Beyond the Soul von Suiya (The Truth Within) ================================================================================ Kapitel 13: Umwege ------------------ Das Auspacken des Koffers ging sogar noch schneller als erwartet und so setzte sich Aram nur kurze Zeit später auf das Fußende seines Bettes und blickte verloren durch den Raum. Links von ihm erstreckte sich eine Fensterfront über die gesamte Wand. Getrennt wurden diese nur von etwa 50 cm breiten Abschnitten des Außenmauerwerks, welches den Charme eines Fabrik-Lofts wiederspiegelte und dem sonst recht kühlen Stil etwas Heimeligkeit gab. Aufgrund der fehlenden Zwischenwände waren einige Säulen als Stütze für die Decke angebracht, die wohl auch als gedankliche Abgrenzung der Räumlichkeiten dienen konnten. Nur das Badezimmer war vom restlichen Loft getrennt, damit man zumindest hier seine ungestörte Ruhe haben konnte. Der junge Mann ließ seinen Blick über den Parkettboden wandern, der den gesamten Wohnbereich bedeckte, nur im Bad waren große, mattgraue Fliesen verlegt. Die gesamte Einrichtung war schlicht, jedoch sehr geschmackvoll und traf Arams Geschmack überraschend gut. Ob das nun Zufall war oder nicht, wollte er gar nicht so genau wissen, also fuhr er sich kurz durch die Haare, bevor er sich mit einem Ruck aufrichtete und in die Küche schlenderte. Dort angekommen öffnete er erst einmal jeden der Schränke und Schubladen, um zu sehen, was sich darin befand. Besteck, Geschirr und Töpfe waren sorgfältig geordnet und zur Genüge vorhanden. Auch verschiedene Lebensmittel lagerten in den dafür vorgesehenen Schränken. Mittlerweile hatte Aram es aufgegeben, jede Sache zu hinterfragen, die ihm unbekannt war, so auch beim Kühlschrank, den er zwar als solchen identifizieren konnte, aber scheinbar über eine völlig andere Technologie verfügte. Dieser sowie der Herd und auch sonstige Geräte wurden mit elektrischem Strom betrieben, der auch aus den Buchsen an den Wänden zu kommen schien. Elektrogeräte waren dem Mann zwar bekannt, doch nicht in diesen Ausführungen und in dieser Anzahl. „Ja, stecke einen einfachen Londoner in eine Wohnung voller futuristischer Geräte. Da kommt er bestimmt alleine zurecht.“ Ächzend fasste er sich an die Stirn und massierte seine Schläfe, während er überlegte, ob er versuchen sollte mit den Küchengeräten zu kochen oder doch lieber auswärts etwas isst. „Hm, das Restaurant auf der Panton St wäre doch nicht schlecht.“ So packte er die Schlüssel, die auf der Theke bereit lagen, seinen Mantel und schon verließ er sein Appartement. Es dauerte zwar etwas, doch nach einiger Zeit hatte er wieder einen ihm bekannten Stadtteil erreicht. Wie Aaron ihm aufgetragen hatte, versuchte er sich, den Ausgang so gut es ging zu merken, bevor er sich wieder in Bewegung setzte. Sein erster Weg führte ihn zu einem Briefkasten, um den Brief für seine Eltern wehmütig hineinzuwerfen und sich dann endlich daran machte, etwas zu essen. Er ließ sich in einem schickeren Gasthaus nieder, bestellte sich eine warme Mahlzeit und etwas zu trinken und ließ sich Zeit als er aß. Währenddessen blätterte er in einer Zeitung, doch außer den alltäglichen Dramen gab es kaum interessante Themen. Als er fertig war und bezahlt hatte, schlenderte er noch eine Weile in der Stadt umher. Er versuchte sich eines klar zu werden, denn stets brannte diese eine Frage in seinem Kopf. War es das Richtige was er tat? Unaufhörlich hallte diese Frage in ihm wieder, doch noch hatte er nicht die richtige Antwort gefunden. Er könnte pessimistisch sein und sagen, dass es dumm war, sich Tonys Mördern anzuschließen. Er könnte optimistisch sein und sagen, dass er einen Weg finden würde, um alle zu schützen. Aber was die Realität brachte, konnte er nur sehen, wenn er den Weg weiter ging und genau das machte ihm eine Heidenangst. So versunken in seinen Gedanken, merkte er nicht, wie er sich immer weiter von der Hauptstraße entfernte und als er das nächste Mal hochsah, blieb er stockend stehen. „Wo …?“ Er drehte sich einmal im Kreis und sah sich um, doch nichts wirkte vertraut auf ihn. „Eine Trap Street. Aber nicht die, zu der ich hätte gehen müssen. Na ja, vielleicht führen sie ja zusammen.“ Den Satz kaum zu Ende gedacht, setzte er sich wieder in Bewegung und folgte der Straße weiter. Eine ganze Weile irrte er planlos durch die Straßen, bis er nicht einmal mehr den Weg zurück fand. Als es zu dämmern begann, ließ er sich erschöpft am Rand eines Brunnens nieder und beim Versuch Aaron mit seinem Handy anzurufen, bemerkte er, dass dieses einfach schwarz blieb. „Akku leer?“ Eine fremde Stimme ließ ihn hochschrecken und fragend sah er zu deren Besitzer auf. Leuchtend violette Augen blickten auf ihn hinab, seine eisblauen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden und ein Lächeln zierte die Lippen des Mannes, den Aram auf Mitte zwanzig schätzte. „Scheint wohl so.“ Er wusste zwar nicht genau, was der Blauhaarige meinte, aber da er Handys zu kennen schien, hatte er vermutlich mehr Ahnung als er selbst und der ‚Akku‘ war wohl wirklich leer, womit er das Teil wieder in seiner Tasche verstaute. „Passiert mir selbst auch oft genug. Daran muss man sich wohl erst gewöhnen.“ Ein kurzes Lachen erklang, ehe er mit etwas Abstand neben Aram Platz nahm und ihn interessiert musterte. „Ich habe Euch hier noch nie gesehen. Habt Ihr Euch verlaufen?“ „So könnte man es nennen.“ „Dachte ich mir schon. Ihr seid mir heute schon öfters aufgefallen, als Ihr meinen Weg wiederholt gekreuzt habt. Als ich Euch dann hier sitzen sah, dachte ich, ich könnte Euch vielleicht helfen. Hätte ich Euch nicht mit dem Handy gesehen, hätte ich Euch für einen ganz normalen Briten gehalten, der sich nur in diesen Teil hier verwirrt hatte.“ Etwas beschämt sah Aram für einen Moment in das Gesicht neben sich, bevor er den Blick rasch gen Boden richtete und ihn dort beließ. „Irgendwie beschämend als Londoner Hilfe von einem ‚Ausländer‘ zu bekommen, weil man sich selbst verlaufen hat und der andere sich scheinbar besser in der eigenen Heimatstadt auskennt.“ „Ach, ich denke Trap Streets erkundet man als junger Londoner eher selten, daher gibt es keinen Grund sich beschämt zu fühlen. Darf ich dennoch erfahren, wohin Euch Euer Weg führt?“ Nach kurzem Zögern nickte Aram, ohne aufzusehen. „Natürlich. Ich kenne den Straßennamen nicht, aber ich müsste zu dem hohen Gebäude neben der zukünftigen Oper. Das auf der Trap Street.“ „Verzeiht die Frage, aber wieso?“ „Nun ja, ich bin heute dort eingezogen und wollte nur ein paar Dinge in der Stadt erledigen, finde nun jedoch nicht mehr zurück.“ Während er sprach, zückte er den Schlüssel des Appartements und ließ den daran befestigten silbernen Anhänger vor sich baumeln, auf dem neben einem Logo mit den Buchstaben MA, auch die Zahl 12 auf der Rückseite eingraviert war. Überrascht beäugte sein Gesprächspartner den Anhänger, ehe er in seine eigene Tasche griff und einen beinahe identischen Schlüsselbund hervorzog. Weniger erstaunt als der Blauhaarige zuvor, musterte Aram den Anhänger und die eingravierte 5, die im Licht der untergehenden Sonne schimmerte. „Ich wusste nicht, dass wir Neuzugänge bekommen haben. In welcher Division darf man Euch willkommen heißen?“ „Ähm… In der Forschung.“ „Ah, dann hat Euch der gute Aaron selbst angeworben. Das ist ja schon beinahe eine Ehre.“ Fragend hob Aram eine Augenbraue und blickte zu seiner Linken. „Beinahe?“ Der Gefragte erwiderte den Blick seines Gegenübers und fuhr mit seiner Erklärung fort. „Eine Ehre wäre es, wenn es Erzlord Arvid persönlich gewesen wäre. Aaron ist zwar sein Sohn und unglaublich klug und talentiert, aber er ist immer noch nur ein einfacher sechzehnjähriger Junge.“ „Sechzehn? Ich wusste zwar dass er jung ist, aber ich hätte ihn nicht für ganz so jung geschätzt.“ „Er ist reif für sein Alter, das ist wahr. Es muss ja auch Gründe geben, wieso er jetzt schon eine so gute Position innehat. Aber darüber könnt Ihr besser mit ihm selbst sprechen.“ Mit diesen Worten schwang sich der Blauhaarige auf und drehte sich noch einmal zu Aram um. „Aarvand Harvey, Soldat dritten Ranges der Erkundungsdivision.“ Auch Aram hatte sich nun wieder aufgerichtet und nahm die Hand, die ihm entgegengestreckt wurde lächelnd an. „Aram Sheppard. Noch nichts aber bald irgendetwas in der Forschungsabteilung.“ Ein Lachen schallte ihm entgegen, während sie den festen Händedruck wieder lösten und Aarvand im Vorbeigehen auf Arams Rücken klopfte. „Na, das sind große Aussichten für Euch. Irgendetwas. Haltet mich doch auf dem Laufenden, was es denn nun geworden ist.“ „Das werde ich gerne tun aber wohin geht Ihr jetzt?“ „Meine Schicht ist mittlerweile vorbei, falls es Euch nichts ausmacht, würde ich Euch nach Hause begleiten, da wir ohnehin denselben Weg haben.“ „Selbstverständlich.“ Schnellen Schrittes holte er den Blauhaarigen ein und spazierte neben ihm her, während dieser ihm ein paar grundlegende Informationen über den Kult erzählte. Unter anderem, dass es fünf verschiedene Divisionen gab, die in Forschung, Erkundung, Exekution, Aufsicht und Infiltration eingeteilt waren. Jede dieser Abteilungen hatte Mitglieder oder Soldaten, die in den Rängen 1 bis 3 unterteilt wurden und diese wurden von einem übergeordneten General geführt. So war auch Aaron der momentane General der Forschungsabteilung, seit der letzte zurückgetreten war und man noch keinen geeigneten Nachfolger gefunden hatte. Über den Generälen stand nur noch die Familie Arvid, die seit jeher die Nachfolge des Anführers inne hatte und diese an ihre Kinder weitervererbten. Aarvand beendete seine Erklärung als die beiden vor dem Hochhaus zum Stehen kamen. Sie traten durch die Tür und verabschiedeten sich im Fahrstuhl, als Aarvand diesen im fünften Stock verließ. Allein, aber mit sehr viel mehr Zuversicht und einem Lächeln im Gesicht, betrat Aram sein Appartement, als er nur kurze Zeit später im zwölften Stock angekommen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)