort los gehen konnte. Vor dem Anwesen wartete der Mannschaftstransporter, in welchem bereits die anderen Männer saßen. Sie zeigten sich erfreut über mein Erscheinen und begrüßten mich. Ich erwiderte die Freundlichkeiten, ehe ich mich auf meinen Sitz fallen lies. Thomas setzte sich neben mich. Ich sah ihn erwartungsvoll an, ehe ich fragte: „Auf was darf ich mich heute einstellen?“ Der alte Mann grinste, ehe er den Blick von seiner Waffe hob. „Nur nicht so ungeduldig, Mädchen. Das kostet dich eines Tages noch den Kopf.“ „Heh.“ Ich lächelte milde. „Ich habe eine Engelsgeduld. Ich darf mich doch noch über die bevorstehende Mission informieren oder? Informationen sind schließlich ein kostbares Gut und entscheiden zwischen Erfolg und Misserfolg.“ „Da hast du Recht, Mädchen.“, meinte Thomas lachend, ehe er sich etwas vor lehnte. „Also gut...“, begann er, „Ein paar Vampire haben sich in einem verlassenem Bergwerk breitgemacht und bereits das naheliegende Dorf komplett ausgelöscht. Außerdem verschwinden in der näheren Umgebung immer wieder junge Mädchen und keine von ihnen wird je wieder gesehen.“ Ich nickte. „Okay. Also setzen wir ihrem Treiben ein Ende.“ „Jawohl.“, stimmten die anderen Männer motiviert zu und hielten ihre Waffen in die Höhe. In genau diesem Augenblick setzte sich der Wagen in Bewegung und natürlich kam niemand umhin nicht zumindest, Jim zu belächeln, welcher beinahe zu Boden gestürzt wäre, hätte ihn Samuel nicht aufgefangen. „Also gut Männer... und Mädchen.“, fügte Thomas nach einem raschen Seitenblick auf mich hinzu. Wir waren mittlerweile in der Nähe der stillgelegten Mine angekommen und aus dem Wagen gesprungen. „Uns ist nur wenig über das oder die Zielobjekte bekannt. Es konnte sich um einen einzelnen Täter handeln, oder um mehrere. Aber letzteres ist wahrscheinlicher. Zudem ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir einigen Ghouls begegnen werden. Außerdem wird es nicht leicht den Feind aufzuspüren, da ihm, oder ihnen, nicht nur die umliegenden Wälder und Ländereien als Fluchtort dienen könnten, sondern auch das gesamte Bergwerk, welches sich einige Kilometer unter uns erstreckt.“ Sein ernster Blick ruhte auf jedem Einzelnen. Dann nickte er in die Richtung des alten Bergwerkes. „Ich muss euch wohl nicht sagen, dass da unten höchste Vorsicht geboten ist.“ Alle nickten und gaben zustimmendes Gemurmel von sich. „Gut.“ Thomas nickte zufrieden und überprüfte die Jagdlampe an seinem Gewehr. Die anderen Soldaten taten es ihm gleich. „Jim, Samuel und Simon, ihr bildet einen Trupp.“ Die Angesprochenen nickten. Dann sah er mich an. „Du, Mädchen gehst mit ihnen. Ich gehe mit Jack und Henry.“ Die beiden Männer traten an seine Seite. Gemeinsam betraten die Soldaten der Hellsing Organisation das Bergwerk und entzündeten gleichsam ihre Lampen. Mit Bedacht ging die gesamte Gruppe gemeinsam, bis sich der Stollen vor unseren Augen schließlich teilte. Damit hatten wir gerechnet. Wer wusste schon, wie oft sich die Wege erneut teilen würden? Thomas machte ein Fingerzeichen und bedeutete der Truppe um Samuel sie sollten die linke Abzweigung nehmen, ehe er sich selbst der mittleren zu wandte. Ich zögerte. Thomas bemerkte dies, drehte sich zu mir um und besah mich mit einem fragenden Blick. „Was ist, Mädchen?“ Ich deutete mit dem Kinn auf den rechten Weg. „Ich würde gerne den unter die Lupe nehmen.“ „Wenn dir das deine Vampirsinne sagen, dann gehen wir...“ Ich unterbrach ihn, indem ich den Kopf schüttelte. „Alleine.“ Der ältere Mann öffnete den Mund um zu widersprechen. „Das ist gefährlich, Mädchen, auch für dich. Du solltest nicht alleine gehen.“ Ich grinste schief. „Ich weiss. Aber so decken wir mehr Fläche ab und spüren die Übeltäter schneller auf und falls noch einige Menschen am Leben sein sollten, brauchen sie schnellst möglichst Hilfe. Außerdem...“ Ich berührte mit einer Hand den Griff meines Katanas, welcher noch in der Saya steckte. „Wäre ich euch damit nur im Wege.“ Lange sah mich Thomas an. Irgendwann nickte er. Vermutlich war er sich der Vorteile – und meines Dickkopfe´s – bewusst. „Also schön. Aber mir ist nicht wohl dabei.“, grummelte er schließlich. Die beiden Anderen schienen seine Ansicht zu teilen. „Pass auf dich auf, Mädchen, ja?“ Ich nickte. „Ihr auch.“ „Werden wir.“ Wir nickten uns noch einmal entschlossen zu, dann lief jeder im Schnellschritt los, hinein in die ungewisse Schwärze der Tunnel. Die Angelegenheit war was ganz anderes, als in einem dunklen Wald bei Mondschein zu jagen. Es gab hier keinerlei natürliches Licht, welches einem die Sicht erleichtert hätte. Nein. Alles war pechschwarz. Dank der vampirischen Nachtsicht war ich nicht gerade blind, aber silbernenes Mondlicht hätte einiges erleichtert. Ich wählte eine Geschwindigkeit, die mir ermöglichte mich möglichst schnell fortbewegen zu können, es mir aber gleichauf erlaubte langsam genug zu sein, um nichts zu übersehen, oder über einen der kleinen und größeren Gesteinsbrocken auf dem Boden zu fallen. Ich erwog kurz meine Schwingen auszufahren, um knapp über dem Boden schwebend die Suche fortzusetzen, allerdings verwarf ich den Gedanken recht schnell wieder. Aus vielerlei Gründen. Erstens hätte es meine Uniform in Mitleidenschaft gezogen. Das war unnötig. Schneller fortbewegen können, hätte ich mich auch kaum, ohne Gefahr zu laufen etwas zu übersehen. Das war es nicht wert, nur um nicht ständig über Steine zu stolpern. Außerdem war es so für mich leichter in Ernstfall mein Katana zu zücken. Der Gang hatte sich inzwischen einige Male vor mir geteilt und ich hatte, meiner Intuition folgend, jeweils eine andere Richtung angeschlagen. Kurz zweifelte ich daran, ob ich aus dem Bergwerk wieder herausfinden würde. Aber darum konnte ich mir später Gedanken machen. Als ich glaubte ein Geräusch wahr zu nehmen, hob ich den Blick. War das einer der Vampire? Oder vielleicht sogar ein Überlebender? Schiriki, mein wölfischer Hilfsgeist, welchen ich zur Rate hinzu gezogen hatte, hob ebenso wie ich die Nase in die Höhe und versuchte einen klaren Duft ausmachen zu können. Wart ihr schon einmal in einem Bergwerk? Nein? Abgesehen davon, dass alles dunkel und eng ist, ist es auch noch unglaublich stickig. Die Luft stand und roch auch dementsprechend, weshalb es nicht das aller Spaßigste war, eine Witterung aufzunehmen. Doch wir kamen überein, dass der Geräusch irgendwo rechts von uns seinen Ursprung gehabt haben musste, sodass ich Schiriki nickend entließ und los sprintete. Ich blieb neben einer alten Lore stehen und spähte den Gang entlang. Ich glaubte an diesem Ende ein Gewimmer hören zu können und kniff die Augen zusammen. War das eine Holztür, die da eingelassen war? Wenn ich mit meinen Vermutungen richtig lag, befand sich dahinter ein aus dem Fels geschlagener Raum, in welchem sich die Überlebenden befanden. Womöglich hatte der, oder die Vampire einige Mädchen dort eingesperrt, um seinen Durst von Zeit zu Zeit zu stillen. Als Konserve sozusagen, oder was er noch so gedachte mit ihnen zu tun. Ich verlangsamte meinen Schritt und meine Gedanken wanderten zu Thomas und den anderen. Ob sie bereits jemanden gestellt und eliminiert hatten? Schüsse hallten weit in diesen Tunneln, deshalb bezweifelte ich dies. Ich sah hinter mich, den Gang hinab, welchen ich zuvor entlang gerannt war. Es wäre schlau den anderen von meinem Fund zu berichten. Allerdings bemerkte ich schnell, dass die Funkverbindung der Funkgeräte in diesem Bergwerk abgebrochen war. Eigentlich nicht weiter erstaunlich. Mit einem Seufzer hängte ich das Gerät zurück an meinen Gürtel. Ehe ich einen weiteren Gedanken fassen konnte, hörte ich hinter mir Schritte knirschen. Ich fuhr herum, doch ehe ich etwas erkennen konnte, traf mich etwas Hartes brutal am Schädel. Ein stechender Schmerz breitete sich von der Stelle aus, wo mich der Gegenstand am Kopf erwischt hatte. Ich stürzte zu Boden. Schwindel erfasste mich und ich konnte erkennen, wie sich jemand über mich beugte. „Du kommst erst einmal mit uns, Süße.“, war das Letzte, was ich wahrnahm, ehe mich die dunkle Schwärze völlig gefangen nahm. Es dauerte ein Weile bis ich zu mir kam und noch länger, bis ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Mein Schädel brummte und ich hatte mein Zeitgefühl komplett verloren. Wie lange war ich ohne Bewusstsein gewesen? Waren es wenige Minuten gewesen oder doch mehrere Stunden? Ich hob den schmerzenden Kopf und sah mich um. Ich musste mich in dem Raum befinden, welchen ich zuvor ausgemacht hatte. Scheinbar hatte mich der Kerl, der mich niedergeschlagen hatte, hierher geschleift. Jedenfalls liesen der Sand und der Schmutz in meinem Haar daraus schließen. Ich konnte fünf Mädchen entdecken. Alle verdreckt, verängstigt und ebenfalls mit Handschellen gefesselt. Dann wanderte mein Blick zu der Stelle, wo ich für gewöhnlich mein Katana trug. Es war verschwunden. Als sich die schwere Holztür öffnete, wichen die Mädchen wimmernd zurück und eine hoch gewachsene Gestalt trat ein. Das musste der Kerl sein, der sie alle hier eingesperrt hatte und an seiner Seite baumelte tatsächlich mein Katana. Ich fixierte den Kerl und musste überrascht blinzeln. Das war ein Mensch. Ein völlig gewöhnlicher Mensch stand vor mir. „Bitte schön, die Damen. Wir wollen ja nicht, dass ihr verhungert.“, sagte er mit einem schmierigen Lächeln und verteilte Schüsseln mit einer widerlich riechenden Brühe an die Mädchen, die begierig, trotz ihrer Furcht, begannen den Fraß in sich hinein zu stopfen. Zuletzt blieb er vor mir stehen, ging in die Hocke und beugte sich somit zu mir herab. „Hier.“ Er hielt mir ebenfalls eine Schüssel vor. Ich erwiderte seinen Blick trotzig. Der Mann zuckte mit den Schultern und erhob sich wieder, ehe er das Wort an alle Gefangenen richtete: „Heute werden uns die werten Herrschaften besuchen und mit etwas Glück wird eine von euch die Ehre haben, von ihnen ausgewählt zu werden. Also esst schön auf.“ Ich wurde hellhörig. Der Kerl mochte zwar ein Mensch sein, aber vielleicht waren die erwähnten „Herrschaften“ die Vampire, nach denen wir suchten. Mein Blick wanderte zu meinen Fesseln hinab und ich beschloss erst einmal die Füße still zu halten. Ich machte es mir so gut es möglich war, an der Felswand bequem und schloss die Augen, nachdem der Kerl den Raum verlassen hatte. Als sich die Holztür erneut knarzend öffnete, öffnete ich ein Auge, um die Neuankömmlinge näher in Augenschein zu nehmen. Dieses mal war der Kerl in Begleitung von drei anderen Männern. Und, Volltreffer, es waren tatsächlich Vampire. Nacheinander wurden die gefangenen Mädchen in Augenschein genommen. Einer der Vampir griff das Kinn eines Mädchens und bewegte den Kopf auf alle Seiten und sog geräuschvoll die Luft ein. „Nicht schlecht.“, meinte einer anerkennend zu dem Kerl. Dieser deutete eine Verbeugung an. „Besten Dank.“ So war das also. Er kooperierte tatsächlich mit den Blutsaugern. Er fing für sie frische Beute und sie.... Wer wusste schon, was er bekam. Geld? Versprechungen, dass sie ihn unsterblich machten? Ich konnte mich des Gedanken nicht verwehren, dass die Vampire ziemlich faul sein mussten, wenn sie sich nicht mal die Mühe machten zu jagen. Nein. Sie liesen sich die Beute auf dem Silbertablett präsentieren, wie es so schön hieß. Als das Quartett zu mir trat, befand ich, dass nun die Zeit gekommen war, um zu Handeln. Mit einem Ruck sprang ich auf und mit einer beiläufigen Bewegung zerriss ich die Handschellen. Die Kerle, insbesondere der Mensch, zuckten zurück. Doch weit lies ich sie nicht kommen. Ehe sie richtig reagieren konnte, jagte ich dem ersten Vampir meine Hand durchs Herz. Die anderen Zwei hatten dadurch etwas Zeit gewonnen, um ihre Gesichtszüge wieder in den Griff zu kriegen und sie gingen ebenfalls in Angriffsstellung. Ich duckte mich unter dem Schlag des einen weg und rammte ihm meinen Ellenbogen in den Rücken, sodass dieser keuchend zu Boden ging. Der Schlag des Dritten erstarb kraftlos in der Luft, als ich auch sein Herz durchstieß. Ich widmete mich schließlich dem Vampir, der immer noch versuchte, sich vom Boden zu erheben. Ein kräftiger Stiefeltritt brachte seinen Schädel zum zerbersten. Der Mensch hatte sich während des Kampfes ängstlich gegen die Wand gedrückt und sah mich voller Furcht an, als ich auf ihn zu kam. „Bitte. Tu mir nichts.“, bettelte er und ich konnte sehen, dass er am ganzen Körper zitterte. Er rutschte zu Boden und begann auf Knien um sein Leben zu winseln. Grob packte ich ihn an der Kehle und hob ihn in die Höhe, sodass er mit mir auf einer Augenhöhe war, als ich ihn an funkelte. Meine linke Faust ballte sich knirschend, doch ehe diese sein Gesicht erreichte hielt ich inne. Unsanft lies ich den Unglückseligen zu Boden fallen, nachdem ich ihm mein Katana abgenommen hatte. „Hau ab!“, fuhr ich ihn an und gab ein Knurren von mir. „Verpiss dich!“ Mit diesen Worten wandte ich mich von ihm ab und machte mich daran die Mädchen zu befreien. „Mädchen, ist alles in Ordnung?“ Thomas kam mir entgegen, als ich blinzelnd in die kalte Nachtluft hinaus trat. Endlich wieder frische Luft. Genüsslich sog ich die kühle, frische Luft in meine Lungen und atmete langsam wieder aus, ehe ich auf Thomas besorgte Frage hin nickte. Die anderen mussten ihre Suche unterbrochen oder abgeschlossen haben, dachte ich bei mir, sonst wären sie noch im Stollen. Ich deutete mit dem Kinn auf die fünf Mädchen vor mir. „Sie könnten Hilfe gebrauchen.“ Der ältere Mann nickte und auch er widmete sich einer der verängstigten jungen Frauen, um sie zu beruhigen, wie es seine Männer bereits taten. Ihnen wurden die wärmenden Jacken der Soldaten und eine Heimfahrt angeboten. Wir blieben zurück, als der Mannschaftswagen zunächst einmal die Mädchen in ein naheliegendes Krankenhaus brachte, damit man sich dort um sie kümmern konnte. Ich nutzte die Zeit, um den Anderen zu erzählen, was sich dort unten zugetragen hatte. Thomas nickte langsam, als ich meine Geschichte beendete. Ich war mir sicher in diesem Augenblick ging jedem der Soldaten etwas ähnliches durch den Kopf, wie mir: Nicht nur Monster waren zu grausamen Taten fähig. Auch, und manchmal besonders, Menschen konnten zu grausamen Monstern werden. Kapitel 11: Vampire Hunter -------------------------- Vampire Hunter Es vergingen zehn ziemlich unspektakuläre Jahre, in denen es kaum bis keine Aufträge gab. Unter anderen Umständen hatte man sich darüber freuen können, da es bedeute, dass kaum hirnlose Ghouls und absolut minderbemittelte Vampire durch die Gegend streiften und unschuldige Menschen töteten, doch es langweilte mich. Wäre dieser Witz nicht völlig flach, würde ich sagen: Ich hätte mich fast zu Tode gelangweilt, aber im Jahre 1999 ereignete sich schließlich doch etwas. Ich saß gerade in meinem Zimmer und polierte aus reiner Langeweile und aufgrund von Ästhetik mein Katana. Irgendwann befand ich es dann für sauber genug. Vermutlich hätte ich etwas von dem Stahl abgeschmirgelt, wenn ich weiter gemacht hätte. Also beschloss ich mir eine weitere Blutkonserve zu genehmigen. Auf dem Weg zum Kühlschrank, hörte ich wie jemand am Telefon angeregt mit Integra diskutierte. Es schien, als hätte die Organisation wieder einen neuen Fall. Auch meinem Master schien das aufgefallen zu sein, denn er tauchte in diesem Augenblick neben mir auf. Integras Stimme drang durch die Holztür: „Nun kommt schon rein.“ Ich schätze, sie kannte uns inzwischen allzu gut. Also leisteten wir ihrem Befehl folge und kam es, dass Alucard, Walter und ich Integras Worten lauschten. Die Situation war wie folgt: Ein Vampir hatte sich in einem Dorf namens Cheddars im Norden Englands eingenistet und sich als Priester ausgegeben. Er hatte bereits das gesamte Dorf in seine Gewalt gebracht, sämtliche Bewohner in Ghouls verwandelt und auch die Polizeikräfte schienen ihm nicht gewachsen, weshalb man die Hellsing-Organisation verständigt hatte. Dann drehte sich die Leiterin der Organisation zu uns um. „Alucard.“ „Ja, meine Herrin?“ „Du wirst dich des Problems annehmen.“ „Mit Vergnügen.“ „Ich werde mit den dortigen Einsatzkräften sprechen. Alexandra, du wirst hier bleiben und auf alles Acht geben.“ Ich konnte meine Enttäuschung kaum verbergen. Also durfte ich scheinbar herumsitzen, auf Alucards Rückkehr warten und ein Gebäude bewachen, welches ohnehin niemand stürmen würde. Ehe mein Master aus dem Raum verschwand, tätschelte er meinen Kopf und meinte grinsend: „Keine Sorge, Frischling. Beim nächsten Mal hast du sicher auch deinen Spaß.“ Na hoffentlich. Zehn Jahre Pause hatten nämlich eindeutig genügt, um Energie, Kraft und Frustrationen, um nicht zu sagen Aggressionen, anzustauen. Also lies ich mich enttäuscht auf einen Stuhl fallen und wartete. Verzweifelt rannte die junge Polizistin durch die Nacht. Unheimliche Kreaturen stellten sich ihr in den Weg. Egal wie oft sie auf diese schoss, sie starben nicht. Dies war kein gewöhnlicher Fall, dies war der Polizistin schnell klar geworden, als der Hauptverdächtige angefangen hatte, ihre Kollegen zu beißen, welche sich dann in diese finsteren Wesen verwandelten, die sie nun verfolgten. Ihr Anführer war der finstere Priester. „Lauf nur! Es nützt dir nichts!“, sagte dieser hämisch lachend. Die Polizistin legte ihre Pistole an und begann auf die Gestalten zu schießen. Mit übermenschlicher Geschwindigkeit wich der Priester den Geschossen aus und stand vor der jungen Frau. „Vergiss deine Pistole. Durch Kugeln stirbt ein Vampir nicht.“ Die Polizistin zuckte erschrocken zusammen. Ein Vampir? Die Wesen, die einst ihre Kameraden gewesen waren, nährten sich grunzend. „Deine Kollegen gehören alle mir! Und du bald auch!“, meinte der Vampir und lachte triumphierend. Dann packte er die Polizistin grob am Kragen. „Ich will nur treue Sklaven. Ich will keine Draculina, die einen eigenen Willen hat. Heutzutage gibt es eh keine Jungfrauen in deinem Alter mehr. Ich schände dich, dann mach ich dich zu meiner Sklavin. Du wirst eine meiner Ghouls!“ Der verzweifelte Schrei der jungen Frau zerschnitt die Stille der Nacht. „Hey du.“, erklang eine unbekannte Stimme, „Finger weg von der Lady.“ Ein großgewachsener Mann in einem roten Mantel und mit schwarzen Haaren war hinter dem Vampirpriester aufgetaucht. Dieser drehte sich irritiert um. „Die jungen Vampire von heute sind ja so was von vulgär.“, meinte der Neuankömmling, enttäuscht, „Hast du keine Moral? Widerlich! Du bist wie der letzte Penner auf der Straße.“ Der Vampir lies sich nicht beeindrucken, glaubte er doch vor sich ein leichtes Opfer zu haben. „Was bist du für einer, hä?“, fragte er geringschätzig, „Ein Provinzler, der sich verlaufen hat?“ „Mein Name ist Alucard.“, antwortete der andere gelassen, „Ich bin ein Agent der Hellsing-Spezial-Organisation und für die Abfallbeseitigung zuständig. Ein Killer.“ Der Priester lachte schallend. „Ein Killer? Echt? Du hast sie wohl nicht alle. Macht ihn alle.“, befahl er seinen Ghouls und schnippte mit dem Finger. Augenblicklich donnerte ein Kugelhagel auf Alucard nieder und durchbohrte dessen Körper vollständig, bis dieser zu Boden fiel. „Das wars dann wohl, Killer.“, höhnte der Vampirpriester und brach erneut in schallendes Gelächter aus. Zu seinem Erstaunen begann der vermeintlich Tote ebenfalls zu lachen, stand wieder auf und seine Schusswunden heilten fast augenblicklich. „Vergiss es.“, zischte der Schwarzhaarige, „Normale Knarren kannst du vergessen.“ Dann zog er aus den Tiefen seines roten Mantels eine silberne Pistole hervor, legte an und erschoss die gesamte Horde Ghouls. „Was soll das denn? Warum?“, fragte der Priester verzweifelt, „Warum kämpfst du auf der Seite der Menschen?“ „Ihr kleinen Drecksvampire geht mir tierisch auf die Nerven!“, meinte Alucard, während er seine Waffe nachlud, „Ihr führt euch hier auf... Denkt ihr, ihr könnt einfach tun was ihr wollt? Das ist doch kein Spiel! Ihr habt bald die ganze Menschheit ausgerottet. Nur bleibt euch dann nichts mehr übrig, ihr hirnlosen Kretins! Ich habe jedenfalls genügend Gründe, mich nicht gegen die Menschen aufzulehnen.“ Er nahm eine Patrone seiner silbernen Pistole zwischen die spitzen Vampirzähne. „Das ist eine Ranchester. 13 Millimeter und die Munition wurde geweiht am Silberkreuz in der grossen Kathedrale. Und jeder Freak, der die abkriegt, wird seiner Lebens nicht mehr froh. Stirb!“ In seiner Verzweiflung packte der Priester die junge Polizistin und hielt sie als menschliches Schutzschild vor sich. „Keine Bewegung, Killer! Mir reichts nämlich! Du willst nicht, dass dieser Mensch stirbt, oder?! Ich will ja nur, dass du mich laufen lässt, sonst nichts! Drück noch mal ein Auge zu und wir vergessen die Sache.” Alucard kniff die Augen zusammen. Er dachte gar nicht daran, den Priester am Leben zu lassen. „Du, Mädchen. Bist du noch Jungfrau?“, fragte er die Polizistin, welche gleichsam mit dem Priester irritiert zusammen zuckte. „Was erlaubst du dir?“, zeterte der Priester. „Ich hab dich was gefragt. Antworte!“, sagte Alucard eindringlich. „Wa...Kerl! Wie kannst du es wagen!“, schrie der andere Vampir. „Antworte!“, wiederholte Alucard laut. „Ja!“, antwortete das Mädchen klar vernehmlich. Alucard zögerte keine Sekunde. Er schoss dem Mädchen durch die Lunge, um den Priester zu treffen. Dann holte er mit seiner rechten Hand aus und bohrte sie dem Vampir mitten ins Herz. Dieser zerfiel daraufhin augenblicklich zu Staub. Alucard ging zu der Polizistin, die schwer atmend und sterbend im Gras lag. „Um ihn zu töten, musste ich dir in die Lunge schießen. Sorry, aber du bist schwer verwundet und hast nicht mehr lange zu leben.“ Er sah auf das Mädchen hinab und grinste. „Was willst du machen?“ Alucard trug die junge Frau auf den Armen zurück zum Besprechungszelt der Spezialeinheiten. „Na, Alucard?“, fragte Integra den domestizierten Vampir, „Warst du erfolgreich?“ „Der Vampir ist hin. Keine Überlebenden.“, berichtete dieser knapp. Integra runzelte die Stirn und betrachtete das Mädchen. „Hm? Und die junge Frau da?“ „Das ist doch eine überlebende Polizistin?“, meinte ein anderer Polizist fragend. Die junge Frau öffnete den Mund und entblößte dabei ein Paar spitzer Reißzähne. „Ich glaube ich bin tot. Entschuldigung.“ Integra riss erstaunt die Augen auf und die anwesenden Männer schrien erschrocken auf. „Was hast du gemacht, Alucard?“, fuhr Integra diesen an. „Es ging nicht anders.“, antwortete dieser. „Entschuldigung.“, kam es fortwährend von der jungen Draculina. „Plus, minus Null oder was?“ Ungeduldig trommelte ich mit meinen Fingern auf die Tischplatte. „Sie werden sicher bald zurück sein.“, versuchte mich Walter zu beruhigen. Ich setzte mich auf. „Schließlich handelt es sich nur um einen Vampir. Alucard dürfte diesen Auftrag schnell ausgeführt haben.“, fuhr mein Onkel fort. Ich nickte gedankenverloren. Mein Kopf wirbelte herum, als ich das Geräusch der Eingangspforte vernahm, welche sich öffnete und dann wieder schloss. Im Flur sah ich Alucard, welcher scheinbar ein Mädchen, oder vielmehr eine junge Frau auf den Armen in den Keller trug. Lady Integra betrat den Raum und lies sich von Walter eine Zigarre bringen und anzünden. Sie nahm einige stärke Züge und atmete tief durch. Dann erst schien sie meinen erwartungsvollen Blick zu bemerken und sie wandte sich mir zu. „Alucard hat bei dem Vorfall eine Polizistin verwandeln müssen.“, erklärte sie knapp. Ich zog erstaunt meine Augenbrauen hoch und blickte in die Richtung, in die mein Master verschwunden war. Ich unterdrückte den Drang aufzustehen, hinterher zu gehen und das Mädchen mit Fragen zu löchern. Aber ich konnte mir genau vorstellen, wie erschöpft sie war. Zudem war das Ganze völlig neu für sie, weshalb sie etwas Zeit brauchen würde, um das Geschehene zu begreifen und verarbeiten. Mit einem lauten Seufzer lies sich Integra auf den Stuhl mir gegenüber fallen und rauchte ihre Zigarre zu Ende. Vielleicht hätte ihr irgendwann einmal sagen sollen, dass ich den Geruch des Rauches nicht ausstehen konnte, aber hey, sie war der Boss. Walter servierte ihr einen dampfenden Tee, welchen sie sich nach der Zigarre genehmigte. Auch ich schnappte mir noch eine Blutkonserve, schon allein um meine Konzentration auf etwas anderes zu lenken. Ich lies einen Tag verstreichen, ehe ich das Mädchen in seinem Zimmer aufsuchte. Höflich klopfte ich an und wartete auf die Erlaubnis eintreten zu dürfen. Als das Mädchen mir ihre himmelblauen Augen zuwandte, lächelte ich freundlich. „Mein Name ist Alexandra. Du darfst mich gerne Alex nennen.“, stellte ich mich vor und befand, dass meine Uniform den Rest erklärte. Die Blonde erwiderte mein Lächeln und erwiderte: „Mein Name ist Seras.“ Sie schien kurz zu überlegen und fragte dann: „Bist du... etwa auch...“ Ich konnte mir denken woran sie dachte und nickte. Zum Beweis lies ich meine Augen flüchtig rot aufleuchten. Das Mädchen schien erleichtert, aber auch etwas abgeschreckt zu sein. Scheinbar war ihr die ganze Geschichte mit Vampiren, Ghouls und Werwölfen noch nicht geheuer. Zugegeben ist das vermutlich etwas zu viel für einen Menschen, der sein ganzes Leben nichts davon wusste und annahm diese Wesen stammen nur aus alten Geschichten. Ich nutzte die Gelegenheit, um das Mädchen genauer zu betrachten. Sie hatte kurzes, blondes Haar, strahlend blaue Augen und eine von der Uniform zur Geltung gebrachte, nicht zu übersehende Oberweite. Als die Stille begann unangenehm zu werden, nickte ich Seras zu und meinte: „Falls etwas ist, kannst du dich gerne an mich wenden.“ Sie strahlte mich dankbar an und lächelte. „Danke.“ Ich grinste schief und verlies das Zimmer. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, stand Walter vor mir. „Ah. Alexandra. Wie ich sehe, hast du Miss Seras schon kennen gelernt.“, stellte er fest. Ich nickte und gerade als ich mich zu fragen begann, ob er nur deshalb nach mir gesucht hatte, sah mir mein Onkel ernst ins Gesicht und fragte: „Hast du heute schon etwas zu dir genommen?“ Gleich einem Oberlehrer hob er streng seinen Zeigefinger. „Auch wenn du ein Vampir bist, musst du auf deine Ernährung achten.“ Ich seufzte innerlich auf und antwortete: „Keine Sorge. Ich bin gerade auf dem Weg um mir etwas zu holen.“ Er schien zufrieden, kramte aber dann etwas aus seiner Hosentasche. Es war eine weißes Pillendöschen mit bunten Tabletten und Pillen. „Du solltest dich gesund ernähren. Nur Blut gibt dir sicher nicht alle Vitamine, die dein Körper benötigt. Keine Sorge, die sind gut löslich.“, fügte er hinzu und schüttelte die Dose, ehe er sie mir überreichte. „Du musst die weiße, die gelbe und die blaue dreimal täglich nehmen. Von der Kapsel brauchst du nur eine pro Tag, verstanden?“ Ich blinzelte kurz, lies das weiße Döschen in der Brusttasche meiner Uniform verschwinden und antwortete: „Hab ich.“ Das hatte ihm wohl genügt und er nickte abermals zufrieden. Schnell machte ich auf dem Absatz kehrt, ehe er von mir verlangte eines der Dinger vor seinen Augen zu schlucken. „Denk dran. Drei Mal täglich.“, rief er mir noch hinterher. Ich hatte auf dem Dach des Gebäudes Zuflucht gesucht und schlürfte meine Blutkonserve, während ich den Vollmond betrachtete. Keine Wolke verdeckte den Nachthimmel und verschleierte die Sicht auf die leuchtenden Himmelskörper. Das Geräusch von einer Reihe abgefeuerten Schüssen lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Unter mir, auf dem Schiessübungsplatz der Organisation, sah ich Seras, welche mit einem Gewehr auf die aufgereihten Pappkameraden schoss und beurteilte ihre Zielgenauigkeit. Sie hatte die Pappkameraden zwar getroffen, aber keine Stellen an denen ein Vampir oder Ghoul lebensnotwendigen Organe gehabt hätte, wie das Herz oder Gehirn. Man merkte ihr an, dass sie Erfahrung mit dem Umgang mit Waffen hatte, allerdings musste sie scheinbar noch die Tatsache akzeptieren, dass sie kein Mensch mehr war. Ich sprang zu Boden und nährte mich dem Mädchen. Sie hatte mich wohl nicht kommen hören, denn sie zuckte etwas zusammen, als ich sie begrüßte und anmerkte: „Nicht schlecht, Seras.“. „Ach Alex... Du bist es.“, stellte sie erleichtert fest. „Ähm, danke.“ Ich war noch nicht fertig. „Allerdings solltest du bedenken, dass unsere Gegner Vampire und Ghouls sind und keine gewöhnlichen Menschen. Du musst den Kopf oder das Herz treffen, sonst sterben sie nicht.“ Seras nickte langsam, sah kurz zu Boden, ehe sie erneut anlegte und feuerte. Diesmal hatte sie sich Ziele ausgewählt, welche in weiterer Entfernung standen. Allerdings trafen nur zwei von fünf Schüssen überhaupt den aufgezeichneten Körper. Ich runzelte unmerklich die Stirn und streckte meine rechte Hand fordernd aus. „Lass mich erklären.“ Sie überreichte mir das Gewehr und ich legte an. „Wie schon erwähnt, musst du lebensnotwendige Stellen treffen. Sprich: „Blas ihnen das Hirn aus dem Schädel, oder schies in ihr Herz.“, erklärte ich und platzierte einige Schüsse an den genannten Stellen und gab Seras die Waffe zurück, welche sie augenblicklich anlegte und damit auf die Pappkameraden schoss. Unerwartet tauchte Alucard neben uns auf. „Gut gemacht, Frischling.“ Er wandte sich an Seras und sagte streng: „Nein nicht so. Gewöhn dir alles ab, was du als Mensch getan hast.“ Das Mädchen schien nicht zu verstehen, worauf er hinaus wollte. Also fuhr er fort: „Schiess so, als ob du ein drittes Auge auf der Stirn hättest. Wenn du wie ein Mensch schiesst, kannst du nur so gut wie ein Mensch treffen.“ Daraufhin zog er seine Pistole aus dem Mantelinneren und zielte. Im Blick hatte er einen ein Kilometer entfernten Pappkameraden. „Das Ziel ist nicht sichtbar.“, meinte Seras unsicher. „Doch, da ist es.“, meinte Alucard entschlossen und entsicherte die Waffe. „Einen Kilometer entfernt.“ Er drückte ab und traf wie erwartet genau ins Schwarze. „Oooh...“, machte Seras beeindruckt. „Treffer.“ Alucard erwiderte nichts und schüttelte nur kaum merklich den Kopf. Scheinbar war er enttäuscht, denn er schien von dem Neuzugang mehr erwartet zu haben. Seras schien ihm seine Enttäuschung anzumerken und lies den Kopf hängen. Ich lächelte aufmunternd und wandte mich zum gehen. „Du wirst es schon noch lernen.“, sagte ich und hob die Hand zum Abschied. „Die Sonne wird bald aufgehen. Du solltest besser auf dein Zimmer gehen, Fräulein Polizistin.“, riet Alucard der Blonden. „Ja, Master.“, antwortete sie ergeben und machte sich ebenfalls auf den Weg in das Innere des steinernen Gebäudes. Ich begleitete Seras in den Raum, in welchem sie das Gewehr in den dafür vorgesehenen Schrank räumte. Wir machten uns auf den Weg in unsere Zimmer und nachdem ich sie mit einem kurzen Seitenblick bedacht hatte, fragte ich: „Hast du überhaupt schon etwas getrunken?“ Soweit ich wusste hatte sie noch keinen Sarg, würde sich also kaum im Schaf erholen können, also wäre es ihr geraten wenigstens Blut zu trinken. Sie lies den Kopf sinken. „Nein.“ Ich bemerkte, dass mehr dahinter stecken musste, als ihre Unfähigkeit den Kühlschrank zu finden. „Ich habe das Gefühl...“, begann sie ohne mein weiteres Zutun, „Wenn ich... das tun würde, würde irgendetwas in mir für immer zu Ende gehen.“ Sie hob den Blick und sah mir direkt in die Augen. „Gewöhnt man sich jemals daran?“, fragte sie. Ich schaute wieder nach vorne und antwortete: „Also... Ich für meinen Teil hatte damit keine Probleme, aber ich bin mir sicher, dass du dich daran gewöhnen wirst.“ Seras schien daran zu zweifeln, nickte aber schwach. Um sie etwas aufzumuntern fügte ich grinsend hinzu: „Hat ja schließlich niemand von der verlangt, einen ganzen Menschen aufzufressen. Die Blutkonserven sind unbedenklich. Niemand wurde dafür getötet oder ernstlich verletzt.“ „Ich weiss...“, murmelte sie nur. Kein Wunder, dass sich nicht nur unser Master begann zu fragen, warum sie ein Leben in der Nacht gewählt hatte. Nun gut, es ist ihr nicht zu verdenken, schließlich war sie dabei gewesen zu sterben und ihre Antwort war möglicherweise eine Kurzschlussreaktion gewesen. Aber Geduld. Sie zählte gerade erst zwei Tage zu den Kreaturen der Nacht. Was noch nicht war, konnte ja noch werden. Eigentlich sollte man ihr für ihren Mut weiterzuleben gratulieren, oder sie hatte einfach zu große Angst vor dem Tod gehabt. Aber vermutlich hatte sie einen starken Willen und wollte deshalb nicht aufgeben, wie es bei mir der Fall war, denn unser Meister würde niemanden verwandeln, der sich nicht aus freien Stücken und aufgrund einer Kurzschlussreaktion für das Leben als Vampir entscheidet. Dessen war ich mir sicher. ----------------- Die Idee von dem Mutterkomplex-Vitaminbekloppten-Überbesorgten-Walter hatte ich in der Mittelstufe gemeinsam mit einer Freundin. Ich musste es einbringen. XD Tut mir Leid. Kapitel 12: Murder Club ----------------------- Murder Club „Sie haben mich gerufen, Lady Integra?“ Ich stand vor ihrem Schreibtisch und wartete, bis sie sich zu mir umdrehte und nickte. „Ja. Hat Walter dich bereits unterrichtet?“ „Nicht direkt.“, gestand ich, „Nur, dass es sich um einen neuen Fall handelt.“ „Genau. Es geht um ein Vampir Paar, welches sich scheinbar wahllos durch Familien mordet und sich über unser Land und unsere Religion lustig macht.“ Das unsere Religion überhörte ich geflissentlich. Bisher hatte Gott mir keinen Anlass dazu gegeben, zu glauben, dass es ihn gab, aber ich nickte. „Die Polizei ist mit dem Fall völlig überfordert, also werden wir uns des Falles annehmen.“ Ich deutete ein Grinsen an. „Dafür sind wir ja da.“, meinte ich und Integra´s Lächeln zeugte davon, dass sie meine Meinung teilte. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck wieder ernst und sie fragte: „Hast du alles verstanden?“ Ich salutierte leicht. „Hai.“ „Gut“, meinte Integra zufrieden, „Pack deine Sachen wir fahren zu dem letzten Tatort.“ „Ryokai.“ Ich eilte in mein Zimmer, packte mein Schwert und ging mit Integra zu dem Auto, dass uns zum genannten Ort bringen würde. Das Haus, in welchem offenbar die Morde verübt worden waren, waren von Polizisten und Einsatzkräften umstellt. „Ich bin Integra von Hellsing. Wo ist der Einsatzleiter?“, fragte Integra ohne Umschweife, als sie aus dem Auto stieg und ich ihr wie ein Schatten folgte. Die Männer schienen erstaunt. „Das ist Hellsings....Chefin? Das ist ja ne Frau.“, murmelten sie erstaunt. Das war nicht das erste Mal, dass Integras Geschlecht für Verwirrung sorgte, schon allein ihr Titel „Sir Hellsing“ trug einiges dazu bei. Ein Mann mit Brille trat vor. „Malphas. Ich bin der Einsatzleiter.“, stellte er sich vor, „Ich nehme an, sie kommen von der Hellsing-Organisation und...“ Integra unterbrach ihn. „Lassen wir die Formalitäten.“, meinte sie, „Ich hätte gerne eine Schilderung der aktuellen Situation.“ Der Mann schien etwas irritiert, fing aber an zu erzählen: „Gut... Vor einigen Stunden wurden mehrere Häuser entlang dieser Straße überfallen und alle Bewohner ermordet. Es waren drei Familien mit insgesamt elf Personen. Sechs der Leichen fand man in blutüberströmten Zustand mit Wunden an Nacken und Hals. Die anderen Fünf wurden schrecklich zerfetzt. In allen drei Häusern hatte ein Blutbad stattgefunden. Wir sehen uns außerstande den Fall zu bearbeiten und übergeben ihnen die Handlungsvollmacht dafür.“ Ich grinste und auch auf Integras Gesicht, zeigte sich die Andeutung eines Lächelns. „Alles klar.“, sagte sie, „Von nun an nehmen wir von Hellsing das Ruder in die Hand. Ich möchte gerne einen Blick auf die Karte werfen.“, forderte sie dann. „Die Täter fahren auf der 17 in Richtung Norden...“, erklärte Malphas, „Und überfallen weitere Familien nach Plan. Sie ziehen ihre Bonny und Clyde Show ab.“ Auch ich warf einen Blick auf die Karte und merkte mir die markanten Punkte, vor allem aber ermittelte ich dank der gewonnenen Informationen, wo die Vampire als nächstes zuschlagen würden. Auf ein Zeichen hin von Integra, übersandte ich diese Informationen an Alucard, welcher mit Seras die beiden Vampire ausschalten sollte, wie es besprochen war. „Mach die Leichen unschädlich.“, befahl mir Integra, „Die werden ruck zuck zu Ghouls.“ Ich nickte und hob das Absperrband der Polizei hoch, um das Haus zu betreten. Es war in der Tat ein Blutbad, was ich vorfand. Es waren drei Leichen. Ein Mann, eine Frau und ein Kind. Eine Familie. Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keinerlei Verständnis für diese Monster. Aber sie würden ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, dachte ich bei mir, als ich mein Katana aus der Saya zog, um die Leichen ordnungsgemäß zu enthaupten und unschädlich zu machen, damit sie unter keinen Umständen zu Ghouls werden würden. Aufmerksam lauschte Alucard der mentalen Nachricht seiner Schülerin und grinste zufrieden. Nun wusste er exakt, wo sich seine Gegner befanden. „Heda, Polizistin.“ Seras schreckte auf und hob den Kopf. „Ja, Master?” Sie hatte eine riesiges tragbares Gewehr geschultert. „Es gibt Arbeit. Komm.“ Sie salutierte flüchtig. „Jawohl.“ Das Vampirpaar umarmte sich und versank in einem innigen Kuss, während zu ihren Füßen das Blut der fünfköpfigen Familie über den Boden floss. „Das war die vierte Familie.“, stellte der männliche Vampir zwischen zwei Küssen fest. „Wenn wir jetzt noch die restlichen neun erledigen...“, fing seine Partnerin an. „... Dann geben sie uns noch viel mehr Power.“, beendete der Vampir Huger den Satz, „Dann können wir ewig Leben.“ Er grinste und sah der Vampirin in die Augen. „Hörst du, Jessica? Wir werden unsterblich! Jessica! Wir werden ewig leben können!“ „Hehe. Die Bullen sind sicher voll aus´m Häuschen.“, meinte Jessica geringschätzig. Ihr Partner lachte zustimmend. „Das glaube ich auch.“ Er lachte hämisch. „Wir sind jetzt schon unbesiegbare Vampire! Die Bullen können uns gar nichts.“ Die beiden Vampire wurden durch die Türklingel unterbrochen. Als das Klingeln nicht abbrach, packte der Vampir seine Waffe und sagte zu seiner Partnerin: „Warte mal kurz. Ich muss mal kurz für Ruhe sorgen.“ Er ging zur Tür und spähte durch den Spion. Er schreckte zurück, als er sah, dass die Gestalt vor der Tür eine Pistole auf ihn richtete und zugleich von ihr Gebrauch machte. Unzählige Kugeln durchbohrten den Vampir. Dann öffnete der Andere die Tür und trat ein. Er legte seine Waffe abermals an. „Stirb!“ In seiner Verzweiflung schoss Huger auf den Eindringling, doch dieser schütze sich lässig mit seinen Armen und seine Wunden verheilten augenblicklich. „Ihr habt keine Würde, keinen Glauben, keine Vernunft!“, schnaubte Alucard verächtlich, „Ihr könnt euch weder in Nebel, noch in Fledermäuse verwandeln. Ihr habt nicht mal die Fähigkeit, Schusswunden zu heilen. Ihr tötet Frauen und Kinder, aber das noch nicht mal aus Hunger oder Not! Und wenn euch die Munition ausgeht, seid ihr wehrlos!“ Seine roten Augen fixierten Huger. „Und ihr wollt Vampire auf Nosferatus Spur sein?! Schämt euch!“ Schreiend machte der Vampir auf dem Absatz kehrt und versuchte zu flüchten, doch weit kam er nicht. Eine weitere Kugelsalve aus Alucards Casull drängte Huger gegen die Wand. Diesen Augenblick nutze Alucard um auf den Gegner zu zu stürmen und ihm die Hand ins Herz zu rammen. Huger´s Todesschrei tönte gellend durch das Haus. Kaum war er verklungen, hörte Alucard einen lauten Knall und entdeckte das offene Fenster. Hugers Partnerin versuchte also Stiften zu gehen. „Nicht entwischen lassen, Frau Polizistin! Draussen.“ Seras hatte sich auf dem Dach des Hauses der Opfer platziert und schreckte erneut auf, als die Stimme ihres Meisters sie erreichte. „Schnell, schiess Polizistin.“, drängte dieser. „So schnell wie die rennt?“, rief die Blonde aus, „Sie ist ja schon 500... 600 Meter weg!“ „Wie ich´s dir bereits erklärt hab: Schiess einfach! Du triffst sie auf jeden Fall.“, gab Alucard zur Antwort, „Ins Herz. Ins Herz! Mit einem einzigen Schuss.“ „Ohne Nachtsichtgerät?“, fragte Seras ungläubig. „Ja... Für einen Menschen wäre es schwierig...“, sagte der schwarzhaarige Vampir, „Aber du bist kein Mensch mehr!“ Seras nahm sich zusammen und konzentriere sich. Ihr Blick nahm einen entschlossenen Ausdruck an. Sie fixierte ihre Gegnerin und traf mit einem einzigen Schuss in ihr Herz. „Gut gemacht.“, lobte Alucard sie. Seras Augen weiteten sich vor Erstaunen.Sie konnte kaum begreifen was geschehen war. Obwohl das Gewehr riesig war, hatte sie keinen Rückstoß gespürt und trotz Dunkelheit hatte sie besser gesehen als tagsüber. Was passierte nur mit ihrem Körper? Zögerlich klopfte jemand an meine Tür. „Alex?“, drang Seras Stimme zu mir. Ich drehte mich halb zur Tür um und antwortete: „Komm rein. Die Tür ist offen.“ Also trat die Blonde ein hätte wohl am liebsten wieder kehrt gemacht. Ihre Wangen wurden rot und sie sah unsicher in die Luft. „Entschuldige.“, murmelte sie. Ich grinste, zog meine Uniform an und knöpfte sie zu. „Ach was.“, meinte ich lässig und winkte ab, „Du schaust mir doch nichts weg. Ich habe nichts, was du nicht auch hast.“ Seras lächelte unsicher. Ich richtete meine Kleidung ein letztes Mal und wandte mich dann wieder dem Mädchen zu. „Was gibt es?“ Für einen Augenblick schien Seras vergessen zu haben, weshalb sie überhaupt in meine Zimmer gekommen war, fasste sich dann aber und antwortete: „Lady Integra schickt mich. Es geht um eine neue Mission.“ Ich horchte interessiert auf. Scheinbar durfte ich mich diesmal auch etwas amüsieren. Dann nickte ich und befestigte das Katana an meiner Hüfte. „Sobald du fertig bist, sollen wir zu ihr kommen.“, meinte Seras dann. „Ich bin fertig.“, gab ich zur Antwort, „Also los.“ Integra hatte gerade ihre Zigarre zu Ende geraucht, als wir ihr Büro betraten und drückte sie in ihrem Aschenbecher aus. „Ah. Alexandra. Seras.“ Sie setzte sich gerade auf und faltete die Hände. „Wie ihr bereits wisst, geht es um einen neuen Auftrag.“, begann sie, „Genauere Informationen liegen uns nicht vor, wir wissen nur, dass es nur so von Ghouls wimmelt und deshalb mindestens ein Vampir anwesend sein muss. Sie haben bereits viele unschuldige Menschen getötet und wir werden sie damit nicht durchkommen lassen.“ Sie schlug mit ihrer flachen Hand auf den Tisch. „Eliminiert alle und tilgt sie vom Angesicht dieser Erde.“ Seras und ich salutierten. „Jawohl.“ Nachdem Seras ihre Waffe, ein großes tragbares, halbautomatisches Gewehr, die Anti-Midian geholt hatte, brachen wir auf. Uns wurde ein Wagen und Chauffeur bereit gestellt, allerdings würden wir Beide alleine auf Mission gehen, da Integra aufgrund der jüngsten Ereignisse so wenige Einsatzkräfte wie möglich entbehren wollte. Am Einsatzort angekommen, betraten wir das Gebäude, welches früher eine Art Nachtclub gewesen zu sein schien. Nervös nahm Seras ihre Waffe in Anschlag und starrte unsicher in die Dunkelheit. Ich klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und übernahm die Führung. Wachsam stiegen wir die Treppe in den Keller hinunter, bis wir an eine schwere Stahltür kamen. Wenn sich die Vampire in diesem Gebäude aufhielten, dann waren sie sicher dahinter. Ich nickte Seras ernst zu, ehe ich mein Katana aus der Saya zog und mit einem gezielten Tritt die Tür öffnete. Sofort schlugen uns der üble Geruch und laute Knurr- und Grunzgeräusche entgegen. Scheinbar erwartete uns hier unten eine Horde Ghouls, die es sich in diesem Kellerloch bequem gemacht hatten. Aber wo war der Vampir? Ich konnte keinen ausmachen. Schon wieder? Wurde das langsam zur Gewohnheit? Was hatte das zu bedeuten? Meine Gedanken wurden von den heran taumelnden Ghouls und Seras Schüssen aus ihrer Waffe unterbrochen. Ich packte mein Katana fester und stürzte mich mit ins Getümmel. Die 13, 7 mm Kugeln ihrer Anti-Midian zerschmetterten die verwesten Körper der Ghoule, allerdings lebten sie noch. Widerstandsfähig waren diese Wesen, das musste man ihnen lassen. Also schlug ich ihnen zusätzlich den Kopf ab und durchbohrte ihre Herzen. Das sollte genügen, um sie endgültig schlafen zu schicken. Nachdem sich der erste Sturm gelegt hatte und Seras die Zeit nutze, ihre Waffe nachzuladen, ging ich zu ihr. „Kein schlechter Einsatz.“, lobte ich sie. Seras schien etwas zu beschäftigen, weshalb ich nachharkte: „Was ist denn?“ Traurig sah mir Seras in die Augen. „Das waren doch alles einmal Menschen...“, murmelte sie. Ach deshalb. Ich legte ihr vertraulich ein Hand auf ihre Schulter und meinte: „Was wir hier tun geschieht nur zu ihrem Besten. Sie sind sicher nicht freiwillig zu Ghouls geworden und niemand kann sie wieder zu Menschen machen, also können wir sie nur so schnell wie möglich von diesem Dasein erlösen.“ Seras nickte geistesabwesend. „Und noch etwas: Schieße ihnen direkt ins Herz oder in den Kopf, um sie von ihrem Leid zu befreien. Alles andere würde sie nicht töten.“ Die Blonde schien noch kurz mit sich zu kämpfen, nickte dann aber tapfer und packte ihre Waffe fester. Ich krachzte grübelnd meinem Hinterkopf. „Weist du... Wenn es dir dann leichter fällt, stelle dir einfach vor deine Gegner wären Puppen, oder Kürbisse, auf die du schießt.“ Sonderlich überzeugt hatte das Seras nicht, aber es war wichtig, das wir unseren Auftrag erledigten. „Lass uns weiter gehen.“, sagte ich also und fixierte die nächste Tür, auf die wir nun zugingen. Auch dahinter erwartete uns eine anschauliche Anzahl von Ghouls, aber immer noch kein Vampir. Seltsam. Also blieb es dabei, dass wir die Bedrohung durch die Ghouls dezimierten und das bedeutete jeden einzelnen von ihnen zu töten. Mit einem Vampir, der das zu verschulden hatte, wäre es deutlich schneller gegangen. Um das Ganze zu beschleunigen, beschwor ich meinen wölfischen Hilfsgeist, der sich augenblicklich auf den nächstbesten Ghouls stürzte. Seras lies sich davon so einen Augenblick ablenken, den die Ghouls nutzten, um sie zu Fall zu bringen. Sie schrie erschrocken auf und versuchte verzweifelt sich zu befreien. Sofort stürmte ich zu ihr. „Seras!“ Mit allem was mir zur Verfügung stand, riss ich die Ghouls von ihr fort und erledigte sie im gleichen Zug, mit tatkräftiger Hilfe in Form meines Hilfsgeistes. Endlich bekam ich Seras´ Hand zu fassen und zog sie auf die Beine. „Alles in Ordnung?“, fragte ich sie. Sie nickte und blinzelte die Tränen aus ihren Augen. Dann fiel ihr Blick auf den Wolf neben mir. Ich grinste. „Darf ich vorstellen? Schiriki, mein Hilfsgeist.“ Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich und lies mich augenblicklich inne halten. Ehe Seras den Mund öffnen konnte, erhob ich die Hand, sodass sie erstaunt stumm blieb. Ernst legte ich den Zeigefinger an meine Lippen und bedeutete ihr sich still zu verhalten. Sie schien verwirrt, tat aber wie geheißen. Dann deutete ich auf eine weitere Tür, welche in einen schlecht beleuchteten, schmalen Gang führte, der offenbar in den Hinterhof des Clubs mündete. Ich forderte Seras auf mir unauffällig zu folgen und vorsichtigen Schrittes gingen wir den Flut entlang. Nervös umklammerte Seras ihre Waffe, während ich den Griff meines Katanas fester packte, sodass meine Knöchel weiß hervortraten. Adrenalin strömte durch meinen Körper und Adern. Mein Atem beschleunigte sich unmerklich und zugleich mein Herzschlag. Das war der Nervenkitzel, den ich so lange missen musste. Dennoch durfte ich keine Sekunde unaufmerksam werden und meine Deckung vernachlässigen. Alarmiert hob Schiriki seine Schnauze und schnüffelte, ganz so als ob er etwas wittern würde. Ich legte eine Hand auf seinen Kopf und spürte seine Anspannung. Sein Schwanz zuckte in die Höhe und er begann zu knurren. In diesem Augenblick spürte ich es auch. „Seras, runter!“, befahl ich knapp und als sie augenblicklich gehorchte, warf ich mein Katana dem Vampir, der hinter ihr aufgetaucht war, in den Schädel, sodass die Klinge aus seinem Hinterkopf wieder heraus ragte. Dann reichte ich Seras meine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen, ehe ich meine Waffe aus dem durchbohrten Schädel des Vampires zog. Notdürftig wischte ich das Blut von der Klinge und drehte mich zu Seras um. „Alles in Ordnung?“, fragte ich sie und erhielt ein Nicken als Antwort. Ich lächelte. „Gut.“ Dann sah ich wieder auf den Vampir herab, den ich so eben getötet hatte. „Ich schätze unser Auftrag ist hiermit erfüllt.“, stellte ich sachlich fest, doch Schiriki schien da anderer Meinung zu sein. Noch immer wies seine Schnauze auf den Hinterausgang des Clubs und sein Knurren erstarb nicht. Ich würde wieder ernst und blieb auf der Hut. Das Gefühl des Wolfes, hatte noch nie ihn oder mich betrogen. Scheinbar hatten wir es mit mindestens einem weiteren Vampir zu tun. Ehe ich die Tür eintrat, winkte ich Seras zu mir, sodass sie an meine Seite trat. Gemeinsam stürmten wir in den Hinterhof, welcher von einer hohen Mauer umgeben war. Alarmiert hatte Seras ihre Waffe in Anschlag und lies ihren geübten Blick über den Hof schweifen. Ihre Erfahrungen als Polizistin machten sich scheinbar bezahlt. Schließlich runzelte Seras die Stirn. „Hier ist niemand.“ „Nicht ganz, Süße.“ Die Tür fiel hinter uns zu und der Vampir grinste uns an, ehe er die Arme gleich einer Willkommensgeste ausbreitete. „Herzlich Willkommen in meinem kleinen, persönlichen Paradies.“ Sofort richtete Seras ihre Anti-Midian auf ihn. „Hey, nicht so hastig, oder wollt ihr etwa die große Party verpassen?“ Wie auf´s Stichwort, sprangen über die Mauer mindestens zwanzig weiterer Vampire und kreisten uns ein. Wütend knurrte Schiriki und bückte sich angriffsbereit. Mit einer Handbewegung, bedeutete ich ihm sich ruhig zu verhalten. „Keineswegs.“, antwortete ich dem Vampir und sah ihm direkt in die Augen, „Im Gegenteil. Ich bleibe nur allzu gerne.“ Ich drehte meine Klinge in der Hand. Der Vampir lächelte spöttisch. „Glaubt ihr Hellsing-Trottel wirklich, dass ihr eine Chance gegen uns habt? Gegen uns alle?“ Ich grinste. „Meine Chancen standen schon mal schlechter.“ Demonstrativ lies ich meine Fingerknöchel knacken. „Wollen wir jetzt noch lange rumlabern, oder legen wir langsam los?“ Der Vampir lachte schallend. „Mut hast du, dass muss man dir lassen, Kleine.“ „Gee, thanks.“ „Aber Übermut tut selten gut.“ „Super Spruch, hast du lange gebraucht um den auswendig zu lernen?“ Der Blutsauger verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Deine fixen Sprüche werden dir noch vergehen.“ „Da bin ich aber mal gespannt.“ Ich machte mich zum Angriff bereit und auch Seras legte ihre nachgeladene Waffe an. So begannen wir Rücken an Rücken zu kämpfen. Sie erschoss die Vampire hinter mir, während ich mich um die Gegner vor mir kümmerte. Mit präzisen Schwerthieben enthauptete ich die Angreifer, während ich geschmeidige Bewegungen nutzte um ihren Angriffen auszuweichen. Ein Tanz des Todes. Erst jetzt fiel mir die unpassende Stille auf, also abgesehen von dem überflüssigen Kampfgeschrei der Vampire natürlich. Ein kurzer Blick nach hinten verriet mir, was hier nicht stimmte: Seras hatte aufgehört zu schießen. Offenbar war ihre Munition ausgegangen und noch stand ein gutes dutzend der gegnerischen Vampire. Also rammte ich dem Vampir, der gerade auf die Blonde zustürmte, meine Hand in die Brust und drehte mich zu Seras um. „Ich mach das hier. Geh.“ Sie schickte sich an zu protestieren, doch mit meinem Kinn deutete ich auf die Tür, durch die wir gekommen waren und die sich von innen verschließen lies. „Jetzt mach schon. Ich komme gleich nach.“ In ihrem Gesicht stand geschrieben, dass sie alles andere als begeistert war, doch ich lies mich nicht beirren. Mit dem Rest würde ich schon alleine fertig werden. „Ike!“, befahl ich mit Nachdruck, „Und verriegle die Tür.“ Seras zögerte, nickte aber dann und gehorchte. Erst als ich hörte, wie die Tür von innen geschlossen und verriegelt wurde, wandte ich mich wieder den Vampire zu. „Und jetzt zu euch.“ Ich zog meine fingerlosen Handschuhe straffer und zückte erneut mein Katana. Bedauerlicherweise wurde der Kampf nicht spannender. Zwar wiesen die Vampire die typische Stärke und Geschwindigkeit, die ihnen zueigen waren auf, allerdings nützte ihnen dies reichlich wenig, wenn eine Klinge ihre Gliedmassen vom Körper trennten. Enttäuscht seufzte ich auf, als die Vampire vor meinen Füßen begannen zu Staub zu zerfallen, ehe ich mich zu dem Anführer umwandte, der die ganze Zeit über Abseits gestanden hatte. „War das wirklich alles?“, fragte ich ihn. Er knirschte wütend mit den Zähnen und machte sich zum Angriff bereit. „Freu dich nicht zu früh, Miststück.“ Seine Augen glühten bedrohlich und er hob eine Eisenstange von Boden auf. Ich begann zu grinsen. Dieser Kampf versprach vielversprechender zu werden. Die Funken sprühten, als die Waffen aufeinander prallten. Mein Gegner holte zu einem erneuten Schlag aus. Ich sprang rückwärts, um so seinem Angriff zu entkommen und nutzte die Zeit, um seine Bewegungen zu studieren und seine Absichten zu erahnen, während wir uns lauernd wie Raumtiere umkreisten. Dann stürmte er auf mich zu, die Stange erhoben, doch ich parierte seinen Schlag und versuchte mit einer raschen Bewegung ihm die behelfsmäßige Waffe aus der Hand zu schlagen. Doch so einfach war es dann doch nicht und er holte zu einem neuen Streich aus, zielte auf meine Beine. Diesmal entschied ich mich mit einem Sprung auszuweichen, flog schier über ihn und richtete die Klinge auf seinen Hinterkopf. „Schachmatt.“ Der Vampir begann zu lachen und meine Augen verengten sich. „Darf man erfahren, was so witzig ist? Ich will auch noch mal lachen, ehe ich dir die Klinge ins Hirn ramme.“ Langsam drehte er sich zu mir um. Ein hämisches Grinsen lag auf seinem Gesicht. In diesem Augenblick wurde ich von kräftigen Händen gepackt, die mir das Katana aus der Hand rissen und mich festhielten. Durch den Kampf abgelenkt, hatte ich nicht bemerkt, wie weitere Vampire hinzugekommen waren. Diese hatten diese Unaufmerksamkeit genutzt, sich an geschlichen und meinen wohlverdienten Sieg zunächst zunichte gemacht. Aufgeschoben, war nicht aufgehoben. Der Anführer der Meute packte mein Kinn, immer noch breit grinsend. „Das wars dann wohl, Süße.“, sagte er triumphierend. „Sagt wer?“ Vielleicht sollte ich ihm ermöglichen seinen Erfolg noch etwas zu genießen, denn vermutlich war ihm das nicht oft vergönnt, andererseits wollte ich Seras nicht warten lassen. „Nehmt die Kleine mit. Sorgt dafür, dass sie keinen Ärger macht.“, befahl der Vampir seinen Untergebenen. „Tut mir Leid euch enttäuschen zu müssen, aber ich habe nicht vor, mit euch zu kommen. Außerdem habe ich besseres zu tun.“, erklärte ich. „Als hättest du eine Wahl.“, meinte der Vampir lachend und erteilte den anderen einen Wink. Als ihre Griffe fester wurden und sie begannen mich zu schieben und schubsen, damit wir vorwärts kamen, entschloss ich, dass es genug war. Schade um meine Uniform, dachte ich noch, als ich meine Flügel ausfuhr und ich die Vampire, die mich hielten in zwei Hälften spaltete. Betont langsam ging ich zu meinem Katana hinüber, hob es auf und zielte mit der Klinge auf den Anführer. „Noch irgendwelche letzten Worte?“ Er zuckte zusammen und versuchte sich hinter seine beiden verbliebenen Kumpanen zu verstecken. Mit zwei weiteren Flügelstrichen erleichterte ich die um die meisten ihrer Organe, als ich sie senkrecht teilte und enthauptete den Anführer schließlich mit meinem Katana. Als ich mich versichert hatte, dass wirklich alle tot waren, flog ich über die Mauer und landete vor dem Auto, bei dem Seras bereits wartete. „Alex!“, rief sie aus und lief mir freudig entgegen, „Geht´s dir gut?“ Ich nickte und fuhr meine Schwingen wieder ein. Ich warf einen Blick über meine Schulter und studierte die Löcher in der Uniform. Ich war keine Expertin, doch Nähen würde nicht genügen um die ausgefransten, riesigen Löchern in der Uniform zu entfernen. Ärgerlich. Da musste wohl eine neue her. „Langsam reicht´s.“ Integra stand mit dem Rücken zu Seras und mir und betrachtete den Vollmond. Wir waren von unserer Mission zurückgekehrt und hatten ohne Umwege ihr Büro aufgesucht, um Bericht zu erstatten. „Es passiert einfach zu viel! Die Zwischenfälle mit Vampiren nehmen Überhand. Und dann auch noch solche minderwertigen Exemplare! So willkürlich wie die in der Gegend herum morden... Die Aktionen sind so hirnverbrannt und schwachsinnig, dass man meinen könnte irgend jemand setze wahllos Vampire in die Welt. “ Ich nickte zustimmend. So viele Fälle, wie es in letzter Zeit gegeben hatte, hatte es all die Jahre zuvor kaum gegeben. Es könnte also tatsächlich mehr dahinter stecken, als es zunächst den Anschein hatte, auch wenn sich uns der größere Kontext zunächst nicht erschloss. Kapitel 13: Sword Dancer ------------------------ Sword Dancer In der Nacht des fünfzehnten August fanden sich alle Vampire, die er Hellsing Organisation unterstellt waren, in Integras Büro ein. Wie üblich rauchte sie eine ihrer Zigarren, während sie uns den Grund dieser Versammlung mitteilte. In einem Außenbezirk von Beydlick trieben in einem verlassenen Krankenhaus ein Vampir und sein Gefolge bestehend aus Ghouls ihr Unwesen. Unsere Aufgabe war es die Zielobjekte zu eliminieren und so den Ort zu säubern. Das Übliche eben. Müllentsorgung von feinsten, wie ich es gerne nannte. Nachdem wir uns ausreichend bewaffnet hatten ging es auch schon los. Das besagte Krankenhaus hatte insgesamt drei Stockwerke und noch viel mehr Zimmer, also ausreichend Platz für unsere Gegner und viel Raum, den es zu durchsuchen galt. Also beschlossen wir, uns aufzuteilen. Alucard und Seras würden sich gemeinsam von unten nach oben vorarbeiten. Ich hingegen sollte oben anfangen und mich nach unten kämpfen. Schützend hielt ich beide Arme vor mein Gesicht, als ich durch das Fenster krachte, rollte mich auf dem Boden ab, ehe ich mich aufrichtete und kampfbereit nach meinem Katana griff. Wie ich erwartet hatte, war der Gang des dritten Stockwerkes komplett mit Ghouls gefüllt. Ich schloss die Augen, atmete tief durch, ehe ich sie wieder öffnete und meine Klinge aus der Saya zog. Das versprach spaßig zu werden. Wie der Pfeil, der von einem gespannten Bogen abgeschossen worden war, schoß ich durch die Meute und köpfte Ghoul, um Ghoul. Wie Marionetten, dessen Fäden man durchtrennt hatte, sackten die enthaupteten, leblosen Körper in sich zusammen und gesellten sich zu den Blutlachen auf dem Boden. Adrenalin strömte durch meine Adern und ich befeuchtete zufrieden meine Lippen. Das war ein Blutbad ganz nach meinem Geschmack. Grinsend stellte ich mich auch den letzten Untoten und schickte sie ins Jenseits. Der Spaß war für meinen Geschmack viel zu schnell vorbei gewesen, aber er hatte mich ausreichend unterhalten, Außerdem war es ja noch nicht vorbei. Es galt noch einen Vampir zu finden, der für das Chaos verantwortlich gewesen war. In just diesem Augenblick beschlich mich ein seltsames Gefühl und eine Art psychische Druckwelle durchflutete das Gebäude, sodass ich zu taumeln begann und in die Knie sank. Was zur Hölle? Ich schüttelte den Kopf und versuchte das Schwindelgefühl aus meinem Kopf zu vertreiben. Was war das? Das Pochen in meinem Schädel ebte nur langsam ab und ich kämpfte mich auf meine Beine. Was ging hier vor sich? Blitzschnell drehte ich mich Richtung Treppe. Master. Seras. Voller unguter Vorahnungen stürmte ich los. Alucard hatte sich der Gegner im Erdgeschoss angenommen. „Verdammte Ghouls.“, fluchte er, als er sich durch die lästige Meute kämpfte. Das Magazin seiner Pistole war verbraucht, sodass er es aus der Waffe nahm und zu Boden fallen lies. Die Polizistin saß vor dem Gebäude auf einer Kiste, dämmerte vor sich hin und schreckte auf als der Vampir sie telepathisch rief: „Polizistin.“ „Eh... Ah Hier!“, antwortete diese. „Träum nicht rum.“, rief sie ihr Meister zur Ordnung, „Hilf mir die Ghouls wegzuräumen!“ „Eh.. J..Ja.“, war die zunächst gestotterte Antwort des Mädchens. „Ich hab genug von dieser Dreckarbeit.“, meinte der Vampir, „Jetzt mach du mal weiter!“ „Ja.. Jawohl!“ Seras erhob sich und mit einem gekonnten Fußtritt trat sie die Tür aus ihren Angel und betrat das Gebäude. Augenblicklich wendeten sich die Ghouls ihr zu. Ehe sie nach ihrer Waffe griff murmelte Seras zu sich selbst: „Ich habe es hier mit Puppen zu tun, nicht mir Menschen. Ich stelle mir einfach vor ich schieße auf Kürbisse! Zielen, abdrücken und das war´s!“ Dann begann sie auf die Untoten zu schießen. „Gib dein Bestes.“, mit einem zufriedenem Seufzer lies sich Alucard auf der Treppe nieder und kramte aus seinem Mantelinneren eine Blutkonserve heraus, an welcher er zufrieden zu saugen begann. Er lauschte den regelmäßigen Schüssen, welche die Polizistin abgab und meinte: „Sie stellt sich geschickter an, als ich dachte. Es hat sich gelohnt sie zu einem von uns zu machen.“ Kaum hatte er den letzten Satz beendet, landete neben ihm ein Blut überströmter, halb zerrissener Ghoul, welcher dann mühsam den Kopf hob und den Vampir anknurrte. Kurzentschlossen gab Alucard ihm eine Kugel in den Kopf und schickte ihn endgültig schlafen. „Hey, Polizistin! Immer richtig auf Herz oder Kopf zielen! Hab Mitglied. Sie sind ja nicht aus eigenem Willen zu Ghouls geworden. Wer einmal so geworden ist, den kann man nicht mehr zurück holen. Ihnen zuliebe sollte man sie möglich schnell ins Jenseits befördern!“ Seras, die die Worte ihres Meisters vernommen hatte begann diabolisch zu Grinsen und entfernte das verbrauchte Magazin aus ihrer Waffe. „Yes Sir, my Master.“, antwortete sie. Die Aura der Polizistin hatte sich völlig verändert. Nichts erinnerte mehr an das kleine unschuldige Mädchen mit den Tötungshemmungen. Achtlos warf sie ihr Gewehr beiseite und attackierte den verbliebenen Ghoul mit ihren blossen Händen. Ein gezielter Faustschlag ins Gesicht, warf den Ghoul zu Boden und die Draculina sorgte mit ihrem Fuß, den sie auf sein Brust stellte, dass er auch dort blieb. Nur kurz hob sie ihren Stiefel an, um ihn dann mit voller Wucht auf den Kopf des Ghouls zu platzieren. Seras übte immer mehr Druck aus, bis der Schädel nachgab und der Kopf des Gegners schier explodierte und Blut auf den Boden spritzte. Alucard hatte sich inzwischen erhoben und kam durch den langen Flur auf sie zu. Zufrieden beobachtete er seine neuste Schülerin bei deren Massaker. „So langsam scheinst du dein Handwerk zu verstehen. Du bist ja auch eine von uns Midians. So mit diesem Geschmeiß wären wir fertig.“, stelle Alucard fest, als er den mit Leichen und Blut überströmten Gang betrachtete, „Und jetzt suchen wir den eigentlichen Vampir und räumen den auch noch aus dem Weg.“ Er hielt inne, als er bemerkte, dass Seras ihre Hand erhoben hatte, an der Blut klebte und diese an ihren Mund führte. Langsam fuhr sie ihre Zunge heraus, um etwas von der roten Flüssigkeit zu kosten, doch dazu kam es nicht, denn eine Klinge durchbohrte Seras Kehle. Alucards Augen weiteten sich und Seras begann vor Schmerz zu schreien. Noch mehr Messer bohrten sich ins ihren Oberkörper und sie fiel vornüber. Wütend und enttäuscht über die Unterbrechung knirschte Alucard mit den Zähnen. Plötzlich wurden unzählige Zettel an die Wand gepinnt. Der Vampir erkannte sofort, welchem Zweck diese dienten. Eine Barrikade gegen Vampire. Feste, langsame Schritte nährten sich den beiden Midians. Ein hochgewachsener, blonder Mann mit Narbengesicht war die Treppe nach oben herabgestiegen und stand nun vor ihnen. In beiden Händen hielt er je eine Bajonette, von welchen frisches Blut tropfte. Er begann zu kichern, hob seine Waffen und bildete aus ihnen ein Kreuz. „Wir sind Gottes irdische Stellvertreter und die Exekutive seiner Strafmacht. Unser Auftrag ist die Vernichtung all derer, die sich unserem Herren widersetzen! Bis auf den letzten Blutstropfen!“ Nachdem er seine Rezitation beendet hatte, blickte er geringschätzig die beiden Vampire an. „Ein wunderbarer Mond heute Nacht, nicht wahr, ihr Missgeburten?“, fragte er. Alucard zückte grinsend seine Waffe. Seras, welche versuchte den Kopf zu heben, gab das Vorhaben auf und sank vor Schmerz zusammen zuckend zurück zu Boden. „Deine Stimme klingt ja richtig süß, meine Kleine. Leidest du auch schön?“, fragte der blonde Mann hämisch. „Aber durch so eine Wunde kannst du leider noch nicht sterben, denn ich habe dein Herz noch nicht durchbohrt. War so lange nicht mehr auf Vamirjagd! Das möchte ich richtig genießen!“ Alucard, welcher im Gegensatz zu seiner Schülerin wusste, wen er vor sich hatte, sagte: „Sieh an! Iscariot, die 13. Abteilung des Vatikans.“ Und der Assassine, der auf den Namen Andersen hörte erwiderte: „Richtig erkannt! Ihr Hellsing Hunde! Und du bist wohl Alucard? Ein Vampir, der mit Menschen gemeinsame Sache macht... Der Abfallbeseitiger von Hellsings Gnaden.“ „Was ist mit dem Vampir von hier?“, fragte der in Rot gekleidete Vampir. „Den habe ich schon längst erledigt.“, gab der Priester zu Antwort, „Der war leider so drittklassig, dass keinen richtigen Spaß mit ihm hatte.“ Gleich einem bevorstehenden Duell wandten sich die Kontrahenten zu und gingen gemessenen Schrittes aufeinander zu, nur um nebeneinander stehen zu bleiben. „Nun seid nur noch ihr da!“, meinte Andersen. Alucard grinste breit. „Meinst du?“, erwiderte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, zückten Beide ihre Waffen. Der Priester rammte zwei Zeremonie-Bajonetten in Alucard Hals, worauf hin dieser vor Schmerz aufkeuchte, dann aber den Gegner einen gezielten Kopfschuss verpasste. Dann wandte sich der Vampir ab, zog die Messer aus seinem Körper und nährte sich der Polizistin. „Master!“, rief diese und versuchte erneut sich aufzurichten. „Bleib still, Polizistin!“, befahl Alucard und nach einem Seitenblick auf den Priester meinte er grinsend: „Bei Nacht einen Vampir von vorne anzugreifen ist ja sehr mutig von euch, Pater. Aber auch sehr dumm. Trotzdem nicht schlecht für einen Menschen. Alle Achtung.“ Er warf einen Blick auf die mit seinem Blut besprenkelten Bajonetten, die nun auf dem Boden lagen. „Diese Schwerter... Sie wurden alle in einer Kirche geweiht.Von solchen sollten selbst wir uns lieber nicht durchbohren lassen. Die könnten sogar uns ernstlich verletzten.“, erklärte er seiner Schülerin, ehe er sich zu ihr hinunter beugte. „Ich ziehs dir raus. Nicht bewegen!“ Seras´ Augen weiteten sich. „Ma-Master...“, stotterte die Blonde, doch Alucard unterbrach sie: „Bleib still, sagte ich.“ In diesem Moment tauchte eine dunkle Silhouette hinter dem Vampir auf. „Master!“, versuchte die Draculina ihren Meister zu warnen und dieser schaffte es tatsächlich sich mit einem Sprung aus der Reichweite des Gegners zu bringen, nachdem sich zwei Bajonetten in seine Brust gebohrt hatten. „Was?“ Alucard war irritiert. Wie hatte es der Pater geschafft nach diesem tödlichen Schuss aufzustehen, um ihn erneut anzugreifen? Andersen begann hämisch zu lachen. Augenblicklich wandte sich Alucard um und richtete seine Pistole auf den Priester. Er feuerte mehrere Schüsse auf diesen ab, worauf hin Andersen in einer Blutfontäne zu Boden stürzte, sich aber wieder erhob und auf den Vampir zustürmte. Mit seinem gesamten Körpergewicht warf sich der Pater gegen den Vampir und pinnte mit seinem gesegneten Schwerter, welche er durchs Alucard´s Handflächen bohrte, diesen gegen die Wand. Dieser schien nun keine Fluchtmöglichkeiten mehr zu haben. Zufrieden grinsend zückte Andersen zwei neue Bajonetten. Nun fiel Alucard´s Blick auf die Stirn des Pater´s welche eigentümlich zu dampfen begann und dutzende Äderchen bildete, als würde sie eine enormen Kraftanstrenung ausüben und die Kugel, welche ihn hätte töten sollen, fiel nutzlos geworden zu Boden. „Amen.“ Alucard´s Augen weiteten sich vor Erstaunen. „Du bist ein Regenerator?“ „Ganz genau.“, bestätigte Andersen, „Eine von uns Menschen entwickelte Technik, um gegen euch kämpfen zu können.“ Ohne weitere Verzögerungen durchbohrte der Attentäter den Körper des Vampires mir einem dutzend weiterer Zeremonie-Bajonetten. „Master!“, schrie Seras, welche außer Stande war ihrem Meister zu helfen, verzweifelt. Andersen lachte triumphierend. Er hatte Alucard erledigt. Sein Herz durchbohrt und ihn getötet. So glaubte er zumindest. Zufrieden grinsend nahm er den abgetrennten Kopf des Vampire zwischen beide Hände. „Der soll Hellsings geheimer Trumpf sein?“, fragte er hämisch, „Das ist ja lachhaft.“ Enttäuscht wandte er sich um und wollte sich des anderen Vampires erledigen, doch ert jetzt bemerkte er, dass die Draculina verschwunden war. „Nanu. Die Kleine kann sich ja trotz Totalschaden immer noch bewegen.“, stelle er fest und rückte seine Brille zurecht, „Da habe ich sie wohl ein bisschen unterschätzt.“ Ein Grinsen zierte seine Lippen, als er ein neues Schwert zur Hand nahm. Im zweiten Stock angekommen, blieb ich zögernd stehen. Dort war ein Körper mit mehreren Messern an die Wand gepinnt. Der Kopf lag neben dem Körper auf dem Boden. Auch ohne in den von einem stummen Schmerzensschrei geöffneten Mund zu sehen, wusste ich, wenn ich vor mir hatte: Den Vampir, der für das ganze Chaos an diesem Ort verantwortlich war. Oder viel mehr gewesen war. Doch anhand des Fortschrittes der Verwesung des Untoten, konnte ich daraus schließen, dass der Vampir schon seit geraumer Zeit, also sicherlich mehreren Minuten bis zu einer halben Stunde tot war, doch ich hatte doch noch vor wenigen Sekunden gegen seine Ghouls gekämpft. Wie war das möglich? Für gewöhnlich starben Ghouls zusammen mit dem Vampir, der sie erschaffen hatte. Es hatte bisher keine Ausnahmen gegeben, oder etwa doch? Nein, korrigierte ich mich das war nicht das erste Mal. Es hatte auch andere, ähnliche Fälle gegeben. Ich kniete nieder und betrachtete den toten Körper. Der Hellsing Organisation war nicht verborgen geblieben, dass die Bedrohung durch Vampire zunahm, ebenso wie die Ghouls, die ohne ihren Meister weiterlebten. Und dann blieb noch eine andere Frage: Wer hatte diesen Vampir getötet? Anhand der präzisen Schnitte und Verwundungen, konnte ich davon ausgehen, dass ein Profi am Werk gewesen war. Doch wer außer der Hellsing Organisation...? Und war dieser Killer möglicherweise noch hinter anderen Vampiren her? Ich schüttelte den Kopf, richtete mich auf und schob diese Gedanken vorerst bei Seite. Nun galt es erst einmal die neuste Bedrohung auszumachen und zu eliminieren. Doch ehe ich weiter rennen konnte, bemerkte ich etwas in der Asche, der getöteten Ghouls, die über den Flur verteilt waren. Sie waren vermutlich einzeln ausgeschaltet worden, ebenfalls von einer langen Klinge, wie der Vampir. Es war aber nicht die Asche, die meinen Blick auf sich zog, sondern ein kleines, glänzendes Objekt darin. Vorsichtig nahm ich eines zwischen die Fingerspitzen, um es genauer zu betrachten. Ich pustete den restlichen Dreck von dem Objekt, doch dann besann ich mich und steckte es vorest in meine Brusttasche. Das würde warten müssen. Hastig sprang ich auf und eilte die Treppe hinab. Unter Schmerzen kämpfte sich Seras keuchend den Gang entlang. Eine Blutspur markierte ihren Weg. Mühsam zog sie die letzte Klinge aus ihrem Körper und lies sie zu Boden fallen, wo sie stecken blieb. Tränen schlichen sich in ihre Augen, ob vor Schmerz oder Trauer über das Ableben ihres Meister, das konnte sie selbst nicht sagen. Ehe sie ihre weiteren Schritte überdenken, oder über irgendetwas nach grübeln konnte, zischte etwas dicht neben ihren Gesicht vorbei und bohrte sich in die Wand. Es war Alucards Haupt, welches von einer von Andersens Bajonette an der Wand fixiert wurde. Seras Augen weiteten sich vor Schreck. „A-A-Alucard...“, stammelte sie ungläubig beim Anblick des Kopfes. „Wo willst du hin?“, fragte eine Stimme hinter ihr, „Du kannst doch nirgendwo hin.“ Langsam, aber entschlossen kam Andersen näher. Er hatte keine Eile, wozu auch? Sie konnte nicht entkommen. Sie konnte ihm nicht entkommen. „Staub zu Staub.“, rezitierte er, „Aus Staub seid ihr, zu Staub sollt ihr werden!“ Panisch sag sich Seras um. Sie musste hier weg. Sie musste fliehen und Integra alarmieren. Alleine war sie hilflos. Die Polizistin zog die Klinge aus der Wand, presste den Kopf ihres Meisters fest an sich und begann zu laufen. Andersen´s hämisches Gelächter schien sie zu verfolgen. „Flieh nur, Vampir.“, spottete er. Endlich hatte Seras die Tür erreicht, durch die sie nur wenige Minuten zuvor gekommen war. „Ah.. Der Ausgang...“ Eine Art elektrischer Stoß, der durch ihre ausgestreckte Hand und ihren gesamten Körper fuhr, schnitt ihr das Wort ab. Sie schrie erschrocken auf und wich zurück. „Wa...? Was zum...?“ Erst jetzt bemerkte sie die Zettel am Türrahmen„Das sind Amulette, Kleine.“, erklärte der Priester, „Ihr Midians könnt sie nicht durchbrechen. Und jetzt lass dich endlich abschlachten, du verdammtes Monster!“ Gehetzt sah sich Seras um. Es gab keinen Ausweg. Kein Entkommen. Diese Amulette waren überall. Was sollte sie tun? Er würde sie umbringen. Sie würde sterben. „Jetzt keine Panik kriegen, Frau Polizistin.“ Was war das gewesen? Hatte sie sich diese Stimme nur eingebildet? Sie blickte den Kopf ihres Meisters an. „A...A...Alucard?“ In diesem Augenblick begann das Haupt zu zerfließen und breitete sich als Blutlache auf dem Boden auf, nur um im nächsten Augenblick, wie ein Rinnsal, Worte auf dem Holzlatten zu bilden. »Trink mein Blut, Polizistin.«, stand dort geschrieben, »Dann hörst du auf nur in meinem Dienst zu stehen und du wirst wirklich eine von der unseren. Du wirst aus eigenem Willen Blut trinken und aus eigener Kraft durch die Nacht streifen. Du wirst ein unsterblicher Vampir! Trink mein Blut, Polizistin. Oder besser gesagt: Seras Victoria.« „Das ist dein Ende!“, verkündete Andersen, welcher hinter der Draculina aufgetaucht war und hob seine Bajonetten in die Höhe, um Seras den Kopf von den Schultern zu trennen. Mehrere Schüsse ertönten und die gut platzierten Schüsse zerstörten die Klingen des Priesters, die er in den Händen hielt, sodass nur die nutzlosen Griffe zurück blieben. „Diese junge Frau gehört zu uns.“, verkündete Integra, welche am Ort des Geschehens eingetroffen war. In ihrer Begleitung befanden sich zwei in Schwarz gekleidete Männer. Kurz wanderte Integra´s Blick zu der Polizistin, welche getaumelt und zu Boden gefallen war, ehe sie sich wieder Andersen zuwandte. „Was treibst du denn da, Pater Andersen?“ Der große Mann grinste schief. Er wusste sofort, wer ihm die Ehre gab. „Integra Wingates Hellsing, Kopf der Hellsing-Organisation. Die Chefin persönlich sieht nach dem Rechten. “ Die Frau lies sich nicht beirren. „Pater Andersen! Das ist ein schwerer Verstoß gegen unser Abkommen. Das hier ist unser Einflussbereich. Zieh dich sofort zurück.“, forderte sie, „Anderenfalls beschwörst du eine schwere Krisensituation zwischen Katholiken und Protestanten herauf! Iscariot hin oder her. Ich dulde keine Grenzüberschreitungen.“ Andersen knirschte mit den Zähnen und packte seine Bajonetten fester. „Zurückziehen soll ich mich?“, fragte er so, als könne er nicht fassen, dass Integra dies gerade tatsächlich von ihm verlangt hatte, „Die 13. Abteilung des Vatikans, Iscariot, Vollzugsorgan von Gottes Strafmacht auf Erden soll sich zurückziehen? Unterschätz mich nicht, du babylonische Hure! Glaubst du etwa, wir lassen uns von euch dreckigen Protestanten vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen haben?“ Der ganz und gar nicht freundliche Tonfall des Paters und die Tatsache, dass er seine Waffen erhob, brachte Integra´s Bodyguards ebenfalls dazu ihre Pistolen zu greifen und auf den Priester zu schießen. Doch dieser blieb unbeeindruckt und köpfte beide mit zwei nachlässigen Hieben seiner Bajonetten. Verrückt lachend wandte sich Andersen nun der Chefin der Organisation, Sir Integra Hellsing zu. Mir blieb nur der Bruchteil einer Sekunde, um die Situation zu erfassen. Dieser... wer auch immer es war... Mann stürmte mit erhobenen Schwertern, wie ein Psychopath lachend auf Integra zu, neben welcher bereits die toten Körper zwei unserer Männer lagen. Auch Seras schien getroffen und liebäugelte mit dem Boden. Ergebnis der Analyse: Der Typ war völlig durchgeknallt und durfte unter keinen Umständen an Lady Hellsing heran kommen. Seras war für den Augenblick außer Gefahr. Also legte ich einen Sprint hin, auf den sicherlich jeder Spitzensportler neidisch gewesen wäre (Aber gut, um fair zu bleiben, Vampirkräfte sind wirkungsvollster als jedes Doping) und stoppte die Klinge des Angreifers mit meiner eigenen, nur wenige Zentimeter vor Integra´s Kehle. Der Kerl war darüber alles andere als erfreut und knirschte wütend mit den Zähnen. Ohne mich umzudrehen fragte ich: „Sind Sie in Ordnung, Lady Integra?“ Diese nickte und antwortete: „Mir geht es gut.“ Ich erwiderte das Nicken zufrieden, ohne den blonden Mann aus den Augen zu lassen, an welchen Integra nun das Wort richtete: „Regenerationsfähigkeit, die Krone der Biotechnologie. Und Wunden heilen kannst du auch noch? Du Monster!“ Regenerationsfähigkeit? War der Mann der vor mir stand ein Regenerator? Die Wissenschaft stand eben niemals still. Der Regenerator bedachte mich mit einem geringschätzigen bis hasserfüllten Blick, ehe er sich wieder dem Oberhaupt der Hellsing Familie zuwand. „Ihr Missgeburten seid alle viel zu schwach! Ihr seid unter meiner Würde.“, knurrte er. Er sollte den Tag lieber nicht vor dem Abend loben, schließlich hatte er noch nicht gegen mich gekämpft. Apropos kämpfen. Wo war Master? „Euren ach so grossartigen Alucard...“, sagte der Blonde in diesem Augenblick, „.. habe ich geköpft! Ich habe ihm den Hals durchgeschnitten!“ Ich begann zu grinsen. Ich kannte meinen Master lang genug, um zu wissen was ihn nicht tötete. Integra meinte spöttisch lächelnd: „Geköpft? Ist das alles?“ „Was?“ Doch zu mehr kam der Mann nicht, denn hinter ihm hatte sich Seras erhoben, nachgeladen und die Waffe au ihn gerichtet. „Hände weg von Lady Integra, du Ungeheuer!“, brachte sie zwischen dem schweren Keuchen hervor. Der Regenerator begann zu kichern. Scheinbar waren ihm die auf ihn gerichteten Waffen und seine Gegner völlig gleich. „Du hast keine Chance, Andersen.“, sagte Integra völlig ruhig, „Tu dir selbst einen Gefallen und zieh dich schön brav zurück.“ „Pah. Red keinen Unsinn.“, machte er unbeeindruckt und sah jeden einzelnen von uns eindringlich an, „Ich werde euch alle zusammen...“ Hellsing´s Chefin unterbrach ihn mitten im Satz: „Dann beeil dich aber. Sonst steht der vermeintlich Geköpfte plötzlich wieder vor dir.“ „Wie bitte?“, rief Andersen aus, als plötzlich das vertraute Geräusch von Fledermäusen zu hören war, welche sich zu Schwärmen formierten und durch ein geschlossenes Fenster krachten. „Er hat nicht getrunken, der Idot.“, erklang da eine wohlbekannte Stimme, ehe der Schwarm der geflügelten Geschöpfe der Nacht den Priester attackierte. Ich lies mein Katana sinken. Andersen hatte keine Chance mehr. Nicht die gerinste. Somit bedurfte Integra meines Schutzes nicht mehr. Wütend knurrend schlug der Pater mit seinen Bajonetten nach den geflügelten Tierchen. „Ich habe ihn doch geköpft und das Herz durchbohrt.“, murmelte er ungläubig. Mein Grinsen wurde breiter und Integra´s und meine Blicke kreuzten sich. „Stell ihn nicht mit normalen Vampiren auf eine Stufe. So leicht stirbt Alucard nicht. So wie du ein Produkt der Anti-Monster Technologie bist, ist er das Ergenbis von 100 jährigen Forschungen der Hellsing Familie. Der stärkste Untote, den sie je hervor gebracht haben.“, erklärte die blonde Frau, nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme. „Vampir Alucard!“ Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, fügten sich die unzähligen Fledermäuse zu Master Alucard zusammen. Dieser wandte uns sein Gesicht zu, welches von einem breiten Grinsen geziert wurde und kicherte dunkel. „Master!“, rief Seras freudig aus und ich lächelte. „Na, was machst du jetzt, Andersen?“, fragte Integra den Agenten Iscariots und unsere Blicke ruhten herausfordernd auf demselben. „Verstehe.“, meinte der Priester schließlich, „Mit meiner jetztigen Bewaffnung kann ich ihn nicht töten.“ Und auch nicht mit deiner zukünftigen, fügte ich in Gedanken hinzu. In diesem Augenblick holte Andersen eine Bibel aus seinem Mantelinneren und schlug sie auf. „Wir sehen uns wieder, ihr Hellsing-Ritter.“ Seras schrie erschrocken auf, als sich die Seiten des Buches lösten, durch die Luft flogen und den Priester umkreisten. „Nächtes Mal bringe ich euch alle um!“, drohte Alexander Andersen, ehe er verschwand. Die Fenster des gesamten Flures zerbarsten und wenige Bibelseiten segelten zu Boden. Ich blinzelte, steckte mein Katana zurück in meine Saya und ging zu der sprachlosen Seras hinüber. „Hey, alles in Ordnung bei dir?“, fragte ich sie. Die Polizistin antwortete nicht. Sie schien unter Schock zu stehen. „Alles in Ordnung, Alucard?“, fragte Integra den wiederauferstandenen Vampir. „War lange her, dass mir jemand den Kopf abgerissen hat.“, gab er grinsend zu Antwort, „Also das war Pater Andersen?“ Ich wurde hellhörig. Besaß jemand die Freundlichkeit mich aufzuklären? „Verstoss gegen das Grenzabkommen... Verletzung mit Todesfolge unserer Organisationmitglieder... Der Vatikan steht knietief in unserer Schuld.“, murmelte Integra mit einem unbestimmten Lächeln, „Aber wir haben jetzt keine Zeit für Streitigkeiten mit dem Vatikan.“, fuhr sie fort und ich nickte bestätigend. „Ich habe die hiesigen Vampirfälle untersucht und eine wichtige Feststellung gemacht....“, begann ich, doch ein würgendes Geräusch lies mich inne halten. Seras hatte sich vorneüber gebeugt und übergab sich geräuschvoll. Sanft tätschelte ich ihren Rücken, ehe ich mich wieder aufrichtete. Integra seufzte schwer. Dann wandte sie sich an Master. „Na Alucard? Wie hat sie sich gemacht?“, fragte sie diesen. „Ah, die Polizistin? Ging so...“, antwortete er lachend und Seras kippte nach vorne. Nachdem sie sich aufgerappelt hatte, hob sie die Hand und rief: „Master!“ „Mh?“ „Nenn mich nicht immer Polizistin. Ich habe einen Namen: Seras Victoria.“ Alucard wandte sich ab. „Sei stil, du Hasenfuß.“, befahl er ruhig und blickte sie über seine Schulter an, „Für mich bist du die Polizistin.“ „Aber...“, versuchte das Mädchen zu widersprechen, doch der Vampir lies sich nicht beirren. „Du bist noch zu unerfahren für einen eigenen Namen.“, beharrte er und Seras lies enttäuscht den Kopf hängen. „Ich weiss zwar nicht, was dieser Streit jetzt soll, aber ...“, begann Integra, „Dafür haben wir jetzt keine Zeit.“ Im Hauptquartier der Hellsing Organisation angekommen, beschloss Integra, dass mein Onkel und meine Wenigkeit den merkwürdigen Gegenstand genauer unter die Lupe nehmen sollten. Es war eine Art Chip, nicht viel größer als eine Fingerkuppe. Nachdem wir den Chip ausreichend untersucht hatten, waren wir zu folgendem Ergebnis gekommen: Es war ein Chip, der als Sender diente, welcher den Vampiren eingepflanzt wurde, damit dieser den körperlichen und seelischen Zustand, Aktionen und Kampfgeschehenisse des Subjektes aufzeichnete und offensichtlich auch weiterleitete. Also waren die ganzen Vampirangriffe, die völlig willkürlich wirkten, keineswegs unkoordiniert und sinnlos gewesen. Vielmehr hatte die ganze Zeit über jemand im Hintergrund die Fäden in der Hand gehabt und zwar derselbe, der hinter diesen Chips steckte. Des weiteren hatten unsere Beobachtungen ergeben, dass keines der Vampiropfer selbst zum Vampir geworden war, selbst wenn die betreffende Person jungfräulich war. Möglicherweise diente es der besseren Kontrolle, denn Ghouls verfügten selbst über keinen Verstand und kein Urteilsvermögen mehr und machte sie somit zu idealen Sklaven der Vampire. Und nicht nur das, diese neuartigen Ghouls waren sogar in der Lage ihren Meister zu überleben. Wer auch immer dahinter steckte, unabhängig von seinem zweifelhaften mentalen Zustand, kannte sich offenbar gut mit Vampiren und Ghouls aus. Wir teilten Lady Integra die Ergebnisse und unsere Gedanken dazu mit. Sofort befahl sie Walter ihr eine Zigarre anzuzünden, ehe sie nach einigen Zügen zu sprechen begann: „Walter!“, sagte sie in einem Befehlston. „Ja?“ „Bitte informieren Sie alle Mitglieder des Round Tables. Wir werden über die vergangenen Ereignisse und die neusten Erkenntnisse reden müssen. Zu diesem Zweck möchte ich morgen Abend eine Versammlung abhalten.“ Mein Onkel deutete eine Verbeugung an. „Sehr wohl, Lady Integra.“ Auf ein Zeichen ihrerseits hin, verlies er hastigen Schrittes den Raum, offenbar um alles für die angekündigte Vollversammlung vorzubereiten. Nachdenklich betrachtete Integra den Chip, der nun auf ihrem Bürotisch lag. „Was soll das...?“, murmelte sie mehr zu sich selbst. Aber das fragte ich mich auch. Es war ein bis dato unvorstellbarer Gedanke, dass jemand irgendetwas erfand, um Vampire zu kontrolliere und zu überwachen und jeden x-beliebigen Menschen zu einem willenlosen Ghoul verwandeln zu können. Und ich dachte ich hätte in meinem 44 Lebensjahren einiges gesehen und erlebt. Nun ja, man lernt eben nie aus und jedes Mal ist man aufs Neue überrascht. Das Leben, bzw das was danach folgt, ist ein erstaunlicher Lehrmeister. Kapitel 14: Dead Zone 1 ----------------------- Dead Zone Es war am späten Nachmittag, als die angekündigte Vollversammlung des Round Tables stattfand, an der natürlich alle 12 Mitglieder teilnahmen. Die letzte Sitzung war bereits eine Weile her, da es dafür kaum einen Anlass gegeben hatte, doch nun war ein Ernstfall eingetreten, welcher ihrer gemeinsamen Aufmerksamkeit bedurfte und keinesfalls ignoriert werden durfte, darüber waren wir uns alle einig. Ich war von einer sehr kurzen, aber erfolgreichen Mission zurück gekehrt und hob grüßend die Hand, als ich an den beiden Wache stehenden Männer, Simon und Samuel vorbei lief, um der bevorstehenden Konferenz beizuwohnen. Meine Wenigkeit hatte von Lady Integra den Befehl erhalten, vor den Türen des Konferenzraumes Wache zu halten, um eventuellen ungebetenen Gästen und unerwünschten Ereignissen vorzeitig Einhalt zu gebieten. In diesen Zeiten wusste man schließlich nie, was einen erwartete und worauf man sich einstellen sollte und konnte. Wie üblich ergriff Sir Irons als erster das Wort und eröffnete somit die Versammlung. Als Leiter und einer der obersten der Versammlung der 12 stand ihm das eigentlich zu. „Lady Integra.“, begann er und richtete somit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Am Knarren seines Stuhles konnte ich hören, dass er sich feierlich aufrichtete, ehe er fortfuhr: „Es gibt doch sicher einen besonderen Grund, dass Sie uns zu einer Konferenz gerufen haben, Lady Hellsing?“ „So ist es.“, antwortete diese bestimmt. „So langsam sehe ich keine Möglichkeit mehr, die Ereignisse der letzten Zeit unter den Teppich zu kehren.“, beschwerte sich Sir Irons und ein Anderer gab zu bedenken: „Die Nachrichten sind nicht mehr zu manipulieren. Haben Sie keine Idee?“, fragte dieser ganz offenbar Lady Integra. „Doch.“ Alle schwiegen andächtig, um ihren folgenden Ausführungen zu lauschen: „Wir haben die Vampire und Ghouls, die wir bisher getötet haben genaustens untersucht und dabei haben wir etwas bemerkenswertes festgestellt.“ Sie machte eine bedeutende Pause, ehe sie ausrief: „Hier!“ Vermutlich hatte sie den Chip, den ich bei dem Beydlick Vorfall gefunden hatte, hervor geholt und zeigte diesen den Konferenzmitgliedern. „Was ist das?“, fragte Sir Penwood. „Es ist... so etwas wie ein Sender.“, erklärte Lady Integra ruhig, „Offenbar erkennen und senden sie den körperlichen und seelischen Zustand und das Kampfverhalten des Vampires.“ Ich hörte wie Stuhle gerückt wurden, als einige der Männer aufsprangen. „Was?“, rief nicht nur einer erstaunt aus. Integras ruhige Stimme unterbrach das nun herrschende Durcheinander: „Bei dieser Serie von Zwischenfällen haben wir es nicht mir normalen Vampiren zu tun. Die werden offensichtlich von jemandem gesteuert.“ Erneuter Tumult erhob sich, als die Männer untereinander begannen zu diskutieren. „Und noch etwas...“ Das Oberhaupt der Hellsing Familie lies sich nicht beirren und ich hörte, wie sie eine Zigarre in ihren Mund steckte und diese anzündete. „Es gibt noch etwas? Was denn?“, fragte einer der Männer ungläubig. „Die Ghouls. Normalerweise sind Ghouls Menschen, die im nicht mehr jungfräulichen Zustand vom Vampir gebissen werden. Aber diesmal ist es anders! Bei den Vorkommnissen der letzten Zeit ist keines der Opfer zum Vampir geworden, obwohl sogar Jugendliche und Kinder unter ihnen waren! Alle wurden zu Ghouls! Und normalerweise sterben Ghouls zusammen mit ihrem Vampir. Doch in Beydlick war alles voll von ihnen, obwohl Pater Andersen den Vampir bereits getötet hatte.“ Kaum hatte Integra ihre Erklärungen abgeschlossen, sprangen die übrigen Konferenzteilnehmer wieder auf und diskutierten angeregt. „Das kann doch nicht wahr sein!“, kam es von einem. „Unmöglich!“, rief ein anderer. Ein lautes, klar zu vernehmendes und durchdringendes Händeklatschen tönte wie ein Schuss durch das Durcheinander. „Bitte, meine Herren, beruhigen wir uns.“ Innerhalb von wenigen Augenblicken hatte Sir Irons die Situation unter Kontrolle und seine Kollegen soweit beruhigt, sodass sich alle wieder setzten. „Es bringt nichts, wenn wir jetzt den Kopf verlieren. Stattdessen sollten wir uns um eine vernünftige Lösung und eine genaue Erklärung des vorliegenden Problems kümmern. Wenn wir wissen, was oder wer dafür verantwortlich ist, können wir gezielt dagegen vorgehen und uns des Problems entledigen.“ Das musste man Sir Irons lassen. Er war der ruhige Pol, wenn alles um ihn herum ins Chaos versank. Der sture, alte Eselskopf wusste eben doch mit Worten, seinem Amt und seinen Mitmenschen, die es zu beschwatzen galt, umzugehen. Jedenfalls in dieser Hinsicht. Doch mehr von der Konferenz bekam ich nicht mehr mit, da ein durchdringender Schrei, der aus dem Keller kam, zu mir durchdrang. Seras! Beunruhigt wandte ich mich mental an Lady Integra, dazu hatte ich übrigens ihr Einverständnis, und bat sie meinen mir zugeteilten Posten verlassen zu dürfen, um im Keller nach dem Rechten zu sehen. Als sie mir die Erlaubnis erteilte, sprintete ich sofort los, meine Hand achtsam an meinem Katana. Doch statt dutzender Feinde, bestehend aus Vampiren und Ghouls, fand ich in Seras Zimmer meinen Master, meinen Onkel und eine, aus welchem Grund auch immer, strahlende Seras vor. Ich runzelte die Stirn. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich die Anwesenden. Alucard grinste und Walter antwortete: „Alles in bester Ordnung.“ Auch Seras nickte. Dann wandte Walter sich dem dunkelhaarigem Vampir zu überreichte ihm eine Holzschatulle, welche er offensichtlich mitgebracht hatte. Er legte sie vor sich auf dem Tisch ab, ehe er die Kiste öffnete. In rotem Samt lag darin eine schwarze Pistole mit der dazugehörigen Munition. Alucard sah interessiert auf. „Das ist ja...“ „Eine Jackal. Eine Anti Monster Handfeuer Waffe.“, erklärte Walter, ehe er mit den Besonderheiten der neuen Waffe fortfuhr, während Alucard diese prüfend in die Hand nahm. „Sie benutzt nicht die Munition der bisherigen frisierten Casul 454, sondern erstmals Spezialmuntion. Länge 39cm, Gewicht 16 kg, sechs Schuss. Ein normaler Mensch kann damit nicht umgehen. Spezialmunition 13 mm Explosionsgeschosse aus Stahl.“ „Und die Patronenhülsen?“, fragte der sichtlich beeindruckte, neue Besitzer. „Reines Silber aus Macadium.“ „Welches Pulver?“ „Mabelles NN49, chemische Ummantelung.“ „Und der Sprengknopf? Sprengstoff oder Quecksilber?“ „Quecksilber, rituell geweiht.“ Alucard nickte zufrieden und wandte sich an den Butler. „Perfekt, Walter.“ Dieser deutete eine Verbeugung an. „Besten Dank.“ Auch ich bewunderte die neue Pistole meines Masters. Sie sah optisch gut aus und schien auch ansonsten einiges drauf zu haben. Da wurde man glatt etwas neidisch. „Hiermit kann ich selbst Andersen zur Strecke bringen.“, meinte der Vampir zufrieden und lud das Magazin in die Waffe. „Oh...“, machte Seras zweifelnd und betrachtete die Pistole. „So eine tolle Waffe ist das?“ Man blieb ihr die Antwort schuldig, denn mein Onkel hob nach Aufmerksamkeit suchend einen Arm und meinte: „Ihre Waffe habe ich auch erneuern lassen, Frau Polizistin.“ „Eh?“ Unter dem Tisch zog der alte Mann eine Kiste hervor, die größer und offenbar auch schwerer war, als er selbst. Dann holte er die angekündigte Waffe aus der Schatulle und stellte sie neben sich, während er die Besonderheiten des Gewehres nannte: „30 mm Anti Freak Kanone Halconnen. Granaten aus angereichertem Uran und explosiven Kampfgeschossen. Zerstört alle Waffensysteme zu Lande und zu Wasser, außer MTP Panzer.“ Seras begann zu zittern und jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Wa....! Wa...!“, stotterte sie, ehe es aus ihr herausbrach: „Das soll meine Waffe sein?!“ Ihr Schrei war bestimmt im gesamten Anwesen zu hören gewesen. Ich schüttelte grinsend den Kopf und wandte mich meinem Onkel zu: „Ich nehme an, unsere Polizistin ist überwältigt.“ Alucard stimmte dem amüsiert zu und ich klopfte auf die Schulter des blonden Mädchens, welches das Gesicht verzogen hatte. Man sah ihr an, dass sie mit ihrer neuen Waffe alles andere als zufrieden war. Natürlich das Teil war etwas unhandlich, aber sei es drum, wenn es seinen Zweck nicht verfehlte, nämlich Ghouls und Vampire effektiv um die Ecke zu bringen. Schade, dass man ein Katana nicht sonderlich verbessern konnte. Ich hätte nicht gerade Unlust gehabt auf ein kleines Update. Ich betrachtete die Waffe, die an meiner Hüfte befestigt war. Aber dieses Stück Stahl würde ich nicht missen wollen, schließlich war es eine Art Erbstück und ich hing auf die eine oder andere Weise daran. Sentimentalitäten, wirklich. Ich seufzte unmerklich und hob den Blick. Das Szenario hatte sich in den wenigen Sekunden, die ich in Gedanken versunken gewesen war, natürlich kaum verändert. Seras betrachtete noch immer unglücklich ihren neuen Gefährten und Alucard erfreute sich an seiner Jackal. Mein Onkel kam zu mir und legte eine Hand auf meine Schulter. „Glaube nicht, dass ich dich vergessen habe.“, meinte er und ich horchte interessiert auf. Bekam ich doch eine neue Superwaffe? Mir drohte die Kinnlade herabzufallen, als mein werter Onkel statt einem Gewehr, einer Pistole oder wenigstens einem Messer ein mir wohl bekanntes kleines, weißes Döschen hervorholte. Oh nein. „Deine Pillen für diese Woche.“, erklärte er und drückte mir die Dose in die Hand. Meine Gesichtsmuskeln waren wie eingefroren und ich musste mich dazu zwingen zu blinzeln. Bitte, wer auch immer, lass das die Anderen nicht gehört haben. Hastig lies ich die Pillen und Tabletten in meiner Tasche verschwinden. Ich glaubte eine gewisse Schadenfreude auf Seras´ Gesicht zu sehen und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Zu allem Überfluss bemerkte ich, wie sich ein Grinsen auf dem Gesicht meine Masters, welcher in meine Richtung blickte, ausbreitete. Ich spürte, wie das Blut in meine Wangen schoss und ich errötete unwillkürlich. Gerade als ich erwog, aus dem Raum zu stürmen, im Erdboden zu versinken oder mich in Luft aufzulösen, kramte mein Onkel unter dem Tisch eine weitere Kiste hervor, die ich bis dato noch nicht bemerkt hatte. Daraus holte er eine Gewehr, welches er mir überreichte, während er erklärte: „Das ist die Midian 2, Quincey. Ein modifiziertes halbautomatisches Gewehr. Länge: 135 cm. Gewicht: 50 kg. Kaliber 25 mm. “ Glückselig grinsend betrachtete ich meinen neuen Gefährten. Das war definitiv besser als die Vitaminpillen und Tabletten. Mit dem dafür vorgesehenen Riemen hängte ich mir die Waffe über den Rücken, sodass es mir nicht in die Quere kommen würde, wenn ich mein Katana ziehen wollte. In diesem Augenblick glaubte ich mehrere aufeinander folgende Schüsse zu hören und das gleichmäßige Geräusch von Stiefeln, welche im Marsch näher kamen. Dann folgte ein kurzes flackern der Lichter im Anwesen und weitere Kampfgeräusche. Schüsse, verzweifeltes Rufen, manisches Gelächter und schließlich Todesschreie. Ich starrte nach oben, an die Decke. Was zur Hölle ging dort oben vor sich? Ich schloss mich mit den anderen kurz und bis auf Seras waren sich alle über die aktuelle Situation völlig im klaren. Das schrille Klingel das Telefon durchschnitt unsere Gespräche und Walter ging zu dem Gerät, um den Hörer abzunehmen. Ich konnte Integra´s Stimme vernehmen: „Walter! Walter, wo sind Sie?“ „Hier, Mylady. Ich bin im unterirdischen Zimmer von Miss Seras.“, gab der Butler zur Antwort, „Ich bin über die gegenwärtige Lage im Bilde. Die Leitungen sind unterbrochen. Ich denke die Militärpolizei wird in 4-5 Stunden hier sein. Bis dahin müssen wir die Konferenzteilnehmer bis aufs Blut verteidigen.“ „Was sollen wir tun?“, fragte Integra nach. „Es gibt einen Durchgang zum Konferenzraum. Verteidigen Sie den Eingang. Alucard, Alexandra und Miss Seras sind hier bei mir.“, erklärte mein Onkel, „Wir teilen uns auf. Zwei kommen Ihnen zu Hilfe und die anderen gehen zum Angriff über! Wie wäre das?“ „Aber wie wollen Sie hierher kommen? Der Weg ist voller Ghouls.“, gab die Gesprächspartnerin zu Bedenken. Natürlich hatte Walter auch darauf die passende Gegenfrage, welche zugleich die Antwort war: „Wie sind Sie vor zehn Jahren zu Alucard hinunter gekommen?“ „Durch den Lüftungsschacht?“, erwiderte Integra fragend. „Genau.“, bestätigte Walter, „Warten Sie einen Moment. Wir sind gleich bei Ihnen!“ Ehe mein Onkel auflegte, sagte Integra: „Walter... Die Kerle haben unsere Leute gefressen! Das sollen sie büßen! Sie dürfen dieses Haus nicht lebend verlassen!“ In diesem Augenblick blitze es neben dem älteren Mann auf. Man musste genau hinsehen, um die hauchdünnen Drähte zu sehen, welche ihn umgaben und ihm für gewöhnlich als Waffe dienten. „Aber ja, Mylady. Verlassen Sie sich auf mich.“, erwiderte Walter. Der Hauch eines Lächelns lag auf seinem Gesicht, als er den Hörer auflegte. Er, Master und ich grinsten uns vielsagend an. Nur Seras war irritiert und schien sich nicht auf den bevorstehenden Kampf zu freuen. „Na, kriegen wir bald wieder den Todesengel in Aktion zu sehen?“, fragte Alucard grinsend. Seras riss die Augen auf. „Was?“ Sie sah fragend in die Gesichter aller Anwesenden und hoffte offensichtlich auf eine Antwort. „Was soll das heißen?“, harkte sie nach. „Das wirst du gleich verstehen.“, gab Alucard ihr zur Antwort, ehe Walter hinzufügte: „Ein Veteran und eine Anfängerin. Wir geben ein gutes Team ab.“ Er begann zu lachen und Master meinte: „Diesmal könnte es lustig werden.“ Mit diesen Worten löste sich seine Erscheinung in Nichts auf und er verschwand. Seras´ Gesichtsausdruck sprach Bände. „Gibt es denn keine normalen Menschen in dieser Organisation?“ Die Frage schien an alle und niemanden gerichtet zu sein, dennoch antwortete ich ihr grinsend, während ich meine neue Waffe schulterte: „Ich befürchte nein.“ Ergeben seufzte sie tief auf und lies sich von mir und Walter in dem Luftschacht bugsieren. Er folgte souverän mit einem elegantem Sprung, welcher sein Alter Lügen strafte. Ich versicherte mich, dass die Beiden sich sicher durch den Schacht quetschten, ehe ich die Öffnung wieder mit dem Gitter verschloss. Kapitel 15: Dead Zone 2 ----------------------- Dead Zone 2 Der Gegner hatte bereits den ersten und den zweiten Stock übernommen. Mein Onkel und Seras würden den Gegner im dritten Stock daran hindern, auch noch diesen und somit den Konferenzraum und dessen Teilnehmer zu überrennen. Alucard und mir wurde also die Aufgabe des Angriffs zu teil. Wie ich meinen Master kannte, würde er auf einen würdigen, herausfordernden Gegner warten und diesen in guter alter Alucard-Manier auseinander nehmen, statt sich um die Ghouls zu kümmern. Ich würde mich mit den Fußsoldaten, die in Vielzahl vorhanden waren, herum schlagen. Klang nicht herausfordernd und wirkte, als übertrüge man mir die Drecksarbeit, aber es war ein wichtiger Teil der ganzen Aktion. Abgesehen davon, dass die Überzahl der Gegner schier erdrückend war und man sie dezimieren musste, waren Ghouls ziemlich hartnäckige Gegner. Mit Intelligenz waren sie nicht gesegnet, aber ihre Widerstandsfähigkeit war bemerkenswert. Bei manchen reichte es nicht einmal, wenn man sie köpfte. Die liefen einfach weiter. Also war es von höchster Wichtigkeit, dass man sich ihnen mit vollster Aufmerksamkeit widmete. Außerdem genügte es laut unserer neusten Erkenntnisse nicht den Erschaffer der Armee zu töten. Folglich musste man sich tatsächlich jedem einzelnem Ghoul annehmen, plus die beiden Vampire, die sich im Gebäude befanden. Einer der beiden Vampire führte die untote Armee an, der andere erkundete offensichtlich alleine das Hellsing Hauptquartier. Um die Fragen vorzubeugen, woher ich das wusste: Wenn sich ein Vampir genügend konzentrierte konnte er quasi die Anwesenheit anderer Lebewesen spüren. Andere Vampire glommen in diesem Falle beinahe wie Kerzen in der Dunkelheit, da ihre Aura eine andere ist, als bei einem normalem Menschen. Und somit konnte man zumindest den groben Aufenthaltsort bestimmen. Der eine befand sich, wie erwähnt, an der Spitze des Eroberungszuges und würde somit von Walter und Seras in Empfang genommen. Der andere schien zielstrebig nach etwas zu suchen und kam meinem Master dabei immer näher. Ob er sich ebenfalls auf der Suche nach einem würdigeren Gegner befand? Nun gut, Master würde es sicher begrüßen. Das ersparte ihm das lange Warten. Zu meinem eigenen Erstaunen war die Eingangshalle ziemlich leer. Vermutlich hatte der Vampir auf seinem Eroberungszug alle Ghouls mit zum Konferenzraum genommen. Ich konnte die Ghouls die Treppen und Gänge herauf und herum stiefeln hören, also würde ich ihnen wohl nach oben folgen. Doch zunächst erregte etwas anderes meine Aufmerksamkeit. Ich lies die Quincey, die ich die ganze Zeit über im Anschlag gehabt hatte, sinken und nährte mich langsam den toten, verengten Körpern, die ausgestreckt und in ihrem eigenem Blut, manche an der Wand und manche auf dem Boden lagen. Bedächtig ging ich in die Hocke. Dies alles wachen Angestellte, Wachen und Soldaten der Organisation gewesen. Die Meisten davon kannte meine Wenigkeit zumindest vom Sehen her, doch was meinen Blick wirklich fing, waren die vier Leichen direkt vor der großen, schweren Eingangstür. „Verdammt...“, fluchte ich Zähne knirschend und ging vor den Gefallenen in die Knie. „Jim... Henry... Jack... Thomas....“, flüsterte ich beinahe ungläubig die Namen der Soldaten, die bei dem Versuch gefallen waren, die Eindringlinge daran zu hindern das Anwesen zu betreten. Sie hatten in vorderster Front tapfer gekämpft, doch die schiere Übermacht des Gegners hatte sie schließlich bezwungen. Nicht nur, dass man sie brutal niedergeschossen hatte, höchst vermutlich auch noch nachdem sich ihre Körper schon lange nicht mehr gerührt hatten, nein. Die Vampire und die Ghouls hatten es tatsächlich gewagt sich an ihrem Fleisch gütlich zu tun. Diese Schweine. Ich biss mir auf die bebende Unterlippe und nahm meine Waffe wieder in Anschlag. Sie hätten es ganz sicher nicht gewollt. Zu Ghouls zu werden, wäre das Letzte gewesen, was sich diese tapferen Soldaten gewünscht hätten. Also tat ich ihnen diesen letzten Gefallen, nicht nur als Soldatin der Hellsing Organisation, sondern auch als Kameradin und Freundin. Ich wandte den Blick nicht ab, als ihre Schädel explodierten und ihre Gehirnmasse und das Blut spritzte. Nach getaner Arbeit erhob ich mich, wischte das Blut der Männer von meiner Wange, straffte meine Schultern und salutierte ernst. „Ruht in Frieden.“ Nachdem ich meinen gefallenen Freunden meinen Respekt gezollt hatte, lies ich den anderen Soldaten dieselbe Behandlung zukommen. Dann funkelte ich Richtung Treppe und erster Stock. Das würden sie büßen. Sie alle. Dieses Anwesen würde keiner von ihnen mehr lebend verlassen, dass schwor ich im Stillen mit geballter Faust den gefallenen Männern. Ich fuhr herum, als durch das Eingangsportal zwei Ghouls mit ausgestreckten Armen und weit geöffneten Mündern auf mich zu kamen. Samuel. Simon. Die Beiden waren wohl die ersten Opfer der Eindringlinge gewesen. Am Schädel der beiden konnte sie erkennen, dass Samuel mit einem gezielten Kopfschuss niedergestreckt worden war. Simon hingegen war völlig mit Kugeln durchsiebt worden. Doch zumindest war von auszugehen, dass die Beiden nicht mitbekommen hatten, wie die Ghouls ihre Zähne und Klauen in ihr Fleisch geschlagen hatten. Ein schwacher Trost, dachte ich bei mir, ehe ich auch ihnen gegenüber meine letzte Pflicht erfüllte. Ohne Rücksicht auf untote Verluste, lief ich im Schnellschritt die Treppen hinauf und knallte jeden Ghoul ab, der in Reichweite war und mir in Sichtweite kam. Nur wenn ich nachlud, verlangsamte ich meinen Schritt, ehe ich wieder voll konzentriert und erbarmungslos die Feinde niedermähte. Wenn sie zurück schossen und mich erwischten, war mir das gleich. Ich spürte den Schmerz kaum. Viel größer waren die Wut und die Trauer über das Eindringen und die gefallenen Kameraden. Das waren Fleischwunden. Die würden verheilen. Doch meinen Gefühlen musste ich Luft machen. Mit einem tierischen Aufschrei stellte ich mich der nächsten Gruppe. Das ganze hatte inzwischen seinen ganz eigenen Rhythmus gefunden. Rennen, ab ballern, nachladen, weiter rennen, mit der Waffe drauf halten und weiter. Wenn jetzt noch die passende Musik im Hintergrund gespielt hätte, ich glaube das wäre ein actionreiches Musikvideo geworden. Aber das Hämmern der Stiefel auf dem Boden, die Schussgeräusche der Gewehre und das Blutrauschen im meinem Kopf war ein guter Ersatz für Rock, oder Metal Musik. In Windeseile hatte ich den ersten Stock komplett gereinigt, doch der Vampir war nicht hier gewesen. Höchst wahrscheinlich war er bereits im zweiten Stock und somit bei den Konferenzräumen angelangt. Unter anderen Umständen hätte ich mir wohl mehr Sorgen gemacht, doch ich wusste, dass mein Onkel und Seras zum Schutz Integra´s und der Konferenzteilnehmer eben diesen Stock und den Flur zum Konferenzraum verteidigen würden. Den Kampfgeräuschen nach zu schließen, waren sie bereits voll in ihrem Element. Solange die Polizistin einige Treffer mit ihrer neuen Waffe landen und mein Onkel sich nicht erwischen lassen würde, würden sie das Ding ganz sicher schaukeln. Ich bedauerte beinahe nicht dem Kampfgeschehen beiwohnen zu können. Nicht, das mir hier unten langweilig gewesen wäre. Nein. Es war viel mehr, dass ich meinen Onkel gerne mal in Aktion erlebt hätte. Ich kannte seine Taktiken, seinen Kampfstil und seine Waffe vom Training her, doch ich hatte ihn noch nie in einem tatsächlichen Kampf erlebt. Doch wenn Alucard ihn als Todesengel, Shinigami, bezeichnete, dann lies das darauf schließen, dass sein Geschick seit seinen Jugendtagen, von denen er zu erzählen pflegte, wenn ich ihm als kleines Mädchen lange genug auf den Geist gegangen war, kaum bis gar nicht nachgelassen hatte. Vielleicht ein anderes Mal. Nun hatte jeder seine eigene Pflicht zu erfühlen und da blieb keine Zeit und auch kein Platz für derartige, beinahe egoistische Wünsche. Meine Arbeit war noch nicht getan. Neben den Ghouls, die eingedrungen waren, erlöste ich auch alle Soldaten, über die ich auf dem Weg nach oben stolperte. Ich hatte das Stockwerk etwa zur Hälfte gereinigt, als mich eine seltsame Empfindung, eine Art ungutes Gefühl, inne halten lies. Was war das? Das war eine Vampiraura, da war ich mir ziemlich sicher. Aber sie hatte etwas wildes, bestialisches an sich. Sie erinnerte an ein verletztes Tier, was nun völlig in Rage war und blindlings um sich schlug. Doch wer... Seras! Alle anderen Möglichkeiten hatte ich binnen Sekunden ausgeschlossen. Master und der eine Vampir waren unten in den geheimen Räumen im Keller. Der andere Vampir befand sich im Stockwerk über mir. Ihre Auren waren völlig unverändert und meine eigene konnte selbstverständlich nicht in einem solchen Masse orten. Wäre ja auch eher nutz- und sinnlos. Also blieb nur das blonde Mädchen über. Was wohl geschehen war, dass sie so aus der Fassung geriet? Vermutlich war sie im Kampf doch in die Enge getrieben worden und das hatte ihren Vampirinstinkt und gewissermaßen ihren Überlebensinstinkt geweckt und verstärkt. Sie war nun eine herzlose Killermaschine, also alles andere als das Mädchen, dass ich kennen gelernt hatte. Ich stürmte die Treppe hinauf. Folgender Anblick bot sich mir: Der Flur war mit zerschmetterten und zerteilten Ex-Ghouls übersät. Mitten im Flur standen einige unserer Soldaten, nun ebenfalls Ghouls und schienen irgendwas, oder irgendwen zu umzingeln. Doch lange standen sie nicht. Mit einem gewaltigen Aufschrei zerteilte Seras die Ghouls mit ihren bloßen Händen. Ihre Augen leuchteten rot und ihre Gesicht war eine bestialische Fratze der Wut. Aber nicht nur Wut, war es, was das Mädchen verspürte. Nein, auch Freude funkelte in ihren Augen. Die Kampflust und die Freude am Töten dominierten ihr Verhalten. „Seras!“, konnte ich Integra rufen hören, „Polizistin!“ Lady Hellsing rannte auf die Draculina zu und schlang ihre Arme um das Mädchen, um es daran zu hindern noch weitere ehemalige Mitarbeiter der Organisation in der Luft zu zerreißen. „Es reicht! Es ist gut jetzt, Seras. Genug. Nun hör schon auf.“, bat sie. Beinahe augenblicklich kam das Mädchen zu sich und sah sich mit einem erschrocken Schrei ihr Werk an. Das Schlimmste daran war wohl, dass sich die Ghouls noch bewegten und vor Schmerz grölten. Seras hatte zwar ihre Körper zerfetzt, ihre Köpfe und Herzen aber noch intakt zu lassen. Mein Onkel hatte inzwischen den von Kugeln zersiebten Vampir gestellt. Dieser saß mit nur einem Arm und blutend auf dem Boden mit dem Rücken an die Wand gelegt. „Schachmatt, Kleiner.“, meinte Walter. „Bring´s hinter dich, alter Greis.“, sagte der Vampir schwer atmend. „Ich bring dich erst um, wenn du mir verraten hast, wer eure Hintermänner sind.“, widersprach der Butler. „Ihr denkt euch das zu einfach.“ Der Vampir grinste keuchend. Integra, Seras und meine Wenigkeit kamen hinzu. „Hi, du Bitch.“, begrüßte der Vampir die Chefin der Organisation. Wütend feuerte diese einige Schüsse auf den Kerl ab. „Reiss dein Maul nicht zu weit auf!“, sagte Integra laut, „Ich bin jetzt ernstlich sauer.“ Der Vampir, der vornüber gefallen war, lachte laut, während sich sein Blut auf dem Boden ausbreitete. „Wer seid ihr?“, fragte Lady Hellsing, „Was fällt euch ein, hier so ein Theater zu veranstalten?! Wer zieht hier die Fäden? Antworte!“ Die letzten Worte brüllte sie beinahe heraus. Der Vampir hatte sich wieder so weit aufgerichtet, dass er mit seinem Rücken gegen die Wand gelehnt saß. Doch statt zu antworten, begann er wieder hämisch zu lachen. „Hör auf zu lachen!“, brüllte Integra. Ich starrte den Vampir an. Wenn ich mit ihm fertig war, würde ihm das Lachen sicher vergehen und unsere Informationen hatten wir dann auch. Ein paar Tritte und gut platzierte Schläge würden seine Zunge schon lockern. Normalerweise war ich ja der eher gelassene Typ, aber konnte man es mir verübeln, dass ich die Aktionen des Kerls nicht gutheißen konnte? Er weckte in mir eine tief verborgene Wut, die ich nun zu gerne ausleben würde. Und zwar produktiv. Schmerzen, bzw. das Ausbleiben Derselbigen gegen Auskünfte und Informationen. Das war nach dem Theater mehr als nur fair. Und sein selbstgefälliges, hämisches Lachen, ging mir langsam auf den Zeiger. Meine Fäuste ballten sich instinktiv und ich trat einen Schritt vor, um ihm eins zu verpassen. Ich bin mir ziemlich sicher, ich brach die Nase des Vampirs, denn es krachte ordentlich und Blut spritze aus seiner Nase. „Fuck!“, fluchte er und ehe er sich aufregen konnte, machte sein Kinn Bekanntschaft mit meinem Stiefel. „Antworte!“, forderte Integra noch einmal drohend, nachdem sie mir zu verstehen gegeben hatte, dass ich den Rest seines Gesichtes erst einmal in Ruhe lassen sollte. Möglicherweise auch, weil es sich mit einem Stiefel quer über´m Gesicht nicht so gut sprach. „Ich nehme an, ihr wisst schon das alles. Das alles was ich hier tue, durch die Apparate in meinem Körper an die Typen übermittelt wird.“ Er sprach wohl von den Chips, die wir auch bei den anderen Vampiren und Ghouls gefunden hatten. „Auch, dass unsere Mission gescheitert ist, kriegen die jetzt mit. Glaubt ihr etwa, die Typen lassen mich leben, wo ich gerade dabei bin alles auszuplaudern?“ Kaum hatte der Vampir diese Worte ausgesprochen, da ging er plötzlich in Flammen auf. Völlig wörtlich. „Wa..?!“, begann Integra erschrocken. Sofort schirmte mein Onkel sie vor den Flammen ab. Der Vampir lachte völlig irre. „Gwahahaha. Ha ha ha! Ihr Idioten. Ich verrate euch was. Aber nur ein bisschen. Weil du dich so ins Zeug gelegt hast, Bitch.“ Er zeigt uns seinen Mittelfinger, während seine Hand begonnen hatte Feuer zu fangen. „Millenium.“ Mit diesem letzten Wort verbrannte schlussendlich der gesamte Körper und fiel zu Boden, wo er allmählich zu Asche wurde. „Millenium?“, wiederholte Lady Hellsing langsam. Ich meinte irgendeine Glocke in der hintersten Ecke meines Gehirnes klingeln zu hören. Millenium. Irgendetwas schien das Wort in mir wach zu rufen. „Ist alles in Ordnung, Mylady?“, fragte mein Onkel besorgt und drehte sich zu seiner Dienstherrin um. „Ja.“, antwortete diese und sah mit mitleidvollem Blick auf die sich am Boden krümmenden Ghouls, „Aber befördert nun bitte die da ins Jenseits.“ „Ja, Sir.“, antwortete Walter und ich nickte. Ich legte gerade meine Hand an den Griff meines Katanas, da meinte eine Stimme hinter uns: „Nein, lieber doch nicht, Walter, Alexandra.“ Wir drehten uns zu Sir Irons um, welcher eine Integra eine Pistole anbot und diese mit erbarmungslosem Blick ansah. „Das ist eine Arbeit für den Oberfehlshaber. Lady Integra. Sie müssen es tun. Es ist ihre Pflicht.“ „Sir Irons, aber das ist...“, versuchte mein Onkel zu widersprechen, doch diese unterbrach ihn: „Nein! Keine faulen Ausreden! Dieses Debakel hätte irgendwie verhindert werden müssen. Alle Verantwortung liegt bei Ihnen, denn Sie haben das Kommando.“, lies er Integra wissen, „So ist es doch, oder? Ob die hier nun tot, oder untot sind, daran tragen Sie allein die Schuld.“ „Sir Irons!“, ereiferte sich Walter laut, um seiner Herrin bei zustehen, doch diese trat vor, um die Waffe, die ihr immer noch dargeboten wurde, entgegen zu nehmen. „Walter... Ich stelle mich meiner Aufgabe. Ich übernehme die ganze Verantwortung.“ Schweren Herzens richtete sie den Lauf der Waffe auf den Kopf eines Ghouls. „Walter, finden Sie raus, was mit „Millenium“ gemeint ist.“, befahl Sir Irons meinem Onkel, „Ich will gründlichste Recherche! Und zwar sofort!“ „Ja, Sir. Selbstverständlich.“, antwortete Walter ergeben und verbeugte sich kurz, ehe er von dannen ging. „Das soll mit Zins und Zinseszins vergolten werden.“, sagte Sir Irons düster und ging zurück zu den anderen Mitgliedern des Round Tables, die entweder immer noch auf ihren Stühlen saßen, oder auf dem Gang, oder im Zimmer umher standen. Seras wandte betroffen den Blick ab, als Integra einen Ghoul nach dem anderen von seinem Dasein erlöste. Ich spürte Sir Irons bohrenden Blick, da ich eine Hand immer noch an meinem Katana hatte, aber es wäre alles andere als klug seine Autorität zu untergraben, also beschloss ich meinem Onkel bei seinen Recherchen behilflich zu sein und folgte ihm. Während sich mein Onkel zum Größten Teil auf Telefonate und Gespräche beschränkte, durchforstete ich Bücher, Zeitungsartikel und diverse Schriften, ebenso, wie das Internet. Walter stieß auf okkulte Zirkel und Star Wars Fanzirkel. Ich fand bei meinen Recherchen lediglich heraus, dass es eine Band gab, die Millenium hieß. War aber eher unwahrscheinlich, dass diese etwas mit unserem Fall zu tun hatte. Zudem erschloss sich mir die lateinische Bedeutung des Wortes, die da übersetzt heißt: Jahrtausend. Ich lehnte mich seufzend im Stuhl zurück und sah meinen Onkel vielsagend an. Auch dieser war nicht sonderlich zufrieden mit den Ergebnissen, war sich aber sicher, dass wir unser Bestes getan hatte und ging, um Lady Hellsing den Ertrag unserer Recherche mitzuteilen. Kapitel 16: Mercenaries ----------------------- Mercenaries Das dritte Reich. Nazi Deutschland. Das war eine andere der bisher bekannten Bedeutungen des Wortes Jahrtausend. Warum hatte ich nicht zuvor daran gedacht? Jetzt fügten sich allmählich alle Puzzle Teile zusammen. Diese Vampire von heute und den vergangenen Jahren und diese Vampire von damals. Millenium. Die Swastika. Das Hakenkreuz. Nazis. Ich sah zum Himmel, wo der Mond rund am Himmel stand. Während ich die schwarze Wolken, die an ihm vorbei zogen musterten, ging ich im Kopf alles durch. Nazis, oder auch Nationalsozialisten. Hitler. Der Führer. Jeder kannte, zumindest grob die Geschichte, die sich um 1933 und die darauffolgenden Jahre abgespielt hatte. Hitler´s Aktionen mündeten im Zweiten Weltkrieg und führten schlussendlich zu seiner Niederlage 1945. Soweit ich wusste erschossen sich viele seiner Anhänger, oder tauchten im Ausland, vorzugsweise Amerika unter. Dazu benutzten sie so genannte Rattenlinien, die man auch Klosterrouten, dank der Beteiligung der katholischen Kirche, nannte. Ratten. Ein wirklich treffendes Wort. Aber was hatte das Ganze nun genau mit Millenium zu tun? War es eine Vereinigung? Eine Organisation? Wenn ja, woher bezogen sie ihr Wissen, was Vampire anbelangt? Was war ihr Ziel? Ein neuer Krieg? Die Weltherrschaft? Unsterblichkeit? Ich wurde aus meinem Gedanken unterbrochen, als mich Seras beim Namen rief. Ich sah herab und sah sie unter mir im Garten, sich suchend um blickend. Ich zögerte nicht lange, sondern sprang vom Dach herab und landete hinter Seras. „Anwesend.“ Das Mädchen zuckte erschrocken zusammen und drehte sich mit klopfenden Herzen zu mir um. „Alex... Du hast mich erschreckt.“ „Sorry. Also? Was gibt es?“ „Lady Integra schickt mich.“, erklärte sie, „Wir beide sollen die Söldner, die Walter engagiert hat, in Empfang nehmen.“ In Empfang nehmen? So so. Ich nickte nur. „Alles klar.“ Ich hatte wirklich für einige Minuten vergessen, dass mein Onkel eine Gruppe Söldner als Ersatz für unsere gefallenen Soldaten eingestellt hatte. Diese mussten wohl inzwischen angekommen sein und sich im Anwesen befinden. Vom Eingangsbereich aus konnte ich die Männer im Empfangszimmer bereits ungeduldig miteinander murmeln hören. Anscheinend hatte jemand, vermutlich mein Onkel, sie bereits ansatzweise bezüglich ihrer zukünftigen Tätigkeit aufgeklärt, denn es fielen die Worte „Monster“und „Ausrotten“. Auch, wenn diese eher skeptisch ausgesprochen worden. Integra trat Seras und mir im Flur entgegen und nickte mit dem Kinn auf die Tür. „Diese Burschen müssen noch von der Existenz von Monstern überzeugt werden.“, meinte sie knapp und ihr Blick blieb schließlich an Seras hängen, „Gib ihnen eine Kostprobe, Polizistin.“ Die Blonde lief rot an und deutete unsicher auf sich selbst. „I..ich?“ Sir Hellsing nickte schlicht. „Ja.“ Damit war das Thema für sie beendet und sie öffnete die Tür. Seras und ich folgten ihr wie ein Schatten. „Haha! Ein guter Witz.“, meinte einer der Söldner gerade grinsend und die anderen stimmten in sein Gelächter ein. „Es ist wahr.“, erwiderte Integra pragmatisch und zog somit die Aufmerksamkeit aller anwesenden Männer auf sich. „Eure Gegner sind nicht alternde, unsterbliche, blutsaugende Vampire. Unser Job ist es, immer Knoblauch und Weihwasser mit uns zu führen, den Biestern Pflöcke aus unbehandeltem Hoz in die Brust zu rammen, ihre Hälse abzuschneiden, ihre Leichen zu verbrennen und die Asche auf einer Weggabelung zu verstreuen!“ Sie deutete ein Lächeln an. „Die Details könnt ihr bei Bram Stoker nachlesen!“ Einige der Männer sprangen auf. „So ein Schwachsinn!“, brüllte einer ungläubig. „Es gibt Vampire wirklich.“, meinte Integra völlig gelassen, „Ihr wisst es nur nicht. Besser gesagt ihr solltet es nicht wissen.“ In ihrem Blick funkelte nun ein Hauch von Stolz. „Hellsing, unsere Organisation, wurde schon vor 100 Jahren gegründet und hat sich seitdem die ganze Zeit dem Kampf gegen Vampire gewidmet, ohne dass die Bevölkerung etwas davon erfuhr.“ Die Söldner blinzelten und blieben stumm. „Doch besser als viele Worte ist eine Demonstration.“, fuhr Sir Hellsing fort, deute an mir, die immer noch neben ihr stand, vorbei und zeigte auf Seras, welche immer noch peinlich berührt an eine Wand gelehnt stand. „Schaut da ist euer Gegner. Ein Vampir!“ „Wa...Was?“ Der Anführer der Söldner, der mit dem Verband um ein Auge, hatte sich erhoben und trat näher an das blonde Mädchen heran. „Du bist ein Vampir?“, fragte er dieses und Seras lächelte verlegen. „Ah... Ja... Sozusagen....Äh...“ Den Söldner gelang es kaum ihr Gelächter zu verbergen und sie prusteten los. Seras trat neben Integra und mich. „Sie lachen über mich.“ „Mh.“ „Es wäre besser, wenn Alucard mitgekommen wäre.“ Meine Augen funkelten amüsiert und Integra erwiderte sofort: „Nix da! Der würde es fertig bringen und die hier alle kaltmachen.“ „Und was ist mit Alex?“, fragte Seras und sie wandte mir unglücklich ihren Blick zu. Ich zuckte grinsend mit den Schultern und hob entwaffnet die Hände. Integra befürchtete mit Garantie, dass ich den Sinnen der Söldner einen solchen Streich spielte, dass es einige Zeit dauern würde, bis sie sich davon erholten, oder ich sie fliegen schicken würde. Durch die steinernen Wände des Gebäudes. Und damit hätte sie gar nicht so falsch gelegen, denn ich bekam langsam den Eindruck, die Ungläubigkeit der Söldner könnte nur mir knallharter Realität kuriert werden. Es hätte passieren können, dass ich sie mit einem kräftemäßig kaum gezügelten Schlag sie quer durchs Anwesen geschlagen hätte. Und durch steinerne Mauern zu krachen war nicht sonderlich angenehm, glaubt mir. Jedenfalls war es knallharte Realität der ersten Güte. Seras hingegen, welche noch nicht einmal Blut zu sich genommen hatte, konnte den Männern keinen allzu großen Schaden zufügen. „Okay, dann beweise es ihnen, Polizistin.“, befahl Sir Hellsing Seras, „Öffne ihnen die Augen.“ „Ro-roger.“, stammelte die Blonde und hielt eine Hand in die Höhe. Sie atmete tief durch und versuchte ein Lächeln. „Ich fange an.“ Der Hauptmann der Truppe hörte immer noch nicht auf zu lachen. „Wenn du ein Vampir bist, Mädchen, dann bin ich Graf Frankenstein!“ Ich verdrehte die Augen. Was für ein selten dämlicher Vergleich. Vor allem: Graf Frankenstein? Also entweder Graf Dracula, Doktor Frankenstein, oder Frankensteins Monster. Das verwechselten sowieso zu viele Menschen. Was auch immer. Mit einem Fingerschnippen an die Stirn des Söldners schickte die Polizistin den Mann quer durch den Raum. Blut floss in einer Fontäne aus seiner Nase. Seras hatte ihren Zeigefinger erhoben, als sich der Söldner vom Boden aufrappelte. „Wie wär´s mit einem Wettkampf, Captain? Ich kann nämlich leider nur Leuten an die Stirn tippen!“ Mit diesen Worten wiederholte sie die Prozedur zwei Mal, bis der Hauptmann zurück in die Reihe seiner Leute flog. „Ca-Captain!“, stammelten diese laut und halfen ihrem Anführer sich aufzusetzen. „Das ist ein Ungeheuer!“, brüllte dieser. Das Blut kam ihm mittlerweile nicht nur aus der Nase, sondern auch aus dem Mund geflossen. „Seht Ihr? Ihr spürt meine Kraft nicht. Nehmt mich kaum wahr und doch fallt Ihr schon um, wenn ich Euch nur an die Stirn schnippe. Also wenn ich´s euch doch sage: Ich bin ein Vampir.“ Mit diesen Worten brachte sie ein ungeschickt verzerrtes Lächeln zustande, welches ihre Reißzähne enthüllte. Integra begann leise zu lachen und ich prustete beinahe laut auf. Wie viel Mühe sich die Polizistin gab, sich selbst als Monster zu titulieren und dabei jedenfalls auf der optischen Ebene, ziemlich versagte. „Sie ist... wirklich ein Vampir?!“, stieß der Hauptmann im plötzlichen Begreifen aus. „Aber ja...“, ertönte da unerwartet eine wohlklingende Stimme schräg hinter uns. Aus der Wand kam Master geschritten und besah sich die Gruppe Söldner vor ihm. „Sie ist ein Vampir niedrigsten Ranges, aber nichtsdestotrotz ein echter Vampir.“ Die Gruppe schrie vor Entsetzen laut auf und einige versuchten die Flucht zu ergreifen und wären vermutlich aus dem Raum gestürzt, hätte Alucard ihnen diesen Weg nicht versperrt. „Feiges Pack. Die kann ich nicht brauchen.“, meinte Alucard enttäuscht und grinste über die vor Furcht verzerrten Gesichter der Männer. „Alucard!“ Ich wandte dem Kopf und sah, wie mein Onkel in den Raum gestürmt kam. „Walter.“, stellte Integra fest und dieser deutete eine tiefe Verbeugung an. „Ich bitte um Verzeihung. Ich habe versucht ihn aufzuhalten, aber...“ Es war ein sinnloses Unterfangen gewesen. Das hätte ich ihm vorher sagen können. „Ich möchte mir schon selbst ein Bild machen von denen, die in Zukunft meinen Schlaf bewachen.“, meinte Alucard. „Mylady,“, wandte sich Walter an seine Dienstherrin. „Was gibt’s?“, fragte diese und ihr Butler hielt ihr einen Umschlag hin. „Sie haben Post erhalten.“ „Ein Brief?“, murmelte Integra fragend und Walter forderte sie auf. „Sehen Sie mal, wer der Absender ist.“ Ihre Augen weiteten sich flüchtig, als sie den Absender des Briefes ermittelt hatte. „Richtig.“, kam es ruhig von Walter. „Iscariot?“, kam es atemlos von Sir Hellsing, „Die 13. geheime Abteilung des Vatikans!?“ Sofort erinnerte ich mich an den Priester, den Assassinen, den Gesandten von Iscariot, Alexander Andersen. Der Brief musste von seinem Vorgesetzten stammen. Integra lies den Brief in ihrer Tasche verschwinden. „Darum werden wir uns später kümmern.“ Alucard grinste und trat wieder durch die Wand. Er spürte wohl, das es bald wieder einen Kampf geben würde. Einen Kampf mit einem würdigen Gegner. Einen Kampf, auf den er sich freute. Integra fixierte die Söldner. „Noch irgendwelche Fragen?“, fragte sie die versammelte Mannschaft. Die Männer blieben, immer noch unter Schock, stumm, bis auf den Anführer. „Ist sie etwa auch...so eine?“, fragte er und deutete mit dem zitternden Finger auf meine Wenigkeit. Ich grinste schief. Integra lächelte überlegen. „Geh sanft mit ihnen um.“, befahl sie mir und ich nickte sachte. Als ich auf den Hauptmann zu trat, wich dieser zurück und schüttelte abwehrend beide Hände. „Schon gut. Schon gut!“, rief er aus, „Ich glaube dir.“ Ich grinste und der Mann zuckte zusammen, als ich die Hand nach ihm ausstreckte. Offensichtlich fürchtete er einen weiteren körperlichen Angriff auf seine Person, oder schlimmeres. Doch als er die zusammen gekniffenen Augen wieder öffnete, sah er, dass ich ihm meine ausgestreckte Hand zum Handschlag hinhielt. „Alexandra Dolneaz. Yoroshiku onegaishimasu. Freut mich.“ „Äh... Ja...“, stotterte er, um Worte ringend und versuchte die Fassung wieder zu gewinnen. Geduldig hielt ich meine Hand ausgestreckt und wartete bis der Söldner sie unsicher ergriff. Ich legte einen starken Händedruck hin und ermutigte ihn dasselbe zu tun. Dann sah ich an ihm vorbei und fixierte die Truppe, die vor meinem Blick zurück schreckte und zusammen zuckte. „Ich bin mir sicher, wir werden uns alle gut verstehen.“ Uneiniges Gemurmel war die Antwort. „Eh... ja.“ „Gleichfalls.“ „Freut mich auch.“ Gut, das Ganze war zugegeben noch ziemlich neu für sie, doch sie würden sich daran gewöhnen müssen. Ich hob amüsiert die Augenbrauen und sah Integra und Walter an. Die junge Frau hatte sich eine weitere Zigarre anzünden lassen und zog, scheinbar etwas entnervt, daran und seufzte laut auf. Nicht nur, dass sie scheinbar unfähige Soldaten dazu gewonnen hatte, jetzt musste sie sich auch noch mit Iscariot darum schlagen. Mein Onkel trat einen Schritt vor. „Ich bin mir sicher die werten Herren benötigen lediglich eine kleine Eingewöhnungszeit. Ich versichere Ihnen, Lady Integra.“, fügte er an seine Herrin gewandt hinzu, „Sie werden sehen, diese Truppe ist äußerst fähig.“ Die hoch gewachsene Frau seufzte noch einmal auf. „Das hoffe ich, Walter.“, meinte diese nur, lies ihren Blick ein letztes Mal über die Söldner schweifen und verlies den Raum. Seras sah ihr unsicher nach und blickte dann zwischen der Gruppe und der Tür hin und her. Scheinbar war sie nicht sicher, ob von ihr erwartet wurde, sich um die Söldner zu kümmern, oder Sir Hellsing zu folgen. Ich nickte ihr ermunternd zu und bedeutete ihr letzteres zu tun. Was hätte sie hier auch großartig tun sollen? Ich wandte mich an die versammelte Söldnertruppe. „Ich hoffe mein Onkel hat Recht.“ Ein bedrohlicher Ton schlich sich in meine Stimme und sie Männer wichen zurück. Ich grinste, ehe ich laut auflachte. „Das war ein Scherz.“, lies ich die verwirrten Männer wissen. Ich verschränkte lässig die Arme vor der Brust und versuchte etwas weniger bedrohlich zu wirken. „Ihr werdet euch schon noch eingewöhnen.“, meinte ich und machte mir alle Mühe aufmunternd zu klingen. „Schließlich, so habe ich gehört, habt ihr einen ausgezeichneten Ruf.“, fügte ich hinzu und siehe da, wie geplant löste ich damit etwas in den Männern aus. Die Anspannung löste sich aus ihren Körpern und auf ihre Gesichter trat ein überlegenes Lächeln. Der Hauptmann grinste. „Das will ich meinen.“, meinte dieser, „Die „Wild Geese“ sind wahre Kampfhunde, „Dog of Wars“.“ Seine Augen funkelten vor Stolz und ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. „Mit ein paar Monstern werden wir schon fertig.“ Plötzlich schwankte seine Entschlossenheit. „Also... ähm... Nichts für ungut.“ Ich winkte locker ab. „Schon gut. Die Einstellung ist doch gar nicht schlecht.“ Ich überlegte. Ihnen wurden sicherlich Zimmer auf dem Anwesen zugeteilt. So wären sie im Notfall immer verfügbar. Immerhin hatten wir keine eigenen Wachleute mehr. Eigene Waffen hatten sie scheinbar mitgebracht. Das schloss ich jedenfalls aus den Kisten, auf denen einige von ihnen hockten. Der erste Stock verfügte über einige freie Zimmer. Der Keller war den Untoten vorbehalten. Im dritten Geschoss befand sich der Konferenzraum und da runter Integras Büro. Dann schweiften meine Gedanken zu dem Brief, den Lady Integra erhalten hatte. Mich hätte doch zu gerne interessiert, was Iscariot von ihr wollte. Möglicherweise war meine Hilfe in irgendeiner Form von Nöten. Interessant werden könnte es auf jeden Fall. Schließlich wandte ich meinen Blick wieder den Söldnern zu. „Ich zeige euch eure Zimmer.“, lies ich sie wissen, trat näher und nickte auf ihre Koffer. „Ich helfe euch damit.“ Einer der Männer versuchte zu widersprechen. „Warte. Die sind doch viel zu schw...“ Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als ich das Ding locker in die Höhe hievte. Ich nickte aufmunternd Richtung Tür. „Kommt.“ Ich führte sie durch die Gänge und erklärte ihnen einige essentielle Dinge. Wie sie zur Küche, den Badezimmer, oder zum Trainingsplatz kamen beispielsweise. Einige Fragen zum Thema „Monsterjagd“ kamen auf und ich antwortete bereitwillig auf alle. Sei es um einige Gewohnheiten von Vampiren, oder Wege um sie aufzuspüren und natürlich wie man sie töten konnte. Doch ich beruhigte sie mit den Worten, dass wir gemeinsam trainieren würden, ehe sie auf eine richtige Mission aufbrachen. „Wird die Kleine auch mit von der Partie sein?“, fragte der Anführer, der sich mit mittlerweile als Captain Bernadotte vorgestellt hatte, plötzlich unerwartet. Ich blinzelte. „Bestimmt.“, gab ich zur Antwort und legte alles, was ich getragen hatte, in einem der Zimmer ab. Wer wo schlief, oder was auch immer tat, das sollten die Männer unter sich ausmachen. Das war mir ziemlich egal und ging mich auch nichts an. Ich ging langsam Richtung Tür zurück. „Also dann...“ Ich grinste schief und nickte ihnen zum Abschied zu, während ich Zeige- und Mittelfinger an die Stirn legte und damit salutierte. Dann machte ich mich auf den Weg in Lady Integras Büro, in der Hoffnung sie würde mich in die neusten Erkenntnisse einweihen. Kapitel 17: Balance of Power ---------------------------- Balance of Power Lady Integra saß an ihrem Bürotisch. Ihre Stirn hatte sich in tiefe Falten gelegt und ihr Aschenbecher lies darauf schließen, dass das nun mindestens die fünfte Zigarre war, die sie sich in der kurzen Zeit gegönnt hatte. „Ah, Alexandra. Komm rein.“ Zerstreut sah sie auf und erteilte mir einen lockeren Wink mit der Hand, als Zeichen, dass ich eintreten durfte. Ich sah, dass Walter im Schatten stand und seiner Herrin augenscheinlich nicht von der Seite gewichen war. Integras Blick war auf den Brief vor ihr gerichtet. „Diese Leute von Iscariot...Dieser Maxwell...“, murmelte sie mürrisch und ihr grimmiger Blick verfinsterte sich. Ihre Hand schloss sich um den nun leeren Umschlag und zerknitterte diesen zur Unkenntlichkeit. „Was bilden die sich ein?“ Ich trat näher an den hölzernen Tisch heran und wartete geduldig, bis man mich einweihen würde. Die blonde Frau schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, ehe sie sich erhob und aus dem Fenster starrte. Könnten Blicke töten, wäre sicher der Mond explodiert. „Dieser Kerl lädt mich zu einer Museumsbesichtigung ein. Pah.“ Sie zog wütend an ihrer Zigarre. „Erst versucht sein Agent mich umzubringen und dann meint er mit einem verdammten Museumsbesuch macht er das Ganze und die Missetaten seiner Leute wieder wett?“ Sicherlich dachte sie daran an unsere beiden Agenten, welche die auf dieser Mission in Nordirland begleitet hatten und welche Pater Andersen kurzerhand getötet hatte. Und die Bedrohung auf ihre eigene Person missfiel ihr natürlich ebenfalls. „Werden Sie die Einladung annehmen und zu dem Treffen erscheinen?“, fragte Walter ruhig. Seine Worte waren mit Vorsicht gewählt. Ihm stand nichts ferner als ihr seine Meinung aufzudrücken, oder ihre Entscheidung anzuzweifeln. Integra atmete tief durch. „Ich... weiss es nicht, Walter.“, antwortete sie nach einer Weile und drehte sich zu uns um. „Was würden Sie mir raten?“, fragte sie schließlich und sah ihren Butler an. Mein Onkel deutete eine untertänige Verbeugung an. „Ich maße mir nicht an Ihnen meine Meinung aufzuzwingen, Mylady, aber ich bin mir sicher Sie werden die richtige Entscheidung treffen und ich werde sie, egal wie Sie sich entscheiden, unterstützen.“ Sie dankte ihm für seine Worte, doch ich spürte, dass sie lieber eine Meinung gehört hätte. Offensichtlich befand sie sich tatsächlich in einem inneren Zwiespalt. Sie seufzte laut hörbar aus und eine Qualmwolke unterstrich den Seufzer. „Es wäre unhöflich die Einladung abzulehnen und möglicherweise hat er etwas Wichtiges mitzuteilen. Warum sonst sollte er mich irgendwohin bestellen? Und sei es nur eine Entschuldigung. Aber falls es eine Falle ist?“ „Er wäre ein Narr, würde er das in der Öffentlichkeit versuchen, geschweige denn auf unserem Territorium.“, zerstörte Walter diese Bedenken und ich nickte zustimmend, denn genau das war mir auch durch den Kopf geschossen. „Wenn Sie immer noch bedenken haben...“, fügte er hinzu, „Wie wäre es, wenn Sie eine Leibgarde mitnehmen, nur für den Fall? Wir stünden Ihnen alle zur Verfügung.“ Integra ging die Angelegenheit in ihrem Kopf durch, ehe sie nickte. „Sie haben Recht, Walter.“ Ihr Blick ruhte nun auf uns Beiden. „Alexandra. Ich möchte dich bitten mich zu begleiten.“ „Es wäre mir ein Vergnügen.“ Außerdem würde ich sicherlich etwas interessantes, neues lernen. „Wir können keine Waffen mit in ein öffentliches Museum nehmen, doch das dürfte für dich kein Problem sein. Walter, Sie begleiten uns selbstverständlich auch.“ Auch dieser erteilte sein Einverständnis. Es war mehr als klug ihn dabei zu haben, schon allein, da er Lady Integra als Chauffeur diente. „Aber was tun wir, wenn sie ihren Ritter mitnehmen?“, fragte eine Stimme und Alucard kam aus der Wand getreten. „Ich bezweifle, dass Walter, oder der Frischling es mit ihm aufnehmen können. Erst recht nicht ohne Waffen.“, fügte er nach einem kurzen Blick auf uns Beide hinzu. Integra nickte langsam. Diese Möglichkeit gab es natürlich auch. „Ich könnte ebenfalls meine Hilfe anbieten.“, bot Master an, „Man wird mich nicht einmal bemerken.“ Integra nickte erneut. „In Ordnung, Alucard. Aber du wirst nur aktiv, wenn es ernst wird, hast du verstanden?“ „Selbstverständlich, Herrin.“ Er machte eine tiefe Verbeugung. „Gut.“, sagte Sir Hellsing und atmete tief durch, jetzt wo sich die Angelegenheit in trockenen Tüchern zu befinden schien. Das Treffen war auf den 10. September im Royal War Museum um 15 Uhr in London angesetzt. Das Tageslicht würde etwas blenden, aber wäre nicht weiter hinderlich. Nicht einmal die Polizistin, welche Walter hinzugezogen hatte, würde den Sonneneinfluss in dem Gebäude spüren. Er hatte höflich darauf bestanden das Mädchen mitzubringen, falls die Sache außer Kontrolle geriet. Mit ihrer Tarnung als Polizeikraft konnte sie im Notfall Zivilisten aus der Gefahrenzone bringen und mit ihrer staatlichen Autorität einiges bewirken. Ich saß mit überkreuzten Beinen auf dem Beifahrersitz neben meinem Onkel und sah während der Fahrt aus dem Fenster. War Museum? Was sollte mir das sagen? Genauer gesagt fand das Treffen vor dem Casters Gemälde Graf Wilander von Worchester in der Schlacht von Mamon statt. Ich konnte mit dem Namen des Gemäldes reichlich wenig anfangen, aber es klang nach einer historischen, oder fiktiven Schlacht. Das jedenfalls würde auch in Anbetracht auf den Namen des Museums Sinn ergeben. Für was es nicht alles Museen gab. Wie dem auch sei. Strategisch gesehen war dies ein Heimspiel für die Hellsing Organisation, zudem hatte man noch die breite Öffentlichkeit und eventuelle Augenzeugen, welche den Vatikan von auffälligen Aktionen sicher abhalten würden. Es sah nicht so aus, als hatten sie einen Kampf im Sinn, es sei denn sie hatten Interesse an einem Image Verlust und einige abgeschlagene Köpfe. Sie mussten sich ja irgendetwas bei dem Treffort gedacht haben. Vom Weg vom Auto in das Innere des Museums behielt ich die Umgebung im Auge und achtete auf alle Eventualitäten. Alle Menschen, die an uns vorbei schritten, waren soweit unauffällig und auch ansonsten fiel mir nichts auf. Walter sah auf seine Uhr. Wir waren pünktlich, doch nach etwa fünf Minuten begann Lady Integra ungeduldig zu werden. Sie fixierte das Bild, vor welchem wir standen. „Wie spät ist es jetzt, Walter?“ „Mh.“ Mein Onkel warf einen Blick auf seine Taschenuhr. „Es ist kurz nach drei Uhr.“, gab er schließlich zur Antwort. „Erst bestellt er mich her und dann kommt er zu spät.“, murmelte die junge Frau, nicht ohne eine gewissen Verstimmung. „Es sind erst ein paar Minuten.“, meinte ich beschwichtigend. „Üben Sie sich in Geduld.“ Ich meinte Sir Hellsing etwas schnauben zu hören, dann sagte sie laut: „Ich will ja nicht annehmen, dass er uns in eine Falle locken will.“ „Nein.“, antwortete Walter sofort, „Der Bande ist zwar vieles zu zu trauen, aber ich glaube nicht, dass sie am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit noch dazu auf feindlichem Territorium eine Konfrontation provozieren.“ Dies schien Integra zu beruhigen. Ich betrachtete das Bild, natürlich ohne meine Umgebung aus dem Auge, oder dem Ohr zu verlieren. Auf dem Gemälde sah man eine Menschenmasse, vermutlich eine Armee, welche ihre Speere in die Höhe reckten und in der anderen Hand fest ihre Schilde hielten. Der Himmel auf dem Kunstwerk war wolkenverhangen und beinahe blutrot. Gegen den roten Himmel, hoben sich einige schwarze Flaggen oder Banner ab. Gerade als ich über die Bedeutung des Kunstwerkes sinnierte, hörte ich, wie sich Schritt näherten und jemand sagte mit unverhohlener Begeisterung: „Großartig so direkt davor zu stehen! Das RWM macht wirklich gute Restaurationsarbeit.“ „Ja, da haben sie recht.“, bestätigte eine weitere, männliche Stimme. Zwei Männer näherten sich uns. Auch ohne die Kreuzketten, die sie am Hals trugen, war mehr als offensichtlich, dass es die Gesandten des Vatikans waren. Ein Mann mit Brille und langem Pferdeschwanz ging voraus. Das musste Enrico Maxwell sein. Ihm folgte ein älterer Herr in einem Priestergewand und einem Koffer in der Hand. Ich hoffte um seinetwillen, dass sich darin keine Bombe, oder andere Waffen befanden. Unterbewusst trat ich neben Integra. „Ah.“ Als sich die Männer unser Gewahr wurden, hielten sie inne. „Ohje, wir haben uns verspätet.“, meinte Maxwell an seine Begleitung gewandt. „Sieht so aus.“ Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und ausgebreiteten Armen kam Maxwell näher. „Ah, da sind sie ja. Wir haben sie warten lassen.“ „Keinen Schritt weiter.“, befahl Integra scharf und der Mann gehorchte augenblicklich. „Was will der Vatikan von uns?“, fragte die junge Frau und verschränkte die Arme vor der Brust, „Und dann auch noch die berüchtigte Mörderbande Iscariot?“ „Aber, aber.“, tadelte Maxwell lächelnd und nahm seine Brille ab, „Sie scheinen uns ja nicht gerade zu mögen.“ Und das wunderte ihn? Untertänig legte er die rechte Hand auf seine Brust. „Aber begrüßen wir uns doch erst einmal. Mein Name ist Maxwell. Ich leite die 13. Abteilung „Iscariot“. Freut mich Sie kennenzulernen.“ Die Bediensteten schloss er natürlich nicht in seinen Blick, oder seine Begrüßung ein. „Sag, was du von mir willst. Die Förmlichkeiten kannst du dir sonst wo hin stecken.“, sagte Integra gerade heraus. Immer noch lächelnd hielt Maxwell abwehrend die Hände vor seine Brust. „Seien Sie doch nicht so brüsk. Wir sind heute in friedlicher Absicht hier.“ „Wers glaubt, wird selig.“, knurrte die blonde Frau und lies ihrer Wut freien Lauf, „Ihr habt ein Abkommen verletzt und euren Agenten Andersen in Beydlick, Nordirland eingeschleust, unsere Leute angegriffen und zwei von ihnen tödlich verletzt.“ Maxwell legte den Kopf schweigend schief. „Ich wäre selbst fast draufgegangen!“ Anklagend deutete Integra auf den Gesandten des Vatikans, „Das vergesse ich euch nicht!“ „Was soll das denn jetzt?“, begann der Mann mit Pferdeschwanz langsam. „Wie bitte?“ „Ich habe mich freundlich und demütig gezeigt und du spielst dich hier auf!“, sagte Maxwell und allmählich schlich sich ein aggressiver Unterton in seine Stimme, welche er zuvor unter Kontrolle gehalten hatte. Missmutig verzog er den Mund, kam näher und sah auf Hellsings Chefin herab. „Mir doch egal, wie viele von euch beschissenen Protestantenlumpen draufgehen, oder fliehen, oder was weiss ich was. Meinst du vielleicht, ich würde mit euch dreckigen Schweinen überhaupt reden, wenn ich nicht einen direkten Befehl unserer allerhöchsten Eminenz des Papstes hätte?“ Seine Faust begann zu zittern und er zerquetsche förmlich seine Brille samt Gläser in seiner Hand. „Sei nicht so vorlaut und hör mir zu, du protestantische Sau!“ „Sau?“ Wie aus dem Nichts war Alucard hinter Integra aufgetaucht und trat auf die Mitglieder der Vatikans zu. „Das klingt doch ganz nach der berüchtigten 13. Abteilung. Ihr missioniert in allen Erdteilen um „Der Welt Frieden zu bringen“, seid nur euren Anhängern gegenüber tolerant und schlagt die nieder, die sich euch widersetzen. Es hat sich nichts geändert. Auch nach 2000 Jahren seid ihr immer noch die Gleichen. “ Er blieb stehen und Maxwell betrachtete den Vampir mit unverhohlenem Interesse. „Vampir Alucard. Abfallbeseitiger und mörderischer Trumpf der Hellsing-Organisation. Nun sehe ich dich erstmals in Natura.“ Er legte grinsend den Kopf schief. „Hallo, Alucard.“ Alucards Blick blieb ausdruckslos. „Hallo, Maxwell. Und auf Nimmerwiedersehen.“ Seine rechte Hand griff in seinen roten Mantel und er zückte seine Casull, welche er zugleich auf die Stirn des Anführers der 13. Abteilung richtete. „Denn du hast meine Herrin eine Sau genannt. Glaub nicht, dass du lebend aus diesem Land heraus kommst. Ich werde dich töten, Mensch.“ Maxwell schien nicht im mindestens beeindruckt, oder verängstigt zu sein. „Oh.“, machte er gedehnt, „Ich habe ja solch eine Angst. Mir verschlägt es geradezu die Sprache, wenn ich vor so einem furchterregenden Bodyguard mit der Pistole bedroht werde. “ Er machte eine kurze Pause und richtete seinen Blick auf Integra, Alucard geflissentlich ignorierend. „Ich sag es noch mal: Wir sind nur zum reden hier.“ Ein Lächelns huschte über das Gesicht des Mannes. „Aber wenn ihr so reagiert können wir das auch.“ Er erhob seine Hand und streckte seinen Zeigefinger aus, um den Flur hinab zu deuten. „Dann machen wir einen Wettstreit daraus.“ Er holte tief Luft, ehe er brüllte: „Andersen!“ Die Augen von Sir Hellsing und meinem Onkel weiteten sich. Ich richtete meinen Blick dorthin, wo Maxwell mit seinem Finger hinwies. Ich konnte Schritte hören, die sich näherten. Gleich würde Alexander Andersen, der stärkste Kämpfer des Vatikans vor uns stehen. Ich ballte meine Faust und machte mich für einen Kampf bereit. Aus einem der Nebenräume des Museums trat der bewaffnete Priester auf die Galerie hinaus und kam einen Bibelspruch rezitierend auf uns zu. Sein Blick galt einzig und allein Alucard, seinem Erzfeind. Seinem Nemesis. Ich trat vor, um mich dem Angreifer entgegen zu stellen und fuhr meine schwarzen Schwingen aus. Ich glaubte kurz die Anhänger des Vatikans scharf die Luft einziehen zu hören. Vermutlich verärgerte, oder irritierte sie die gewisse Engelssymbolik und die Ironie, oder was auch immer ihnen durch die Köpfe ging. Doch dann fasste sich Maxwell. „Nein... Nein! Lass das Andersen!“, befahl er seinem Kämpfer. Ich war zugegeben etwas erstaunt über diesen Ausruf. Scheinbar hatte er wirklich eine friedliche Unterredung im Sinn gehabt und hatte den Priester nur zum Schutz und zur Einschüchterung dabei. „Jetzt mach ich kurzen Prozess.“, meinte Andersen grinsend, „Wäre ich ein Mitglied von Iscariot, wenn ich den Feind vor meinen Augen schonen würde? “ „Es reicht wenn du einfach nur da stehst!“, beharrte Maxwell, seinen Worten mit Gesten Ausdruck verleihend. „Bleib stehen!“ Er wandte sich an Integra. „Wenn er euch sieht, kann er sich eben nicht mehr beherrschen. Treten wir einen Schritt zurück und fangen noch einmal von vorne an.“ Doch seine verzweifelten Versuche blieben fruchtlos. Nicht zuletzt, weil Alucard mich achtlos beiseite schob und auf seinen Erzfeind zu trat. Er begann zu lachen und zückte nun auch noch seine Jackal. „So, dann wollen wir mal zur Mordtat schreiten, Judas Priest!“, meinte der Vampir voller Kampflust. Auch der Priester lachte. „Aber diesmal läuft es anders, Vampir.“ Er packte seine Bajonetten fester. „Nein!“, brüllte sein Vorgesetzter. Ich sah wie Walter auf seine Unterlippe biss. Jetzt wurde es höchste Eisenbahn. Ich verstand seinen stummen Befehl und wandte mich mental an Seras. Kaum hatte sie verstanden, stürmte sie auch schon durch die Tür und stieß zu uns in den Flur. Und sie war nicht allein. „Hier ist die Galerie. Kommen Sie bitte.“ Breit lächelnd winkte sie die Besuchergruppe herein. „Hier entlang, liebe Gäste aus Japan.“ Die japanischen Besucher sahen sich in der Galerie um und blieben vor den Silhouetten der Kontrahenten stehen und begannen über diese hohe Kunst zu diskutieren. „Alucard?“ Alucard fixierte Andersen, während sich die Galerie leerte. „Was ist?“ „Ich habe keine Lust mehr.“, meinte Andersen grinsend. Alucard erwiderte sein Grinsen. „Hier vergeht einem die Kampfstimmung.“ Ohne weiteres wandte sich Alucard ab. „Ich geh nach Hause und leg mich hin.“ „Wa...?“, begann Integra. „Und die Leibwache?“, fragte mein Onkel. Die blonde Frau seufzte und sagte ergeben: „Wenn Andersen weg ist, sind Sie mehr als ausreichend, Walter. Und falls es doch noch Probleme gibt, haben wir Alexandra.“ Ich wandte ihr den Blick zu und nickte knapp. Mit all meinen Sinnen verfolgte ich meinen Master und den Priester. „Ich bin schon am Mittag aufgestanden und deshalb müde.“, begann Andersen, während er Richtung Ausgang an seinem Vorgesetzten vorbei lief. „Ich werde vorzeitig nach Rom zurück kehren.“ „Mh.“, machte Maxwell nur, immer noch etwas irritiert. „Das ist ein schönes Museum hier.“, meinte Andersen, welcher plötzlich stehen blieb, lächelnd. „Nächstes Mal nehmen wir die Kinder aus dem Heim mit.“ Der Leiter der 13. Abteilung atmete erleichtert aus und versuchte ein schiefes Lächeln. „Alles klar.“ Andersen setzte seinen Weg fort. „Nächstes Mal bist du dran. Dann bring ich dich um. Verlass dich drauf.“, verkündete er düster. Er drehte sich nicht noch einmal um, doch ich war mir sicher, dass sein vor Hass funkelnder Blick meinem Master gegolten hätte. „Hier können wir uns nicht so gut unterhalten. Wollen wir nicht nach draußen in die Cafeteria gehen?“, fragte Maxwell langsam. Ich wandte mich wieder, nun da die Gefahr gebannt war, der Gruppe zu. „Mh?“, machte Integra fragend. „Ich sage es noch einmal. Ich bin nur zum Reden hierher gekommen.“ Zweifelnd musterte Sir Hellsing ihr Gegenüber. Auch ich studierte die Gesichtszüge des Mannes. Es schien ihm ernst zu sein. „Na gut.“, antwortete die blonde Frau nach einer Weile. „Wir habe beide schwierige Untergebene, was? Du Eber?“ Maxwell lächelte schief. Fühlte sich sichtlich in seiner Ehre getroffen. Dennoch meinte er: „Die Rache für vorhin? Nun gut, dass muss ich hinnehmen.“ Mein Onkel wandte sich erst Seras, dann meiner Wenigkeit zu und deutete mit seinem Daumen nach oben. „Gut gelaufen.“, lies er uns wissen. Ich grinste. Seras erwiderte Walters Geste. „Vielen Dank.“ Walter und der Begleiter Maxwells atmeten erleichtert aus, glücklich über den glimpflichen Ausgang des Events, ehe sie ihren Herren nach draußen folgten. Auch ich wich Lady Hellsing nicht von der Seite. Während sich Integra und Maxwell über die Bedeutung des Wortes Milleniums austauschten hielt ich, während ich lauschte, die Umgebung im Blick. Kurz meinte ich in Inneren des Cafes zwei seltsame Gestalten zu sehen, doch als ich mich ihnen zu wandte, waren sie verschwunden. Ich runzelte die Stirn und wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zu. Kapitel 18: Toward New Shores ----------------------------- Toward New Shores „Nicht schlecht, Mädchen.“, lobte Bernadotte anerkennend nickend. „Domo arigatou, Bernadotte-Taichou.“ Ich deutete ein Grinsen an, schulterte Quincey und beobachtete die anderen Söldner, welche auf dem vom Vollmond beschienenen Trainingsplatz gemeinsam mit Seras und mir trainierten. Die versammelte Mannschaft zielte auf die verschiedenen Pappkameraden, welche auf dem Gelände verteilt waren, welches über 500 Meter maß. Diese stellten Geiselnehmer und Geiseln dar. Ziel war es, verständlicherweise, die Geiselnehmer mit präzisen Schüssen auszuschalten. „Hey! Hey! Was machst du denn da?“, fragte Seras einen der Söldner. „Nein. Das ist ganz falsch. Ganz falsch! Ganz falsch!“ . Ich drehte mich zu ihr um, während sich Bernadotte vor sie stellte. „Wieso trefft ihr nicht aus 400, oder 500 Meter Entfernung?“ , fragte die Polizistin anklagend. „Idiotin! Das kann doch kein Mensch.“, knirschte der Anführer der Söldner. „W...wieso denn nicht?“, kam es irritiert von der Blonden. „Ihr seid doch die Dogs of War. Die Pineapple Army.“ Bernadotte schob sein Gesicht näher an ihres. „Nein!”, brüllte er, „Mit normalen Flinten trifft niemand auf 500 Meter. Wer auf die Distanz trifft, muss ein Monster sein.“ Seras schien der Geduldsfaden zu reißen. Ich grinste schief. „Go easy on them. Schließlich sind sie Menschen.“ Man konnte von gewöhnlichen Menschen keine Nachtsicht und die Treffsicherheit eines Vampires erwarten. Doch die Männer hörten nicht auf die junge Frau zu necken. „Das ist doch idiotisch.”, säuselte Bernadotte. Seras griff nach ihrer Waffe. „Aus dem Weg.“, befahl sie dem letzten Schützen knapp. „Ja.“, antwortete dieser sofort und machte Platz. Die Polizistin holte tief Luft und zielte. Die Männer richteten alle ihre Blicke auf das Mädchen und sahen andächtig schweigend zu. Es folgten einige schnell aufeinanderfolgende Schüsse. „Yes.“ Zufrieden grinsend setzte Seras ihre Waffe ab. „Wie war ich?“ Ich selbst begann ebenfalls zu grinsen und versuchte ein leises Kichern zu unterdrücken. Die Blonde schien irritiert, doch schnell erkannten auch die Söldner, was mich erheiterte. Die Kleine hatte sich alle Mühe gegeben, aber... „Schau mal genau hin, Idiotin.“, forderte Bernadotte sie auf. Seras kam dem nach und ihre selbstzufriedener Gesichtsausdruck entglitt ihr. „Du hast alle Geiseln umgebracht!“, lies der Mann mit den langen Zopf das Mädchen wissen und dieses lies einen lauten Schrei los. Ich klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, während die anderen Söldner begangen das Mädchen auszulachen. „Nimms nicht so schwer, Kleines.“, meinte einer schließlich und wischte sich eine Lachträne aus dem Gesicht. Unglücklich kaute die Blonde auf ihrer Unterlippe und starrte zu Boden. Zwei Männer legten ihr je einen Arm um die Schultern. „Na komm. Lächel!“ Unerwartet wurde die Truppe von einem Blitz geblendet. Ich blinzelte und sah, dass einer der Wild Geese einen kleinen Kameraapparat gezückt hatte. „Na kommt schon.“, forderte er mit seinem fröhlichen und breiten amerikanischen Akzent auf. „Gruppenfoto.“ Seras ziemte sich zunächst, wurde dann aber schnell in die Mitte der Gruppe geschoben. „Na komm schon, Mädchen.“, wandte sich Bernadotte an mich, als er bemerkte, dass ich mich unmerklich und diskret von der Gruppe entfernt hatte. „Ich bin nicht so der Foto-Typ.“, meinte ich. „Haben Vampire jetzt schon kein Spiegelbild mehr UND erscheinen auf keinem Foto?“ „Das weniger. Ich bin nur nicht sonderlich fotogen.“ Vorsichtig nahm ich dem Amerikaner die Kamera ab. „Aber dafür kann ich das Foto schießen. Dann seid ihr alle drauf.“ Ich grinste schief und fügte hinzu: „Wäre ja schade bei so einem Haufen hübscher Burschen.“ Das ging bei den Männern natürlich runter wie Öl und sie grinsten. „Also schön. Wie du willst.“ Vermutlich hatten sie bereits bemerkt, dass alle Diskussionen mit mir in dieser Richtung zu nichts führen würden. Also nahm ich etwas Abstand und wartete bis alle bereit waren, ehe ich den Auslöser betätigte. Nach einer Weile Training liesen sich die Söldner auf das Gras fallen. Wir begangen zu plaudern, Erlebnisse, Gedanken und andere Nettigkeiten auszutauschen, wobei Seras nicht von den Sticheleien der Gruppe verschont blieb. Trotz meiner Bemühungen ihren Kopf sprichwörtlich aus der Schlinge zu ziehen, liesen die Männer nicht von ihr ab. Plötzlich begannen die Männer auch noch zu singen. Zunächst einige Kampflieder und nach einigen Flaschen Bier, die sie sich besorgt hatten, wurden die Lieder immer obszöner. Sie legten die Arme umeinander, auch Seras und ich wurden mit eingeschlossen und begangen hin und her zu schaukeln. Die letzten Lieder waren überhaupt nicht nach meinem Geschmack, aber ich tat es als Albereien von Männern ab und versuchte im Takt der Bewegungen zu bleiben. Die Stimmung war ausgelassen und heiter. Doch nach einigen Liedern riss sich Seras los und rannte ins Hauptgebäude. Bernadotte, welcher seinen Arm um sie geschlungen hatte, folgte ihr. Ich tat es ihm gleich, ebenso wie einige der Männer. Die anderen Söldner blieben zurück und genossen den Umtrunk und die Nachtmusik. „Walter!“, rief Seras verzweifelt und stürmte einen Raum, in welchem wir meinen Onkel und Alucard antrafen. Scheinbar hatten sich die Beiden über die vergangenen Ereignisse unterhalten. „Ah... Ist das Manöver zu Ende?“, fragte Walter. „Das ist... Das ist... Das ist sexuelle Belästigung!“, platze es aus der Polizistin heraus und sie deutete anklagend auf Bernadotte. „Dieser komische Feldwebel hat ein total perverses, obszönes Lies gesungen!“ Der Söldner lies sich davon nicht beirren und begann zugleich wieder zu singen: „Der xxx eines Eskimos gefriert zu Eis. Gut für mich. Gut für dich. Gut für alle.“ „Idiot!“, herrschte Seras ihn aufgebracht an. Ich atmete nur unmerklich aus. Langsam wurde das Ganze beinahe etwas albern. Die beiden steigerten sich total rein. „Walter.“, meldete sich Master zu Wort und wandte sich an den Butler. „Es gibt eine althergebrachte, aber effektive Methode.“ Die anderen schwiegen irritiert. Ich blinzelte und sah wie Alucard und Walter die blonde Draculina musterten. Diese schrumpfte unter deren Blicken. „Wa...was ist?“, fragte sie kleinlaut. „Es geht um Ihre Reise nach Südamerika.“, erklärte Walter bereitwillig. „Es könnte zu einigen Komplikationen kommen, was ihre.... vampirische Natur angeht.“ „Eh?“ Seras sah zwischen den beiden Älteren und mir hin und her. Nun verstand ich worauf die Beiden hinaus wollten. Es ging um unsere Reise nach Rio, Südamerika. Dort vermuteten wir unseren Feind. Millenium. Soviel hatte uns Enrico Maxwell verraten, als er sich mit Sir Hellsing getroffen hatte. Also hatte Integra beschlossen, dass Alucard, Seras, Bernadotte und meine Wenigkeit am nächsten Tag nach Südamerika reisen würden. Doch allerdings gab es ein gewisses Problem. Das Meer. Wasser wirkte reinigend und somit schwächend auf Vampire. Für Master und mich stellte dies kaum ein Problem dar. Doch Seras, welche keinen Tropfen Blut zu sich genommen, geschweige denn ein Leben aufgenommen hatte, sah die Sache anders aus. Während ich wohl eher einen Kräfteverlust und leichtes Unwohlsein in Kauf nehmen würden musste, würde sie nicht einmal in der Lage dazu sein sich zu bewegen. Doch Alucard schien eine Lösung gefunden zu haben, um diesem vorzubeugen. Doch er lächelte nur wissend, warf Seras einen amüsierten Blick zu und löste sich auf. Walter seufzte auf. „Nun. Ich bin mir sicher, er wird uns wissen lassen, woran er gedacht hat, um das Problem zu lösen.“ „Ja...“, murmelte Seras, offensichtlich sich unwohl in ihrer Haut fühlend. Ich zuckte unmerklich mit den Schultern. Das würde schon werden. „Sie haben bereits alles geregelt?“, fragte Walter nun Bernadotte. Dieser nickte. „Das Schiff steht morgen bereit.“ „Sehr schön.“ Der Söldner hatte sich an einen alten Bekannten gewandt, welcher ihm schon öfters ausgeholfen hatte. Per Flugzeug hätten wir kaum reisen können. Schon allein, da wir kaum die Waffen transportieren können würden. Doch bei guter Bezahlung würde der Kapitän uns alle über den Ozean schippern, ohne Fragen zu stellen. Mir missfiel allerdings die Aussicht beinahe eine Woche auf einem Schiff zu verbringen, doch es musste sein. Es brachte also nichts, sich darüber aufzuregen. Am nächsten Tag waren alle Sachen gepackt. Integra betrat das Empfangszimmer, wo Seras Sarg gerade von einigen Söldnern geschlossen wurde. Alucard hatte auf der Totenkiste Platz genommen und ich hatte mich gegen die Wand gelehnt und betrachtete das Schauspiel. Während Alucard sein schwarzes Haar nach hinten gekämmt und einen Anzug trug, war ich in meine schwarze Uniform geschlüpft. Der Auftrag bestand nicht nur aus Töten, sondern galt auch der Informationsbeschaffung und dafür war es wichtig diskret und unauffällig zu sein. Es hatte etwas von den alten Spionagefilmen. Ich sah auf, als Sir Hellsing von meinem Onkel begleitet eintrat. „Wir haben beschlossen sie in einem Sarg zu transportieren.“, erklärte Walter gerade und ich grinste. Es war richtig gewesen Seras in diesen Plan nicht vorzeitig einzuweihen. Ihrem unaufhörlichen Geschreie nach zu urteilen, gefiel ihr das Ganze ganz und gar nicht. „Nein! Lasst mich raus!“, flehte sie lautstark und fordernd. „Den kriegt ihr doch niemals durch den Zoll.“, murmelte Integra auf ihrer Zigarre kauend. „Sind die noch bei Verstand?“ „Es gibt keinen Zoll.“, erklärte ihr Butler. „Wieso?“ „Weil ein Schmugglerschiff benutzt wird.“, war die pragmatische Antwort. Seras hörte immer noch nicht auf zu heulen. „Ich will nicht!“, jammerte sie. „Ob das gut geht?“ Integra hatte die Stirn in Falten gezogen und schien daran zu zweifeln. „Die Waffen müssen ja auch transportiert werden.“, schaltete sich Alucard ein und erhob sich bedächtig. „Und mein Sarg auch. Zwei Fliegen mit einer Klappe.“ „Wir benutzen dieses Schmugglerschiff regelmäßig.“, erklärte Bernadotte, „Wenn die Bezahlung stimmt, kann man sich auf die Leute verlassen.“ „Lasst mich raus!“, schrie Seras. „Ruhe!“, befahl Master und tatsächlich blieb die Polizistin still. Der Vampir verstand seine Autorität einzusetzen. Integra betrachtete Alucard. „Was ist das für ein Aufzug?“, fragte sie. „So kenne ich dich ja gar nicht. Ist direktes Sonnenlicht nicht der größte Feind eines Vampirs?“ Dass es wohl kaum tödlich sein dürfte, hatte sie ja bereits in der Vergangenheit gelernt. Erst recht nicht bei Master. „In meiner normalen Kleidung kann ich ja in kein Flugzeug steigen. In dieser Kluft kann ich draußen herumlaufen und Eindruck schinden. Außerdem ist das Sonnenlicht nicht mein Feind. Ich hasse es nur.“, erklärte er. Damit gab sich die Chefin zufrieden und sie nickte. Alle Blicke ruhten nun erwartungsvoll auf ihr. „Es gibt nur einen Befehl.“, lies sie uns wissen. „Search and Destroy. Over.“ Ich nickte und Master verbeugte sich untertänig. „Verstanden, meine Herrin.“, antwortete er zufrieden lächelnd. Bei Sonnenuntergang ging ich an Deck und sog die frische Meeresbrise ein. Es war bereits einige Stunden her, seit wir all unser Zeug auf das Schiff verladen hatten und losgefahren waren. Ich hoffte die frische Luft vermochte meinen Magen und meinen schwirrenden Kopf etwas zu beruhigen. Ich sah über die Reling auf das Wasser hinab. Das half aber nicht gerade. „Na? Alles klar, Mädchen?“ Bernadotte trat mit brennender Zigarette aus den Schatten und betrachtete mich. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. „Geht schon.“, antwortete ich knapp. Gott, war mir schwindelig. „Ist das so ein Vampir Ding?“, fragte er mich. Ich schüttelte sachte den Kopf. Bloß keine hastigen Bewegungen. „Das hat damit nichts zu tun.“, lies ich ihn wissen. Wie gesagt konnte ich auf die meisten meiner Kräfte, dank des Wassers, wohl nicht zurück greifen. Sogar Regen krippelte unangenehm auf der Haut. Aber das war etwas anderes. „Schon als Mensch... habe ich Schiffsüberfahrten nicht vertragen.“ Weiter kam ich nicht, denn der Mann begann laut zu lachen. „Wer hätte das gedacht?“, sagte er, nachdem er sich beruhigt hatte. „Wird’s denn gehen?“, fragte er dann. „Un. Sure.“ Er nickte, hob die Hand an seinen Hut und ging wieder zurück in seine Kajüte. Ich blieb noch einige Minuten draußen. Ob nun unter Deck, oder darüber, schlecht wurde mir überall. Doch schließlich ging ich nach unten, um mich etwas in meinem Sarg auszuruhen. Im Schlaf, wenn ich diesen finden würde, war das Ganze sicher leichter zu ertragen. Seras, welche meine herannahenden Schritte und meine Stimme, als ich sie grüßte, erkannt hatte jammerte los: „Warum muss nur ich in dieser Kiste bleiben? Ich zuckte mit den Schultern. „Das wäre anders, wenn du Blut trinken würdest.“, erwiderte ich gelassen und hob meinen Sargdeckel an. „Das ist so unfair!“, rief die Polizistin aus. Ich lächelte schwach. Wenn sie weiterhin so laut schrie, würde ich wohl keine Mütze Schlaf bekommen. Aber einen Versuch war es wert. Also kuschelte ich mich in den roten Samt meines schwarzen Sarges und versuchte das Schaukeln des Kahns und Seras´ Gezeter zu ignorieren. Ich lenkte meinen Gedanken auf andere Dinge, sodass mein Bewusstsein ganz weit weg war. So weit weg wie möglich. Meine Gedanken schweiften umher. Von unseren Auftrag, zu einigen Fragen, die durch meinen Kopf schwirrten und alles mögliche. Irgendwann schlief ich schließlich über meine Grübeleien ein. Kapitel 19: Elevator Action --------------------------- Elevator Action Als wir endlich angekommen waren, betrat ich dankbar das Festland und genoss es wieder den festen Boden unter den Füßen zu spüren. Die angeheuerten Schiffsmänner hatten sich mit weißen Anzügen eingekleidet und halfen dabei unser Gepäck zu verladen und zum Hotel Lio zu schaffen. Ich half ihnen dabei. Sicherlich hätte ich einen Sarg alleine übernehmen können, doch dies wäre zu unhandlich und, was noch schlimmer war, zu auffällig gewesen. Master´s und Seras Sarg, sowie deren Waffen wurden ins Luxushotel geschafft, Bernadotte Taichous Gepäck und meines hingegen, würden wo anders unterkommen. Alucard ging voraus und wie selbstverständlich ging er an die Rezeption, um einzuchecken. „Ich habe eine Suite reserviert.“, lies er den jungen Mann hinter dem Empfangstresen wissen. „Ah ja.“, machte dieser nach einem kurzen Blick in sein Buch, in welchem offensichtlich die Reservierungen vermerkt waren. „Ja, wir haben ihre Reservierung erhalten, Mr J. H. Blenner. Es ist die Suite im obersten Stockwerk.“ „Hier lang!“ Ich wandte den Kopf und sah, dass Bernadotte mit den restlichen Särgen und deren Träger in den Empfangsbereich kam. „Hier!“ Der Captain blieb neben Master stehen. „Es ist die Suite ganz oben.“, erklärte der Vampir. „Roger.“ Bernadotte wandte sich wieder an die Sargträger. „Hey kommt her. Es ist ganz oben.” Ich löste mich von der Wand, gegen welche ich gelehnt hatte und half den Männern. Die Aussicht, dass es nach ganz oben ging, missfiel ihnen sichtlich, doch zum Glück gab es Aufzüge. Allerdings wurden wir durch die Stimme des Portiers zurück gehalten und liesen den Sarg wieder vorsichtig zu Boden. „S...Sir...“, kam es leise von dem jungen Mann. „So große Gepäckstücke sind in unseren Hotel...“ Alucard funkelte ihn eisig an. „Kein Problem.“ „Nein. Wir können so riesige Gepäckstücke nicht...“, widersprach der Mensch schwach. Er verstummte, als Alucard genau vor ihm stand und langsam seine Sonnenbrille abnahm. Er fixierte den jungen Mann und richtete die Finger seiner rechten Hand auf dessen Gesicht. „Es gibt kein Problem.“ Mit verschränkten Armen und ausdruckslosem Gesicht sah ich Alucard dabei zu, wie er den jungen Mann in einen hypnotischen Bann zog. Die Söldner wirkten verwirrt. „Es...gibt...kein...Problem...“, wiederholte der Hypnotisierte langsam. Sein Gesicht hatte einen verträumten Ausdruck angenommen und er starrte seltsam lächelnd in eine unbestimmte Ferne. „Es gibt kein Problem.“, wiederholte auch der Hypnotiseur bestätigend. „Nein, es gibt kein Problem.“ Mit dieser letzten Bestätigung war das Thema für Alucard erledigt und er wandte sich ab und lies die Söldner wissen: „Los geht’s! Schafft das Ding schnell hinein.“ „Was?“ Bernadotte sah verwirrt zwischen dem jungen Mann und dem Vampir hin und her. „Wie hast du das gemacht?“, fragte er schließlich den Dunkelhaarigen. „Mit Magie?“ Ich lächelte sachte. Magie? Das war vielleicht das falsche Wort, aber nicht völlig falsch. „Ich habe gar nichts gemacht.“, gab Alucard zur Antwort und klang langsam ungeduldig. Mit einer leichten Geste lies ich die anderen Männer wissen, dass wir weiter konnten und wir hoben den Sarg wieder an. Die anderen Vier taten es uns gleich. Bernadotte schickte sich an noch etwas zu fragen, doch ich bedeutete ihm grinsend, es tut sein zu lassen. „Gibt es Probleme mit dem Transport?“, fragte Master Bernadotte. „Nein. Es geht vielmehr so glatt, dass man fast Angst kriegt.“ Ich hielt kurz inne, ebenso wie Alucard. „Ach so.“, machte er wissend und ein Grinsen erhellte seine Züge. Zudem glaubte ich ein Funkeln in seinen Augen zu erkennen. „Hm.“ „Was ist?“, harkte der Anführer der Wild Geese nach. „Es gibt kein Problem.“, wiederholte Alucard grinsend und machte sich auf den Weg in die Suite, die für ihn und Seras reserviert worden war. Bernadottes ratloser Blick lag nun auf mir. Ich zuckte die Schultern und wir setzten unseren Weg fort. Doch die ganze Zeit über, ging mir diese Sache nicht aus dem Kopf. Das Schmugglerschiff und die Hypnose war eine Sache, doch ansonsten war alles reibungslos und glatt gelaufen. Fast so, als wollte jemand, dass wir sicher in diesem Hotel, in dieser Stadt ankamen. Als wir in den Aufzug traten, glaubte ich Blicke zu spüren, welche der Gruppe unablässig folgten. Doch kaum glaubte ich die beiden Männer ausgemacht zu haben, welche uns miteinander tuschelnd beobachten, schlossen sich die Türen des Aufzuges und versperrten mir jeglichen Blickkontakt. Beeindruckt sah sich Bernadotte in der großen Suite um, als die Gepäckstücke abgestellt wurden. Ich war noch ganz in meinen Gedanken gefangen, doch zwang mich ebenfalls die großen Räume zu betrachten. An Platzangst würde hier jedenfalls niemand sterben. Apropos Platzangst. Mein Blick wanderte zu Seras Sarg hinüber. Seit wir das Festland betreten hatten, war sie verdächtig still gewesen. Doch, nun gut, es war nach fast einer Woche Seefahrt, bei welcher sie fast unaufhörlich geschrien und gejammert hatte, nicht weiter erstaunlich. „Und ich muss in einer 30-Dollar Absteige pennen!“, beschwerte sich Bernadotte lautstark, als ich den Blick von Seras braunem Holzsarg löste. „Das ist ungerecht! Das ist Diskriminierung! George Bull! Joanna Bull!“ „Ein billiges Hotel hat aber auch seine Vorteil.“, meine Alucard und brachte den Söldner tatsächlich zum Schweigen. „Ach ja, ist das so?“ Daraufhin bekam Bernadotte keine Antwort, denn auch Alucards Blick fiel auf Seras Sarg. Scheinbar fiel ihm ebenfalls die beinahe ohrenbetäubende Stille auf. Ich grinste den Söldner an. „Ist die Aussicht auf meine Gesellschaft so unangenehm?“, fragte ich ihn. „Ähm... nein...“, stotterte er verdattert und blieb stumm. „Man hört keinen Mucks.“, kam es von Alucard, welcher nun vor dem Sarg der Polizistin stand. „So kenne ich sie gar nicht.“ „Ja.“ Bernadotte trat zu ihm. „Unterwegs hat sie ein ziemliches Gezeter veranstaltet. Wir hatten alle Mühe kein Aufsehen zu erregen. Wahrscheinlich hat sie resigniert und ist müde geworden.“ Ich grinste. „Wer wäre das nicht, nach fast einer Woche?“ Der Söldner lachte schallend. „Da hast du recht, Mädchen.“ „Mh.“, machte Master nur und riss das weiße Tuch von seinem schwarzen Sarg, welches zum Transport und zur Tarnung um die Totenkiste gewickelt gewesen war. „Ist das dein Sarg, Alucard?“, fragte Bernadotte, als sich der Vampir darauf nieder lies. „Ja!“, antwortete dieser. „Das ist mein letztes Refugium. Hier wurde ich geboren. Hier werde ich sterben.“ Ich schwieg bedächtig. „Der Luxus einer Suite bedeutet für dich eigentlich gar nichts, wenn du sowieso in einem Sarg schläfst.“, kam es von dem Söldner. Langsam kamen in mir Zweifel auf, was den Erholungsschlaf meines Masters betraf. Ich bekam das Gefühl, er würde sich nicht einmal in dem Sarg niederlegen können. Fragte sich, ob es mir anders ergehen würde. Aber das war egal. Wir hatten einen Auftrag zu erfüllen und waren nicht zur Erholung gekommen. Bernadotte seufzte und stemmte die Hände in die Hüften. „Also dann morgen beginnen wir mit den Ermittlungen.“, sagte er laut. „Ich hole dich am späten Nachmittag ab. Abends ist es doch sicher besser für euch Vampire?“, fügte er in einem fragenden Ton hinzu. „Mach dich locker.“ Alucard hatte sich wieder aufgerichtet und sah den Söldner unbestimmt an. „Ha?“, machte dieser verständnislos. „Sieht so aus, als würden wir hier eine Menge Spaß bekommen.“ Mein Master schien mehr mit sich, als mit einem im Raum zu sprechen. Bernadotte gab es auf den Vampir zu verstehen und verabschiedete sich, ehe er mir zuwinkte, als Zeichen, dass ich ihm folgen sollte, und selbst die Suite verlies. Ich blieb unentschlossen stehen. Master war mit seinen Gedanken bereits ganz wo anders, das verriet jedenfalls sein breites Grinsen, doch nach einer Weile fokussierte sich sein Blick und er sah mich an. „Ich wünsche dir eine angenehme Nachtruhe, Frischling.“ Der Wunsch war mehr als Aufforderung gemeint, das Hotel zu verlassen,wie mir schien. Doch ich nickte ergeben. „Gute Nacht, Master. Bis morgen.“, verabschiedete ich mich mit einer Verbeugung. Sein Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück. „Pass auf dich auf.“, war das letzte, was ich hörte, als sich die große Tür hinter mir schloss. „Es dämmert schon.“ Ich blinzelte langsam. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, doch zugleich fühlte ich eine Art innere Unruhe, die mich zum Kampf und Handeln aufforderte. Eine schwere Hand auf meiner Schulter riss mich aus meinen Gedanken und ich schüttelte unmerklich den Kopf, um in die Realität zurück zu finden. „Na, was meinst du, Mädchen?“, fragte er mich und zwinkerte mit seinem verbliebenem Auge. „Mh?“ „Gehen wir noch auf einen Drink aus?“ Ich grinste vielsagend. Das gute, alte Problem mit der vampirischen Nahrung. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können.“, gab ich zur Antwort und setzte mich in Bewegung. „Wenn Sie wollen, nur zu. Ich kann Sie begleiten, oder im Hotelzimmer warten.“ Der Söldner seufzte und verstand schließlich. „Achso. Schade.“ Er verschränkte die Arme lässig hinter seinem Kopf. „Alleine trinken ist langweilig.“ Damit war beschlossen, dass wir uns auf direkten Weg zurück in unser Hotelzimmer machten. Dort lockte für den Söldner ein gekühltes Bier und ein Fernseher und meine Wenigkeit ging, nachdem ich unser Gepäck auf Vollständigkeit überprüft hatte, ins Bad. Nach einer Woche auf See war eine warme Dusche mehr als willkommen. Um Fragen vorzubeugen: Ja, Dusch- und Badewasser ging klar. Zudem hatte ich auch nicht vor unter dem Wasserstrahl meinen Hilfsgeist zu beschwören, oder zu fliegen. Mit einem zufriedenem Seufzer lies ich das heiße Wasser über meinen Körper fließen und begann Haut und Haar mit wohlriechendem Shampoo einzureiben. Das waren doch die kleinen Freuden des (Un) Lebens. Als ich fertig war, trocknete ich mich ab und schlang ein Handtuch um meinen Torso und wickelte ein anderes wie einen Turban um mein feuchtes Haar. Als ich aus dem Badezimmer in das Zimmer mit den zwei Betten und dem Fernseher trat, sah ich mich dem gaffenden Blick Bernadotte Taichous ausgesetzt. Er hatte die Bierflasche an die Lippen gesetzt und innegehalten, als ich das Zimmer betrat. Ich setzte mich auf mein Bett und löste den Turban und rubbelte mein Haar so trocken es ging. Als ich fertig war, hob ich den Blick und sah den Söldner an, der immer noch starrte. Ich erwiderte seinen Blick gelassen, bis er schließlich hüstelte und sich dem Fernsehprogramm widmete. Ich lehnte mich etwas zur Seite und sah, was er da schaute. Es schien ihm jetzt erst aufzufallen, dass er immer noch einen Porno sah. Schnell flüchtete er sich in Ausreden und schaltete hastig um. Jetzt musste ich etwas grinsen. Betont klebte der Blick des Söldners an der Mattscheibe, während ich das Handtuch zu Boden gleiten lies und meine Kleidung anlegte. Doch mir entging nicht, dass er mir verstohlene Blicke zuwarf. Ich war nicht sonderlich peinlich berührt. Das war noch nie so gewesen. Es war nur ein nackter Körper. Abartig wurde es nur, wenn einige Kerle meinten darauf mit verdreht perversen Aktionen zu reagieren. Also lies ich mich nicht beirren und plumpste nach getaner Arbeit auf mein Bett. Ich verschränkte die Hände hinter meinem Kopf und sah grübelnd an die Decke. Millenium. Was mochten sie planen? Waren Master und Seras in Gefahr? Doch eigentlich musste ich mir um Alucard keine Gedanken machen. Er wusste sich schließlich zu wehren. Eher um alle, die sich gegen ihn stellten. Ein schiefes Lächeln erschien auf meinem Gesicht. „Also, Mädchen...“, kam es gedehnt von Bernadotte, dem das Schweigen offensichtlich unangenehm wurde. „Mh?“ Ich drehte etwas den Kopf, um ihn anzusehen. Es war offensichtlich, dass er verzweifelt nach einem Gesprächsthema suchte. Ich selbst hatte nichts gegen ein Gespräch, wenn es mir sinnvoll erschien. Anderenfalls war mir das Schweigen auch willkommen. „Diese Millenium Typen... Diese Nazis...“, begann er schließlich langsam. „Was glaubst du haben die vor?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich kann nur Vermutungen anstellen.“, antwortete ich ihm und setzte mich mit Schwung auf. „Aber um das heraus zu finden sind wir ja hier.“ Er nickte bestätigend. „Stimmt.“ Er schob sich eine Zigarette in den Mundwinkel und zündete den Glimmstängel an. Missmutig verzog ich die Miene, als der Geruch in meine Nase stach. Ich fand immer noch, Rauchen musste nicht unbedingt sein. Aber wer es brauchte, konnte es auch nicht lassen. Deshalb beschwerte ich mich nur selten und nahm es hin. Mein Blick fiel auf unsere Taschen und ich hievte meine vor mich auf die Matratze. Geordnet ordnete ich Munition, Waffe und alles was dazu gehörte, neben mich auf dem Bett an, ehe ich begann alles zu checken und zu säubern. Bernadotte, welcher in der Zwischenzeit ebenfalls ein Bad genommen hatte, tat es mir gleich ohne das Rauchen auch nur eine Sekunde zu unterbrechen. Als er seine Pistole prüfend durch lud, fragte er klar vernehmlich: „Sag mal, Mädchen?“ „Mh?“ Ich wandte den Blick nicht von meiner Waffe ab, welche ich säuberte. „Wie lange... bist du schon... Ich meine...“ „Bei der Organisation?“ Er nickte. „Ja... Das auch und....“ Ich grinste. Ich hatte schon verstanden, was er meinte. Er schien es für ein sensibles Thema zu halten. Ich sah allerdings keinen Grund seine Fragen nicht ehrlich zu beantworten. „Seit etwa 24 Jahren.“ „Und... Wie alt bist du genau?“, harkte er nach, ehe er schelmisch hinzufügte: „Ich weiss, man fragt Damen nicht nach ihrem Alter.“ Ich lachte hell auf. „Was für ein Unsinn.“ Man war so alt, wie man war. Oder jedenfalls war es der Körper eines Menschen. Bekanntlich war man selbst nur so alt, wie man sich fühlte. „Ich bin 44.“ Er lächelte und die Zigarette zuckte in seinem Mundwinkel. „Hast dich recht gut gehalten, Mädchen.“ „Domo.“ Ich grinste ihn kameradschaftlich an, ehe ich inne hielt. ” „Was ist?“, erkundigte sich Bernadotte, doch ich antwortete ihm nicht sofort. Ich legte die Waffe beiseite und ging an ihm vorbei, zum Fenster des Hotelzimmers. Ein ungutes Gefühl hatte mich aufstehen lassen und der Blick aus dem Fenster bestätigte, dass meine Sorge nicht unbegründet war. Am Horizont, ganz in der Nähe des Hotel Lios konnte ich Blinklichter erkennen, welche von diversen Einsatzwägen und Scheinwerfern her rührten. „Wa...“ Bernadotte war neben mich getreten und ihm fiel die Zigarette aus dem Mund. Glücklicherweise glühte sie nicht mehr. „Was zum Teufel?“ Ich wandte mich ab und packte mein Gewehr. „Wir müssen los.“, meinte ich sachlich, doch mein Herz schlug einen Takt schneller. Ich machte mir Sorgen um Master und Seras. Der Söldner nickte nur zerstreut und griff nach seiner Waffe. Den Rest würden wir später abholen, ehe wir das Land verliesen. Jetzt war es von höchster Priorität Alucard zu unterstützen, etwas über Millenium herauszufinden und schließlich unbeschadet nach England zurück zu kehren. „Oh, Sekunde mal.“, hielt mich Bernadotte an, ehe ich aus dem Zimmer stürmen konnte. „Mh?“ Ich drehte mich zu ihm um und erst jetzt dämmerte mir, warum er zögerte. Sein nasses Haar klebte ihm noch am Kopf und er hatte bis auf eine Hose nichts an. „Oh.“, machte ich sachlich und blieb stehen. Bis er fertig war, würde es noch etwas dauern. „Ich geh schonmal vor.“, meinte ich also und er nickte zustimmend. „Glaubst du Alucard und das Mädel kommen klar?“, fragte er mich, nicht ohne eine gewisse Besorgnis in der Stimme. Ich konnte nur mit den Schultern zucken. Bernadotte inhalierte einmal tief den Zigarettenrauch. „Ich komme dann nach und kümmere mich um einen Helikopter, damit wir hier wegkommen.“, schlug der Söldner vor. Ich nickte, aber studierte das Gesicht des Mannes. „Ich könnte mit Hypnose helfen....“ „Unsinn.“, unterbrach mich Bernadotte locker. „Ich kriege das schon hin. Und jetzt mach, dass du weg kommst.“ Ich grinste ihn an und salutierte. „Zu Befehl.“ Er nickte mir entschlossen zu, ehe ich aus dem Raum und nach draußen stürmte. Kapitel 20: Setup ----------------- Setup Sofort schlug mir die kalte Nachtluft entgegen, als ich durch die dunklen Gassen Rios stürmte. Lauf und Gewehrgriff meines Gewehres Quincey, welche ich in aller Eile um gehängt hatte, schlugen mir im Rhythmus meiner hastigen Schritte gegen meinen Rücken. Am von künstlichen Licht erleuchteten Horizont sah ich immer noch ganz klar und deutlich das Hotel Lio vor mir, auf welches ich zu eilte. Hatte Millenium für den Aufruhr gesorgt? Die Einsatzwagen stammten offensichtlich von der örtlichen Polizei und Spezialeinsatzkräfte. Es waren keine von Millenium geschickten Soldaten und Krieger. Es waren Menschen. Entweder hatte jemand diese dazu angestiftet, oder... Ich verwarf den Gedanken schneller, als er gekommen war. Master Alucard würde niemals die Mission gefährden, indem er an Spaß an der Freude wahllos Menschen anfiel und erst recht nicht gegen den Willen von Lady Hellsing. Also war sicherlich ersteres der Fall. Das ganze würde auch passen: Der reibungslose Ablauf unserer Reise, die seltsamen Gestalten im Hotel, dieses seltsame Gefühl, welches mich nicht los lies. Ich durfte keine Zeit verschwenden. Ich riss mir den Gurt der Waffe vom Rücken und nahm sie mit beiden Händen fest in die Hand, ehe ich meine schwarzen Schwingen ausfuhr. Der direkteste Weg war der schnellste. Ich wusste schließlich wo sich die Suite befand und musste nur dafür sorgen, dass mich niemand sah, wenn ich in das innere des Gebäudes eindrang. Da alle Scheinwerfer auf die Suite im obersten Stock gerichtet waren, musste ich, wohl oder übel, durch ein anderes Fenster einsteigen und dann über den Flur in Alucard und Seras Zimmer gelangen. Also hob ich ab und umflog das Hotel ungesehen in einem weiten Bogen, ehe ich durch eines der uneinsichtigen Fenster an der Rückseite krachte. Mit einer beiläufigen Bewegung zog ich einen größeren Glassplitter aus meinem Arm und machte mich auf den Weg zur Tür. Diese öffnete ich vorsichtig und spähte in den Flur. Es wäre ja möglich, dass die Einsatzkräfte bereits ins Innere vorgedrungen waren, doch dies war, jedenfalls in diesem Stockwerk, noch nicht der Fall. Die Luft war rein. Das Gewehr, welches locker um mein Handgelenk pendelte, hängte ich mir wieder über meinen Rücken, sobald ich meine Flügel eingefahren hatte. Ich verschwendete keine Zeit mit unnötigen Höflichkeiten, schlug nur einmal kurz mit meiner Faust gegen die Tür der Suite und trat ein. Master stand bereits am Fenster und somit mit dem Rücken zu mir. Er schien meine Ankunft bemerkt zu haben, drehte sich aber noch nicht sofort um. „Master.“ „Wir befinden uns im Krieg, Frischling.“ Auch ohne meine Stimme vernommen zu haben, hatte er gewusst, wer zu ihm ins Zimmer getreten war. Den Ton seiner Stimme wusste ich nicht so recht einzuordnen. War es Kampflust? Freude? Abscheu? Wut? Oder doch eine Art tiefe Befriedigung? Endlich drehte er sich bedächtig um und ging zu Seras Sarg hinüber, welcher am Boden lag. Scheinbar schlief diese immer noch darin. Er öffnete den Deckel und beugte sich über die Totenkiste. „Wach auf.“ Seras öffnete verschlafen blinzelnd und offenbar immer noch in einem ihrer Träume gefangen die Augen. Ihre Schlafpositur lies darauf schließe, dass es ein ziemlich aufwühlender Traum gewesen sein musste. „Gu... Guten... Guten Morgen!“, brachte sie schließlich hervor. „Steh auf.“, forderte Master und ein unverhohlenes Grinsen zierte seine Lippen. „Schnell. Es wird lustig.“ Ich reichte Seras eine Hand, die sie dankend annahm und sich verwirrt aufsetzte, nur um erstaunt sitzen zu bleiben. Perplex blinzelnd nahm sie schließlich das Rattern der Helikopter Rottoren wahr, welche sich dem Fenster nährten. „Was ist hier eigentlich los?“, fragte sie an uns beide gewandt. Niemand antwortete. Alucard grinste noch immer voller Kampfesslust und ich hatte mein Gesicht dem Fenster zugewandt und starrte nach draußen. In diesem Augenblick schwebte ein Helikopter mit zweiköpfiger Besatzung vor dem großen Fenster. Einer der Männer hielt eine Kamera in das Zimmer. Offensichtlich war es das Fluggefährt eines örtlichen Nachrichtensenders. Hauptsache die Neugierde der Menschen befriedigen. Das war wichtig. „Wa...Wa...Was... Was ist das?“, stotterte Seras überfordert. Alucards Augen funkelten. „Nun ja, wir sind im Krieg.“ „Eh?“ Die Polizistin schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Doch ehe ich zu einer knappen Erklärung ansetzen konnte, kam es von Alucard: „Versteckt euch.“ „Was?“, fragte Seras. „In den Schrank mit euch. Alle beide.“ Seine Stimme war nun beinahe ein animalisches Knurren. Seras zuckte erschrocken zusammen und ich straffte meine Schulter. Ich atmete tief durch, dann nickte ich. Was auch immer Master im Sinn hatte, es war ihm ernst und zu widersprechen war sinnlos. „Na los, komm.“ Ich streckte Seras erneut meine Hand hin, um ihr auf die Beine zu helfen. Ihr verständnisloser Blick lag auf mir, doch mein Blick galt Alucard. Dieser hatte uns den Rücken zugedreht und war scheinbar zu allem bereit, außer zu einer Diskussion mit einem von uns beiden. Mein geschultes Ohr vernahm die Sondereinheiten, welche ins Gebäude stürmten und sich auf einen Angriff vorbereiteten. In wenigen Augenblicken würden sie die Suite stürmen und auf alles schießen, was ihnen vor die Flinten kam. Doch nur würde der Mann in Rot, den sie trafen und mit Kugeln durchsiebten, nicht tot bleiben. Und nicht nur das. Er würde sich wehren. Er würde zurückschlagen und alle Männer abschlachten, die ihm in die Quere kamen. Es wäre besser, wenn die zart besaitete Seras dies nicht sah, dachte ich bei mir, als ich in den Kleiderschrank kletterte und die Blonde ermunterte dasselbe zu tun. Die Überbleibsel zu sehen und das Abschlachten zu hören, war sicher schon zu viel für sie. „Alles in Ordnung. Kommt raus.“, erklang irgendwann die Stimme meines Masters in die ohrenbetäubende Stille hinein, welche nach dem Gemetzel eingetreten war. „E...Echt? Alles okay?“, fragte Seras unsicher, öffnete langsam die Schranktür und setze vorsichtig einen Fuß nach dem anderen auf den Boden. Ich war mit einem Satz aus dem Versteck heraus und trat vor.Über den Boden der Hotelsuite verteilt lagen die grotesk zerfetzten Leichen der Einsatzkräfte. Überall lagen zwischen ihren Körperteilen und in ihrem Blut Patronenhülsen, die von der wilden Schießerei, die vorher stattgefunden hatte, herrührte. Seras Augen weiteten sich vor Entsetzen, als sie der toten Körper gewahr wurde. „Macht euch fertig.“, kam es von Alucard, welcher uns den Rücken zugewandt hatte und aus dem Fenster sah. „Wir verschwinden von hier.“ Ich nickte und schickte mich an, alles für unsere Abreise vorzubereiten. Bernadotte Taichou hatte versprochen sich um den Helikopter zu kümmern, also mussten wir dafür sorgen, dass alles fertig war, sobald er hier mit dem Transportmittel eintraf. Am Besten würde es sein, wir schafften Särge und Waffen auf das Flachdach des Hotels. Von dort würde es kein Problem sein, alles einzuladen und zu verschwinden. Doch Seras zögerte. „Ähm... Ich...“, murmelte sie kaum hörbar. Alucard wandte ihr sein ausdrucksloses Gesicht zu. „Was ist?“, fragte er und fügte mit Nachdruck hinzu: „Beeil dich.“ „Ich äh... Ma...Master... Äh... Das sind Menschen... “, stotterte die Polizistin. Master verzog keine Miene. „Na und?“ Seras war schockiert über die Gelassenheit ihrer Mitvampire und erhob die Stimme: „Me... Menschen!“ „Na und?“ Auch Alucard hatte die Stimme erhoben und Seras zuckte zusammen. Ja. Es waren Menschen gewesen. Auch wenn ich diese verabscheute, empfand ich beinahe so etwas wie Mitleid. Ich schlachtete jedes Monster ohne Gnade ab, doch etwas hielt mich davon ab, Menschen zu töten. Und war es nur Stolz. Sie waren kurzlebig und keine wahren Gegner. Sie konnten sich ja kaum wehren. Es war nicht ehrenhaft oder sonderlich fair. Trotz alledem sah ich nach einem kurzen Blick von den zerfetzten Körper auf und sah Master an. Die Männer hatten nie den Hauch einer Chance gehabt, doch im Grunde genommen war es Notwehr gewesen. Eine Art Notwehrexzess, aber dennoch Notwehr. Sie oder wir. Wütend packte Alucard Seras am Kragen, sodass ihre Füße den Kontakt mit dem Boden verloren. „Was soll damit sein, Draculina?“, herrschte der Vampir die Polizistin an. „Verdienen Leute, die bewaffnet Kriege anzetteln überhaupt die Bezeichnung Mensch?Sie sind gekommen um uns zu besiegen, zu töten und verrotten zu lassen! Doch es war ihre Bestimmung, besiegt und getötet zu werden und nun zu verrotten.“ Ich spürte, wie ich innerlich verkrampfte. Ich mochte es nicht, wenn jemand seine Stimme erhob und die Grobheit, die Master dem Mädchen gegenüber an den Tag legte, empfand ich als relativ unnötig. Dennoch bewahrte ich Haltung, um nicht das Missfallen meines Masters zu erregen und seine Wut noch mehr zu steigern. Außerdem wusste ich, dass er mit seinen Worten nicht falsch lag. Seras war noch, sprichwörtlich und wortwörtlich, zu blauäugig. Dies war die knallharte Realität. Ehre, Loyalität, Fairness... Diese und viele andere Worte hatten in der Welt der Menschen und Monster oftmals keinen Platz. Der einzelne konnte sich zwar bemühen und versuchen etwas daran zu ändern, doch er konnte nicht die Welt auf eigene Faust verbessern und die gesamte Menschheit gleich mit zum Besseren bekehren. „Das ist alles! Krieg ist ein Spiel. Sie hatten ein mieses Blatt, aber haben alles auf eine Karte gesetzt! So war das nun Mal! Ich musste sie töten!“ Seine Stimme senkte sich etwas. „Das ist nicht zu ändern. Das ist ein Fakt. Niemand kann das ändern. Gott nicht. Der Teufel nicht. Du nicht und ich auch nicht.“ Seras, die die ganze Zeit über still geblieben war, begann nun zu schluchzen. Tränen bildeten sich in ihren himmelblauen Augen und sie stammelte: „Aber... äh...äh...“ Alucard´s Blick wurde etwas sanfter und seine Hand löste sich von ihrem Kragen, der inzwischen ziemlich ausgeleiert sein musste. „Ja genau das ist es...“ Er wandte sich wieder ab, sodass ich seinen Gesichtsausdruck weder sehen noch deuten konnte. „Gehen wir, Seras. Komm mit. Und sei vorsichtig, es dämmert schon.“ „Ja....Jawohl.“, stotterte die Blonde verwirrt. Ich versuchte die Beklommenheit, die mein Herz ergriffen hatte abzuschütteln und schenkte Seras ein trauriges Lächeln, ehe sie sich den Särgen zu wandte um diese mit voller Konzentration transportfähig zu machen. Ich blieb wie angewurzelt stehen, während Master zum Telefon, welches auf dem Tisch stand, hinüber schritt. Er wählte eine Nummer und wartete ausdruckslos, bis sein Gesprächspartner den Hörer abnahm. Es war Lady Integra. „Wer ist das? Freund, oder Feind.“ „Ihr Diener, Lady Integra.“, gab Alucard zur Antwort. „Einen Befehl... Geben Sie mir einen Befehl, meine Herrin.“ „Alucard! Gib einen Lagebericht!“, rief Sir Hellsing, welche die Stimme des Vampires erkannte. „Direkt nachdem wir das Hotel bezogen hatten, wurde es umstellt. Die Kerle sind schlauer als wir dachten, sie waren auf uns vorbereitet. Gerade eben wurden wir von einer Spezialeinheit der Polizei überfallen.", begann Alucard. "Und?", fragte Integra und Alucard lächelte. "Ich habe sie alle getötet. Ich habe sie ausgemerzt. Und nicht einen übriggelassen. Geben sie mir neue Befehle, Integra.“ Auf der anderen Seite der Leitung blieb es still. „Die obersten Leitung der Polizei wird wahrscheinlich von "ihnen" kontrolliert.“, fuhr Master fort. „Doch die, die das Hotel stürmen, waren nur Befehlsempfänger. Ich bringe auch in Zukunft nur ganz normale Menschen um, die von nichts eine Ahnung haben. Ich zögere nicht das kleinste bisschen, sie zu töten. Ich kann sie ohne jede Reue vernichten. Weil ich ein Monster bin!“ Er machte eine bedeutende Pause, ehe er fragte: „Wie ist es mit ihnen Lady Integra? Ich trage die Waffe und ziele mit ihr. Ich lade Munition nach und sichere. Doch ich töte nur auf Wunsch! Was soll ich tun? Geben Sie mir Befehle, Lady Integra Wingates Hellsing, oberste Befehlshaberin der königlichen-protestantischen Ritterschaft!“ Wieder blieb es still, ehe man gedämpft durch den Hörers Integras Stimme vernahmen konnte: „Walter...“ „Ja?“ „Eine Zigarre.“ „Sehr wohl. Sofort.“, erwiderte dieser gehorsam. Ich konnte hören, wie mein Onkel zu seiner Herrin trat, ihr das Gewünschte mit einem „Bitte.“ überreichte und schließlich mit einem Feuerzeug die Zigarre entzündete. Dann blieb es noch eine Weile still, ehe ein beinahe ohrenbetäubender Knall ertönte, als die blonde Frau mit der flachen Hand auf ihren Schreibtisch schlug, ehe sie los brüllte: „Mach dich nicht über mich lustig, Diener! Ich habe meinen Befehl bereits erteilt! An ihm hat sich nichts geändert! Search and Destroy! Search and Destroy! Mach alles nieder, was sich dir in den Weg stellt! Flieh nicht, verstecke dich nicht, sondern greif an! Ich will, dass du das Hotel durch den Haupteingang verlässt! Zerstöre alle Hindernisse, schiess dir den Weg frei!“ Auf diesen Befehl hatte Alucard nur gewartet. Er lachte aus tiefstem Herzen, ehe er sagte: „Roger. Richtig! Das war das letzte Feigenblatt, was fallen musste. Wunderbar! Das bringt mich in Wallung, Integra.“ Ich atmete tief durch. In mir tobte ein innerer Zwiespalt. Mein Blut geriet ebenfalls in Wallung, in Aussicht auf den Kampf und das Blutvergießen. Doch andererseits war da die kleine, leise, beinahe unscheinbare Stimme, die in meinem Kopf wisperte und mich daran erinnerte, wie schwach und wehrlos unsere Gegner waren. Zumindest jene, mit denen Alucard es zu tun bekäme, wenn er sich seinen Weg aus dem Hotel bahnte. Vampire, oder andere Wesen, uns ausgenommen, befanden sich nicht in dem Gebäude. „Dann werde ich jetzt gehen.“, lies er seine Herrin wissen. „Sieh genau hin, Lady Hellsing.“ Mit diesen Worten legte er auf. „Master!“, kam es erschöpft von Seras aus dem Nebenzimmer. „Ich bin fertig.“ Wir beide drehten uns zu der blonden Polizistin, welche schwankend ins Zimmer trat, um. „Wir verschwinden. Du trägst die da aufs Dach. Dann kaperst du einen Helikopter.“, erklärte Alucard. Seras drohte die Seele zu entschwinden. „Einen Helikopter kapern...Fliehen...“ Sie fasste sich etwas und fragte: „Wi... wi... W-wie soll ich das anstellen?“ „Irgendwie.“, war die pragmatische Antwort. Seras begriff, dass Wiederworte zwecklos waren, also fragte sie stattdessen: „Okay, ich mach das schon irgendwie. Aber... was machst du dann, Master?“ Der Vampir grinste breit: „Ich werde das Hotel durch den Haupteingang verlassen. Ich muss schließlich ordentlich aus checken. Ich werde den Kerlen, die von oben aus zuschauen, zeigen, mit wem sie sich eingelassen haben.“ Ohne weitere Worte zu verschwenden, wandte Alucard sich ab und trat gemächlich und gelassen durch die Tür nach draußen in den Flur. Als die Tür leise ins Schloss fiel, wandte ich mich an Seras und legte ihr sanft eine Hand auf die Schultern. „Keine Sorge. Bernadotte Taichou kümmert sich um den Helikopter.“, lies ich sie wissen. „Wir müssen nur die Särge und deine Waffe aufs Dach bekommen.“ Augenblicklich fiel etwas von Seras Anspannung von deren Schultern. Dennoch grübelte sie laut: „Und wie sollen wir das anstellen?“ Ich überlegte kurz. Es gab scheinbar keine Feuerwehrleiter über die wir die Särge hätten nach oben tragen können und selbst wenn, wäre dies vermutlich etwas schwierig geworden. Also würden wir entweder vom Inneren des Gebäudes auf das Dach kommen, oder wir mussten einen anderen Weg finden. Das Innere erschien mir etwas unpässlich. Ich konnte hören, wie bereits unzählige Schüsse ertönten, als sich Alucard seinen Weg nach unten bahnte. Wir könnten warten, bis er das Gebäude gereinigt hatte und dann den Zugang zum Dach suchen. Entweder gab es eine Treppe, die dorthin führte, oder vielleicht sogar einen Aufzug. Im allerschlimmsten Fall, musste ich versuchen erst die Särge, dann Seras und ihre Waffe auf das Dach zu fliegen. Doch dies war nicht nötig, wie sich herausstellte. Als ich mich versichert hatte, dass Master das Stockwerk verlassen hatte und sich keine Einsatzkräfte mehr in diesem Stockwerk befanden, sah ich mich um. Tatsächlich gab es am anderen Ende des Flures eine Treppe, die nach oben führte. So gelang es uns beiden sämtliches Gepäck auf das Dach zu befördern. Als Explosionen das Gebäude erschütterten riskierte ich einen Blick nach unten. Dort kämpften Alucard und ein mir unbekannter Mann, der mit explodierenden Spielkarten um sich warf. Ob das einer von Millenium war? Jedenfalls wurde die Umgebung und die umstehenden Menschen ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Für einen Augenblick machte ich mir Sorgen um Alucard. War er diesem Gegner gewachsen? Das Ganze sah ziemlich heftig aus. Der Kerl hatte einiges drauf. Ich schüttelte unmerklich den Kopf und verbot mir selbst diesen Gedanken. Natürlich war er seinem Gegner gewachsen und würde siegen. Er war schließlich Alucard. Kurz ruhte mein Blick auf den gepfählten Männern und ich war mir sicher die Handschrift meines Masters zu erkennen. Ebenso unbemerkt zog ich mich zurück und fing Seras fragenden Blick auf. „Und jetzt?“, fragte sie etwas ratlos. Ich lächelte unbekümmert. „Bernadotte Taichou wird uns hier abholen.“, lies ich sie wissen. Ich fragte mich nur, ob ich ihn aufsuchen und zur Eile ermahnen sollte. Doch dieser Gedanke wurde von einer erneuten Explosion in unmittelbarer Nähe hinfort gewischt. Mitten auf dem Dach zu bleiben schien nun doch nicht die beste Idee zu sein. Scheinbar wurde der Kampf bald hier oben ausgetragen. „Komm.“ Ich packte Seras ohne zu Zögern am Handgelenk und entschied, dass das Dach nebenan, welches ebenfalls zum Hotel gehörte, für die Särge genügend Platz bot. Da es etwas tiefer gelegen war, als der Teil des Daches, auf welchem wir standen, würde es hoffentlich vom Kampf verschont bleiben. Vor allem für Seras würde ein Treffer dieser Karten fatal werden. Hastig wurden Waffen und Sarg auf das andere Dach transportiert. Eine Gestalt in Rot, welche auf dem höchsten Dachabschnitt landete, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Master! Er war zu Boden gesunken und keuchte laut. Aus unzähligen Wunden floss Blut. Ich spürte, wie Seras neben mir zusammen zuckte und sie sich anschickte, unserem Master zur Hilfe zu eilen, doch ich hielt sie zurück, indem ich eine Hand auf ihre Schulter legte und den Kopf schüttelte. Dort drüben würde es bald richtig zur Sache gehen und ihre Regenerationsfähigkeit war bei weitem nicht so ausgereift wie bei Master. „Das Blut hört nicht auf zu fließen. Anscheinend war er selbst beim Kartenspiel ein Stümper. Zum Lachen wirklich.“ Tatsächlich begann er trotz Verletzungen zu lachen. Er erhob sich und sein Körper begann wieder zu heilen. „Sie sind es! Sie sind diese Typen! Das ist einfach zu amüsant.“ Eine beinahe unmerkliche Bewegung, welche ich aus den Augenwinkeln wahrnahm und ein eigentümliches Geräusch, welches durch die Luft schnitt, forderte meine ungeteilte Aufmerksamkeit und eine flinke Reaktion. Ich fuhr meine Schwingen aus und warf Seras zu Boden, um sie mit Flügeln und Körper zu decken. „Wa...“, mehr als das konnte die Blonde nicht sagen, da schlugen in unserer unmittelbaren Nähe drei dieser verdammten Karten ein und explodierten mit ohrenbetäubendem Getöse. Als sich der Rauch lichtete, erhob ich mich und half Seras auf die Beine zu kommen. Diese hustete etwas und klopfte sich etwas Staub von der Uniform. „Was war...?“, begann sie und schnell erkannte sie, was geschehen war. Die drei Einschlaglöcher auf dem Dach waren Beweis genug. Mann, diese Kerle waren nicht ohne. Ich nahm Seras Dank mit einem kurzen Nicken hin, lies meine Wunden heilen und richtete meine Aufmerksamkeit wieder Alucard zu. Es folgte eine erneute Explosion und plötzlich stand der Karten Kerl auf dem höher gelegenem Dach. „Du bist also bereit, Alucard?“, fragte dieser. „Deine Heimreise steht bevor. Zurück in den Abgrund der Hölle.“ Alucard lachte lediglich amüsiert. „Was gibt’s da zu lachen?“, fragte der Karten Typ. „Ich freue mich so!“, verkündete der Vampir mit weit geöffneten Augen. „Dass es tatsächlich immer noch solche gefährlichen Idioten wie euch gibt. Millenium. Das letzte Bataillon. Verstehe... Die Kampfgruppe, eine von einem wahnsinnigen Major geführte Bande von Nicht-Menschen. Diese Welt ist noch genauso voller Wahnsinn wie früher.“ Er lachte ein letztes Mal, ehe er seinen Gegner fixierte. „Es geht los! Singe! Tanze! Dandy Alhambra. Du sollst schreien wie ein Schwein.“ „Schreien? Ich?“, fragte Dandy Alhambra verächtlich. „Du weist wohl immer noch nicht, wen du vor dir hast, du Naivling. Dein Gehirn ist schon ganz hohl vor lauter...“ Weiter kam er nicht, denn Seras hatte das Dach erklommen und ihm Schutze einer zerstörten Betonwand, die wohl bei einer der Explosionen draufgegangen war, feuerte sie wilde Schüsse aus ihrer Waffe ab. „Verdammte Göre!“, fluchte Dandy. „Unterschätz mich nicht!“ Seras hatte Recht, musste ich feststellen. Mir missfiel es zwar, mich in Masters Kampf einzumischen, aber dieser Typ war von Millenium und deshalb alles andere als ungefährlich. Mit ausgebreiteten Schwingen landete ich auf der anderen Seite des Daches und feuerte mit meinem Gewehr auf den Gegner. Ärgerlich versuchte der Kerl die Projektile, die nun von allen Seiten kamen mit seinen Karten abzuwehren. „Hey! Du wirst mir zu frech!“, knurrte er ärgerlich, als die in zwei geschnittene Patrone von Seras Halconen dennoch neben ihm explodierte. Alucard hatte im Schutze des Rauches vor Alhambra seinen hündischen Familiar beschworen, aus dessen Maul nun die Jackal ragte. Auch Schiriki, den ich zur Hilfe schickte, lenkte den Mann so ab, dass dieser Alucard, welcher nun hinter ihm auftauchte, gar nicht wahrnahm, bis dieser ihn am Handygelenk packte. Der Vampir zog den Mann näher zu sich heran, ehe er ihm ohne zu zögern mit seinem Fuß das rechte Bein am Knie durchbrach. Dandy schrie vor Schmerz laut auf. „Du sollst schreien wie ein Schwein.“, wiederholte Alucard sadistisch grinsend. Verzweifelt versuchte der Kartenspieler sich zu wehren, doch das Endergebnis war, dass Alucard seinen gesamten Arm in der Länge mit seinem eigenen spaltete. Dann packte er grob Dandys Gesicht. „Schachmatt, Dandy.“, verkündete er und schob sein Gesicht näher an das seines Gegners. „So, und jetzt erfülle dein Versprechen. Und damit ich meinen Befehl erfüllen kann, soll dein Leben, das ich dir nun nehme mir alles von A-Z berichten.“ Weit öffnete Alucard seinen Mund und entblößte seine spitzen Reißzähne, ehe er diese in den Hals des Besiegten rammte. Noch während Master das Blut von Dandy Alhambra saugte und somit dessen Leben in sich aufnahm, ging dieser unvermittelt in Flammen auf. „Verzeihen Sie, mein Kommandant.“, brachte dieser röchelnd hervor, ehe die Flammen ihn verzerrten. Kapitel 21: Age of Empires -------------------------- Age of Empires Als der Rest von Tubalcaine Alhambra vom Angesicht der Erde getilgt worden war, begann Alucard zu lachen. Es war ein amüsiertes, lautes Lachen. Die Brandwunden, die ihm zugefügt worden waren, schienen ihn gar nicht zu kümmern. Seras lief sofort auf Master zu. „Ma...Master!“ Sie hielt inne, als sie seines Gelächters gewahr wurde. Sie schien wohl an seinen geistigen Zustand zu zweifeln. Ich betrachtete das Ganze schweigend. Was mochte Master in den Erinnerungen des Mannes gelesen haben, das ihn so amüsierte? Sein Blick huschte kurz zu mir herüber und er unterbrach sein Lachen, nur um Applaus zu klatschen. Mit geschulterter Waffe trat ich näher, als ein Geräusch mein Blick gen Himmel zwang. Ein Helikopter näherte sich dem Dach. Am Steuer saß ein Mann. An seine Stirn wurde eine Pistole gedrückt und der Besitzer der Waffe war Bernadotte Taichou, welcher offenbar auf seine Weise den Helikopter entführt hatte und nun neben uns zu landen versuchte. Er grinste uns unverschämt zu und klopfte mit den Zeigefinger gegen die Scheibe, ehe er rief: „Master Alucard! Miss Seras! Alex!“ Seras Augen weiteten sich. “Ah, Commander.” „Wo ist mein Sarg?“, kam es von Alucard. Die Polizistin zuckte zusammen. „Ah, sofort.“ Sie sprintete los, um das gewünschte und ihre eigene Totenkiste zu holen, sodass wir sie verladen konnten. Ich flog über die hinweg und landete neben den Särgen, um ihr behilflich zu sein. Als ich die Särge anhob, glaubte ich Alucard murmeln zu hören: „Feinde töten, Freunde töten, das eigene Volk, das eigene Land, sich selbst.. Doch euch reicht es immer noch nicht. Und auch ich bin ein unverbesserlicher Kriegshetzer, genau wie du und deine Leute, Major.“ Ich sah kurz zum Mond herauf ohne meine Arbeit zu unterbrechen. „Jetzt macht schon!“, brüllte Bernadotte auffordernd und drängte uns alle zur Eile. Wie ich feststellen musste, hatte er seine Waffen und meinen Sarg bereits in dem Hotel, in welchem wir abgestiegen waren und sie zurückgelassen haben, abgeholt. Wir befestigten die Särge an den Kufen des Helikopters, anderenfalls hätten wir im Inneren zu wenig Platz gehabt. Andererseits hätte ich auch fliegen können, wäre es erforderlich geworden. Für alles andere, die Kisten und Waffen bot der Helikopter in hinteren Teil seines Rumpfes genügend Platz. „Fliegen Sie los!“, befahl der Söldner dem Pilot mit vorgehaltener Waffe, als alle eingestiegen waren. Der Mann zitterte vor Angst und gehorchte. „S...s...sehr....wohl...“, stammelte er und legte einige Schalter auf dem Cockpit, um das Fluggerät in die Luft zu erheben. Ich hatte neben Master Platz genommen und wenn ich nicht aus dem Fenster schaute, warf ich ihm kurze Blicke zu. Was wohl in seinem Kopf vorgehen mochte? Zu gerne hätte ich ihn gefragt, was er aus den Erinnerungen hatte erfahren können, doch ich hielt mich zurück. Wenn die Zeit reif war, würde er alles Lady Integra offenbaren. Bis dahin musste ich mich in Geduld üben. „Wohin jetzt?“, fragte Bernadotte laut, um die Rotoren des Helikopters zu übertönen. „Irgendwohin.“, meinte Alucard. „Wir brauchen einen abgelegenen Ort. Dann überlegen wir uns, was zu tun ist.“ Der Söldner nickte nur und dirigierte den Pilot irgendwann zu einem einsamen Feld in der Nähe einer unscheinbaren, abgelegenen Stadt. Dort würden wir uns ein Motel, oder ähnliches suchen und über unsere weiteren Schritte nachdenken und überlegen, was zu tun war. Irgendwie mussten wir aus dem Land kommen und das so unauffällig wie möglich. Nacheinander stieg die ungewöhnliche Gesellschaft samt Fracht aus dem Helikopter. Erst Seras, dann Bernadotte. Ich folgte ihm und zuletzt kam Master. Ich schenkte dem Mann ein leichtes Lächeln und nickte ihm zum Abschied zu. Dann packte Alucard ihm am Kopf und löschte sämtliche Erinnerungen aus dem Kopf des Mannes. Nach getaner Arbeit lies er ihn los und der Kopf des Mannes knallte ungebremst auf das Cockpit. Es würde wohl etwas dauern, bis er zu sich kam. Doch wir hatten keine Zeit, um uns noch über so etwas Gedanken zu machen. Master ging zielstrebig voraus und wir folgten ihm samt Gepäck. Ab und zu stieß Bernadotte genervte Flüche aus und beschwerte sich über das Gewicht der Ladung. Ich blieb den gesamten Fußmarsch über stumm. Abgesehen davon, dass sich beschweren niemandem weiter half, war ich bei meinen Gedanken bei Master und Millenium. So huschten wir im Schutze der Nacht über das Feld, bis wir die Stadt St. Rose erreichten. „Aah...“ Mit einem lauten erschöpften Seufzer lies sich Bernadotte auf das einzige Bett im dem Motel Zimmer fallen, welches wir gemietet hatten. Nun, um die Wahrheit zu sagen, gemietet war nicht der richtige Ausdruck. Wir hatten uns eingenistet und sämtliches Personal, welches uns über den Weg lief, wurde von Alucard hypnotisiert. So verhinderte er geschickt, dass sie uns wahrnahmen, sich an uns erinnerten und später von uns berichten konnten. „Weiss ja nicht, wie es mit euch ist, aber ich habe Hunger.“, lies uns der Söldner wissen und schaute die Umstehenden an. „Na?“ „Dann hol dir was, aber fall nicht auf.“, erwiderte Alucard. Bernadotte seufzte noch einmal auf und erhob sich. Sein Blick blieb auf Seras hängen. „Kommst du mit?“, fragte er sie. Sie zuckte zusammen und errötete „Eh? Ich?“ Er nickte bestätigend. „Alleine ist langweilig. Außerdem brauche ich eine Leibwache, falls etwas passiert, oder meinst du nicht?“ „A...aber...“ Seras sah Master und mich hilfesuchend an. „Die Sonne... und...“ „Das Sonnenlicht wird dir nicht schaden, wenn du dich ihm nicht direkt aussetzt.“, meinte Alucard. „Geh mit, Polizistin und schaut, ob einen Transport nach England für uns auftreiben könnt, wenn ihr schon dabei seid.“ Seras nickte ergeben. „J...Ja, Master.“ Nachdem sie sich einen langen Mantel mit Kapuze angezogen hatte, legte Bernadotte einen Arm um sie und zog sie, fröhlich plaudernd, nach draußen. Seras Blick, welchen ich auffing, ehe sich die Tür schloss, zeugte davon, dass sie ihre Entscheidung, den Söldner zu begleiten schon beinahe bereute. Ich grinste und winkte frech zum Abschied. Da ich Master in seinen Gedanken nicht unterbrechen wollte, ging ich zu dem Bett hinüber, setzte mich mit überkreuzten Beinen auf die Matratze und schaltete das Fernsehgerät an. Das diente weniger dem Vertreib von Langeweile als der Informationsbeschaffung. Welche Spuren hatte unser Aufenthalt und unsere Flucht aus Rio hinterlassen? Hatten wir Verfolger zu befürchten? Würde man uns suchen? Nach uns verhandeln? Je nachdem mussten wir unser Transportmittel wählen und uns den Gegebenheiten anpassen. Auch wenn ich in einigen Sprachen bewandert war, gehörte Portugiesisch, die Landessprache Brasiliens, nicht dazu, aber für Touristen gab es auch Englische und Spanische Sender, nicht allein, weil es üblich war, dass diese beiden Sprachen an den brasilianischen Schulen unterrichtet wurden. Wie es der Zufall so wollte, schaltete ich in jenem Augenblick den Fernseher ein, in dem die Nachrichten, die uns betrafen, verlesen wurden. Zunächst wurden Bilder des Hotel Rios gezeigt und die durch uns und Alhambra entstandenen Schäden. „Gerade haben wir neue Informationen über die Schießerei im Hotel Lio erhalten.“, berichtete der Nachrichtensprecher. „Vom Hotel, wo noch immer helle Aufregung herrscht, berichtet nun BNB Brazil mein Kollege Feld Parshel.“ Nun wurden einige Live Aufnahmen von dem Ort des Geschehens gezeigt. Mister Parshel hielt ein Mikrophon an seine Lippen. „Ja, man hat um das Hotel Notzelte für die medizinische Versorgung aufgebaut.“, erklärte er. „Seit Tagen ist man hier nicht zur Ruhe gekommen. Es ist wie ein Kriegsschauplatz. 107 Menschen starben bei diesem Verbrechen und 64 Menschen wurden verwundet. Von den Tätern fehlt bislang jede Spur.“ Ein erneuter Schnitt. Die Kamera war auf den Helikopter gerichtet, den Bernadotte gekapert und wir in dem Feld irgendwo im nirgendwo stehen gelassen hatten. Samt Pilot. Dieser schien immer noch nicht verarbeiten zu können, was geschehen war. „Der CNN Helikopter, den sie für die Flucht gekapert haben wurde außerhalb der Stadt aufgefunden, doch er war leer. Lediglich der Pilot stand verwirrt auf dem Acker. Seltsamerweise erinnerte er sich an nichts und konnte sich nicht erklären, wie er an diesen Orte gekommen war.“ Das war nicht weiter verwunderlich, dachte ich bei mir. Master´s Hypnose war mehr als wirkungsvoll. Aber natürlich hatten die Einsatzkräfte und Nachrichtensprecher auch für dieses Phänomen eine „logische“ Erklärung parat. „Die Polizei geht davon aus, dass Drogen benutzt wurden, um die Erinnerung des Piloten zu manipulieren. Die Ermittlungen werden fortgesetzt.“ Ich war kurz davor den Fernseher auszuschalten, als plötzlich erneut ein Szenenwechsel stattfand. „Die Behörden tappen trotz fieberhafter Fahndung nach den Tätern immer noch im Dunkeln.“, lies Mister Parshel den Zuschauer wissen. Gut so, dachte ich. „Das war Feld Parshel für BNB Brazil, Live vom Hotel Lio.“ Falls der gute Mann noch etwas zu sagen hatte, bekam ich es nicht mit, denn ich drückte auf die Fernbedienung und das Bild fiel in sich zusammen. Ich starrte eine Weile vor mich hin und sortiere alle mir vorliegenden Informationen in meinem Kopf. Es war eigentlich nur eine natürliche Schlussfolgerung, dass nach uns verhandelt wurde. Von Master und Seras existierten zu allem Überfluss auch noch Aufnahmen und Bilder. In ersterem Fall zwar unter falschem Namen, doch das verbesserte nicht die Situation. Dank unseres Gepäck stand ein normales Passagierflugzeug sowieso außer Frage. Ich wandte mich zu Alucard um, doch dieser hatte gerade den Hörer des Telefons ergriffen und wählte eine Nummer. Vermutlich wollte er Lady Integra Bericht erstatten. Möglicherweise waren die Vorfälle auch bis England vorgedrungen. „Alucard?“, kam es aus dem Hörer. „Ja.“, antwortete Master gelassen. „Wo bist du jetzt?“, fragte Integra. „In einer abgelegenen Stadt names St. Rose oder so.“, war die Antwort, dann lies Master sie wissen: „Unsere Mission ist erfüllt, meine Herrin. Was die Kerle denken, habe ich alles in meinem Hirn gespeichert.“ Die gemurmelte und von der Zigarette gedämpfte Antwort konnte ich nicht verstehen. „Nanu?“, machte Alucard. „Ich sehe schon. Der Round Table macht Druck.“ Ich horchte auf. Vermutlich sollte eine erneute Konferenz einberufen werden. Nicht weiter verwunderlich, nach den jüngsten Ereignissen. Wieder antwortete Sir Hellsing etwas, woraufhin Master fragte: „Von höherer Stelle? Und das heißt?“ Höhere Stelle? Redeten sie davon, wer die Konferenz einberufen hatte? Scheinbar war es niemand der üblichen Verdächtigen. Mein Favorit war ja Sir Irons gewesen, doch scheinbar war nicht von ihm die Rede. „Die Queen!“, rief Alucard, nach einem kurzen Austausch, aus und lachte leise. Ich blinzelte. Ihre Majestät persönlich hatte die Round Table Konferenz einberufen? Dann hatte auch die die Dringlichkeit der Situation und den Ernst der Bedrohung erkannt. Millenium... Das war kein einfacher Gegner. Kein herkömmlicher Feind. Sie waren wirklich gefährlich. „Findest du das lustig? Ich aber nicht?!“, rief Integra aus, ehe sie ihre Stimme wieder etwas senkte. „Roger.“, bestätigte Alucard. Ein schelmisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Übrigens, hatten Sie Spaß an den Kriegsszenen? Hat es Sie in Wallung gebracht? Konnten Sie das Feuer sehen, die roten und schwarzen Flammen?“ Diesmal war Integras Aufschrei so laut, dass ich mich darüber wundern musste, dass Alucard den Hörer immer noch so nah an sein Ohr drückte, anstatt es weit von seinen Gehörorgan zu halten. „Halt die Klappe, du Idiot! Der Quatsch interessiert mich nicht! Komm sofort zurück, du Idiot!“ Ein nicht minder lauter Knall, lies darauf schließen, dass Sir Hellsing den Hörer unsanft auf die Station fallen lies. Alucard legte auf, legte den Kopf zurück und lies ein lautes, herzhaftes Lachen erschallen. „Menschen sind wirklich komplizierte und rätselhafte Geschöpfe.“, meinte er, als er sich unterbrach, ehe er erneut los lachte. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Bernadotte und Seras traten ein. Der Söldner trug eine McDonalds Papiertüte unter seinem Arm. Ich grinste schief. Scheinbar hatten sich die beiden ganz gut verstanden, zumindest lebten beide noch. „Hallo. Da sind wir wieder.“, verkündete Seras etwas erschöpft. „Hi!“, kam es von Bernadotte. Ich nickte dem Beiden zur Begrüßung zu. Bernadotte stellte seine Tüte auf dem Tisch ab und holte Getränk in einem Pappbecher samt Strohhalm hervor. Entnervt saugte er geräuschvoll an dem gekühlten Getränk. „Es ist hoffnungslos!“, grummelte er mit dem Strohhalm zwischen den Zähnen. „Das geht alles nicht. Nix zu machen.“ Scheinbar hatten sich die beiden nach Transportmitteln Richtung Heimat erkundet und waren dabei leer ausgegangen. „Mit dem Schiff schaffen wir es nicht mal in einer Woche. Das würde zu lange dauern.“, meinte Seras. Abgesehen davon, dass der Round Table bzw. die Queen Druck machte und es daher empfohlen war, schnell nach Hause zurück zu kehren, schien auch die Polizistin alles andere als begeistert zu sein, wieder beinahe eine Woche auf einem schaukelnden Kahn zu verbringen. Ich war auch alles andere als scharf drauf. Wenn es sein musste, dann war dem so, aber es musste nicht sein. „Das kommt nicht in Frage.“, moserte Bernadotte immer noch am Halm ziehend. Ich sah grübelnd zu Boden. „Was ist mit den Schmugglern, die uns hierher gebracht haben?“, fragte ich den Söldner. Dieser spuckte missmutig den Strohhalm aus. „Geht nicht.“, murmelte er. „Ist denen zu riskant. Außerdem sind die schon über alle Meere.“ Ich nickte langsam. Das stand also außer Frage. Wir brauchten ein Transportmittel, welches uns, die Särge und unsere Waffen nach England bringen konnte. also entweder ein Schiff oder ein Flugzeug. Wenn alle Stricke rissen, mussten wir uns mittels Hypnose auf ein Passagierschiff einschleichen. Doch das versprach lästig zu werden. „Macht euch bereit, ihr drei.“, kam es da unerwartet von Alucard und alle Blicke wanderten zu dem großen Vampir hinüber. „Eh?“ „Wir stehlen ein Flugzeug. Es gibt keinen anderen Weg. Bereitet alles vor.“ Bernadotte und Seras´ Augen weiteten sich. und der Söldner begann zu krakeelen. „Geht nicht! Geht nicht! Geht nicht! Geht nicht! Geht nicht! Geht nicht! Diesmal sterben wir! Sterben wir! Sterben wir! Sterben wir! Sterben wir! Sterben wir! Ich werde sterben! Ich werde sterben! Ich will nicht sterben!“ Seras wusste nicht so recht, ob sie sich ebenfalls über die unmögliche Aufgabe aufregen, oder den Söldner beruhigen sollte. Ich hob den Blick und sah Master an. Wenn er das vorschlug, dann gab es wirklich keine anderen Möglichkeit. Also atmete ich tief durch und nickte. „Also gu...“ Weiter kam ich nicht, denn gleichzeitig fuhren Alucard´s und mein Kopf herum und unser Blick fiel auf die Tür. Irgendetwas oder irgendwer nährte sich. Das konnte ich spüren. Es war kein Vampir, aber dennoch war die Aura bedrohlich. Voller Hass, Wut und Mordlust. Seras sah uns fragend an und lugte schließlich durch das Schlüsselloch nach draußen, ehe sie zu kreischen begann. Bernadotte schien völlig verwirrt, da er nicht verstand, was sie so in Aufruhr versetzte. Er schob sich eine Zigarette in den Mundwinkel und hob fragend die Augenbraue. Die Blonde machte von der Tür kehrt. Keine Sekunde zu früh. Mit einem heftigen Fußtritt flog die hölzerne Tür aus den Angeln und Pater Andersen trat ein. Auf Alucard´s Gesicht erschien ein zufriedenes Lächeln. Endlich stand er seinem Erzfeind wieder gegenüber. Er hoffte auf einen spannenden Kampf. War ja schön und gut, aber ich war der Meinung wir hatten gerade andere Sorgen. Gerade, als ich erwog, mich dem Priester in den Weg zu stellen, war dieser heran und holte, ebenso wie Master, mit seiner rechten Faust aus. Gleichzeitig trafen sich die Kontrahenten mit einem lauten Aufschrei im Gesicht, sodass das Blut aus ihren Nasen spritzte und beide zurück taumelten. „Na, Alucard, du Monster?“, fragte Andersen vor Schmerz keuchend. Speichel triefte aus seinem Mund und vermischte sich mit seinem Blut. Alucard laute laut. „Na, Andersen? Kannst du dich nicht mehr zurück halten, du Mensch?“ Es folgten mehrere heftige Schläge, ehe beide einen Schritt zurück traten und die Waffen zückten. Sofort verkrampften sich alle anderen Anwesenden. Jetzt wurde es ernst. „Shit. Fuck.“, murmelte Bernadotte und packte seine Pistole. Meine Hand fuhr wie von selbst an meine Hüfte, doch als ich mich erinnerte, dass dort nicht wie üblich mein Katana hing, fuhr ich meine Schwingen aus. „Djaaaaaaaaaaaaaaah!“, erklang ein Schreit hinter mir und ich wandte etwas den Kopf, nur um zu sehen, dass Seras sich ihre Halconnen umständlich über die Schulter geworden hatte und heran taumelte. Zwischen ihren Zähnen trug sie eine der übergroßen Patronen, bereit die Waffe nachzuladen und zu benutzen. Im Augenblick wirkte es aber eher, als versuchte sie den Pater mit der Waffe zu erschlagen. Auch der Blick des Priester ruhte nun auf der Polizistin und ein hämisches Grinsen erschien auf seinen Lippen. Meine Muskeln waren zum zerreißen gespannt, als er seine Bajonetten senkte, nur um mit seiner Hand auszuholen. „Seras!“ Ich zog das Mädchen in eine Art schützende Umarmung, aus der Fluglinie des Schwertes, sodass er klirrend in der Wand hinter uns stecken blieb. Als ich sie los lies, sah ich, dass Andersen lediglich einen Zettel an die Wand gepinnt hatte. Der Angriff hatte niemandem gegolten. Auch die anderen, Alucard bildete eine Ausnahme, blinzelten irritiert. Der Priester machte auf dem Absatz kehrt und hob seine demolierte Brille vom Boden, die vom Angriff des Vampires von seiner Nase gerissen und beschädigt worden war. „Etwa 13 km nördlich von hier ist ein als Flugfeld für Farmer getarnter Flugplatz des Vatikans.“, erklärte Andersen. „Dort lässt gerade ein Jet seinen Motor warm laufen.“ Ich blickte auf. Half uns gerade tatsächlich der Vatikan, in dem sie uns ein Transportmittel zur Verfügung stellten? Die Dreizehnte Abteilung? Der große Mann wirbelte und knurrte: „Los! Geht schon!“ Dann setzte er seinen Weg fort. „Das sind die Papiere für den Jet! Nehmt sie und verschwindet! Macht euch weg, solange ich meine Mordlust noch unter Kontrolle habe!“ Erst jetzt fragte ich mich, wie Andersen uns wohl aufgespürt hatte. Auch er musste die Nachrichten gesehen und die richtigen Schlüsse gezogen haben. Wie er uns hier gefunden hatte, war ein Rätsel, aber der Mann war schließlich kein Anfänger. „Mh...Aaalso...“, machte Bernadotte,als der Priester aus unserem Blickfeld verschwunden war und steckte seine Pistole zurück unter seine Jacke. „Scheint so, wir haben nun eine Mitfahrgelegenheit.“ „Scheint so.“, antwortete ich, das Ganze auch noch zu verarbeiten versuchend. Alucard riss wortlos den Zettel von der Wand und machte sich auf den Weg. „Gehen wir.“, sagte er, als er kurz im Türrahmen stehen blieb, ehe er weiter ging. „Eh?“ Seras zuckte zusammen und versuchte hastig ihre sieben Sachen zusammen zu sammeln. „Ja...jawohl...“ Mit Bernadottes und ihrer Hilfe schleppten wir den Sarg ganze dreizehn Kilometer durch die Landschaft, bis zu dem versprochenen Jet. Ich pfiff leise. Das Teil hatte Style. Beschweren konnten wir uns nicht und wir hatten definitiv genügend Platz. Wer konnte schon behaupten mit so einem riesigen Jet nur zu viert, plus Pilot, mit zufliegen? Freie Sitzplatzauswahl! Also suchte ich mir einen Fensterplatz. Es gab ja genügend davon. Die Särge wurden einfach auf den Gang zwischen den Sitzen auf den Boden gelegt. Master setzte sich irgendwo einige Reihen hinter mich und schien nach einer Weile ein zunicken. Bernadotte wollte Seras dazu zwingen mit ihm durch den Jet zu strunzen, um etwas alkoholisches zu Trinken zu finden, doch allerdings musste diese, unter lautem Protestgeschrei, wieder in ihren Sarg steigen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich im Sitz zurück, um eine bequeme Position zu finden. Die Reise würde ja etwas dauern. Zum Glück nicht so lange, wie mit dem Flugzeug. Ich schloss die Augen und lies meine Gedanken abschweifen. Dösen tat gut. Ohne Sarg, würde es mir keine Erholung bieten, aber den Augen tat es gut. Schon allein, da die Sonne ziemlich blendete. Kapitel 22: Call of Power ------------------------- Call of Power Ich schreckte leicht auf, als eine Stimme durch den Lautsprecher des Jets verkündete: „Wir sind bald in England, Master. Wir setzen in zehn Minuten zur Landung an. Bitte bereiten Sie sich vor.“ Ich fuhr mir mit der behandschuhten Hand über die Augen. Ich fühlte mich ziemlich zermürbt. Das kam davon, wenn man nicht in seinem Sarg schlief. Umständlich streckte ich meine Glieder und sah aus dem Fenster. Einige Wolken flogen vorbei. Als Kind dachte ich immer, diese würden sich wie Watte anfühlen und man könnte darauf laufen und liegen, doch die Realität war eine andere. Wenn man das versuchte, wurde man einfach hindurch fallen... Und nass werden. Ich gähnte wie eine junge Katze und wandte den Kopf. Seras schnarchte selig in ihrem Sarg und Bernadotte lümmelte mit einer Flasche was auch immer in einem der Sitze weiter vorne. Master fuhr sich gerade ebenfalls mit seiner rechten über die Augen, allerdings blieben rote Blutflecken auf seinem weißen Handschuh zurück. „Ein Traum.“, murmelte er beinahe verbittert. „Ich habe geträumt! Ich?! Das kann ja wohl nicht sein.“ Ich blinzelte langsam, um die Schwere aus meinem Augenlidern zu vertreiben. Ich lies meinen Blick wieder nach vorne Schweifen, als ich bemerkte, dass Master aufsah. Was auch immer ihm durch den Kopf fuhr, ich wollte ihn nicht beschämen, indem ich ihm unangenehme Fragen stellte, oder ihn in diesem schwachen Zustand weiter ansah. Also setzte ich mich langsam auf. Es wurde langsam holprig, da wir im Landeanflug waren. Vorsichtig kniete ich mich neben Seras Sarg und klopfte an den Deckel. „Seras? Wir sind gleich da.“, lies ich sie wissen. Ich hörte, wie das Schnarchen erstarb und das Mädchen verwirrt schmatzte. „Uhn... Wa...Was?“ Dann folgte ein dumpfer Laut. Scheinbar hatte sie sich mit Schwung erhoben und ihr Kopf war dabei an den Sargdeckel gestoßen. Es folgte ein gedämpftes Autsch, dann öffnete sie den Deckel von innen und blinzelte mich an. „Ohayou.“, begrüßte ich sie grinsend und half ihr beim Aufstehen, was sich als schwieriger herausstellte, als gedacht. Hastig drückten wir uns in die Sitze, um nicht zu Boden zu stürzen. Nach der turbulenten Landung, stiegen wir samt Gepäck aus dem Jet. Man hatte uns außerhalb von London, auf einem freien Feld in der Nähe des Hauptquartiers abgesetzt. Man konnte sie bereits am Horizont erkennen. Also hieß es noch mal einen kurzen Fußmarsch durchstehen und dann der Konferenz der Zwölf beiwohnen. Ich fragte mich, ob die Queen selbst anwesend sein würde. Ich konnte zu dem Zeitpunkt ja noch nicht ahnen, dass Leute des Vatikan anwesend sein würden. Allerdings hätte ich mir dies denken können, schließlich waren wir dank ihrer Hilfe überhaupt hierher gelangt. Nachdem wir unser Gepäck in den Kellerräumen abgestellt hatten, seufzte Bernadotte zufrieden auf. „Ich könnte jetzt nen Drink gebrauchen.“, seufzte er. Ich sah ihn schräg von der Seite an. Hatte ihm das Zeug aus dem Jet nicht gereicht? Er fuhr sich mit der Hand durch den braunen Pony. „Also.. Ich geh erst mal unter die Dusche.“, verkündete er und schlurfte mit erhobener Hand davon. Zu unserer Überraschung begrüßte Alucard diesen Vorschlag und befahl uns, dass wir uns ebenfalls frisch machen und in unsere Uniformen schlüpfen sollten, ehe wir gemeinsam der Konferenz beiwohnten. Dann verschwand er. Nach einer entspannenden, warmen Dusche, trocknete ich mich ab und zog umgehend meine Uniform an. Ich versuchte mein Haar zu richten, ehe ich auf den Flur hinaus trat, mein treues Katana wie gewohnt samt Saya an meiner Hüfte, und vor Seras Tür wartete, bis diese fertig war. Sie sah mich erstaunt an, als sie mich an der Wand neben ihrer Tür lehnend entdeckte. „Alles startklar?“ „Eh... ja.“ Ich nickte lediglich Richtung Treppe. „Dann lass uns gehen.“ Im Erdgeschoss fielen mir die fremden Wachen an dem Eingangsportal auf. Es waren keine unserer Männer, soviel war klar. Ich nickte ihnen kurz zu, doch sie blieben ausdruckslos. Naja, die nahmen ihren Job sicher sehr ernst. Im ersten Stock stieß Bernadotte, ebenfalls in neuer Montur, zu uns und nickte uns grinsend zu. „Bereit, Ladys?“ Seras nickte unsicher und ich erwiderte das Grinsen des Söldners. „Mochiron.“ Gemeinsam stiegen wir die Treppen zum dritten Stock hinauf. Ich lies meinen Blick umher wandern. Auch hier standen überall fremde, bewaffnete Männer. Aus dem Nirgendwo tauchte Alucard auf, lies seinen Blick kurz über die Gruppe schweifen, ehe er zielsicher zur Konferenztür schritt und diese ohne Umschweife öffnete. Kaum traten wir ein, sahen wir uns den unzähligen Blicken der Anwesenden ausgesetzt. Zu meinem milden Erstaunen waren, neben den Zwölf und der Queen, ebenfalls Maxwell und seine Männer, davon ging ich zumindest aus, anwesend. „Uwah!“ Seras zuckte zugleich zusammen und sah mit großen Augen in die Runde. Die Aufmerksamkeit, die uns zu teil wurde, war ihr sichtlich unangenehm. Ich selbst straffe die Schultern und atmete unmerklich tief durch. Ich war diese ungeteilte Aufmerksamkeit nicht gewohnt und obgleich ich eine große Klappe besaß, stand ich nicht unbedingt gerne im Rampenlicht. Da arbeitete ich lieber im Hintergrund. Also widerstand ich dem dämlichen Drang den Menschen zu zu winken und trug eine ernste Miene zur Schau. Master blieb wie immer cool. „Alle vollzählig?“, fragte er und lies seinen Blick kurz über die Versammelten streifen. „Sehr gut.“ Gelassenen Schrittes näherte er sich Lady Integra. „Melde mich zurück, meine Herrin.“ „Danke für deinen Einsatz, mein treuer Diener.“, erwiderte die blonde Frau, ehe sie hinzufügte: „Nimm in Anwesenheit der Queen deine Sonnenbrille ab.“ Ohne zu Zögern gehorchte Alucard und ging nun auf die Königin zu. Zwei ihrer Bodyguards versuchten ihn aufzuhalten doch er ignorierte sie geflissentlich und trat zu der älteren Dame, die würdevoll auf ihrem Stuhl saß. „Lange nicht gesehen, Vampir.“, begrüßte sie Master. „Lass mich dein Gesicht sehen.“ Gehorsam kniete er vor ihr nieder und lies es zu, dass sie sein Gesicht sanft in ihre Hände nahm. Ein ehrliches, sanftes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Du hast dich gar nicht verändert, Alucard.“, meinte die Queen. „Und ich bin so alt geworden. Ich bin mittlerweile eine runzlige, alte Greisin.“ „Ihr seid immer noch ein Wildfang, wie vor 50 Jahren, junge Lady.“, widersprach Master. Sein Lächeln wurde breiter. „Nein. Ihr seid jetzt eine richtig schöne Frau, meine Königin.“ Ein leises Lachen entfuhr den Lippen der Queen, ehe sie wieder ernster wurde. „Und nun lass uns deinen Bericht hören, Vampir.“ Gehorsam drehte sich Alucard zu allen Anwesenden um. „Vor langer Zeit gab es einen verrückten SS-Major.“, begann er bedächtig seinen Bericht. „Er wollte eine Streitkraft von Unsterblichen aufbauen. Durch viel Blutvergießen und seinen Wahnsinn war er kurz davor, seinen tollkühnen Plan zu verwirklichen.“ „Das war das Milleniumprojekt.“, merkte Lady Integra an. „Ja, aber vor 50 Jahren haben Walter und ich diesen Plan vereitelt“, erklärte Master. Mein Blick zuckte kurz zu meinem Onkel, welcher ergeben hinter seiner Herrin stand. Ich konnte nicht recht erkennen, was in seinem Kopf vorging. Von dieser Zeit, der Zeit von vor 50 Jahren, hatte er nie gerne gesprochen. „Doch, sie haben nie wirklich aufgegeben.“, fuhr Alucard fort. „Alle Welt hat die Kerle aus dem Gedächtnis verbannt. Doch im Schutze der Dunkelheit haben sie sich hartnäckig langsam aber stetig weiter entwickelt.Und jetzt sind sie mit ihrer Forschung beängstigend weit gekommen. Sie können nun vollständige Vampire herstellen.“ Ich dachte an die Vampire, die damals meine Familie angegriffen hatten, die Ghouls und Vampire, deren Körper mit diesen Chips gefüllt worden war und zuletzt Dandy Alhambra. War er auch ein Experiment von Millenium gewesen? „Sie haben eine Kampf – Gruppe von Vampiren, eine Armee von unsterblichen Nicht – Menschen. Es ist fast wie Siegfrieds Wiedergeburt. Die mythische Streitmacht. Die letzten versprengten Reste des dritten Reiches. Das letzte Bataillon.“ Ein Raunen ging durch den Raum und das Rascheln einiger Blätter und Akten war zu vernehmen. Ich verkrampfte etwas und in meinen Kopf ratterte es. Das war also das Millenium Projekt. Das hatte sich vor 50 Jahren abgespielt und bis heute angedauert. Eine Armee. Unsterbliche Streitkraft. Ich musste schwer schlucken. Das versprach ein hartes Stück Arbeit zu werden. Ohne jede Vorwahrung spürte ich etwas Seltsames. Eine eigenartige Empfindung und versuchte zugleich dessen Ursprung auszumachen. „Das war aus Tubalcaines Blut heraus zu lesen, stimmts?“ Mein Kopf fuhr herum und zum allgemeinen Erstaunen, stand mitten im Raum plötzlich ein Junge in Uniform, mit Hakenkreuzbinde um den Arm und breiten Grinsen im Gesicht. Und nicht zu vergessen, lugte unter seinem blonden Schopf ein Paar Katzenohren hervor. „Du dumm, wirklich.“ Sofort zückten Bernadotte und Maxwells Begleiter ihre Pistolen und richteten sie auf den Neuankömmling. Sofort zuckten seine Ohren und er hob beide Hände in die Höhe. „Moment. Ich bin ein Sondergesandter. Ich bin in friedlicher Absicht hier.“, lies er die Versammlung wissen. „Sondergesandter?“ Lady Integra fixierte den Eindringling. „Woher so plötzlich? Walter?“, fragte sie meinen Onkel, beinahe ohne die Lippen zu bewegen. Dieser zuckte lediglich mit den Schultern. „Mit dem Wachschutz gab es keinerlei Probleme. Es deutet nichts auf ein gewaltsames Eindringen hin.“ Auch ich lies meinen Blick nicht von dem Katzenjungen schweifen. Das war kein gewöhnlicher Vampir, oder Werwolf, oder irgendein Wesen, was ich kannte. Er war etwas anderes. Mit beinahe beängstigenden Fähigkeiten. „Wachen nützen euch nichts!“, verkündete er laut. „Ich bin überall und nirgends.“ Unter seiner Uniform zog er eine Art kleiner Bildschirm hervor und stellte ihn auf den Tisch, sodass er für alle Anwesenden einsichtig war. Seras war völlig perplex und starrte den Katzenjungen mit aufgerissenen Mund an. „Sogar solche Kinder arbeiten für das letzte Bataillon?“, murmelte sie überfordert fragend. Ich dachte nur, man sollte sich von dem Aussehen des Jungen nicht täuschen lassen. Wer überall einfach auftauchen konnte, wie es ihm beliebte und solch eine heitere Miene in Angesicht des Feindes mit Waffen zur Schau trug, war kein gewöhnliches Kind. „Ich habe für die heute hier versammelten Mitglieder beider Lager , des Vatikan und Englands eine wichtige Botschaft des Herrn Major, unserer Kommandanten mitgebracht. Bitte hören Sie gut zu.“, bat er. Wütend schlug Lady Hellsing mit ihrer flachen Hand auf den Tisch. Doch da fiel der Blick des Jungen auf Seras, die ihn immer noch anstarrte. Er schob sich näher an die heran. „... Was?“, entfuhr es dieser, etwas entnervt. Der Junge lächelte und verbeugte sich höflich. „Guten Tag!“ Seras verschränkte grummelnd die Arme vor der Brust und deutete ebenfalls eine Verbeugung an. „Guten Tag.“ Er wandte sich mit einem breiten Lächeln zu mir um, um mich ebenfalls zu begrüßen. Ich neigte höflich den Kopf. Dann zog er aus seiner Brusttasche eine flache Fernbedienung hervor und richtete sie auf den schwarzen Bildschirm auf dem Tisch vor ihm. Dieser flimmerte eigentümlich und einige Laute drangen daraus hervor. „Was ist? Erscheint kein Bild?“, fragte die verzerrte Stimme. „Los! Stellt den Brigadegeneral an die Wand. Schnell!“, befahl eine andere. „Oberfeldwebel Schrödinger.“, wandte sich die erste an den Katzenjungen. „Es erscheint überhaupt kein Bild!“ „Lassen Sie das, um Himmels willen, Herr Major!“, flehte eine dritte Stimme verzweifelt. Ich legte die Stirn in Falten und versuchte mir aus den Wortfetzen einen Reim zu machen. Die eine Stimme musste dem Major gehören, von dem wir ja inzwischen viel gehört hatten. Es erklang ein Rauschen und allmählich zeichnete sich das Bild eines beleibten Mannes auf dem Bildschirm ab. „Ah, jetzt.“, sagte er zufrieden lächelnd, als er gewahr wurde, dass das Gerät einsatzfähig war. „Bitte, Herr Major. Hilfe. Hilfe!“, kam es kreischend von der flehenden Stimme, dessen Ursprung außerhalb der Kamera sein musste. Daraufhin erklangen mehrere Schüsse und es wurde still, als das Flehen erstarb. Schrödinger setzte eine fröhliche Miene auf. „Sie haben alle Hände voll zu tun, da drüben, was, Herr Major?“ Das Ganze schien den Katzenjungen zu amüsieren. „Ja, es gibt Probleme mit einem feigen Vorgesetzten.“, bestätigte der gut genährte Mann in Weiß. Wollte er symbolisch punkten, oder was? „Ah, endlich. Jetzt fühlte ich mich befreit. Ein gutes Gefühl.“ Noch während er das sagte, schwenkte die Kamera und zeigte allen Anwesenden einen Leichenberg hingerichteter Männer in Uniformen. Sie waren durch Gewehrschüsse niedergestreckt worden. Ganz im Sinne einer Hinrichtung, wie sie damals durchaus üblich war. „Ein sehr gutes Gefühl.“, seufzte der Major wohlig auf, als der Bildschirm wieder ihn zeigte. Schrödinger lachte hell auf, unterbrach sich jedoch, als Alucard neben ihn trat, um den Mann auf dem Bildschirm zu fixieren. „Na, Major!“, begrüßte Maste seinen alten Feind mit einem breiten Grinsen. Dieser erwiderte das Grinsen. „Sieh an, Alucard. Welch Freude, dich wiederzusehen, Alucard.“ Er verbeugte sich lächelnd, ehe sein Blick zu Integra hinüber wanderte. „Sie sind also die Oberbefehlshaberin unserer Feinde?“ Der Blick der jungen Frau blieb ausdruckslos, als sie den Blick des Major erwiderte. „Oha, die Chefin der königlich-protestantischen Ritterschaft. Lady Integra Hellsing, nicht wahr? Freut mich Sie kennenzulernen.“ Der Mann hatte einen breiten, deutschen Akzent, wie ich ihn auch von meinen Großvater her kannte. Doch im Gegensatz zu dem Vater meiner Mutter, weckte dieser Mann in mir keinerlei Sympathien. „Was sind deine Ziele?“, fragte Sir Hellsing ohne Umschweife. „Welche Ziele verfolgst du mit diesem Affentheater? Antworte!“ „Meine Ziele?“ Der Major lachte etwas. „Aber Fräulein, mein schönes Fräulein. Das ist eine sehr dumme Frage.“ Wieder unterbrach er sich, um herzlich zu kichern. „Meine Ziele? He he he. Also um es überspitzt zu sagen, Fräulein, so etwas wie ein Ziel haben wir nicht.“ Integras Augen weiteten sich flüchtig. Die anderen Mitglieder des Round Tables sprangen erstaunt auf. „Was...“ „Was zum...?!“ Sir Irons fixierte den Major. „Kein Ziel?!“, brüllte er. „Red keinen Unsinn! Warum greift ihr uns dann an?! Das soll wohl ein Witz sein!“ „Schweig!“, unterbrach ihn der beleibte Mann barsch. „Ich rede nicht mit dir. Ich rede mit dem Fräulein. Ich habe schon so lange nicht mehr mit einem Mädchen gesprochen! Stör mich nicht, Junge.“ Ich runzelte die Stirn, über die seltsame Nachricht, die in den Worten des Mannes mitschwang, war aber zugleich milde amüsiert darüber, dass er es wagte, Sir Irons als „Junge“ zu bezeichnen. Dieser schien auch völlig perplex über diese Anmaßung zu sein. „Wa...“ „Wenn man ein Ziel hat, kann einem jedes Mittel recht sein.“, fuhr der Major fort. „Eine der Grundregeln Machiavellis. Kennen Sie, nicht wahr?“ Er wartete keine Antwort ab, sondern sprach direkt weiter: „Wenn Sie eine Gegenoffensive starten wollen, Fräulein, sollten Sie wissen, dass es in dieser Welt tatsächlich Leute gibt, denen jedes Ziel recht ist, da sie ein Mittel haben.“ Ich blinzelte und lies diese Worte erst einmal sacken. Doch da erschien auf dem Bildschirm plötzlich gefesselte und geknebelte Männer in Uniform. Alle, bis auf einen, waren sie bereits durch gezielte Schüsse nieder gestreckt worden. Der Mann, der noch lebte, trug ein Schild um den Hals. Dank meiner bescheidenen Deutschkenntnisse konnte ich lesen die Schrift darauf übersetzen. „Zum Henker, Defätist.“, war auf dem Schild zu lesen. Verzweifelt stieß der Mann durch den Knebel erstickte Schreie aus und versuchte sich zu befreien, doch all dies erntete nur hämisches Gelächter. „Denn schließlich gibt es auch Leute wie uns.“, verkündete die körperlose Stimme des Anführers Milleniums, ehe sich zahlreiche Vampire auf den Gefesselten stürzten und diesen verzerrten. „Macht es gründlich.“, befahl eine Stimme, die, welche als zweite gesprochen hatte. „Wenn die zu Ghouls werden dann... Wie soll ich sagen... Gibt es Probleme.“ Die Mitglieder des Round Tables, Seras und Bernadotte rissen geschockt die Augen auf, als der Unglückliche unter erstickten Schreien aufgefressen wurde. Der Söldner lies vor Schreck sogar seine Zigarette fallen. Schrödinger grinste breit und fuhr sich mit der rechten Hand durchs strohblonde Haar. „Waah. Das ist aber ein bisschen krass, Herr Major.“ Maxwells Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ihr seid ja wahnsinnig.“, zischte er grimmig. Major erschien wieder auf dem Bildschirm und fixierte den Leiter der 13. Abteilung. „Wahnsinnig? Und das sagt ausgerechnet einer aus der 13. Abteilung?“ „Ja, so ist es.“, erwiderte Maxwell. „Ihr seid einfach nicht normal.“ Für einen Moment schwieg der füllige Mann, ehe er breit lächelte. „Glücklicherweise garantiert mir euer Gott meinen Wahnsinn. Dürfte ich eine Frage stellen?“ Er streckte beide Hände aus. „Wer garantiert mir, dass euer Gott nicht auch wahnsinnig ist.“ Maxwell knirschte verärgert mit den Zähnen, erwiderte aber nichts. Millenium 1. Iscariot 0. „Wisst ihr eigentlich, mit wem ihr gerade redet?“, fragte der Major. „Vielleicht hätte ich meine schwarze SS-Uniform anlegen sollen? Wir sind die Schutzstaffel des Dritten Reiches!“, erklärte er voller Stolz. „Was glaubt ihr, wie viele Leute wir schon umgebracht haben? Wir sind die Totenkopforganisation. Wir leben von Kampf und Gewalt. Wahnsinnig? Das fällt euch aber früh ein! Das hättet ihr schon vor einem halben Jahrhundert sagen können.“ Damit spielte er wohl auf die Hilfe des Vatikans an, welche Nazis bei ihrer Flucht uns Ausland unterstützt hatten, wie Maxwell uns bereitwillig erklärt hatte. Gut, das wir diese Information nun schon besaßen, sonst hätte das echt unangenehm werden können. „Wunderbar! Toll! Dann versucht doch mal uns zu stoppen!“, forderte der Stellvertreter des Führers Maxwell und seine Leute auf. „Ihr selbsternannten, gesunden Menschen. Doch leider seid nicht ihr von der 13. Abteilung meine Gegner. Also schweigt! Mein Gegner ist England! Die protestantische Ritterschaft!“ Mich etwas angesprochen fühlend, knurrte ich leise und zeigte meine Fangzähne. „Es ist der Mann, der da bei euch steht und offensichtlich sehr amüsiert ist.“ Alle Blicke lagen nun auf Alucard, welcher zunächst leise kicherte, ehe ein lautes Gelächter aus seinem Mund heraus brach. Sein Gelächter lies seinen gesamten Körper erbeben und er legte eine Hand auf seine Brust, von Lachkrämpfen geschüttelt. „Ihr wollt euch wohl rächen, was?“, brachte er hervor, ehe er wieder zu lachen begann. „Was für eine wunderbare Kriegserklärung. Ich werde euch mit Stumpf und Stiel ausrotten. So oft ihr wollt.“ Der Major lächelte. „Richtig.“, bestätigte er. „Wir sind beharrlich in unserem Groll. Und wir werden jedes Ende, das uns nicht gefällt, verwerfen und weitermachen.“ Hartnäckig war die Bande ja. Lady Integra hatte offensichtlich genug. „Alucard! Seras! Feuer!“, befahl sie ruhig und ohne die Stimme zu erheben. Sofort zückte Master seine Casull, steckte den Lauf ins Schrödingers Mund und drückte ab. Der Körper des Jungen wurde zu Boden geschleudert und zuckte einige Male in seinem eigenen Blut. „Ihr erschießt meinen Sondergesandten? Ts, ts, du meine Güte. Das ist aber nicht nett.“, meinte der Major völlig gelassen. Das er so reagierte, konnte doch nur bedeuten... „Sondergesandter? Unsinn. Kriegserklärung? Unsinn.“, unterbrach mich Integras Stimme in meinen Gedanken. „Ihr seid nichts, als eine terroristische Vereinigung. Jetzt reichts mir aber mit euren derben Späßen.“ Sie zwang sich zu einem überlegenen Lächeln. „Wir werden euch eliminieren. Wir tun einfach nur unsere Arbeit.“ Ich straffte die Schulter, legte eine Hand an mein Katana und funkelte mit gebleckten Zähnen den Bildschirm an, um ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen und um zu vertuschen, was der Major einige Augenblicke selbst bemerkte. „Sie sollten Ihre zitternde Faust verbergen, Fräulein.“ Zähneknirschend ballte Lady Hellsing ihre Hand und zwang sie somit mit dem zittern aufzuhören. „Ah, Sie sind eine gute Vorgesetzte. Ich verstehe gut, warum Alucard so begeistert für Sie arbeitet.“ Ich hörte ihm nur mit einem Ohr zu und wandte den Kopf. Ich war mir sicher irgendwas gespürt zu haben. Und keine Sekunde später erkannte ich, was das gewesen war. Der vermeintlich tote Körper des Oberfeldwebels war verschwunden. Dort auf dem Boden lag kein Schrödinger mehr. Kein Blut. Keine Leiche. Kein nichts. Er war einfach verschwunden. Das fiel nun auch den anderen Anwesenden auf, welche erschrocken die Augen aufrissen. „Nun denn, Fräulein.“, begann Major und hob eine Hand zum Abschied. „Wir sehen uns in der Schlacht. Ich freue mich schon!“ „Seras!“ Auf Integras Befehl hin zerstörte Seras schwer keuchend mit einem gezielten Schuss den tragbaren Monitor. Danach blieb es eine Weile still im Raum, bis die Queen das Wort ergriff: „Lady Hellsing! Alucard! Schlagt sie nieder! Das ist ein Befehl!“ Kapitel 23: Black Flames ------------------------ Black Flames Die Versammlung hatte definitiv bleibende Eindrücke hinterlassen und lies mir genügend Stoff zum Grübeln. Nachdem die Queen sich zurück gezogen hatte, blieben die Mitglieder der Hellsing Organisation, die restlichen Round Table Mitglieder und die Anhänger des Vatikans in dem Konferenzsaal zurück und berieten sich über die aktuelle Lage. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Millenium zu schlug. „Wir dürfen nicht unvorbereitet sein.“, grummelte Maxwell. Ihn schien es immer noch zu wurmen, dass der Major es gewagt hatte, Gott einen Wahnsinnigen zu nennen. „Diese Irren können jederzeit zu schlagen.“ Integra nickte. „Da kann ich nur zu stimmen. Wer weiss, was die als nächstes aushecken.“ „Wir dürfen auch nicht außer Acht lassen, dass es unter uns einen Verräter zu geben scheint.“, warf Sir Irons ein und sah jeden einzelnen der Anwesenden an. Sir Hellsing zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Stimmt.“, meinte sie pragmatisch. „Diese Kerle haben ihre Männer überall.“, erzählte Maxwell verbittert. „Seit Andersen in Südamerika ist, wurde er schon einige Male von ihren Schergen angegriffen.“ Also war Pater Andersen tatsächlich in Südamerika zurück geblieben, nachdem er uns die Papiere für den Privatjet hatte zukommen lassen. „Sobald ich in den Vatikan zurück gekehrt bin, werde ich Eure Eminenz den Papst, um Erlaubnis bitten, unsere Gruppen zu mobilisieren.“ Er ballte seine vor Wut zitternde Faust und biss sich auf die Unterlippe. „Wenn es diese Kerle wagen sollten, einen Angriff zu starten, werden wir sie mit allem was wir haben zurück schlagen und vernichten.“ Junge, der Gute wurde aber emotional. Integra nickte erneut. „Tu das.“ Falls Millenium wirklich einen Erstschlag auf England plante, würde das bedeuten der Vatikan schickte all seine Männer hierher? Auch wenn dies nach willkommener Unterstützung klang, war mir nicht ganz wohl bei dem Gedanken. Maxwell schien nicht aus reinster Nächstenliebe zu handeln. Ich warf ihm einen Seitenblick zu. Was führte er wirklich im Schilde? „Was ist mit Pater Andersen?“, fragte Maxwells blonde Begleitung, die ihm wie ein Schatten überall hin folgte und uns als Heinkel vorgestellt worden war. „Ich werde ihn schnellst möglichst bitten, sich ebenfalls zurück nach Italien zu begeben.“, antwortete dessen Vorgesetzter. „Wir werden jeden Mann brauchen können.“ Ehrlich gesagt hatten wir immer noch keine Ahnung, wie groß die Streitmacht von Millenium war. Es war von aus zu gehen, dass sie gigantisch war und aus Untoten mit besonderen Fähigkeiten bestand. Wie dieser Schrödinger. Ich erwartete jetzt noch, dass er unvermittelt neben uns stand. Dass er tot war bezweifelte ich. Dann blieb noch die Frage, wie sie wohl planten samt Armee über das Meer zu kommen. Die große Flügeltür öffnete sich und Pater Renaldo, Maxwells ständiger Begleiter wie es schien, schließlich war er auch bei dem Museumsvorfall dabei gewesen, trat ein. „Sir, der Jet wäre nun zum Abflug bereit.“, lies er den Anführer der 13. Abteilung wissen. Dieser nickte, ehe er sich an Integra wandte: „Dann verabschieden wir uns dann also.“ Integra nickte. „Ja.“ Der Mann erhob sich und deutete eine Verbeugung an, die reche Hand an die Brust gelegt. „Wir sehen uns sicher bald wieder.“ Er lies seinen Blick kurz über die Runde schweifen, dann wandte er sich ab und ging. Heinkel folgte ihm auf dem Fuße. Ich neigte kurz den Kopf zum Abschied, ehe ich meine Aufmerksamkeit Sir Irons zu wandte, welcher zu sprechen anhob: „Wir müssen auf alles vorbereitet sein, Lady Hellsing.“ „Das ist mir bewusst.“ „Eine Niederlage können wir uns nicht erlauben und einen Fehlschlag können wir uns nicht erlauben.“ Nun ergriff Sir Penwood das Wort: „Wir werden Tag und Nacht sämtlichen Schiffsverkehr im Auge behalten. Falls etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, werden wir Sie unverzüglich informieren.“ „Ich danke Ihnen.“ Auch Integra neigte den Kopf, als sich die restlichen Konferenzteilnehmer verabschiedeten und das Anwesen verliesen. Dann stützte sie ihr Kinn auf ihre gefalteten Hände und blies eine Rauchwolke aus, ehe sie ihre Zigarre in ihrem Aschenbecher ausdrückte. Ihre Stirn hatte sich in tiefe Falten gezogen und das Ganze schien sie schwer zu belasten. Kein Wunder. Es stand viel auf dem Spiel, nicht nur die Leben eines jeden einzelnen. „Heh. Wach auf!“, rief eine Stimme von irgendwoher. „Eh?“ Ich sah mich um. Alles war schwarz. „Aufwachen!“ Ich blinzelte angestrengt in die Dunkelheit. Träumte ich? Verschwommen und dunkel erinnerte ich mich daran, mich in meinen Sarg gelegt zu haben, um wenigstens etwas abzuschalten. „Heh!“, erklang da wieder die akzentreiche Stimme. Endlich sah ich eine Art Licht vor mir. „Wa...“, murmelte ich schlaftrunken. Allmählich setzte sich eine dunkle Silhouette von dem grellen Licht ab. „Gut, Little Girl.“ Ich blinzelte noch einige Male, ehe ich einen Mann mit einem Schlapphut, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, erkannte. „Endlich habe ich dich erreicht, Little Girl.“ Ich sah ihn fragend an. Erreicht? Was? „We...“ Der Amerikaner kam mir zuvor. „Ich bin der Geist deiner Waffe, Quincey.“ „Eh...“ Mein Gesichtsausdruck sprach Bände. Ich war zugegeben etwas verwirrt. Was? Der Geist meiner... Waffe? „Alright, Little Girl.“, begann der Mann und hockte sich auf einen Baumstumpf, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte und sah mich intensiv an. „Ich bin hier, um dich zu warnen.“ „Warnen?“ „Ja. Vor einer Gefahr.“ „Gefahr? Meinen Sie, Millenium?“ Er erwiderte nichts, sondern starrte mich nur weiter an. „Nicht jede Gefahr hat einen Namen.“ Eh? „Du musst gut auf dich Acht geben, Little Girl.“ Er wirkte besorgt. „Nicht jeder, der vorgibt dein Freund zu sein, ist dein Freund und nicht jeder Feind ist dein Feind. Bleibe immer achtsam.“ Ich nickte langsam. Alles klar... Was?! Sein Gesichtsausdruck blieb kurz ernst, ehe seine Augen hoffnungsvoll schimmerten. „Aber mach dir keine Sorgen, Little Girl.“, meinte der Quincey Geist. „Alles wird gut werden. Du darfst nur niemals aufgeben. Kämpfe. Das ist wichtig. Hörst du?“ Immer noch etwas verwirrt, nickte ich. Er gestattete sich ein Lächeln. „Very good.“ Plötzlich wurde die schwärze mit seltsamen bunten Mustern und Formen gefüllt und die Arme des Geistes schlackerten wie Tentakeln umher. Seine Zunge kam in grotesker Weise aus seinem Mund. „Wuuuuuiiii!“, rief er, wie ein fröhliches Kind, welches in einem Karussell saß. Plötzlich tauchten von überall her andere Geister auf und tanzten mit Quincey Ringel Ringel Reie. Ein Kreis aus Tanzenden bildete sich um mich und zog sich immer enger. Irgendwann wurde es so eng, dass ich nichts mehr sah und keine Luft mehr bekam. Als ich zu ersticken drohte, wachte ich auf. Schwer atmend setzte ich mich im Sarg auf. Yare yare. Was für ein Traum. Die nächsten Tage verstrichen nur schleppend. In meinem Kopf tobte ein Sturm und nichts vermochte mich zu beruhigen. Diese innere Unruhe war unerträglich. Diese Ungewissheit. Auch mein Onkel vermochte mich nicht zu beruhigen. Seine wohlmeinenden Versuche scheiterten kläglich. „Mach dir keine Gedanken.“ Er lächelte mich sanft an und reichte mir eine Blutkonserve. „Ist leicht gesagt.“, murmelte ich, den Strohhalm zwischen den Zähnen. „Wir wissen nicht wann sie angreifen. Wir wissen nicht wo und wir wissen auch nicht wie viele es sein werden.“ Walter nickte bedächtig. „Nun, das stimmt, aber sich darüber den Kopf zu zerbrechen hilft uns nicht weiter. Wir werden auf das warten müssen, was kommt.“ Auch wahr, aber vielleicht half meine Grübelei mir, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Vielleicht war es nur ein kleines, ein winziges, klitzekleines Detail, was mir fehlte, um zu einer Lösung zu kommen. Ich zog die Knie an den Oberkörper, legte den Kopf darauf und starrte an der Konserve saugend aus dem Fenster. Ein winziges Detail. Irgendwas. Walter sah mich von der Seite an, schüttelte lächelnd den Kopf und stieß etwas Luft aus. Er kannte mich und er kannte meinen analysierenden Dickkopf. „Vielleicht...“, begann er schließlich zögernd. „Solltest du einen kleinen Spaziergang machen. Das hilft dir vielleicht den Kopf frei zu bekommen.“ Nach einer Weile sah ich ihn an. Es lag immer noch ein Lächeln auf seinem Gesicht und er meinte es nur gut mit mir. Das konnte ich in seinen Augen erkennen. Nach wie vor war er Onkel durch und durch. Familie. Der Einzige, der mir geblieben war. Ich nickte ergeben. „Du hast wahrscheinlich recht.“ Mit einem Sprung erhob ich mich und landete auf den Füßen. Für diesen kleinen Spaziergang verzichtete ich auf Waffen. Es fühlte sich für mich ganz und gar ungewohnt an, so ganz unbewaffnet aus dem Haus spazieren, doch selbst wenn etwas passieren sollte, würde ich mich wehren können. Ich entschied mich für völlig unauffällige Klamotten und schlenderte, nachdem ich Walter gebeten hatte Lady Integra Bescheid zu geben, aus dem Anwesen. Bernadotte, welcher vor dem Anwesen seine Männer und Seras trimmte, sah mich an. „Kleiner Spaziergang, Mädchen?“, fragte er und ich nickte. „Viel Spaß.“, wünschte mir der Söldner, ehe er sich Seras zu wandte, welche es wohl wieder zu tritzen galt. „Mal sehen.“, murmelte ich nur, ehe ich mich auf den Weg machte. In London herrschte auch in diese späten Zeit geschäftiges Treiben. Überall liefen Menschen umher und die Stadt wurde durch die Straßenlaternen hell erleuchtet. Der Mond stand beinahe voll am Himmel. Die nächsten Tage würde es wohl einen Vollmond geben. Unter anderen Umständen hätte ich mich mehr darüber gefreut. Der Mond war schließlich schön anzusehen. Doch wer wusste schon, ob Millenium nicht schon morgen vor der Tür stand? Es war nervig, wenn man völlig im Dunkeln tappte. Ich kickte einen kleinen Stein vor mir her und schob die Hände in die Taschen, die Kapuze meines Pullovers tief ins Gesicht gezogen. Ich erwartete nicht auf bekannte Gesichter zu treffen und die meisten Menschen beachteten mich gar nicht. Dennoch lies mich das Gefühl nicht los, dass mich irgendetwas, oder irgendwer beobachtete. Ich blieb stehen und sah mich aufmerksam um, doch ich konnte niemanden ausmachen. Ich atmete laut aus und setzte meinen Spaziergang fort. Ich bildete mir wohl was ein. Das war die Anspannung. Kurz überlegte ich das Hauptquartier der Marine aufzusuchen, um mich bei Sir Penwood über den aktuellen Stand zu informieren, doch schnell verwarf ich den Gedanken. Wäre etwas vorgefallen, hätte er es uns unverzüglich wissen lassen. Also war es nicht nötig die Männer bei ihrer Arbeit zu stören. Missmutig kickte ich den Stein weg. Vielleicht sollte ich ins Hauptquartier zurück kehren. Auch die frische Luft half mir nicht und ich bezweifelte, dass weiteres Herumstreunern die Sache besserte. Gerade, als ich auf dem Absatz kehrt machte, hörte ich, wie einige Menschen aufschrien und ich machte zugleich den Ursprung des Tumultes aus. In einem Wohngebäude, ganz in der Nähe war ein Feuer ausgebrochen. Einigen Einwohnern gelang die Flucht aus dem Gebäude, doch in den obersten Stockwerken waren noch einige Menschen eingesperrt. Die Schaulustigen schreien durcheinander. Einer forderte Hilfskräfte an, ein anderer rief den Menschen im obersten Stockwerk etwas zu. Einer fand man sollte was unternehmen und der nächste hielt dies für zu gefährlich. Zielsicher bahnte ich mir einen Weg durch die aufgebrachte Menge. Bis die Rettungskräfte eintrafen, würde es zu spät sein. Bei der Geschwindigkeit, mit der sich das Feuer ausbreitete, wenn die Menschen nicht vorher erstickten. Irgendwer hielt mich an der Schulter fest. „Was hast du vor? Das ist zu gefährlich.“, meinte der Mann. Ich grinste ihn an, lockerte seinen Griff, ehe ich mir einen Eimer Wasser schnappte, den irgendwer aus der Menge geholt hatte und wohlmeinend das Feuer damit hatte löschen wollen. Mit einem Schwall entleerte ich ihn über meinem Kopf und fuhr meine Schwingen aus. Bäh, Wasser. Ich flog durch das Fenster, hinter welchem ich das Treppenhaus vermutete. Zugleich wuchsen die Flammen dank des frischen Sauerstoffes an und erschwerten mir ein durchkommen. Hastig fuhr ich meine Schwingen wieder ein. Musste nun wirklich nicht sein, dass sie Feuer fingen und bedeckte Mund und Nase mit meinem Ärmel. Ehe Menschen verbrannten, erstickten sie vorher am sauerstoffarmen Rauch. Ich bahnte mir einen Weg zu dem Zimmer, an dessen Fenster sich zuvor jemand aufgehalten hatte. Tatsächlich fand ich zwei Kinder vor, die sich ängstlich in eine Ecke kauerten. Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, zog ich die Kapuze von meinem Kopf und versuchte sie so vertrauenswürdig wie möglich anzulächeln. „Kommt. Ich hole euch hier raus.“, sagte ich und streckte ihnen eine Hand hin. Nach einigem Zögern kamen sie näher und schickten sich an meine ausgestreckte Hand zu ergreifen, als das Regal neben uns, welches durch die Flammen in Mitleidenschaft gezogen wurde, zusammen brach. Schnell zog ich die Kinder in einen schützenden Griff und schirmte uns mit meinen Schwingen ab. Dann stieß ich die angekohlten Bruchstücke von uns, zog meine Flügel wieder ein und sah die Kindern ernst an. „Ist sonst noch jemand im Haus?“, fragte ich sie und sie schüttelten den Kopf. „N... nein. Ich glaube nicht.“ Ein schneller Aura Scan bestätigte, dass die Kinder recht hatten. Dann nickte ich. „Gut. Kommt.“ Ich manövrierte die Kinder durch die Flammen, in den Flur. Diesmal sprang ich durch das andere Fenster nach draußen und landete in einer von der Straße uneinsichtige, abgelegene Seitengasse. Noch mehr Publikum konnte ich echt nicht gebrauchen. Endlich erlaubte ich mir tief durchzuatmen und die frische Lust in meine Lungen zu saugen. Herrlich. Die Kinder husteten etwas, bis sie zu Atem kamen. Dann sahen sie mich mit verdreckten Gesichtern an. „Danke, Fräulein.“, riefen die beiden im Chor. Ich blinzelte etwas, ehe ich ein Lächeln zu Stande brachte. „Kein Problem.“ Ich nickte Richtung Straße. „Und jetzt geht. Geht zu euren Eltern und lasst euch von den netten Ärzten untersuchen, ob es euch auch wirklich gut geht.“ „Ist gut.“ Sie wandten sich ab und winkten zum Abschied. Ich atmete noch einmal tief durch und stand auf. Wenn das nicht mal die willkommene Ablenkung gewesen war. Jedenfalls hatte ich für ein paar Minuten Millenium und ihre Machenschaften völlig vergessen. „Das ist sie.“, ertönte eine Stimme hinter mir und fünf Männer traten zu mir in die dunkle Gasse. Ich wandte ihnen mein Gesicht zu. Wer waren die Kerle? Jedenfalls waren sie mir nicht freundlich gesinnt, stellte ich fest, als sie unter ihren Mänteln Gewehre hervorzogen. Ich straffte mich und fixierte sie. Meine Augen verengten sich. Das waren nicht nur einfache Kerle. Das waren Vampire. Diese richteten ihre Waffen auf mich und eröffneten das Feuer. Ich duckte mich so gut es ging unter den an mir vorbei pfeifenden Kugeln weg und durchbohrte den ersten Vampir mit meiner Hand. Dann benutzte ich seinen Körper als Kugelschild und schoss mit dessen Waffe auf die anderen. Es gelang mir zwei von ihnen endgültig schlafen zu schicken. Blieben also noch zwei Feinde. Diese erwiesen sich als erstaunlich flink, sodass ich sämtliche Munition vergeblich verschoss. Ich wollte schon zur zweiten Waffe greifen, doch riskierte dabei von dem Kugelhagel erwischt zu werden. Ich suchte Schutz hinter einem Müllcontainer und legte mir eine weitere Strategie zurecht. Ich musste nur nahe genug an sie heran kommen. Dann könnte ich sie mit meinen Schwingen, oder Händen außer Gefecht setzten. Ich atmete tief durch. Das musste jetzt schnell gehen. Mit einem Sprung erhob ich mich in die Lüfte und landete hinter einem der Vampire. Er wirbelte herum, doch er war zu langsam. Mit einem Flügelhieb enthauptete ich ihn. Doch nun stand ich leider mitten im Kugelhagel des letzten Vampires. Dies nutzte er zugleich aus und eröffnete das Feuer auf mich. Mehrere Kugeln durchsiebten meinen Rumpf, ehe ich meine Schwingen vor mich schob. Irgendwie kam ich nicht umher zu bemerken, dass der Vampir auf keine lebenswichtigen Organe zu zielen schien, geschweige denn auf meinen Schädel. Plötzlich spürte ich einen dumpfen Schmerz am Hinterkopf und kippte vorne über. Ein Stiefel trat mit voller Wucht in meinen Nacken und hielt mich somit zu Boden. Meine Schwingen hatten ihre Schärfe verloren und lagen nun als normale Flügel auf dem Boden. Trotz Schwindel und Übelkeit versuchte ich mich aufzurichten, doch die Antwort war ein weiterer Tritt. „Sei froh, dass wir Befehl haben, dich nicht umzubringen.“ Ohne jede Vorwarnung erklang ein erstickter Schrei und ich spürte,wie Blut auf meinen Rücken tropfte. Sämtliche Kraft schien auf dem Vampir zu weichen und er kippte zur Seite um. Ich schüttelte den schmerzenden Kopf und kämpfte mich auf die Knie. Was...? Mein Blick wanderte zu dem gefallenen Vampir. Sein Körper wurde von mehreren Klingen durchbohrt. Ein hämisches Lachen erklang und ich wandte den Kopf. Am anderen Ende der Gasse stand Pater Andersen. „Erbärmliches Pack. Verdammte Schmeißfliegen.“ Er kam näher und packte seine Bajonetten fester. Innerlich verkrampfte ich und stand so schnell es mir möglich war auf. Unvermittelt erklang hinter mir ein Schrei. Ich wirbelte herum. Ein weiterer Vampir stürmte mit erhobener Klinge auf mich zu. Verdammt. Zu langsam. Ich würde... Unzählige Bajonetten bohrten sich in den Körper des Vampirs und er stürzte keinen Meter vor mir zu Boden. Ich sah den Priester an, welcher nun mit leeren Händen direkt vor mir stand. Mein Körper war immer noch in höchster Alarmbereitschaft. „Ich dachte Hellsings stärkste Kriegerin hätte mehr zu bieten.“, sagte er und seine Augen funkelten hämisch. Ich erwiderte nichts. Zugegeben, er hatte Recht. Diese Vampire hatten mich ziemlich überrascht. Der Mund des Priesters verzog sich zu einem Grinsen und er drehte sich zur Seite. „Ich habe keine Zeit mich um euch Hellsing Ratten herum zu schlagen.“, meinte er und wandte sich mit wehendem Mantel ab. Ich blinzelte. Eigentlich war er kein so schlechter Kerl. Auch wenn er eine seltsame Tötungsobsession Heiden und Monstern gegenüber zu besitzen schien, hatte er tief im inneren einen weichen Kern und einen wachen, klugen Verstand. Zudem standen wir im Grunde genommen auf derselben Seite. Ein gemeinsamer Feind schweißt scheinbar auch Vatikan Angehörige und Hellsing Mitglieder aneinander. Aber ich glaubte nicht, dass das der Grund für seine Hilfe war. „Monster können also auch Menschen Barmherzigkeit erweisen. Erstaunlich.“, sagte der Priester kaum hörbar. Hatte er etwa die ganze Zeit zugesehen? Ohne sich umzudrehen meinte er warnend: „Pass auf, Draculina. Die Zeiten sind gefährlich.“ Ich sah ihm nach, bis er verschwunden war. Erst dann löste sich sämtliche Anspannung aus meinem Körper. Ich sah zum wolkenlosen Himmel auf und beschloss mich auf den Rückweg zu machen. Ablenkung hatte ich für heute womöglich genug gehabt. Ich betrat das Anwesen und stieß zugleich auf Walter. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich. „Du siehst erschöpft aus.“ Ich nickte nur. „Ich bin okay.“ Er studierte mein Gesicht, dann schloss er ergeben die Augen, ehe er mich ansah. „Ich habe dich gesucht.“, lies er mich wissen und bedeutete mir ihm zu folgen. „Ich habe etwas für dich und ich denke dank der jüngsten Ereignisse ist es an der Zeit, dass ich es dir nun gebe.“ Er führte mich in mein Zimmer, wo auf dem Tisch in der Mitte ein Koffer lag. Mit einem Nicken ermunterte mich mein Onkel diese zu öffnen und als ich gehorchte und in den Koffer blickte, sah ich darin zwei Pistolen liegen. Vorsichtig nahm ich meine neuen Waffen in die Hand. Sie waren beide schwarz und glichen sich wie ein Ei dem anderen. Zwillinge. Ich nahm ein Magazin aus dem Koffer und betrachtete es . „Fünf Schuss. 15 mm.“, erklärte mir Walter. „Die beiden wiegen je 15 kg.“ Ich wog Magazin und Waffe prüfend in der Hand, ehe ich beides wieder zurück legte. Mein Onkel sah mich erwartungsvoll an und ich lächelte. „Danke, Onkel.“ Auch auf seinem Gesicht erschien ein sanftes Lächeln. „Es freut mich, dass sie dir gefallen.“ Dann blinzelte er, als sei ihm etwas eingefallen und er fügte hinzu: „Oh. Ehe ich es vergesse. Lady Integra sucht nach dir.“ Ich sah ihn fragend an. „Was ist passiert?“ „Scheinbar haben wir erste Hinweise auf einen Angriff von Millenium.“ Das war alles, was ich wissen musste. „Alles klar.“ Ich stürmte in voller Montur die Treppe hinauf, als mir Seras und Integra entgegen kamen. Zugleich fiel mir Seras verlegener Gesichtsausdruck auf und sie fuhr sich mehrmals mit der Hand über den Mund. Ich blinzelte. Irgendetwas war anders. Etwas hatte sich verändert. Integra warf mir einen vielsagenden Blick zu und auf ihren Lippen erschien ein zufriedenes Grinsen. So war das also. Seras hatte das erste Mal Blut getrunken. Ich beschloss es damit sein zu lassen und sah Lady Hellsing an. „Sie wollten mich sehen?“ Die blonde Frau nickte. „In der Bucht von Wales liegt der Flugzeugträger Eagle mit dem der Funkkontakt abgebrochen ist. Könnte sein, dass Millenium dahinter steckt.“ Ich nickte und Integra wandte sich an Seras. „Hol Alucard her, Polizistin.“ „Eh… Jawohl.”, antwortete Seras und lief hastigen Schrittes in den Keller. Ich sah ihr eine Weile nach, ehe ich wieder Lady Hellsing fixierte. „Du, Walter und Alucard begleitet mich.“, sagte sie. „Möglicherweise haben wir einen Angriff zu befürchten.“ „Der Verräter?“ Sie nickte bestätigend. „Es wäre nicht undenkbar.“ „Verstehe.“ „Also los komm.“ Sie erteilte mir eine winkende Geste und wir machten uns auf den Weg zum Wagen. Kapitel 24: Blood Moon ---------------------- Blood Moon „Die königlich protestantische Ritterschaft Hellsing im Auftrag Ihrer Majestät.“, verkündete Lady Integra, als wir in den Raum traten. „Da sind Sie ja, Lady Hellsing.“, rief Sir Penwood erleichtert aus. An seiner Miene sah man, wie angespannt er war und folglich wie ernst die Lage war. „General! Sie wollen doch nicht die da zur Rate ziehen?“, fragte einer seiner Männer lautstark und deutete anklagend auf Integra. „Es geht hier schließlich um die nationale Sicherheit. Und Sie wollen mit solchen zwielichtigen Gestalten an einem Tisch sitzen?“ Ich verzog das Gesicht. So was unhöfliches. Wussten die Männer überhaupt, wenn sie hier vor sich hatten? „Dieses Gebiet steht unter Marineverwaltung!“, brüllte einer. „Leute wie ihr haben hier nichts zu suchen! Geht nach Hause!“, rief ein anderer. Das ganze war langsam nicht mehr lustig und ziemlich nervig. Reichte noch, dass sie sich gleich darüber beschwerten, dass es ein Vampir wagte, diesen Raum zu betreten. Doch Sir Hellsing nahm das Ganze gelassen und setzte sich einfach auf den leeren Stuhl, der Sir Penwood gegenüber stand. Während die Marine Soldaten sie ungläubig anstarrten, lies sie sich von Walter eine Zigarre reichen und anzünden. Sie inhalierte einige Male, ehe sie Sir Penwood ansah. „Wir können natürlich gerne nach Hause gehen.“, meinte sie. „Aber wollen Sie das wirklich?“ „Wie bitte?!“, riefen die anderen Männer empört aus. „Moment.“, kam es leise von ihrem Anführer. „Bitte nehmen Sie an unserer Sitzung teil, Lady Hellsing.“, bat Sir Penwood. Er war wirklich verzweifelt, doch er wusste, dass nur die Hellsing Organisation im Stande dazu war, die Lage richtig einzuschätzen und sämtliche Probleme zu beseitigen. Wenn es sich hierbei wirklich um einen Angriff von Millenium handelte. Ich schenkte dem General ein aufheiterndes Lächeln. Auch wenn Sir Penwood von sanftmütiger und unsicherer Natur war, war er ein guter Kerl. Das fand ich damals und das hatte sich auch nicht geändert. „Wie ist die momentane Situation, General?“, fragte Lady Integra ernst. „Unser brandneue Royal Navy Flugzeugträger „Eagle“ liegt im Atlantik, wo ein Manöver durchgeführt wird.“, begann der Mann. „Vor nunmehr 18 Stunden kam eine Meldung: Ein Helikopter unbekannter Herkunft habe sich dem Schiff genährt. Seitdem ist der Funkkontakt abgebrochen. Im Moment liegt die Eagle etwa 300 Kilometer von Polinton entfernt. Normalerweise würden wir uns um den Fall kümmern. Doch vor einigen Stunden bekamen wir diese Satellitenfotos.“ Er schob drei Fotos über den Tisch, sodass Lady Integra einen Blick darauf werden konnte. „Sehen Sie sich das an.“ Ich warf einen Blick über ihre Schulter, um ebenfalls zu erkennen, was auf den Fotos abgebildet war. Walter zuckte unmerklich zusammen und Integra biss missmutig auf ihrer Zigarre herum. Meine Miene verfinsterte sich. Auf dem Foto, das oben auflag, erkannte man ganz klar ein Hakenkreuz, welches mit roter Farbe, oder womöglich Blut, auf das Deck des Flugzeugträger geschmiert worden war. „Das fällt nicht mehr in unseren Aufgabenbereich.“, meinte Sir Penwood. „Was da passiert ist Wahnsinn.“ „Millenium. Das letzte Bataillon.“, murmelte Integra. Die Zigarre zuckte in ihrem Mundwinkel. „Vampire? Nazis? Das ist doch wohl ein Witz?“, brüllte einer von Sir Pendwoods Männern ungehalten. „Wir haben keine Zeit für eure okkulten Spielchen.“ „General, kommen Sie wenigstens zur Vernunft!“ „Vampire? Hah!“, machte einer hämisch. „Das ist entweder eine Meuterei, oder ein Putschversuch!“, kam einer mit seiner logischen Erklärung daher. „Ich weiss nicht, inwiefern ihr ein Stein im Brett bei der Queen habt, aber glaubt ja nicht, dass ihr irgendwelche Vorrechte habt und überall mit so einem Unsinn durchkommt. Macht, dass ihr weg kommt!“ Ich verzog missmutig den Mund, sodass meine Reißzähne hervorzutreten drohten. Was waren das für Neulinge? Hatten sie überhaupt eine Ahnung von dem, was hier vor sich ging? Vielleicht sollte ich ihnen zeigen, was für ein Unsinn und Spinnerei Vampire waren. „Na gut.“, meinte Integra gelassen und bedeutete mir die Füße still zu halten. „Ich bin gespannt zu sehen, wie Sie damit alleine fertig werden wollen.“ Der Mann, der zuletzt den Mund aufgemacht und scheinbar unter den Untergebenen das Sagen hatte, ballte die Faust und knotterte ergeben: „Geben Sie Ihnen einen Lagebericht.“ „Ja, Sir.“, antwortete der Mann hinter ihm und sah auf sein Klemmbrett. „Nach dem Vorfall haben wir ständig versucht Kontakt aufzunehmen , aber es kam keine Antwort. Wir haben mehrere Aufklärungsflugzeuge geschickt, aber sie haben nichts entdeckt. Es ist, als ob das Schiff menschenleer wäre. Ein Geisterschiff.“ Er machte eine kurze Pause, ehe er sich selbst korrigierte: „Nein, das stimmt nicht. Der letzten Meldung zufolge war eine Person an Deck, mit einem Sonnenschirm.“ Er legte uns ein neues Bild vor, das tatsächlich eine Person zeigte, welche unter einem gelben Sonnenschirm mitten auf dem geschmierten Hakenkreuz auf dem Deck saß. „Um die Kontrolle über die Situation zu erlangen, sind gegenwärtig zwei kleine SAS Einheiten in Helikoptern unterwegs. Sie werden bald dort eintreffen.“ Integra sprach aus, was wohl alle anwesenden Mitglieder der Hellsing Organisation dachten. „Die armen Soldaten.“ „Wie bitte?“, rief der Mann aus, so als glaubte er, er habe nicht recht gehört. „Eines steht fest, General.“, begann Lady Integra ungerührt. „Was?“ „Sie werden alle zu Grunde gehen. Sie haben denen Nahrung in Form von 30 Körpern geschickt.“, erklärte die blonde Frau pragmatisch. Nur wenige Augenblicke später ertönte ein ohrenbetäubendes Geräusch und alle wandten sich den Monitoren zu. „Was ist geschehen?“, fragte einer laut. „Ein Helikopter wurde abgeschossen!“, antwortete ein anderer. „Wa... Was?“, stieß der Nächste ungläubig aus. „Von den Waffen, die das Schiff geladen hatte?“,fragte ein anderer, die nächst logische Erklärung suchend. „Nein! Das nicht.“, war die gehetzte Antwort. „Es war nur ein einziger Schuss aus der Muskete den eine einzelne Person an Deck abgegeben hat.“ Alle Männer schnappten geräuschvoll nach Luft, ehe sie wild durcheinander brüllten. „Wie viele Überlebende gab es bei der SAS?“ „So etwas unglaubliches gibt es doch gar nicht!“ „Nach der Meldung der Aufklärungsflugzeuge ist ein gigantisches Feuer ausgebrochen! Wenn das so weiter geht...“ „Nehmen Sie Kontakt mit dem zentralen Air Force Kommando auf!“ „Rufen Sie den Leiter der zweiten Einheit!“ „Das gibt es doch gar nicht!“ „Ist das nicht ein Missverständnis? Überprüfen Sie das!“ Integras ruhige Stimme klang durch das Stimmengewirr: „Das ist eine Farce.“ „Was haben sie gesagt?“ „Ich sagte nur, das ist eine Farce.“, wiederholte sie und erhob sich von ihrem Sitzplatz. „Wohin wollen Sie, Lady Integra?“, fragte Sir Penwood. „Ich sehe keinen Sinn darin, hier zu bleiben.“, erklärte sie. ihm. „Während Sie hier Theater machen, wird woanders weiterhin wertvolles Blut vergossen. Für uns sind die Ereignisse eindeutig Vampiren zuzuschreiben. Wir werden deshalb nun selbst aktiv werden.“ Ich tat einen Schritt zur Seite, damit sie den Stuhl zurück schieben konnte. „Wie...Wie bitte?“, riefen die Männer aus. „Jetzt machen Sie aber mal ´nen Punkt!“ Lady Integra fixierte den alten Freund ihres Vaters. „Ich habe gesagt, was zu sagen war, Lord Penwood.“ „Ge...General?“, fragte einer, als dieser stumm blieb. „In Ordnung, Integra. Ich gebe Ihnen alle Vollmachten.“ Die blonde Frau verzog den Mund zu einem leichten Grinsen. „Roger.“ Darauf schien sie nur gewartet zu haben. Ich lächelte Sir Penwood an. Er hatte richtig gehandelt. Das war das einzig Vernünftige, was er hatte tun können. Seine Männer hätten noch fünf Stunden lang diskutiert, rum gebrüllt, sinnlos Soldaten in den Tod geschickt und diese zu Kanonenfutter verarbeitet. Nach einem letzten Blick in die ungläubigen Gesichter der Männer und den erschöpften Sir Penwood verließen wir den Konferenzraum. „Was denkst du?“, frage Lady Integra meinen Onkel, als wir durch den langen Gang schritten. Gemessenen Schrittes blieb ich hinter den beiden. „Einen Lockvogel zu schicken wäre sicher nicht schlecht. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr geht alles nach deren Wunsch.“ „Wir dürfen nicht untätig bleiben.“, erwiderte die blonde Frau. „Denn ein Geisterschiff würde zu viel Aufmerksamkeit erregen.“ Ich legte den Kopf etwas schief und verschränkte die Arme vor der Brust. Jemanden auf das Schiff zu schicken, schien keine schlechte Idee zu sein. Aber niemand, der nur als Futter endete. Aber andererseits taten die Typen auf ihrem Schiff nicht viel, außer jeden abzuschießen, der näher kam. Vielleicht sollte man sie doch einfach in Ruhe lassen. Natürlich war es alles andere als angenehm, zu wissen, dass einige Typen von Millenium über den Atlantik schipperten, aber solange sie sonst nichts taten, oder zu nahe kamen. Mir schien das ganze eher ein Ablenkungsmanöver zu sein. „Sie werden sicher nicht von sich aus aktiv werden.“, sagte Walter und bestätigte im Grunde genommen meinen Gedanken. „Aber wir dürfen es nicht ignorieren.“ Ich seufzte unmerklich auf. Da war er wieder. Der gute alte -unnötige- Stolz. „Wenn man sich ihnen nähert, schießen sie. Eine mustergültige Demonstration eines Belagerungskrieges.“ „Das Meer ist sowohl eine Burgmauer, als auch ein breiter Graben. Und jene magischen Geschosse... Denen ist wohl nichts und niemand gewappnet. Aber von dort weg können sie nicht mehr. Für Vampire ist das Meer der Grund der Hölle. Wenn sie jemals die Eagle verlassen, werden sie dort ertrinken.“ Ihre Augen verengten sich. „Aber das gilt auch für uns.“ „Ja, so ist es.“, unterstützte Walter sie in ihren Gedanken. „Die Frage ist, wie kriegen wir Alucard und Seras auf diese stählerne Festung auf dem Meer?“ Sie blieb stehen und hielt inne. „Mit einem großen Kriegsschiff?“, schlug sie fragend vor. „Nein.“, antwortete mein Onkel. „Das würde zu lange dauern. Wir wissen ja nicht, wie lange die Kerle noch dort bleiben.“ Er überlegte kurz. „Ein kleines, schnelles Boot wäre gut.“ Lady Integra schüttelte den Kopf. „Nein. Sie haben große Flugabwehrkanonen und CIWS. So einen Kugelhagel würde niemand überleben.“ Geschweige denn die magischen Geschosse. „Mit einem Flugzeug direkt über dem Schiff?“, schlug sie vor. „Nein.“, erwiderte Walter. „Ihre Flugabwehrraketen würden sie daran hindern, überhaupt in ihre Nähe zu kommen.“ Er machte einen anderen Vorschlag: „Einsatz großer Mengen von Streupartikeln und Lockvögeln. Einsatz von Flugzeugen.“ „Nein.“, widersprach Lady Integra. „Selbst wenn die Raketen getäuscht werden, haben sie noch ihre magischen Geschosse.“ Würde mich ja langsam interessieren, wer dafür verantwortlich war und wie das funktionierte. Kurz erwog ich anzubieten, selbst zu dem Schiff zu fliegen und mich der Angelegenheit anzunehmen – die Beiden von ihrem Vorhaben abzubringen, hatte ich bereits verworfen, ehe ich begonnen hatte – doch kam recht schnell zur Vernunft. Abgesehen davon, dass ich eher ein blutiger Fleischklumpen sein würde, bis ich den Träger überhaupt erreicht hätte, war es fraglich wie sehr das Meer meine Kräfte einschränkte. Vermutlich würde ich nicht mal fliegen können, geschweige denn mit Ultraschallgeschwindigkeit. Unvermittelt bewegte und krümmte sich Integras Schatten auf unnatürliche Weise und Alucard erhob sich aus dem Gebilde „Daraus folgt. Gesucht wird ein Weg,mich auf das Deck des Flugzeugträgers zu bringen ohne, dass Raketen, Kugelhagel, oder magische Geschosse mich aufhalten können.“ „Das ist schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit.“, meinte Integra resignierend. „Vielleicht gibt es doch eine einzige Art von Flugzeug, die in der Lage dazu wäre.“, widersprach Walter, als ihm etwas einfiel. „Und das wäre?“, fragte die blonde Frau, nun neugierig geworden. Mein Onkel lächelte schief. „Nun.“, begann er. „Es gibt eine Flugmaschine, welche einst als Aufklärungsflugzeug gedacht war. Nun ist zwar nur ein Einsitzer, aber es kann eine unvergleichliche Geschwindigkeit aufbauen, mit der wir es schaffen könnten, diese Kerle zu überlisten.“ „Was steckt dahinter? Nun sag schon.“, forderte Integra ungeduldig. „Die SR-71 Blackbird.“, antwortete er. „Allerdings...“ „Was?“ „Allerdings wird diese nicht im aktiven Dienst eingesetzt und befindet sich zur Zeit im War Museum.“ Lady Integra zog die Stirn in Falten, dann atmete sie tief aus. „Nun gut. Es geht um die Nationale Sicherheit und noch mehr. Wir werden mit den Zuständigen reden müssen und sie dazu überzeugen, uns das Fluggerät zu borgen.“ Walter nickte und er und Integra gingen voran. Alucards Grinsen wurde breiter. „Sehr gut.“, meinte er und freute sich schon auf den bevorstehenden Kampf. „Master...“, begann ich zögerlich. Er wandte sich zu mir um und sah mich an. „Du, Frischling, bleibst bei unserer Herrin.“, befahl er. „Beschütze sie um jeden Preis.“ Ich nickte. „Natürlich, Master.“ Das hätte ich auch ohne seinen Befehl getan. Dennoch missfiel es mir ihn ganz allein zu dem Flugzeugträger fliegen zu lassen. Nicht, dass ich ihm eine große Hilfe gewesen wäre, aber dennoch. Doch natürlich war es vernünftig, wenn ich hier blieb. Ich war ihm nicht im Weg, die Blackbird war vermutlich ohnehin zu eng, und ich konnte hier ein Auge auf alles werfen. Wenn das Fluggerät zerstört werden würde, würde Master auch so zum Festland zurück kommen, indem er Wetter und See manipulierte, um den Flugzeugträger nach London zurück zu steuern. Das und ähnliches hatte er bereits in der Vergangenheit getan. Alucard bemerkte mein Unwohlsein und seine Lippen teilten sich zu einem sanften Lächeln. „Ich gebe die Dinge hier in deine Hand, Frischling.“, meinte er, ehe sein Körper sich in Nichts auflöste. „Ryokai.“, antwortete ich gehorsam und stand nun allein auf weiter Flur. Mein Blick glitt zu Boden. „Viel Glück und kommen Sie heil zurück, Master.“, murmelte ich, ehe ich einen Schritt zu legte, um Integra und Walter zu folgen. Es hatte einiges an Überzeugungskraft gekostet, doch schließlich war es der Hellsing Organisation gelungen die Backbird aus dem Museum zu entleihen. Ob sie das Teil wieder bekommen würden, war die andere Frage, aber es gab Wichtigeres. Alucard flog Richtung Flugzeugträger und Integra, Walter und ich kehrten zum Konferenzraum der Marine zurück. Dort würden wir das Ganze mehr oder minder live mitverfolgen können. Jedenfalls würden wir das mitbekommen, was die Geräte der Marine aufzeichneten. Lady Integra setzte sich wortlos und antwortete auf viele Nachfragen lediglich, dass sich Hellsing sich dieser Angelegenheit angenommen hatte. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. Nach einer Weile reagierten die Gerätschaften. „Auf der Eagle ist ein Feuer ausgebrochen!“, rief einer der Männer. „Durch die Explosion erkennt man nicht, was da vorgeht.“ Walter wandte sich an seine Herrin: „Wir haben gewonnen.“ „War doch klar.“, erwiderte diese und ihr Lächeln wurde breiter. Ich blieb ausdruckslos. Das Ganze schmeckte mir immer noch nicht. Alucard war jetzt mitten auf einem schwimmenden Eisenkarren und tötete ein paar Millenium Nazis. Sir Penwood erhob die Stimme: „Was haben Sie getan? Was geht da vor? Was passiert mit dem Schiff? Lady Hellsing!“ Ein breites Grinsen lies die Zigarre im Mundwinkel der blonden Frau zucken. „Es war eine ganz normale Belagerung. Aber der zerstörerische Hammer, der auf es nieder ging, war 30 Meter lang und 3.2 Mach schnell und konnte so Mauern durchbrechen.“, erklärte sie langsam. „Unsere Truppe hat die Palisaden gebrochen, den Graben überwunden und ist in die Burg eingedrungen. Was da vorgeht? Wenn eine Festung kurz vor der Eroberung steht, gibt es nur eines, was da vorgehen kann. Und zwar nichts anderes, als ein einseitiges Massaker.“ Welches ganz klar von Master ausging. Was sich ihm in den Weg stellte, hatte null Überlebenschancen. Und das Ganze war sicher nicht sonderlich ansehnlich. Viel mehr blutig und brutal. Ich befeuchtete meine Lippe mit der Zunge. Dieser Widerspruch war merkwürdig. Einerseits wünschte ich mir, ich könnte in Aktion treten. Kämpfen. Ein paar Feinde abschlachten. Doch andererseits war es eigentlich ganz gut, dass ich nichts zu tun hatte, denn das bedeutete, dass sich Millenium hier nicht blicken lies. So würde niemand verletzt. Leider auch keine Nazis. Doch meine Gedanken wurden durch laute Alarmsirenen unterbrochen. Ein kalter Schauer wanderte über meinen Rücken. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht und das sagten mir auch meine inneren Alarmglocken. Unwillkürlich zog ich meine Extremitäten näher an meinen Rumpf. Alle im Raum horchten auf. „General!“, rief ein Mann alarmiert. „Was ist?“ „Die Verbindung zum GCHQ ist abgebrochen.“ Ich wurde hellhörig. Sir Penwoods Augen weiteten sich ungläubig. „Die Verbindung zur Kontrollstelle von London Bin ist abgebrochen. Momentan sind auch alle normalen Telefonleitungen in einem weiten Umkreis lahmgelegt.“, fuhr der Mann fort. „Keine Verbindung zum Luftstützpunkt Ark. Dorchester und Liverpool ebenso. Keine Verbindung zum Kings Greenwich Regimentshauptquartier. Keine Verbindung zum Flottenkommando im Atlantik. Verbindung zum Verteidigunsministerium nicht möglich. Keine Verbindung zum Zerstörer Forte Crest auf der Themse. Verbindung zu allen Polizeikordonen abgebrochen.“ Die Liste schien endlos. Kurzum: Wir waren völlig von allem und jedem abgeschnitten. „Das ist doch unmöglich!“, rief Sir Penwood ungläubig aus. „Ist das etwa der Beginn eines Krieges?“ „Ein Telegramm von HQ der königlichen Leibgarde.“, meldete sich einer seiner Mitarbeiter zur Wort. „Wir sind im Kampf mit einem unbekannten Gegner. Es sind Monster. Helfen Sie uns.“ Integra schwieg, ehe sie das Wort ergriff: „Er hat also endlich begonnen. Der Krieg hat begonnen.“ In genau diesem Augenblick öffnete sich mit einem lauten Knall die Flügeltür in das Konferenzzimmer der Marine und mehrere schwer bewaffnete Männer stürmten in den Raum. „Was? Wer seid ihr?“, fragte einer die Eindringlinge. Statt zu antworten, richteten die Männer ihre Waffen auf die Anwesenden. „Na, na. Wir wollen doch keine Dummheiten machen, Lady Hellsing.“, tadelte einer von Penwoods Leuten und trat zufrieden grinsend vor. „Diese Institution steht ab sofort unter der Herrschaft von Millenium.“ Dieser Kerl. Ich ballte die Fäuste, mit dem Ergebnis, dass die Waffe, die auf mich gerichtet worden waren, entsichert wurden. „Schön still halten, Mädchen. Mach keinen Unsinn.“ Dachten die, die machten mir mit diesem Spielzeug Angst? Ich würde jeden einzelnen von ihnen auseinandernehmen. „Leutnant... Ihr... Was soll das bedeuten?“, stotterte Sir Penwood und sein flehender Blick ruhte auf seinem Kollegen. „Klappe halten!“, unterbrach dieser ihn grob. Dann grinste er und ich weitete flüchtig die Augen im plötzlichen Begreifen. Der Mann offenbarte nun, was er zuvor vorzüglich verborgen hatte: Ein Paar rot leuchtender Augen und dazu passende Reißzähne. Ich schallte mich innerlich einen Schwachkopf. Warum hatte ich das nicht bemerkt? Der Verräter war die ganze Zeit hier unter uns gewesen und ich Dummkopf hatte es nicht bemerkt. Das Grinsen des Leutnants wurde breiter. „Es bedeutet, General, schön ist es ein Vampir zu sein.“ Dieser Idiot hatte sich von Millenium kaufen lassen. Sie hatten ihm Unsterblichkeit zugesichert und er war darauf eingegangen und hatte somit sein Land und seine Leute verraten. Der neugeborene Vampir lachte hämisch. „Dass mir sogar Lady Hellsing in die Hände fällt! Hab ich ein Glück! Der Stellvertreter wird sicher auch sehr erfreut sein.“ Der Kerl tat so, als hätte er schon gewonnen. Als ob ich es zulassen würde, dass er Hand an Lady Integra, oder irgendeinen der anderen, legte. Es fiel mir schwer meine Wut in Zaum zu halten, wartete ich doch auf einen ausdrücklichen Befehl von Lady Integra. Diese fing unerwartet an zu lachen. Leise zunächst, dann immer lauter. „Du Weib!“, herrschte der Verräter sie mit vorgehaltener Waffe an. „Was gibt’s da zu lachen?“ Integra lächelte milde. „Ihr seid wie Baby-Vampire, die gerade erst geboren wurden... Wir sind eine Organisation, die da ist, um euch auszurotten. Ihr seid wie Frösche, vor der großen Schlange ... Und das nennst du Glück?“ Sie fixierte den Kerl. „Ein echter Witz, ihr Landesverräter. Ihr bekommt das Eiserne Kreuz von einem Gefreiten, aber im Jenseits.“ Der Verräter knirschte mit den Zähnen. Die Waffe zitterte in seinen Händen. „Du verdammte...“,, zischte er wütend, doch weiter kam er nicht, denn ihm wurde nicht nur das Wort, sondern auch der gesamte Arm abgeschnitten. „Butler. Es gibt Arbeit.“, meinte Integra völlig ruhig. Walter trat vor. „Zu Diensten, my Master.“ Seine einzigartige Waffe, die dünnen Drähte tanzten schimmernd in der Luft. „Ich bin euer Gegner, ihr Babys.“, lies er die Vampire grinsend wissen. Ohne den Blick abzuwenden, sagte Lady Integra: „Alexandra. Das gilt auch für dich.“ Ein breites Grinsen erschien auf meinem Gesicht. Na endlich. Jetzt konnte ich den Kerlen zeigen, was ich von ihnen und ihresgleichen hielt. Ich straffte meine fingerlosen Handschuhe und trat vor. „Yes, Mylady. Anata no sabisu de.“ Die Kerle packten ihre Waffen fester, ihre Finger zitternd am Abzug. „Verdammt!“, brüllten sie und begannen wie wild herumzuballern. Einige Kugeln streiften mein Gesicht, ehe ich aktiv wurde. In wahnwitziger Geschwindigkeit erledigte ich einen nach dem anderen mit meinem Katana, während Walter mit seinen Drähten dasselbe tat. Zufrieden grinsend sah ich, wie der letzte Verräter in einer Blutfontäne zu Boden stürzte. Mit Genugtuung zerquetschte ich seinen Kopf mit meinem Stiefel. Dann blinzelte ich und tauchte aus meinem Blutrausch auf. Jetzt war wieder pragmatische Professionalität angesagt. Auch Walter hielt inne, als ein Blutspritzer auf Sir Penwoods Wange landete. „Oh Verzeihung.“, entschuldigte er sich und zog seine schwarzen Handschuhe straffer. Ich grinste die Männer ebenfalls entschuldigend an, die mich mit großen Augen anstarrten. Vermutlich hatte ich sie etwas verschreckt. „Alles in Ordnung, Lord Penwood?“, fragte Lady Integra den Mann, der offensichtlich immer noch etwas unter Schock stand. „Ich war mir fast sicher, dass auch sie ein Landesverräter wären.“ War das ihr Ernst? „Ich bin vielleicht unfähig, aber kein Feigling, Integra.“, erwiderte Arthur´s alter Freund. „General!“, brüllte einer seiner Männer alarmierend. „Von einer 477 Passagiermaschine AUS ist Luftraum über Newfields südlich von London ein Geschwader von Zeppelinen gesichtet worden, mit Kurs auf Norden.“ Also London. Jetzt wurde meine Frage beantwortet, wie sich unzählige Nazi Vampire über das Meer beförderten: Mit gigantischen Zeppelinen. „Zeppeline? Sind Sie sicher? Ist das vielleicht nur ein Irrtum?“ Tröstende Verdrängung der Realität. „Es sind Zeppeline.“, lies der Mann die Blase platzen. „Und zwar unglaublich große.“ Zugleich riefen und schrien alle durcheinander. „Wa...Was?“ Integras Blick verfinsterte sich. „Sie sind da. Millenium.” Ich nickte grimmig. Es war soweit. Jetzt hatte der Krieg auf eigenem Land begonnen. Kapitel 25: First Strike ------------------------ First Strike Aufgeregt drängten sich die Soldaten Milleniums gegen die Scheibe ihres Zeppelins, welcher sich auf das Festland zu bewegte. „Das ist Europa!“, riefen sie aus. „Richtig. Das sind die lang ersehnten Lichter Europas.“, bestätigte der Major. „Kameraden! Ich habe euch wie versprochen zurück in die Heimat gebracht. Zu unserem ersehnten Schlachtfeld. Zu unserem ersehnten Krieg.“ „Herr Major! Major! Herr Stellvertreter! Herr Major!“, priesen die Männer ihren Anführer, ihren Messias. „Und nun überquert der Seelöwe endlich den Ozean. Und geht an Land.“ Er lächelte. Operation Seelöwe war in die zweite Phase gegangen. Alles verlief nach Plan. Alucard hatte dank Rip Van Winkle das völlige Ausmaß ihrer Pläne erfahren, doch das war egal. Vielleicht sogar erwünscht. Außerdem war auch der Leutnant nicht in alles eingeweiht worden. Ein winziges Detail fehlte. Doch das war egal. Es war Krieg. Endlich herrschte Krieg. „Sagt es allen Mitgliedern von Millenium. Dies ist ein Befehl des Bataillonskommandeurs.“ Sein Grinsen wurde breiter und er breitete beide Hände aus. „So, Kameraden. Jetzt bereiten wir ihnen die Hölle auf Erden.“ Die einfachen Bürger Londons wussten gar nicht, wie ihnen geschah. Etwas schob sich vor den Mond. Man hielt es zunächst für eine Mondfinsternis. Ein finsteres Omen. Doch schnell erkannten sie den Irrtum. Unaufhaltsam kam der Zeppelin des Feindes näher. Die Augen der Menschen weiteten sich. Es war nicht nur ein gigantischer. Der riesige Zeppelin wurde von zwei kleineren begleitet. War das ein Angriff? Was ging hier vor? Der Major hatte seine Männer um sich versammelt. „Meine Bataillonskameraden! Achtung!“, rief der beleibte Mann seine Untergebenen, die ihn priesen, zur Ordnung. „Kameraden. Die Nacht ist da.“, fuhr er mit gesenkter, aber bestimmter Stimme fort. „Meine geschlagenen, doch unbesiegbaren Soldaten. Meine neugeborenen Veteran-Kameraden. Die Nacht der Erfüllung aller Wünsche ist gekommen! Willkommen! Willkommen in der Nacht des Krieges.“ Seine Anhänger lächelten zufrieden. Sie spürten, wie die Blut- und die Kampfesslust in ihnen hochstiegen. Sie konnten es kaum erwarten an Land zu gehen. „Hurra! Hurra!“, riefen sie voller Freude und streckten die Arme in die Höhe. Während Doc die Soldaten aufforderte in ihr Handbuch „Operation Seelöwe“ zu schauen, war der Major in seinen Gedanken bereits einen Schritt weiter. Er kannte es auswendig. Er hatte es geplant. Er hatte es verfasst. Und er würde es leben! „Unser Ziel ist Hellsing! Und die Vernichtung Alucards!“, lies der Major seine Leute wissen und rief eine der stärksten aus seinem Geschwader zu sich. „Zooling! Oberstleutnant Zooling Bliz!“ Eine riesige Frau, die einem Muskelberg glich, trat mit geschulterter Sense näher. „Zu Befehl!“, antwortete sie gehorsam, eine Zigarette zwischen den spitzen Zähnen. „Ich teile dir Zeppelin 2 und eine Kompanie zu.“, erklärte Major. „Schicken wir diese Kompanie voraus. Zieht schnell zum Hellsing Hauptquartier. außerhalb von London. Aber greift nicht brutal an.“, mahnte er. „Ihr wartet, bis ich mit der Haupttruppe da bin.“ Zooling verzog beinahe spöttisch den Mundwinkel und lachte kurz. „Keine Sorge!“, beruhigte sie ihren Kommandanten. „Sie können sich auf mich verlassen.“ Wo blieb da die Herausforderung? Sie konnte diese Schmeißfliegen ganz alleine zerquetschen. Der ach so große Alucard befand sich schließlich auf einer schwimmenden Festung mitten auf dem Atlantik. „Hellsing ohne Alucard sind doch nur Kleinkinder.“ Der Major schüttelte bedächtig den Kopf. „Es gibt aber die Mädchen dort. Unterschätz die Mädchen nicht.“, erinnerte der Stellvertreter des Führers seine Untergebene. Integra Hellsing. Alexandra Dolneaz. Seras Victoria. Sie waren nicht zu unterschätzen. Ganz und gar nicht. Aber das machte das Ganze ja so spannend. Deshalb war Hellsing sein Feind. „Nimm Integra Hellsing, Alexandra Dolneaz und Seras Victoria nicht auf die leichte Schulter.“, mahnte der beleibte Mann. Er machte eine vielsagende Geste mit seiner Hand. „Integra ist die Erbin Hellsings. Sie ist das Oberhaupt der stärksten Vampirjäger Organisation der Geschichte.“ Bram Stokers Dracula sprach für sich. Abraham Van Helsing persönlich war ihr Vorfahre gewesen. Und ihm war es schließlich gelungen den großen Dracula zu bezwingen. Auch seine Ur – Enkelin, stand ihm in nichts nach. Wenn man seinen Berichten glauben schenken konnte. „Und dann ist da noch die Draculina Alexandra Yume Dolneaz. Die erste, die von Alucard persönlich verwandelt wurde und sogar sein Blut erhalten und getrunken hat.“ Seine Augen verengte sich etwas. „Außerdem ist sie „seine“ Nichte. Die des „Jungen“.“ Er lächelte überlegen. Das versprach spaßig zu werden. „Und dann die Polizistin. Seras Victoria. Eine Vampirin. Sie ist... ha ha, so etwas wie ein Wunder , oder man könnte auch sagen, so etwas wie ein Scherz.“ Er unterbrach sich kurz. „Alle drei sind schrecklich unerfahren und unperfekt, aber gerade deswegen denke ich, sind sie als Erzfeinde Alucard durchaus ebenbürtig.“ Er sah die Vampirin, die vor ihm stand an. „Ich sage es noch einmal, Zooling. Greif nicht an, warte bis ich angekommen bin.“ „Jawohl.“, erwiderte diese und unterdrückte ein Zähneknirschen. „Jawohl, Herr Kommandant.“ Er unterschätzte die Mädchen einfach maßlos. Das war alles. Wie konnten sie gegen eine Übermacht von Vampiren bestehen? Integra Hellsing war nur ein einfaches Weib. Ein einfacher Mensch, die zufällig eine Organisation leitete. Mehr nicht. Alexandra Dolneaz war zwar ein Vampir, aber sie hatte nicht einmal ein Leben in sich aufgenommen. Und ganz zu schweigen von Seras Victoria. Die hatte es ja nicht einmal fertig gebracht Blut zu trinken. Was für ein erbärmlicher Haufen. Zooling würde sie eigenhändig zerquetschen. Überall legte man ihr Limitationen und Einschränkungen auf. Nicht angreifen? Pah. Auf Verstärkung warten? Pah. Es reichte ja schon, dass sie weder Integra Hellsing in die Finger bekam, noch Alexandra Dolneaz ein Haar krümmen dürfte. Da sollte sie ihren Spaß wenigstens an den armen Hunden im Hellsing Hauptquartier haben. „Gut so!“, meinte der Major zufrieden, ehe er sich grinsend aufsetzte. „Also dann. Lasst uns alle Dämme brechen! Lasst die Schlammflut des Krieges hervor strömen, Kameraden! Unser erstes Ziel ist der Großraum London. Das Parlamentsgebäude am linken Ufer der Themse. Big Ben! Downing Street No. 10. Das Innen- und Außenministerium. Das Verteidigungsministerium. Die Regierungsgebäude. Buckingham Palace. St. James Place. Royal Horseguards. Scotland Yard. Her Majestys Treasury. Westminster Cathedral. Piccadilly Soho. The City Southwark. Brennt alles nieder! London County Council. Das Regierungshauptquartier. St Pauls Cathedral.“ „Herr Major, was ist mit dem Cabinet War Room?“ „Sprengen, was sonst? Der ist mir widerlich. Es soll kein Krümmel davon übrig bleiben. London Tower. British Museum. British Library. Zerstört alle! Ich mag die nicht!“ „Wie wäre es mit dem Trafalgar Square, Herr Major?“ „Niederbrennen! Stürzt die Statue von Lord Nelson um!“ „Und die Tower Bridge?“ „Niederreisen! Und die London Bridge auch. Wie im Lied.“ „Was sollen wir mit dem Imperial War Museum machen?“ „In die Luft sprengen!“ Der Major unterbrach sich kurz und reckte einen Finger in die Höhe. „Wen juckts? Zerstört alles, was ihr seht! Eins nach dem anderen! Und fresst alle, die ihr seht! Einen nach dem anderen! Fresst nach Herzenslust! Trinkt nach Herzenslust! Betrachtet diese Residenzstadt von acht Millionen Einwohnern als euer Abendessen!“ Er lächelte. „So, Kameraden! Nun beginnt das große Morden und das ermordet werden, das große Sterben und das sterben lassen! Lasst uns die Gläser heben. Nun ist es endlich soweit! Das Festmahl ist eröffnet!“, verkündete er und ihm wurde ein Glas Wein gereicht. „Prost!“ Er hob es zum Toast, ehe er es zu Boden fallen lies. Das Klirren des Glases auf dem kalten Boden und die rote Pfütze markierte den Anfang vom Ende. Jetzt würden sich seine hundert Soldaten auf London und dessen Einwohner stürzen und dort alles zerstören! Der Major grinste zufrieden. Alles verlief ganz nach seinem Geschmack. Im Konferenzraum der Marine war inzwischen Panik ausgebrochen. „Die ganze Stadt steht unter Beschuss. „Großfeuer in der City und Soutwark.“ „Wir werden aus der Luft mit Raketen beschossen!“ „150 Gebäude sind explodiert und stehen in Flammen.“ „Die Airforce! Wo bleibt die Air Force?!“ „Die Air Force und alle Stützpunkte sind unerreichbar!“ „Keine Verbindung zum Premierminister und zur obersten Militärbehörde.“ „Der Funkverkehr und die Befehlsstrukturen brechen zusammen!“ „Die Verbindung zu ca. 150 wichtigen militärischen Einrichtungen, Funk- und Kommandozentrale sind unterbrochen! Es sei denn, sie sind gerade im Kampf mit einer unbekannten feindlichen Macht. Vermutlich die gleichen, die uns neulich schon angegriffen haben.“ Die Ausrufe bombardieren nur so. Integra schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Die lästigen Kerle, die sich von Versprechungen wie ewiges Leben als Vampire verführen liesen. Dass das so viele sind.“ Sie hatte recht. Wer wusste schon, wen Millenium noch unterwandert hatte. Diese Kerle konnten überall sein. Jeden hohen, oder niedrigen Posten begleiten. „Landesverräter.“ Lady Integra spuckte das Wort schier aus, ehe sie sich aufrichtete. „Uns hier werden sie vermutlich auch nicht verschonen. Wir sollten sofort fliehen, Sir Penwood.“ Doch der General blieb wo er war und rührte sich nicht. „Gehen Sie so schnell wie möglich zurück, Lady Hellsing. Sie haben etwas zu tun, was nur sie erledigen können. Ich kann hier nicht weg. Ich kann hier nicht fliehen. Ich kann einfach nicht.“, erklärte er. Meine Augen weiteten sich flüchtig. Wollte er etwa retten, was nicht zu retten war und sich diesen Kerlen stellen? „Aus den Zeppelinen über der Stadt springen Soldaten ab!“, rief einer die nächste Hiobsbotschaft. „Nicht zu fassen! Es sind deutsche Soldaten! Es ist die Waffen SS!“ „Wa...Was?“, stotterte einer ungläubig. Hatte er die letzten Stunden nicht zugehört? „Fliehen Sie, Sir Penwood.“, forderte Integra den General mit erhobener Stimme auf. „In Nullkommanix steht hier ein Schwarm Vampire vor der Tür.“ Ich nickte zustimmend. Sir Penwood zitterte wie Espenlaub, verharre aber immer noch auf seinem Stuhl. „In der jetzigen Situation können Sie eh keine Kommandos mehr geben.“, versuchte Sir Hellsing ihm Vernunft einzutrichtern. „Wollen Sie denn lieber hier drauf gehen?“ „Vielleicht...“, erwiderte er schwach. „Vielleicht wird der Funkverkehr wiederhergestellt... Dann kann ich Befehle übermitteln. Wenn irgendwo ein Stützpunkt den Feind zurückdrängen kann, erwarten sie dort vielleicht unsere Anordnungen. Ich habe hier das Kommando! Solange dies Gebäude noch steht, kann ich hier einfach nicht weg!“ Er hob den Blick und sah die blonde Frau an. „Integra, ich bin ein Versager. Ein Nichtskönner und ein Feigling. Ich weiss selbst nicht, wie ich es so weit bringen konnte. Ich bin quasi nur durch den Status meiner Familie im Amt geblieben. Ich habe selbst nie etwas wirklich verstanden. Ich habe immer den Job gemacht, den andere mir gegeben haben. Deshalb de... denke ich... ich muss wenigstens diesen Job hier richtig machen.“ Er machte eine kurze, vom Schweigen erfüllte Pause. „Gehen Sie bitte, Integra. Sie als Hellsing-Organisation haben auch einen Job und den kann Ihnen niemand abnehmen.“ Ich trat mit geballter Faust vor. „Sir Penwood!“ Ich fixierte Arthurs alten Freund. Er zuckte etwas zusammen, erwiderte aber mutig meinen stechenden Blick. „Ich bitte Sie! Fliehen Sie!“, bat ich ihn und mein Blick wurde sanfter. Er lächelte. Er schüttelte den Kopf. Eine eisige Faust griff nach meinem Herz. „Nein. Ich werde hier bleiben.“ „Aber...“ Es war ein mutiger Entschluss. Dafür musste ich diesen Mann bewundern, aber ich wollte ihn nicht verlieren. Er war ein guter Mann. Das war selten. „Dann lassen Sie mich wenigstens bei Ihnen bleiben. Falls diese Kerle...“ Er schüttelte noch einmal energisch den Kopf. „Lass gut sein, Alexandra. Auch ich kann ein sturer Eselskopf sein.“ Seine Augen leuchteten kurz vor Schalk auf. Mein Blick füllte sich mit Trauer, doch ich senkte ergeben den Kopf. Lady Integra langte in ihre Mantelinnentasche und legte Sir Penwood eine Pistole und ein dazugehöriges Magazin auf den Tisch. „Wir haben rituell geweihte Sprengköpfe aus Silbergranulat.“, erklärte sie. „Gegen die Kerle dürften die wirksamer sein, als normale Feuerwaffen.“ Sie sah den alten Freund ihres Vaters an und lächelte sanft. „Auf Wiedersehen! Und bleiben Sie am Leben, Lord Penwood.“ Auch er brachte ein Lächeln zu Stande. „Ja, sie auch, Lady Hellsing.“ Dann deutete er mit zitterndem Finger auf seine Leute und den Ausgang. „Und sie auch alle! Fliehen Sie! Schnell! Nur wer unbedingt muss, soll hierbleiben.“ Er unterbrach sich, ehe er zögerlich stotternd weiter sprach: „Das heißt... wie soll ich sagen... es reicht, wenn ich hier bleibe. Fliehen Sie! Beeilen Sie sich!“ Seine Männer sahen sich kurz erstaunt an, dann begannen sie zu lachen. „Was soll das? Was ist daran so lustig?“, fragte Sir Penwood und versuchte autoritär zu klingen. „Jetzt ist keine Zeit für Späße! Fliehen Sie! Das ist ein Befehl!“ „Wir versuchen noch einmal, das Verteidigungsministerium zu erreichen.“, meinte einer und wandte sich ab. „Wir suchen noch einmal nach einer intakten Leitung.“ „Was soll das?“, rief Sir Penwood aus. „Schnell! Fliehen Sie endlich!“ Seine Männer überhörten ihn geflissentlich. „Schäden aufheben. Formation bilden. Direktverbindung herstellen. Und wenn ihr zu Fuß gehen müsst.“ „Überlebende Soldaten, sowie Waffen und Munition sammeln.“, befahl einer. „Verteidungstrupp aufstellen.“ „Ein- und Ausgänge mit Barrikaden versiegeln. Zack zack!“ „Wa... Was zum?! “, stotterte Sir Penwood und erhob sich. „Was machen Sie da, Sie Idiot?! Sie müssen mir keine Gesellschaft leisten!“ Seine Männer lächelten sich wohl wissend an. „Aber, Herr Admiral. Das Terminal können Sie alleine doch nicht bedienen, oder?“ „Es ist alles wie immer. Setzten Sie sich ruhig.“ „Wir kommen gut alleine klar.“ Sir Penwood lies sich erschöpft zurück auf seinen Stuhl sinken. „Danke...“, murmelte er schließlich. „Danke Ihnen...“ Lady Hellsing hatte sich bereits abgewandt und verlies mit Walter den Raum. „Sir Penwood?“ „Was ist denn, Alexandra?“ Ich hatte ihm den Rücken zugewandt und sah zu Boden. „Ich... habe Sie nie für einen Feigling gehalten.“ Ich glaubte zu hören, dass er seine Lippen zu einem Lächeln verzog. „Ich danke dir, Alexandra. Und jetzt geht.“ Er schmunzelte. „Das ist ein Befehl!“ Ich schluckte trocken und blinzelte. „Jawohl.“ Dann beschleunigte ich meinen Schritt um mit meinem Onkel und Lady Integra aufzuschließen. „Wir gehen, Walter, Alexandra. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“, meinte die Leiterin der Hellsing Organisation. „Jawohl.“, antwortete Walter sachlich. „Wir bahnen uns gewaltsam einen Weg durch die Stadt. Das können Sie doch, Walter?“ „Ganz wie sie wollen, Mylady.“ Ich warf ihr einen Seitenblick zu. Ihr Gesicht war ernst und dessen Ausdruck finster. „Im Namen Hellsings werde ich nun meiner Arbeit nachgehen, ihr verdammten Vampire!“ Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu dem Wagen, mit dem Walter uns hierher gefahren hatte und auch jetzt übernahm er wieder das Steuer. Ich warf einen Blick über meine Schulter zum Gebäude zurück. Kaum, das wir den Raum verlassen und die Türe hinter uns geschlossen wurde, hatte ich gehört, wie die Männer damit begonnen hatten, den Raum zu verbarrikadieren. Ich biss mir auf die Unterlippe. Die Chancen, dass Sir Penwood und seine Männer das überleben würden, standen gegen Null. Ich ballte meine Faust so fest, dass ich meine Fingernägel, trotz fingerlosen Handschuhen, auf meiner Haut spüren konnte. Verdammt. Verdammt!, fluchte ich innerlich und widerstand dem Drang mit voller Wucht auf das Autodach zu schlagen. Stattdessen suchte ich mir eine Mauer ganz in der Nähe. Meine Knöchel sprangen auf und etwas Blut begann zu fließen. Gut so. Das war der Schmerz, den ich gerade brauchte. Knurrend lies ich meiner Wut freien Lauf, ehe ich zurück zu dem Wagen ging, in welchem Walter und Lady Hellsing bereits warteten. Für Trauer blieb keine Zeit. Wir hatten einen Krieg zu gewinnen und zu beenden. Mein Onkel startete den Motor und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Kapitel 26: Hellfire -------------------- Hellfire Die ganze Stadt London bot einen entsetzlichen Anblick. Wir erblickten keine einzige lebende Seele. Überall lagen tote Körper, oder Bruchstücke davon. Kaum ein Gebäude stand noch komplett. Und die Gassen fühlten sich mit lebenden Toten. Rücksichtslos bahnte sich Walter mit dem Wagen einen Weg durch die gequälten Seelen und nicht selten kam es dabei vor, dass er einfach über einen Ghoul fuhr. Vielleicht erlöste das den Unglückssehligen wenigstens. Mein Blick hing an dem unglücksverheißendem Mond. Innerlich verfluchte ich unseren Feind. Verdammte Kerle. Sollten sie doch alle elendig verrecken. Sie hatten etwas Schlimmeres als den Tod verdient. „Walter!“ Integras Stimme lies mich aufhorchen. „Da lang!“, befahl sie und deutete auf eine Gase. Mein Onkel gehorchte augenblicklich. Die blonde Frau kurbelte das Fenster herab und erschoss den bewaffneten Vampir, der gerade mehrere Menschen getötet hatte, ehe sie auch diese von ihrem Leid erlöste. „Besten Dank. Ihr habt eure Pflicht erfüllt. Nun schlaft.“, sagte sie ernst. Dann trieb sie ihren Butler wieder zur Eile an: „Beeilung, Walter! Zahlen wirs ihnen heim!“ Walter blieb stumm und ich nickte grimmig. Plötzlich erklang ein Knacken aus dem Autoradio. „Lady Integra!“, machte mein Onkel seine Herrin darauf aufmerksam und versuchte konzentriert den richtigen Sender einzustellen. „... oder...dessen... vereinigte... England“, kam es rauschend aus dem Gerät. Ich blinzelte und weitete die Augen im plötzlichen Begreifen. Das war Sir Penwoods Stimme. Er hatte es geschafft eine Radionachricht zu senden. „Aufrechterhalten... Hauptquartier... Sergeant Penwood... Ich weiss nicht, ob meine Nachricht gehört wird, aber ich hoffe es zumindest. Hier ist bald alles verloren. Bald werden Monster vor der Tür stehen. Sie werden bald hier sein. Ich übermittle hiermit allen Menschen , die mich hören, meinen letzten Befehl.“ Mein Herz zog sich bei diesen Worten zusammen. Diese Endgültigkeit, mit dem Sir Penwood diese Worte aussprach, machten aus allen Vermutungen Gewissheit. „Tut eure Pflicht und leistet Widerstand!“ Im Hintergrund konnte man einen seiner Männer sagen hören: „Ein Befehl? So weit gehen Sie also? Aber ich kann darauf verzichten ein Zombie zu werden. Ich empfehle mich.“ Es folgten mehrere aufeinanderfolgende Pistolenschüsse und ich bleckte die Zähne. Es war mehr als klar, was dort vor sich ging. Die Männer erschossen sich, um nicht den grausamen Tod erleiden zu müssen, den die Vampire ihnen bringen würden. Außerdem verhinderten sie durch präzise Kopfschüsse, dass sie zu Ghouls wurden. Man hörte herannahende Schritte und die Tür zum Konferenzraum wurde aufgesprengt. „Was gibt’s zu lachen, du Mensch?“, fragte der Eindringling, ganz offensichtlich ein Vampir. „Nicht ich... bin ein Nichtsnutz...sondern ihr.“ Die Eindringlinge keuchten erschrocken auf. Was mochten sie erblickt haben? „Leben Sie wohl, Integra!“, sagte Sir Penwood klar vernehmlich. „Es war mir ein Vergnügen.“ „He! Lass das!“, brüllte der Vampir. „Nein!“, widersprach der Mann. „Diese Forderung werde ich nicht erfüllen!“ Eine Explosion und dann war das Radiosignal verschwunden. Ich biss mir auf die bebende Unterlippe und starrte nach vorne auf die Straße. Sir Penwood hatte seine letzte Pflicht erfüllt. Zudem hatte er wahren Mut bewiesen. Mut bedeutete nicht, sich dem brüllenden Löwen zu stellen, oder eine Mutprobe zu bestehen, wie sie unter Kindern üblich war. Wahrer Mut, das war, wenn man sich seiner Furcht im richtigen Moment stellte. Wenn man seine Ängste hinten anstellte, wenn es für das Wohlergehen von andere von nutzen war. Sir Shelby Penwood hatte es selten geschafft seinen alten Freunden Sir Arthur und Sir Irons die Stirn zu bieten und war ein ängstlicher Mann von sanfter Natur gewesen. Doch genau das hatte ihn zu einem guten Mann, einen guten Menschen, gemacht. Im Stillen bedauerte ich seinen Tod, während wir über die zerstörten Straßen Londons fuhren. „Walter.“, kam es leise von Integra, ehe sie die Stimme erhob: „Schnell!“ Er gehorchte und stieg aufs Gas. Gerade, als das Auto so richtig Fahrt aufgenommen hatte, machte mein Onkel eine Vollbremsung, sodass sich der Wagen und seine eigene Achse drehte und ich gezwungen war, an meinen Sitz Halt zu suchen. „Was ist da los, Walter?“, fragte Integra, welche vom Rücksitz aus, die brennende Straße nicht gut einsehen konnte. Eine Silhouette hob sich deutlich von den hellen Flammen ab und kam auf uns zu. Das musste einer von Millenium sein. Ich setzte mich auf, öffnete die Wagentür und schickte mich an auszusteigen. Ich musste diesen Kerl aufhalten und wenn nur für kurz, sodass mein Onkel und Lady Hellsing zurück zum Hauptquartier kamen. „Nein! Lass das!“, blaffte Walter, sodass ich zusammen zuckte. So unbeherrscht hatte ich ihn noch nie erlebt. Er wirbelte herum und war kurz davor grob meinen Arm zu packen und mich wieder auf den Sitz zu zwingen. „Ich erledige das!“, lies er mit lautstark wissen. Ich sah ihn an. An seinem Profil konnte ich sehen, wie ernst es ihm war. „Lady Integra.“, wandte er sich ruhig an seine Herrin. „Bitte setzen Sie sofort den Wagen zurück und suchen Sie einen anderen Fluchtweg.“ „Walter!“ „Drehen Sie sich auf keinen Fall um! Fahren Sie so schnell wie möglich!“ Er setzte sich auf, öffnete die Wagentür und stieg aus. „Hören Sie? Mit voller Geschwindigkeit? Unbedingt!“ Sie schickte sich an zu widersprechen: „Walter!“ Der Butler erhob die Stimme: „Schnell! Ich weiss nicht, wie viel Zeit ich in meinem jetzigen Zustand noch gewinnen kann, bevor dieser Typ...“ Integras Augen verengten sich und sie gehorchte. „Walter.“ „Ja?“ „Komm lebend zurück. Das ist ein Befehl!“ Er lächelte, ohne die Silhouette des Feindes aus den Augen zu lassen. „Jawohl. Ganz wie Sie wünschen.“ Ich war aufgesprungen und sah ihn an. „Du auch, Alexandra.“, sagte er, ohne sich umzudrehen. „Steig wieder ein und fahr mit Lady Hellsing zurück zum Hauptquartier.“ Mein Mund war trocken und mein Kopf völlig leer. Es gab doch irgendetwas, was ich tun, oder sagen konnte. „Mach schon!“, befahl er und ging in Angriffsstellung. „Alexandra!“ Ich riss mich kopfschüttelnd aus der Erstarrung und gehorchte. Integra brauste mit wahnwitziger Geschwindigkeit davon und riskierte tatsächlich keinen Blick zurück. Sie sah nur nach vorne. Ich wandte den Blick von ihr ab und tat es ihr gleich. Ja, nach vorne. Ich schloss die Augen und sah meinen Onkel mit meinen geistigen Auge vor mir. Komm lebend zurück, bat ich ihn im Stillen, ehe ich wieder die Straße vor mir fixierte. Aus den Augenwinkeln sah ich die Schatten, die über die Dächer der Stadt flitzten. Einige Panzerfaust Einschläge brachten das Auto zum schleudern und schließlich zum Stehen. Es war mehr als offensichtlich, dass es diese Millenium Vampire auf die Leiterin der Hellsing Organisation abgesehen hatten „Verdammt.“, fluchte Lady Hellsing und versuchte den Wagen neu zu starten. Sie drehte den Schlüssel einige Male vergebens im Schloss. „Schätze mal, jetzt bin ich dran.“ Die blonde Frau hob gehetzt den Kopf und sah mich verständnislos an. Ich löste den Anschnallgurt und öffnete die Wagentür. „Was hast du vor?“, brüllte Integra fragend. Endlich heulte der Motor auf. Ich grinste und lies die Tür zu fallen, während ich mir mein Gewehr locker über die Schulter hängte. „Jetzt ist es an mir den Müll zu beseitigen.“, sagte ich und meine Augen funkelten. „Alexandra! Komm zurück. Das ist ein Befehl!“ Sie hatte sich über die Lücke zwischen den Sitzen gelehnt und brüllte mich durch das herunter gekurbelte Fenster an. Mein Grinsen wurde breiter. „Ich glaube das ist der einzige Befehl, den ich nicht ausführen werde.“ Ich straffte meine schwarzen, fingerlosen Handschuhe. „Fahren Sie weiter, Lady Integra. Ich halte diese Kerle auf.“ „Kch...“ Die blonde Frau sah zur Seite und erblickte die Vampire, die immer näher kamen. Dann hob sie den Blick. „Komm lebend zurück. Diesen Befehl solltest du ausführen, Alexandra!“, befahl sie streng. „Hast du das verstanden? Kehre umgehend zum Hauptquartier zurück, wenn du hier fertig bist.“ Ich lächelte. „Natürlich.“ Ich nahm das Gewehr in die Hand, richtete den Lauf auf den herannahenden Feind und stellte in meinem Kopf Rechnungen an. Ich hatte dieses eine Magazin und dann noch meine Zwillingspistolen mit je 5 Schuss. Den Rest würde ich im Schwert- und Nahkampf erledigen müssen. „Nun fahren Sie, junges Fräulein.“ Ich grinste sie schelmisch an. Sie nickte ernst und legte den Rückwärtsgang ein. Dann schaute sie über den Sitz, machte eine nicht unbedingt fahrschulgetreue Kehrtwende, bei der sie einige Mülltonen mitnahm und dann fuhr sie davon. Als Lady Hellsing und das Auto außer Sichtweite waren, wurde ich wieder ernst und erledigte zunächst die Vampire, die sich anschickten, ihr über die Dächer zu folgen. Von sauberen Kopfschüssen getroffen, stürzten sie vom Dach auf den Boden, wo sich ihre Gehirne auf dem Pflaster verteilten. Als das Magazin verbraucht war, hängte ich mir umgehend das Gewehr auf den Rücken und zückte meine Zwillingspistolen, die ich mir mit Waffenhaltern um je einen Oberschenkel gehängt hatte. Mit irrwitziger Geschwindigkeit verschoss ich beide Magazine auf die anderen Vampire, die über meinem Kopf die Verfolgung aufnahmen. Ich fluchte leise, wenn die Kugeln ihr Ziel verfehlten und mit einem hellen Geräusch und Funken von den Dächern abstoben. Dennoch gelang es mir alle Vampire in Sichtweite zu erschießen, sodass ich hörbar Luft ausstieß und die Pistolen zurück in ihre Holster schob. Würde mich nicht wundern, wenn bald eine halbe Armee ankäme, welche durch die Schüsse angelockt worden war. Aber gut so. Sollten sie nur kommen. Jeder Vampir, jeder Ghoul, jeder untote Soldat Milleniums, der gegen mich in den Kampf zog, war nicht hinter Lady Integra her. Ich straffte meine Schultern und zückte mein Katana. Bedächtigen Schrittes setzte ich meinen Weg fort. Auf den Feind wartend, erledigte ich jede unglückselige Seele von ihrem Dasein als Ghoul, die mir in die Quere kam. So kam ich zu einer Gruppe Ghouls, welche knurrend ein Auto belagerten, aus dessen Seitenfenster Schüsse aus einer Pistole abgefeuert wurden. „Oi!“, machte ich die Untoten auf mich aufmerksam. Sie wandten sich mir zu und torkelten auf mich zu. Schnell hatte ich ihnen mit wenigen Schwerthieben die Köpfe von den Rümpfen getrennt und trat auf das ramponierte Auto zu. Es mussten sich doch noch Überlebende darin befinden. „Daujoubu desu ka ?“, fragte ich und blinzelte, als ich erkannte, wer da auf der Rückband des Wagens saß. „Sir Irons.“ Der Mann erwiderte meinen Blick ausdruckslos wie üblich. „Geht es Ihnen gut?“ Er lies sich zu einem Nicken hinreisen. „Ich bin in Ordnung.“, antwortete er. Ich studierte sein Gesicht. Physisch fehlte ihm nichts, doch ich war mir sicher, dass er vom Tod seines Freundes erfahren hatte. Aber der Gute war kein Mann, dem man herzliches Beileid wünschte. Also nickte ich ernst. „Bist du auf dem Weg zurück zur Hellsing Organisation?“, fragte Sir Irons unerwartet. „Ja.“ Er nickte. Ich wusste nicht recht warum er das tat. Entweder nahm er einfach diese Antwort zur Kenntnis, oder ihm sagte der Plan zu. „Und Integra?“ Schwang da eine leichte Kritik in seinen Worten mit? „Sie befindet sich ebenfalls auf den Weg ins Hauptquartier.“, antwortete ich schlicht. Das war die letzte Information, die ich besaß und ich hoffte sie würde dort wohlbehalten ankommen. Hoffentlich brachte es sie weiter, wenn ich ein paar Vampire einen Kopf kürzer machte. Wieder nickte der ältere Herr, ehe er sich vor lehnte um seinem Chauffeur zu befehlen: „Fahren Sie weiter.“ „Ja...Jawohl...“, druckste der Mann und drehte den Zündschlüssel um. Ein letztes Mal sah mir Sir Irons in die Augen. „Pass auf dich auf, Alexandra.“ „Sie auch, Sir Irons.“ Seine rechte Faust ballte sich. „Räche unsere Stadt.“ Ich nickte ernst. „Das werde ich.“ Dann fuhr er davon. Ich sah ihm eine Weile nach, ehe ich weiter rannte. Es dauerte nicht lange, da stieß ich auf die nächste Einheit von Vampiren. Für die Menschen, die sie angefallen hatten, kam allerdings jede Hilfe zu spät. Um sie würde ich mich anschließend kümmern müssen. Betont laut trat ich hinter die Meute. „Hey!“ Sie fuhren herum, dann verzog sich ihr Gesicht zu einem Grinsen, als ihre Blicke über meine Uniform wanderten. „Sieh mal einer an.“, säuselte einer. „Die Hellsing Organisation.“ Die anderen lachten hämisch. Die Millenium Soldaten richteten sich auf und wandten mir ihre Körper zu. „Wenn das nicht die Draculina ist, die der englischen Queen die Füße leckt.“ Wieder ertönte Gelächter. Wow, war das witzig. Ich erwiderte ihren Blick ausdruckslos, doch im Inneren begann ich zu kochen und zu brodeln. Nicht wegen den lächerlichen Bemerkungen. Nein. In mir staute sich gerade die gesamte gesammelte Wut, die ich gegen Millenium und diese perversen Vampire hatte, zusammen. Ich ballte die zitternden Fäuste. Der Mundwinkel des vordersten Vampir verzog sich spöttisch. „Was ist los, Kätzchen? Hast du deine Zunge verschluckt?“ Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick fiel ihm der Kopf von den Schultern. Mit einem sauberen Hieb mit meinem Katana hatte ich dieses großkotzige, dämliche Großmaul enthauptet. Wie ein Sack Kartoffeln fiel mir sein toter Körper vor die Füße. „Urusai...“, knurrte ich leise, ehe ich den Blick hob und die anderen Vampire ansah. „Haltet die Klappe. Ihr alle!“ Ich packte meine Waffe wieder fester und stürmte auf die anderen zu. „Shine!“, brüllte ich meine gesamte Wut heraus und köpfte einen nach dem anderen. Meine Augen flammten rot auf. Sterbt. Fahrt zur Hölle! Verreckt doch alle! Immer mehr Vampire gesellten sich zu mir in die Gasse und jeder einzelne kam mir gerade recht. Je mehr ich von diesen Scheißkerlen erwischte, desto besser. Abschaum! Ohne sie war die Welt ein besserer Ort. Natürlich blieben meine Gegner auch nicht ganz tatenlos und richteten ihre Waffen auf mich. Doch ich spürte den Schmerz gar nicht, wenn mich die Kugeln trafen, oder die Schüsse streiften. Ich spürte die Schläge und die Bisse nicht, genauso wenig wie die Krallen und die Stichverletzungen. Ich wollte diese Bastarde nur töten. Allesamt auslöschen! So kämpfte ich wie eine Besessene. Das Feuer, das überall in der Stadt brannte, spiegelte sich in meinen Augen wieder. Diese Stadt war einst London gewesen. Nun war es nur noch ein brennendes Höllenloch. Mit einem erneuten Wutaufschrei fuhr ich meine schwarzen Schwingen aus und enthauptete gleich zwei Vampire. Meine Uniform hatte ohnehin einiges davon getragen, da war es auch egal, ob sie noch ein zusätzliches Loch bekam. Hauptsache ich konnte effektiv noch mehr dieser Monster umbringen. Ich hatte schnell aufgegeben die Anzahl meiner Feinde zählen zu wollen. Es waren dutzende, vielleicht sogar hunderte. Keine Ahnung. Ab und an gesellten sich auch noch Ghouls dazu. Diese waren zwar dumm wie sonst was, dafür aber schwerer zu töten. Eine lästige Angelegenheit. Doch auch das war egal. Alles was zählte war allen Scheißkerlen den verkackten Kopf vom Rumpf zu trennen und so lange mit der Klinge zu bearbeiten, bis sie nicht mehr aufstanden. Kurz wischte ich mir mit meinem Handrücken über das Gesicht um Schweiß und Blut von meinem Gesicht zu entfernen. Der Rauch der Feuer biss in meine Augen und brannte in meiner Lunge. Die Luft war dick, heiß und stickig. Irgendetwas erwischte mich hart am Kopf und ich spürte, wie Blut meine Schläfe hinab strömte. Ich ignorierte den einsetzenden Schwindel, wirbelte herum und erledigte den Vampir hinter mir. Mehrere Schüsse erwischten mich von hinten. Gerade, als ich herum fahren wollte, eröffneten Vampire, die hinzukamen, das Feuer auf mich. Obgleich die Schwingen Schlimmeres verhinderten, durchdrangen mehrere Kugeln meinen Rumpf. Mein Körper wurde einzige bebende Explosion von Blut und ich ging in die Knie. Ich hustete und noch mehr Blut klatschte auf den Boden. Mühsam hob ich den Blick und sah, dass sich der Kreis enger um mich zog. Ich hatte keine Angst vorm Sterben. Ich fürchtete den Tod nicht. Aber von den Händen dieser Typen wollte ich nicht sterben! Ich kämpfte mich zurück auf die Beine. Die Vampire lachten hämisch. „Gib auf, Mädchen!“, rief einer. „Zettai ni! Wasurete!“, brachte ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus. Doch im nächsten Augenblick begannen meine Knie zu zittern und meine Beine versagten mir den Dienst, sodass ich wieder zu Boden stürzte. Ich fluchte mehrsprachig und versuchte meinen Körper unter Kontrolle zu bringen. „Alle Achtung, junges Fräulein.“, erklang da eine wohlbekannte Stimme über Lautsprecher. Ich hob den Kopf und sah, wie über mir auf dem Dach Schrödinger mit tragbarem Monitor saß. Der Katzenjunge zwinkerte und winkte mir vergnügt zu. „Du bist wirklich eine wahre Kämpfernatur, Alexandra Dolneaz. Du gibst nie auf.“, meinte Major´s Stimme. Ich versuchte noch einige Male vergeblich zurück auf die Beine zu kommen. „Doch so verletzt, wie du jetzt bist, kannst du nicht weiter machen. Wenn du meinen Männern einen Kampf liefern willst, dann solltest du etwas Blut zu dir nehmen, junges Fräulein, sonst hast du nicht den Hauch einer Chance.“ Er deutete auf das Schlachtfeld vor sich. Der Mann wusste so gut wie ich, dass die einzigen Alternativen die Ghouls, die Vampire, oder die gefallenen Menschen waren. Und diese würde ich niemals anrühren. „Ver...gessen... Sie es...“, lies ich ihn keuchend wissen. Der Major lachte amüsiert. „Stolz hast du, das muss man dir lassen, junges Fräulein. Aber dennoch bleibst du ein Monster.“ Und was macht das aus Ihnen?, dachte ich mir grimmig und starrte das Abbild des stellvertretenden Führers an. Kraftlos versuchte ich meine Schwingen wieder zu schärfen, doch auch dieser Versuch misslang. Mein Katana lag vor meinen Knien im Dreck. „Unser Grand Professor wird sicher zufrieden mit dir sein. Du wirst seine Forschungen ein großes Stück voran bringen.“ Ich bleckte die Zähne. „Ein Angebot zur Güte. Als Lohn, sozusagen für deinen bisherigen, großartigen Kampf.“, begann der Major und die Vampire fixierten mich mit ihren rot leuchtenden Augen. „Du könntest dich uns anschließen. Unserem letzten Bataillon. Millenium. Du würdest nicht nur unsere Forschung unterstützen, sondern uns auch um einen wertvollen Kämpfer bereichern.“ Er machte eine bedeutende Pause und wartete auf meine Antwort. „Nein.“, antwortete ich ihm ohne Zögern in klar verständlichem deutsch. Er kicherte und verzog die Lippen zu einem amüsierten Lächeln. „Das hat „er“ auch damals erst gesagt.“ Ich verschwendete keine Energie, um mich danach zu erkundigen, wer „er“ war und richtete mich Zähne knirschend auf. „Also schön, junges Fräulein.“, meinte der Major und schüttelte bedauernd den Kopf, während er seine Brille zurecht rückte. „Da kann man wohl nichts machen. Ich wünschte, wir beide hätten die Angelegenheit friedlich lösen können. Nun lässt du mir keine andere Wahl.“ Sein Blick schloss nun seine Soldaten mit ein. „Nun denn, meine tapferen Krieger. Ihr wisst was ihr zu tun habt.“ Er schnippte mit den Fingern und im nächsten Augenblick stürzte sich die Meute auf mich. Mir gelang es gerade noch den Blick zu heben, um zu sehen, dass Schrödinger samt Monitor verschwunden war, ehe mich die Dunkelheit verschlang. Kapitel 27: Sacrifice --------------------- Sacrifice Wut und Verzweiflung schienen einem Wesen unglaubliche Kräfte zu verleihen. Rein rational gesehen, hatte ich kaum eine Chance heil aus der Sache raus zukommen. Ich war völlig am Ende, kurzatmig und mit etwas Glück kurz vorm verbluten. Über mir war nur eine einzige Masse aus Armen und Händen, Mündern und Zähnen. Ich sah schon, wie sie mich halb tot an den Haaren zu ihrem Zeppelin schleiften, die metallener Fallreep hinauf, weiter den Gang entlang, in irgendein Labor. Dann würden sie mich an einen Tisch festschnallen und dieser Grand Professor würde sich über mich beugen. Mit einem zufriedenen Lächeln würde er einen Tisch mit diversen Instrumenten hervor ziehen, einige Operationen durchführen, mein Blut abzapfen und wenn er damit fertig war, die ganze Prozedur wieder von vorne beginnen. Mit einem gewaltigen Aufschrei stieß ich die Vampire, die mich gepackt hatten, mit Schwingen und Händen von mir. Ich packte mein Katana und stach den Soldaten ab, der Anstalten machte nach mir zu greifen. Ein lautes Heulen und ein bedrohliches Knurren lies die Vampire irritiert herum fahren. Vor ihnen stand ein gigantischer, geisterhafter Wolf und fletschte animalisch die Zähne. Während sie noch wunderten, stürzte sich Schiriki auf die ersten Soldaten und zerfetzte ihnen die ungeschützten Kehlen. Trotz zitternden Gliedern und Blutverlust kämpfte ich weiter. Mir war schwindelig und mein Blickfeld tanzte dunkel vor meinen Augen. Ausruhen kannst du dich, wenn du tot bist, sagte ich mir selbst, und das würde ich noch etwas herauszögern. Ich holte tief Luft und befahl meinem Körper weiter zu kämpfen. Schwer keuchend stand ich über dem Leichenberg. Jetzt endlich erlaubte ich mir, in die Knie zu sinken und zu Atem zu kommen. Hölle, dachte ich schwer keuchend, was für ein Kampf. Schriki trat zu mir und rieb sich gegen meinen Arm. Ich glaubte zu spüren, dass einige Kräfte in meinen Körper zurück kehrten. Entweder war das so ein Familiaren-Ding, oder einfach nur die mentale Unterstützung. Dann schenkte mir der Wolf so etwas wie ein aufmunterndes Nicken, ehe er sich in Luft auflöste. Ich grinste schwer atmend und stand auf. Ich warf einen Blick zurück. Ob es meinem Onkel gut ging? Ich machte mir Sorgen und alles in mir drängte danach, nach ihm zu suchen, doch Lady Integras Befehle waren eindeutig gewesen: Den Kampf beenden und umgehend zum Hauptquartier zurück kehren. Und das lebendig. So lebendig jedenfalls, wie es einer Untoten möglich war. Ich atmete tief durch und versuche mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass er sehr wohl auf sich aufpassen konnte. Hoffentlich war Integra bereits sicher im Hauptquartier der Hellsing Organisation angekommen. Aber das würde ich sehen, wenn ich dort ankam. Ich spreizte meine Flügel ohne sie zu schärfen und erhob mich in die Lüfte. Ich warf einen letzten Blick zurück, dann flog ich ohne Umschweife zum Hellsing Anwesen zurück. Herrje, hätten wir einen Gärtner, hätte dieser nun einiges zu tun, dachte ich trocken, als ich den abgestürzten Zeppelin auf dem Grundstück sah. Die gesamte Wiese sah eher aus wie ein ehemaliges Minenfeld. Vielleicht war es auch genau das gewesen und die Wild Geese hatten sich gezwungen gesehen, tief in ihre Trickkiste zu greifen. Hoffentlich hatten sie alle den Angriff gut überstanden, oder dauerte dieser noch an? Ich beschleunigte meinen Flügelschlag und krachte durch das Fenster in den Flur des obersten Stockwerkes. Junge, hier sah es ja überall aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Als ich mich umsah, entdeckte ich eine aus Holzmöbeln und Brettern errichtete Barrikade und hörte, wie dahinter Bernadotte wild Befehle brüllte. Erschöpft klopfte ich gegen eines der Bretter, um Einlass zu erhalten, während ich meine Schwingen wieder ein fuhr. Sofort wurde mindestens ein halbes dutzend Gewehrläufe, durch die Lücken in der Barrikade, auf mich gerichtet. „Ich bins.“, gab ich mich atemlos zu erkennen und ein Kopf schob sich über die Bretterwand. „Herrje, Mädchen!“, rief Bernadotte aus, entfernte sich aus meinem Blickfeld und befahl seinen Männern mich herein zu lassen. Es wurden die Möbel verrückt, sodass ich mich durch eine kleine Lücke hindurch zwängen konnte. Ich sah mich um. Lady Integra war nicht hier. Soviel war sicher. Stattdessen standen und saßen mir ein kläglicher Haufen der verbliebenen Söldner gegenüber. Einige, die gegen die Wand gelehnt saßen, rührten sich nicht mehr. Vermutlich waren sie schon tot. Auch auf dieser Seite hatte es wohl viele Verluste zu beklagen gegeben. „Du siehst ziemlich ramponiert aus.“, meinte Bernadotte, nachdem er mich kurz gemustert hatte. Ich schenkte ihm ein schiefes Grinsen. „Sie sehen auch super aus, Taichou.“ „Man tut was man kann.“, erwiderte er grinsend. Ich deutete mit dem Kinn auf die Verletzten. „Sieht übel aus.“ Er nickte und zog an seiner Zigarette. „Ziemlich heftiger Kampf. Diese verdammten Nazi Vampire. Und diese hässliche Vampir-Schlampe mit ihren Zaubertricks.“, stieß er knurrend hervor. Er sprach wohl von einer Vampirin Milleniums mit einem außergewöhnlichen Talent für Illusionen. „Das Mädel ist in die Offensive gegangen.“, erklärte Bernadotte dann. Ich hob meinen Blick von den verletzten und erschöpften Männern, um ihn anzusehen. Seras war kein Schwächling, dennoch konnte ich mir nicht verkneifen, mir Sorgen um sie zu machen. Das Ganze hier sah heftig aus und wer wusste schon, wie mächtig diese andere Vampirin war. Dennoch nickte ich nur. Gott, war ich müde. Zu gerne wäre ich an Seras Seite geeilt, doch in meinem aktuellen Zustand wäre ich ihr keine allzu große Hilfe gewesen. Ich stellte meine Schusswaffen in dem Raum ab und beugte mich zu den Verletzten. Vielleicht konnte ich hier behilflich sein. Mit eingeschränkten Mitteln und Möglichkeiten versorgte ich die Wunden der Verletzten und Bernadotte war mir dabei behilflich. Während dieser Zeit erzählte er mir, was ihm, Seras und seiner Truppe hier widerfahren war, seit Lady Integra, Walter und ich das Gebäude verlassen hatten. Von dem Zeppelin Angriff, wie Seras die Flugmaschine vom Himmel geholt hatte, von dem Minenfeld, von der gigantischen Illusion der Vampirin, den Verlusten und schließlich, wie sich die Söldner dazu gezwungen gesehen hatten, hinter einer Barrikade Schutz zu suchen, während Seras einen Gegenangriff startete. Außerdem kam er nicht umhin mir zu erzählen, wie es ihm beinahe gelungen war, dem blonden Mädchen einen Kuss zu rauben. Bei diesem Gedanken musste ich tatsächlich etwas schmunzeln. Ich hatte das Ganze bildhaft vor Augen. Doch ein eigentümliches Geräusch eine Art Fauchen, oder Pfeifen, fegte das Lächeln auf meinen Lippen fort. Mir gefror das Blut in den Adern. „Deckung!“, brüllte ich. Weiter kam ich nicht. Die Panzerfaust schlug mit voller Wucht in die Barrikade. Die Explosion riss mich von den Füßen und überall flogen Holzsplitter durch die Luft. Unsanft machte mein Schädel Bekanntschaft mit dem Boden, sodass ich für einen Augenblick das Bewusstsein verlor. Das Blut rauschte in meine Ohren und in meinem Schädel pochte es dumpf. Hustend kämpften sich die Söldner auf die Beine, als sich der Rauch, der von der Explosion herrührte, lichtete. „Scheiße!“, fluchte Bernadotte hustend. „Raketen! Mist! Was diese Kerle nicht alles haben!“ Er zuckte zusammen. Aus seinem Bauch ragte ein Splitterteil. Dann sah er sich um und kam zu mir. „Alles in Ordnung, Mädchen?“ Ich nickte. Der Söldner reichte mir eine Hand und half mir auf die Füße zu kommen. „Hey, ihr alle! Meldung!“, brüllte er, nachdem er sich aufgerichtet hatte. „Vize-Commander! Einen Schadensbericht! Vize-Commander!“ Seine Augen weiteten sich vor Schreck, als sein Blick auf den Mann fiel, der einige Meter weiter hinten im Raum lag. Es hatte ihm seinen gesamten Unterleib weg gesprengt, sodass die Gedärme des Mannes über den Boden verteilt lagen. „Vize!“, keuchte Bernadotte atemlos und er kroch zu seinem Kameraden hinüber. Der Vize versuchte irgendetwas zu sagen, doch das war nicht zu verstehen. „Vize-Commander! Hey, Vize-Commander!“ Der Blick des Vizes wanderte ziellos umher. „Ich bin müde. Darf ich mich vor Ihnen zurück ziehen?“, fragte er seinen Vorgesetzten. Bernadotte hielt sich seine schmerzende Wunde, ehe er ergeben sagte: „Ruhe in Frieden. Bis dann.“ Ich neigte kurz andächtig das Haupt, als der Vize ein letztes Mal ausatmete und seine Augen schließlich starr an die Decke blickten. Ein wohl seliges Lächeln lag auf seinem Gesicht. Bernadotte schloss die Augen, dann wandte er seinen Blick ab. Ich schickte mich an seine Wunde genauer unter Augenschein zu nehmen, doch da hörte ich von draußen jemanden fragen: „Sollen wir rein stürmen?“ „Nein, noch nicht.“, erwiderte die hämische Stimme einer Frau. „Schiess noch eine rein.“ Ich verkrampfte und mein Blick wanderte zu den Bruchstücken der Barrikade, die noch standen. Diesmal würde die Panzerfaust beinahe ungebremst in dem Raum rasen und verheerende Schäden anrichten. Kurz entschlossen erhob ich mich und sprang, Bernadotte Rufe ignorierend über die Barrikade. „Sieh mal einer an.“ Ich stand nun einer muskulösen Frau gegenüber, die mich hämisch angrinste. Sie hatte kurz geschnittenes, blondes Haar und eine Sense. Ihre rechte Gesichtshälfte und ihr rechter Arm waren mit Tattoos übersät. „Eine Ratte, die aus ihrem Loch gekrochen kommt.“ Ihr Blick wanderte zu meinem Gesicht. „Wenn das nicht das Fräulein Dolneaz ist.“ Langsam bekam ich das Gefühl, Millenium besaß ziemlich gute Dossiers über jeden von uns, oder ich war, ohne es zu wissen, eine ziemlich Berühmtheit in den feindlichen Reihen. Ich wünschte, ich könnte das Gegenteil behaupten, denn ich wusste nicht, wen ich vor mir hatte. Die Lippen der Frau verzerrten sich zu einem spöttischen Grinsen und sie schulterte ihre Sense. „Oberstleutnant Zooling Bliz, sollen wir...?“, begann einer der Soldaten, doch die große Frau schnitt ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab. „Wartet!“, befahl sie scharf. „Der Major hat eindeutige Befehle erteilt. Um diese anderen Insekten kümmern wir uns schon früher als genug.“ Mit einer weiteren Geste ihrer ausgestreckten Hand bedeutete sie den Vampiren zurück zu treten. Sie fixierte mich spöttisch und musterte mich von unten nach oben. Vermutlich missfiel ihr mein abgerissenes Äußeres. Sie schien auf eine größere Herausforderung gehofft zu haben. Zugegeben, ich war nicht gerade im Vollbesitz meiner Kräfte, aber ich würde die Menschen hinter der Barrikade mit meinen letzten Reserven und bis zum letzten Blutstropfen verteidigen, auch wenn die Chancen schlecht standen. Zooling sah die Entschlossenheit in meinem Blick und amüsierte sich sichtlich darüber. Sie brachte die gigantische Sense vor ihren Körper. „Mit dir mache ich kurzen Prozess.“ Meine Finger schlossen sich um den Griff meines Katana und ich straffte mich, ohne meine Gegnerin aus den Augen zu lassen. Ohne Vorwarnung stürmte ich los und parierten den Sensenhieb mit meiner Klinge. Als ich versuchte mit meiner geschärften Schwinge, die ich nun ausfuhr, auszuholen, traf mich Zooling´s Stiefel im Magen. Ich wurde zurück geschleudert und rutschte einige Meter über den Boden. Als ich mich aufrichtete, kam die riesige Frau gelassenen Schrittes auf mich zu. Eilig hatte sie es jedenfalls nicht. Hastig rappelte ich mich auf und startete einen erneuten Angriff. Dieses mal täuschte ich einen frontalen Angriff vor, änderte im letzten Moment allerdings dessen Richtung und hieb seitlich auf die Gegnerin ein. Allerdings fing sie den Schlag locker mit dem Griff ihrer Sense ab und schlug mir zugleich im nächsten Augenblick das Griffstück unsanft gegen die Schläfe. Ehe ich zu Boden gehen konnte, packte mich Zooling am Kragen und hob mich hoch. Ich spürte, wie meine Füße den Kontakt zum Boden verloren, das Katana entglitt meinem Griff und ich versuchte blinzelnd wieder zu mir zu finden. Ich sah das breite Grinsen des Oberstleutnant vor mir, ehe sie mich achtlos zu Boden warf. Ich landete auf dem Bauch, doch ehe ich aufstehen konnte, trat Zooling mit voller Wucht auf den Rumpf und ich glaubte einige Rippen knacken zu hören. Sie beugte sich zu mir hinunter und flüsterte mir ins Ohr: „Das war schon alles? Erbärmlich.“ Plötzlich fühlte ich, wie sie meinen Kopf umfasste und diesen zu Boden drückte. Wa...? Plötzlich hüllte sich alles in ein unheimliches violettes Licht und ich glaubte etwas vor meinem geistigen Auge zu sehen. Ich keuchte auf. „Mehr. Tiefer hinein.“, konnte ich Zooling triumphierend sagen hören. Mit einem Aufschrei schlug ich blindlings mit meinen Flügeln zu. Ich besaß nicht mehr die nötige Konzentration, um die Schärfe der Federn aufrecht zu erhalten und dank meiner Position waren die Schwingen alles andere als uneingeschränkt in ihren Bewegungen, dennoch hieb ich mit immer schwächer werdenden Schlägen auf meine Gegnerin ein. Sie wollte mich in eine ihrer Illusionen ziehen. Nein. Nein! Ich musste sie abschütteln. Aus ihrem Griff entkommen. „Willkommen Zuhause, Alexandra.“ Meine Mutter hatte mir ihr freundlich lächelndes Gesicht zugewandt. Ich war gerade in die Küche getreten, wo sie den Tisch für das Abendessen deckte. Meine Schwester saß bereits ungeduldig mit den Füßen in der Luft wackelnd am Tisch. „Du bist spät dran.“ Mein Vater saß, die Tageszeitung lesend, im Wohnzimmer. Er sah von dem Artikel, den er gerade laß, auf und sah mich an. Ein sanftes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Schön, dass du wieder da bist.“ Spätestens, als er auf mich zu trat und mich umarmte, war es mir klar, dass dies alles nur ein Traum war. „Noch viel tiefer!“ Die Gartentür stand offen. Kein bellender Koji, der mich begrüßte. Nein. Nicht jener Abend! Kouji lag schwer atmend auf dem Rasen, von unzähligen Schüssen niedergestreckt und versuchte nach Luft zu schnappen. Von drinnen war das rhythmische Stampfen der Soldatenstiefel zu vernehmen. Im Wohnzimmer erschossen die Soldaten den Mann, der sich ihnen entgegenstellte. Der Frau raubten sie sämtliche Bewegungsfreiheit, ehe sie sich an ihr vergingen. Mit der Kleinen verfuhren sie ebenso. Und ich konnte nur da stehen und zusehen. Wieder wisperte eine verführerische Stimme in mein Ohr: „Na, Fräulein Dolneaz? Angenehme Träume gehabt?“ Schwer atmend lag ich auf dem Boden im obersten Stockwerk des Hellsing Anwesen. Ich fühlte mich wie gelähmt und geblendet. In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander. „Was passiert wohl, wenn man einem Vögelchen die Flügel ausreißt?“, fragte Zooling säuselnd und packte grob meinen rechten Flügel und begann daran zu ziehen. Ihren Stiefel stemmte sie fester gegen meine Wirbelsäule. Auch wenn ich die Schwingen meinen Vertrauten verdankte, waren sie immer, wenn ich sie beschwor, Teil meines Körpers. Ein Aufschrei entkam meinen zusammengepressten Lippen. Ich hörte wie die feinen Knochen im Inneren des Flügels brachen und die Stelle, wo er aus meinem Rücken wuchs, brannte wie Feuer. Mit zwei großzügigen Schnitten trennte die Vampirin beide Flügel von meinem Körper, sodass nur noch zwei schwarze Stummel zurück blieben. Dann fuhr die Sense durch meinen Rumpf. Ich spürte, wie sich das Blut unter mir sammelte, eine Pfütze bildete und über den Boden floss. Mein Blick flitzte unfokussiert umher. Ich hatte nicht einmal die Kraft zu schreien. Grob packte der Oberstleutnant meine Haare und hob meinen Oberkörper hoch. „Ist das alles, was du zu bieten hast?“, fragte sie spöttisch und lachte hämisch. „Erbärmlich.“ Sie erhob sich, ohne von mir abzulassen und warf mich quer durch die Luft, sodass mein Körper vor den anderen Vampiren aufschlug. „Passt auf, dass sie nicht stiften geht. Der Doc hat Verwendung für sie.“ Ich fühlte mich von kräftigen Händen gepackt und zwei Vampire hoben mich auf die Füße. Mit leerem Blick und ohne jegliche Kraft hing ich in den Griffen der Millenium Vampire. Zooling wandte sich an einen der Vampire: „Jetzt schiess noch eine!“ „Wir haben nur noch eine einzige Panzerfaust. Die hab ich wie meinen Augapfel gehütet.“ „Macht nichts! Benutz sie! Blas sie weg! Zerleg sie in Einzelteile. Das armselige Pack.“ Hilflos musste ich dabei zusehen, wie der Soldat gehorsam die Panzerfaust auf die Barrikade richtete. „Mach sie alle!“ Ehe der Soldat den Befehl ausführen konnte, zerfetzte eine Kugel seinen Schädel. Einigen seiner Kameraden erging es ähnlich. Die Millenium Vampire fuhren herum. Am anderen Ende des Flures stand Seras. Erneut eröffnete sie das Feuer auf die Nazis. Die Griffe lockerten sich und entliesen mich, sodass ich zu Boden fiel. Ich kroch zur Mauer und lehnte mich dagegen. Für mehr reichte meine Kraft einfach nicht aus. Achtlos lies die blonde Draculina ihre Waffe, der gerade die Munition ausgegangen war, zu Boden fallen. „ Seras! Seras Victoria.“ Zooling fixierte ihre neue Gegnerin. „Du bist die Letzte, die von euch übrig geblieben ist!“ Überall schwebte Rauch in der Luft, welcher eine Einsicht erschwerte, doch allmählich lies sich das Ausmaß von Seras Angriff erahnen. Jedenfalls war Zooling tatsächlich die Letzte die stand. Diese schien dies jedoch recht wenig zu beeindrucken. „Was willst du damit sagen?“, fragte sie brüllend und lies ihre rechte Handfläche auf den Boden aufschlagen. Die Tattoovierungen auf ihrem Körper schienen über den Boden auf Seras zu zuwandern. Ich öffnete den Mund, um Seras zu warnen, doch meine Stimme versagte. Das blonde Mädchen kniff die Augen zusammen. „Eine Halluzination! Ein Trugbild! Das ist alles Lüge!“, murmelte es unaufhörlich. „Ein Trugbild! Ein Trugbild! Ein Trugbild! Ein Trugbild! Lass dich nicht verführen! Das sind Halluzinationen!“ Zooling grinste triumphierend. „Weiter tief hinein! Mehr! Weiter tief hinein.“ Sie drang tiefer in Seras´ Geist ein, durchwühlte deren Erinnerungen und zeigte ihr schreckliche, grauenhafte Bilder. Ihr Schrei drang zu mir durch und ich wünschte mir nichts mehr, als ihr zur Hilfe eilen zu könne. Ich startete einen erneuten Versuch aufzustehen, doch trotz meiner Hände, die sich am Fenster festkrallten, um mich auf die Beine zu ziehen, gelang es mir nicht. Die Tattovierungen zogen sich zurück. Seras stand zitternd und schwer atmend da. Schweiß und Tränen liefen über ihr bleiches Gesicht. „Good Morning, Miss Seras. Hattest du süße Träume?“, flüsterte Zooling in ihr Ohr. Geschmeidig ging sie um die Draculina herum, ehe sie die Klinge ihre Sense unter dem Arm der Polizistin an. Sie leckte sich freudig die Lippen, dann trennte sie mit einem sauberen Schnitt Seras linken Arm von ihrem Körper. Das blonde Mädchen schrie vor Schmerz auf. „Noch einmal!“, schrie Zooling lies ihre Sense durch die Luft saußen. „Noch einmal!“ Dieses mal fuhr die Klinge durch Seras Rumpf. Der Oberstleutnant lachte lauf auf. „Du bist ja sehr robust gebaut für eine Frau.“ Sie kniete sich zu ihrer Gegnerin und packte sie am Schopf. Mit dem nächsten Sensenschnitt blendete sie das blonde Mädchen, welche mit einem lauten Schrei zu Boden ging. Zooling schulterte ihre Sense. „Was bist du für eine? Du bist ja völlig anders, als die Seras, von der ich gehört habe.“ Ihr Stiefel drückte den Kopf der Polizistin zu Boden. „Bist du ein Tier? Ein Frosch vielleicht? Abschaum! Miese Schlampe. So! Auf diesen Moment habe ich lange gewartet. Es wird Zeit, dass ich dir dein süßes Köpfchen abreiße. Und nun wird es langsam Zeit, dass du stirbst.“ Die Vampirin holte weit mit ihrer Sense aus. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Nein. Verdammt. Irgendwie... musste ich. Eine Bewegung, die ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, lies mich inne halten. „Halts Maul, du hässliches Weib!“ „Wa...!“ Mit voller Wucht rammte Bernadotte den Griff seines Gewehrs Zooling gegen den Kopf. Mit einem erstaunten Aufschrei stürzte sie zu Boden. „Hier, dein Bonus!“, meinte Bernadotte, zückte seine Pistole und feuerte drei Schüsse auf die Vampirin ab. „Du nervst. Hässliche, alte Kuh!“ Mit diesen Worten ging er zu Seras hinüber. Zwei Rauchgranaten rollten aus der Barrikade über den Boden, explodierten und hüllten den Flur in einen dichten Nebel ein. „Schnell, Commander!“, rief einer der Söldner. „Hier!“, brüllte ein anderer. „Schnell, Commander.“ „Ich komme ja schon.“, erwiderte Bernadotte, welcher sich Seras über seine Schultern geworfen hatte. Einer der Söldner, die ich zuvor behandelt hatte, brachte es fertig mich, trotz geschienten und gebrochenen Arm, hinter die Barrikade zu zerren. „Danke...“, keuchte ich schwach und er nickte lediglich lächelnd. Bangend sahen wir dabei zu, wie sich der Captain Schritt für Schritt voran kämpfte. „Capt...Bern...“, begann die Blonde. „Still! Nicht reden!“, befahl der Söldner knapp. Er keuchte und aus sämtliche Wunden, die er von der Belagerung davon getragen hatte, strömte Blut. Ich biss mir auf die Unterlippe. Es war furchtbar, nur zum Zusehen verdammt zu sein. Ich nahm eine Bewegung hinter den Beiden wahr und öffnete den Mund zu einem warnenden Schrei. Ein überlebender Vampir hob den Kopf, packte seine Waffe und verschoss sein gesamtes Magazin auf Seras´ Retter. „Scheiße!“, fluchte dieser mit zusammen gebissenen Zähnen. „Herr Bernadotte! Fliehen Sie!“, bat Seras. „Ich bin nicht zu retten! Herr Bernadotte.“ „Maul halten habe ich gesagt!“, brüllte der Söldner. Seine Kameraden eröffneten das Feuer und erledigten den Vampir, der getroffen zurück zu Boden sank. Gerade, als Bernadotte die beiden anderen Wild Geese erreichte, zuckte er zusammen. Wir alle brauchten einen Augenblick, um zu begreifen, was geschehen war. In seinem Rumpf, nahe der Magengegend steckte die Klinge der Sense von Oberstleutnant Zooling. Der Mann fiel vorne über und er und Seras stürzten zu Boden. Am anderen Ende des Flures hatte sich Zooling erhoben, die Hand immer noch ausgestreckt. „Menschlicher Abschaum! Was bildet ihr euch ein?“ „Herr Bernadotte!“ Die blinde Seras sah ratlos umher. „Herr Bernadotte.“ Dieser grinste schmerzverzerrt und lehnte sich gegen die Wand. „Dumme Kuh! Eigentlich bist du gekommen, um mir zu helfen und jetzt ist es umgekehrt und ich helfe dir.“ Das blonde Mädchen tastete sich voran und folgte der Stimme des Söldners. Plötzlich schob dieser sein Gesicht vor ihres und küsste sie. Als er sich von ihr löste, begann er zu lachen. „Weil du voll in den Seilen hängst, hab ich dir endlich einen Kuss rauben können.“ Seras schluchzte auf. „Nicht weinen, Seras.“, sagte Bernadotte sanft. „Du bist zäh. Friss mich! Friss mich! Und dann machen wir sie zusammen fertig, Seras.“ Mit diesen letzten Worten stürzte er zu Boden. Verzweifelt versuchte Seras ihn mit ihrer verbliebenen Hand zu ertasten. Als sie ihn erreicht hatte, zog sie seinen Körper an sich. Sie begann ihre Trauer heraus zu schreien, als sie spürte, wie das Herz des Söldners allmählich aufhörte zu schlagen. Mir war es, als würde ich den Boden unter meinen Füßen zu verlieren und ich hatte einen Kloß im Hals. Mein Blick war ungläubig an dem leblosen Körper des Söldners festgefroren. Ich hatte diesen kauzigen Zeitgenossen wirklich gemocht. Eine völlig unversehrte Zooling näherte sich Seras und Bernadotte. „Das kommt alles nur, weil ihr über den Boden schlittert und einen Lärm macht wie dreckige Insekten.“ Hinter ihr tauchte eine Armada aus Millenium Soldaten auf. Verstärkung. „Ihr habt ja ganz schön gewütet.“ Der Oberleutnant streckte die Hand aus. „Wie wollt ihr das wieder gut machen? Lästiger Getier zerquetsche ich mit der blanken Hand.“ Ihr Blick wanderte kurz zu mir, ehe sie die anderen Söldner ansah. „Euer Leben geht hiermit zu ende, ihr Schmeißfliegen!“ Erneut schlug sie mit ihrer Handfläche auf den Boden, sodass sich ihre Tattoovierungen ausbreiteten. „Scheiße! Schon wieder!“, fluchten die Söldner. Seras hob unmerklich den Blick. „Du hast ihn Insekt genannt. Du hast ihn Abschaum genannt.“ Zooling hielt verwundert inne. „Das wirst du büßen! Das wirst du büßen! Das wirst du büßen!“, brüllte die Draculina, ehe sie ihre Zähne in den Hals des toten Söldners schlug. In einem einzigen Atemzug saugte sie sämtliches Blut aus dem Körper Bernadottes´. Auch das Blut auf dem Boden kam auf sie zu. Das Mädchen wurde von einer unheimlichen Aura umhüllt und ihre Uniform färbte sich durch das Blut rot. Sie erhob sich und mit purer Willenskraft zerstörte die Zoolings Illusionen. Der Blick der Draculina ruhte kurz auf dem leblosen Körper, ehe sie ihre Gegner fixierte. „Ich gehe jetzt, Captain Bernadotte! Ich gehe! Bestrafen wir sie!“ Die Millenium Vampire zuckten zusammen und blieben wie erstarrt stehen. „Wa... Was?“ „Wir gehen zusammen!“, knurrte Seras. „Zusammen machen wir sie fertig!“ Sie stürmte auf die Soldaten zu und wich dabei jedem einzelnen ihrer Kugeln, die sie auf sie abfeuerten, aus. Mit bloßer Hand zerfetzte Seras jeden Soldaten, der ihr in die Quere kam. Dank ihrer neuen Macht, sammelten sich Schatten um ihren linken Arm und mit diesem Schattengebilde waren ihr ebenfalls vernichtende Angriffe möglich. Als kein Soldat mehr stand, stürmte Seras auf Zooling zu und drückte deren Schädel zu Boden, ehe sie diesen brutal über den Boden schleifte. Der Oberstleutnant stoppte sie, indem sie mit ihrer geballten Faust einige Male in Seras Gesicht schlug, mit dem unschönen Ergebnis, dass diese ihr sämtliche Finger abbiss. „Von deinem Blut...“, knurrte Seras und spuckte die Finger angewidert aus. „Werde ich nicht mal einen Mikroliter trinken. Niemals! Nicht einen Nanoliter!“ Zooling gelang es Seras Gesicht mit ihrer tattoovierten Hand zu packen. Ich biss die Zähne zusammen. Nein. Nicht schon wieder. Die muskulöse Frau lachte triumphierend. „Tiefer hinein. Tiefer hinein. Weiter! Tiefer hinein!“ Plötzlich riss die beide Augen weit auf. „Wa... Was ist das? Wer ist das? Wieso? Nein!“, brüllte sie verwirrt. „Das ist nicht sie! Das ist die Erinnerung... da vermischen sich Erinnerungen... Hey! Wer ist das?! Wessen Erinnerungen sind das?“ Ich betrachtete erstaunt das Szenario. Was ging da vor sich? Da erinnerte ich mich an die Worte meines Masters: „Blut ist die Währung der Seele, das silberne Tablett des Willens. Wenn du jemanden vollständig seines Blutes beraubst, dann nimmst du zugleich sein Leben und seine Seele in dich auf.“ Das musste bei Seras geschehen sein. Sie hatte Bernadotte Taichou in sich aufgenommen. So durchbrach sie Zoolings Illusionen und drückte deren Kopf gegen die Wand. Sie quetschte den Schädel, während sie den Flut entlang rannte, gegen den Stein, sodass sich Hautfetzen und Blutspritzer über den Boden verteilten. „Verschwinde!“, knurrte Seras. „Aus meinen Augen! Aus meinen Sinn.“ Die verbliebenen Söldner keuchten atmen los auf. „Da... Das ist doch.. jenes Mädchen, oder?“ Schwer keuchend lies Seras den regungslosen Körper Zoolings zu Boden fallen, ehe dieser in Flammen aufging. Dann ging sie zu Bernadottes Leiche hinüber und senkte in stiller Trauer den Kopf. Dann wandte sie sich ab. „Ich gehe.“, verkündete sie. Ich richtete mich auf und der Söldner, der bei mir geblieben war, sah mich fragend an. „Was heißt „Ich gehe“? Wohin denn?“, fragte der Blonde neben Seras verwirrt. „Ich habe es dem Commander versprochen die Kerle fertig zu machen.“, erklärte Seras und lächelte den Mann an. „Also gehe ich und mach die Kerle fertig.“ Ich nickte Bernadottes Männern zu und lies intakte, schwarze Schwingen auf meinem Rücken erscheinen, während ich neben Seras trat. „Ah...“, machte der blonde Söldner und sah zu seinem gefallenen Commander. Er schien zu begreifen. „Moment!“ Seras hielt inne. Die verbliebenen Söldner stellten sich in Reih und Glied auf und salutierten. „Yes Sir! Sir!“ Ich tat es ihnen mit ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger gleich. Das blonde Mädchen grinste und nickte. Sie warf mir einen Blick zu und es bedürfte keiner Worte. Sie sprang aus dem Fenster und aus ihrem Rücken wuchsen weitere Schattengebilde, welche sie als Schwingen nutzte. Ich folgte ihr und breitete meine Schwingen aus. Die Sonne ging am fernen Horizont auf und zeugte von einem anbrechenden, neuen Tag. Kapitel 28: Return ------------------ Return Die Stadt unter uns stand nach wie vor in Flammen und wurde durch mehrere Explosionen zerrüttet. Am Himmel entdeckte ich ein helles Lichtgebilde, was die Menschen unter uns auf raunen lies. „Ein Engel?“ Ganz sicher nicht. In diesem gottverlassenem London lies sich kein Engel des Herren blicken. Eine Armada an Helikoptern rauschte heran. Das war nicht Millenium. Die Nazi Soldaten begannen sich zu versammeln und stellten sich dem neuen Feind. Männer in seltsamen, weißen Kutten sprangen aus den Helikoptern und eröffneten das Feuer auf die Vampire. Auch diese begannen zu schießen. Die bemannten Helikopter flogen auf den großen Zeppelin Milleniums zu, auf welchem ich drei Personen zu erblicken glaubte. War das etwa der Major, der sich als Dirigent versuchte? Er fuhr mit seinen Händen durch die Luft, das Kriegsschauspiel offenbar in vollen Zügen genießend. Die Helikopter, die angriffen, ignorierte er geflissentlich. Ich schluckte und Seras und ich legten einen Zahn zu. Das sah übel aus. Wirklich übel. Aus den Augenwinkeln nahm ich nur noch wahr, wie es die Helikopter in ihre Einzelteile verlegte und sie auf dem Boden in einer gigantischen Explosion mehreren Menschen den Tod brachten. War war da geschehen? Ich zwang meinen Blick nach vorne und lies mich von meinen schwarz gefiederten Gehilfen durch die Stadt führen. Wir entdeckten Lady Integra, als ein gutes dutzend Iscariot Priester ihre Waffen auf sie richteten. Als wir zur Landung ansetzten, benutzte Seras ihren Schattenarm, um die Männer von Sir Hellsing zu stoßen. Ich stellte mich, den rechten Arm und beide Schwingen schützend ausgestreckt, zwischen Integra und die Mitglieder Iscariot. „Alexandra Dolneaz!“, raunten die Männer und ich lies meinen geübten Blick über die schweifen. Falls sie tatsächlich angriffen, waren wir, dank Seras, klar im Vorteil. Ich bemerkte Heinkel und Pater Andersen in der Menge. Auffallend war auch das dunkelhaarige Mädchen in der Nonnenkluft. „Sind Sie in Ordnung?“, fragte ich Lady Hellsing. Sie nickte. „Ja. Wie ich sehe hast du meinen Befehl ausgeführt.“ Ich grinste. Die Männer Iscariots wichen zurück, als Seras ebenfalls zu uns trat. Ihr Schattenarm fuhr bedrohlich durch die Luft. „Seras! Seras Victoria!“ „Ich hoffe Sie sind unverletzt, Lady Integra.“, fragte die blonde Draculina ihre Herrin. „Ich bin wohlauf.“ Aber die Leiterin der Organisation beschäftige noch etwas anderes. „Und das Hauptquartier?“ „Wir wurden von einer feindlichen Kompanie angegriffen.“, erklärte Seras. „Ich habe den Feind geschlagen. Das Hauptquartier ist völlig zerstört. Und Herr Bernadotte...“ Integra nickte, sie hatte verstanden. Sie wusste genau, was geschehen war. „Aha.“, machte sie. „Seras, du hast deine Zähne in Bernadotte gestoßen, stimmts? Dann bist du jetzt wohl ein vollwertiger Vampir geworden.“ Ein breites Grinsen erschien auf Seras Gesicht. „Ja, Sir.“ Heinkel und das schwarzhaarige Mädchen knurrten wütend. Die Nonne richtete die Klinge ihres Katanas auf uns und Heinkel zwei Pistolen. „Schei... Scheiße!“ „Lasst das, Heinkel, Yumikou.“, befahl Andersen und trat ruhig vor. „Gegen diese beiden Mädchen habt ihr auch mit vereinten Kräften keine Chance.“ Sein Blick schweifte zu Seras. „Denn der Vampir Seras Victoria ist ein furchterregendes Wesen geworden.“ Die Draculina lächelte. „Ja, so ist es, Pater Andersen! Ich habe vor gar nichts mehr Angst.“ Der Priester lächelte spöttisch. „Sie hat einen geradezu infernalischen Blick. Und dabei tut sie so, als sei sie ein Mensch.“ Seras Grinsen wurde breiter. Dann wandte Pater Andersen mir seinen Blick zu. „Wie ich sehe erfüllst du immer noch deine Pflicht und trotzt dem hellen Sonnenlicht. Deine schwarzen Schwingen gleichen denen eines gefallenen Engels, doch deine roten Augen zeugen von deiner monströsen Natur. Obgleich du ein Monster bist, kennt dein Herz noch Gnade und Mitgefühl.“ Sein Grinsen wurde breiter und seine Augen funkelten wissend. „Manche Monster können menschlich sein und viele Menschen sind Monster. Und beide für sich sind nicht zu unterschätzen.“ Ich erwiderte sein Grinsen verschmitzt und nickte. „Daisansei desu. Da haben Sie Recht, Pater Andersen.“ Allein in den letzten Tagen hatte ich mehr als genug monströse Menschen kennengelernt. Und natürlich auch monströse Monster. Aber dennoch gab es für beide Seiten Ausnahmen, die die Regel bestätigten. Das Grinsen schwand aus meinem Gesicht, als ich eine überwältigende Aura spürte, die heran nahte. Ich zuckte zusammen und meine Augen nahmen einen glücklich, überraschten Ausdruck an. Master! Zugleich wandten Seras, Andersen und meine Wenigkeit den Kopf. „Er kehrt zurück.“, murmelte Seras. Integra schloss zufrieden lächelnd die Augen. „Er bringt Finsternis und Unheil.“ Das teuflische Grinsen war auf Pater Andersens Gesicht zurück gekehrt. „Das wird großartig! Er wird alles zu Grunde richten!“ Ich hörte das Rauschen der Wellen und das kalte Knarren von Stahl. Erneut legte Alucard mit einem Schiff, dass er steuerte, in England an. Heute, wie damals vor 102 Jahren. Seras Augen weiteten sich, als sie der herannahenden Truppen gewahr wurden. Millenium, Iscariot. Sie alle hatten dasselbe Ziel. Denselben Feind. Alucard lachte freudig auf und zückte seine Waffe. Schnell nahmen Seras und ich Lady Integra zwischen uns und brachten sie auf einem hohen Dach in Sicherheit. Von da aus konnten wir das ganze Treiben beobachten. Mit wenigen, knappen Sätzen brachte uns Lady Integra auf den neusten Stand der Dinge. Sie berichtete von ihrer Begegnung mit der 13. Abteilung, ihrem kurzen Marsch durch die Stadt mit ihrer neuen persönlichen Leibgarde und auch von dem Verrat Maxwells, der nicht nur Millenium Soldaten töten, sondern auch die Waffen seiner Männer gegen die Bürger Englands richten lies.Unter uns hatten sich die Truppen bereits versammelt. Wie ein Todesgott glitt Alucard durch die Lüfte und landete mit gezückten Pistolen in der Mitte des Schlachtfeldes. Es dauerte nicht lange, da taten es ihm Pater Andersen und einer aus den Reihen Milleniums gleich. Die drei Gegner fixierten sich. Der Priester, der Hauptmann und der Vampir. Die anderen Soldaten schrien wild durcheinander. Masters feste Stimme durchbrach den Lärm: „Herrin! Meine Gebieterin!“ Sein rot glühendes Auge fixierte die Silhouette Integra´s auf dem Dach. „Meine Herrin Integra Hellsing! Ich erbitte Befehle!“ Selbstsicher fixierte Lady Integra Alucard. „Mein Untergebener! Vampir Alucard! Ich befehle dir: Zerstöre alle! Lass sie nicht lebend von dieser Insel kommen!“ Ihr Blick wanderten über die feindlichen Fraktionen. „Färbe die Armee der weißen Kutten und silbernen Gewehren purpurrot! Färbe die Armee der schwarzen Kutten und eisernen Gewehren purpurrot! Tauche all unsere Feinde in samt und sonders in roter Farbe!“ Sie streckte ihre rechte Hand bedeutungsvoll aus. „Töte alle Feinde, die dir unter die Augen kommen!“ Alucard lächelte. „Roger! Habe verstanden, meine Herrin!“ Ich überflog die noch stehenden Krieger. Millenium´s Bataillion umfasste noch etwa 500 Kämpfer. Die Kreuzfahrer waren mit ca. 3000 Mann vertreten. Mein Mundwinkel zuckte. Hellsing dagegen hatte noch vier Mitglieder. Diese Zahl wirkte geradezu lächerlich. Aber nicht die Anzahl der Männer entschied über den Ausgang des Krieges, sondern die Fähigkeit des Einzelnen. „Kontrollbeschränkungen auf Stufe Zero! Deaktivieren!“, brüllte Sir Hellsing weitere Befehle. „Komm zurück! Komm tausende und abertausende Male zurück! Verkünde deine Losung!“ „The bird of hermes is my name.“, begann Alucard gelassen, ehe er seiner gesamten Kraft freien Lauf lies und sämtliche Fesseln sprengte. „Eating my wings to make me tame!“ Seine Gegner schienen ebenfalls zu spüren, was vor sich ging. Andersen und der Hauptmann zögerten keine Sekunde. Der Attentäter der 13. Abteilung durchbohrte den Vampir mir unzähligen Bajonetten und der stumme Kämpfer Milleniums holte zu einem vernichtenden Tritt aus. Nun lösten sich die anderen Krieger aus ihrer Erstarrung und eröffneten mit lautem Gebrüll das Feuer. „Alles hier spüren es!“, rief Pater Andersen aus. „Es wird etwas schreckliches geschehen! Wenn dieses Ungeheuer nicht besiegt wird, wird etwas schreckliches geschehen!“ Alucard´s Körper war von unzähligen Schüssen zerfetzt worden und seine Schatten wogen pulsierend durch die Luft der angespannten Atmosphäre. „Es muss gebändigt werden.“ Kaum hatte der Priester diese Worte gesprochen, entstiegen wabernde Silhouetten aus Masters Schatten. Eine Musketenkugel flitzte, einen blauen Streifen hinter sich herziehend, pfeifend durch die feindlichen Reihen der Nazis und hinterließ nur Tote. Das musste das magische Geschoss von der Eagle sein. Alucard musste den Vampirin, die sich nun aus seinen Schatten erhob, verschlungen haben. Gleich neben ihr materialisierte sich Dandy Alhambra, der Vampir, der uns in Rio angegriffen hatte und seine explodierenden Karten brachten unzähligen Männern in weißen Kutten den Tod. Alucards Schatten erhob sich und weitete sich aus. Mehrere lautlos schreiende Menschen, die flehend die Hände ausstreckten, krochen aus der Dunkelheit des Schatten. Die Augen unserer Feinde weiteten sich. Sie konnten weder fassen, noch begreifen, was da geschah. Lady Integra blickte gelassen auf das blutige Schauspiel herab. „Das ist ein Vampir. Alucard höchstpersönlich. Blut ist nichts als der Vermittler in den Geschäften des Lebens. Blut saugen bedeutet, sich die gesamte Existenz eines Lebens einzuverleiben.“, erklärte sie und wandte sich an Seras, ohne ihr den Blick zu zu wenden. „In deinem jetzigen Zustand verstehst du das, nicht wahr?“ Die blonde Draculina zitterte am ganzen Körper und schluckte trocken. „Jawohl.“, antwortete sie, ohne ihre Augen von dem Blutbad zu richten. Unter uns erhoben sich inzwischen immer mehr Gestalten aus Master´s Schatten und richteten ihre Angriffe gegen unsere Feinde. „Töpfe als Kriegsflaggen? Die Janitscharen!“, rief Andersen mit zusammen gebissenen Zähnen aus, als Männer mit weißen Kopfbedeckungen und Stäbe an denen Pfannen befestigt waren, auf ihn zu kamen. „Kerl! Selbst solche Typen hast du gefressen?“ Er begann die Familiaren mit seinen Klingen nieder zu mähen. „Kein Wunder, dass du nicht stirbst! Kein Wunder, dass du nicht tot zu kriegen bist! Wie viele Leben hast du dir bereits einverleibt? Wie viele Menschenleben hast du schon gefressen?“ Wiehernde Rappen mit Flaggenträgern entstiegen den Schatten. Die Armee des Fürstentum der Walachei. Drakulas Untergebene und nun seine Familiaren. Hektisch brüllten die Männer des Vatikans Befehle: „Verteidigt das gesamte Gebiet! Eine Phalanx! Bildet eine Phalanx!“ Auf dem Schlachtfeld brach die Hölle aus, sodass man einen Einzelnen dort unten, kaum noch ausmachen konnte. Die Schatten erklommen die höchsten Gebäude und züngelten und leckten wie Flammen unter unseren Füßen. Auch die verbliebenen Helikopter des Vatikan wurden vom Himmel geholt und explodierten noch in der Luft, als die Karten und die Musketenkugel sie trafen. Erst jetzt zog ein bestimmter Helikopter meine Aufmerksamkeit auf sich. An ihm hängte ein Lastwagen samt einer Art Glasbehälter, in welchem jemand an einem Redepult stand. Undeutlich konnte ich hören, wie der Mann darin etwas brüllte und sah genauer hin. Es war Enrico Maxwell, inzwischen Erzbischof Maxwell und er stützte samt Glaskasten zu Boden, welcher zu seinem Glück sehr stabil zu sein schien. Er hob den Kopf und sah sich den brüllenden Familiaren Massen gegenüber. Er lachte. Wähnte sich in Sicherheit. Doch zu seinem und meinem eigenen Erstaunen, sauste eine Bajonette durch die Luft und blieb in dem Glas stecken. Von dort, wo die Klinge stecken geblieben war, breitete sich ein Riss im Glas aus. „A... Andersen!“, brüllte der Bischof. „Wir sind Iscariot, die Vollstrecker des göttlichen Willen.“, sagte der Priester und fixierte kalt seinen Vorgesetzten. „Und in voller Übereinstimmung mit unserem Auftrag zerschmettern wir deinen Traum. Lebe wohl, mein Freund.“ Mit diesen Worten blieb er stehen und sah dabei zu wie die Familiaren nach Maxwell griffen. Dieser streckte seine Hand nach seinem Untergebenen aus. „Andersen! Andersen! Hilf mir, Andersen! Hilfe!“, flehte er verzweifelt brüllend. „Meister!“ Nun begann er zu schluchzen, wie ein hilfloser Junge. „Meister!“ Auch wenn er es verdient hatte, musste ich den Instinkt, den Mann zu retten, unterdrücken. Ich ballte die Fäuste und sah schweigend auf ihn herab. Sein Todeskampf weckte mein Mitleid. Ein letzter Aufschrei entkam seinem Mund, als die Speere der Familiare ihn durchbohrten und pfählten. Ein Blutschwall kam aus dem Mund des Erzbischof. „Muss ich wirklich hier sterben? An so einem Ort? Ganz allein? Ich will nicht! Ich will nicht!“ Er reckte seine Hand gen Himmel. „Alleine geboren und dann alleine sterben?“ Dann wurde sein Blick starr und leer. Andersen hatte in der Zwischenzeit keinen Muskel gerührt. Er hatte seinen Schützling, seinen Schüler dem Tode geweiht und dessen Ableben zugelassen, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Er hatte es nicht ertragen können, dass sein Schützling den falschen Weg eingeschlagen hatte. Den Weg, der all ihre Prinzipien verriet. Doch unerwartet schritt der Priester zu Maxwell und legte dessen Haupt auf seinen eigenen Schoss. „Du bist ein Dummkopf.“, murmelte er. „Ein Riesenidiot.“ Sanft fuhr er über seine Augenlider, um diese über den starren Augen des Toten zu schließen. Ich wandte mich ab. Ich hatte nicht das Recht diesen intimen Moment zu stören. Dieser gehörte ihnen allein. Dem Meister und seinem Schützling. Plötzlich flogen Bibelseiten durch die Luft und mit einem lauten Schrei stürmte Andersen mit einer Bajonette zwischen den Zähnen auf Master zu. Der Vampir machte sich zum Kampf bereit und zückte sein Schwert. Der Priester nahm seine Waffe in die Hand und Master parierte mit seiner einigen und zwang den Angreifer einige Schritte zurück. „Wunderbar. Mein Erzfeind.“, meinte Alucard Andersen mit einem zufrieden Grinsen fixierend. Auch der Attentäter der 13. Abteilung grinste und brachte zwei Bajonetten vor sich, sodass sie ein Kreuz bildeten. „Wir sind die Vertreter Gottes auf Erden. Und die Vollstreckter seiner Strafe.“, rezitierte er. „Unsere Bestimmung ist es, die Narren, die unserem Gott trotzen, mit Stumpf und Stiel auszurotten. Amen!“ Lady Integra, Seras und ich beschlossen, dass es für alle Anwesenden besser war, etwas Abstand zu nehmen. Mit gebleckten Zähnen und einem Schrei stürzte sich Andersen auf seinen Erzfeind. Seras zuckte zusammen und ich ballte die Fäuste. Nur Integra blieb ausdruckslos. Die Klingen wurden durch die Luft geschwungen und prallten klirrend aufeinander, sodass sich die Kontrahenten wieder voneinander trennten. „Was für ein Mann.“, meinte Master anerkennend. „Klug durchdacht für einen Menschen.“ Er richtete sich auf, „Feind!“, rief er mit donnernder Stimme. „Zeig, was du kannst und töte mich! Stoße dein Bajonett in mein Herz!“ Er lächelte. „So wie vor 500 Jahren. So wie vor 100 Jahren. Beende die Intervall zwischen meinen Träumen. Mein lieber Erzfeind.“ „Das musst du mir nicht zweimal sagen.“, erwiderte Andersen. Alucards Augen nahmen einen infernalischen Ausdruck an und sein Grinsen wurde breiter. Mit wallendem Mantel stürmte Andersen wieder auf seinen Feind zu und zückte sechs Bajonetten, welche er auf den Vampir schleuderte. Doch Master nahm seine gewöhnliche Gestalt an und zerstörte die Klingen mit Schüssen aus seinen Waffen, ehe sie an ihn heran kamen. „Reines Silber aus Macadnium. Sprengkopf aus Quecksilber. Mabelles NN49, chemische Ummantlung. Gesamtlänge 39 cm. Gewicht 16 kg. 13 mm Explosionsgeschosse aus Stahl.“ Alucard richtete die schwarze Waffe auf seinen Gegner. Die Jackal, die Waffe, die Master von meinem Onkel bekommen hatte, um den Priester zur Strecke zu bringen. „Die Jackal. Perfekt, Walter!“ Kurz zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Der Kampf und die letzten Ereignisse hatten meinen Onkel völlig aus meinen Gedanken gedrängt. Ich biss mir auf die Unterlippe, bis diese zu bluten begann. Onkel... Andersen stürmte währenddessen wieder auf Alucard zu und als dieser schoss, deckte er sich mit seinen Unterarmen, die er vor sein Gesicht hielt. Dennoch trug der Priester sichtliche Schäden davon, als sie Patronen explodierten. „Sh...Shit!“, fluchte er zischend und fuhr wild mit seinen Klingen durch die Reihen der Familiaren, die sich genährt hatten. Schwer atmend sah er, wie sich Alucard mit einem Sprung hinter seine Hilfsgeister begab. Das magische Geschoss nahrte heran und durch die Luft sausten erneut die explodierenden Karten. Pater Andersen wurde von allen Seiten getroffen und ging keuchend in die Knie. Sein linker Arm wurde nur noch von einigen Sehnen gehalten. „Was jetzt? Was machst du jetzt?“, fragte Alucard den Priester erwartungsvoll. „Das Monster lebt noch, du Katholik! Ist es nicht deine Pflicht es umzumähen? Wie groß sind deine Siegeschancen? Eins zu tausend? Eins zu zehntausend? Eins zu hundert Millionen? Eins zu einer Billionen? Oder etwa Eins zu einer Oktilliarde?“ Andersen fletschte die Zähne. „Mir würde das reichen.“ Unaufhaltsam kam die Horde der Familiaren näher. Sie streckten ihre Hände nach dem Priester aus. Die Lage schien ausweglos. „Was ist, Christ?“, fragte Alucard. „Wie geht es dir? Du bist ja voller Wunden. Ja. Du hast ja einen Arm ab. Was machst du jetzt? Bist du ein Hund, oder ein Mensch?“ Nur Menschen konnten Monster besiegen. Hunde nicht. „Na und, Vampir?“, fragte Andersen und biss in seinen Ärmel, um den Arm am abfallen zu hindern. „Ist doch nur ein Arm. Spiel dich nicht auf, sondern komm! Schnell! Mach schon!“ Alucards Augen weiteten sich flüchtig, ehe er verzückt lächelte. „Sehr schön. Menschen sind wirklich wunderbar.“ Mit gezückten Klingen kämpfte sich der Attentäter der 13. Abteilung durch die Schar. Zentimeter um Zentimeter. Meter um Meter, gelang es ihm näher an seinen Erzfeind zu gelangen. Er richtete jeden Familiar, der sich ihm entgegen stellte mit wilden Geschrei. Unbarmherzig kämpfte er sich voran. Lady Integra, Seras und ich betrachteten den Kampf aus sicherer Entfernung. Gerade als es schien, das Schicksal Andersens war besiegelt, wurden die heranstürmenden Familiaren von einem Kugelhagel niedergestreckt. Der Priester knirschte wütend mit den Zähnen. „Ihr... Ihr Idioten! Ihr absoluten Idioten!“ Heinkel und die anderen Mitglieder der 13. Abteilung waren auf das Schlachtfeld zurück gekehrt. „Wenn wir einfach so in den Vatikan zurück kehren, werden wir aufhören wir zu sein!“, rief Heinkel. „Iscariot. Die 13. Abteilung, wird es nicht mehr geben! Wir werden nur noch mit Blut und Extrementen gefüllte Fleischsäcke sein!“ Eine Klinge fuhr durch die Reihen der Familiaren und teilte diese in zwei. „Wenn man beim Schneiden Amen schreit, geht alles wie von selbst. Das waren doch Sie, der mir das beigebracht hat.“, sagte Yumikou und grinste. „Sagen Sie mir nicht, dass war alles nur sinnloses Gerede eines religiösen Fanatikers.“ „Idioten!“, brüllte Andersen. „Ihr denkt immer nur ans Sterben! Die Hölle platzt aus allen Nähten! Der Vatikan wird dagegen immer leer sein!“ Irgendetwas an der Art, wie der Priester dies sagte, rührte mein Herz. Er wirkte wütend, aber tief in seinem Inneren, machte er sich Sorgen um seine beiden Schützlinge und den Rest seiner Männer. Dann fasste Andersen sich und meinte: „Macht nichts! Kommt mit!“ Er hatte wohl eingesehen, dass ihn seine Leute nicht im Stich lassen würden. „Wir werden ungestüm vorpreschen, die Hölle erstürmen! Wie immer! Kommt!“ Dass liesen sich die Krieger des Vatikan nicht zweimal sagen und sie eilten Andersen zur Seite, um ihm in seinem Kampf gegen die Horde der Familiaren zu unterstützen. Nur Alucard wäre Andersen allein vorbehalten. Mit vereinten Kräften und vielen Opfern, gelang es der 13. Abteilung ihrem Vorgesetzten dem Weg zu ebnen, sodass er wieder vor seinem Erzfeind stand. „Du hast die Belagerung durchbrochen und nun stehst du vor mir.“, meinte Alucard und eine gewisse Bewunderung schlich sich in seine Stimme. „Großartig! Das kann nur Iscariot. Das kann nur Alexander Andersen!“ Er fixierte lächelnd seinen Nemesis. Dieser fischte eine kleine Kiste aus seinem Mantelinneren und zerstörte diese mit bloßer Hand. „Ist das eure Trumpfkarte?“, fragte Alucard, doch das Lächeln schwand aus seinem Gesicht, als er erkannte, was aus der Kiste zum Vorschein kam. „Der Nagel! Nach dem Leichentuch von Turin, dem Heiligen Gral und der Lanze des Longius die letzte der verlorenen Reliquien der Katholiken.“ „Ganz genau.“, erwiderte Andersen. „Der zurückgebliebene Geruch eines Wunders.“, sagte der Vampir geringschätzig. „Der heilige Nagel der Kaiserin Helena.“ Der Priester richtete unter den erstaunen Blicken aller den heiligen Nagel auf sich selbst. „Lass das, Andersen!“, brüllte Alucard. „Willst du ein Monster werden? Gottes Ungeheuer? Das wahre unsterbliche Spielzeug, das durch Gottes Kraft entstand? Dann bist du genau so ein Scheißkerl! Genau wie die Monster, die Gott leugnen und die Monster, die Gott bejahen! Willst du mit der Hilfe dieses wundersamen Relikts selbst du einem wundersamen Relikt werden? Willst du mich und dich selbst und unseren Kampf ins Jenseits tragen? Ein Monster wie ich, das zu schwach war, selbst ein Mensch zu sein, muss von einem Menschen besiegt werden.“ Seine Stimme hatte sich gesenkt und er sah Andersen beinahe traurig an. „Hör auf damit, Mensch. Werde nicht zu einem Ungeheuer. Zu einem wie mir.“ „Ich wäre lieber als Sturm geboren, als Bedrohung, als Sprengstoff. Ich wäre lieber ganz einfach als heftiger Sturm geboren worden. Ohne Rücksichten. Ohne Tränen.“, sagte Andersen und hob ein letztes Mal den Blick. „Wenn ich so nun werden kann, indem ich mich mit diesem Nagel durchbohre dann will ich es tun. Amen!“ Mit diesen Worten rammte er sich den Heiligen Nagel in sein schlagendes Herz. Kapitel 29: Betrayal -------------------- Betrayal Mit geweiteten Augen sah ich dabei zu, wie Pater Andersen selbst zu einem Monster wurde. Von der Stelle, wo der Priester sich den Nagel in die Haut gerammt hatte, breiteten sich Dornen aus. Damit schien sein Schicksal besiegelt und seine Chance Alucard zu schlagen war vertan. In diesem Sinne, kam es mir nur Recht, doch es war schmerzhaft zu sehen, wie weit die Verzweiflung diesen stolzen Mann getrieben hatte. Oder vielleicht hatte der Stolz einen verzweifelten Mann zu dieser Handlung getrieben. Doch das war einerlei. Ich ballte die Faust und beobachtete wie erstarrt das Treiben. „Du... du verdammter Idiot!“, brüllte Alucard und richtete Zähne knirschend seine Waffe auf Andersen. Doch ein Bajonetten Hieb, trennte den rechten Arm des Vampires von seinem Körper. Ein weiterer und es folgte sein Haupt. Doch auch ohne Kopf richtete Master seine Jackal auf die Stirn des Priesters. Dessen Schädel explodierte und beide enthaupteten Körper drohten zu Boden zu stürzen. Im letzten Moment fingen sie sich jedoch. Master regenerierte wie selbstverständlich seinen Kopf, doch unter den erstaunten Blicken der Anhänger des Vatikans, tat es der Priester ihm gleich. Doch statt Schattengebilden, ragten Dornen aus seinem Hals. „Dornen. Ein Dornenbusch!“, riefen einige Priester erschrocken aus. Heinkel konnte ihren Augen nicht trauen. „Pater! Was um alles in der Welt ist aus ihnen geworden?“ „Andersen ist körperlich schon kein Mensch mehr.“, murmelte Lady Integra, die zwischen mir uns Seras stand und ich schluckte trocken. Alucard richtete sich auf. „Du und ich auch. Wir sind schon tot. Um ganz zu verrotten müssen wir noch etwas aushöhlen. Unsere Herzen.“ Andersen trat vor und zertrat dabei seine Brille unter seinen Stiefeln. Die Dornen tanzten unheimlich um seinen Körper. „Pa... Pater...Pater Andersen!“, stotterte Heinkel und Yumikou rief: „Pater!“ Der monströse Mann reagierte nicht. Wieder hielt er seine Bajonetten vor sich, sodass sie ein Kreuz bildeten. Alucard tat es ihm mit seinen Pistolen gleich, ehe er das Feuer eröffnete. Der Priester wurde von unzähligen Kugeln durchsiebt, doch aus den Eintrittswunden wuchsen nur neue Dornen. Dann rutschte Andersen über den Boden und setzte zu einem Sprung, auf seinen Gegner zu, an. Seine dornige Silhouette stellte ein Kruzifix dar. Alucard hob seine Waffe, um zu schießen, doch der Priester war schneller und seine von Dornen umrankte Bajonette stieß durch den Hals des Vampirs. Die Dornen breiten sich aus und bedeckten bald Masters gesamten Körper. Sein Blick trübte sich und wanderte in die Leere. Plötzlich fingen die Dornen Feuer und brannten die noch stehenden Reihen der Familiare wieder. Auch Alucards Körper wurde von den Flammen verschlungen. Selten war ich von einer solchen Furcht ergriffen worden. Das Feuer hatte inzwischen beinahe mein komplettes Sichtfeld ausgefüllt. Master. Master!, brüllte ich innerlich. Hatte ich nicht lange genug ausgeharrt? Hatte ich dem Treiben nicht lange genug tatenlos zugesehen? Das war Masters Kampf. Der lang ersehnte Kampf gegen seinen einzigen, wirklichen Erzfeind. Ich ballte die zitternde Faust und biss mir auf die bebende Unterlippe, während ich dabei zusah, wie sich die Dornen und die Flammen ausbreiteten. „Master!“, kreischte Seras verzweifelt neben mir auf und ohne zu Zögern rannte sie durch die Flammen auf unseren Meister zu. Ich löste mich aus meiner Erstarrung. Genau. Es war nun egal wessen Kampf das war. Ich würde nicht dabei zusehen, wie diese Monstrosität Alucard tötete. „Master!“, rief ich, und stürmte los. Ich bahnte mir einen Weg durch die brennenden Flammen und folgte Seras. „Master!“ Die blonde Draculina hatte die Klinge der Bajonette, welche Andersen aus dem Hals des Vampires gezogen hatte, nur um sie nun auf seine Brust nieder sausen zu lassen, mit ihrer gesunden Hand gepackt. „Master!“, rief sie noch einmal. Ich eilte an ihre Seite und packte die Waffe am unteren Griffstück. Diese Klinge durfte Masters Herz nicht erreichen. Niemals! „Kch...“ Mit all meiner Kraft stemmte ich mich gegen Andersen. Was hatte er für eine Kraft entwickelt? Ein Mensch war er wirklich nicht mehr. Plötzlich schlangen sich Andersens Dornen um Seras und meine Hand und wanderten unsere Arme hinauf. Und mit sich brachten sie das Feuer. Seras schrie gepeinigt und ich keuchte laut auf. Das brannte, wie die Hölle selbst. Inzwischen schienen die Ranken meinen gesamten Körper umschlungen zu haben. Die Dornen bohrten sich in meine ungeschützte Haut und das Feuer brannte unbarmherzig weiter. Die heiße Luft trieb Tränen in meine Augen, sodass ich diese vor Schmerz zusammen kniff. Niemals! Niemals würde ich dieses Klinge loslassen! „Master!“, rief ich verzweifelt. Erreichten ihn unsere Stimmen nicht mehr? Waren wir zu spät gekommen? Nein. Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! „Master!“, wiederholte Seras. „Sei still, Polizistin.“ Meine Augen weiteten sich und ich wandte den Blick. „Du auch, Frischling.“ Alucard´s Blick ruhte sanft auf seinen beiden Schützlingen. „Eure Stimmen sind wie immer überdeutlich hörbar. Fast wie Bruchstücke einer Melodie.“ Ich erlaubte mir ein freudiges Grinsen und strahlte ihn an. Alucard packte die Bajonette des Priesters genau zwischen Seras und meiner eigenen Hand. „Andersen. Ich wäre zufrieden gewesen, hättest du mich besiegt.“, sagte Alucard und blickte seinen Nemesis an. „An jenem Tag zur Dämmerstunde in der Ödnis. An jenem Tag vor 523 Jahren hätte ich dir gerne mein Herz gegeben. Aber jetzt ist es zu spät! Du kannst mich nicht besiegen!“ Mit seiner geballten Kraft zerstörte Alucard die Klinge und stieß den Priester, dessen Dornen und die Flammen von sich. Seras eilte an Lady Integras Seite, doch ich blieb hinter Master stehen. „Es sind immer Menschen, die die Ungeheuer töten. Das müssen Menschen tun!“ Mit einem lauten Aufschrei, stürmte Master auf den Priester zu und rammte ihm seine rechte Hand in die Brust. Dann riss er ihm in einer flüssigen Bewegung das pumpende Organ heraus und zerquetschte es zwischen seinen Fingern. Es war, als wich ein Teil meiner Kraft aus meinem Körper. Es war vorbei. Der Kampf war vorbei. Aber die Schlacht war es noch nicht. Der Krieg dauerte noch an. „Du bist ich!“, brüllte Alucard unerwartet. „Du bist ich! Bei mir war es genau so!“ Er vergrub das Gesicht zwischen seinen bebenden Händen, als er vor seinen gefallenen Erzfeind trat. „Bei mir war es genauso.“, wiederholte er und zwei blutige Tränen wanderten seine Wange herab. Andersen, welcher nun auf dem Boden lag, lächelte. Die untergehende Sonne erhellte seine Züge, während sein geschundener Körper begann zu zerfallen. „Ein Teufel weint nicht. Du bist doch ein Teufel geworden, weil du nicht mehr weinen wolltest? Wenn Menschen weinen, trocknen ihre Tränen aus. Daher wollten sie zu Teufeln und Ungeheuern werden und wenn sie das geschafft haben, gehen sie zu Grunde.“ Der Körper des Priesters begann zu zerbröckeln. „Also lach.“,, forderte er. „Lach dein altes arrogantes Lachen.“ Tatsächlich lächelte Alucard. „Ich gehe.“, murmelte Andersen. „Du wirst für immer leben. Du Erbarmungswürdiger, wie lange wirst du noch leben müssen?“ Ich sah Master schräg von der Seite an, während ich auf seine Antwort wartete. „Bis meine monströse Vergangenheit von meiner monströsen Zukunft verschlungen wird.“ Er grinste. „Doch warum so früh? Na denn, mein alter Erzfeind. Bis irgendwann in der Hölle.“ Andersens Körper war nun beinahe völlig verfallen. Allein seine Lippen liesen ein Lächeln erkennen. „Ich... höre... Stimmen.“, murmelte er schwach. „Ah... sind das... die Stimmen der Kinder?“ Ich hörte, wie Lady Integra ihr Schwert aus der Scheide zog und in den Boden rammte. Der Schatten der Klinge erinnerte an ein Kreuz. Mühsam reckte Pater Andersen seine Hand gen Himmel. „Ich höre die Stimmen all der spielenden Kinder... Ich muss... zu ihnen... Alle... warten... Maxwell... wartet...“ Heinkel und Yumikou waren auf die Knie gesunken und hatten den Blick schluchzend gesenkt. „Ihr dürft... nicht... weinen...“, befahl Andersen sanft. „Und betet... vor dem Schlafen gehen...“ Auch ich senkte das Haupt. „Amen...“, brachte der Pater hervor. „Amen.“, wiederholte Alucard und lächelte. „Amen...“, murmelte ich. „Amen.“ Eine vertraute Stimme und ein vertrautes Geräusch rissen mich aus meiner andächtigen Trauer. Einige Gebäude in der Nähe stürzten in sich zusammen, als ein blauer Schimmer durch sie hindurch fuhr. Ein Fuß zerstob achtlos die letzten Reste des gefallenen Körpers der einst Pater Andersen gewesen war. In mir schwankten zugleich mehrere Gefühle und kämpften um die Vorherrschaft. Zunächst hatte ich ein auf klommen von Freude und Hoffnung verspürt, als ich glaubte die Stimme meines Onkels zu erkennen. Doch sein Auftritt und sein Aussehen, welchem ich nun gewahr wurde, als ich den Kopf hob, liesen Platz für Verwirrung, Bestürzung und so etwas wie Wut. Unweigerlich wich ich einen Schritt zurück. „Wa...Walter?! Sind Sie das, Walter?“, fragte Integra verwirrt. Ihre Frage war verständlich. Denn statt des gereiften älteren Mann, den ich seit einigen Jahren kannte, stand vor uns ein Mann mittleren Alters und blickte mit arrogantem Blick auf uns herab, während er die letzten Überreste des Priesters mit der Sohle seines Schuhs zerstreute. Diese Verjüngung konnte keine Anti-Aging Creme vollbracht haben. „Müll.“, begann er ausdruckslos. „Wenn Menschen sterben, werden sie zu Müll. Und Müll braucht keine Bestattung. Ist doch so, oder Integra?“ „Walter...“ Ich konnte aus ihrer Stimme nicht herauslesen, was sie gerade dachte. „Walter, was haben die... was haben die Kerle mit Ihnen gemacht?“, fragte Seras und sie trat einen Schritt vor. Ich sah meinen Onkel an und forderte ihn mit meinem Blick zu einer Antwort auf. Innerlich hoffte ich, dass Millenium ihn umgepolt, hypnotisiert hatte und er deshalb... Doch ich glaubte nicht wirklich daran. Ich klammerte mich nur an diese winzige Hoffnung, da sie nicht so sehr schmerzte, wie die Wahrheit, die Walter nun offenbarte, als er meinen Blick ausdruckslos erwiderte: „Was sie gemacht haben? Sie haben mich gefangen und zu einem Vampir gemacht. Ich bekam eine Gehirnwäsche und wurde zu allem übel gezwungen, gegen meine frühere Herrin zu kämpfen.“ Er blinzelte. „Stellt Sie diese Antwort zufrieden, Seras? Ich verdanke mein Leben niemandem! Ich stehe hier aus eigener Kraft! Als ich selbst. Als Walter C. Dolneaz! Ich habe meine eigene Mordlust und gedenke euch bei Tagesanbruch zu zerstückeln.“ „Walter...“, begann Integra leise, ehe sie verständnislos brüllte: „Warum? Walter?“ „Nennen Sie mich nicht bei diesem Namen!“, herrschte er sie an. Ehe irgendjemand noch etwas sagen konnte, hörte ich, wie Yumikou hinter uns wütend auf knurrte und losstürmte. „Nein! Nicht!“, versuchte Seras sie aufzuhalten, doch das Mädchen ignorierte die warnenden Rufe. „Ich töte dich!“, knurrte sie. „Ich bring dich um! Euer Herrin-und-Diener-Geschwätz ist mir völlig egal!“ Ich biss mir auf die Lippe. Ein selten dämlicher Instinkt hätte mich beinahe dazu gebracht, dass dunkelhaarige Mädchen zu stoppen und ihre Klinge mit meiner eigenen abzufangen, nur um sie von Walter fern zu halten. Um zu verhindern, dass sie ihn tötete. Meine Hand ruhte zitternd an dem Griff meines Katanas und jeder einzelne Muskel in meinem Körper war zum Zerreißen gespannt. Ich wäre wohl los gerannt, hätte sich in diesem Augenblick nicht eine große, schwere Hand auf meine Schulter gelegt. Ich wirbelte herum. Hinter mir stand der Hauptmann. Er hatte so plötzlich hinter mir gestanden, dass ich ihn gar nicht hatte kommen sehen. Ich sah ihm fest in seine ernsten blutroten Augen. Wer war dieser Mann? Er war kein Vampir. Das konnte ich spüren und er war stark. Sehr stark. Ein Kampf mit ihm schien den sicheren Tod zu bedeuten. Seine Hand schien sich zu einer gigantischen Klaue zu verformen und bohrte sich tiefer in meine Haut. Dann schien es plötzlich, als hatte er es sich anders überlegt und er lies von mir ab. Ich blinzelte irritiert. Was hatte das zu bedeuten? Er und Walter tauschten einen kurzen Blick aus, dann verschwand der Hauptmann und flitzte wie ein Blitz durch die Straßen Londons. Diese Geschwindigkeit... War es möglich, dass dieser Mann ein Werwolf war? Erst jetzt bemerkte ich, dass ich immer noch am ganzen Leib zitterte. Zähne knirschend ballte ich die Fäuste und mein Kopf wandte sich wieder dem aktuellen Geschehen zu. Einige Meter vor dem Gegner, lies sich Yumikou zu Boden fallen und rutschte über die steinernen Platten, während sie ihre Klinge zückte. „Shimabara Schwerttechnik: Shouki!“, verkündete sie und lächelte siegessicher. „Du bist tot!“ „Nein, du hast mich nicht getötet.“ , erwiderte Walter ruhig. „Du selbst wirst getötet.“ In diesem Augenblick zerlegte Walter das Mädchen und seine Klinge in unzählige Einzelteile. Yumikou war tot, ehe sie den Boden berührte. Heinkel brüllte den Namen der gefallenen Kameradin und richtete die Waffe auf ihren Mörder. Doch plötzlich stand neben ihr der Hauptmann und schoss aus nächster Nähe auf die Blonde. Heinkel wurde getroffen flog einige Meter durch die Luft, ehe sie blutend zu Boden ging. Sie schrie laut auf. Die Kugel war lediglich in ihre linken Wange eingedrungen und auf der rechten ausgetreten. Wieder richtete der Hauptmann ihre Waffe auf die am Boden Liegende, doch statt abzudrücken, schüttelte er nur sachte den Kopf, ganz so als wolle er sagen: „Halt dich aus der Sache raus.“ Dann kramte er aus dem Inneren seiner Manteltasche ein Medikit hervor und warf es Heinkel auf die Brust. Dann flitzte der Werwolf durch die Straßen, bis er nicht mehr zu sehen war. Es war, als hätte mich der Schuss aus meiner Erstarrung befreit und ich blinzelte, um mich aus der selbst herbeigeführten Trance zu reißen. „Onkel!“ Beinahe flehentlich sah ich ihm in die Augen. Immer noch konnte ich nicht fassen, dass das hier die Realität sein sollte. Vielleicht war es nur ein Traum. Nein. Unsinn. Das war kein Traum. Ich trat einige selbstsichere Schritte auf ihn zu, mit denen ich versuchte meine Unsicherheit zu überspielen. Sein kalter Blick traf mich wie ein Blitz,sodass ich unmerklich zusammen fuhr. Mein Mund war trocken und mein Kopf leer. Was solle ich ihm sagen? Was sollte ich tun? Sollte ich ihn nach einem Grund fragen? Nach dem Warum? Nach dem wie lange schon? Sollte ich versuchten an seinem Verstand zu appellieren? Sollte ich versuchen ihn wach zu rütteln? Sollte ich ihn daran erinnern, dass wir eine Familie waren? Hatte das einen Wert? Würde er zuhören? Wie lange dauerte dieser Verrat schon an? Während ich darüber nachdachte, passte alles. Damals, nachdem Arthur gestorben war, war Walter nicht zur Stelle gewesen um das junge Fräulein zu beschützen und daraufhin war Master befreit worden. Walter hatte es geschickt eingefädelt, dass ich außer Haus war und auch vor wenigen Tagen, als er mich zu diesem Spaziergang überredete, wäre ich beinahe in Milleniums Fängen gelandet. Hatte er all das geplant? Hatte er all die Zeit für Millenium gearbeitet? Schon seit 55 Jahren? Waren all seine Worte und seine Taten Lügen gewesen? Hatte er jemals was ehrlich gemeint? Ich erinnerte mich an seinen sanften Blick, wenn er mich angelächelte hatte. An seine Wärme, wenn er mich in den Arm genommen hatte. An seine tröstenden und stärkenden Worte, wenn es mir nicht gut ging. War das alles nun vorbei? Ohne, dass es mir bewusst war, taumelte ich einige Schritte auf ihn zu. Wollte ich ihn töten, oder wollte ich ihn umarmen? Ich wusste es selbst nicht genau. In meinem Kopf war alles völlig verworren. In diesem Augenblick rührte sich Walter. Es war eine kleine, beinahe unmerkliche Bewegung. Wieder hoffte ein dämlicher, irrationaler Teil von mir, dass meine Worte und meine Gefühle ihn erreicht hatten, doch dem war nicht so. Statt eines ehrlichen Lächeln, oder einer sanften Umarmung, verzog Walter geringschätzig den Mund zu einem Knurren und seine bläulichen Drähte wickelten sich um meinen Körper. „Du nervst!“, lies er mich zischend wissen und schlang seine Waffen noch fester um mich, sodass die feinen Drähte in mein Fleisch schnitten. Sie wickelten sich um meine Schenkel, Arme und um meinen Hals. Blut strömte meinen Körper herab und ich war gezwungen nach Luft zu schnappen. Verschwommen nahm ich Seras Rufe wahr und auch die anderen schienen irgendetwas zu sagen, was ich nicht verstehen konnte. Noch versuchte ich die scharfen Drähte von meiner Kehle so fern wie möglich zu halten, dann lies ich meine Arme ergeben sinken. Kuso... fluchte ich innerlich. So würde es also Enden. Verdammt. Scheiße. Im nächsten Augenblick lies Walter von mir ab und ich ging hustend zu Boden. Es dauerte eine Weile, bis sich mein Sichtfeld wieder klärte und nicht mehr alles vor meinen Augen tanzte. Wieder ruhte sein funkelnder, kalter Blick auf mir. „Misch dich nicht ein. Du störst.“ Ich sah ihn mit großen Augen an und konnte mich immer noch nicht dazu bringen, ihn wütend anzustarren. Nein. Dann war Seras bei mir und half mir auf die Beine. Sie erkundigte sich besorgt nach meinem Befinden, doch ich sah mich außer Stande zu antworten. Wieder fixierte Walter die Mitglieder der Hellsing Organisation. „Niemand kann mich aufhalten. Niemand kann mich von meiner Rebellion abhalten.“ Lady Integra trat einen Schritt vor. „So ist das also, Walter. Verstehe. Du bist aus eigenem Antrieb ein dreckigen Verräter geworden und wagst es auch noch, dich hier vor mir aufzubauen. Du bist nun nicht mehr mein Butler und ich bin nicht mehr deine Herrin, Walter C. Dolneaz..“ Alucard lachte schallend. „Hi, Todesengel. Dass das Altern für Engländer ein Vergnügen ist, waren doch deine Worte. Und es warst du, der sagte, er lehne ein bequemes, kampfloses Leben im Alterswohlstand ab. Du als Greis, warst Trillionen mal schöner als jetzt. Du bist unglaublich hässlich. Du bist körperlich und geistig zum Todesengel geworden.“ Am Horizont über Walter tauchte der Zeppelin Milleniums auf und er kam direkt auf uns zu. „Ja. Diese Welt ist ohnehin nur der Traum einer Nacht. Der Traum von einem Blutbad. Ein Schläfchen! Im Rausch. Ich bin der Rest des Todesengels dieses einen Traums. Bei Tagesanbruch im Augenblick des „Dawn“ bin ich endlich zum Todesengel geworden.“, sagte Walter kalt. Master ging in die Knie. Seine Hand ruhte auf den letzten Überresten Andersens. „Steh auf. Steh auf und kämpfe. Hellsing! Alucard!“, forderte der ehemalige Butler. „Du bist ein Hund. Genau wie ich.“, erwiderte der Vampir. „Ein Jagdhund. Hunde bellen nicht von alleine.“ Er neigte sein Haupt noch tiefer vor seiner Herrin. „Ihren Befehl. Ich erwarte Ihren Befehl, meine Herrin. Ich kann töten ohne jedes Zögern, oder Gewissensbisse. Ich kann vernichten. Denn ich bin ein Monster. Und Sie sind das junge Fräulein Integra. Das Gewehr in Anschlag bringen werde ich. Das Ziel bestimmten werde ich und ich werde die Waffe laden. Doch die Tötungsabsicht ist Ihre. Also Ihren Befehl, bitte. Hellsing-Oberhaupt Integra Fairbrook Wingates Hellsing!“ Lady Integra ballte stumm die zitternde Faust. „Sagen Sie es. Sie müssen es aussprechen.“, begann Walter ruhig, ehe er brüllte: „Sagen Sie es! Sagen Sie es, Mylady!“ Die blonde Frau hatte sich inzwischen eine Zigarre angezündet, welche zwischen ihren Fingern zitterte. „Search and Destroy, Diener! Das ist mein Befehl und an ihm ändert sich nichts. Vernichte jede Macht, die uns Widerstand leistet. Zermalme und vernichte jedes Hindernis, das sich dir in den Weg stellt! Search and Destroy! Das ist dein Befehl, Diener. Unterwerfe jede Macht, die uns widerstand leistet. Vernichte sie. Zermalme und vernichte jedes Hindernis, das sich dir in den Weg stellt.“, brach es schließlich aus ihr hervor. „Egal, wer es ist. Egal, was es ist.“ Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Schmerzes und der Trauer. „Wer auch immer es sein mag.“ Walter lächelte begeistert.„Wunderbar! Sie sind eben doch eine Herrin, die meiner Dienerschaft würdig war!“, rief er mit ausgestreckter Hand aus. Alucard erhob sich grinsend. „Roger, my Master.“ Lady Integra knirschte mit den Zähnen und ohne ihren ehemaligen Buter anzusehen, sagte sie: „Ich frage nicht mehr nach dem Grund Ihres Verrates. Sie sind mein Feind geworden. Sie sind jetzt Hellsings Feind! Und Englands Feind! Sie sind unser Feind geworden! Wir müssen Sie besiegen. Wir müssen Sie zugrunde richten!”„Schön gesagt, Integra Fairbrook Wingates Hellsing!“, klang die Stimme des Majors aus Lautsprechern, die sich an dem Zeppelin befinden mussten. „Es tut mir leid, dass ich Sie Amateurin nannte. Es kommt nicht wieder vor. Endlich sind Sie mein Feind geworden. Mein wunderbarer, mächtiger Erzfeind, den ich einfach besiegen muss.“ Mit einem lauten Krachen landete der rot-schwarze Zeppelin und riss bei seiner Landung einige Säulen und Gebäude mit zu Boden. „Das Schicksal hat die Karten neu gemischt. Kommen Sie. Ich rufe zum Kampf.“ Die Eintrittsluke öffnete sich und eine gigantische Gangway ermöglichte den Einstieg in das Innere des Zeppelins. Schrödinger deutete mit einer Hand auf das ungewisse Schwarz, das tiefer in das Flugobjekt führte. Irgendwo da drinnen waren die letzten versprengten Reste Milleniums. „Das dritte Reich. Seien Sie herzlich willkommen.“, begrüßte uns der Katzenjunge mit einem Lächeln. Ohne weitere Umschweife wandte sich Integra ab und trat auf den Zeppelin zu. „Gehen Sie. Gehen Sie sie töten. Unterwerfen Sie den Feind ein für alle mal.“, forderte Alucard und sie antwortete: „Ja. Ich werde ihn unterwerfen.“ Sein Blick ruhte auf mir. „Du auch, Frischling.“ Ich nickte zerstreut und warf einen letzten Blick auf meinen Onkel, ehe ich Integra folgte. „Ma...Master!“, rief Seras unsicher aus. „Geht mit Seras.“, befahl Alucard. „Die Herrin braucht Gefolge. Geht und beendet den Traum jenes Mannes, der seit 55 Jahren träumt. Der Morgen ist angebrochen. Ich werde den langen Traum des Mannes beenden.“ Unerwartet wandte sich Seras ein letztes Mal an Walter: „Walter! Sir! Es klingt vielleicht komisch, aber… äh… wie soll ich sagen. Vielen Dank für alles. Alles Gute!“ Flüchtig weiteten sich die Augen des ehemaligen Butlers, ehe er lächelte und erwiderte: „Sie auch“ Ich verzog die Miene, als meinem Herz erneut ein schmerzhafter Stich versetzt wurde. „Beeilung!“, forderte Integra die blonde Draculina auf. Dann riss sie ihr Schwert aus dem Boden und streckte es von sich. „Walter! Adieu! Leb wohl und stirb.“ „Sayonara.“, murmelte ich. Vermutlich so leise, dass diese Worte niemand verstanden hatte. Ohne weitere Umschweife erklommen wir die steile Gangway. „Willkommen, die Damen.“, wurden wir von Schrödinger begrüßt, ehe Integra, ohne zu zögern, eine Pistole zückte und dem Jungen in den Kopf schoss. Sie sah nicht zurück. Sie wandte den Blick nicht ab. Sie sah nur noch vorne. Genau so war es. Den Blick nach vorne richten. Genau. So war es richtig. Alucard richtete den Blick auf seinen neuen Gegner. „Das sind gute Mädchen, was?“, fragte er und grinste. „Sie gehören nun mir. Und zwar nur mir! Sie sind nun nur meine Herrin und nur meine Dienerinnen. Sie gehören nicht mehr dir!“ Kapitel 30: Finale ------------------ Finale Gemeinsam bahnten wir drei uns den Weg durch den Zeppelin. Dieser wurde inzwischen von Explosionen geschüttelt und ich spürte, wie die Flammenzungen näher kamen. Die sogenannte Landung, ich würde es Absturz nennen, musste diesem Fluggerät wohl einiges an Schaden zugefügt haben, sodass das Wasserstoffgas, welches in den Ballon gefüllt worden war und für gewöhnlich diesen in der Luft hielt, an einigen Stellen austrat und sich entzündete. Zielsicher führte Lady Integra die Gruppe an. „So kommen wir langsam zum Höhepunkt.“, sagte sie, während hinter uns eine erneute Explosion folgte. Der gigantische Feuerball ebbte rechtzeitig ab, ehe die Flammen uns erreichen konnten. „Jetzt sind wir von Hellsing dran.“ Ich nickte grimmig. Nun war es an uns diesen Alptraum zu beenden und die letzten Reste Milleniums ein für alle Mal zu beseitigen. Als sich uns die ersten der verbliebenen Soldaten entgegenstellten zückte ich mein Katana. Mit einem Aufschrei und gigantischen Schwerthieben enthauptete ich die Vampire, während Seras Lady Integra mit ihrem Schattenarm Schutz gewährt und mir gleichzeitig zur Seite stand. Einem Soldat gelang es allerdings mit einem gigantischen Sprung über unsere Verteidigung zu kommen und hielt direkt auf Sir Hellsing zu, doch diese zückte ihr eigenes Schwert und zerteilte ihn in der Mitte ohne mit der Wimper zu zucken. Ein Blutschwall ergoss sich über ihre Kleidung und ihr Gesicht, doch sie verzog keine Miene. Wir setzten unseren Weg fort. Dort an der Wand, wo sich der Weg gabelte, saß ein einzelner Vampir. Mit einem beinahe verzückten Lächeln sah er Seras und mich an, als wir drohend auf ihn zu kamen. Seras schwang ihre Schatten in der Luft. Ich hatte meine Schwingen gezückt und die Klinge meines Katanas war auf sein Gesicht gerichtet. „Das hat aber gedauert. Seid ihr mein Tod? Seid ihr unser Tod?“ „You bet, asshole.“, knurrte ich und im nächsten Moment schmückte sein Blut den Boden. „Die sterben alle lachend.“, meinte Integra. „Stimmt ja. Die Kerle sind zum Sterben hergekommen.“„Wenn ihr so lebensmüde seid. Wenn ihr so sehr sterben wollt. Dann hängt euch selbst auf!“, brüllte Seras knurrend. „Dreht die Uhr um 50 Jahre zurück und hängt euch auf.“ Das Rauschen eines Mikrofons und dann war da wieder die Stimme des Major: „Das dürfen wir nicht, meine Damen. Einfach nur zu sterben, das geht einfach nicht. Wir sind eben nicht totzukriegen. Die Welt hält uns für unnötig. Alle Menschen wollen uns aus dem Gedächtnis streichen. Aber wir sind eben doch nötig... Für uns selbst. Wir wollen nicht einfach so sterben. Nur das nicht. Dazu braucht es mehr, dass wir sterben! Viel mehr! Und so sind wir hierher gekommen. Auf dass wir es finden.“ Mein Kopf fuhr herum, als ich aus dem rechten Gang mehrstimmige Angriffsrufe vernehmen könnte. Ich überflog die Schilder an der Wand. Um zum Major zu gelangen, musste man den linken Gang nehmen. Rechts lang ging es... Perfekt. Ohne mich nach ihnen umzudrehen, wandte ich mich an Lady Integra und Seras: „Geht ihr voran. Ich übernehme die hier und jeden Nazi, der mir in die Quere kommt. Anschließend zerstöre ich jede einzelne Aufzeichnung, die diese Kerle haben. Jeden Fetzen Papier und alles was mit ihren verfluchten Forschungen zu tun hat.“ Mein Blick verfinsterte sich. „Ich hoffe, ihr werdet dasselbe tun. Tötet jeden Vampire, Werwolf, Ghoul, oder Menschen von Millenium, der euch unter die Augen kommt. Reißt ihnen die Köpfe ab und schmückt die Decke mit ihren Eingeweiden. Sorgt dafür, dass sie nicht mehr aufstehen. Nie mehr. Und vor allem sorgt dafür, dass dieser Major den Mund nie wieder aufmachen wird. Kein Wort darf mehr über seine verfluchten Lippen kommen und nie wieder soll er Unheil über andere bringen können!“ Hinter mir nickte Integra schlicht. „Ich habe verstanden. Wir tun unsere Arbeit. Erledige du die deine.“ Ihre Brillengläser reflektierten die roten Flammen. „Und komm lebend zurück verstanden?!“ Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. Ich nickte ernst und lächelte. Dieser Befehl wurde wohl zur Gewohnheit. „Ryokai!“ Ich drehte mich um und nickte Integra und Seras zu. Ohne weitere Worte zu verschwenden stürmte ich davon und auch die beiden setzten ihren Weg fort. Sogar hier verfolgte mich noch die Stimme des Majors, als ich durch den dämmrigen Gang lief. „Mehr! Es muss noch mehr geben! Es muss noch irgendwo Schlachtfelder geben und Feinde! Die Welt ist groß und voller Wunder und Bedrohungen! Krieg und Feuer breiten sich immer mehr aus! Ich bin sicher in dieser Welt existiert noch ein Schlachtfeld, das uns ernähren kann. Es muss noch etwas anderes geben, das wir zum Sterben brauchen. Ohne das müssen wir endlos immer weiter gehen, auf der Suche nach dem Tod! Deswegen seid ihr uns lieb und teuer! Ihr seid die Sache wert! Ihr seid wunderbar, Hellsing! Denn ihr seid unseren Tod wert und unser Töten!“ Wie aufs Stichwort eröffnete die nächste Vampirgruppe das Feuer auf mich. Schnell brachte ich meine Schwingen vor mich und schützte meinen Körper somit vor den herannahenden Projektilen. Dann stürmte ich mit übermenschlicher Geschwindigkeit los und strich mit einem geschärften Flügel durch die Meute. Jeden, den ich so nicht zu Strecke gebracht hatte, erlöste ich mit einem Streich meines Katanas. Mit einer beiläufigen Geste wischte ich mir einen Blutstropfen von der Wange, während ich dabei zusah, wie die Vampire lächelnd in die andere Welt hinüber glitten. Auch der nächsten Truppe erging es nicht anders. Allesamt starben sie mit einem zufriedenem Lächeln auf den Lippen. Sie hatten ihren Tod gefunden. Ihre Erlösung. Ich war zu einem wahren Todesengel geworden. Ihrem Todesengel. Und ich würde meine Arbeit verdammt noch eins gewissenhaft erledigen! Mit beschleunigtem Puls und Atmung kam ich schließlich vor der Tür des Labor´s an. Auf dem Weg hierhin hatte ich mehrere Erschütterungen und wiederholte Explosionen gespürt und hatte daraufhin den Mund zu einem schiefen Grinsen verzogen. Schien so, als hätten Seras und Lady Integra alle Hände voll zu tun. Hinter der Tür erwartete mich ein erstaunlich leerer Raum. Da lagen keine Leichen herum. Keine Ghouls. Keine halbtoten Vampire. An den Wänden hingen überall Bilder und Dokumente. Einige lagen kreuz und quer über den Boden verteilt und knisterten, als ich auf sie trat. In der einen Ecke des Raumes stand eine blutverschmierte Liege mit nicht mehr sonderlich weißen Lacken und Kissen. Darüber waren Lampen angebracht, wie man sie aus Zahnarztpraxen kannte und das sollte einem ja zu denken geben. Dann standen in dem Raum noch ein paar technische Geräte, deren Sinn ich beim ersten Hinsehen nicht so recht begreifen konnte. Dann gab es noch Regale und Schränke mit verschiedenem medizinischen Werkzeug und Tabletten. Rücksichtslos stieß ich zwei Regale um, als ich durch den Raum schritt. Als ich glaubte irgendetwas zu spüren, drehte ich mich um. Was war das? Mein Blick wanderte im Raum herum und blieb schließlich an einem großen Gegenstand hängen, der mit einem schwarzen Tuch behängt war. Dahinter musste sich etwas ganz Besonderes befinden. Etwas wirklich Wichtiges und etwas Übernatürliches. Das konnte ich spüren. Bedächtig ging ich darauf zu. Wie in Trance streckte ich meine Hand danach aus. Ich hielt inne und fuhr herum, als von irgendwoher Integras Stimme zu mir durchdrang: „Major!“ Wa...? „Schön, dass wir uns endlich mal persönlich begegnen.“, antwortete der Major. Jetzt begriff ich. Irgendwo in diesem Raum mussten sich Lautsprecher befinden, die alles, was im Hauptquartier des Zeppelins, wo sich mutmaßlich der Major und offensichtlich jetzt auch Lady Integra befanden, gesprochen wurde, nach hier unten übertrugen. Nun folgten mehrere aufeinanderfolgende Schüsse. Vom Ton her mutmaßte ich, dass Lady Integra zwei Magazine gegen eine Wand feuerte. „Tut mir Leid, aber so eine Waffe ist zwecklos.“, kam es bedauernd von Anführer Milleniums. „Ich sage Ihnen das als Befehlshaber.“ Noch mehr wütend abgefeuerte Schüsse erklangen. Was mochte da oben wohl vor sich gehen? Ein neuen Geräusch ertönte. Integra musste ihr Schwert gezückt haben und auf die Wand, die scheinbar den Major schützte, damit eingedroschen haben, bis es in zwei brach. „Und ich befürchtete schon, zu spät zur Vorstellung zu komme.“, erklärte Major. „Wie gut, dass ich es noch rechtzeitig geschafft habe.“ Vorführung? Sah er sich etwa gerade in aller Seelenruhe an, wie sich Master und mein jung gewordener Onkel bekämpften? Naja, wäre nicht sonderlich überraschend. Aber was erhoffte er sich davon? War Alucard nicht sein erklärter Erzfeind? Er würde ihn nicht töten können. Mein Onkel war stark, wirklich. Für einen Menschen äußerst fähig. Und mochten seine Kräfte gestiegen sein, da er nun zum Untoten geworden war, hatte er dennoch keine Chance gegen Alucard, oder? „Denn heute Nacht gibt es eine einmalige Show.“, fuhr der beleibte Mann fort. „Und die muss man sich zusammen mit einer schönen Frau ansehen, von einem Logenplatz aus.“ „Schluss mit dem Blödsinn!“, unterbrach Lady Integra ihn rüge, doch der Major lies sich nicht beirren. „Freuen Sie sich drauf, meine Teuerste.“ Der Stuhl, auf dem er offenbar saß, knarzte etwas, als er sich in diesem zurück lehnte. Ich schüttelte den Kopf und rief mich selbst zur Ordnung auf. Ich sollte keine Zeit vergeuden, mal abgesehen davon, dass mit etwas Glück, bald der gesamte Zeppelin in die Luft flog. Ich ging zu den Maschinen und fing an mit meinem Katana blindlings auf sie einzudreschen. War ja egal, was sie bewirkten, Hauptsache sie taten danach gar nichts mehr. Mein Kopf fuhr abermals herum, als plötzlich der Bildschirm, der über dem dreckigen Bett hing, flackerte und darauf Alucard erschien. In einer anderen Gestalt, einer deutlich jüngeren und... nunja weiblichen... aber es war unverkennbar Master. „Dieses Stück wird nur einmal im Jahrhundert gegeben.“, erklärte Major und klang mit sich selbst sehr zufrieden. „Das letzte Mal war 1898. Nosferatu Alucard wird nämlich für immer verschwinden.“ Meine Augen weiteten sich ungläubig. Was? Wovon redete er? Das war unmöglich. Als könnte er allen Ernstes Master töten. Aber der Mann klang dabei so zuversichtlich, so sehr von sich überzeugt. Hatte er noch ein Ass im Ärmel? Ich fixierte Alucards Gestalt auf dem Bildschirm, welcher begann sämtliches Blut der Umgebung, vermutlich sogar ganz Londons in sich aufzunehmen. Wie viele Leben er sich somit wohl einverleiben würde? Das sollte es doch noch schwerer machen, ihn endgültig zu besiegen. Oder war dies Teil des Plans? Weiter kam ich mit meinen Überlegungen nicht, denn in diesem Augenblick spürte ich einen scharfen, stechenden Schmerz in meinem Nacken und ehe ich herum wirbeln konnte, versagten mir meine Beine völlig den Dienst und ich stürzte unbeholfen zu Boden. Verdammt! Was zum...? Ich biss mir auf die Unterlippe. Mühsam gelang es mir, den Kopf zu drehen, sodass ich sah, wer da triumphierend über mir stand. „Ich hätte es niemals zu träumen gewagt, dass du mir so bereitwillig in die Arme fällst.“ Doc lächelte und seine Augen funkelten zufrieden. „Du musst wissen, du bist ein hochwertiges Forschungsobjekt und eine so unendlich wertvolle Ergänzung für meine Forschungen.“ „Kch...“, brachte ich mühsam hervor. Was immer er mir auch injiziert hatte, sorgte dafür, dass mein Körper auf meine stummen Befehle nicht mehr angemessen reagierte. Ich fühlte mich wie benommen. Scheiße, verdammte. Er schritt an mir vorbei und zog eine Fernbedienung unter seinem weißen Laborkittel hervor. Auf Knopfdruck fuhr die Monitorhaltung aus, sodass wir beide bessere Einsicht auf den Bildschirm hatten. Ich konnte sehen, wie Alucard triumphierend lachte und immer mehr Blut in sich aufnahm. „Das ist sein Ende.“, meinte Doc und seine Augen weiteten sich vor Erregung. „Was... soll... das... heißen?“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Oh, wie unhöflich von mir. Du möchtest sicher wissen, was das zu bedeuten hat, nicht?“ Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. Mochten ihm doch bald die Ohren abfallen. „Es läuft alles perfekt. Genau nach Plan.“ Er deutete mit den Zeigefinger seiner rechten Hand auf den Bildschirm und fuhr in der Luft die Konturen des Blutes nach, welche sich um Masters Erscheinung bildeten. „Auf herkömmlichen Wege können wir Alucard nicht besiegen. Er hat sich bereits so viele Leben einverleibt und es kommen immer mehr hinzu.“, begann er mit seinen Erklärungen. „Wenn man ihn tötet, taucht er einfach wieder auf. Immer und immer wieder. Unzählige Male.“ Er lächelte selbstzufrieden. „Aus diesem Grund erschuf ich Schrödinger. Bist du mit dem physikalischen Gedankenexperiment von Erwin Schrödinger vertraut?“ Das war ich tatsächlich, doch ich funkelte ihn nur an. Er fuhr ungerührt fort: „Wenn man eine Katze in eine uneinsichtige Kiste packt, gemeinsam mit einen tödlichen Gift und diesen nicht anrührt, kann man nicht wissen: Ist die Katze bereits tot, oder lebt sie noch? Ihre Existenz ist nur eine vage Wahrscheinlichkeit. Und genau eine solche Existenz ist Schrödinger. Seine Existenz wird Alucards Untergang sein. In wenigen Augenblicken wird er sich den Oberfeldwebel einverleiben und dann wars das für ihn.“ Er schnippte mit den Fingern, ehe er auf den Bildschirm deutete. Master hatte inne gehalten und starrte milde überrascht auf seine Hand, wo sich die Augen, welche auf seiner gesamten Erscheinung prangten, allmählich schlossen. Ich ballte mühsam die rechte Faust. Verdammt, wenn ich mich doch nur bewegen könnte. Verdammt. Nein! Undeutlich nahm ich durch die Lautsprecher wahr, dass Major Lady Integra ebenfalls den Plan erläuterte. Doc´s triumphierendes Lächeln wurde breiter. „Das ist das Ende des No Life King!“, rief er freudig aus, als Alucards Umrisse plötzlich blasser und seine Erscheinung durchsichtig wurde. „Iie... Master!“, rief ich verzweifelt. Auch Integras Stimme hatte sich erhoben: „Alucard!“, brüllte sie. „Nicht die Augen schließen! Augen auf, Alucard! Das ist ein Befehl! Alucard! Bleib hier!“ Mit bangem Blick und zitterten Fäusten, sah ich hilflos dabei zu, wie seine Umrisse immer mehr schwanden. „Nein! Master!“ Alucard, welcher die Stimme seiner Herrin vernommen hatte, lächelte sanft. „Nein... Leben Sie wohl, meine Herrin Integra.“ Dann war er endgültig verschwunden. Der Professor begann triumphierend zu lachen. „Er ist weg! Er ist verschwunden! Wir haben gesiegt! Wir haben Alucard besiegt!“ Nein... Mit einem Augenblick war es, als sei sämtliche Kraft aus meinem Körper gewichen. Verzweiflung stieg in mir auf und eine seltsame Leere füllte mein Herz. Nein. Das konnte nicht... Das durfte nicht sein. Nein. Nein! Ich kniff Lippen und beide Augen fest zusammen. Auch Walter lachte triumphierend. Er hatte gesiegt. Er hatte Alucard besiegt. „Hahahaha! Er ist tot! Er ist tot! Er ist weg! Er ist weg!“ Er sankt zu Boden. „Hahaha!“ Seine Lachen wurde leiser und verstummte schließlich völlig. „Scheiße!“, fluchte er. „War es das, was ich wollte? Ist es das?“ Er spürte, wie sein Körper rebellierte. Lange würde er das nicht mehr mit machen. Ein Schuss ertönte und eine Kugel bohrte sich durch seinen Rumpf. In einiger Entfernung lag Heinkel und hatte ihr Gewehr im Anschlag. Dieser Kerl hatte Yumikou getötet und das Andenken an Pater Andersen entehrt. Das sollte er büßen. „Stirb! Stirb! Stirb! Stirb endlich! Du hast was von diesem Ausmaß getan! Ich bring dich um!“, zischte die blonde Frau. Dank ihrer eigenen Schussverletzung konnte man sie kaum verstehen. „Noch nicht...“, widersprach der junge Walter leise. „Noch... kann ich nicht sterben.“ Noch mehr Schüsse folgten. Der Dunkelhaarige lachte leise. „Das ist das Ende. Das wohlverdiente Ende eines Verräters. Ich werde einfach so ohne weiteres Sterben.“ Er sah die Schützin furchtlos an. „Na los! Schieß.“, forderte er sie auf. Wieder wurde sein zerfallender Körper von Kugeln durchsiebt. Doch er war nicht tot. Durch diese Hand würde er nicht fallen. „Du darfst auf mich schießen. Aber...wer mich töten darf, bist nicht du.“ Mühsam erhob er sich und kämpfte sich mit letzter Kraft, die dieser Körper hergab Richtung Zeppelin. „Ich muss weg...“, keuchte er blutüberströmt. Genau. Er konnte noch nicht sterben. Nicht jetzt. Nicht hier. Schließlich hatte er noch etwas zu erledigen. „Nein!“ Doc jaulte auf wie ein getroffener Hund. Ich hob den Kopf und sah ihn an. Ein schadenfrohes Lächeln umspielte meine Lippen. Der Major war tot. Gefallen durch Lady Hellsings Hand. Geschah ihm Recht. Geschah ihnen allen Recht. „Das wars.“, meinte ich grinsend. „Es ist vorbei.“ Der Professor sah mich gehetzt an und fing an, eine braune Arzttasche unterm Arm, durch den Raum zu laufen, um diverse Dokumente hinein zu stopfen. „Es ist vorbei? Nein. Noch nicht! Gar nicht!“, widersprach er mir lautstark und biss sich auf den Zeigefinger seiner rechten Hand. „Die Technik schreitet voran mit der Hlfe der Naturwissenschaften. Die Forschung macht Riesenfortschritte. Nein! Sie hat schon Riesenfortschritte gemacht! Was sollen wir tun? Was sollen wir tun? Was? Was?! Es reicht noch nicht! Was klappt nicht? Woran fehlt es noch?“ Er wirbelte herum und sein Blick fiel auf mich. „Ja, genau. Frisches Blut. Neues Blut. Dein Blut und Alucards Blut in deinen Adern. Genau.“ Er ballte die zitternde Faust. „Irgendwann, eines Tages, muss sie der ganzen Welt, jedem Menschen zugute kommen. Die Wissenschaft , die wie ein Wunder ist. Das Wunder, das wie eine Wissenschaft ist.“ „Wo willst du hin Grand Professor?“, fragte eine dritte Stimme. Meine Augen weiteten sich flüchtig. „So nicht, Doc. Sei kein schlechter Verlierer. “ Der Doc wirbelte herum. Am Fuße eines der umgestürzten Regale saß Walter. Seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er noch jünger geworden. Sein Körper wirkte wie der eines 14-jährigen Jungen. Zudem war er mit unzähligen Wunden übersät und blutete stark. „Wa... Walter!“, stieß der Mann im Kittel hervor. Der Dunkelhaarige fixierte lächelnd den hochgewachsenen Mann, „Der allerletzte Verbliebene der letzten verbliebenen Nazis hat sicher nichts zu lachen.“ „Mistkerl! Du missratene Kanaille!“, herrschte der Doc ihn an. „Du bist doch selbst ein missratener Verlierer, Doktor.“, erwiderte Walter. „Genau so wie ich und alle anderen, die du gemacht hast. Die Komödie ist zu Ende. Alle Schauspieler müssen abtreten. Oder, Grand Professor?“ „Ko... Komödie?“, wiederholte Doc ungläubig. „Du reißt dein Maul ganz schön weit auf für einen defekten Artikel.“ Walter lachte. „Dieser Kampf.. und diese Welt ist eine Komödie mit einem einzigen Akt, die nur einmal gespielt wird. Und ich... ich wollte darin eine möglichst gute Rolle haben, das war alles.“, meinte er und versuchte sich mit seinem rechten Arm auf die Beine zu ziehen, doch die Knochen und die Haut seines Armes machten nicht mit und so fiel der Arm einfach ab. Sein Körper schien durch die Wandlung so geschwächt worden zu sein, dass er verfielt. Ich betrachtete stumm das Schauspiel. Mein eigener Körper wollte immer noch nicht so recht. Walter lachte leise. „Was für ein schreckliches Ende. Alucard hatte Recht. Erbärmlich was?“, fragte er mit leichtem Seitenblick auf den abgetrennten Arm. Der Doc trat einen Schritt vor und machte eine wütende Handgeste. „Und ein defekter Artikel wie du, ein missratener Flop wie du, wagt es über uns zu lachen? Von einem wie die lasse ich meine Forschung nicht Komödie nennen! Und nicht den Major und das Bataillon verlachen! Nicht von dir! Nicht von einem Ding wie dir!“ Er deutete auf das verhüllende, schwarze Tuch, das mir schon vorher ins Auge gestochen war. Diesmal war ich im Stande die goldene Plakette darauf zu lesen. „No. Anfang: Shi“ Der Anfang? Tod? Was sollte das heißen? Oder stand es für das englische Wort „She“? „Theorien führen zu Fortschritt! Forschung führt zu Fortschritt!“, fuhr er fort. „Durch Praxis entwickelt sich die Wissenschaft. Irgendwann holen wir das hier ein! Eines Tages werden wir Alucard übertreffen!“ Walter lächelte abwertend. „Red keinen Blödsinn. Du und ich.. wir alle werden sterben. Die defekten Artikel sterben alle.“ „Schweig!“, befahl Doc wütend und in Rage zückte er erneut seine Fernbedienung. Doch ehe er einen Knopf drücken konnte, trennte ihm Walter mit seiner Waffe den rechten Arm und das rechte Bein vom Körper. Der Doc taumelte schreiend und riss das schwarze Tuch mit sich, als er zu Boden ging. Ein Skelett kam zum Vorschein. „Mina Harker. Ja genau. Das hier ist euer Lehrmaterial.“, sagte Walter wissend. Ich blinzelte erstaunt. Das war Wilhelmina Harker? Die Mina Harker? Der dunkelhaarige Junge fuhr mit seiner Erklärung fort: „Das einzige Wesen, dass Alucards Blut gesaugt hat... Oder besser gesagt, so war es noch. Bis vor etwa 23 Jahren...“ Sein Blick schwenkte für den Bruchteil einer Sekunde zu mir herüber. „Und bei ihr wollt ihr es genauso machen? Tsk. Lächerlich. Als ob ich das zulassen würde.“ Ich hob den Kopf und sah ihn an. Da Doc nun direkt vor vor stand, blieb mir Walters Gesicht verborgen. Sein Blick ruhte wohl wieder auf dem Skelett, das ein Mina Harker gewesen war. „Der Anfang von allem. Es heißt, sie sei wieder ein Mensch geworden, nachdem Dracula von Hellsing besiegt wurde. Aber Alucard starb nicht. Er lebte weiter in ihrem Inneren.Egal, was mit ihr selbst passiert, tief in ihrem Inneren existiert das Vampirblut, das weder Hostien, Weihwasser, noch Kruzifixe ändern können. Alucard Imitationen. Dafür habt ihr sie exhumiert und sie, die schon fast eine Leiche war, endgültig zur Leiche gemacht. Am Ende habt ihr also nur Kopien hergestellt. Wenn das keine Komödie ist, was dann?“ Die Flammen hatten inzwischen auch diesen Teil des Zeppelins erreicht und das Feuer breitet sich langsam aber sicher im Raum aus. Ich spürte die sengende Hitze. Wenn wir hier nicht bald wegkämen, würden wir alle bei lebendigen Leibe verbrennen. Stand übrigens nicht unbedingt in meiner „So würde ich am liebsten sterben“- Top Liste. Nochmal versuchte ich mich mit Hilfe meiner Arme aufzurichten. Verdammt. Ich kam einfach nicht auf die Füße. Nun stürzte auch Teile der Decke zu Boden. „Die arme Mina.“, meinte Walter bedauernd den Kopf schüttelnd, ehe er wieder Doc fixierte. „Alles soll verschwinden. Alle sollen die Bühne verlassen.... du auch und ich auch.“ Minas Skelett wurde inzwischen völlig von den Flammen verzehrt und Walter brachte mit seiner Waffe einen weiteren Teil der Decke zum Einsturz, die den vor Schmerz schreienden Professor unter sich begrub. „At pinball.“ Der dunkelhaarige Junge lächelte zufrieden und lehnte sich mit einem Seufzer gegen das umgestürzte Regal hinter ihm. Dann hob er den Blick. Zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, sah er mich richtig an. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Diesmal war es ein ehrliches, aufrichtiges Lächeln. Ich wusste selbst nicht so recht, was ich sagen oder fühlen sollte. Also sah ich meinen jung gewordenen Onkel einfach nur an. Er schob sich eine Zigarette in den Mundwinkel, nachdem er sie betont gelassen an dem Feuer, das nun neben ihm wütete, angezündet hatte. „Tut mir Leid.“, begann er. Wolle er jetzt eine Entschuldigungsrede starten? Dafür war keine Zeit, außerdem bedurfte es dieser nicht. Ob ich wütend war? Das hätte ich wohl sein sollen. Schließlich trug er, mehr oder minder, am Verschwinden Masters eine gewisse Mitschuld. Aber das war mir in diesem Moment egal. Genauso wie die züngelnden Flammen, die unaufhaltsam auf mich zu stoben. Ich war einfach nur froh zu sehen, dass er wieder der junge Mann war, den ich aus seinen und Vaters Erzählungen kannte. Alles andere war egal. Millenium war besiegt. Hellsing hatte gesiegt. Master war fort. Und ich würde eben hier verbrennen und meinen Tod finden. So war es nun einmal. Keuchend gelang es mir endlich mich aufzusetzen und etwas näher an meinen Onkel heran zu kriechen. Sein Lächeln wurde breiter. „Willst du mich schlagen? Nur zu. Ich habs verdient.“ Der Schlag blieb aus, stattdessen schnippte ich ihm mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Baka...“, keuchte ich. „Du verdammter Vollidiot.“ Tränen standen in meinen Augen. Dieser verdammte Rauch und der Zigarettenqualm machten es nicht besser. Er schloss die Augen, immer noch lächelnd. „Ja. Ich weiss schon.“, meinte er ergeben. „Aber so ist es nun mal. An dem was Geschehen ist, kann ich nichts ändern.“ Er lies seinen Blick in eine unbestimmte Ferne schweifen. „Ich kann nur... noch das tun... was meine Pflicht ist. Das tun, wofür ich herkam.“ Ich sah ihn fragend an. Ohne zu blinzeln, erwiderte er meinen Blick. Dann streckte er seine Hand aus und drückte mir irgendetwas in die Hand, doch ehe ich einen genaueren Blick darauf werfen konnte, hob er wieder zu sprechen an: „Achte... immer schön auf deine Ernährung. Geh rechtzeitig schlafen und überanstrenge dich nicht. Ruhe dich aus, wenn nötig und gib stets dein Bestes.“ Es war seltsam diese Ratschläge aus dem Mund eines 14 jährigen zu hören. Doch das war nicht das Beunruhigende. Was hatte er vor? Im plötzlichen Begreifen sah ich ihn groß an. „Lebewohl.“, murmelte mein Onkel. Im nächsten Augenblick wurde ich nach hinten geschleudert und fiel ohne Widerstand aus dem Zeppelin. Ich landete unsanft auf dem harten Boden, sodass mir sämtliche Luft aus den der Lunge gepresst wurde. Hastig versuchte ich mich zu fangen und sah zum brennenden Überresten des Zeppelins empor. Dann plötzlich wurde dieser von einer gewaltigen Explosion erfasst und ein gigantischer Feuerball stob daraus empor. Hustend erhob ich mich wieder. Notgedrungen hatte ich mich zu Boden geworfen und versucht mich mit meinen Armen zu schützen. Die Verbrennungen, die ich davon getragen hatte, heilten nur langsam. Ich sah zu dem glühenden Drahtgestell auf, das einst die Deus Ex Machina gewesen war. Meine Augen weiteten sich. „Oji-San!“, stieß ich meine gesamte Trauer in einem einzigen Schrei aus. Ich schlug mit meiner Faust einige Male auf den Boden. „Verdammt. Verdammt! Scheiße. Scheiße!“, fluchte ich, als die Tränen begannen über meine Wange zu fließen. Zum ersten Mal, seit dem Tod meiner Eltern, lies ich meiner Trauer freien Lauf. Erst jetzt bemerkte ich im Gras neben mir die unscheinbar im Feuerschein glänzenden blauen Drähte und ich nahm den Gegenstand, den mein Onkel mir in die Hand gedrückt hatte, genauer in Augenschein. Es war eine Zigarettenschachtel. Ich öffnete diese bedächtig. Darin befanden sich noch einige Zigaretten und etwas Rotes flatterte mir entgegen. Vorsichtig fuhr ich mit meinem Finger darüber, als fürchtete ich, es würde sich jeden Augenblick in Luft auflösen. Es war das Band von Master Alucard, welcher Walter aufgehoben und aufbewahrt haben musste. Und nun hatte er es mir überlassen. Ich nahm das rote Band zwischen die Finger, ballte die Faust und drückte es fest an mich. Es war vorbei. Nun war es wirklich und endgültig vorbei. Kapitel 31: Epilogue/Swan Song ------------------------------ Epilogue/Swan Song Die Nacht war sternenklar und der Vollmond schien. Auch die angenehme Temperatur, die trotz des beginnenden Herbstes herrschte, begleitete mich auf meinem Weg. Bedächtig öffnete ich das Tor und Schritt durch die Reihe der Gräber, bis ich vor dem ankam, welches ich gesucht hatte. Langsam kniete ich mich davor und fuhr sanft mit der Hand über die schwarze Marmorplatte. „Hallo, Papa, Mama, Yuri.“ Ich lächelte. “Entschuldigt, dass ich so lange nicht hier war. Es ist in letzter Zeit viel geschehen.” Mein Blick wanderte über die Grab Inschrift. Zwei Körper würden hier wohl nie zur ewigen Ruhe gebettet werden: Mein eigener und der meines Onkels. Doch alle beide Namen prangten bereits in silbernen Lettern auf dem schwarzen Marmor. Ich war Lady Hellsing dankbar dafür, dass sie bewirkt hatte, dass auch Walters Name eingraviert worden war. Schließlich wussten nur wir, was damals geschehen war. Nach einer Weile erhob ich mich und schritt die Gräber weiter ab. Zu meinem milden Erstaunen, war ich nicht der einzige Besucher in dieser Nacht. Ich lächelte und begrüßte den vor mir knienden Mann: „Guten Abend, Sir Irons.“ Obgleich der ältere Herr nicht mit mir gerechnet hatte, lies er sich nichts anmerken und stand auf. „Guten Abend.“ In diesem Augenblick sah ich, wofür Sir Irons hierher gekommen war. Er hatte an Arthurs Grab drei Krüge und eine Flasche Bier abgestellt, als Andenken an seine beiden verstorbenen Freunde und ihre gemeinsamen Erinnerungen. Ich kniete mich vor das Grab, senkte andächtg das Haupt und legte meine beiden Hände aneinander. Ein trauriger Ausdruck schlich sich auf mein Gesicht, als ich ebenfalls der beiden guten Männer gedachte. Der Kies knirschte, als sich Sir Irons abwandte und sich anschickte den Friedhof zu verlassen. Kurz vor der Pforte blieb er stehen. „Alexandra?“ Ich hob leicht den Kopf. Sir Irons hiel seinen Zylinder fest und sah weiterhin gerade aus. „Ich habe dir all die Jahre unrecht getan. Dafür möchte ich mich entschuldigen.“, sagte er leise, aber mit fester Stimme, ehe er in seinen Wagen stieg und sich von seinem Chauffeur davon fahren lies. Ich sah ihm lange hinterher, dann widmete ich mich wieder dem Grab und meinem stillen Gebet. Wir machen nun einen kleinen Zeitsprung. Seit dem großen Endkampf mit Millenium sind inzwischen 30 Jahre vergangen. Es hatte zu viele Verluste zu betrauern gegeben. Doch die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden. Jedenfalls alle physischen. Narben auf der Seele verschwinden nie ganz. Sie bleiben dort und prägen uns. Sie machen uns verletzlich und gleichzeitig auch stark. Jede Narbe hat eine Geschichte zu erzählen. Aus der Vergangenheit gilt es zu lernen, auf dass die Fehler nicht in der Zukunft wiederholt werden. Das ist unsere Aufgabe. Die Aufgabe eines jeden einzelnen. In diesen dreißig Jahren hatte ich massig Zeit gehabt, mich zu entwickeln. Sowohl mental, als auch physisch. Ich hatte einige bedeutende Einsätze gehabt, einschlägige Erfahrungen gesammelt und die ersten Seelen in mich aufgenommen. Möglicherweise werde ich ein anderes Mal davon erzählen. „Schluss. Der Sieger steht fest! Lady Integra.“, verkündete Seras und die beiden Fechter trennten sich voneinander. Lady Integra, mittlerweile eine würdevolle Frau älteren Kalibers, zog sich die schützende Maske vom Haupt. Ein langsames Klatschen zog die Blicke aller Anwesenden auf die Gruppe, die durch die Tür gekommen war. Es waren drei Abgesandte der 13. Abteilung Iscariots. „Fabelhaft! Fabelhaft! Sie fechten immer noch meisterhaft.“, lobte Makube, der neue Leiter der Abteilung. „Ich dachte, ich hätte gesagt, Sie sollen im Empfangszimmer warten.“, sagte Integra. „Nein, nein. Also das Warten passt uns gar nicht.“, erwiderte der silberhaarige Mann mit der Narbe über dem rechten Auge gelassen. „Im Übrigen wir haben ja gewartet, aber bekamen nichtmal einen Tee serviert. Und dann wurden wir des Wartens überdrüssig.“ „Nun...“, mischte ich mich ein und kam mit Tablett auf der Hand näher, auf welchem gefährlich drei Tassen Tee schwankten. Jetzt, da mein Onkel nicht mehr war, übernahm ich die Pflichten des Butlers. So wie er es mich einst gelehrt hatte. Sollte natürlich nicht heißen, dass ich auf die Jagd oder den Kampf verzichtete. „Das gestaltet sich etwas schwierig, wenn Sie bereits den Raum verlassen haben, wenn ich Ihnen den Tee servieren möchte.“ Makube lächelte entschuldigend. „Das tut mir aber außerordentlich Leid.“ Als ob. „Sie können hier nicht einfach frei herumlaufen, wie es Ihnen gefällt.“, rief Lady Integra die Herrschaften zur Ordnung. „Gehen Sie zurück.“ „Ja, ja.“, machte der Leiter der 13. Abteilung ergeben. „Gehen wir zurück.“ Als er an mir vorbei lief, fragte er: „Sie gestatten?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er sich eine Tasse von Servertablett und verlies den Raum. Seine Begleiter folgten ihm. Einer der beiden, eine alte Bekannte, grinste Seras und mir schief zu. Heinkel hatte sich von ihrer Gesichtsverletzung nie ganz erholt und es war manchmal etwas mühsam, ihre Worte zu verstehen. Lady Integra wandte sich an ihren Fechtschüler: „Wir machen Schluss für heute. Vielen Dank an sie alle. Die Versammlung hat sich hiermit aufgelöst.“ Ihr Blick ruhte nun auf dem Mann, mit dem sie vorher gefochten hatte. „Lord Penwood Jr, ich danke Ihnen. Sie haben sich sehr gesteigert im Fechten.“ „Ja... Ich meine...Nein.“, stotterte Sir Penwoods Enkel unsicher. „Ich bin noch lange nicht gut genug... Vielen Dank...“ Er zögerte, ehe er sich ein Herz fasste, um weiter zu sprechen: „Sie... ähm... haben auch mit Opa... ich meine... meinem Großvater gefochten, nicht wahr?“ Mein Blick wanderte zur erwartungsvoll zu Integra. „Ihr Großvater...“, begann diese bedächtig, ehe sie tief Luft holte und wie eine Maschinenpistole los ratterte: „... Warf heranrückenden Nazisoldaten zu Boden und riss sie in Stücke. So etwas gab es in ganz England nicht noch einmal. Einen Feind nach dem anderen hieb er genau in zwei Stücke. Am Ende soll er sich eine Bombe umgeschnallt und ein feindliches Luftschiff zur Explosion gebracht haben “ Ich hielt ein Grinsen zurück. Es gab eben verschiedene Wege Sir Penwoods Andenken zu ehren. Sir Penwood Jr. blieb eine Weile erstaunt stumm, ehe er fragte: „Sie flunkern, nicht wahr?“ „Doch es stimmt. Er war Englands Schutzengel. Ich bin damals da mit hinein geraten und habe mein linkes Auge verloren“, behauptete sie. „Es ist wirklich wahr. Wirklich. Da es wirklich stimmt, bitte ich um Geld für einen neuen Helikopter.“, fügte Lady Hellsing schließlich ihre Forderung hinzu. „Was, schon wieder?!“, rief der junge Mann ungläubig aus. Integra lies sich nicht beirren. „Ich bitte darum.“ „J...Ja...“, gab Sir Penwood klein bei, ehe er aus dem Raum stürmte. „Das ist sicher schrecklich für ihn und die ganze Familie.“, meinte Seras. „Reden Sie nicht schon wie die Mafia?“ „Nein, das ist gut.“, entgegnete Lady Integra. „Es soll ruhig hart für ihn sein. Da muss er jetzt durch. Gnadenlos. Wenn ich sterbe, ist es auch mit Hellsing zu Ende. Dann übernimmt seine Familie. Danach sollte ein staatliches Organ unter Leitung der Regierung diese Aufgabe übernehmen. Die Zeiten, in denen Familienunternehmen über Generationen hinweg solche Organisationen angeführt haben, sind vorbei.“ Ich senkte etwas den Blick. An diese Zeit, ohne Integra, ohne Hellsing, mochte ich gar nicht denken. „Außerdem bin ich ein wenig müde.“ „Eh? Das sieht man Ihnen aber gar nicht an.“, meinte Seras und warf mir einen kurzen Blick zu. „Wenn Sie das Fechten so überanstrengt, warum übernimmt das nicht Alex für Sie?“ Ich grinste verschmitzt und erinnerte mich an die einige Male, die ich mit Sir Penwood Jr. gekämpft hatte. Auch wenn ich mich zurück gehalten hatte, hatte ich den armen Jungen jedes Mal vernichtend geschlagen. Irgendwann hatte er nur noch zitternd vor mir gestanden und sich gar nicht mehr gewehrt. „Darum geht es nicht.“, mischte sich Integra ein. „Heute morgen im Spiegel habe ich schon wieder ein paar neue Falten entdeckt. Und irgendwie erinnerten mich diese Falten an Walter.“ Sie lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Ich studierte ihr Profil. „Naja. Ich finde nicht, dass Sie meinem Onkel ähneln.“, meinte ich und hob mit geschlossenen Augen einen Finger. „Er hatte nämlich weniger Falten unter den...“ Weiter kam ich nicht, den Integra fuhr herum und versetzte mir einen heftigen Schlag ins Gesicht. „Idiotin!“ Ich grinste entschuldigend. „Nehmen Sie es sich doch nicht so zu Herzen”, versuchte Seras sie zu beruhigen. „Haben Sie die Sache nocht nicht überwunden? Reden Sie nicht vom Sterben.“ Sie begann zu grinsen und unseren Master zu imitieren. „Wenn Sie wollen, kann ich von Ihrem Blut trinken . Sehen Sie? Ich bin schon wie der Master.“ Dafür erntete die blonde Draculina einen Tritt ins Gesicht. „Deswegen muss man doch nicht gleich zutreten!“, beschwerte sie sich. „Ich verbitte mir die dummen Witze.“, keifte Integra. „Ihr ändert euch schließlich nie, auch nach Jahrzehnten nicht.“ Sie funkelte uns beide an, ehe sie wieder lautstark ihrem Ärger Luft machte: „Und überhaupt, was macht Alucard, dieser Idiot? Der lässt sich überhaupt nicht mehr blicken.“ Sie sah Seras vorwurfsvoll an. „Du hast doch gesagt, dass er zurück kommt, oder?“ „Er kommt auch zurück. Dass weiss ich genau.“, antwortete die blonde Draculina selbstsicher, öffnete die obersten Knöpfe ihrer Uniform und gab somit den Blick auf die Bisswunde frei, die ihr Alucard vor wenigen Monaten zugefügt hatte. „Er hat schließlich von meinem Blut getrunken.“ Auch wenn Master ebenfalls mein Blut getrunken hatte und ich seines, war mein Optimismus nicht ganz so grenzenlos. Aber das lag eben an meinen Charakter. Integras Schnauben unterbrach mich in meinen Gedanken. „Du sagst schon seit 30 Jahren, dass er kommt. Seit 30 Jahren! Außerdem bist ein Vampir, da mag das egal sein.“ „Und als Vampir kriegt man keine Falten.“ Ich zog spöttisch beide Augenbrauen in die Höhe. Autsch. „Du böses Kind! So ein freches Mundwerk“, schellte die alte Dame und kniff in Seras Wange. Whoah! Das Großmutterimage passte immer besser, aber das behielt ich ausnahmsweise lieber für mich. „E-entschuldigung. Verzeihen Sie mir!“, wiederholte die gepeinigte Seras gequält. Lächelnd wandte ich mich auf und lies die beiden Streithähne alleine. „Vergessen Sie nicht das Treffen mit der 13. Abteilung.“, erinnerte ich Lady Integra lediglich. Die warteten ja noch immer irgendwo im Gebäude. Nachdem ich das Tablett und den nicht getrunkenen Tee weg gebracht hatte, stieg ich die Treppen in den Keller hinab und suchte das alte Verlies auf. Dort, wo vor Alucard vor vielen Jahren einst eingesperrt geworden war, bewahrte die Hellsing Organisation nun das Einzige auf, was von ihm übrig geblieben war: Sein schwarzer Sarg und den Stein mit einem Pentagramm, das mit seinem Blut gezeichnet war. Nur sein rotes Band nicht. Das trug ich stets bei mir. So glitt ich durch die geschlossene Tür und setzte mich andächtig, wie ich es die vergangenen letzten 30 Jahren regelmäßig getan hatte, neben Masters Sarg um ihn still zu betrachten und dabei meinen ganz eigenen Gedanken nachzuhängen. Ich blinzelte und hob den Kopf. Ich musste wohl ein genickt sein. Ich hatte meine Hände auf die schwarze Totenkiste gelegt gehabt und meinen Kopf darauf gebettet. Ich erhob mich und sah ein letztes mal auf Masters Sarg hinab. Alles wirkte unverändert. Dann ging ich in meine eigenes Zimmer zurück. Ich hockte mich auf meine Couch, holte meinen Handhelden aus der Schublade und begann zu spielen. Zwischendurch fluchte ich einige Male leise, lies das Gerät sinken, nur um den schweren Bosskampf dann wieder aufzunehmen. Oh nein! Jetzt gab ich nicht auf. Gerade, als der Gegner zu Grunde ging, hielt ich inne. Ich schreckte hoch und lies den Handhelden abermals sinken. Das konnte doch nicht... Ich glaubte eine überwältigende Aura zu spüren und sprang auf die Füße. Mein Herz begann schneller zu klopfen. Master! Ich folgte meinem Gefühl und meiner Intuition und sprintete los. Als dann noch mehrere Schüsse erklangen, war mein Ziel klar: Integras Schlafgemach. Seras war vor mir angekommen und blieb verdattert im Türrahmen stehen. Mein Herzschlag drohte für den Bruchteil einer Sekunde auszusetzen, als ich an ihr vorbei in Sir Hellsing Zimmer sah. An der Wand gelehnt, saß dort laut lachend Master Alucard. Er war genau so wie ich ihn in Erinnerung behalten hatte. Sein Lachen. Seine Stimme. Sein schwarzes Haar. Sein roter Mantel. „Welch gewaltsame Begrüßung.“, meinte Alucard lächelnd, während die Wunde, die Integra ihm zugefügt haben musste, zu bluten begann. „Und dieser Lärm... Genau wie früher.“ „Master“, rief Seras erfreut aus. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und meine Augen funkelten sanft. Ich glaubte Tränen in meinen Augen zu spüren. Tränen der Freude. Dieses Wiedersehen drohte mein Herz zu zerreißen. Master, nach all diesen Jahren. Er drehte sich nicht zu uns um, sein Augenmerk lag auf seiner Herrin, welche sich im Bett aufgesetzt hatte. „Du kommst spät, Alucard.“, tadelte sie ihn. „Was hast du denn getrieben?“ „Weiter gemordet.“, antwortete der Vampir. „Und zwar die Leben in mir drin.3424867 Leben. Ein einziges habe ich ausgelassen. Sonst hab ich alle komplett ausgelöscht. Nun bin ich hier. Nun bin ich nirgendwo, aber kann überall sein. Deshalb bin ich hier.“ „Du bist zu später.wiederholte seine Herrin. „Du bist zu spät, Alucard.“ Er legte lächelnd den Kopf schief. „Tut mir Leid.“ „Wolltest du etwa mein Blut trinken?“, fragte Integra. Masters Augen weiteten sich, wie die eines hungrigen Hundes. „Ja, genau!“, rief er gierig aus. „Ich habe seit 30 Jahren nichts mehr gegessen. Ich hab Hunger.“ „Ich bin mittlerweile schon Oma!“, erwiderte Integra und fixierte den Vampir. „Das macht nichs.“, entgegnete Alucard und sah gespannt dabei zu, wie sich Integra in ihren rechten Ringfinger biss und ihm das Blut in den Mund tropfen lies. „Willkommen daheim, Graf.“, begrüßte sie ihn lächelnd. „Ich bin wieder da, Gräfin.“, sagte Alucard, ehe er seine Zunge ausfuhr und das frische Blut kostete. Erst, als er genug Blut zu sich genommen hatte, erhob sich Master. Sein Blick ruhte auf seinen beiden Schülern und er grinste breit. „Willkommen daheim.“, zwitscherte Seras fröhlich und ich schloss mich ihr an: „Okarinasai, Master.“ Alucard grinste. „Ja. Seras, Alexandra. Ich bin wieder da.“ Und das würde er hoffentlich bleiben. Jetzt und für immer. Meine rechte Hand legte sich über mein Herz. Zwischen meinen Fingern hielt ich immer noch das rote Band umklammert. Mein warmer Blick lag auf Masters Gesicht und wieder schlug mein Herz einen Takt schneller. Seine Wiederkehr lies all meine Gefühle für ihn neu entfachen und mich nicht im geringsten daran zweifeln, dass ich immer an seiner Seite sein und bleiben wollte. Egal, was die Zukunft auch mit sich bringen mochte. Kapitel 32: Zusatzkapitel : Pfad der Finsternis ----------------------------------------------- Ich spürte den Ernst der Situation, noch ehe ich in Sir Hellsings Büro trat. Die blonde Frau hob gehetzt den Kopf, als ich eintrat und legte den Hörer auf. Ich suchte ihren Blick und stellte das Teetablett auf ihrem Schreibtisch ab. „Probleme?“, erkundigte ich mich. Die Stirn der jungen Frau hatte sich in tiefe Falten gelegt und ihr verbliebenes Auge verengte sich zu einem Schlitz. „Allerdings.“, presste sie hervor. Mein Blick fiel auf ihre geballte Faust, welche etwas zitterte. „Was ist passiert?“ Integra erhob sich und wandte sich dem Fenster zu, durch welches die helle Morgensonne strahlte. Sie verschränkte die miteinander ringenden Hände auf ihrem Rücken und es dauerte eine Weile, bis sie antwortete: „Wir haben Meldung darüber erhalten, dass eine Gruppe Vampire Angehörige der Konferenzteilnehmer in ihre Gewalt gebracht haben. Sie hinterließen den Polizeikräften einige kryptische Botschaften, aus welchen wir schließen können, dass sie ihre Geiseln öffentlich hinrichten wollen.“ Das war wirklich ein Problem. Ich sog geräuschvoll Luft zwischen meinen Zähnen hindurch, ehe ich ernst nickte. „Wie gehen wir weiter vor?“ Es klang so, als hätten wir für lange Diskussionen keine Zeit. „Wir werden mit der Polizei von London zusammen arbeiten, die uns in diesem Fall unterstützen.“, erklärte Lady Hellsing. „Wir haben noch 43 Minuten, ehe sie ihre erste Geisel töten.“ Ohne weitere Umschweife griff sie nach ihrem Mantel. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Gehen wir.“ Wie ein Schatten folgte ich Lady Integra in das Polizeipräsidium. Die Beamten waren in höchster Alarmbereitschaft und in dem Gebäude ging es zu, wie in einem Bienenstock, sodass unsere Ankunft zunächst nicht bemerkt wurde. Nachdem sich Sir Hellsing auf ihre autoritäre Weise Verhör und Aufmerksamkeit verschafft hatte, führte uns der Einsatzleiter in einen separaten Raum, um uns auf den aktuellen Stand der Ermittlungen zu bringen. Ich lehnte mich etwas vor und studierte das Gesprächsprotokoll, welches vor Integra auf dem Tisch lag. »Jedes Mal, wenn die Glocken zur vollen Stunde schlagen, wird ein Opfer an einem der Knotenpunkte des Pfades der Dunkelheit gebracht. Zwölf die Fesseln. Die Ketten werden gesprengt. Dreizehn das Blut von seinem Blute. Die Midians werden sich erheben und die Menschen unterwerfen. Die Dunkelheit wird erstarken und den Tag verdunkeln. Lasst uns unsere Fesseln abwerfen und uns der Welt offenbaren, Brüder und Schwestern der Nacht. Lasst uns den Menschen das Fürchten lehren.« Ich blinzelte und sah auf. Jede Stunde. Also würde dieses Ritual um Mitternacht vollzogen sein. Wie symbolisch. Das erste Opfer würde binnen der nächsten Minuten sterben. Verdammt. Ich biss mir auf die Unterlippe und dachte angestrengt nach. Das waren zu wenige Hinweise und zu wenig Zeit, um den richtigen Ort ausfindig machen zu können. Meine Gedanken galten nicht nur den Opfern, den Angehörigen der Konferenzteilnehmern, sondern auch deren Familien. Die Ohnmacht und Machtlosigkeit musste unerträglich sein und deshalb würde ich nicht untätig bleiben und alles in meiner Macht stehende tun, um die Menschen wohlbehalten zurück zu ihren Liebsten zu bringen. Plötzlich öffnete sich die Tür mit einem lauten Knall und Sir Hugh Irons höchstpersönlich trat – unter lautstarkem Protest eines Beamten - ein. Ich beugte höflich das Haupt, als er sich zu den anderen an den Tisch gesellte. Trotz seines hohen Alters dachte er gar nicht an seinen Ruhestand ... und schon gar nicht an seinen Blutdruck. Mit präzisen Fragen und befehlsgewohnten Tonfall erkundigte er sich nach der aktuellen Situation. Ich wusste genau, dass der ältere Herr hinter seinen harschen Worten und dem rauen Ton lediglich seine Sorge zu verbergen versuchte. Sorge um das Wohlergehen der Entführten und besonders um das seines eigenen Enkelsohnes. Lady Integra hatte inzwischen eine Zigarre angezündet und kaute nachdenklich auf dem Glimmstängel herum. Im Augenblick waren wir alle zur Untätigkeit verdammt. Und das schmeckte meiner Wenigkeit ganz und gar nicht. Frustriert ballte ich meine Faust und zermarterte mir das Hirn, in der Hoffnung zu irgendeiner neue Erkenntnis zu gelangen. 12 Uhr Als die Glocken zur Mittagsstunde schlugen, stürmte ein weiterer Beamter in dem Raum und wandte sich hektisch an alle Anwesenden: „Hören Sie sich das an!“ Mit diesen Worten stellte er einen Telefonhörer auf den Tisch. Aus dem Gerät drangen undeutliche, verzerrte Laute. Darunter ein verzweifelter Schrei und ein bestialisches Grunzen, wie mir bald klar wurde. Mein Blick verhärtete sich. Ich kannte diese Geräusche nur allzu gut, ebenso wie Sir Irons und Lady Integra. Es handelte sich um den Todeskampf eines Mannes, welcher bei lebendigem Leibe von Untoten zerfleischt und gefressen wurde. „Woher kommt dieser Anruf?“, verlangte Sir Irons zu wissen. „Whitby. Borough.“, antwortete der Mann. „Wir haben bereits die Kollegen vor Ort informiert.“ Sir Irons schnaubte. Für den Mann kam jede Hilfe zu spät. Abgesehen davon würden die Beamten den Vampiren als zusätzliche Nahrung dienen, weshalb Integra augenblicklich Kraft ihres Amtes befahl, diesen Befehl zurück zu nehmen. Ich mischte mich in das Gespräch nicht ein und blieb während der nach folgenden Diskussion stumm. Integra wies die Beamten währenddessen an, ihren Kollegen zu übermitteln, dass sie das Gebiet, aus welchem der Anruf kam, weiträumig absperren sollten, um weitere Todesopfer zu vermeiden. Sir Irons bellte auch einige hektische Befehle. Ich hielt indes meinen Blick gesenkt und dachte angestrengt nach. Wir hatten noch eine Stunde. Dann würden die Vampire ihr nächstes Opfer fordern. Urplötzlich erstarb der Lärm am anderen Ende der Leitung und eine tiefe, wohlklingende Stimme ergriff das Wort: „Das erste Opfer wurde gebracht. Die Dunkelheit wird Einzug halten. Denn die Toten reiten schnell.“ Mit diesen Worten legte er auf. Ich blinzelte, als erwachte ich aus einer tiefen Trance. Ich wandte mich an den Polizisten, der zuvor in den Raum gestürmt war: „Woher sagten Sie kam der Anruf?“ „Ähm... Aus der Nähe des Hafens von Whitby.“, antwortete er. Integra studierte mein Gesicht. Sie schien zu ahnen, dass mir eine Idee gekommen war. „Woran denkst du?“ Ich hob den Blick und sah sie an. „Whitby. Die Demeter.“ Die blonde Frau verstand worauf ich hinaus wollte und ihr Auge weitete sich flüchtig. „Du glaubst ... ?“ Ich nickte schlicht. Die Leiterin der Hellsing Organisation schien eine Weile darüber nachzudenken. Sir Irons blickte uns verständnislos an. Ungehalten schnitt seine Stimme durch die Stille. „Was hat das zu bedeuten? Besitzt jemand die Freundlichkeit mich aufzuklären?“, fragte er scharf. Integra sah ihn an und hob zu der verlangten Erklärung an: „Brams Stoker´s Dracula. Der Hafen in Whitby ist der Hafen, an welchem Dracula anlegte, als er nach England übersetzte.“ Auch die Augen des alten Mannes verengten sich. „Soll das bedeuten ....?“ „Wir können zumindest davon ausgehen.“, räumte Sir Hellsing ein. Nun ergriff meine Wenigkeit das Wort: „Denn die Toten reiten schnell.“, zitierte ich und wiederholte somit die letzten Worte des Mannes am Telefon. „Ursprünglich ein Auszug aus Burger´s Lenore, welches wiederum in Bram Stoker´s Roman zitiert wird. Einige transsylvanische Bürger beschrieben so die Ankunft Dracula´s in Verkleidung eines Kutschers.“, erklärte ich schließlich. Sir Irons lies sich unsere Worte durch den Kopf gehen, dann nickte er langsam. „Wo werden sie als nächstes zuschlagen?“ Ich griff nachdenklich an mein Kinn und legte den Kopf etwas schief. „Wenn wir davon ausgehen könnten, dass sie Dracula´s Pfade in England rekonstruieren, könnte ihr nächster Tatort London sein. Allerdings ... “ Ich warf einen Blick in die Runde, die an meinen Lippen hing. „Allerdings verweilte Dracula eine ganze Weile in Whitby.“ „Wir sollten Einheiten an sämtliche, potentielle Schauplätzen postieren.“, schlug der Einsatzleiter vor und sah die anwesenden Autoritäten erwartungsvoll an, doch sein Vorschlag wurde zugleich abgeschmettert. „Mit Verlaub ...“, schaltete ich mich ein. „Aber ich befürchte ihre Männer sind den Vampiren nicht gewachsen.“ Integra nickte zustimmend. „Sie wären nur ein gefundenes Fressen für diese Monster.“, warf sie ein. „Zudem müssen wir sicher sein, dass die Situation in Whitby nicht eskaliert.“ Sie sah mich ernst an. „Kannst du dich der Sache annehmen?“ Grübelnd verzog ich den Mund. Es war eine Sache von London nach Whitby zu kommen. Hinzu kam noch die knapp bemessene Zeit und die Tatsache, dass ich Lady Hellsing ungern ohne Personenschutz zurück lies, wenn sich eine solche Krise ankündigte und ausbreitete. Ihre Stimme unterbrach mich in meinen Gedanken: „Ich werde in der Zwischenzeit die Ermittlungen von hier aus leiten. Seras soll das Hauptquartier überwachen. Ich werde veranlassen, dass die Konferenzteilnehmer und ihre Familien dort unterkommen werden, solange die Krise noch andauert.“ Sie stützte ihr Kinn auf ihre gefalteten Hände. Ihre Brillengläser reflektierten das Sonnenlicht. „Du wirst dich unverzüglich auf den Weg nach Whitby machen und sofort nach London zurückkehren, wenn du sicher gestellt hast, dass die Situation dort unter Kontrolle ist.“ Nun war es also zu einem Befehl geworden. Jetzt war es eine offizielle Mission. Ein schiefes Grinsen erhellte meine Züge. „Sehr wohl, Mylady.“, erwiderte ich und neigte mein Haupt. Ein sanftes Lächeln umspielte Integra´s Lippen. „Gut.“ Sie wandte sich an den Einsatzleiter: „Wir setzten auf Ihre Unterstützung.“ „Eh ... ja.“, erwiderte der Mann, etwas verdattert. Ich verbeugte mich ein letztes Mal tief vor den Anwesenden und wandte mich zum Gehen. Integra´s Stimme stoppte mich, ehe ich die Tür erreichen konnte, die nach draußen führte. „Bleib mit uns in Verbindung und beeil dich!“, befahl sie. Ich salutierte flüchtig. „Ryokai.“ Wie ein geölter Blitz pflügte ich durch den blauen Himmel der englischen Hauptstadt. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. In meinem Kopf stellte ich Berechnungen an. Nicht einmal mehr eine Stunde blieb mir, ehe die Vampire ihr nächstes Opfer forderten. Bis dahin musste ich die Bedrohung an Hafen eindämmen und versuchen den nächsten Knotenpunkt ausfindig zu machen. Wenn ich mein derzeitiges Tempo aufrecht erhielt, welches ungefähr nahe Schallgeschwindigkeit liegen dürfte, würde ich es binnen fünfzehn Minuten nach Whitby schaffen. Folglich blieben mir anschließend dreißig Minuten für die bevorstehenden Aufgaben. Grimmig nickend beschleunigte ich meinen Flügelschlag. Erschöpft sank ich auf meine Knie, als ich in Sichtweite des Hafens landete. Diese Langstreckenflüge zerrten eine Menge Energie, doch ich hatte keine Zeit um mich auszuruhen. Entschlossen kämpfte ich mich schwer atmend zurück auf meine Beine. Ich atmete einige Male tief durch und blinzelte um die aufkommenden Erschöpfungssyndrome zu vertreiben. Ein lauter Aufschrei verriet mir, wo mein Typ verlangt wurde. Schwer atmend stand ich über dem Leichenberg aus Vampiren. Ich kniete mich neben den leblosen Körper des jungen Mannes auf den Boden und schloss seine starren Augen. Die Vampire hatte keinerlei Gnade gezeigt und ihn bis auf den letzten Blutstropfen ausgesaugt, wie eine Konserve. Ich schloss andächtig meine Augen und hob meine rechte Hand, wobei der Daumen derselbigen in meine Richtung gewandt war. Er hatte seinen Frieden gefunden und würde nicht wieder aufwachen. Die örtliche Polizei hatte den Tatort weiträumig abgesperrt, so wie es Sir Hellsing zuvor befohlen hatte. Ich bat einen Beamten sich des leblosen Körpers des jungen Menschen anzunehmen, auf dass er seine letzte Ruhe in seiner Heimat finden würde. Dann zücke ich mein Handy und wählte Integra´s Nummer. Nach einem knappen Bericht meinerseits, erkundigte ich mich nach dem aktuellen Ermittlungsstand. Die Konferenzteilnehmer hatte man bereits in Sicherheit gebracht und sie hatten noch knappe 25 Minuten, ehe die Vampire zum nächsten Mal zuschlugen. Ich zog meine Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. Der Initiator dieser irren Schnitzeljagd hatte die Polizei erneut kontaktiert und einen weiteren Hinweis hinterlassen: »Nach unserem Triumph stoßen wir mit einem Glas Sherry an. Das hätten wir fürs erste. Schachmatt! « (The first gain is ours. Check to the king.) Meine Augen verengten nach nachdenklich. „Kannst du dir einen Reim darauf machen?“, erkundigte sich Integra über das Mobiltelefon. Ich schwieg bedächtig und dachte über die Worte des Vampires nach. „Lucy Westenra.“, murmelte ich schließlich. „Dracula´s erstes Opfer in England. Laut dem Roman lebte und starb sie in einem Anwesen hier in Whitby. Ihre weiblichen Angestellten wurden mit Narkotika, genauer gesagt Laudanum, eine Opiumtinktur, betäubt, welches in einer Karaffe Sherry gemischt worden war, ehe ihr der Graf zum letzten Mal das Blut aussaugte.“ Integra runzelte die Stirn. „Der nächste Knotenpunkt?“ „Likely.“, antwortete ich. „Jetzt gilt es nur noch das Anwesen ausfindig zu machen.“ „Halt dich ran. Du hast noch zwanzig Minuten, ehe diese Monster wieder zuschlagen.“, erinnerte die blonde Frau und ich nickte. „Ich habe verstanden.“ Mit diesen Worten war das Telefonat beendet. Zwanzig Minuten um ein großes Haus in einer Kleinstadt ausfindig zu machen sollte möglich sein. Ich wandte mich erneut an einen der Polizeibeamten: „Entschuldigen Sie, aber können Sie mir sagen, wo ich das Anwesen der Westenras finde?“ Ein weiterer Aura Scan führte zu keinem Ergebnis. Der Mann erwiderte meinen Blick verwirrt. „Wie bitte?“ „Es ist höchst wahrscheinlich, dass das Anwesen den Eigentümer gewechselt hat ... “, fügte ich hinzu. „ Und sich nun im Besitz der Familie Holmwood befindet.“ Der Beamte verzog ahnungslos die Mundwinkel und zuckte mit den Schultern. Ich nickte langsam. „Ich danke Ihnen trotzdem.“ Ich warf einen flüchtigen Blick auf meine Armbanduhr. Mir blieben kaum noch fünfzehn Minuten. Ich bezweifelte, dass der gute Mann dermaßen ortsunkundig war,dass er sich nicht an ein prächtiges Anwesen einer angesehenen Familie erinnern konnte. Ich schloss meine Augen und sammelte alle Informationen in meinem Kopf, die ich über Lucy Westenra und ihr Zuhause hatte und zusammentragen konnte. Hillingham. Ein Haus am Crescent in einem grünen Tal, durch welches der Fluss Esk floss, ehe er in einem breiten Strom ins Meer mündete. Soweit passte die Beschreibung zu dem Bild, dass ich vor Augen hatte. Aber dennoch lies mich das Gefühl nicht los, etwas entscheidendes übersehen zu haben. Hatte ich mich geirrt? Mein Blick blieb auf der St. Mary Church hängen. Dort war Lucy Westenra zum ersten Mal auf Dracula gestoßen, wenn man dem Roman Glauben schenken mochte. Doch deutete das Zitat eindeutig auf ein späteres Event in dem Buch hin. Da traf mich die Erkenntnis urplötzlich wie ein Blitz und ich schwang mich erneut in die Lüfte. Mein Ziel: London. Mir war nämlich ein Artikel eingefallen, den ich vor geraumer Zeit online während einer Recherche, gelesen hatte. Das Pendant zu Hillingham lag gar nicht in Whitby, obgleich sich ein Teil der Geschichte dort tatsächlich zugetragen hatte. Das Gebäude befand sich in der englischen Hauptstadt. Genauer gesagt im Stadtteil Chelsea im Westen Londons. Ich legte einen Zahn zu. Mir war bereits klar und durchaus bewusst, dass, wenn ich am Ziel ankommen würde, meine Energieressourcen nahezu aufgebraucht sein würden. Doch im Augenblick war alles, was zählte, dass ich rechtzeitig eintraf, um das Schlimmste zu verhindern. Ich fiel mehr auf die Straße des Cheyne Walks, als dass ich landete. Schwer atmend kämpfte ich mich zurück auf meine Füße und hob den Blick, um mich umzuschauen. Ich hatte jetzt keine Zeit um zu schwächeln. Ausruhen kannst du dich, wenn du tot bist, lautete ein alter Spruch im Volksmunde und offensichtlich traf dies nicht einmal bei Untoten zu. Ein flüchtiger Blick auf meine Uhr verriet mir, dass mir noch zwei Minuten blieben. Ich schloss meine Augen und tastete nach den Auren der umliegenden Lebewesen. Die Menschenmasse erschwerte die Lokalisation, doch endlich gelang es mir auf einem der naheliegenden Dächer der Reihenhäuser ein halbes dutzend Vampire aufzuspüren. Ich sandte einen Rabenschwarm aus und nutzte die entstandene und gewünschte Verwirrung und die daraus resultierende Ablenkung, um meinerseits auf das Dach zu gelangen. 13 Uhr Ich bahnte mir einen Weg durch die wütenden Vampire und den aufgescheuchten, schwarzen Vögel zu dem jungen Mann, der zitternd auf dem Boden kauerte und sein Haupt mit seinen Händen verzweifelt abzuschirmen versuchte. Schnell zog ich ihn in eine schützende Umarmung, ehe ich mit raschen Schwingenschlägen die umstehenden Vampire eliminierte. „Alles in Ordnung, junger Mann?“, fragte ich sanft, als ich von ihm ablies. Er hob den Kopf, sah mich groß an und nickte schließlich tapfer. Erst jetzt erkannte ich, wer da vor mir stand. Es war Gregory Penwood, Sir Shelby Penwood´s Enkel. „Na komm. Ich bringe dich zu seinem Vater.”, sagte ich ihm, ihn weiterhin vertrauensvoll anlächelnd. Ich war mir nicht sicher, ob er sich an mich erinnerte, denn als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er bedeutend jünger gewesen. Doch schließlich trat Gregory zögerlich vor und ergriff meine ausgestreckte Hand. Vorsichtig hob ich den kleinen Mann hoch und erhob mich wieder in die Luft. Erleichtert schloss Sir Jack Penwood seinen Sohn in seine Arme. Seras schenkte mir ein freudiges Lächeln und ich nickte ihr, nicht minder befreit, zu. Dennoch war dies erst der Anfang. Die Vampire hatten noch zehn weitere Opfer angekündigt und ebenso viele Geiseln in ihrer Gewalt. Und bis zur nächsten vollen Stunde blieben uns noch 45 Minuten. Ich kehrte zum Polizeipräsidium zurück. Zuvor hatte ich über das Telefon bereits einen knappen Bericht abgeliefert. Ohne weitere Umschweife setzte ich mich an den Konferenztisch, um mir anzuhören, was ich seit meinem Aufbruch verpasst hatte. Sir Irons nickte mir flüchtig zu, offensichtlich ein nonverbales, zufriedenes Zeichen seiner Hochachtung. Integra schenkte mir ein Lächeln, ehe alle Anwesenden wieder ernst wurden. Es gab noch keinerlei Grund zu feiern. Es waren immer noch Menschenleben in Gefahr. „Wo könnten sie als nächstes zuschlagen?“, warf Sir Irons die entscheidende Frage in den sonst so stillen Raum. „Haben sie weitere Hinweise hinterlassen?“, erkundigte ich mich. Integra schüttelte verneinend das Haupt. Nachdenklich wiegte ich meinen eigenen Kopf hin und her. So kamen wir definitiv nicht weiter. Natürlich hatte ich einige potentielle Orte im Kopf, doch sie waren über halb England verteilt, sodass es unsinnig wäre alle davon abzusuchen, ohne einen konkreten Hinweis. Aber vielleicht zwangen uns die Umstände dazu. So viele Möglichkeiten und zu wenig Zeit. Da wäre zum einen der Friedhof, auf welchem Lucy ihre letzte Ruhe fand, Draculas Anwesen Carfax, Piccadilly, Sewards Anstalt oder vielleicht doch der Hyde Park. Wenn der Entführer keine weiteren Hinweise hinterließ, tappten wir weiterhin im Dunkeln und ich war vielleicht tatsächlich dazu gezwungen einen Ort nach dem anderem ab zufliegen und zu untersuchen, in der Hoffnung auf eine Spur zu stoßen. Es verstrichen qualvolle, endlos lang erscheinende Minuten, sodass dann einstimmig beschlossen wurde, dass ich mich auf den Weg machen sollte. Immerhin war das besser, als untätig herum zu sitzen. Vorher lies ich mir allerdings ein Funkgerät vom Ermittlungsleiter in die Hand drücken, mit welchem wir in Verbindung bleiben konnten, falls sich etwas Neues ergab. Als erstes machte ich mich auf den Weg zu Hyde Park, doch so sehr ich mich auch fokussierte konnte ich dort keine Vampirauren ausmachen. Mittlerweile war ich bei meiner Ankunft, dank meiner schwarzen Flügeln, mehreren Parkbesuchern, die hier offensichtlich ihren Nachmittag verbrachen, ins Auge gestochen. Nun nahm die Zahl der Schaulustigen stetig zu, obgleich ich meine Flughilfen gleich hatte verschwinden lassen. Also weiter im Text. Gerade, als ich meine Flügel ausfahren und losfliegen wollte, drang ein eigentümliches Knacken aus dem Funkgerät und zum zweiten Mal an diesem Tage klang die tiefe Stimme des Vampires an mein Ohr: „Ich gratuliere Ihnen, Lady Hellsing. Es ist Ihnen also gelungen einen der Knotenpunkte ausfindig zu machen und die Opferzeremonie zu unterbinden. Meinen Glückwunsch.“ Ich glaubte Integra auf schnauben zu hören. „Das bedeutet aber nicht, dass unser Scheitern vorbestimmt ist. Mitnichten.“, fügte der Vampir hinzu. „Das war erst der Anfang. Eine kleine, unbedeutende Irritation auf einem langem Pfad, den meine Brüder und meine Schwestern gemeinsam mit mir beschreiten werden.“ „Lassen Sie den Unsinn!“, ereiferte sich Sir Irons. „Ah.“, machte der Mann am anderen Ende der Leitung und der Unterton seiner Stimme verriet seine Belustigung. „Sie müssen Sir Hugh Irons sein, Mitglied des Round Tables. Guten Tag.“ Er schien spöttisch zu grinsen. „Doch ich muss Sie bedauerlicherweise enttäuschen. Unsere Ziele sind klar, unsere Methoden bewährt. Wir sind entschlossen unser Werk fortzusetzen und schließlich zu vollenden. Wir haben uns lange genug von den Menschen unterdrücken lassen und waren gezwungen uns zu verbergen und zu verstecken.“ Ich verdrehte die Augen. Heul doch. „Diese Zeit ist nun vorbei. Es folgt die Abenddämmerung und der Berserker zeigt seine Zähne und sucht sein Rudel. Die Zeit der Fesseln und Käfige ist vorbei. Der Ruf des einsamen, geknechteten Wolfes hallt durch die Nacht und wird von den anderen Jägern vernommen, von seinesgleichen, den unterdrückten Seelen der Nacht. Den Unwürdigen wird er das Fürchten lehren und sie aus dieser Welt bannen. Zitternd werden die Menschen die Ankunft der Midians erwarten und ihre Augen werden sich in Ehrfurcht weiten und die Verfolger werden machtlos sein.“ „Unterschätzen Sie die Menschen nicht!“, schnarrte Sir Hellsing. „Das tue ich ganz und gar nicht, Lady Hellsing.“, widersprach der Vampir sanft. „Besonders Sie, als seine – Abraham Van Helsings – Nachfahrin sind nicht zu unterschätzen. Doch ich schweife ab. Wenn ich mich nicht irre bleiben Ihnen nur noch fünf Minuten, um der nächsten Zeremonie beizuwohnen. Ich empfehle mich.“ Sir Iron´s Proteste geflissentlich ignorierend, legte der Vampir auf und Schweigen erfüllte den Raum. „Alexandra!“, wandte sich Integra über das Funkgerät an mich. „Sag mir, dass du einen Hinweis hast.“ Ich hatte grübelnd eine Hand an mein Kinn gelegt und dachte nach. „Hast du einen Anhaltspunkt?“, wiederholte die blonde Frau angespannt. Ich blieb eine Weile stumm, ehe ich bedächtig das Wort ergriff. Der Kerl hatte doch tatsächlich etwas Nützliches von sich gegeben. Es war lediglich von Nöten gewesen, seine leeren Worthülsen von dem Sinnvollen zu trennen. „Der einsame Wolf. Das hatte ich nicht bedacht.“, musste ich gestehen. Die menschliche Riege begann ungeduldig zu werden. Verständlicherweise. „Was hast du nicht bedacht?“ Ich hob den Blick und schickte mich an zu antworten: „»Bersicker«, der Berserker. Das war der Name des Wolfes, der von Dracula´s Macht angezogen wurde und indirekt für den Tod von Mrs. Westenra verantwortlich war. Er brach in der Nacht des 18. Septembers aus einem der Käfige des Regents Park aus und folgte Dracula´s Spuren nach Hillingham.“ „Der Regents Park!“, rief Integra aus und ich nickte bestätigend. „Genau.“ Ich fuhr meine Schwingen aus. Der Regents Park. Eine zwei Quadratkilometer große Grünfläche, welche sich im nördlichen Teil des Londoner Stadtzentrums erstreckte. Der Park zählte zu den königlichen Parks der Stadt und schloss sich dem Nobelviertel Primerose Hill an. Umgeben wurde er von dem „Outer Circle“ und in dessen Inneren befand sich eine innere Ringstraße, allgemein als „Inner Circle“ bekannt. Die Grünflächen des Parks waren alleine Fußgängern vorbehalten und seit 1828 lag der zoologische Garten, heute als London Zoo bekannt, im Norden des königlichen Parks. Der Zoo bestand aus verschiedenen Gebäuden und Gehegen, die alle ihrem eigenen Zweck dienten und die verschiedensten Tiere hielten. Zunächst war der zoologische Garten nur den Mitgliedern der Zoologischen Gesellschaft zugänglich gewesen, allerdings wurde er im Jahre 1847 auch der breiten Öffentlichkeit geöffnet. Und wenn ich noch lange mit ausgebreiteten Flügeln auf der Wiese vor dem Zoo herum stand, würde ich selbst bald als Ausstellungsstück in einem der Gehege landen, dachte ich mit einem Anflug von Galgenhumor. Wenn ich mich nicht beeilte, gab es bald ein weiteres Opfer zu betrauern. Die Uhr tickte. Es war nur wenige Minuten vor zwei. Dunkel erinnerte ich mich daran als Kind mit meinen Eltern diesen Park besucht zu haben, doch zu verschwommen waren die Erinnerungen daran, als dass ich mich an die Struktur des Geländes, an die Anordnung der Gehege, oder die Details erinnern konnte. Im Schnellschritt machte ich mich auf den Weg zum Eingang des Zoos und fuhr die eher außergewöhnlichen Anhängsel ein, ehe ich mich an einen Angestellten wandte. „Haben Sie ein Wolfsgehege?“, erkundigte ich mich, etwas gehetzt im Anbetracht des Zeitmangels. Ich sah mich verstohlen um. Noch war keine Massenpanik ausgebrochen und auch ansonsten war es, abgesehen von vereinzelten Tierlauten und Gesprächsfetzen, die von den Zoobesuchern zu mir herüber wehten, ausgesprochen still. Der Mann, sichtlich irritiert über mein ungewöhnliches Auftreten, blinzelte, ehe er den Mund öffnete: „Ähm ... Nein ... Bedauerlicherweise gibt es bereits seit geraumer Zeit keine Wölfe mehr in diesem Zoo.“ „Damn...“, fluchte ich tonlos. Die Masse an Besuchern, angelockt durch das herrliche Wetter an diesem schönen Sommertag, erschwerte eine genaue Lokalisation von bestimmten Auren. Sollte ich mich vielleicht doch geirrt haben? Oder hatte der Kerl uns eine falsche Fährte hinterlegt? „Aber ... “, begann der Mann plötzlich. „Wir halten ein Rudel von afrikanischen Wildhunden, im ehemaligen Wolfsgehege, falls Sie ... “ Ich hob den Blick. „Wo befindet sich dieses Gehege?“, erkundigte ich mich hastig. Mir blieb kaum noch eine Minute. Der Angestellte gab eine zögerliche Wegbeschreibung ab. Ich lächelte ihn an und neigte flüchtig mein Haupt. „Ich danke Ihnen.“ Die Umstände zwangen mich dazu, Etikette und die Einwände des Mannes zu ignorieren, als ich durch den Eingang stürmte. „Verzeihen Sie ... Ich muss ... Könnte ich mal ... Danke ... “ Umständlich drängelte ich mich durch die Masse aus Besuchern. Kuso. Die Zeiger meiner Armbanduhr hielten unaufhaltsam auf die nächste volle Stunde zu. Endlich kam das besagte Gehege in Sicht. Mir fiel sofort das ungewöhnliche Verhalten der Wildhunde auf. Sie drückten sich gegen die Zäune und hatten ihre Ohren angelegt. Es schien, als fürchteten sich die Tiere vor irgendetwas. Etwas, das seinen Ursprung im Inneren des Geheges hatte. Volltreffer. Mit einem Satz sprang ich über den hohen Zaun und hechtete weiter. 14 Uhr Und dann sah ich es. Das Mädchen war an einen Baum gefesselt. Seine Augen waren vor Schreck geweitet. Die Kleine war vor Angst völlig gelähmt, unfähig auch nur einen Schrei auszustoßen. Ihr angsterfüllter Blick war auf die drei Vampire gerichtet, die sich vor ihr aufbauten und ihre gierig geöffneten Münder gaben den Blick auf ihre rasiermesserscharfen Reißzähne frei. Ein grauer Wolf, der plötzlich aus dem Nichts aufzutauchen schien, riss den ersten Vampir um. Der nächste wurde von meiner Faust mitten im Gesicht getroffen, als er herum wirbelte und stürzte täppisch zu Boden. Der dritte öffnete den Mund und im nächsten Augenblick fiel sein Kopf, sauber abgetrennt, von seinen Schultern und landete mit einem dumpfen Laut auf den Boden. Der zweite Vampir rappelte sich wieder auf und sein wütender Blick fiel auf mich. Ich erwiderte diesen gelassen und lies meine Fingerknöchel knacken. Meine Flügel waren gespreizt und zum Angriff bereit. Er verzog den Mund zu einem missmutigen Knurren, dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte davon. Ich machte mir keine Mühe ihm zu folgen und lies ihn gewähren. Ich wandte mich zu dem Mädchen um. „Hab keine Angst.“, sagte ich, sie sanft anlächelnd und zerschnitt mit einem Schwingenhieb ihre Fesseln. „Ich bin hier um dich zurück zu deinem Vater zu bringen.“, erklärte ich ihr. Die Kleine schluchzte und hickste einige Male kläglich, ehe sie zögerlich auf mich zu trat und ihre Arme ungelenk um meinen Rumpf schlang, ihr Gesicht in meinem Oberteil vergraben. Vorsichtig fuhr ich ihr durch ihr blondes Haar und wartete bis die sich beruhigt hatte. Der Vampir lächelte zufrieden. Ach wenn bereits zwei Opferzeremonien unterbrochen worden waren, war er seinem Ziel näher als jemals zuvor. Um Mitternacht würde er die Vampire befreien und er würde sie führen. Er würde das tun, wozu der Graf nicht in der Lage, ja zu feige, gewesen war. Er schnupperte an seinem Weinglas, welches mit frischen Blut gefüllt war und nippte schließlich genießerisch an dem roten Lebenssaft. Integra zeigte sich sehr zufrieden mit der Arbeit meiner Wenigkeit, blieb aber dennoch auf dem Boden der Tatsachen. Immerhin galt es noch neun Knotenpunkte ausfindig zu machen und die restlichen Angehörigen der Round Table Mitglieder zu befreien. Erneut hatte ich einige Plätze vorgeschlagen, die für das nächste Ritual in Frage kommen könnten, doch ohne genauere Hinweise war es beinahe unmöglich zu bestimmen, welcher der nächste Knotenpunkt sein würde. Ich stand auf der Westminster Bridge unterhalb des Big Bens und starrte auf das Wasser der Themse, welches unter mir vorbei zog. Es war ein typischer, warmer Sommertag im August. Das Sonnenlicht tanzte funkelnd auf der Wasseroberfläche und auf den Straßen herrschte ein reges Treiben. Ich fing Gesprächsfetzen in der unterschiedlichsten Sprachen auf, doch ich lies mich nicht davon ablenken. Angestrengt schaute ich auf die schillernden Lichter, die sich in den kleinen Wasserwirbeln des großen Flusses brachen und dachte fieberhaft nach. Plötzlich tippte mir jemand, der hinter mir stand, auf die Schulter. Ich drehte mich um. Vor mir stand ein unbekannter Mann. Ein Vampir. Er lächelte mich breit an und in seiner ausgestreckten Hand lag eine kleine, schwarze Gerätschaft. „Ich soll Ihnen das überreichen.“, verkündete er und wartete geduldig, bis ich meinerseits meine Hand ausstreckte. Meine Augen verengten sich und schließlich griff ich nach dem Gegenstand, den ich im nächsten Augenblick als kleines Kommunikationsgerät erkannte. Der Vampire nickte aufmunternd und ich steckte mir das Gerät ins rechte Ohr. „Ja?“ „Ah, Fräulein Dolneaz. Ich freue mich endlich Ihre Stimme vernehmen zu können.“, wurde ich von einer mittlerweile vertrauten Stimme begrüßt. „Die Freude wäre ganz auf meiner Seite, wenn Sie nicht gerade im Sinn hätten, Unschuldigen zu schaden.“, erwiderte ich seine Begrüßung ausdruckslos. Der Vampir am anderen Ende der Leitung schien zu lächeln. „Den Unschuldigen schaden?“, echote er amüsiert. „Aber nicht doch, junges Fräulein. Ich bin mir sicher, sie haben meine Worte vernommen, aber nicht verstanden. Mein Ziel ist es den Unterdrückten auf die Beine zu helfen. Die Opfer sind ein bedauerliches, jedoch notwendiges Übel, um den Menschen die Augen zu öffnen. Damit sie verstehen, wer wir sind.“ Ich schnaubte spöttisch auf. „Mir scheint eher, Sie streben eine Unterdrückung der Menschen an.“, meinte ich schließlich. „So sehr Sie es auch in schönen Worten verpacken, es bleibt, was es ist.“ Meine Augen funkelten im Sonnenlicht. „Fanatismus. Terror. Und Mord.“ Er war nicht der Erste, der versuchte seine abstrusen Ziele zu rechtfertigen. Nun lachte der Mann schallend. „Sie sind wahrlich einer der Hellsing Ritter.“, sagte er, nachdem er sich beruhigt hatte. „Ich weiss Ihren Einsatz zu schätzen, Fräulein Dolneaz. Das tue ich wirklich. Doch ich bin mir sicher, dass tun die Menschen nicht. Glauben Sie wirklich, dass andere Wesen Ihren Einsatz verdienen?“, fragte er heimtückisch. „Die meisten Menschen halten nichts von Moral, oder Ehrgefühl, wie Sie es tun. Verdienen sie es überhaupt gerettet zu werden? Verdienen sie es zu leben? Treibt ihre Arroganz sie nicht zu weit? Es wird an der Zeit ihnen zu zeigen, wo sie stehen. Welchen Platz sie in dieser Welt haben.“ Was eine flammende Rede, dachte ich. Glaubte der Gute tatsächlich, was er da von sich gab? Never judge a book by its cover. Das galt sowohl für Menschen, als auch für andere Rassen gleichermaßen. Niemand war vollkommen oder perfekt. Jede Spezies hatte ihre schwarzen Schafe, aber auch ihre Helden. Der Vampir fuhr fort. „Es ist wirklich bedauerlich, dass Sie und Ihr Meister nie gewusst haben, auf welche Seite Sie beide gehören.“ „Kch.“ Meine Augen verengten sich erbost und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Was fiel ihm ein über Master zu sprechen? Wie konnte er es wagen, über ihn zu urteilen? „Nunja.“, machte der Vampir schließlich. Er schien verdammt zufrieden mit sich und der Welt zu sein. Das verriet mir jedenfalls sein Tonfall. „Aber das tut im Augenblick nichts zur Sache, nicht wahr? Ich habe Ihre kostbare Zeit lange genug in Anspruch genommen. Schließlich haben wir beide, Sie und ich, noch eine ernste Pflicht zu erfüllen. Auf dass sich unsere Pfade bald kreuzen mögen, Fräulein Alexandra Dolneaz.“ Im Augenblick hatte ich auch nicht minder Lust auf dieses Treffen. Besonders wenn meine Faust ganz freundlich auf seiner Nase landete, um sein selbstgefälliges Grinsen, welches ich bereits bildlich vor mir sah, aus seinem Gesicht zu wischen. Nun hüllte sich der Vampir in Schweigen und aus dem Kommunikationsgerät drang kein einziger Ton mehr. Die Verbindung war unterbrochen worden. Ich atmete tief durch und sah auf. Der Vampir, der mir den Ohrknopf überreicht hatte, war mittlerweile verschwunden und scheinbar in der Menge untergetaucht. Auch gut, dachte ich bei mir, drehte mich wieder herum und lehnte mich auf das Brückengeländer, um weiter auf die Wasseroberfläche zu starren. Mein Fokus lag auf den letzten Worten, die der Vampir an mich gerichtet hatte, ehe er sich wortgewandt verabschiedet hatte. »Eine ernste Pflicht.« »Grave duty.« Irgendetwas riefen diese Worte in mir wach und meine Stirn legte in tiefe Falten. Ich musste mich lediglich daran erinnern woran. Plötzlich schien es mir, als hätte ich eine Wand in meinem Kopf eingerissen, gegen die ich eine ganze Weile angerannt war. Erneut traf mich die plötzliche Erkenntnis wie ein Blitz und ich erlaubte mir ein Lächeln. „Alexandra? Hörst du mich?“, drang Integra´s Stimme an mein Bewusstsein und aus dem Funkgerät, welches an meinem Gürtel hing. „Antworte mir.“, rief sie drängend. Ich grinse schief und nahm das Gerät in die Hand, ehe ich einen der Knöpfe drückte, der sich an der rechten Seite des Kommunikationsgeräts befand. Ungeduldig wie immer, das junge Fräulein. „Nur Geduld, Oujou-Sama.“, erwiderte ich gelassen lächelnd. „Ich hatte lediglich ein ... aufschlussreiches Gespräch mit unserem neuen Freund.“ Das lies Sir Hellsing aufhorchen. „Willst du damit sagen, du hast einen Hinweis?“ Ich nickte. „Das möchte ich in der Tat.“ „Wo schlagen diese Kerle als nächstes zu?“, erkundigte sich ein offensichtlich ungeduldig werdender Sir Irons. Erneut betätigte ich den Knopf. „Kurz gesagt: An dem Ort, an welchem Lucy Westenra ihre letzte Ruhe gefunden hat.“ „Wie kommst du zu dieser Annahme?“, fragte Integra. „Der Kerl sprach von einer „ernsten Pflicht“. Diese Worte benutzte Professor Helsing, ehe sich er und seine Gefährten zu Luy Westenra´s Grab aufmachten, um die junge Frau von ihrem Dasein als Untote zu erlösen.“, erklärte ich bereitwillig. „Im Roman findet Fräulein Westenra ihre letzte Ruhe auf dem Kingstead Churchyard. Allerdings ist dieser reine Fiktion. Es wird folglich angenommen, dass es sich in Wirklichkeit um den Highgate Churchyard handelt.“ „Der nächste Knotenpunkt befindet sich also ebenfalls hier in London.“, schloss die blonde Frau daraus. Erneut nickte ich. „Davon ist auszugehen.“ „Gute Arbeit.“, lobte Integra. „Und jetzt mach dich auf den Weg. Dir bleiben nur noch 32 Minuten.“ Ich lächelte. „Sehr wohl.“ Ich fuhr meine Schwingen aus und stieg in die Luft. Der Highgate Churchyard befand sich im Londoner Stadtteil Camden. Er war 1839 eröffnet worden und zählte zu den Magnificant Seven, eine Reihe von prächtigen Friedhöfen, die alle innerhalb von zehn Jahren errichtet worden waren. Er war etwa 15 Hektar groß und beherbergte über 53.000 Gräber. Der Friedhof wurde von Bäumen, Sträuchern und Wildblumen geschmückt, sodass er ein Paradies für die verschiedensten Vögel und andere kleine Tiere, wie zum Beispiel Füchse, darstellte. Der im nördlichen Teil von London liegende Friedhof bestand aus einem älteren, westlichen Teil und dem etwas größeren östlichen Teil. Der westliche Part war irgendwann für die breite Öffentlichkeit geschlossen worden und der Zugang war nur noch Angehörigen der dort Begrabenen gestattet, oder interessierten und kulturbegeisterten Touristen, die den geschichtsträchtigen und prächtigen Teil des Friedhofes unter einem geschulten Führer bestaunten. Zahlreiche Mausoleen und Katakomben bestimmten das Aussehen des westlichen Abteils des Highgate Churchyard. Der östliche Teil des Friedhofes hingegen war ohne Fremdenführer für jedermann frei zugänglich. Dort fand sich eine bunte Mischung aus viktorianischen und modernen Statuen. Zudem waren zwei Kapellen auf dem Gelände errichtet worden. Folglich gab es also eine ansehnliche Fläche, die es bei der Suche abzudecken galt. Bedächtig trat ich durch die große Eingangspforte und schritt die Reihe der Gräber ab. Nichts lag mir ferner, als diesen Grund zu entehren und die Totenruhe zu stören. Manche sagten, den Toten könnte es egal sein, doch ich für meinen Teil erwies den Verstorbenen den gebührenden Respekt, mit derselben Höflichkeit, mit der ich ich auch den Lebenden, die dies verdienten, begegnete. Integra hatte zuvor einige Erkundigungen eingeholt. Das Mausoleum befand sich im westlichen Bereich des Highgate Churchyard. Zu dieser Zeit am Nachmittag war der Friedhof kaum besucht und beinahe menschenleer. Nun ja. Abgesehen von den leblosen Kameraden unter der Erde, welche hier ihre letzte Ruhe gefunden hatten, natürlich. Ich bahnte mir einen Weg durch die Gräber hindurch, bis ich zu dem Eingang zur Egyptian Avenue kam. Für einen Augenblick blieb ich stehen um dieses prachtvolle Meisterwerk der Architektur zu bewundern. Das Portal wurde von vier, zum Teil geriffelten, Lotossäulen flankiert. Der Eingang selbst war ein mehrfach abgestufter Spitzbogen mit zwei Gusseisentoren, welche Vandalisten ausschlossen. Ich für meinen Teil war nicht hierher gekommen um die Gräber mit Graffiti zu schmucken, oder einige Knochen auszugraben und dennoch fühlte ich mich wie ein Eindringling, als ich über das Tor kletterte. Mit einem dumpfen Laut kamen meine Stiefel in Kontakt mit dem Boden. Dieses Geräusch schien mir wie ein gellender, schriller Ton in der Stille dieses heiligen Ortes. Im Geiste entschuldigte ich mich bei den armen Seelen und schloss meine Augen, um mich auf meine anderen Sinne zu konzentrieren. Ich musste meinem Ziel nahe sein. Laut unseren Informationen befand sich die letzte Ruhestätte der Westenras unmittelbar in der Nähe des alten Zedernbaumes, dessen Krone ich bereits aus der Ferne hatte bewundern können. Ein Schrei lies mich aufhorchen. Er war unverkennbar von einem Mädchen ausgestoßen worden, welches Todesqualen litt. Es war ein Schrei, wie ihn ein ängstliches Kind ausstieß. Alarmiert beschleunigte ich meinen Schritt, meinen Blick in die Richtung gewandt, aus welcher der Schrei gedrungen war. Meine Füße führten mich eine steinerne Treppe hinab auf eine Art Straße, die von dicken Steinwällen umgeben war. Dort in die Wände eingelassen waren einige Öffnungen, die Eingänge in das Innere der Katakomben zuliesen. Über mir verdeckten vereinzelte Bäume den Blick auf den wolkenlosen, blauen Himmel. Der Ruf wurde lauter. Dringlicher. Dieser verzweifelte, voller Angst erfüllte Laut, der meine Nackenhaare sträuben lies, trieb mich zur Eile an und ich kam dessen Ursprung immer näher. Ich hielt inne, als ich vor einem der Eingänge zu den Katakomben zum Stehen kam, doch als aus dessen Inneren erneut ein angsterfüllter Schrei drang, setzte ich meinen Weg fort. Die in Stein gemeißelten Stufen waren durch die vielen Jahre ihrer Existenz, der Witterung und des Gebrauchs abgenutzt und glatt worden, sodass ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzten musste, um nicht zu stolpern. Ich hatte den halben Weg hinter mich gebracht, da glaubte ich auf dem felsigen Untergrund der Gruft etwas leuchten zu sehen. Meine Augen verengten sich, während ich den Blick auf das helle Objekt richtete. Erneut vernahm ich die Stimme des kleinen Mädchens, doch des Schreis Ursprung machte mich stutzig, denn nun erkannte ich, was für das Leuchten verantwortlich war: Das Display eines Mobiltelefons, aus dessen Lautsprecher die verzweifelten Schreie klangen. „Was zum ... ?“ In diesem Augenblick nahm ich hinter mir eine Bewegung wahr und ein Geräusch lies mich herum fahren, doch noch während ich meinem Körper befahl, angemessen auf die fremde Präsenz zu reagieren, wusste ich, dass es bereits zu spät war. Es knisterte und ein greller Lichtblitz tanzte vor meinen Augen. Ein stechender Schmerz schien jede Faser meines Körpers zu durchdringen. Mein Puls beschleunigte sich rapide, während meine Lungen offensichtlich kurzzeitig ihren Dienst zu quittieren schienen. Meine Muskeln weigerten sich auf meine stummen Befehle zu reagieren, sodass ich täppisch stolpernd, den Kopf voran, die Treppe hinab fiel. Da ich weder Beine, noch Arme, oder Hände rühren konnte, gelang es mir nicht meinen Sturz abzufangen. Ich konnte gerade noch denken: Autsch. Das gibt eine Beule. Dann stürzte ich ungebremst mit der Stirn auf den kalten, harten Stein und beinahe im selben Augenblick wurde alles schwarz. 15 Uhr Ich wusste nicht genau, wie lange mich die undurchdringliche Schwärze umfangen gehalten hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mir wieder meines Körpers bewusst wurde und meine Umgebung begann meine Umgebung wahr zu nehmen. Die Taubheit war aus meinen Gliedern war verschwunden und war stattdessen unerträglichen, stechenden Kopfschmerzen gewichen. Erst jetzt spürte ich die Hand, welche sich auf meine Schulter gelegt hatte und mich sanft wach zu rütteln versuchte Eine undeutliche Stimme drang an mein Bewusstsein und nach einer schieren Ewigkeit gelang es mir endlich meine Augen zu öffnen. „Gottseidank. Sie sind wach.“ Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des Mannes breit, der sich über mich gebeugt hatte. Vorsichtig war er mir beim Aufsetzten behilflich und studierte besorgt mein Gesicht. „Geht es Ihnen gut?“, fragte er. Ich nickte langsam und zuckte unmerklich zusammen, als ich mir an den schmerzenden Kopf griff. Ich konnte getrocknetes Blut an meiner Stirn fühlen, mit welcher ich gegen den Stein geschlagen war. Autsch. Zerstreut massierte ich meinen Nacken und sah mich um, ehe ich meinen Blick wieder auf den uniformierten Mann vor mir richtete. „Lady Integra schickt mich.“, erklärte er, als er meinen fragenden Blick bemerkte. Ich nickte langsam, darauf bedacht meinen Kopf nicht zu schnell zu bewegen, um weiteren Kopfschmerzen vorzubeugen. Mein Blick fiel auf meine Armbanduhr. Es war viertel vor vier. „Verdammt!“ Mit Schwung erhob ich mich und wurde von einem erneuten Schwindelanfall erfasst. Hätte mich der gute Mann nicht beherzt bei den Schultern gepackt, wäre ich wohl wieder auf dem Boden gelandet. „Langsam.“, mahnte der Polizist sanft. „Sie sollten hastige Bewegungen vermeiden.“, riet er wohlmeinend. „Möglicherweise haben Sie eine Gehirnerschütterung.“ Vorsichtig schüttelte ich den Kopf. „Dafür habe ich keine Zeit.“, stieß ich aus und griff mir an den Kopf, als eine erneute Welle des Schmerzes durch meinen Schädel rollte. „Harry!“ Eine Gestalt stand im Eingang zu den Katakomben und winkte dem Beamten zu. „Wir haben sie gefunden!“ „Kch.“ Ich biss mir auf die Unterlippe und ballte die Fäuste. Mein Blick war auf den blutleeren, leblosen Körper des Mädchens gerichtet. „Gütiger Himmel ...“, keuchte Harry neben mir auf. Er kniete nieder und schloss die starren Augen der Toten. Auch ich schloss meine Augen und neigte das Haupt. Im Geiste entschuldigte ich mich bei dem Mädchen und seinen Angehörigen. Dann straffte ich meine Schultern und nickte dem Beamten zu, ehe ich die Gruft verlies. Dass ich keinen Gehörsturz erlitt, als ich das Funkgerät wieder anschaltete, grenzte schier an ein Wunder. Ich hielt das Gerät von meinem Ohr weg und lies die Schimpftirade stillschweigend über mich ergehen. Das war eben des jungen Fräuleins eigene Weise ihrer Besorgnis Ausdruck zu verleihen. Als schließlich Stille eintrat und ich zu Wort kam, lächelte ich schief und entschuldigte mich. Dann lieferte ich einen ausführlichen Bericht über die vergangenen 45 Minuten ab. Für eine Weile schwieg die blonde Frau betreten, ehe sie tief durchatmete und sich sammelte. Niemand konnte es sich im Augenblick erlauben, sich der Trauer hinzugeben und das Opfer und dessen Angehörigen zu bedauern. Wir mussten unsere Blicke nach vorne richten und uns darauf konzentrieren die anderen neun zu finden. „Ich werde die Angehörigen des Mädchens unterrichten.“, sagte Sir Hellsing, jetzt wieder ganz professionell. „Und du versuchst währenddessen den nächsten Knotenpunkt ausfindig zu machen.“ Ich nickte und blinzelte in das Sonnenlicht, welches zwischen den grünen Blättern hindurch strahlte. „Haben wir einen neuen Hinweis erhalten?“, erkundigte ich mich. Integra schien den Kopf zu schütteln, ehe sie antwortete: „Nein.“ Also hatte der Vampir keinen Kontakt zum Hauptquartier der Polizei aufgenommen. Dabei war er doch zuvor so redselig gewesen und hatte bereitwillig mit Hinweisen und Andeutungen um sich geworfen. Was hatte sich geändert? Warum hüllte er sich jetzt in Schweigen? Hatte er keine Lust mehr auf dieses Spiel? Nein ... Das war es nicht. Er sah die Polizisten nicht als seine Gesprächspartner und somit gewissermaßen nicht als seine Spielgefährten an. Scheinbar gar er sich nicht einmal mit der Leiterin der Hellsing Organisation zufrieden. Ich blinzelte und betätigte erneut den Knopf des Funkgerätes und bat das junge Fräulein um etwas Geduld. Meine Hand fuhr an mein rechtes Ohr, bis ich schließlich den Knopf an dem kleinen Gerät ertastete und diesen drückte. „Hallo?“ „Ah, Fräulein Dolneaz. Ich war bereits in Sorge.“, erklang augenblicklich die Stimme unseres Gegenspielers in meinem Ohr. „Ich möchte, dass Sie wissen, dass meine Freunde eigenmächtig gehandelt haben und ich den Angriff gegen Sie in keinster Weise initiiert, oder befohlen habe.“ „Beruhigend.“, erwiderte ich pragmatisch. „Und ich dachte schon, Sie hätten etwas gegen mich.“ Der Vampir lachte auf. „Aber nicht doch, Fräulein. Ich hoffe Sie können die Eigenmächtigkeiten meiner Freunde verzeihen. Ich möchte nicht, dass Feindlichkeit zwischen uns steht.“ Ich schenkte dem Baum neben mir ein schiefes Schmunzeln. „Ich verzeihe Ihnen nur allzu bereitwillig den Angriff auf meine Person.“, meinte ich gelassen. „Allerdings bin ich nicht gewillt Ihnen Ihre bisherigen Taten zu verzeihen, eben sowenig wie die zukünftigen. Aber ... “ Ich schloss für einen Augenblick die Augen und atmete tief durch, ehe ich den Horizont fixierte. „Ich befürchte, ich habe derzeit keine andere Wahl, als mich nach Ihren Regeln zu richten und bei Ihrem kleinen Spiel mitzuspielen.“ Ich legte meine Hand wieder an mein Ohr und straffte die Schultern. „Bereit, wenn Sie es sind, Mr. De Ville.“ Der Vampir lachte amüsiert. Er schien ganz angetan von dieser Referenz. Schließlich war De Ville einer von Dracula´s Decknamen gewesen, als er in London weilte. „Wie Sie wünschen.“, erwiderte er nach einer Weile. „In Anbetracht der Umstände und als Wiedergutmachung für alle Unannehmlichkeiten, die meine Freunde Ihnen bereitet haben, erlaube ich mir, Ihnen entgegen zu kommen.“ Wie zuvorkommend, dachte ich, doch ich blieb stumm und lies den Mann gewähren. Solange ich am Ende zu Anhaltspunkten kam, sollte er ruhig seinen Spaß haben. Also wartete ich geduldig, bis der Vampir sich bequemte mit der Sprache heraus zu rücken. „Der Ort, den Sie zu finden wünschen, ist gekennzeichnet von Erkenntnis und Ignoranz zugleich. Die Augen nehmen wahr, was der Verstand weder erfassen kann, noch erfassen will. Sein verjüngtes Aussehen zeugt von Seiner Macht und erregt Angst in den Herzen der Menschen. Doch Sein Blick ist gefesselt von der Schönheit einer tugendhaften, jungen Dame. Der junge Mann nimmt Ihn wahr und erkennt Ihn, doch sein menschlicher Instinkt lässt ihn die drohende Gefahr vergessen.“ Nun trat erwartungsvolles Schweigen ein. Ich bekam langsam das Gefühl in einer Quizshow festzustecken. Nur ging es statt der Millionen um ein Menschenleben. Doch ich musste nicht lange nachdenken, bis ich eine Antwort parat hatte. „Hyde Park Corner.“ De Ville stieß einen leisen, anerkennenden Pfiff aus. „Beeindruckend, Fräulein.“ In meinem Kopf stellte ich hastige Berechnungen an. Zu Fuß bräuchte man knapp 1 ½ Stunden. In meinem aktuellen Zustand würde ich nicht so schnell fliegen können, wie an diesem Tag zuvor. Dennoch sollte es mir möglich sein den Ort innerhalb der Zeitfrist zu erreichen. Mir blieben noch zehn Minuten. Hyde Park Corner war eine Verkehrsinsel im Herzen Londons. Dort trafen sich sechs bedeutende Hauptverkehrstrassen der Stadt: Park Lane, Grosvenor Place, Piccadilly, Knightsbridge und Constitution Hill. Trotz der stark befahrenen Straßen um den Kreisverkehr herum war die Hyde Park Corner für Besucher dank der zahlreichen Fußgängerunterführungen sicher und bequem zu Fuß zu erreichen. Die Hyde Park Corner umfasste einige bedeutende Denk- und Mahnmäler und ganz in der Nähe befand sich ein Hauptknotenpunkt der englischen Tube. Folglich waren die Straßen zu dieser Tageszeit überfüllt und unzählige Menschen tummelten sich auf dem Platz. Einige schlenderten gemächlich und genossen das Wetter, andere liefen mit beschleunigtem Schritt über den Weg, vermutlich um die nächste Bahn zu erreichen. Ein paar Autos starteten ein nettes Hupkonzert und einige Männer stimmten mit ihren Worten und Rufen in den Chor der schrillen Schreie ein. So mischten sich die Schreie und das Gebrüll mit dem durchdringenden Geräusch der Hupen und verkamen zu einer ohrenbetäubenden Symphonie. Ich atmete tief ein und fasste mir an den schmerzenden Kopf. Meine Konzentration war in diesem Augenblick wirklich nicht auf dem Höhepunkt, somit fiel eine Ortung aus. Also doch auf altmodische Weise. Ich lies meinen Blick über die Umgebung wandern. Die unzähligen Autos, Busse und Bahnen machten das Konzentrieren nicht gerade einfacher und jedes Fahrzeug, dass über den Asphalt schepperte, brachte meinen Schädel zum Beben. Mein Blick schweifte nun über die Denk- und Mahnmäler. Sie mussten hier irgendwo sein! Ich beschleunigte meinen Schritt, als ich eine Menschentraube bemerkte, die sich zu den Füßen des Wellington Arch versammelte. Die Schaulustigen deuteten nach oben. Einige rissen erstaunt ihre Augen auf, andere schlugen entsetzt die Hände vor ihre Münder. Meine persönlichen Favoriten waren ja die Menschen, die ihre Smartphones zückten und das Geschehen, was sich über ihren Köpfen abspielte, filmten. Oben auf dem Denkmal thronten drei Gestalten. Zwei vermummte Hünen flankierten eine kleine Erscheinung, die ich nun als junges Mädchen erkannte. Grob zogen die beiden anderen das kleine Mädchen auf seine Beine. Der eine packte es am Schopfe und entblößte seine Kehle der Masse. Die Zähne des Vampires blitzen im Sonnenlicht tückisch auf. 16 Uhr Der Mann wusste gar nicht, wie ihm geschah, als sich jemand mit seinem gesamten Körpergewicht gegen ihn warf. Er strauchelte und stürzte von dem Denkmal. Der andere Vampir, dessen Finger sich immer noch in dem Haar der Kleinen vergruben hatten, zögerte irritiert. Dann verstärkte er seinen Griff und legte einen Arm um den Hals des Mädchens. „Zurück.“, zischte er und seine Augen verengten sich bedrohlich. Langsam hob ich beide Hände über meinen Kopf. Daraufhin lächelte der Hüne siegessicher und entblößte mit einem dreckigen Grinsen seine Fangzähne. Er riss den Kopf des Mädchens herum und schickte sich an, seine Zähne mit Schwung in das Fleisch der Kleinen zu stoßen. Wisst ihr eigentlich, wie man einem tollwütigen Hund daran hindert seine Zähne in den Arm zu schlagen? Genau! Schwungvoll holte ich mit meiner Rechten aus, stürmte los und rammte meine Faust in den Mund des Vampirs. Den Überraschungseffekt ausnutzend lies ich Ring- und Mittelfinger unter die Zunge des Mannes gleiten und platzierte meinen Daumen unter seinem Kinn, ehe ich ohne jede Vorwarnung und unvermittelt zu drückte. Als meine Fingerspitzen das empfindliche Nervenbündel trafen, jaulte der Vampir gepeinigt auf. Sein Griff lockerte sich unwillkürlich, sodass ich ihn am Handgelenk packte, herumwirbelte und ihn vom dem Mädchen weg stieß. Dann bohrte sich meine Hand in seinen Rücken. Als meine Klauen sein Herz erreichten, verdrehte der Vampir die Augen und sackte leblos zu Boden. Das Mädchen war gestolpert und kämpfte sich tapfer auf die Beine, als mein warnender Ruf sie stoppte. „Achtung!“ Die Kleine blieb auf den Knien, als ich an ihr vorbei stürmte und den Vampir, der sich anschickte sich auf sie zu stürzen, an der Kehle packte. „Na na. So nicht.“, machte ich tadelnd. Als der Vampir erwog Gegenwehr zu leisten, verstärkte ich meinen Griff um seine Kehle und drückte zu. Der Mann moserte und spie Gift und Galle. Den Druck gelassen verstärkend, bis er sich ausgekotzt hatte, wartete ich bis Ruhe eintrat. Abgesehen von den unterdrückten Würgelauten des Vampirs natürlich. „Fertig?“, erkundigte ich mich. Der Mann funkelte mich lediglich an. „Gut.“ Ich setzte ihn etwas ab, sodass seine Füße wieder den Boden berührten, ohne jedoch von seiner Kehle abzulassen. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich hätte ein paar Fragen.“ „Fick dich!“, stieß der Mann hervor. Ich lächelte. Unhöflich. „Hören Sie, guter Mann. Ich möchte lediglich ein paar Auskünfte und ich bin fest entschlossen an diese Informationen zu gelangen. Ob mit Ihrer wertgeschätzten Hilfe und wohlmeinenden Kooperation, oder ohne.“ Mein Lächeln wurde etwas breiter. „Im ersteren Falle ging es lediglich etwas schneller und es wäre deutlich angenehmer für sie.“ Der Vampir lächelte aufmüpfig. Ich atmete tief durch. „Ist das Ihr letztes Wort?“, erkundigte ich mich. Er setzte zu einer offensichtlich geistreichen Antwort an, die mit einigen Flüchen und bösen Namen gespickt war, doch fluchte es sich scheinbar dezent schwer, wenn einem die Luftröhre etwas zugedrückt wurde. „Na dann.“, meinte ich achselzuckend. Der Unglückselige kam zu einer kurzen Atempause, als ich von seiner Kehle ablies und stattdessen seine Stirn umfasste. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf die Erinnerungen des Mannes, um seinen Gedanken zu lauschen. Als ich ihn schließlich losließ, stolperte er wie betäubt zu Boden. Ich zog die Stirn in Falten. Die Menge an Informationen war ernüchternd. Geradezu enttäuschend. Der Vampir zu meinen Füßen war lediglich ein Handlanger, der kaum in die Pläne seines Vorgesetzten eingeweiht war. Seine Befehle hatten lediglich gelautet, an diesem Ort die Hinrichtung durchzuführen. Mehr Informationen hatte man ihm nicht anvertraut. Er verstand weder den großen Kontext des Ganzen, noch hatte er Kenntnis darüber, wo sich die anderen Geiseln, oder die anderen Knotenpunkte befanden. Wieder atmete ich tief durch und öffnete meine Augen. Also blieb es bei der altbekannten Schnitzeljagd und mir blieb keine Wahl, als weiterhin das Spielchen des Vampires mitzuspielen. Alles andere wäre vermutlich auch stinke langweilig. Wir hatten zwei Opfer zu beklagen und drei Menschen gerettet, die mit dem Schrecken davon gekommen waren. Das bedeute im Ausschlussverfahren und frei nach Adam Riese und Eva Zwerg, das die Vampire noch acht Geiseln in ihrer Gewalt haben mussten, die es zu befreien galt. Um Mitternacht würde der Zauber ein Ende haben. Es war nun viertel nach vier. Auch das kleine Mädchen wurde freudig von seinen Angehörigen in Empfang genommen und in die Arme geschlossen. Ich erlaubte mir eine kleine Pause, in welcher ich mir einige Liter Blut einverleibte, ehe ich mich auf den Rückweg zum Hauptquartier der Polizei machte. Dort gab ich Integra, Sir Irons und den leitenden Ermittlern einen ausführlichen Bericht ab, ehe ich auch von den Knopf in meinem Ohr und der offensichtlichen Unlust des Vampires, sich weiterhin mit Menschen abzugeben, berichtete. Sir Hellsing runzelte die Stirn, nickte dann aber schließlich, verlangte aber natürlich, dass ich ihr weiterhin alle Informationen zukommen lies. Nachdem meine Wenigkeit den Bedingungen zugestimmt hatte, knackte das kleine Kommunikationsgerät und die dunkle Stimme des Mannes drang an mein Ohr: „Ich grüße Sie, Fräulein Dolneaz.“ Ich straffte mich und schlug die Beine übereinander, während die Blicke aller Anwesenden auf mir ruhten. „Guten Nachmittag.“, erwiderte ich ausdruckslos. Genau richtig zur Teatime. „Nun ist es also wieder an Ihnen, meinen Worten zu folgen und Ihre Schlüsse daraus zu ziehen.“, sagte der Mann. Der Gedanke schien ihm eine gewisse Genugtuung zu verschaffen. Ich lies mich nicht beirren. Ich nickte pragmatisch und antwortete: „Ganz recht. Bereit, wenn Sie es sind.“ De Ville lachte kurz amüsiert auf, ehe er wieder ernst wurde. „Sehr schön. Dann hören Sie aufmerksam zu.“ Er machte eine bedächtige Pause und lies das Schweigen wirken, ehe er den Mund erneut öffnete: „Der Pfad der Menschlichkeit wurde verlassen. Die Dunkelheit greift um sich und infiziert die Herzen und den Verstand ihrer Opfer. Einschmeichelnd ist ihre Stimme und verlockend sind ihre Worte. Die unschuldigen, reinen Seelen folgen ihrem Ruf. Ungläubige, öffnet eure Augen und verschließt eure Herzen nicht länger vor der Wahrheit! Ich möchte, dass Sie glauben. Glauben Sie an die Dinge, die Sie nicht glauben können. Denn nichts anderes ist der Glaube (faith). Doch im Gegensatz zu dem Glauben, sollen Sie nicht unwahre Begebenheiten als Tatsachen hinnehmen. Sie sollen die Wahrheit erkennen. Nichts als sie reine Wahrheit. Sie können sich der Verzweiflung hingeben, oder Sie können handeln. Die Wahl liegt bei Ihnen, doch das Endergebnis bleibt dasselbe. Die Zeit der kindischen Spiele ist vorbei und Rotkäppchen wird von dem Böse Wolf verschlungen.“ Wieder trat Schweigen ein und das Knistern aus dem Kommunikationsgerät erstarb. Ich nahm es aus dem Ohr und legte es vor mich auf den Tisch, ehe ich aufsah. Die erwartungsvollen Blicke aller Anwesenden ruhten auf mir. Schnell und präzise gab ich wieder, was der Mann gesagt hatte. Sir Hellsing zog die Brauen zusammen, während ich im Geiste die Worte des Mannes wiederholte. Locken. Glauben. Kindische Spiele. Nachdenklich zog ich eine unsichtbare Linie mit meinem Zeigefinger auf der Tischplatte. »Ich möchte, dass Sie glauben.« Red Hiding Hood. Spielen in der Heide. Kinder, die der Verlockungen einer schönen Frau erlagen. Die Bloofer Lady. Lucy Westenra. „Hampstead Heath.“, murmelte ich unvermittelt und öffnete meine Augen. „Wie bitte?“, harkte Sir Irons unverblümt nach. „Hampstead Heath ist der Ort, an welchem Lucy Westenra nach ihrer Verwandlung Kinder in ihren Bann zog und ihren Durst an ihnen stillte.“ Ich schob das Kommunikationsgerät zurück in mein rechtes Ohr und warf einen Blick auf meine Uhr. Es war halb fünf. Mit einem tiefen Seufzer landete ich auf dem Parliament Hill, von welchem aus ich beinahe den gesamten Park und einen großen Teil Londons sehen konnte. Allerdings blieb mir keine Zeit um den herrlichen Anblick zu genießen. Mein Blick schweifte über den Rasen, die Teiche und auch über die zahllosen Besucher, die sich sonnte, spazieren gingen, oder sogar Drachen steigen liesen. Mir fiel die Ironie der Wortgleichheit zwischen dem Spielzeug und der aktuellen Schnitzeljagd auf. Im deutschen bezeichnete man diese Spiel- bzw. Sportgeräte als Drachen. Ebenso war „Sohn des Drachen“ ein Beiname Vlad Draculs, irrtümlicherweise manchmal mit „Sohn des Teufels“ übersetzt. (AdA: Da bin ich total spontan drauf gekommen ^_^) Ein interessanter Zufall, dachte ich mir, ehe ich den Kopf schüttelte und mich von diesen Gedanken fortriss, um mich der aktuellen Aufgabe zu widmen. Der Park hatte eine Gesamtfläche von etwa 3,2 Quadratkilometern, war aber recht übersichtlich, vor allem, wenn man ihn mit den vorherigen Knotenpunkten verglich. Ein Blick auf die Armbanduhr verriet mir, dass mir noch fünfzehn Minuten blieben. Ich schürzte die Lippen. Wie brachte man ein Kind unauffällig in den Park? Bisher hatten die Vampire all ihre Opfer bis zu Exekution am Leben gelassen. Also dürfte es noch am Leben sein, bis die Glocken zur vollen Stunde schlugen. Nachdenklich betrachtete ich einen Lenkdrachen, der am Himmel über mir seine Kreise zog. Plötzlich stach mir ein Junge ins Auge, der direkt unter dem Drachen auf den Hügel zu gelaufen kam. Der Lenker machte hektische Gesten und bedeutete dem Jungen zu verschwinden, als der Drachen von einer Windbö erfasst wurde. Aus verlässlicher Quelle wusste ich, dass die dünnen Nylondrähte in diesem Zustand einem Menschen Gliedmaßen vom Körper trennen konnten. War wohl schon vorgekommen, dass manch Unaufmerksamer auf diese Weise einen Finger eingebüßt hatte. Doch der Junge schien den Mann nicht zu hören. Also sprintete ich kurz entschlossen los. Ich duckte mich unter den scharfen Schnürren hindurch und hielt auf den Jungen zu, ehe ich ihn hochhob und mit mir nahm. „Heh.“ Vorsichtig stellte ich ihn außerhalb der Reichweite des Drachens wieder auf seine Füße. Ich legte ihm beide Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen. Erst jetzt bemerkte ich, dass sein Blick leer und ausdruckslos war und er auf meine Ansprache kaum reagierte. „Heh.“, wiederholte ich sanft. Als der Kleine immer noch nicht reagierte, war die Sache klar. Ich fesselte seinen Blick mit meinem eigenen und arbeitete gegen den fremden, hypnotischen Bann. Ein entschlossenes Schnipsen und der Junge blinzelte, als sei er aus einem tiefen Schlaf erwacht, ehe er sich umsah. „W... Was ... Wo ... ?“ Ich atmete erleichtert aus und lächelte ihn an. „Du bist Sir Henry´s Sohn, nicht wahr?“ Der Kleine nickte, immer noch sichtlich verwirrt. „Ja. Woher ... ?“ „Das erkläre ich dir später.“, versprach ich ihm. „Kannst du mir sagen, wo die Leute sind, die dich hierher gebracht haben?“ „Ich ... “ Er zögerte und blinzelte, ganz so als dachte er angestrengt über etwas nach, oder als versuchte er sich an etwas zu erinnern. Vermutlich beeinträchtigte die Hypnose sein Erinnerungsvermögen. Die Männer mussten aber in der Nähe sein. Doch wo? In diesem Augenblick bewegten sich zwei Männer hinter mir auf die Anhöhe zu. Der Wind trug einige Gesprächsfetzen zu mir, die ich auffing. „ ... Vor der Nachspeise ... Das haben wir uns verdient ... “ „Genau ...“ Ich wandte den Kopf und sah, wie sich der Linke genüsslich die Lippen leckte. Arschloch. Ich wandte mich wieder an den Junge: „Bleib hier.“, bat ich sanft, ehe ich ihn bestimmt bei den Schultern packte und ihn mit rot glühenden Augen fixierte. „Und jetzt schlaf.“ Augenblicklich erschlaffte der Körper des Kleinen, seine Augäpfel verdrehten sich nach innen und er schloss die Lider. Ich fing ihn auf, ehe er zu Boden stürzte konnte und legte ihn vorsichtig auf dem Rasen ab. Er war noch jung. Jünger als die anderen Opfer der Vampire und folglich definitiv zu jung um Zeuge des Blutvergießens zu sein. Bei den anderen wäre es mir echt gewesen, hätte ich ihnen den Anblick ebenfalls ersparen können, aber nun hatte ich die Möglichkeit dazu. „Hey!“, brüllte einer der Vampire hinter mir. „Weg von dem Jungen!“ Ich erhob mich und drehte mich gelassen zu den beiden Männern um. Diese schienen zu erkennen, wer vor ihnen stand, denn sie wichen irritiert einige Schritte zurück, ehe sie sich fassten. Auf ihren Gesichtern machte sich so etwas wie eine grimmige Wut breit. Auf meinen Lippen machte sich hingegen ein amüsiertes Grinsen bemerkbar. Ich öffnete die Arme und sah die Vampire herausfordernd an. „Shall we?“ 17 Uhr Als ich die beiden Vampire erledigt hatte, nahm ich mich des Jungen an. Ich hob ihn hoch und flog mit ihm zum Anwesen. Dort übergab ich ihn seiner erleichterten Familie, mit dem Rat sich zu gedulden, bis er aufwachte. Doch es dauerte nicht lange, da öffnete der Kleine seine Augen und blinzelte verschlafen. Im nächsten Augenblick fiel er seiner Mutter weinend um den Hals. Lächelnd wandte ich mich ab und lies sie glückliche Familie allein um einige Worte mit Seras zu wechseln. Nur wenige Minuten später saß ich wieder zusammen mit Integra, Sir Irons und einigen Beamten am Konferenztisch im Hauptquartier der Polizei. Ungeduldig wartete die menschliche Riege auf einen Anruf. Mit geschlossenen Augen hatte ich mich in meinem Stuhl zurück gelehnt und sammelte meine Gedanken. Es blieben noch sieben Opfer und ebenso viele Stunden, bis der Spuk ein Ende hatte. Doch würden wir uns gedulden müssen, bis De Ville mit weiteren Hinweisen heraus rückte. Stupides Suchen und Raten würde zu keinem Ergebnis führen, zumal die Vampire den Ort der Hinrichtung samt Opfer erst wenige Minuten vor Exekution aufsuchten und vorher folglich nur schwerlich aufzuspüren waren. Das unerbittliche Ticken der Armbanduhr und jedes nervöse Geräusch erinnerte die Versammlung daran, dass die Zeit gegen sie arbeitete. Und im Rückschluss für die Vampire. Dabei kam mir ein Zitat aus Bram Stoker in den Sinn. „My revenge has just begun! I spread it over centuries and time is on my side.“ (eng. : Meine Rache hat gerade erst begonnen. Ich verteile sie über die Jahrzehnte und die Zeit ist auf meiner Seite.), drohte Dracula in dem Roman seinen Häschern. Die heutige Situation war der damaligen gar nicht mal so unähnlich. Professor Van Helsing ergänzte: „You are but mortal woman. Time is now to be dreaded since once he put that mark upon your throat.“ (eng. : Ihr seid nur eine sterbliche Frau. Zeit ist kostbar, seit Er dieses Mal an Ihrem Hals hinterlassen hat.) Dennoch versuchte ich mich nicht von der allgemeinen Nervosität anstecken zu lassen, sondern konzentrierte mich auf das gleichmäßige Plätschern des Regens vor dem Gebäude. Das Knacken des Kommunikationsgerätes in meinem Ohr holte mich aus meiner selbst herbei geführten Trance und zurück in die Realität. Ich setzte mich auf, straffte die Schultern und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Stimme des Mannes. „Ich grüße Sie, Fräulein Dolneaz. Sind Sie erneut bereit Ihren Geist meinen Worten zu öffnen?“ „Ich bin ganz Ohr.“, erwiderte ich, während ich mich etwas vor lehnte. „Sehr schön.“, kommentierte De Ville zufrieden. Wieder gönnte er sich eine bedeutende Pause, ehe er erneut das Wort ergriff: „Menschen sind im Herzen Feiglinge und Narren, wie Ratten, die sich ihrem natürlichen Feind zu stellen gezwungen sind. Wenn sie sterben werden ihre Knochen in derselben Erde vergraben. Ihre Skelette sind Schlüssel ihrer Gleichheit. Alles andere ist Schein und Trug. Der Mensch ist von schwacher Natur und getrübt wird das Herz vom Tode. Dennoch sucht er seinen Platz in der Welt. Ein Zuhause. Doch ist der Mensch Gefangener, eingemauert in seinem eigenen Geist und Kerkermeister seiner Gedanken. Nur die Wesen, welche lernen die Dunkelheit und die Schatten zu lieben, werden sich von den Fesseln der Außenwelt befreien können. Alleine mit ihren Gedanken, wenn sie dies wünschen, verharren die Wesen der Schatten bis die Zeit der Jagd gekommen ist.“ Das Rätsel war eine härtere Nuss als die vorherigen, musste ich gestehen und zum Glück hielten sich die Anwesenden mit ihren Kommentaren zurück, nachdem ich das Rätsel im genauen Wortlaut wieder gegeben hatte. Und falls sie es doch taten, bekam ich es nicht mit. Zu sehr konzentrierte ich mich auf die Worte, in der Hoffnung eine Lösung zu finden. Ich erschuf eine Mauer in meinem Kopf. Eine Festung, in welcher ich meine Gedanken umher trieb und von allen Seiten zu betrachten versuchte. Ich suchte einen neuen Blickwinkel, die mir neue Erkenntnisse bescheren würde. Fügte neue Gedanken hinzu, die ein neues Bild ergaben und schließlich fügten sich die Worte in einen Zusammenhang, der sich mir endlich erschloss. Skeleton Keys. (AdA: de. : Dietrich, wortwörtlich Skelett Schlüssel), Ratten, Erde, Schatten, alleine mit seinen Gedanken, im Herzen ein Feigling. All diese Worte verknüpften sich zu einem Faden, der zu einem Ort führte: Carfax, Dracula´s Residenz in England, die er über seinen Anwalt Jonathan Harker erworben hatte. „Alexandra?“ Integra´s Stimme riss mich aus meiner selbst herbeigeführten Trance und meinen Gedanken. Ich blinzelte einige Male, ehe ich den Kopf hob und die Anwesenden anblickte. „Carfax.“, wiederholte ich meinen Gedanken laut und räusperte mich etwas, ehe ich zu einer kurzen Erklärung meiner Schlussfolgerungen ansetzte: „Mit einem Dietrich verschafften sich Professor Van Helsing und seine Freunde Zutritt zu Dracula´s Anwesen Carfax. Dort wurden sie von Ratten angegriffen, doch Lord Godalming hatte in weiser Voraussicht seine Terrier von der Leine gelassen und rief sie zur Hilfe. Carfax wurde, und wird vermutlich immer noch, von einer hohen Mauer umgeben und der Graf schätzte es dort mit seinen Gedanken alleine sein zu können, wenn er es wünschte. Außerdem garantierte ihm die Kapelle, die sich an das Anwesen anschließt, dass seine Gebeine niemals bei den Gewöhnlichen ruhen mussten, so erzählte er es jedenfalls Mr. Harker auf seinem Schloss, als dieser ihm etwas über sein neues Zuhause, dass er für ihn erworben hatte, erzählte.“ An dem selben Abend, als Mr. Harker ihn über die mysteriösen Lichter am St. George Days aufklärte, welche den Legenden nach auf vergrabende Schätze hinwiesen. Er fragte, warum noch niemand die Schätze geborgen hätte, wenn man sie doch finden können. Der Graf antwortete, dass der Mensch, der Bürger, im Herzen ein Feigling und sein Narr sei. Integra nickte schließlich. Ihr schien die Erklärung, welche meine Wenigkeit abgeliefert hatte, einzuleuchten. „Mach dich auf den Weg.“ Das lies ich mir nicht zweimal sagen. Ich erhob mich und deutete eine flüchtige Verbeugung an, ehe sie den Raum verlies. Carfax befand sich in Purfleet, genauer gesagt in Essex, eine Grafschaft, die sich nordöstlich von der englischen Hauptstand befand. Das mittlerweile verlassene und etwas heruntergekommene Gebäude wurde von einer hohen Mauer umgeben, in welche ein großes Tor aus Eichenholz, welches mit Eisen beschlagen war, eingelassen war. Ich landete inmitten der steinernen Mauern und schaute mich um. Ein Blick auf meine Armbanduhr bestätigte mir, dass mir nur noch fünf Minuten zur Verfügung standen. Unwillkürlich hielt ich inne. Dem Gelände wohnte eine eigene Aura inne und ein Schauer fuhr über meinen Rücken. Ob es von der Ehrfurcht über diesen geschichtsträchtigen Ort herrührte, oder ob es daran lag, dass ein kalter Wind aufzog, vermochte ich nicht zu sagen. Ich atmete tief durch und straffte die Schultern, ehe ich auf das große Eingangsportal zusteuerte. Es war eine massive, große Tür, ebenfalls aus Eiche und mit Eisen beschlagen, welches an einige Stellen durch gerostet war. Und zu meinem Erstaunen lies es sich problemlos öffnen, sodass ich eintreten und mich in dem großen Gemäuer umsehen konnte. Wie in Trance lies ich mich von meinen Füßen durch das andächtige Bauwerk tragen. Obwohl sie diesen Ort nur aus Erzählungen kannte, war er mir doch merkwürdig vertraut. Schließlich blieb ich vor einer weiteren Eichentür mit rostigen Verschlägen stehen. Sie war größer und prächtiger als die anderen Türen des Hauses und instinktiv spürte ich, dass ich mich an dem richtigen Ort befand. Andächtig legte ich eine Hand auf die Klinke und drückte diese herunter. Das Holz knarzte protestierend, als ich die Tür aufstieß. Ich war auf alles gefasst und meine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt, als sich die Tür öffnete, doch zu meinem Erstaunen schien der Raum leer zu sein. Ich machte einige vorsichtige Schritte in das Innere der Kapelle. Stickige Luft schlug mir entgegen und Staub bedeckte den Boden und sämtliche Oberflächen. Doch es war gerade der Staub, bzw. dessen vereinzeltes Ausbleiben, dass mir verriet, dass vor kurzem einige Personen hier gewesen sein mussten. Aber wo waren die Vampire? Versteckten sie sich etwa in diesen Kisten, die sich überall in der alten Kapelle verstreut befanden? Und wo war das von ihnen vorgesehene Opfer? Sollte ich mich etwa doch geirrt haben? Mein Blick schweifte durch den Raum. 29 Kisten waren es an der Zahl. Sie waren nicht mit Staub bedeckt und folglich noch nicht lange hier. Ich kniete mich bedächtig neben eine der Kisten und öffnete den Deckel. „Alle Götter ... “, murmelte ich, als ich der Sprengstoffe im Inneren der hölzernen Kiste gewahr wurde. Auch die nächsten Kisten, die ich öffnete, wiesen Sprengsätze auf. Die leuchtende Anzeigen, welche an den Sprengkörpern angebracht waren, verrieten mir, dass sie um Punkt 18 Uhr hochgehen würden. So war den Vampiren jedenfalls die mediale Aufmerksamkeit gewiss. Ein gedämpftes Geräusch, so leise, dass ich schon glaubte, ich hätte es mir eingebildet, lies mich herum wirbeln. Da war es schon wieder. Ein Scharren und etwas, das klang wie ein ersticktes Stöhnen. Aufmerksam näherte ich mich der Kiste, welche unterhalb des Altars lag. Als ich den Deckel hob, fand ich darunter keine weiteren Sprengsätze, sondern ein bewusstloses Mädchen, das auch in seiner Ohnmacht gegen seine Fesseln anzukämpfen schien. Bis auf kleinere Schrammen schien das Mädchen unverletzt zu sein. Vermutlich hatte die Vampire es sediert. Vorsichtig hob ich die Kleine aus der Sarg ähnlichen Box und trat einen strategischen Rückzug an. Hier konnte ich ohnehin nichts mehr ausrichten. Oberste Priorität war das Wohlergehen des Mädchens. Im Schnellschritt bahnte ich mir meinen Weg aus dem Gebäude nach draußen. Die Zeiger meiner Uhr hielten unaufhaltsam auf die volle Stunde zu. 18 Uhr Ich schaffte es gerade noch über die Eingangspforte zu springen und somit das Innere der Mauer hinter uns zu lassen, als die Sprengkörper hochgingen. Die Schockwelle lies die Fensterscheiben zerbersten und ich konnte die Erschütterung trotz der Entfernung, die ich zwischen uns und das alte Gemäuer gebracht hatte, unter meinen Füßen spüren. Reflexartig lies ich mich zu Boden fallen. Während des Falls verlagerte ich mein Gewicht so, dass mein eigener Körper die Wucht des Sturzes abbekommen würde, während das Mädchen in meinen Armen unversehrt blieb. Gerade, als ich mich wieder aufrappelte, stöhnte das Mädchen leise und seine Augenlider flatterten, ehe es beide Augen aufschlug. Ich erklärte dem verwirrten Mädchen die Situation, ehe ich es zum Hellsing Anwesen brachte. Dort angekommen, bahnte sich ein älterer Herr seinen Weg durch die besorgten Angehörigen und Round Table Mitglieder. Erleichtert schloss Sir Walsh seine Enkelin in seine Arme, welche sich schluchzend an seine Brust warf. Der ältere Herr nickte mir dankbar zu, ehe er sich wieder dem Mädchen widmete und sein Bestes gab, um sie zu trösten. Keine fünfzehn Minuten später fand ich mich wieder im Polizeipräsidium ein und dieses Mal verkündete De Ville, dass es für die folgenden drei Knotenpunkte nur einen einzigen Hinweis geben würde. Klasse. Das klang vielversprechend und nach großartigen Aussichten. Ich atmete tief durch und bat den Vampir fort zu fahren. Dieser kam meiner Bitte nur allzu bereitwillig nach. „Seine Rache hat erst begonnen. Unaufhaltsam breitet sich sein Spinnennetz über die Stadt aus. Acht Stunden sind bereits vergangen und das neunte Opfer wird folgen. Sechs Glockenschläge markieren den Einbruch des Grauens und nach sechs weiteren Tönen bricht ein neues Zeitalter an. Die Menschen sind gezwungen machtlos dem Lauf der Tageszeiten beizuwohnen und unterwerfen sich Seiner Macht voller Furcht, wie Schafe auf der Schlachtbank. Ihre Gesichter blass und voller Schrecken. Ohnmächtig müssen sie zulassen, dass er ein finsteres Netz weiter spinnt, bis sich alle Wesen in seinem Bann befinden.“ Wieder blieb es lange still. Aus diesen Hinweisen galt es folglich drei Orte herauszulesen, welche die nächsten Opferplätze werden sollten. Erneut ging ich den Wortlaut in meinen Kopf durch. „Meine Rache hat erst begonnen.“, drohte der Graf Jonathan Harker und seinen Gefährten, als diese ihn in seinem Haus in Piccadilly überraschten. Sie hatten zuvor die Kisten, welche mit seiner Heimaterde gefüllt gewesen waren, entweiht und somit für den Vampir unbrauchbar gemacht. Ich blinzelte. Die Kisten gefüllt mit der Heimaterde des Grafen. Ursprünglich 50 an der Zahl, verteilte er sie über ganz England und weitete so sein Handlungsgebiet immer weiter aus. 29 lagerte er in seinem Anwesen Carfax. Dass die Vampire, oder zumindest ihr Strippenzieher, über dieses Wissen verfügten hatten sie bereits eindrucksvoll bewiesen. Grübelnd zog ich meine Stirn in Falten. Wie ein Netzwerk. Ein Spinnennetz. Piccadilly, acht Kisten. Nein, erinnerte ich mich, ursprünglich waren es neun gewesen, ehe der Graf die letzte fortschaffen lies. Acht. Neun. Ich blinzelte erneut. Also befand sich der nächste Knotenpunkt also in Piccadilly. West End war schon seit Jahrzehnten Zentrum der Regierung, der Reichen und des Wohlstandes. Kein Wunder also, dass sich der Graf diesen Stadtteil als Schlupfwinkel ausgewählt hatte. Ohne weitere Zeit zu verschwenden machte ich mich auf den Weg nach Miles End, im Zentrum Londons, denn mir blieben nur noch wenige Minuten, bis die Vampire ihr nächstes Opfer forderten. Ich landete in einer Seitengasse und lies meine Schwingen verschwinden, ehe ich auf die Straße hinaus trat und mich umsah, während ich in Gedanken alle Informationen zu Dracula´s Schlupfwinkel zusammen trug. Das Gebäude befand sich in Piccadilly in der Nähe des Junior Constitutional, ein Club, welcher für wohlhabende Politiker vorgesehen war. Es lag an der Ecke der Down Street und ermöglichte einen Blick auf den Green Park. Mein Blick fiel auf eines der eindrucksvollen Gebäude, welches auf die Beschreibung in Bram Stoker´s Roman passte. Geübt lies ich meinen Blick über die Fassade des Hauses schweifen und suchte nach Anhaltspunkten. Irgendwelche Hinweise auf ungewöhnliche Aktivitäten und sonderbare Gestalten. Meine Lippen verzogen sich zu einen zufriedenen Lächeln, als ich das Aufflackern fremder Vampirauren wahr nahm. Die Guten wurden jedenfalls nicht sonderlich einfallsreicher. Wie bereits am Tage zuvor hatten sie das Dach zu ihrer Bühne auserkoren. Zeugte gewissermaßen von ihrer Gier nach Aufmerksamkeit und von ihrer Überlegenheit, die sie sich einbildeten. 19 Uhr Und ebenso einfallsreich erlöste ich sie von ihrem Dasein und brachte das Mädchen in Sicherheit, ehe ich ins Polizeipräsidium zurück kehrte. Mit übereinander geschlagenen Beinen und vor der Brust verschränkten Armen setzte ich mich, ehe ich die Augen schloss, um nachzudenken. Das Spinnennetz, welches Dracula über die Stadt wob. Die Kisten mit Heimaterde, die er in seinen Schlupfwinkeln verteilte. Sechs Glockenschläge. Sechs Kisten. Das klang zunächst einleuchtend, aber es gab ein Problem: Es gab zwei Orte, auf welche diese Beschreibung zu traf. Bermodsey und Mile End New Town. Und trotz aller vampirischen Fähigkeiten konnte ich keine identischen Doppelgänger erschaffen. Diese Problematik teilte ich zugleich den Anwesenden mit. Es galt also zu gewährleisten, dass um 20.00 Uhr beide potentiellen Schauplätze in irgendeiner Form gesichert waren und überwacht wurden. Natürlich wäre es ein leichtes, eine anonyme Bombendrohung vorzutäuschen, allerdings würde diese sicherlich - besonders nach den Ereignissen in Carfax – zu einer allgemeinen Panik führen. Andererseits durfte man die klare Priorität aus den Augen verlieren, nämlich das Wohlergehen des nächsten Opfers und der Zivilisten. Für die körperliche Unversehrtheit der Vampire hingegen wurde nicht garantiert. Was waren dann also zwei imaginäre Anschläge im Gegensatz zu der wirklichen Bedrohung? Aber wer garantierte, dass die Vampire nicht auf die Umstände reagierten und ihre Pläne änderten? Verständlicherweise zu ihren Gunsten und zum Leidwesen der armen Menschen. Andererseits folgten Serientäter immer bestimmten Mustern und blieben ihren Ritualen stets treu. Vor allem, wenn sich der gute De Ville bisher so strikt an seine Pläne gehalten hatte, auch wenn es ihm an Opfern, die es hinzurichten galt, mangelte. Generell schien ihn das Einmischen meiner Wenigkeit und der Polizei reichlich wenig zu stören. Es machte ihm nichts aus. Zumindest schmiss er großzügig mit Hinweisen um sich, sodass ich mich begann zu fragen, ob es ihm wirklich um die Opferrituale ging. War das alles für ihn nur ein krankes Spiel, oder steckte mehr dahinter? Schließlich sprach Sir Irons ein Machtwort: „Das Wohlergehen der Geiseln hat absolute Priorität.“ In diesem Punkt widersprach ihm niemand. Das Problem war eher auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, um das Wohlergehen der Opfer und deren Angehörigen zu gewährleisten. Integra und ich wechselten schließlich einen kurzen Blick und dem einen war sofort klar, woran der jeweils andere in diesem Augenblick dachte. Die Hellsing Organisation hatte noch eine zweite Agentin zu entbehren. Um den Personenschutz der Konferenzteilnehmer und ihrer Familienangehörigen im Hauptquartier sollten sich in den nächsten zwei Stunden die Beamten kümmern, zumal es keine Hinweise darauf gab, dass die Vampire Interesse an den Round Table Mitgliedern und den Opfern, welche ihnen durch die Finger geschlüpft waren, zeigten. Das blonde Mädchen hatte ihre Schatten mittlerweile so im Griff, dass sie in der Stadt nicht weiter auffallen würde. Zudem dürfte die Dämmerung innerhalb der nächsten Stunden einsetzen. Auch Seras wurde mit einem Funkgerät ausgestattet und nach Bermodsey entsandt. Die Vampire waren in der Nähe der Jamaica Road zu vermuten. Ich hingegen nahm mich des Bezirk Mile End an und plante die Chicksand Street aufzusuchen, welche nördlich des Whitechapel Stadtteiles lag. Ich mischte mich unter die zahlreichen Touristen, welche die diversen Sehenswürdigkeiten, welche dieser Viertel zu bieten hatte, aufsuchten. Mit regem Interesse studierte ich das Jack the Ripper Museum, ehe ich einen erneuten Blick auf meine Armbanduhr warf. Es wurde Zeit. Ich wandte mich ab und bahnte mir meinen Weg durch den Menschenstrom. Als ich die Jamaica Road in Mile End erreicht hatte, blieb mir noch eine Viertelstunde, bis der ganze Zauber losgehen würde. Seras hatte bisher auch keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden gehabt, aber noch war die Zeit des Handelns nicht gekommen. 20 Uhr Unwillkürlich zuckte mein Körper angespannt zusammen, als die Glocken zur vollen Stunde schlugen. Das Bild um mich herum hatte sich in den letzten Minuten nicht verändert und ich konnte keine besonderen Vorkommnisse feststellen. Keine panischen Schreie, kein erschrockenes Nach-Luft-Schnappen, kein Blitzgewitter und vor allem keine Vampiraura. Das Funkgerät knackte und Seras´ Stimme klang an mein Ohr. Sie hatte die Vampire erledigt und brachte den Jungen, welchen sie gerettet hatte, nun in Sicherheit. Ich lächelte erleichtert und die Anspannung wich aus meinem Körper. Ich hatte nun eine volle Stunde, um mir die Umgebung einzuprägen und sie unter die Lupe zu nehmen, um den genauen Ort der Hinrichtung auszumachen.Also suchte ich nach einem hochgelegenem Platz, von welchem aus ich alles gut überblicken konnte. 21 Uhr Eine Stunde später befand ich mich mit einem Jungen auf den Arm auf dem Weg zurück ins Anwesen der Hellsing Organisation. Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt, die Dunkelheit brach herein und hielt unaufhaltsam Einzug. Im Schein des Mondlichts hockte ich auf dem Dach des Anwesens und schlürfte an einer Blutkonserve. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte ich mich beinahe völlig entspannt. Doch ich mahnte mich zur Aufmerksamkeit. Noch war es nicht vorbei. Nach der Mahlzeit kehrte ich ins Hauptquartier der Polizei zurück, um dort auf De Ville´s Anruf zu warten. Pünktlich zur halben Stunde knackte das kleine Kommunikationsgerät in meinem Ohr. „Guten Abend, Fräulein Dolneaz. Ich gratuliere Ihnen zu der geschickten Lösung.“, säuselte er. „Wir werden sehen, ob Ihnen das ein weiteres Mal gelingt. Also passen Sie gut auf.“ Er machte eine bedeutende Pause, um sich meiner Aufmerksamkeit gewiss zu sein, ehe er fortfuhr: „Der Auszug der Dunkelheit und ihrer Kinder steht kurz bevor. Wie eine Lichtsäule zieht Seine Macht die Tag- und Nachtfalter an. Einige lassen sich von den Flammen verzerren. Ihr Leben scheint vergeudet. Ihre Seelen ausgehaucht. Doch Er nährt sich von ihnen und mehr seine Kraft. Ausgestattet mit dieser Macht widersetzt er sich den Regeln der Natur und deren Gesetze und verbreitet das pure Böse.“ Meine Brauen zogen sich nachdenklich zusammen, als ich das Kommunikationsgerät aus meinem Ohr nahm und vor mich auf den Tisch legte, während ich über die Bedeutung der Worte sinnierte. Ich verschränkte die Finger ineinander und bettete mein Kinn darauf. Wie ein Mantra wiederholten sich die Worte in meinen Kopf, bis es schien, als würden einige Worte aus dem Geflecht hervortreten. Auszug. Säule. Feuer. Falter. Seelen. Leben. Gesetze. Die ersten drei Worte verwiesen auf eine Geschichte im Pentateuch. Genauer gesagt verwiesen sie auf eine Erzählung im 2. Buch Mose, dem Exodus, zu gut deutsch: Auszug. Als die Israeliten aus Ägypten flohen, wies Gott seinem Volk in Form einer Säule den Weg. Am Tag erschien der Allmächtige als Wolken- und in der Nacht als Feuersäule. Mina Harker bezog sich auf diese Bibelstelle, als der Graf in Nebelgestalt in ihr Schlafgemach eindrang. Die nachfolgenden vier Worte verwiesen auf Gespräche, welche Dk. John - von seinem alten Freund und Lehrmeister Van Helsing auch Jack genannt - Seward und Mr. Renfield geführt hatten. Der Insasse der Anstalt erklärte seinem werten Gastgeber seine Philosophie, mit der auch meine Wenigkeit vertraut war. Blut ist Leben. Renfield erklärte, dass er nicht hinter den Seelen her gewesen sei, welche im Altertum oftmals als Schmetterlinge dargestellt worden waren, sondern er sei hinter den Leben, die er sich einzuleiben gedachte um stärker zu werden, her gewesen. Doch selbst der Graf trotz seiner überwältigenden Kraft war an gewisse Gesetze gebunden gewesen. Das hatte Prof. Van Helsing angemerkt, als sich seine Gefährten und er auf den Kampf gegen den Vampir vorbereiteten. Diese Besprechung sowie alle vorherigen genannten Ereignisse hatten alle an demselben Ort stattgefunden: Doktor Sewards private Irrenanstalt. Das Asylum lag ganz in der Nähe eines Ortes, den ich bereits an diesem Tag aufgesucht hatte: Dracula´s Anwesen Carfax. Ein Blick auf meine Armbanduhr trieb mich zur Eile an, als ich vor den Pforten des Anwesen landete. Ich fuhr meine Schwingen ein und drückte gegen das Tor, welches sich mühelos öffnen lies. Ohne ein Geräusch zu verursachen, gaben die Flügel den Weg frei, sodass ich in das Innere der Mauern treten konnte. Erneut wurde mein Körper von einem eigentümlichen Schauer ergriffen. Ich schluckte trocken und atmete tief durch, ehe ich meinen Schritt beschleunigte. Ich hatte keine Zeit zu verlieren. Über dem Anwesen schwebte nicht nur eine Respekt einflößende, unheimliche Aura, sondern auch ein eigentümlicher Geruch, mit welchem ich inzwischen vertraut war: C4 Sprengstoff. Die Vampire planten also folglich auch dieses Gebäude in die Luft zu jagen, um sich der medialen Aufmerksamkeit gewiss zu sein. Und dabei würden sie ihr auserkorenes Opfer mit in den Tod reißen. Plötzlich war es, als hätte man mir mitten im Lauf die Füße unter dem Körper weggezogen. Meine Sohlen verloren jeglichen Kontakt zum Boden und mein Körper schien in der Luft zu schweben. Für einen kurzen Augenblick schien sich das Geschehen in Zeitlupe abzuspielen. Wie ein Astronaut hing ich für einen Moment in der Schwerelosigkeit, ehe ich knallhart in die Realität zurück versetzt wurde. Unsanft schlug mein Körper auf dem Rasen auf und der Aufprall presste mir sämtliche Luft aus den Lungen, sodass ich für einen kurzen Moment wie betäubt und nach Luft schnappend auf dem Boden liegen blieb.Verwirrt blinzelnd versuchte ich zu begreifen was geschehen war. Kleine Steine bohrten sich in meine Wange und ich konnte den Geruch von Erde und Gras wahrnehmen. Warum zur Hölle lag ich auf dem Boden? Als ich mich instinktiv aufrichten wollte, bemerkte ich, dass meine Beine offensichtlich aneinander gebunden worden waren. Ein Blick bestätigte die Vermutung. Eine mit zwei Stahlkugeln beschwerte Kordel hatte sich um meine Knöchel und Unterschenkel gewunden und mich so offensichtlich im Lauf zu Fall gebracht. Ich hatte bereits von diesem Jagdwerkzeug gehört. Besonders beliebt waren diese Wurfwaffen bei den argentinischen Gauchos, den Inuit und den sibirischen Ischuktschen, um entlaufenes Vieh einzufangen. Aber die Bolas kamen auch bei der Jagd zum Einsatz. Gerade als ich mich aufsetzte, in der Absicht die lästigen Fesseln zu lösen, fixierte eine weitere Bola beide Arme an meinen Seiten. Son of a goat. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie sich drei schattenhafte Gestalten nährten. Vampire. Ganz offensichtlich Mr. De Ville´s Handlanger. Mit dem, was nun folgte, schienen sie allerdings nicht gerechnet zu haben. Mit einem scharfen Geräusch lies ich die schwarzen Schwingen auf meinem Rücken erscheinen und zerschnitt im selben Zuge die Fesseln, die sich um meinen Rumpf geschlungen hatten. Mit einer beiläufigen Bewegung durch hieb ich auch die Stricke, die um meine Beine gewickelt gewesen waren. Den Vampir, der als erster heran war, fegte ich von den Füßen und trennte ihm mit einer flüssigen Bewegung den Kopf von den Schultern. Seine Kumpanen riss es in der Körpermitte auseinander. Für einen Moment starrte er ungläubig auf die Blutlache vor seinen Füßen und seine Innereien, die aus ihm hervorquollen. Dann brach er leblos zusammen. Schon im nächsten Augenblick war ich hinter dem verbliebenen Vampir, packte seinen Schädel und verdrehte ihn geräuschvoll um 180 Grad. Als ich von ihm ablies fiel auch er, seines Lebensfunken beraubt, tot zu Boden. Angesäuert fuhr ich die Schwingen wieder ein und schüttelte flüchtig meine schmerzenden Glieder. Für so etwas hatte ich nun wirklich keine Zeit. Dann stürmte ich in das Gebäude. Auch hier hatten die Vampire offensichtlich ganze Arbeit geleistet. Unzählige Kilogramm an Sprengstoff waren an den Wänden angebracht worden, welche die Anstalt ohne jeden Zweifel dem Erdboden gleich machen würden. Und wenn ich mich nicht beeilte, kam auch die Geisel in der Explosion um. Während ich durch das Gebäude hetzte, folgte ich einem vagen Gefühl, welches mich schließlich vor eine mit Eisen beschlagende Tür brachte. Ohne Zweifel zeugte sie von den Sicherheitsvorkehrungen, welche in diesem Asylum von Nöten gewesen waren, um die Insassen unter Kontrolle zu bringen. Und als mein Blick auf ein kleines Schild neben der Tür fiel, wusste ich, dass ich hier richtig war. »R. M. Renfield« war da rauf zu lesen. „Weg von der Tür!“, warnte ich, ehe ich mich gegen das Metall warf. Mit meiner Schulter wuchtete ich mich mit meiner gesamten Kraft und meinem Körpergewicht einige Male gegen das Metall. Nach einigen vergeblichen und fruchtlosen Versuchen, gelang es mir schließlich die Tür aufzustoßen. Allerdings blieb mir keine Zeit um höfliche Worte mit dem Jungen, den ich als Sir Irons Enkel erkannte, zu wechseln. Stattdessen nahm ich ihn bei der Hand und rannte mit Höchstgeschwindigkeit durch das Gebäude. Mir war durchaus bewusst, dass wir es nicht rechtzeitig zum Ausgang schaffen würden, also fasste ich einen anderen Plan. Ich hechtete ein Stockwerk weiter nach oben, wo ich das Arbeits- und die Gästezimmer vermutete. Yes! Ich erlaubte mir diesen triumphierenden Gedanken, als ich eine der Türen aufstieß. Im Gegensatz zu den ... Gemächern der Insassen, waren diese Fenster weder vergittert noch zugemauert. Perfekt. Ich wandte mich an den atemlosen Jungen. „Gut festhalten.“ Ich drückte ihn fest an meinen Oberkörper, ehe ich mich wie ein Taucher, der die Wasserfläche durchbrach, mit dem Rücken und mit voller Kraft gegen die Scheibe warf. Mit einem markerschütternden Knacken und Knirschen gab das Glas schließlich nach und zersplitterte in mehrere Teile. Der Junge stieß einen erschrockenen Schrei aus und verstärkte seinen Griff, als wir unaufhaltsam dem Boden zu rauschten. Urplötzlich fuhr ich erneut meine Schwingen aus und unsere Körper vollführten eine Art von bizarrem Salto in der Luft. Dieser brachte mich in die gewünschte Flugposition und die darauffolgenden Flügelschläge katapultierte uns weiter von dem Gebäude fort. 22 Uhr Trotz der Entfernung war das Ausmaß der Explosion enorm. Die Druckwelle war noch in der Luft zu spüren und sorgte für eine weitere, unfreiwillige Drehung in der Luft. Es regnete Schutt, etwas Asche und Gesteinsbrocken. Außerhalb des Wirkungsbereiches der Sprengkörper landete ich und erkundigte mich schließlich nach dem Wohlbefinden des Jungen, doch glücklicherweise war Irons Jr. unverletzt. Er schien, verständlicherweise, noch etwas unter Schock zu stehen, war aber körperlich unversehrt und nickte tapfer. Ich beschloss ihn zunächst zu seinem Großvater zu bringen, ehe ich ihn ins Hauptquartier begleiten würde. Zum ersten Mal an diesem Tag machte sich so etwas ähnliches wie Erleichterung auf Sir Hugh Irons Gesicht bemerkbar. Er lies sich nicht gerade zu einem spontanen Gefühlsausbruch mit Tanzeinlage hinreisen, aber das hatte ich auch nicht wirklich erwartet. Und trotz alledem beschloss der ältere Gentleman, dass er seinen Enkel nicht zum Anwesen der Hellsing Familie begleiten, sondern weiterhin hier seine Pflicht erfüllen würde. Ein standhafter, pflichtbewusster Mann. Nachdem ich mit Lady Integra und Sir Irons einige Worte gewechselt hatte, brachte ich seinen Enkel zurück zum Hellsing Anwesen. Wieder genehmigte ich mir an der frischen Luft eine Blutkonserve. Zufrieden vollführte ich mit meinen Armen eine rotierende Bewegung, als die Wunden, die ich von der spektakulären Flucht aus dem Asylum davon getragen hatte, verheilten. So war ich wieder einsatzbereit. Mit Schwung erhob ich mich vom Boden und lächelte sanft, ehe ich mein Haupt neigte und mich leise flüsternd verabschiedete, um die Totenruhe nicht zu stören. „Bis bald.“ Ich wandte dem Grab meiner Familie den Rücken zu und verlies den Friedhof ebenso ungesehen, wie ich ihn betreten hatte. Gerade, als sich das Tor hinter mir schloss, knackte das kleine Kommunikationsgerät in meinem Ohr. Ich warf einen flüchtigen Blick auf meine Armbanduhr. Der gute Herr war erstaunlich früh dran. „Guten Abend, Fräulein Dolneaz.“ „Guten Abend.“, erwiderte ich. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Mr. De Ville?“ Der Vampir schien zu lächeln. „Nun ...“, begann er bedächtig. „Der Fairness halber und als Zeichen meines guten Willens ...“ An dieser Stelle unterdrückte ich ein amüsiertes Prusten. Oh ja. Unschuldige Menschen zu entführen und sie für seine Zwecke zu missbrauchen zeugt bekanntlich immer von Fairness und einem guten Willen. Doch ich unterbrach ihn nicht, sondern lies ihn aussprechen. „ ... Möchte ich Sie wissen lassen, dass Sie die gesamte Zeit über Ihr Augenmerk auf die falschen Personen gerichtet haben.“ Meine Augen verengten sich. „Was wollen Sie damit sagen?“ „Zwölf die Fesseln. Die Ketten werden gesprengt. Dreizehn das Blut von seinem Blute.“, sagte der Mann bedächtig und ich erkannte es als die Worte wieder, die der Vampir an diesem Tag zuvor benutzt hatte. Er lachte kurz auf, ehe er fortfuhr: „ Sie haben das dreizehnte Opfer außer Acht gelassen, Fräulein. Alle nötigen Schritte sind bereits in die Wege geleitet worden.“ Er machte eine bedeutende Pause, ehe er eine weitere Zeile aus Dracula zitierte: „Die, die ihr liebt ist bereits mein.“ Er lachte boshaft. „Ich sagte doch bereits, dass unsere Ziele klar und unsere Methoden bewährt seien und wir fest entschlossen sind unser Werk zu beenden. Ich will doch nicht annehmen, dass ihr tatsächlich geglaubt habt, Van Helsing´s Nachfahrin wäre ein würdiger Gegner für unser gleichen. Für einen Menschen vermag sie über bemerkenswerte Willenskraft zu verfügen, aber einem Midian ist sie trotz alledem unterlegen. Es war ein Leichtes gewesen, sie zu täuschen, sodass sie nun unseren Zwecken dienlich sein kann.“ Ich hatte die Fäuste geballt und bleckte die Zähne. „Was haben Sie mit Lady Integra gemacht?“, knurrte ich. Der Mann lies sich Zeit mit seiner Antwort. „Seien Sie unbesorgt. Man hat ihr kein Haar gekrümmt. Ich hatte meinen Freunden klare Anweisungen gegeben und ich gehe davon aus, dass sie sich an dieselbigen gehalten haben.“ Erneut konnte ich wahrnehmen, wie der Vampir meine Lippen zu einem amüsierten Lächeln verzog. „Alle Vorbereitungen sind nun getroffen. Ich erwarte Ihre Anwesenheit beim großen Finale. Abia aștept. (Rum. : Ich freue mich darauf.)“ Ein Knacken und die Stimme des Mannes hüllte sich in Schweigen. Für einen Augenblick stand ich einfach nur da. Den Blick auf den Boden gerichtet. Die zitternden Fäuste geballt. Die Zähne gebleckt. Diese Bastarde. Ich riss mich aus meiner Erstarrung und griff nach dem Funkgerät an meinem Gürtel. „Lady Integra?“ Keine Antwort. Also versuchte ich es erneut. „Oujou – Sama!“ Immer noch kein Lebenszeichen. Ein kalter Schauer wanderte meinen Rücken hinab und eine eisige Faust griff nach meinem Herzen. Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich von Furcht ergriffen. Kalter, nackter Furcht. Ich schloss die Augen und zwang mich dazu Ruhe zu bewahren. Panik war nun unangebracht. Die half jetzt nämlich niemandem weiter. Ich atmete tief durch und fuhr meine Schwingen aus, ehe ich mich in die Lüfte erhob. Mit unmenschlicher Geschwindigkeit flitzte ich über den dunklen Nachthimmel. Mein Ziel: Das Hauptquartier der Londoner Polizei. Vielleicht hatte der Vampir gelogen, oder es fanden sich Hinweise auf den Aufenthaltsort des jungen Fräulein. Als ich dort ankam war alles still und keine einziges Licht brannte. Verdammt. Lautlos landete ich vor dem Gebäude, doch mein rasendes Herz trieb mich zur Eile an. Hastig betrat ich das Polizeihauptquartier. „Oujou - Sama? Sir Irons?“ Niemand antwortete. Das Gebäude schien leer und verwaist zu sein. Plötzlich entdeckte ich zwei Gestalten, welche am Boden des Eingangsbereiches lagen. Sie trugen beide Uniform und rührten sich nicht. Hastig stürzte ich an ihre Seite. Vor den Polizisten nieder kniend, drückte ich einem der Männer Zeige- und Mittelfinger gegen den Hals. Kein Puls. Ich wandte mich herum und verfuhr mit seinem Kollegen ebenso. Doch auch bei ihm konnte ich keinen Puls spüren. Beide Männer waren tot. Als ich ihre Köpfe anhob, um die Todesursache zu untersuchen, stellte ich fest, dass man ihnen offensichtlich das Genick gebrochen hatte. Ein Geräusch lies mich hochfahren und herum wirbeln. Ich war nicht allein. Der Mörder der beiden Männer war noch hier. Und er war nicht allein. Trotz der pechschwarzen Dunkelheit versuchte ich in der undurchdringlichen Schwärze die Angreifer auszumachen. Dank ihrer Präsenzen und den Geräuschen, die sie verursachten, konnte ich ihre groben Standorte ausmachen, doch mir wurde schnell bewusst, dass ich so klar im Nachteil war. Ich musste die Lage zu meinen Gunsten wenden, wenn ich eine Chance haben und in diesem Kampf als Sieger hervor gehen wollte. Gerade, als ich mir im Kopf einen Plan zurecht legte und schmiedete, schnellte einer der Angreifer unvermittelt vor. Ich wirbelte herum, doch zu langsam. Noch während mein Körper eine Drehung vollführte, wurde mir bewusst, dass ich es nicht schaffen würde den Angriff abzuwehren. Mit gewaltiger Kraft ging der Ellenbogen des Angreifers auf meinen Nacken nieder. Ein heißer Blitz durchzuckte meinen Körper vom Kopf bis zu den Füßen. Augenblicklich gaben meine Beine nach und ich fand mich auf dem Boden wieder. Benommen hob ich den Blick, als sich der Kreis enger um mich zog. Doch für einen Gegenangriff fehlte mir die Kraft. Mein Schädel dröhnte und mir war schwindelig. Das Bewusstsein drohte mir zu entgleiten und verschwommen tanzte mein Blickfeld vor meinen Augen. Meine Glieder waren unsäglich schwer und mein Verstand arbeitete nur schleppend. Ich versuchte blinzelnd Atem zu schöpfen und kämpfte verzweifelt gegen die Ohnmacht an, die nach mir griff, doch da sah ich nur noch einen Stiefel auf mein Gesicht zu kommen und im nächsten Augenblick wurde alles schwarz. Der Vampire lächelte zufrieden. Bald würde sein Plan zur Vollendung kommen. Er erteilte den Männern einen Wink und bedeutete ihnen so, ihn allein zu lassen. Diese deuteten eine flüchtige Verbeugung an und liesen ihm mit ihrer neusten Errungenschaft zurück. Lange betrachtete der Mann das dunkelhaarige Mädchen schweigend. Das war also Vlad´s erstes Küken, das sein Blut empfangen und getrunken hatte. Er studierte das Gesicht der jungen Draculina. Trotz der tiefen Ohnmacht, in welcher das Mädchen gefangen war, konnte er aus ihren Gesichtszügen die Willenskraft erkennen, die in ihrem Inneren schlummerten. Die Kleine erinnerte ihn an eine Raubkatze. Auf den ersten Blick zahm und trotz durch Menschen abgestumpfte Zähne und Krallen gefährlich. Eine Verschwendung großen Potentials war es, was er sah. Der Frischling wandelte auf dem falschen Pfad und ihre Loyalität gehörte den falschen Leuten. Bedauerlicherweise. Er beugte sich zu dem Mädchen herab, als dieses begann sich zu regen. Ein leises Stöhnen entkam ihren Lippen. Offenbar kam sie schneller zu sich als gedacht, oder erwünscht. Vorsichtig hob er ihren Kopf an und tastete nach der hohlen Stelle unterhalb der Schädelbasis, ehe er seinen Daumen in den weichen Knorpel trieb, der unter seiner Kraft nachgab. Der Körper der Kleinen erschlaffte augenblicklich. Mit einem Seufzen erhob sich der Vampir und löste seinen Blick von dem Mädchen. Er hatte schließlich noch einige Vorbereitungen zu treffen. 23 Uhr Ich erwachte schmerzerfüllt in völliger Dunkelheit. Mein Schädel pochte dumpf und insbesondere mein Nacken schmerzte höllisch. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Erinnerung an die vergangenen Ereignisse zurück kehrten. Oujou-Sama! Mein Kopf schnellte nach oben, doch der scharfe Schmerz, der augenblicklich durch meinen Körper fuhr, lies mich unwillkürlich zusammen zucken und inne halten. Was zum ... ? „Ich schlage vor, Sie halten still, junges Fräulein, sonst schneiden die Drähte nur tiefer in Ihr Fleisch.“, riet jemand hinter mir. Die Stimme war dunkel und ausdruckslos. Ich erkannte sie als die Stimme des Mannes wieder, mit dem ich an diesem Tag bereits einige Male das Vergnügen gehabt hatte. Erst jetzt stellte ich fest, dass ich an eine Art Kruzifix gefesselt war. Um meine Ober- und Unterarme, Schenkel und um meine Kehle schlang sich ein tückischer, dünner Draht, der meinen Körper an das Kruzifix fixierte und beinahe jede Bewegung unmöglich machte. Sogar an meine schwarzen Schwingen hatte man gedacht. Die kleinste Regung sorgte dafür, dass sich die Drähte tiefer in mein Fleisch gruben. Augenblicklich fühlte ich mich unangenehm an die Waffe meines Onkels erinnert. Aber ich zog es vor den brennenden Schmerz und den Outfitwechsel – von meiner schwarzen Dienstkleidung, zu einem weißen Kleid – zu ignorieren und wandte mich an den Vampir, der sich immer noch außerhalb meines Sichtfeldes befand. „Was haben Sie mit Lady Integra gemacht?“ „Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Dienstherrin.“, erwiderte De Ville gelassen. „Wie ich bereits sagte, hat man ihr kein Leid zugefügt. Noch ist sie unversehrt. Sie befindet sich immer noch im Hauptquartier der Polizei. Ich hatte lediglich eine kleine Evakuierung des Gebäudes veranlasst. Und augenscheinlich sind meine Pläne aufgegangen.“ Nun trat der Mann zum ersten Mal in mein Blickfeld und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass er mir irgendwie bekannt vor kam. Er hatte ein ebenmäßiger Gesicht, das von markanten Zügen geprägt war. Über seine Augenlider zogen sich grausame Narben, die wohl von Verbrennungen herrührten. Sein langes, schwarzes Haar kräuselte sich in Hüftlänge und seine dunklen Augen wirkten ebenso grausam, wie sie auf Intelligenz und Erfahrung schließen liesen. Sie strahlten eine solche Kälte und Macht aus, die mich unwillkürlich erschaudern liesen. Doch dann wanderte mein Blick zu seinen Lippen herab und meine Augen weiteten sich, als ich des Blutes an seinem Mundwinkel gewahr wurde. Der Vampir schien sich sichtlich über den Ausdruck in meinem Gesicht zu amüsieren und wischte das Blut mit einer beiläufigen Handbewegung weg. „Das zwölfte Oper wurde gebracht.“ Er deutete mit dem Kinn auf eine blasse, leblose Gestalt, die sich beinahe völlig außerhalb meines Sichtfeldes befand. Das Mädchen war bis auf den letzten Blutstropfen ausgesaugt worden. Mit einem Knurren stemmte ich mich gegen die Fesseln. „Sie verfluchter Mistkerl.“, zischte ich. De Ville lächelte lediglich und seine Augen funkelten amüsiert. Kurz wanderte ein Ausdruck über seine Züge, der mir vertraut war. Blutlust keimte in seinem Blick auf, als die Drähte tiefer in mein Fleisch schnitten. Doch dann hob er seinen Blick und sah mich direkt an. „Sagen Sie mir, junges Fräulein, sind Sie auch nur auf den Gedanken gekommen, sich um Ihr eigenes Wohlergehen zu sorgen?“ Meine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsten. „Ist nicht so mein Ding.“ Der Vampir nickte bedächtig. „Ihre Uneigennützigkeit ehrt Sie, Fräulein Dolneaz, stellt aber auch Ihren größten Schwachpunkt dar.“ Er machte eine bedeute Handbewegung. „Sanftmut wird schnell zu Nachlässigkeit und Selbstlosigkeit verschießt die Augen für die eigenen Gefahren.“ Er machte eine kleine Pause und lies seine Worte wirken, während er ein Messer aus seiner Mantelinnentasche hervor zog. Es hatte eine ungewöhnliche Form und es dauerte eine Weile, bis ich es anhand der Klingenform als Bowie Messer erkannte. Scheinbar nahm De Ville das Aufflackern der Erinnerungen in meinen Augen wahr und lächelte überlegen. „Ganz recht. Dies ist jene Klinge, die des Grafen Herz durchbohrte. Sie können mir glauben, dass es mich einiges an Mühen gekostet hat, an dieses Stück zu gelangen. Doch das war es wert.“ Er lies die Klinge in der spärlichen Beleuchtung funkeln. Ein verzücktes Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er das Messer in seiner Hand betrachtete, und wieder durchzuckte mich der Gedanke, dass er mir auf irgendeine Art vertraut schien. Aber warum ... ? Ich schüttelte das Gefühl von mir und starrte den Mann feindselig an. „Vielleicht möchten Sie mir erklären, was Sie mit diesem Affentheater zu bewerkstelligen wünschen.“ Der Vampir blinzelte, als risse er sich aus einer tiefen Trance, ehe er mich ansah. Erneut verzogen sich seine Lippen zu einem amüsierten Lächeln. „Ich möchte unseresgleichen zu alter Stärke verhelfen. Viel zu lange sind wir gezwungen worden uns verdeckt zu halten. Und das nur, weil wir „anders“ sind. Geächtet aufgrund unseres Wesens und unserer Natur. Jahrhunderte lang waren wir gezwungen gewesen uns zu verstecken. Man hat uns gejagt, unterjocht und gequält. Doch diese Zeiten sind nun vorbei.“ Nun war ich mir sicher: Der Mann handelte tatsächlich aus felsenfester Überzeugung heraus. Er glaubte das, was er sagte und vertraute auf die Auswirkungen seiner Taten. „Aber genug davon...“, unterbrach sich De Vile mit einem Blick auf seine Taschenuhr. „Es wird Zeit.“ Lange sah er mich an, ehe er fragte: „Shall we?“ De Ville fixierte meine Augen mit seinem eigenen kalten Blick. Seine stechenden Augen glühten rot auf. Noch ehe ich so recht begriff, was der Vampir vor hatte, begann dieser seine Kraft freizusetzen. Mit einem Mal wurde mir schwindelig. Es war als drehte sich mein Verstand im Kreis und hüllte sich langsam in einen zähen, undurchdringlichen Nebel. Meine Glieder wurden unsäglich schwer und ein seltsamer Gleichmut überkam mich. Der Vampir trat näher. Die Klinge des Messers, das er in der Rechten hielt, funkelte tückisch. Verzweifelt versuchte ich gegen seinen Bann anzukommen, doch der Mann war zu mächtig. Er erstickte jeglichen Widerstand im Keim und lächelte, als er mit der Klinge über meine Wange strich. „Du aber, ihr aller Liebling, gehörst jetzt mir.“, zitierte er ruhig. „Bist Fleisch von meinem Fleisch. Blut von meinem Blut. Bist von meiner Art.“ Der Daumen seiner freien Hand fuhr über meine Lippen. „Und für eine Weile mein freigebiger Weinkelter.“ Das Messer wanderte tiefer hinab. Mit einer beiläufigen Bewegung zerschnitt er die scharfen Drähte, ehe er die Klinge sinken lies und mich bei den Schultern packte. Noch immer konnte ich keine Kraft aufbringen, mich ihm zu entziehen. De Ville beugte sich vor. Während er mich immer noch mit seiner linken Hand festhielt, legte er mit der Rechten meinen Hals frei. Beinahe sanft fuhren seine Finger über die nackte Haut, ehe er mein Kinn packte und meinen Kopf neigte, sodass mein Hals nun völlig entblößt auf seinen Biss zu warten schien. Seine Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Grinsen und er schien ganz sicher gehen zu wollen, dass ich es mitbekam. Spott und Hohn lagen in seinem Blick, als er sich über sein Opfer beugte. Unwillkürlich erschauderte ich, als sein Atem meine Haut streifte. Dennoch gelang es mir nicht mich seinem hypnotischen Bann zu entziehen und mich somit aus seiner Trance zu befreien. Ein scharfer Schmerz fuhr durch meinen Körper, als sich seine Zähne in mein Fleisch bohrten. Mein Geist bäumte sich erneut auf, doch ich konnte die Kontrolle über meinen Körper immer noch nicht zurück gewinnen. Schließlich legte der Vampir seine Lippen auf die frische Wunde, die er mir beigebracht hatte, und begann zu trinken. Wie lange er so verweilte hätte ich später nicht sagen können. In meinem Kopf drehte sich alles, meine Gedanken wirbelten ungeordnet und durcheinander durch meinen Schädel und mit dem Blut wich die verbliebene Kraft aus meinem Körper. Als der Vampir von mit ablies, sorgte zunächst nur sein Griff dafür, dass ich nicht zu Boden sank. Mein Blick schweifte unfokussiert über die Dunkelheit. „Mit seinem Blut hat es begonnen und mit seinem Blut wird auch unsere Revolution beginnen.“, sprach De Ville bedächtig, ehe er sich über seine blutverschmierten Lippen leckte. Dann knöpfte er sein Hemd auf und entblößte so seine Brust. Mit dem Daumennagel seiner linken Hand fuhr er über seine schneeweiße Haut und hinterlies einen roten Striemen. Mit einem weiteren hämischen Grinsen packte er mich nahe des Nackens bei den Haaren und drückte mein Gesicht gegen seine Brust, sodass meine Lippen auf der frischen Wunde lagen, die er sich selbst beigebracht hatte. Nein ... Nein! Es war, als holte mich der Geruch des frischen, fremden Blutes schlagartig in die Realität zurück. Nicht einen einzigen Tropfen davon würde ich trinken. Nicht einen einzigen! Mit einem animalischen Knurren bäumte ich mich auf, stemmte mich gegen seinen Griff und riss den Kopf zurück, um ihn dann vorschnellen zu lassen. Ich grub meine Zähne tief in sein Fleisch und verbiss mich so in seiner rechten Schulter. Der Vampir grunzte vor Schmerz, ehe er laut zu lachen begann. Scheinbar amüsierte ihn meine Gegenwehr. Seine Finger gruben sich tiefer in meinen Nacken, sodass unsere Haltung einem Kind, das eine Katze in eine Milchschale drückte, damit das Tierchen trinkt, ähneln musste. Den Schmerz ignorierend holte ich zum Gegenangriff aus und trieb mein Knie in die Weichteile des Mannes. Augenblicklich trat der gewünschte Effekt ein. Zischend stieß De Ville Luft aus und sein Griff lockerte sich merklich. Diesen Moment der Schwäche nutzend, stieß ich den Vampir von mir, straffte die Schultern und lies meine schwarzen Schwingen verschwinden. Im Augenblick hatte ich nicht die Kraft die Federn zu schärfen, also wären sie nur im Weg und als Waffe kaum zu gebrauchen. De Ville kam schnell wieder auf die Beine und wandte mir sein verkniffenes Gesicht zu. Dennoch schien er nach wie vor belustigt, denn er lächelte. Seine Amusement steigerte sich, als ich in Kampfstellung ging. Er verzog die Lippen zu einem Grinsen, ehe er in die Hände klatschte und laut zu lachen begann. „Feisty one, huh?“, fragte der Vampir, als er sich beruhigt hatte. Erneut durchzuckte mich der Gedanke, dass mir der Mann auf irgendeine Weise vertraut vorkam. Doch man lies mir allerdings keine Zeit genauer darüber nachzudenken. Im nächsten Augenblick stürmte der Vampir auf mich zu. Ich duckte mich unter seinem Messerhieb weg, ehe ich versuchte ihn mit einem Tritt von den Füßen zu wischen. Doch so einfach machte es mir De Ville dann doch nicht. Mit Leichtigkeit, die seine hochgewachsene Gestalt Lügen strafte, entkam er der Attacke mit einem Sprung. Mit unmenschlicher Geschwindigkeit schoss er vor und lies die Klinge direkt auf mein Gesicht zu sausen. Ich entging dem Angriff aus einem reinem Reflex heraus. In der Dunkelheit konnte ich nur vage Schemen ausmachen, doch ich dachte gar nicht daran kampflos aufzugeben. Ich hatte zwar noch unter dem Blutverlust zu leiden, doch ansonsten trat der Mann unter denselben Bedingungen in den Ring wie meine Wenigkeit. Dieses Mal wartete ich den Angriff ab, ehe ich mit dem Handballen gegen seine Hand stieß, welche das Messer hielt. Tatsächlich lies De Ville die Klinge fallen und die Waffe flog im hohen Bogen durch die Luft, ehe sie mit einem klirrenden Geräusch auf dem Boden aufkam. Den Vampir schien der Verlust der Waffe nicht sonderlich zu stören und er setzte seinen Angriff mit unverminderter Härte fort. Sein Tritt schleuderte mich zur Seite und zu Boden. Doch ehe er heran war, erhob ich mich mit Schwung und nahm wieder meine gewohnte Kampfstellung ein. Ich passte seinen Angriff ab und schlug seinen Arm zur Seite, ehe ich ihm mit meiner rechten Faust ins Gesicht schlug. Der Mann zuckte nicht einmal mit der Wimper und packte mein Handgelenk. Er verstärkte seinen schraubstockartigen Griff, bis der Schmerz beinahe unerträglich wurde. Dann trieb er sein Knie in meine Magengegend. Ich keuchte laut auf, als mir sämtliche Luft aus den Lungen gepresst wurde. Dann trat der Vampir mit voller Wucht gegen meine Kniescheibe. Man vernahm ein ungesundes Knacken und ein Schmerzenslaut entkam meinen zusammengepressten Lippen. Der Vampir hatte die ganze Zeit über nicht von mir abgelassen und wirbelte mich nun mit Schwung herum, sodass ich mit dem Rücken zu ihm stand, ehe er mir beide Arme schmerzvoll hinter meinem Rücken verdrehte. Mit meinem unversehrten Bein holte ich aus und versuchte mit dem Fuß sein Schienbein zu erwischen. Doch dies verhinderte der Mann, indem er mir in die Kniekehlen trat und zulies, dass ich zu Boden sank. In aller Ruhe lies De Ville von mir ab, schlenderte zu dem Messer, hob die Waffe auf und kam ebenso gemächlich wieder zurück. Ich rollte mich auf dem Boden herum und versuchte nach ihm zu treten, doch er versetzte mir einen Schlag auf den Oberschenkel, der mein Bein lähmte. Mit einer Seelenruhe, die ihresgleichen suchte, beugte er sich herab, packte mich an der Kehle und schleppte mich zurück zu dem Kruzifix. Mein Hinterkopf machte unsanft Bekanntschaft mit dem kalten, dunklen Stein, sodass ich blinzeln musste, um meinen Fokus zurück zu gewinnen. „Endstation, Frischling.“, säuselte die dunkle Stimme. Meine Augen weiteten sich flüchtig. Hatte der Kerl etwa meine Gedanken gelesen, als er mein Blut gesaugt hatte, oder ... ? Aber dieses Gesicht. Seine Sprachweise. Seine Kraft und diese Charakterzüge. Es war, als lag mir ein Name auf der Zunge, der aber einfach nicht kommen wollte, so sehr ich auch darüber nachdachte. Meine Augen verengten sich und ich suchte seinen Blick. „Wer sind Sie?“ Ein bitteres Lächeln huschte über seine Züge, als er das Bowie Messer in seiner Hand tanzen lies. „Ein scharfsinniges Küken, mh?“, meinte er mit einem amüsierten Unterton. Er schien mit sich zu kämpfen, denn er zögerte. Gerade, als ich dachte, der Vampir würde zustechen, trat er einen Schritt zurück und wandte mir den Rücken zu, sodass mir sein Gesicht verborgen blieb. „Ja ... Wer bin ich nur?“ Er stieß ein kehliges, freudloses Lachen aus. „Die Geschichte ist wirklich ein undankbarer Geselle und grausam zu ihren Opfern. Es sind die Gewinner, welche die Bücher schreiben und prägen. Die Verlierer werden vergessen und verschwinden im ewigen, endlosen Strom der Zeit und die Gegenseite lässt sich als Held feiern. Ruhm ist kurzlebig und einige Heldentaten werden von größeren überschattet. Schreie verklingen ungehört und die Wahrheit wird vergraben. Nur allzu gerne lassen sich die Menschen von schönen Worten und prächtigen Geschichten einlullen und blenden, die ihre eigene Grausamkeit verschleiern. Sie verschließen die Augen vor der Wahrheit und ziehen dieser Lügen vor. Sie nennen uns Monster, doch was ist die Natur des Menschen?“ Bedächtig drehte er sich zu mir um. „Ich habe lange darüber nachgedacht. Oh ja.“ Er lachte freudlos auf. „Ich hatte lange Zeit gehabt, darüber nachzudenken.“ Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er mich fixierte. „Sag mir, Mädchen, kannst du dir vorstellen, wie es ist, bei lebendigem Leibe vergraben zu werden?“ Er fuhr sich mit den Fingern über seine vernarbten Lider. „Geblendet und geächtet? Die Hoffnungslosigkeit? Die Verzweiflung?“ Meine Augen weiteten sich, als ich allmählich begriff, wen ich vor mir hatte. Die Hinweise waren die ganze Zeit über vorhanden gewesen. Ich hätte sie nur erkennen müssen. Jedes einzelne seiner Worte hatte auf die Wahrheit hingewiesen. „Sie sind ...“ Die Spur eines Lächelns huschte über das Gesicht des Vampirs. „Ganz recht.“ Mircea wandte sich wieder dem dunklen Nachthimmel zu. „Am Anfang habe ich noch gebetet. Unter der Erde schienen Augenblicke wie Äonen. Ich verfluchte meine Feinde und hasste sie aus tiefster Seele. Doch bald schon begann ich mich zu fragen: Wo ist Gott? Warum steht er mir in dieser dunklen Stunde nicht bei? Für wen habe ich all die Jahre gekämpft? Wen habe ich verteidigt? Einen rachsüchtigen, herzlosen Geist. Nichts weiter. Und um einem Dämon zu trotzen, muss man selbst zu einem werden.“ Er lachte leise. „Auch mein kleiner Bruder schien diese Lektion gelernt zu haben, als er unsere Widersacher und Feinde vernichtete. Doch er war nicht stark genug.“ Bedauernd schüttelte der Mann sein Haupt. „Er hat sein Knie gebeugt und sich einem Menschen unterworfen. Ein Zeichen der Schwäche und der Schande. Hellsing. Pah!“ Er spuckte den Namen förmlich aus. „Er hat es zugelassen, dass er zu einem Schoßhund verkam und dies stumpfte seine Reißzähne und Krallen. Er ist schwach geworden und das bringt noch mehr Schwäche hervor.“ Er wirbelte herum und funkelte mich spöttisch an. „Auch Sie, junges Fräulein, haben sich zu einem Untertan machen lassen. Diese Schande fließt in Ihrem Blut und durch Ihre Adern. Sie haben Ihrer Art und Ihrer Natur den Rücken gekehrt. Haben sich in Ketten legen lassen, um sich nun dem Willen Ihrer Meister zu beugen. Besitzen Sie keinen Stolz, Fräulein Dolneaz?“ Ich fand immer noch keine Kraft um auf die Beine zu kommen, dennoch erwiderte ich den stechenden Blick des Vampirs furchtlos. „Es ist keine Schande, wenn die Loyalität den richten Menschen gehört.“, erwiderte ich. „Ich bin stolz darauf, den Menschen behilflich zu sein, die sich meinen Respekt verdient haben. Master war sich bewusst, dass es keine Schande ist, sondern es zeugt von Charakterstärke anzuerkennen, dass gewisse Menschen unsere Hochachtung verdient haben. Niemand ist perfekt. Weder Menschen, noch Monster. Aber jene, welche gewillt sind, andere vor Schaden zu bewahren und ihr Bestes zu geben um die Welt zu einem besseren und sicheren Ort zu machen und dafür ihr Leben einsetzen, steht unsere Loyalität zweifelsfrei zu. Es ist keine Frage der Art, oder der Macht, sondern der Prinzipien.“ Meine Augen funkelten. „Ihr Bruder hat dies erkannt. Es ist weder Schande, noch ein Zeichen von Schwäche, wenn man sich für ein höheres und edles Ziel einer anderen Person unterstellt.“ Ich lächelte schief. „Nehmen Sie sich vor dem Leviathan in acht, denn er ist ein mächtiges und furchteinflössendes Wesen.“ (AdA : Wer mit dem „Leviathan“ nicht vertraut ist, hier eine kurze Erklärung: Das ist ein Lösungsansatz des englischen Mathematikers, Staatstheoretiker und Philosophen Thomas Hobbes um den Frieden auf der Welt zu gewährleisten. Kurzum geben die Menschen (einen Teil) ihre(r) Freiheit auf und ordnen sich einer höheren Macht (in diesem Fall der Staatsmacht) unter.) Mircea brach in schallendes Gelächter aus. „Sie geben also Ihre Freiheiten auf, um den Frieden zu sichern? Interessante Denkweise. Doch was würden Sie sagen, Fräulein Dolneaz? Was ist die Natur des Menschen?“, fragte er. „»Homo homini lupus. Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf« Ist es nicht so?“ (AdA : Eine weitere Annahme von Hobbes.) „Ich kann Ihnen in diesem Sinne nur in Maßen widersprechen.“, meinte ich. „Es gibt einige Wölfe in Schafspelzen unter den Menschen, welche versuchen die Herde zu zerfleischen. Aber wenn Sie mich fragen, würde ich sagen, Menschen sind wie Steine auf dem Grund des Stroms des Leben. Geschliffen von Begegnungen und Umständen, entpuppen sich einige als gewöhnliche Kiesel, andere als Diamanten.“ Ich schenkte dem Mann ein schiefes Grinsen. „Und wenn man diesen Edelsteinen dabei helfen kann, zu glänzen, ist alles andere doch eher ein geringer Preis.“ Mircea musterte mich lange schweigend. „Sie stehen wirklich mit Überzeugung hinter Ihrer Herrin, nicht wahr?“ „Das tue ich.“ „Ich nehme an, meinem Bruder erging es ebenso.“, sagte er bedächtig. „Jedenfalls mangelt es euch nicht an Entschlossenheit, oder Treue. Seltene, gute Tugenden, die nur wenige Menschen ihr eigen nennen können. Das ist nicht zu leugnen. Eine wahre Seltenheit auf dieser Welt.“ Der Vampir schüttelte den Kopf. „Doch bedauerlicherweise löscht eine gute Seele nicht das Unrecht einer ganzen Art aus.“ „Aber die schlechten Taten einzelner genügen um ein Urteil zu fällen?“, erkundigte ich mich ruhig. „Das Böse schlummert tief in jeder Seele.“, sagte der Mann. „Es wird Zeit für eine Läuterung. Einen Neuanfang. Aus der Asche erwachsen noch grünere Wälder und auf Ruinen sind ganze Zivilisationen gegründet und Städte errichtet worden. Wie Sie sehen halte ich ebenso an meinen Überzeugungen fest, wie Sie an Ihren, Fräulein Dolneaz.“ „Das ist mir nicht entgangen.“, meinte ich. Mircea lächelte. „Und darum müssen wir beide Abschied nehmen.“, sagte er und wandte das Messer einige Male in seiner Hand. „Aber ich glaube, ich habe zumindest einen kleinen Einblick und eine Ahnung davon bekommen, was mein kleiner Bruder in Ihnen gesehen hat ... Und wenn es nur ein interessanter Zeitvertreib war.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Adio (rum. Leben Sie wohl), Fräulein Alexandra Dolneaz.“ 0 Uhr In diesem Moment geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Die Zeiger meiner Armbanduhr deckten sich und die Glocken der Stadt begannen zu läuten. Der Mann stach zu und die Klinge drang in meinen Rumpf ein. Sie durchstieß meine Bauchwand und verlies im nächsten Augenblick auch schon wieder meinen Körper. Blut tropfte von dem Messer und floss aus der frischen Wunde. Ich blinzelte träge, als der Schock allmählich einsetzte. In meinem Kopf war alles völlig verworren und nichts erschien mehr einen Sinn zu geben, als mein Hirn begann im Schneckentempo zu arbeiten. Der Schmerz verkam zu einem dumpfen Pochen und alle anderen Empfindungen und Gefühle rückten in den Hintergrund. Dann wusste ich nur, wie ich mich als nächstes auf dem Boden wieder fand, ohne die geringste Ahnung, wie ich dorthin gekommen war. Und dann wurde plötzlich mein gesamtes Blickfeld von einem grellen, weißen Licht ausgefüllt und undeutliche Geräusche drangen an mein Ohr. Dann wurde alles schwarz. Mir war es, als wanderte ich eine halbe Ewigkeit durch die Dunkelheit. Verschiedene Erinnerungsfetzen fügten sich zu verworrenen Träumen zusammen. Wie durch einen Nebelschleier drangen verschiedene Eindrücke auf mich ein, doch mein Gehirn vermochte diese nicht zu verarbeiten und einzuordnen. Es dauerte eine ganze Weile bis Lichtstrahlen diese ewige Finsternis erreichen. Ein leises Stöhnen entkam meinen Lippen. „Alex!“ Es dauerte noch einige Augenblicke, bis ich erkannte, wer sich da über mich beugte. Das spärliche Licht brannte in meinen Augen und ich musste einige Male blinzeln, bis ich wieder klar ehen konnte. „Seras ...“ Ich richtete mich vorsichtig auf und sah mich um. Ich befand mich wieder in meinem eigenen Zimmer im Hellsing Anwesen, wie ich nun feststellte. Ich versicherte mich, dass die Wunde fast vollständig verheilt war, ehe ich mich in meinem Sarg aufsetzte. „Was ist passiert? Bring mich auf den neusten Stand.“, bat ich die blonde Draculina. Seras schien zu zögern. „Der Oberdrahtzieher des Ganzen konnte entkommen.“, berichtete sie. Damit hatte ich beinahe gerechnet. Ich sah Seras an. „Wie habt ihr uns gefunden?“ „Dieser Kerl hatte seine Männer in die Polizeieinheiten geschleust.“, erklärte Lady Integra, welche nun im Türrahmen stand, eine Zigarre zwischen den Lippen. „Als du ausgerückt bist, haben sie einen Vampirangriff vorgetäuscht und sämtliche Anwesenden in die tiefer gelegenen Räume evakuiert.“ Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Später konnten die Kerle nicht an sich halten und prahlten mit ihrem bevorstehenden Sieg. Doch allerdings haben sie uns dabei unterschätzt.“ Sir Hellsing lächelte. „Nur wenig später besaßen wir alle nötigen Informationen.“ „Wo befand sich der letzte Knotenpunkt?“, erkundigte ich mich. Integra stieß eine kleine Rauchwolke aus. „Kings Cross.“, antwortete sie schließlich. „Die Kerle hatten das Gebiet weiträumig absperren lassen, ohne dass wir etwas davon mitbekommen haben.“ Ich runzelte die Stirn. Kings Cross. Natürlich. Dreh – und Angelpunkt von Dracula´s Plan. Von dort aus hatte er begonnen sein Netz zu spinnen und seine Kisten über die gesamte Stadt verteilt. Ein passender Ort für das große Finale. Integra trat näher. „Wie geht es dir?“, fragte sie. „Gut.“, erwiderte ich, doch eine Sache beschäftigte mich noch. Unwillkürlich fuhren meine Finger über die Überreste der Verletzung, die Mircea mir zugefügt hatte. Diese ganze Aktion beruhte auf jahrelanger Planung und Vorbereitungen. Es hatte gegolten die Behörden zu unterwandern und Informationen zu beschaffen und zu sammeln. Auch die Entführungen mussten von langer Hand geplant gewesen sein. Warum hatte also der Verantwortliche seinen Plan nicht zu Ende geführt? Alles was dafür von Nöten gewesen war, war ein einziger präziser Stich gewesen. Die Klinge hätte mein Herz durchstoßen müssen. Aber er hatte sich offensichtlich doch dazu entschlossen mir das Messer in den Bauch zu rammen. Das passte nicht zu seiner sonstigen methodischen, ja, geradezu rituellen Vorgehensweise. Hatte er mein Leben also bewusst verschont? Und wenn dem so war ... Wieso? Warum? Welchen Grund hatte er dafür gehabt? Seine letzten Worte kamen mir in den Sinn: „Aber ich glaube, ich habe zumindest einen kleinen Einblick und eine Ahnung davon bekommen, was mein kleiner Bruder in Ihnen gesehen hat ... Und wenn es nur ein interessanter Zeitvertreib war.“ War es das? Hatte er sich einen neuen Zeitvertreib ausgesucht? War es eine Art von Spiel für ihn? Eine neue spaßiger Beschäftigung um die unerträgliche Langeweile zu vertreiben? Mein Blick verfinsterte und meine Faust ballte sich unwillkürlich. Dann sollte er seinen Spaß haben und sein Spiel bekommen. Dieses Match war an ihn gegangen, doch die nächste Partie stand noch aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)