Beyond the Soul von Suiya (The Truth Within) ================================================================================ Kapitel 6: Verabschiedung ------------------------- Der schrille Ton des Weckers ließ Aram am frühen Morgen hochschrecken. Die letzten Tage waren ruhig vergangen und es war fast so als wäre nie etwas passiert. Aram hatte, um etwas Ablenkung zu finden, trotz der Freistellung seine Vorlesungen besucht, konnte sich jedoch kaum auf den Stoff konzentrieren. Nicht, weil ihm der Inhalt nach der längeren Abwesenheit zu kompliziert war, sondern weil seine Gedanken immer noch nur um Tony kreisten. Selbst die Polizei hatte die Ermittlung aufgrund des offensichtlichen Tatherganges eingestellt. Für Aram war es allerdings alles andere als offensichtlich, hier ging es nicht mit rechten Dingen zu, doch die Umstände seines Todes waren nebensächlich, änderten sie immerhin nichts an der Tatsache, dass Tony nun fort war und in ein paar Stunden seine Beerdigung stattfinden würde. Also quälte Aram sich, im noch komplett finsteren Raum, aus dem Bett und nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, schritt er aus dem Zimmer, um zum Badezimmer zu gelangen. Der Flur war völlig menschenleer und auch im Bad konnte er die Ruhe genießen. Nach einer entspannenden Dusche, verließ er das Bad wieder und zog sich in seinem Zimmer fertig an. Der schwarze Anzug schmeichelte ihm und selbst das Jackett gab ihm ein edles Aussehen, ohne zu übertrieben zu wirken. Nichtsdestotrotz musste er seinen schweren Mantel aus dem Schrank ziehen, da das Wetter alles andere als schön aussah und er schon beim Blick aus dem Fenster fröstelte. Eine dicke Wolkendecke verbarg die langsam aufgehende Sonne, wodurch es noch sehr viel dunkler schien, als es sein sollte und große Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheibe. Er bereute seine Entscheidung kein bisschen, als er einen Fuß vor den anderen setzte und im Regenschauer langsam das Universitätsgelände hinter sich ließ. Auf seinem Weg ging er an einigen Kutschen vorbei, entschied sich jedoch dazu, zu Fuß hinauf nach Wolvercote zu spazieren. So hatte er mehr Zeit um über alles nachzudenken und eine größere Chance klare Gedanken fassen zu können. Während er also Richtung Norden spazierte, begann die Sonne langsam aufzugehen, stieg immer weiter hinauf, bis sie schon recht hoch stand, als Aram endlich vor der Kapelle ankam. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er ehrfürchtig eintrat und sich seinen Weg nach vorne bahnte. Einige kurze Blicke trafen ihn, wandten sich jedoch schnell wieder nach vorne. Der Sarg war vor dem Altar aufgestellt worden, ein Foto, sowie einige Blumensträuße lagen darauf. Zögernd trat Aram auf ihn zu, den Blick dabei gesenkt. Als er vor ihm zum Stehen kam und durch den geöffneten Sargdeckel auf das Gesicht Tonys blickte, durchfuhr ein Schauer der Traurigkeit durch seinen Körper. „Wie sehr hatte ich gewünscht, dass das alles unwirklich ist… Ruhe in Frieden, mein Freund. Auf dass wir uns eines Tages wiedersehen.“ Demütig schritt er wieder zurück und nahm auf der Bank, hinter den anderen Hinterbliebenen, Platz. Pünktlich um zehn Uhr betrat ein Priester die kleine Kirche und eröffnete die Messe. „Der Herr sei mit euch.“ „Und mit deinem Geiste.“ Hallte es aus den Reihen zurück. Selbst Aram, der kirchlichen Veranstaltungen stets aus dem Weg ging, ließ es dieses Mal gern über sich ergehen und gedenkte Tony. Die Gepflogenheiten der Kirche waren ihm jedoch bestens bekannt. Er wusste zwar nicht, wie streng die Regelungen in dieser Kapelle waren, doch wollte er einfach kein Aufsehen erregen, immerhin war es ein zu wichtiger Tag und das nicht nur für ihn. Also lauschte er den Lesungen der Bibel, antwortete den Kyrie und stimmte bei den Gesängen mit ein, bis sie nach etwa einer Stunde das Ende der Messe erreicht hatten. „Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“ Ein hölzernes Raunen hallte durch den Raum, als sich alle erhoben und mit dem Kreuzzeichen antworteten. „Amen.“ Mit diesen Worten traten vier Männer zum Altar nach vorne, um den Sarg zu schließen und ihn daraufhin anzuheben. Behutsam trugen sie ihn hinaus, gefolgt von den weiteren Angehörigen und Aram, über den Friedhof, bis sie zu einem ausgehobenen Grab gelangten. Dort angekommen, wurde der Sarg in die Tiefe niedergelassen und der Priester erhob noch einmal das Wort. „Vater im Himmel, dein Sohn, unser Herr Jesus Christus nahm für uns alle den Tod auf sich, damit wir im Tode nicht untergehen. Er ist für alle gestorben, damit wir bei dir in Ewigkeit leben. Mit diesem Vertrauen gehen wir durch unsere Tage in guten und in schlimmen Zeiten. Dazu segne und beschütze uns der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“ „Amen.“ „Als Boten und Zeugen für Christus sind wir hinein gesandt in diese Welt. So lasset uns gehen in Frieden.“ „Dank sei Gott, dem Herrn.“ Mit diesen Worten beendete er den Gottesdienst und ließ den Anwesenden Zeit, sich noch im familiären Kreise zu verabschieden. Aram stand dabei etwas abseits und entschied nach einer Weile, die restlichen Angehörigen alleine zu lassen. Seufzend drehte er sich auf der Stelle und machte ein paar Schritte, bis ihn eine ältere Stimme zurückrief. „Ihr, wartet doch bitte.“ Verwundert schaute er hinter sich und erblickte eine reife Dame, wie sie auf ihn zusteuerte und stapfte ihr ein paar Schritte entgegen. „Ihr seid Mr. Sheppard, nicht wahr?“ „Das bin ich, ja.“ Er musterte die kleine Frau vor sich genauer, konnte sie jedoch nicht einordnet, diese schien ihn jedoch zu kennen und sah mit einem freundlichen Lächeln zu ihm hinauf. „Ich war Anthonys Tante, er hat hier bei mir gelebt, bevor er auf die Universität ging. Wenn er die letzten Jahre zu Besuch war, hat er oft von Euch erzählt. Ihr wart ihm ein guter Freund und es hätte ihn sicher erfreut zu wissen, dass Ihr ihm an diesem Tag beigestanden habt. Bitte nehmt doch meine Einladung an und esst mit uns.“ Etwas perplex über die plötzliche Einladung, starrte er die erwartungsvoll blickende Frau an, bis er seinen Kopf zu einem Nicken zwang. „Natürlich, es wäre mir eine große Freude.“ Erst spät abends, als die Sonne schon lange untergegangen war, erreichte Aram den Campus. Angetrunken, durch den Wein, der ihm immer wieder aufs Neue nachgeschenkt wurde, torkelte er etwas benommen über das Gelände, bis er zum Wohnheim gelangte. Vor seiner Tür durchsuchte er seine Manteltaschen nach seinem Schlüssel, während die andere Hand schon zum Türgriff wanderte. Erschrocken wich er zurück, als sich die Tür daraufhin von alleine öffnete und ein aufgesperrtes Schloss zum Vorschein kam. „Was…?“ Vorsichtig bewegte er seine Hand durch den Türspalt hoch zu seiner Lampe, um sie einzuschalten, woraufhin das Zimmer durch die orangene Flamme erleuchtet wurde. Doch als er sich nach vorne beugte und hineinspähte, war es leer. Ein erleichterter Seufzer entrang seiner Kehle und noch immer etwas benebelt trat er ein. „Ich habe wohl einfach vergessen das Schloss zu verriegeln.“ Als er dies, zu sich sagte, trat er gemächlich an den Tisch und ließ seinen verspannten Nacken kreisen. Doch sowie sein Blick auf die Tischplatte traf, wurde er kreidebleich. Blankes Entsetzen zeichnete sich in seinem Gesicht ab, als er auf das Notizbuch hinab starrte, welches er für verloren gehalten hatte. Nach Tonys Tod wurde dessen Zimmer komplett ausgeräumt, aber das Notizbuch hatte keiner gefunden. Trotz Arams erpichter Suche danach, blieb es verschollen, doch nun lag es, makellos und ohne den kleinsten Riss, auf seinem Tisch. Eine Gänsehaut breitete sich über seinem Körper aus, als er sich eingestehen musste, dass er auf keinen Fall vergessen hatte, die Tür zuzusperren, was bedeutete, dass irgendjemand in sein Zimmer eingedrungen war, um ihm sein Notizbuch zurückzubringen. Normalerweise hätte er sich ja über dieses Geschenk gefreut, immerhin wollte er nicht, dass Unwissende an diese Daten gelangen, doch unter diesen Umständen war er eher mäßig begeistert. Seufzend ließ er sich aufs Bett fallen und saß nun, mit auf den Knien aufgestützten Ellenbogen, das Gesicht in den Händen vergraben, da. Mit leichtem Druck ließ er seine Fingerspitzen massierend über die Stirn, bis hin zu seinen Schläfen wandern. Durch den Schock, schmerzte sein Kopf nun sehr viel mehr, als noch vor wenigen Minuten, als er nur wegen dem langen Tag und dem Wein noch erträglich gepocht hatte. Mit einem langgezogenen Raunzen ließ er sich zur Seite fallen, wo er sich erst einmal bequemer zurechtlegte, bevor er die Augen schloss und zu schlafen versuchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)