Midian von Yumiko_Youku (Kyūketsuki) ================================================================================ Kapitel 6: Free --------------- Free Als der Rauch sich lichtete krochen Sir Penwood und ich unter dem Tisch, oder vielmehr was davon noch übrig war, hervor. Zum Glück hatte er nur wenige Kratzer von den Holz- und Glassplittern, welche die Explosion umhergewirbelt hatte, und einige Beulen und blaue Flecken davongetragen. Die Einrichtung hingegen war fast völlig zerstört worden. Tisch und Stühle hatte es vollständig auseinander gerissen und die Scherben der Monitore, die an der Wand hingen, lagen auf dem Boden. Sir Penwoods Blick war entsetzt auf meinem Körper gerichtet. Erst jetzt bemerkte ich die zahlreichen Wunden, die meinen Körper zierten. Unzählige Splitter hatten sich in meine Haut gebohrt und auch die Explosion an sich hatte ihre Spuren hinterlassen. Hastig stand Sir Penwood auf und sah sich gehetzt um. „W-warte hier.“, stotterte er aufgewühlt, „Ich hole Hilfe. Bleib... Bleib am Besten sitzen und beweg dich nicht.“ Hastig verlies er schnellen Schrittes den Raum, als er die Tür geöffnet hatte sah ich, dass seine Männer nicht mehr davor standen, scheinbar hatten sie das Gebäude, das Heil in der Flucht suchend, verlassen. Zitternd richtete ich mich, hingegen Sir Penwood´s Anweisungen, auf. Ich biss die Zähne zusammen, als ohne Vorwarnung ein stechender Schmerz durch meinen gesamten Körper fuhr. Mir wurde schwindelig und mein Blickfeld verschwamm vor meinen Augen. Erschöpft sank ich in die Knie. Mein Schädel dröhnte. Ich zog einen Glassplitter aus meinem Oberarm. Blut sickerte aus der Wunde. Doch zu meinem Erstaunen, schloss sie sich nicht. Offenbar hatte mein Körper nicht genügend Energie um meine Wunden zu heilen. Ich spürte wie ich zunehmend schwächer wurde und die Ohnmacht nach mir griff. Würde das jetzt doch mein Ende sein? Würde ich nun endgültig sterben? Widerstand regte sich in mir und ich versuchte wieder auf die Beine zu kommen, jedoch erfolglos. Als meine Augen sich zu schließen drohten, hörte ich gedämpfte Schritte, die klangen als kämen sie von weit her. Ich drehte meinen Kopf und sah Alucard direkt in die Augen. Auch Sir Penwood war an meiner Seite. Ich sah wie sich sein Mund öffnete und schloss, als er auf mich einredete, doch verstand seine Worte nicht. Alucard schob seine Hände unter meinen geschundenen Körper und hob mich sanft hoch. Vorsichtigen Schrittes trug er mich nach draußen. Dort stand bereits ein Kleintransporter der Organisation für uns bereit, welcher uns in die Organisation brachte. Dort legte mich Alucard behutsam in meinem Sarg ab. „Ma... ster.“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Spar dir deine Kräfte, Frischlig.“, befahl Alucard sanft. Ich nickte schwach und kniff die Augen zusammen, als mich erneut ein jäher Schmerz durchzuckte. Alucard packte meine verkrampfte Hand und drückte sie sanft. Als er von mir abließ biss er sich, unter meinen erstauntem Blick, in seinen rechten Unterarm. Blut tropfte aus der von ihm selbst zugefügten Bisswunde. Dann hielt er mir seinen Arm entgegen. „Trink mein Blut, Frischling.“ Ich blinzelte träge und wollte den Mund öffnen, um etwas zu erwidern, doch Alucard fuhr fort: „Dann wirst du aus meiner Knechtschaft befreit und wirklich eine von uns werden. Ein Vampir, ein Midian, welcher aus eigener Kraft durch die Nacht streift und Blut trinkt.“ Meine Augen weiteten sich flüchtig. Beim Anblick seines Blutes begannen meine Augen rot zu glühen. „Trink.“, befahl er noch einmal ruhig. Unfähig etwas zu erwidern, schob ich meinen Kopf etwas näher und streckte meine Zunge heraus. Immer näher kam sie seiner Wunde und seinem Blut. Schließlich erreichte sie seinen Lebenssaft. Zögerlich zog sich meine Zunge zurück und ein kleiner Tropfen rann meine Kehle hinab. „Mehr.“ Ich folgte Alucard´s Befehl und fuhr erneut mit meiner Zunge über die Wunde. Immer gieriger und verlangender wurden die Bewegungen meiner Zunge, bis ich schließlich meine Lippen an seine Wunde legte und zu saugen begann. Der Geschmack seiner Blutes explodierte auf meiner Zunge. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das Einzige was ich wahrnahm war der Geruch und der Geschmack seines Blutes. Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, löste Alucard mit sanfter Gewalt meine Lippen von seiner Haut. „Das ist genug.“, sagte er und grinste zufrieden. Seine Wunde schloss sich augenblicklich, noch während er sich erhob, genauso wie die Meinigen. Binnen weniger Sekunden war mein gesamter Körper verheilt, so als wäre nie etwas vorgefallen und eine Explosion hätte es nie gegeben. Sprachlos über diese Wandlung starrte ich nur unverwandt meinen unversehrten Körper an. Alucards Stimme riss mich aus meiner Paralyse: „Das hast du gut gemacht, Frischling. Aber denke daran: Mein Blut reicht nicht zu deinem vollständigen Erwachen. Blut ist die Währung der Seele, das silberne Tablett des Willens. Wenn du vollständig jemanden seines Blutes beraubst, dann nimmst du zugleich sein Leben und seine Seele in dich auf.“ Als er meinen Blick auffing, lachte er kurz auf und meinte: „Du wirst es verstehen, wenn es so weit ist, Frischling.“ Ich nickte langsam. Allmählich kam ich wieder zu mir und realisierte was ich getan hatte. Ich hatte Alucards Blut getrunken und mich somit aus seiner sogenannten Knechtschaft befreit, die ich übrigens nie als knechtend empfunden hatte. Aber scheinbar war dies noch nicht alles. Um mich zu vervollständigen musste ich ein Leben in mich aufnehmen. Also... musste ich jemanden vollständig aussaugen. Eines wusste ich bestimmt: Ich würde keine x- beliebige Person in mich aufnehmen. Wieder wurde ich in meinen Gedanken unterbrochen, als Walter und Arthur in mein Zimmer stürmten. Ich fand mich in Walter´s Armen wieder, welcher mich stürmisch umarmte und ohne Punkt und Komma auf mich einredete: „Geht es dir gut? Was ist passiert?“ Als ich Alucard´s amüsiertem Grinsen gewahr wurde, schob ich meinen Onkel von mir. „Mir geht es gut.“ Sir Hellsing trat neben Walter und musterte mich interessiert. „Du bist vollständig geheilt.“, stellte er fest, scheinbar hatte er vorher einen Blick auf meine zahllosen Wunden werfen können. Ich nickte und überlegte, wie ich das Geschehene in Worte fassen sollte, als ich bemerkte wie Arthur und Walter mich und Alucard anstarrten. Ihre Blicke waren auf meine Lippen gerichtet. Verlegen wischte ich das Blut aus meinem Mundwinkel und schaute hilfesuchend Alucard an. „Master...“, begann ich, doch Alucard unterbrach mich grinsend: „Du weist, dass ich das nicht mehr bin.“ Dann warf er Walter und Sir Hellsing einen Blick zu und die Beiden schienen augenblicklich zu verstehen. Ihre Augen weiteten sich flüchtig, doch dann nickten sie verstehend. Arthur fand als erster sein übliches Lächeln und seine Sprache wieder: „Schön, dass es dir gut geht, Alex.“ Auch Walter stimmte ihm zu. „Was ist mit Sir Penwood?“, fragte ich und Sir Hellsing lächelte beruhigend: „Ihm geht es gut. Dank dir. Er lässt dich grüßen und dankt dir herzlich für die Rettung.“ Ich lächelte erleichtert. Plötzlich funkelten Arthur´s Augen auf und ein spitzbübisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Jetzt schuldet er uns was. Das trifft sich gut. Ich wollte mir ohnehin einen Helikopter von ihm leihen.“ Ohne Vorwarnung klatschte Arthur in die Hände und meinte zu Walter gewandt: „Ich glaube jetzt ist es an der Zeit für meinen Tee.“ Er drehte sich noch einmal zu mir um, ehe er den Raum verlies. „Ruh dich noch etwas aus, Alex. Komm, Walter.“ „Natürlich, Sir.“ Mein Onkel wünschte mir eine erholsame Nachtruhe und folgte Sir Hellsing auf dem Fuße. Die Beiden schlossen die Tür hinter sich und ich war mit Alucard alleine. „Du solltest dich schlafen legen.“, meinte auch er und grinste. „Morgen wird ein interessanter Tag.“, sagte er, mehr zu sich selbst, als zu mir, ehe er verschwand. Auch wenn ich nicht recht verstand, legte ich mich zurück in meinen Sarg und schloss die Augen. Meine Augen öffneten sich schlagartig, als die Glocken der Stadt zu Mitternacht schlugen. Zunächst wusste ich nicht, was mich geweckt hatte, doch dann fühlte ich es. Es war als wäre eine Tür aufgestoßen worden, die nun den Blick auf einen neuen Korridor frei gab. Nicht nur, dass meine Regnerationsfähigkeit um ein vielfaches gestiegen war, ich besaß nun auch unter anderem Wissen darüber, wie man Untergebene, also die Hilfsgeister eines Vampires, beschwor. Im Lichte des Vollmondes ging ich nach draußen, um meine neuen Fähigkeiten aus zu testen. Ich entschied mich für etwas zeitgemäßeres als Fledermäuse, nicht dass ich was gegen diese kleinen Tierchen hatte, aber ein bisschen Individualität musste sein, fand ich. Ein roter Schein ging von meinen Augen aus, als ich meine Kräfte freisetzte und im Geiste nach meinen Hilfsgeistern rief. Nur wenige Augenblicke später verdunkelte etwas den Mond. Der dunkle Schwarm Raben kam auf mich zu und umschwärmten mich. Vorsichtig streckte ich meine Hand und zugleich dessen Zeigefinger aus und augenblicklich landete einer der schwarz gefiederten Vögel auf meinem Finger. Ein Lächeln erhellte mein Gesicht und ich lies den Vogel wieder fliegen. Laut krächzend erhob sich der Schwarm wieder und ich schaute ihnen etwas sehnsüchtig nach, als sie in der Dunkelheit verschwanden. Nun regte sich ein anderer Teil meiner Kräfte in mir. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf dieses Gefühl. Nach einer Weile spürte ich, wie meine Füße den Kontakt zum Boden verloren und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, wie ich begann in der Luft zu schweben, auch wenn es nur wenige Zentimeter waren. Aber ich war mir sicher, dass es sich mit genügend Konzentration steigern lies. Doch für diese Nacht lies ich es gut sein und legte mich schlafen. Innerhalb der nächsten Tage fand ich heraus, dass ich neben den Hilfsgeistern und dem Schweben dazu in der Lage war die Geister von Menschen zu manipulieren, also Hypnose, wenn man es so wollte. Beispielsweise konnte ich ihnen, allerdings zumeist nur den wirklich Einfältigen, vorgaukeln, dass ich anders aussah, als ich es tatsächlich tat, oder sie dazu überreden bestimmte Dinge zu tun. Bei Wesen allerdings, wie zum Beispiel Ghouls wirkte es nicht, da diese ohnehin keinen Verstand hatten, auf den man einwirken konnte. Nicht, dass ich diese neuen Fähigkeiten ausgenutzt hätte um einen unfairen Vorteil zu erlangen, doch könnte sich dies in nicht allzu ferner Zukunft sicherlich als nützlich erweisen. Zudem hatte ich mich dazu entschlossen meinem Schweben, welches mittlerweile ziemlich gut funktionierte, ein eleganteres Element hinzu zu fügen, damit das Schweben nach Fliegen aussah. Kurzum: Jedes Mal, wenn ich beabsichtigte zu fliegen, lies ich schwarze, engelsähnliche Flügel auf meinem Rücken erscheinen. Dazu musste ich natürlich dafür sorgen, dass keine Kleidung meine Schultern bedeckte und so die Flügel blockierten. Natürlich hätte ich sie auch so ausfahren können, aber das hätte meine Kleidung ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Schwingen waren übrigens auf meine Hilfsgeister zurück zu führen. Aber ich fand sie schick und überaus dekorativ, außerdem stabilisierten sie den Flug. Zudem war das Ganze eine ziemliches Kontrastprogramm, was mich überaus amüsierte. Der Kontrast zwischen den geflügelten Gottesboten und den Vampiren, also den vermeintlich Bösen und Guten. Aber das war noch nicht alles. Diese schwarzen Schwingen symbolisierten auch einen Todesengel, welches an den Spitznamen meines Onkels erinnerte. In der Zwischenzeit hatte er mir auch erzählt, was es damit auf sich hatte. Auch Alucard hatte des Öfteren erwähnt, dass dieser Spitzname auch zu mir passte und hatte, um zwischen uns Beiden zu differenzieren, ein »Junior« daran gehängt. Meine Spitznamen von ihm wurde ich so schnell nicht los, aber auch ich nannte ihn weiterhin Master. Abgesehen davon, dass es einfach eine Gewohnheitssache war, fühlte es sich für mich nicht so an, als seien wir gleichwertige Vampire oder dergleichen. Er schwebte in völlig anderen Sphären und ich war mir fast sicher, egal was ich tat, ich würde ihm niemals nahe kommen, was das Thema Vampirkräfte anging. Andererseits hatte ich es damit nicht sonderlich eilig, besonders nicht wenn das bedeutete, dass ich unzählige Menschen aussaugen und in mich aufnehmen musste. Ich war nicht die Einzige, die der Meinung war, dass Alucard´s Stärke jenseits aller Vorstellungskraft war. Wieder einmal wurde ich von Walter dazu beauftragt den anwesenden Herren, also Sir Hellsing, Sir Irons und Sir Penwood Tee auf ihr Besprechungszimmer zu bringen. Wenn ich nicht gerade auf Mission war, trug ich dazu öfters die Kleidung, welche ich auch bei dem letzten Zwischenfall getragen hatte. Sie war bequem, fiel nicht weiter auf und man lief nicht in Gefahr, dass einem jeder unter den Rock schauen konnte, wie es die Soldaten öfters scherzhaft versuchten, wenn wir zusammen trainierten. Außerdem hatte ich das Oberteil etwas verändern lassen, sodass der Stoff am Rücken Platz für meine Flügel lies, falls ich diese benötigte. Diese konnte ich inzwischen übrigens für den Kampf nutzen. Nicht nur, dass ich gegebenenfalls Gegner damit einen Stoß versetzen konnte, ich konnte die Federn auch bei Bedarf durch Willenskraft scharf werden lassen und somit einen Feind zerstückeln. Ferner eigneten sich die Schwingen hervorragend als Schutzschilde, die vor heran fliegenden Projektile schützen konnten, wenn man diese nicht gerade im Kopf stecken haben wollte. Als ich vor dem von mir angestrebten Raum angekommen war, hob ich die Hand um höflich anzuklopfen, fing dabei aber einige Gesprächsfetzen auf, die mein Interesse weckten und mich inne halten liesen. „Wir können Alucard´s Eigenmächtigkeiten nicht länger dulden, Arthur. Er wird zu mächtig.“, sagte Sir Irons gerade. Als ich das gehört hatte, konnte ich nicht mehr an mich halten. Ohne mich mit weiteren Höflichkeiten aufzuhalten stürmte ich in den Raum. Die erstaunten Blicke der drei Männer waren auf mich gerichtet. Dann wurde Sir Irons Blick eine Spur kälter und er fragte frostig: „Was hat das zu bedeuten, Alexandra?“ Ich wurde aufgrund meines stürmischen Auftrittes etwas rot und musste mich erst einmal fangen, ehe ich antwortete: „Verzeihen Sie. Ich wollte nicht lauschen, aber ich habe gehört, wie Sie über meinen Meister geredet haben und...“ Mit einer ruckartigen Handbewegung schnitt mir Sir Irons das Wort ab. „Ich bedaure, aber das geht dich nichts an.“ „Aber...“, setzte ich an, doch wieder unterbrach er mich: „Genug! Du vergisst dich!“ Ich wandte mich an Sir Hellsing. Flehend blickte ich ihn an, doch er wich meinem Blick aus und schüttelte den Kopf. „Er hat Recht, Alex.“ Wieder erwog ich Widerspruch zu erheben, doch Sir Irons warf ein: „Vergiss nicht, was du der Hellsing-Organisation zu verdanken hast. Du schuldest ihr deine Dankbarkeit und Loyalität.“ Ich zuckte wie vom einem Schlag getroffen zusammen und suchte wieder den Blick von Sir Hellsing und hoffte darin etwas Verständnis zu finden. Er mied meinen Blick und stimmte seinem alten Freund zu. Meine Augen weiteten sich vor Unverständnis. Auch Sir Penwood versuchte nicht die anderen Beiden von ihrem Entschluss, den sie nun gefällt hatten abzubringen. Sie würden Alucard in den entlegenen Kerkern einsperren und Sir Hellsing verbot mir jemanden davon zu erzählen, oder gar selbst dorthin zu gehen. So musste ich hilflos mit ansehen, wie mein Meister weggesperrt wurde und niemand hätte mir sagen können, ob er je wieder frei kommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)