Raftel (2) von sakemaki (The Rainbow Prism) ================================================================================ Kapitel 43: 43 - Das gelbe Prisma --------------------------------- Das frisch gefundene Quintett löste sich im Nebeldorf ebenso schnell wieder auf, wie die Nebelschwaden, die das Hochplateau gute dreihundert Tage im Jahr grau einhüllten. Es war eine Wettererscheinung, die in dieser Gegend nur sehr selten geschah, und sie kam so plötzlich, dass es die Anwohner für einen kurzen Moment aus den Häusern trieb. Ungläubig begaffte man für einen kurzen Moment den knallgelben Ball am Himmel namens Sonne, als hätte man so etwas noch nie gesehen. Man schüttelte verwundert den Kopf und ging dann wieder seinen Alltagsgeschäften nach. Law meinte, es hätte schon fast etwas Symbolisches für sich, wie das Sonnenlicht den Nebel vertrieb. Es kam Licht ins Dunkel. Der Strahl der guten Hoffnung. Zoro guckte Law nur skeptisch von der Seite her an und fragte nach, ob er denn nun auf die eventuell letzten Tage seines Lebens noch pathetisch werden würde. Doch Law winkte schief grinsend ab. Er selber wäre zwar nicht abergläubisch, doch was er sich kürzlich alles angehört habe, könnte einen beinah in den inneren Einstellungen wanken lassen. Zu dritt blickten sie Pikadon nach, der Taiyoko über den Regenbogen nach Shimotsuki bringen sollte. Man selbst musste in den sauren Apfel beißen und als Transportmittel auf das Zwielicht zurückgreifen. Im Grunde war es nur allein für Zoro eine Qual, da dieser wohl wieder die folgenden Kopfschmerzen nach der Teleportation ertragen müsste. Missmutig streckte er eine Hand aus, die Law und Hikaru ergriffen, und schon waren sie wie vom Erdboden verschluckt, nur um in der nächsten Sekunde mitten im Spiegelsaal des vergessenen Königreiches zu landen. „Wow, das ging ja besser, als letztes Mal zur Haibara Klinik,“ lobte Law erstaunt. „Du machst dich!“ „Halt einfach die Klappe.“, murmelte Zoro, der durch den Drehschwindel und die Kopfschmerzattacken sich bei der Landung nicht hatte auf den Beinen halten können, strauchelte und mit den Händen zuerst vornüber in die Spiegelscherben griff. Es klirrte und schepperte. Ganz fein zerschnitten die Splitter Zoros Haut an Händen und Armen. Im Gesicht und am Hals. Blut quoll hervor und tropfte hernieder. Law kam nicht umher, einen weiteren trockenen Kommentar ablassen zu müssen. „Nun weiß ich, warum Chopper immer DICH begleiten muss.“ Dass Zoro ihn bei diesem Spruch wütend anfunkelte, interessierte ihn keineswegs. Stattdessen kramte er im Inneren seiner Manteltaschen und zauberte Verbandszeug hervor. Erstaunlicher Weise führten Ärzte immer ein halbes Krankenhausinventar mit sich, was man ihnen aber nie ansah. Vielleicht hatte Laws Mantel auch so einen Taschentrick wie Usopp bei seiner Handtasche. Stumm stand Takeru, der nun wieder Hikaru hieß, daneben. Er hatte sich entschieden, lieber gar nichts zu der Situation zu sagen. Egal, was er tun würde, er würde so oder so den Kürzeren ziehen. Da war absolutes Unterordnen die erste Wahl. Im Gegensatz zu Zoro ging es Hikaru nach dem Zwielichtgang ausgesprochen gut. Es mochte wohl daran liegen, dass Hikaru ebenfalls diese Gabe besaß und sie schon weit öfters trainiert und daraus eine Kampftechnik abgeleitet hatte. Nun stand er ebenso wie die anderen beiden im Spiegelsaal, musste aber böse Erinnerungen auf sich einprasseln lassen. Ja, er war schon mal hier gewesen, als die Spiegel alle noch intakt waren. Die drei Prismenstücke schwebten vereint zu weißem Licht als vollständiger Regenbogenkristall inmitten des Saals. Ihre ganze Leuchtkraft reflektierte sich immer wieder und wieder, zerlegte sich in alle Spektralfarben nur um sich sofort wieder zu vereinen. So etwas Schönes und Vollkommenes hatte er zuvor noch nie gesehen. Und als er gezwungen wurde, seine Hände danach auszustrecken, um das weiße Licht zu zerstören, da war es ihm sonnenklar, dass nur etwas Entsetzliches folgen konnte. Doch er tat es trotzdem. Er trennte das Licht. Bis heute konnte er sich nicht erklären, wie er das hatte zu Wege bringen können. Drei farbige Prismenstücke fielen hernieder und es kam ihm von einer Sekunde auf die andere vor, als wäre die finsterste Schwärze über ihn und die ganze Welt hereingebrochen. Plötzlich platzen alle Spiegel gleichzeitig und zerschnitten ihn. Es war ein Gefühl, als müsse man sterben. Es brannte so eiskalt auf der Haut. Er konnte nicht sagen, wie er diesen Ort verlassen hatte. Seine Erinnerungen setzten erst wieder ein, als er auf einer Insel im East Blue erwachte und feststellte, dass er nicht mehr so wie früher das Zwielicht nutzen konnte. Er wollte den Weg zurück zum Spiegelsaal finden, doch der Weg war versperrt. Die Zwielichtebene, die für diesen Pfad nötig gewesen wäre, konnte er nicht mehr betreten. Frustriert und sich absolut nutzlos vorkommend, heuerte er bei einer Kopfgeldjägerbande an. Just zu dieser Zeit kam ihm Blackbeards Aufruf, ihm einen Hanyô zu bringen, gerade recht. Er erinnerte sich an einen Hanyô, der sich einfach so samt Familie in „seinem“ Leuchtturm in Loguetown einquartiert hatte. Allerdings rechnete er sich keine Chance aus, Zoro stellen zu können. Doch gab es da nicht dieses Mädchen, über das alle in der Schule sprachen? Zoros Tochter musste auch mit diesem Zwielichtzauber gesegnet worden sein. Immerhin lästerten viele über dieses komische Kind mit den grünen Strähnen im schwarzen Haar, welches Dinge wegzaubern konnte und zeitweilig rote Pupillen bekam. Wenn nicht Zoro, dann Taiyoko! Sie wäre die einzige Möglichkeit, den Rückweg zum Spiegelsaal zu öffnen. Nein, er hätte Taiyoko so oder so niemals an Blackbeard oder noch an irgend jemanden anderen ausgeliefert. Sein Job bei den Kopfgeldjägern war nur reinste Tarnung gewesen. Mittlerweile mochte er das Mädchen sehr. Auch wenn sie seine kleine Kratzbürste war, so hatten sie beide sofort einen guten Draht zueinander gefunden. Beide waren sonderbar und Außenseiter mit demselben Problem. Da verstand man sich auf ganz verqueren Kanälen prächtig. Er war ein wenig geknickt, wie er hatte Taiyoko auf dem Einhorn wegreiten sehen. Da blieb nur zu hoffen, dass Zoros Plan nicht nur schnell, sondern auch glatt gehen würde. Die Grundidee war simple. Nur Hikaru allein konnte als Wächter die Prismenstücke zuordnen, wie es ihm beliebte. Es galt, wieder ein Gleichgewicht herzustellen und alle drei Prismen in gute und taugliche Hände zu wissen. Keineswegs würde man den Grünäugigen das blaue Prisma überlassen. Man müsste jemanden finden, der als Träger des blauen Prismas geeignet wäre. Zoro als roter Prismenträger war gesetzt. Und wer käme als gelber Träger in Betracht? Wohl doch nur jemand, dessen Teufelsfrucht Einen zu großer Verantwortung zwang. Jemand, der die Gabe hatte, sein Leben für ein anderes zu geben. Und jemand, der klug genug war, mit den Fähigkeiten des gelben Prismas gut dosiert umzugehen. Law war überhaupt nicht begeistert von dem Plan, hatte dann aber zugestimmt, den Posten des gelben Prismenträgers zu übernehmen. Es gab nur noch einen einzigen Haken an der ganzen Sache. Hikaru konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wie er es geschafft hatte, die Prismen zu trennen. Auch hatte er keine Ahnung, wie man jemanden ein Prisma anvertraute. Nun schlurfte er durch die Spiegelscherben, dass es nur so rauschte, strich mit der Fußspitze ab und zu durch die Bruchstücke und dachte nach. Hier irgendwo müsste das blaue und das gelbe Splitterstück des Regenbogenkristalls liegen. Die Fähigkeit, die Stücke zu sehen, war ihm abhanden gekommen. Wie groß mochten die Stücke sein? Wie lange müsste man suchen? Hatten die Grünäugigen schon Wind von der Sache bekommen, dass ihr Trio bereits hier auf der Insel angelangt war? Die Frage beantwortete sich von allein. Hallende Stimmen warfen ihr Echo von den Wänden. Grüne Lichter tauchten in den verspiegelten Flächen auf. Die Grünäugigen kamen hierher, um Hikaru in Empfang zu nehmen. Natürlich waren sie in dem Glauben, Zoro würde Hikaru ganz nach ihrem Befehl nun übergeben. Verzweifelt blickte er abwechselnd zu Zoro und Law, weil er nicht wusste, was er nun tun sollte. Nein, auf gar keinen Fall würde er mit den Grünäugigen gehen. Er wollte nicht wieder weggeschickt werden von Menschen, die sich seiner angenommen hatten. Und zwar ganz uneigennützig. Er war zeit seines Lebens nur verstoßen und weggeschickt worden. Hikaru wurde panisch. Hitzeschauer und kalter Schweiß tobten auf seinem Rücken. Er zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Sein Herz schlug wie wild und pumpte soviel Blut durch seine Adern, dass er dachte, sie würden platzen. Bloß nie wieder weg müssen. Dieser Wunsch formte sich in ihm. Er wurde stärker und stärker und vertrieb die Angst, die er gerade noch in jeder Faser seines Körpers gespürt hatte. Eine wohlige Wärme breitete sich aus seiner Körpermitte aus. Und plötzlich konnte er sie sehen, die Prismenstücke, die er gesucht hatte. Da leuchtete eines inmitten Zoros Leib wie eine wärmende Kerze. Strahlend schön und sicher geborgen. Direkt unter seinen Füßen glimmte es in tiefstem Blau. Am anderen Ende des Saals grellte es Gelb hervor. Hikaru streckte seine Hände nach dem gelben und dem blauen Prisma aus. Wie von Geisterhand schwebten sie aus den Scherbenhaufen empor. Als Hikarus Hand eine Drehbewegung in der Luft zeichnete schwebte des gelbe Prisma genau auf Law zu. Nur eine Sekunde später leuchtete es ebenso in dessen Innerem wie das rote Prisma seinen Platz in Zoro gefunden hatte. So einfach war das. Man musste nur wollen. Hikarus Geist war klar beisammen, doch sein Körper spielte nach der Aufregung nicht mehr mit. Ihm wurde Schwarz vor Augen. In seinen Ohren schrillte das Klirren von Glas. Eine Hand packte ihn und schliff ihn davon. Erst später sollte Hikaru erfahren, dass Zoro auf sämtliche noch verbliebene Spiegel eingeschlagen hatte, um das Eintreffen der Grünäugigen zu stoppen. Diese reisten nämlich vornehmlich von einem Ort zum nächsten, indem sie sich und ihre Abbilder stets selbst reflektierten. Und es gab noch zu erfahren, dass Law es war, der ihn vor dem Sturz ins Scherbenmeer gerettet hatte. Nun aber hielten sie sich zu dritt auf der obersten Ebene eines Turmes auf und hatten die Welt im wahrsten Sinne des Wortes zu Füßen. Law saß hochkonzentriert im Schneidersitz auf dem Boden, hatte die Ellenbogen auf den Knien abgestützt und dachte mit geschlossenen Augen schon eine sehr lange Weile über etwas ganz entspannt nach. Einige Meter weiter verharrte Zoro auf einer der Turmzinnen und hielt mit gezogenen Schwertern die Grünäugigen unten am Fuße des Turmes in Schach. „Auf was warten wir?“, flüsterte Hikaru Zoro zu, als hätte er Sorge, er würde Laws Konzentration stören. „Dass Law herausfindet, wie er sein gelbes Prisma gebrauchen kann“, antwortete Zoro lakonisch. „Hab' ich schon!“ sagte Law und grinste boshaft, wie er es immer tat, wenn er äußerst zufrieden war. Erst jetzt nahm Hikaru eine aus dem Erdreich herausgerissene Pflanze wahr. Sie lag samt Wurzelwerk und den letzten Erdbrocken kümmerlich vor Law und welkte dahin. Es war eine Anemone. Aber so richtig sicher war sich Hikaru nicht. Wenigstens er konnte mit hoher Genauigkeit sagen, dass sie von dort unten aus einer der Gartenanlagen stammte. Die Gärten. Einst eine herrliche botanische Pracht voller Artenvielfalt und Pflanzenreichtum verkümmerte nun im ewigen Herbst und starb ab. Die Bäume waren längst kahl, die Stauden vertrocknet, die Wiesen grau. Ein Jammer. Erste Schneeflocken fielen dick und flauschig vom Himmel. Bald würde alles unter dickem Schnee und Eis konserviert werden für die Ewigkeit. Doch Laws Anemone war anders. Gefangen in einem von Law kreierten Room schlug sie plötzlich Wurzeln und nahm Farbe an. Verlorene Kronblätter flogen zur Blüte zurück wie Eisenspäne zu einem Magneten und verwuchsen mit ihr. Die Blume erlebte einen zweiten Frühling. Law vergrößerten den Room. Es überraschte ihn selber, wie leicht es mit der Kraft des Prismas von statten ging ohne ihn selbst in seinen eigenen Kräften zu schwächen. Bald hatte der Room die ganze Insel eingenommen. Und als Hikaru hinabblickte in die Gärten und Parks, auf die Plätze und Treppen, auf die Emporen und Tore, so sah er Grünäugige, die sich merkwürdig rückwärts bewegten. Ihr Stimmengewirr erklang seltsam verzerrt. Man konnte kein einziges Wort ihrer Sprache verstehen. So abgehackt und silbenhaft war es. Das Laub der Bäume erhob sich einzeln gen Himmel, fand seinen alten Platz an den Zweigen und ergrünte. Die Blumen auf den Wiesen öffneten ihre bunten Köpfe in hohem frischem Gras. Der Nebel und das grau wichen einem aufreißendem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Meereschaumberge auf dem Wasser wurden kleiner und kleiner, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Erst jetzt verstand Hikaru, welche Kraft Law mit seinem gelben Prisma entfaltete. Auch Zoros Gesichtsausdruck war mehr als zufrieden. Law ließ die Zeit rückwärts laufen, und sie drei waren Zeuge, wie sich alles in einem schnellen Zeitraffer dorthin zurücksetzte, noch bevor die Grünäugigen den Spiegelsaal jemals erreicht hatten und noch weit entfernt ahnungslos in ihrem Tal auf Rice Island hausten. Der Room wuchs weiter und weiter, verschluckte nun Raftel und das Ringporneglyph. Auf einen Schlag tauchten die Schiffe wieder auf, die vor Raftel eine letzte Schlacht schlagen und einen Piratenkönig krönen wollten. Und alle, die sich in Meerschaum verwandelt hatten, erhoben sich vom Meeresgrund hinauf zu den Lebenden und fanden sich just in der Schlacht wieder. Hatten sie gerade noch im Koma gelegen, so verwandelten sich nun ihre Träume in wahre Albträume. Auch Tashigi musste mit ansehen, wie die Gänge ihres Labyrinthes schlagartig einstürzten, Hecken von vernichtenden Unwettern zerfetzt wurden und wirbelnder Staub die Schönheit zerfraß. Schreiend und voller Angst kauerte sie auf dem Boden, hatte die Hände über ihrem Kopf zusammengeschlagen und verstand nichts mehr. Die schöne Welt, durch die sie gewandelt war und alles in ihr hatte vergessen lassen, war verschwunden. Es war dunkel und nass und kalt. Ihr Füße berührten den Meeresgrund. Es war die Sekunde, in der all die Erinnerungen wieder zurückkehrten und ihr gewahr wurde, dass sie tief unter Wasser war. Sie kämpfte sich nach oben. Ihr Kopf durchdrang die Wasseroberfläche. Frischluft füllte ihre Lungen. Der Gestank von Tod, Kampf und Kanonenpulver verpestete die Luft. Wrackteile und Leichen schwammen mit ihr auf den Wellen. Es war grässlich. Nur schwerlich erkannte sie im Chaos, dass sie inmitten des Schlachtfeldes aufgetaucht war. Eine schwimmende Truhe eines versunkenen Schiffes rettete ihr Leben. Mit aller Kraft erklomm sie die Truhe und hoffte, der Krieg möge aufhören und sie selbst schnell gefunden werden. Es war eine grausiger Kampf, in welchem niemand mehr sagen konnte, wer nun Freund oder Feind war. Da wurde gedroschen, geschossen und versenkt, was das Zeug hielt. Auch Zoro, Law und Hikaru stürzten sich hinab ins Getümmel, hatten aber andere Ambitionen, als die kämpfende Meute. Man suchte die Sunny und die Häupter seiner Lieben. Wild schlugen sie eine Schneise der Verwüstung durch den prügelnden Mopp, sprangen von Schiff zu Schiff, verloren sich unterwegs und fanden sich wieder. Geschlossen erreichten sie die Sunny, sahen aber ihre Freunde nicht, die irgendwo im Kampfgetümmel untergegangen waren. „Luffy? LUFFY?!?!“, hallte Zoros Rufe über die Decks der Welt. Keine Antwort, was bei dem tosenden Lärm auch nicht weiter verwunderlich war. Unter der Rückendeckung Laws und Hikarus erklomm Zoro das Krähennestdach der Sunny, blickte umher und sah nur Chaos und Verderben. „LUUUUUFFFFFFYYYYY!?!?!?!“ Schwaden von zerschossener Munition waberten und versperrten die Sicht. Zoro stellte sich ganz ruhig hin, schloss die Augen und konzentrierte sich. Die Außenwelt entschwand. Er war ganz mit sich und den tausenden von Gefühlswellen, die sich bebend überschlugen und verworren. So viel Leid und Schmerz, Angst und Trauer. Und stets wurden es weniger Gefühlswellen. Die Leben wurden ausgeblasen wie Kerzen im Wind. Doch unter all diesen Wellen fühlte er Luffys heraus. Es war schon gar keine Welle mehr, eher ein schwaches Bächlein. Und Zoro sah noch etwas vor seinem geistigen Auge einer Vision gleich, nämlich wie Luffy am Hals gepackt und in die Lüfte gehoben wurde. Dabei absorbierte sein Gegner seine Teufelskräfte und Lebensgeister. Luffy hing nur noch wie ein nasser Waschlappen dem Tode nahe in Blackbeards Händen. Ein Wimpernschlag später war Zoro durch das Zwielicht vom Dach verschwunden, um seinen Freund und Kapitän zu retten. Er tauchte punktgenau dort auf, wo er die Gefahr schon gespürt hatte. Noch im Austritt aus der Dämmerung zog er sein Schwert und zerschlitzte seinem Feind die Kehle. Mit der anderen Hand packte er sein Opfer und entzog ihm unter den schlimmsten Qualen, die einen das rote Prisma jemals spüren lassen konnte, den weiteren Lebenshauch. Doch es blieb genug, dass Zoro ihm noch eine letzte Mitteilung mit auf die Weiterreise gab: „Lass Luffy los, Blackbeard! Mich hast du doch gesucht, oder? Und so einen Abschaum wie dich lass ich nicht einfach sterben. So was wie dich lasse ich im Zwielicht langsam verrotten!“ Damit verschwand der gefürchtetste Pirat aller Zeiten von der Bildfläche. Ganz still und heimlich. Seine Anhänger würden noch Jahre später vergeblich seinen Leichnam suchen, aber niemals finden. „Zoro?“, wimmerte es leise aus einem Korpus, der vor dem Kampfe noch die Form des Strohhutkapitäns innegehabt hatte. Luffy war ziemlich lädiert, um es milde auszudrücken. Aus unzähligen tiefen Wunde floss Blut. Ein blaues Auge, unüberschaubare Quetschungen und ein verschwindet geringer Lebensfluss komplementierten die Gesamterscheinung. Zoro klemmte seinen besten Freund unter und raffte ihn unter Schmerzen empor. Blackbeard hatte ihm tatsächlich so sehr zusetzen können, dass Luffy Schmerz verspürte. „Nun nimm mal Haltung an, Piratenkönig!“, munterte er die menschlichen Überreste namens Luffy auf. „Ich kann nicht mehr ...“, murmelte Luffy kraftlos. „Das ist die falsche Ansprache an die Nation!“, lachte Zoro. „Guck, du hast es geschafft! Du warst zuerst auf Raftel!“ Luffy wollte etwas erwidern, dass das doch gar nicht stimmte. Immerhin war Zoro schon 10 Jahre vor ihm hier gewesen. Damals zusammen mit Smoker. Dass am heutigen Tage auch Law und Hikaru auch schon über Raftel liefen, konnte Luffy noch gar nicht erahnen. Doch Luffy sackte nur geschlagen in sich zusammen. Dann nahm Zoro ihn mit. Dorthin zurück, wo Law und Hikaru zurückgeblieben waren. Die beiden hatten zwischenzeitlich ganze Arbeit geleistet und aus dem Chaos bereits die Franky, Usopp, Chopper und Nami gerettet. Mit Augen so groß wie Kuchenteller starrte Law auf Luffy, um den er sich sofort kümmerte. Zoro trieb es um. Er konnte nicht hier stehen bleiben. Er witterte mit seinen Kräften die Umgebung ab. Wo war der Rest? Und vor allem: War Tashigi darunter? Er wies Hikaru den Weg durch das Gemetzel. Dorthin, wo er die restlichen Strohhüte lokalisierte. Noch hatte es niemand gemerkt, dass der Hauptkampf zwischen Blackbeard und Luffy längst beendet und entschieden war. Es war nur noch ein sinnloses Aufeinanderdreschen. Zoro war das alles egal. Es gab nur eines, was wirklich wichtig war. Viel wichtiger als das Ende der Reise und Luffys Erfüllung eines großen Traumes. Es war so wichtig, dass er ein Opfer bringen musste. Hart biss er sich auf die Lippen. Wenn er jetzt gegen würde, dann würde er zwar jemanden wiederfinden, aber auch jemanden verlieren. Er war niemand, der viel weinte, doch heute standen ihm die Tränen in den Augen und er war froh, dass es niemand sehen würde. Hier in all dem Chaos, wo Leben und Tod so eng beieinanderlagen. Aber er ging los. Er hatte sich entschieden. Er musste jetzt einfach gehen und dafür etwas opfern und zurücklassen. Und so kehrte er für einen Augenblick der Sunny und seiner Crew den Rücken. Es dauerte nicht lange und erfand Tashigis Truhe, in der sie vor Erschöpfung schlief, als hätte man sie in einem Sarg gebettet. An den Händen zog er sie heraus und auf das nächstbeste Boot. Es war ein Rettungsboot und die wenigen, die sich dort in Sicherheit gebracht hatten, zeterten und zogen die Schwerter. Sie fürchteten um ihr Leben und das Kentern des kleinen Bootes. Zoro war auch das egal. Eng schlang er seine Arme um eine völlig ausgekühlte und entkräftete Tashigi. Er kam sich selbst so fremd vor, als er immer wieder und immer leise zu Tashigi stammelte, wie leid ihm alles tat und dass nichts so unendlich wichtig wäre wie sie und Taiyoko. Und als die zeternden Bootsmitfahrer keine Ruhe geben wollten, so warf er sie kurzer Hand über Bord. Dummheit wurde eben auf dem Fuße bestraft. Hätten sie die Klappen gehalten, so hätte er sie wohl mitgenommen. Aber so nicht. Hikaru gesellte sich dazu, dem Zoro keine Beachtung schenkte. Trotzdem versuchte Hikaru zu mahnen, Zoro sollte sich eilen. Als das Trio die Sunny erreichte, herrschte eine unheimlich gedrückte Stimmung. Sie rührte nicht von dem Toben und Schlagen außerhalb des Piratenschiffes, sondern von dem Mittelpunkt des Kreises, welcher sich um einen lang gekannten Nakama gebildet hatte. Noch immer stand Zoro etwas abseits, trug Tashigi auf seinen Armen und starrte auf das Unvermeidbare vor ihm. „Zoro? Er fragt die ganze Zeit nach dir. Er hat die ganze Zeit auf dich gewartet...“, brachte Usopp heulend hervor und trat zur Seite. Sachte legte Zoro Tashigi in Frankys Arme, da er als Nächster in der Nähe stand. Dann schritt er langsam auf Chopper zu und fiel vor dessen Schnauze auf die Knie. Das alte Rentier lag fast leblos auf der Seite. Sein Fell war blutdurchtränkt. Aus müden Augen blickte es empor und rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin so müde, Zoro.“ Mit beiden Händen griff der Angesprochene die Ganaschen des Rentieres, hob den Kopf an und schmiegte die eigenen Stirn gegen des struppige Fell. „Dann schlaf ein bisschen, Chopper!“, flüsterte Zoro seinem Freund zu. Entsetzt schlug sich Nami mit der flachen Hand auf den Mund und ließ ihren Tränen freien Lauf. Erst jetzt wurde ein jedem hier an Deck gewahr, was hier vor ihren Augen überhaupt geschah. „Ich war immer bei dir...“ , murmelte Zoro. „Immer ...“ Dann entschwand Chopper unter Zoros Händen im Zwielicht. Endgültig. Und für alle Zeit. Später würde man in den Geschichtsbüchern nur von der „Schlacht um Raftel“ lesen, die einen neuen Piratenkönig hervorbrachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)