Beyond the Soul von Suiya (The Truth Within) ================================================================================ Kapitel 16: Verloren -------------------- Lieber Aram, ich hoffe du kannst mir eines Tages verzeihen. Es tut mir aufrichtig leid, dass es so enden muss, aber ich sehe gerade keinen anderen Ausweg mehr. Diese Kraft in mir… Sie macht mir Angst. Ich will sie nicht besitzen, ich will ein ganz normaler Mann sein, so wie noch vor wenigen Tagen. Zumindest glaubte ich es bis dahin. Und plötzlich konnte ich das. Aram, ich habe in einer Schlägerei innerhalb einer Sekunde mit dieser Aura eine Kugel gebildet und sie auf einen Kerl geschmissen, auf dem sie dann explodiert ist. Ohne es zu wollen. Ohne überhaupt davon zu wissen. Ich wollte nur meinen Arm in seine Richtung strecken um mich zu schützen und hätte ihn beinahe dabei getötet. Und nicht nur ihn, auch alle anderen. Ich hatte panische Angst und bin sofort weggerannt, wurde aber gleich von einigen Typen abgefangen, die zu irgendeiner Organisation gehören. Mors Aurum, haben sie sich genannt. Sie brachten mich in ein seltsames Gebäude zu ihrem Anführer, Aaron Arvid. Er und ich haben lange geredet, die gesamte Nacht hindurch. Er war zwar ganz nett, hat mir einige Dinge bezüglich meiner Kraft erklärt, von anderen, die sie auch haben, aber auch er meinte, ich sei eine Gefahr. Nur wolle er keine weiteren Schritte einleiten und hat mir deswegen einen Deal vorgeschlagen; Ich gehe zu dir, dafür verschont er mein Leben, egal wie deine Entscheidung aussehe. Ich war so unschlüssig, wusste nicht, was ich tun sollte. Schlussendlich bin ich aber zu dir, weil ich es für das Richtige hielt. Im Gegensatz zu mir warst du so beeindruckt. Ich wünschte wir könnten tauschen, dann wäre all das so viel leichter. Aber das ist leider unmöglich. Je mehr du mir erzähltest, desto mehr wurde mir bewusst, wie viel Angst ich vor mir selbst habe. Und dass plötzlich dir welche von Mors Aurum folgten. Ich stellte Aaron zur Rede und bekam die Antwort, dass sie weder mit dir, noch mit mir etwas Schlimmes vorhatten. Nur, dass sie deine Fähigkeiten gut gebrauchen könnten. Sie wollen dich wohl für ihre Forschungsabteilung. Ich … weiß nicht, was ich davon halten soll. Einerseits wäre es eine einmalige Gelegenheit für dich und ich habe dich schon lange nicht mehr so fasziniert von etwas gesehen. Andererseits sind sie wohl nicht immer so nachsichtig mit … solchen wie mir. Wer kann es ihnen denn auch verübeln? Ich könnte Menschen mit nur einer unüberlegten Handbewegung umbringen. Beim Versuch, diese Kräfte zu trainieren, habe ich sämtliche meiner Pflanzen getötet. Ich habe ihnen ihre Lebenskraft entzogen, indem ich meine Faust geballt habe. Ich habe diese Kräfte nicht unter Kontrolle. Ich will niemanden verletzen, nur weil ich im Streit wütend werde oder gestikuliere. So sehr ich auch wünschte, ich könnte diese Fähigkeit so wie du als Gabe sehen, ich kann es nicht. Es ist ein Fluch. Nicht zwingend für mich, aber für alle anderen. Ich stelle eine Gefahr für jeden dar, der mir begegnet und auch wenn mich dieser Kult verschont, die Gefahr bleibt bestehen und ich will nicht, dass erst jemand durch mich sterben muss, bevor mir Einhalt geboten wird. Daher nehme ich es nun selbst in die Hand. Es tut mir schrecklich leid, Aram, aber ich kann und will so nicht mehr weiterleben. Ich hoffe wirklich du kannst mir vergeben und zumindest zum Teil nachvollziehen, wieso ich es tun musste. Aber bitte versprich mir eins; Lass dich von meiner Entscheidung nicht abbringen, das für dich richtige zu tun. Du hast nichts mit meiner Entscheidung zu tun, lass also meinen Tod nicht dein Leben überschatten. Das wäre das Letzte, was ich damit erreichen wollte. Nun ist der Brief doch länger geworden, als geplant, aber es gibt einfach zu viel, was ich dir noch gerne sagen würde. Doch belassen wir es dabei. Aram, ich kann dir gar nicht genug dafür danken, dass du für mich da warst. Dein Freund zu sein war mir eine wahre Freude. Eines Tages werden wir uns wiedersehen. In tiefer Verbundenheit, Tony Zwei Tropfen benetzten den Brief und sickerten rasch in das Papier ein, wo sie sich mit der Tinte verbanden und das Geschriebene unter den Flecken unlesbar machten. Schnell wischte sich Aram übers Gesicht und legte den mehrseitigen Brief auf den niederen Tisch vor sich. Die Ellenbogen auf den Knien abgelegt, vergrub er sein Gesicht in den Händen und verweilte einige Zeit in dieser Haltung. Er war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Tonys Tod dem Kult zuzuschreiben war. Jetzt zu wissen, dass sein bester Freund zerbrochen war, während er selbst vor lauter Besessenheit nichts davon mitbekommen hatte, war wie ein Schlag ins Gesicht. „Ich hätte es verhindern können.“ Sein gesamter Körper bebte. Schluchzend fuhr er mit den Händen seine Stirn entlang nach oben und weiter durch sein Haar, während er den Kopf hob. Seine Arme legte er dabei in den Nacken und sein Blick wanderte in die weite Ferne, die sich vor seinem Fenster erstreckte. Mehrere Tage lang bekam niemand Aram zu Gesicht. Er verließ weder sein Appartement, noch war er über das Telefon erreichbar. Keiner wusste, was mit ihm war, nur das Licht, welches selbst spätnachts in der Wohnung brannte und erst in den Morgenstunden erlosch, zeigte, dass er sich zumindest in der Wohnung befand und es ihm soweit gut ging. Als er jedoch selbst am Montag der darauffolgenden Woche nicht zur Arbeit erschien, klopfte es am frühen Abend an seiner Tür. „Aram?“ An der Stimme erkannte er, dass es sich nicht um Aaron handeln konnte, doch an der Vertrautheit der Stimmte und da nur zwei weitere Personen wussten, dass er hier wohnte, konnte er sie ohne Probleme Aarvand zuordnen. Ohne zu Antworten lehnte Aram seinen Kopf auf die Rückenlehne seiner Couch und starrte an die weiße Decke. „Aram, ich weiß, dass du da bist. Mach bitte auf.“ Noch immer zögernd, stieß er schließlich ein Seufzen aus. „Es ist offen.“ Ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, verweilte er auf dem Sofa, während sein Gast zaghaft eintrat und den Zustand der Wohnung und deren Bewohner begutachtete. Die Wohnung war bis auf eine etwas dickere Staubschicht sehr sauber und ordentlich, nur das Bett war unordentlich gemacht und rings um den ziemlich abwesend wirkenden Aram lagen Verpackungen, Taschentücher, Bücher, und diverse andere Dinge verstreut. Auf dem Couchtisch fand Aarvand dann auch die Ursache für den alkoholischen Geruch, der ihm schon beim Öffnen der Tür entgegenschlug. „Dich hier zu verkriechen und dich mit Absinth zu betrinken, ist die Art wie du deine Probleme löst?“ Während er näher an die Couch trat blieb sein Blick auf dem Rothaarigen haften. Seine Haare fielen nicht zurechtgemacht und leicht wellig hinab, was seine doch recht wilde Mähne offenbarte. Das Hemd hatte er nur notgedrungen zugeknöpft und an seinen Beinen trug er eine bequeme Stoffhose, alles andere erblickte der Blauhaarige auf der Truhe am Fußende des Bettes. Als er neben Aram angekommen war, schwenkte er die Flasche, welche nur noch zum Viertel gefüllt war so, dass er das Etikett lesen konnte. „Na ja, zumindest kein billiger Fusel. Schöne Träume gehabt?“ Ein Raunen trat aus dem immer noch starr Dasitzenden, nur seine Augen hatten sich von der Decke gelöst und beäugten den Mann vor sich. „Dafür bräuchte ich entweder einen von dir genannten billigen Fusel, zusätzliche Opiate oder eine wirklich große Menge von dem da.“ Etwas schwerfällig richtete er sich nach vorne und verschloss den Hahn der Absinthfontäne, wodurch das gleichmäßige Tropfen aus diesem abrupt endete und nun komplette Stille im Raum herrschte. „Da keines davon zutrifft, nein. Nur ganz normale Träume.“ Er wirkte beinahe betrübt, als er das sagte und mit einem schiefen Lächeln hoch zu Aarvand blickte. Den schwermütigen Blick Arams bemerkend, der sich auch schon wieder abgewandt hatte, setzte er sich neben ihn auf die Couch und klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken. „Hat dich Aaron geschickt?“ Arams Stimme klang um einiges genervter als interessiert. Er lehnte sich nach vorne und nahm das Glas, auf dem noch der Löffel platziert war vorsichtig in die Hand, rührte den restlichen Zucker, der noch nicht in das milchig grüne Getränk durchgesickert war ein und nahm einen kleinen Schluck. „Nein. Er weiß nicht einmal, dass ich hier bin.“ „Wieso bist du dann überhaupt hier?“ „Weil ich mir ehrlich gesagt Sorgen mache. Um euch beide.“ Aarvands ruhige Stimme hatte einen sorgenden Klang angenommen, welcher nun auch Arams Interesse weckte. Sein fragender Blick genügte um den Älteren weiter reden zu lassen. „Du bist wie vom Erdboden verschluckt und Aaron ist beängstigend schweigsam. Aus ihm brachte ich nichts heraus, was zwischen euch passiert ist, da dachte ich, dass ich vielleicht bei dir mehr Glück habe.“ Irritiert sah Aram zu ihm hinüber und wägte seine Antwortmöglichkeiten ab, während er Schwierigkeiten hatte, seine Hände ruhig zu halten. „Es kam zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Ähm … Weißt du von Anthony Cambell? Dem Student und Auranutzer aus der Universität in Oxford?“ Nachdenklich legte Aarvand eine Hand ans Kinn und grübelte einige Momente. „Ich denke, ich habe von ihm gehört. Mit dem Fall selbst war ich jedoch nicht vertraut. General Pierce hat ihn soweit ich weiß exekutiert, nachdem er wiederholt auffällig war.“ Fragend verengte Aram seine Augenbrauen und nahm einen weiteren Schluck, während er zum Brief griff, der noch immer auf dem Tisch lag. „Diese Geschichte hat mir Aaron auch erzählt, doch sie ist gelogen.“ Damit hielt er Aarvand den Brief entgegen, welcher ihn verwundert entgegennahm und damit begann ihn zu lesen. Nervös schaukelte Aram leicht umher und trank den Rest des grünen Alkohols in einem Zug aus, während er darauf wartete, dass der Blauhaarige fertig gelesen hatte. Als er soweit war, legte er den Brief auf den Tisch und schenkte Aram einen mitfühlenden Blick. „Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass er ein Freund von dir war.“ Mit einem Kopfschütteln beschwichtigte er Aarvands Mitgefühl. „Nur, wieso hat mich Aaron angelogen, was seinen Tod betrifft?“ Diese Frage brachte Aarvand zum Nachdenken. „Ich hätte da vielleicht eine Erklärung.“ Er räusperte sich und wandte sich Aram zu, der ihn mit seinen grünen Augen gespannt anfunkelte. „Das Verhältnis von Aaron und seinem Vater ist nicht gerade das Beste. Der Erzlord wird aber natürlich dennoch über alles Wichtige in Kenntnis gesetzt, was hier passiert. Ein Auranutzer, der sich trotz persönlicher Mahnung wiederholt auffällig in der Öffentlichkeit verhält, jedoch nicht weiter in seine Schranken verwiesen wird, wäre schon fragwürdig. Wenn dann aber auch noch bekannt wird, dass dieser so gesehen als Köder diente um einen Unwissenden zu einem Wissenden zu machen, an den man treten darf und der eventuell dem Kult beitreten könnte … Ganz blöde Idee.“ Aram lauschte der Erklärung Aarvands gespannt und setzte ein schiefes Grinsen auf als er den letzten Satz beendet hatte. „Du meinst also er hat den Tod Tonys für sich zurechtgelegt um die Konsequenzen abzuwenden? Was hätte er denn gemacht, wenn er sich nicht umgebracht hätte?“ „Das hätte er dann wohl daran angepasst, wie du dich entscheidest.“ „Ergibt Sinn.“ Ein fragender Ausdruck machte sich erneut auf Arams Gesicht breit. „Aber wieso hat er es mir nicht einfach gesagt?“ Erneut setzte kurzes Schweigen ein, in dem Aarvand angestrengt grübelte. „Erinnere dich mal zurück. Was war deine erste Reaktion, als du von Mr. Cambells Tod erfahren hast?“ „Unglaube. Ich war davon überzeugt, dass es kein Selbstmord war und habe sogar Mord eher in Betracht gezogen.“ Leichte Beschämung über seine eigene Blindheit trat in seine Stimme, während er redete. „Und meinst du, du hättest einem wildfremden Jungen geglaubt, wenn er dir erklärt was unsere Tätigkeit ist, aber im selben Atemzug meint, dass es Selbstmord war?“ „Niemals.“ Sich fast schon darüber lustig machend, schnaubte Aram seine Antwort hervor. „Da hast du deine Antwort. Er hat den Sündenbock gemimt, damit du ihm fürs erste Glauben schenkst. Denn genauso würde Mors Aurum nun einmal mit solch einem Auranutzer vorgehen.“ „Ich denke, ich verstehe auf was du hinaus willst.“ Der Rothaarige nickte, wandte seinen Blick zur Seite und fuhr mit den Händen über sein Gesicht. „Mors Aurums tolle Art, mit Dingen umzugehen…“ „Darf ich dir eine Frage stellen? Wieso bist du beigetreten, wenn du doch so gegen die Machenschaften des Kultes bist?“ Bei Aarvands Frage drehte er seinen Kopf wieder in dessen Richtung, senkte die Hände und legte sie gefaltet auf seinen Schoß. „Ich wollte zuerst auch gar nicht.“ Irritiert über Arams Antwort, legte Aarvand den Kopf schief und zog die Augenbrauen unbewusst zusammen. „Was hat dich umgestimmt?“ „Aaron hat mich nach Eden gebracht und mir den Kristall gezeigt. Ich wusste nicht einmal, dass das überhaupt möglich ist. Ich bin nur dagestanden, habe ihn ehrfürchtig angestarrt und mich gefragt: Wie? Wie war es möglich, dass ein einzelner Mensch so etwas zustande bekommt? Ich war einfach überwältigt.“ Seine ruhigen Worte wichen dem Staunen, bis sie zu einer neugierigen Euphorie mündeten. „Ich … will es wissen. Ich will wissen wozu Aura fähig ist. Was sie ist, woher sie kommt, einfach alles.“ Zuerst noch verstört über die Begeisterung seines Gegenübers, formte sich gegen Ende ein sanftes Lächeln aus Aarvands Lippen. „Und Mors Aurum ist der einzige Ort, an dem du diese Möglichkeit bekommst.“ Ein kurzes Nicken bestätigte diese Worte. „So ist es. Als Aaron meinte, er wolle selbst, dass das Morden ein Ende findet, habe ich schließlich zugesagt. Ich sehe in Auranutzern nichts Schlechteres als in ganz normalen Menschen, deswegen will ich ihnen helfen, ihnen eine Möglichkeit eröffnen, ohne dass sie sterben müssen.“ Erstaunt betrachtete der Blauhaarige den jungen Mann vor sich. „Nobel. Mit dieser Einstellung wirst du aber ziemlich alleine dastehen.“ „Ich weiß. Und mich beschleicht das Gefühl, dass Aaron das auch nur gesagt hat, um mich zu ködern.“ Arams Blick richtete sich betrübt Richtung Boden, hob sich jedoch schlagartig, als Aarvands Stimme erklang. „Das ist nicht wahr. Ich kenne Aaron nun seit drei Jahren und wenn ich dir eins über ihn sagen kann, dann ist es, dass er in dieser Hinsicht ehrlich war. Er hasst unnötiges Blutvergießen. Er hat schon vor einiger Zeit damit begonnen, seinen Vater dazu zu bringen, einen anderen Weg einzuschlagen, jedoch vergeblich. Das ist auch der Grund, warum sie sich nicht besonders gut verstehen. Schlussendlich hat er gemerkt, dass er es selbst in die Hand nehmen muss, wenn er eine Veränderung will. Aber einen Kult, der seit über vier Jahrtausenden besteht, kannst du in ein paar Jahren nicht von Grund auf umformen, aber er gibt sein bestes.“ Er setzte ein Grinsen auf bevor er weitersprach und Aram auf die Schulter klopfte. „Und dich anzuheuern war bei weitem nicht seine schlechteste Idee.“ „Mag sein.“ Auch in Arams Gesicht machte sich ein Grinsen breit, während er mit den Augen rollte. „In Ordnung. Das war jetzt etwas viel auf einmal. Ich lass dich mal wieder in Ruhe darüber nachdenken.“ Mit diesen Worten erhob er sich und machte schon ein paar Schritte auf die Tür zu, bevor er sich noch einmal zu Aram umdrehte. „Aber ich will dir einen Tipp geben. Lass dir nicht mehr allzu viel Zeit. Aaron ist nachsichtig und gibt dir so viel Zeit, wie er kann, aber es gibt Regeln, an die auch er sich halten muss. Ich werde morgen mit ihm sprechen, aber lass ihn alsbald von dir hören.“ Betreten nickte der Angesprochene und sah etwas beschämt zu ihm auf. „Werde ich. Vielen Dank, Aarvand.“ Dieser setzte wieder ein sanftes Lächeln auf und verbeugte sich leicht. „Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, Aram.“ Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt elegant aus der Tür, während Aram ihm nachblickte und ein tiefes Seufzen ausstieß, als die Tür hinter dem Mann ins Schloss fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)