Raftel (2) von sakemaki (The Rainbow Prism) ================================================================================ Kapitel 31: 31 - Die Legende ---------------------------- Welch ein Schlag, welch eine Wucht! Die spirituelle Kraft, welche die Camera Obscura absorbierte, war enorm. Usopp war schwer beeindruckt von diesem Gerät, welches er eben gerade erst eigenhändig zusammengebastelt hatte und eigentlich nur eine Übergangslösung sein sollte. Dafür hatte das Ding nun mehr als geahnt den Erwartungshorizont weit übertroffen. Usopp war zu recht mehr als stolz auf sich und seine Arbeit. Er hatte als erster seine Fassung wiedererlangt und blickte nun abwechselnd umher. Auf das Abbild in der Kamera, welches grell die gebannten Geister zeigte. Auf Zoro, der nach wie vor wie ein in Beton gegossenes Standbild neben ihm stand. Und eine schlanke Frau, die mitgenommen am Boden kauerte und unfreiwillig zum ersten Testopfer der neuen Kamera geworden war. Das zierliche Persönchen rappelte sich wieder empor, zupfte ihr kurzes Kleid zurecht und rückte das Krönchen auf ihrem Kopf gerade. Und auch in Zoro kehrte die übliche Alltagshaltung zurück. Er ließ den Arm sinken, war aber nach wie vor merklich überrascht darüber, was ihm da unter die Augen gekommen war. Seit ungezählten Jahren hatte er sie nicht wieder gesehen. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass man sich ausgerechnet an diesem Ort wieder begegnen würde. Und wenn er ehrlich sein sollte, so war es doch auch das Allerletzte, was er sich jemals gewünscht hätte. „Du hast dich ja ziemlich weit vom Schuss ab verlaufen, wenn du HIER herumirrst!“, keifte sie los und drehte sich dann zum Nächsten. „Und du! Pass gefälligst besser auf, wo du mit so einem komischen Ding hinzielst!“ Damit war definitiv Usopp gemeint, der sich überrumpelt bei einer sehr angesäuerten Perona entschuldigte. Die Wirkung der Kamera machte ihn perplex, hatte er doch gedacht, der Apparat würde nur auf spirituelle Energie Anwendung finden und nicht auf Teufelskräfte. Doch ein kurzes Analysieren der Abläufe seinerseits brachte des Rätsels Lösung: Er hatte die Hollow-Geister erwischt und sie vernichtet, indem sie nun auf Zelluloid gebannt waren. Das wiederum hatte die Geisterprinzessin rückwirkend getroffen. Usopp war von dem Fotokasten mehr als begeistert. Zoro hingegen zog nun eine eingeschnappte Schnute. Verlaufen? Er hatte seine Freunde auf direktem Weg hierher gebracht. Ohne Umwege. Na, wenn die Zicke wüsste! Und überhaupt! Sie hatte seine Frage noch nicht einmal ansatzweise beantwortet. Also stellte er sie erneut: „Was machst du hier?“ Sie erzählte ihre kurze Geschichte und klagte Zoro ihr Leid, wie einsam und langweilig es doch nach vielen verstrichenen Jahren auf Mihawks Heimatinsel wurde. Die Affenbande war nach wie vor nervig verblödet, und dass Mihawk irgendwann auch nicht mehr zurückkehrte, war ja eh alles Zoros Schuld. Es war daher genau der richtige Zeitpunkt gewesen, sich nach etwas Neuem umzusehen. Doch mit nichts war sie so recht zufrieden: zu öde, zu einsam, zu groß, zu klein. Die Liste an persönlichen Befindlichkeiten und Mängel an einem Wohnobjekt könnte man ewig fortsetzen. Das richtige Domizil zu finden, war eine harte Nuss, die noch nicht geknackt war. Nun war sie seit gut einem Monat hier gestrandet, doch so recht wollte der Funke nicht überspringen. Dieses neue Zuhause auch lieb zu gewinnen, fiel ihr irgendwie schwer. Die verwahrlosten Räume träfen genau ihren Geschmack, und auch die Hollows hätten sich schon mit den hauseigenen Geistern angefreundet. Aber seit geraumer Zeit streiften hier Wesen mit grellgrünen Augen durch die Gänge, die einfach nicht so recht hierher passen wollten. Zudem hielten sie sich an keine gängigen Spukhausregeln: Sie tauchten einfach so in Privaträumen auf, versiegelten unerlaubt Türen und lärmten unanständig. Besonders die exzessiven Tanzrituale zur späten Stunde störten empfindlich die Nachtgeisterei. Perona hatte sich langsam in Fahrt geredet und war, ohne die beiden Piraten nach deren Beweggründe zu fragen, davongeflogen. Während sie ihre beiden Begleiter somit wieder in die Lobby zurückführte, kam Usopp nicht umher, hinter ihrem Rücken fragend zu lästern: „Mal ehrlich, die ist doch nicht ganz dicht? Wie hast'n du das mit der Plaudertasche so lange ausgehalten?“ „Es war hart...“, gab Zoro seufzend zurück, und verdrängte Erinnerungen kamen wieder an die Oberfläche, welche er sofort wieder in die Tiefe seines Langzeitgedächtnisses zurückstopfte. In der Lobby angekommen, nahm Perona eines der breiten Sofas in Beschlag, räkelte sich fast schon lasziv in die Polsterkissen und klatschte zweimal in die Hände. Ein Hollow-Geist kam angerauscht, stellte ein Geschirrservice aus schwarzen Porzellan auf den Couchtisch und begann feinstes Keksgebäck und heißen Kakao zu verteilen. Usopp hatte es vorziehen wollen, sich nicht zu dieser Kakaorunde zu gesellen, hatte er doch stets im Hinterkopf, wie ihnen die Zeit im Nacken hing. Doch als er sah, wie sich Zoro wortlos mit einer genervten Miene ebenfalls in einen Sessel pflanzte und mit einer Handbewegung den Hollow davon abhielt, seine Tasse mit Kakao zu befüllen, konnte er ein Grinsen kaum verkneifen. Anscheinend hatte Zoro in den zwei Jahren, die er damals in Mihawks und Peronas Gesellschaft verbracht hatte, gelernt, dass es die einfachste und klügste Entscheidung wäre, Peronas Willen Folge zu leisten. Usopp biss sich grinsend auf die Unterlippe bis diese schmerzte. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie die Wohngemeinschaft mit der Geisterprinzessin abgelaufen sein mochte. Wenn Zoro nicht spurte, gab es einen Satz Hollows auf die Ohren. Hätte sich bei Usopp nicht so ein herrliches Komödienkopfkino abgespielt, er hätte fast ein wenig Mitleid mit seinem Nakama bekommen. Aber so fand er die Vorstellung einfach nur interessant und ließ sie vor seinem geistigen Auge noch etwas weiterlaufen. „Du weißt nicht zufällig, wo hier ein Apothekerschrank zu finden ist?“, platze Zoro in die Kakaorunde hinein. „Dummerchen! Das hier ist ein Krankenhaus. Da gibt es überall Apothekerschränke“, seufzte Perona, nippte an ihrem Heißgetränk und erlag der Einschätzung, dass Zoro sich in den letzten Jahren kaum merklich verändert haben musste. „Wir suchen aber einen ganz bestimmten“, ließ sich Zoro nicht abwimmeln und drängte Usopp, das Foto mit dem Motiv des Apothekerschranks der Geisterprinzessin zu zeigen. Sie warf einen prüfenden Blick darauf, und tatsächlich erkannte sie das Möbelstück wieder. Es wäre einfach zu erkennen, erklärte sie. Das rötliche Holz, die schwarzen Beschläge und der abgebrochene Fuß vorne rechts wären unumstößliche Merkmale. Der Schrank wäre ein ziemliches Monstrum. Selbst ihr Hollows hätten es nicht geschafft, dieses Ding zu verrücken. Dabei würde es sich so gut in ihrem Schlafgemach machen. Neben dem großen Himmelbett. Und schon schwatzte sie den beiden auf, wie sie immer noch im Gange war, ihre Wohnräume zu gestalten und herzurichten. Informationen, die niemand brauchte. „Du scheinst dich ja hier perfekt auszukennen. Und was ist dann hinter der Tür, wo wir vorhin standen?“, hakte Zoro nach und deutete dabei in eine x-beliebige Richtung, aus welcher sie garantiert keineswegs gekommen waren. Wieder seufzte Perona: „Du meinst wohl eher, da lang?“, und zeigte in Richtung, wo der gemeinte Raum lag. „Du weißt genau, was ich meine“, schnauzte er zurück. Usopp hatte seine Kakaotasse an die Lippen gesetzt und durch Pusten versucht, die heiße Flüssigkeit abzukühlen. Es war ein Akt der Höflichkeit, wenigstens ein paar Schlückchen mitzutrinken, obwohl im bei der ganzen Hollows um ihn herum schon speiübel war. Dabei wanderten seine Augen ständig zwischen Zoro und Perona hin und her. Es war eine gar merkwürdige Beziehung zwischen den beiden und irgendwo angesiedelt zwischen Sarkasmus und Ausbeute. Mit einem großen Zug wollte er seine Tasse leeren, verschätzte sich aber dann doch bei der Temperatur. Prustend befleckte der Kakao nun den Boden, und Usopp leckte mit der Zunge über einen verbrannten Gaumen. Wenigstens versüßte die Sahnehaube, welche ihm wie ein Bart im Gesicht hing, den ziehenden Schmerz. Es war eh höchste Zeit aufzubrechen. Perona flog voran. Da sie schwebte, vergaß sie ganz und gar, dass ihre beiden Begleiter zu Fuß nicht so leicht Hindernisse bewältigen konnten. Für sie ging es mittig im Treppenhaus steil nach oben, während Zoro und Usopp sich Stockwerk um Stockwerk über die eingestürzten Treppen mühten. Der schrillen Stimme Peronas folgend, endete der Aufstieg vor einer Doppelschwingtür in der obersten Etage. „Wo bleibt ihr denn?“, schnarrte es ihnen genervt entgegen. „Haltet euch die Ohren zu!“ Noch ehe die beiden Piraten etwas fragen konnten, hatte die Geisterprinzessin auch schon die Tür geöffnet. Irgendwo dort in dem dunklen Stationsflur knackte ein alter Lautsprecher, als hätte jemand eine Vinylschallplatte zum Drehen gebracht. Kaum war das Knarzen abgeklungen, setzte eine schlechte Tonaufnahme ein. Laut und verzehrt dröhnte eine Lied aus den Lautsprechern von den Zimmerdecken herab. Die Schallwellen gingen durch Mark und Bein und zwangen jeden Hörer gnadenlos in die Knie. Es war ein und dieselbe kurze Melodie in Endlosschleife, gespielt auf einer alten Hammondorgel. So laut, dass einem das Trommelfell zu zerplatzen drohte und sich alle schmerzend die Ohren zuhielten. Unter Ohrenschmerzen gekrümmt rettete man sich zum nächsten Zimmer, und kaum fiel die Tür hinter den Dreien ins Schloss, war wieder Ruhe eingekehrt. Der Schwall an Schallwellen, der vor Sekunden noch wie Regen auf sie einprasselte, war versiegt. Man schaute Perona entgeistert an, doch die winkte nur müde ab und erklärte, dass dieses Lied hier immer nachts durch die Gänge dröhnte. Es wäre wohl eine Art von Musiktherapie, der die Patienten beruhigen sollte, doch das konnte sich die Prinzessin kaum vorstellen. Es war einfach zu laut, zu schräg und zu disharmonisch, aber ihre Hollows liebten diesen quietschigen Sound. Zoro hatte sich unterdessen den Raum angesehen. Es musste das einstige Schwesternzimmer der Station gewesen sein. Einige Unterlagen füllten die Schreibtischplatte, welcher an einem großen Fenster stand und die Sicht auf den gesamten Flur der Station freigab. Hier war sicherlich niemand ungesehen vorbeigekommen. Unter den Unterlagen sah man auch Dienstpläne, Diagnoseblätter und alles weitere, was wohl zu einem Krankenhaus dazugehört. Doch das spannendste stand direkt neben dem Schreibtisch an der Wand: der Apothekerschrank. Gehörig verstaubt wartete er mit ungezählten kleinen Schubladen auf, welche Zoro nun nacheinander herauszog und durchwühlte. Manche Schubladen taten artig ihren Dienst, andere verharrten störrisch im Korpus und gaben nur unter Einsatz brachialer Gewalt nach. Während eine Schublade nach der anderen ihr Geheimnis offenbaren musste und Zoro ebenso viele Schlüssel wie Schubladen hervorzauberte, kam Perona nicht umhin, die Suchaktion zu kommentieren. „Herrje, was machst du? Willst du wirklich ALLE Schlüssel mitnehmen? Guck doch mal, der hier zum Beispiel sieht doch gar nicht wie ein Türschlüssel aus. Eher wie der eines Schrankes...“, versuchte sie eine Art von einer aussichtslosen Belehrung. „Bevor ich hier tausendmal hin- und herrennen, nehme ich lieber gleich alle mit. Und du wolltest mir noch verraten, was da unten hinter der verschlossenen Tür ist“, kam es nur emotionslos von Zoro zurück. „Pah, als ob du diesen Raum hier jemals wiederfinden würdest. Und den Raum da unten kenne ich auch nicht. Der war schon immer zu.“ Perona hatte wirklich eine ganz eigene Art, stets unnachgiebig in die Kerbe zu hauen und somit andere anhand ihrer Fehler vorzuführen und zu verletzen. Allerdings war die bildhafte Kerbe von Zoro mittlerweile schon so tief, dass man da nicht mehr viel herausschlagen konnte. Doch Perona war nicht die Frau, die bei sowas ein Ende fand. Da müsste die Kerbe schon eine Schlucht werden. Einzig die Tatsache, dass Zoro ihre Sprüche innerlich ausblendete, nahm ihr etwas Wind aus den Segeln. Unbeeindruckt von Peronas Seitenhieben hatte er ein Handtuch vom Waschbecken der gegenüberliegenden Seite genommen, alle Schlüssel mittig platziert und dann ein kleines Bündel gebunden. Der Beutel wog so einiges beim Anheben und klirrte metallisch. Zoro hoffte, dass der Handtuchstoff nicht unter dem Gewicht zerreißen würde. Erst jetzt registrierte er, wie Usopp im Schein der Schreibtischlampe in einem Buch las und vollkommen in eine Phantasiewelt abgedriftet war. Der Buchtitel prangte stark verblasst auf dem Einband: „Legenden aus aller Welt“. Na, das konnte dauern. Ausgerechnet Usopp, der wenig begeistert von diesem unheimlichen Ort war und so oder so schnell nach Hause wollte, gönnte sich eine Schmöckerauszeit. Nun war es Zoro, der drängelte und wenig Verständnis für Usopps Tun übrig hatte. „Ja, ja... Gleich, gleich. Nur noch eine Seite...“, kam es da gereizt hinter dem Buch hervor. Das musste ja wahrlich spannend sein. Aber für Usopp waren alle Märchenbücher spannend, und dieses hier war ihm noch total unbekannt. Zoro herrschte ihn dennoch an, dass er das Buch doch auch mitnehmen könnte, aber der Mitstreiter ließ sich nicht beirren. „Jetzt hör' doch einfach mal zu“, begann Usopp mit dem Vorlesen einer Geschichte aus diesem alten Schmöcker. „Hier ist eine Geschichte, die heißt... … „Der Regenbogenkristall Zu vergangenen Zeiten trug es sich zu, dass die herrschende Göttin des Lichts beschloss, ihre Schwester, die Göttin des Schattens, zu besuchen. Diese lebte aber nicht wie die Lichtgöttin auf dem höchsten Berg der Welt, sondern weit entfernt in der absoluten Finsternis untertage, regierte die Dunkelheit und führte ein wahrlich lotterhaftes Leben von Lug und Betrug. Häufig mischte sie sich in Menschengestalt unter das Volk und säte Missgunst, Neid und Hass, woran sie ihren Spaß fand. Sie hatte derart über die Stränge geschlagen und das Böse verbreitet, dass die Lichtgöttin ihr gehörig die Leviten lesen wollte, denn diese war den Menschen wohlgesonnen und mochte es nicht, wenn ihre Schützlinge unzufrieden waren. Somit bereitete sie alles vor für ihre große Reise und übertrug einer ihrer Dienerinnen die ehrenhafte Aufgabe, über den Kristall Sanshoku zu wachen. Der Kristall war so klar wie das Wasser eines Gebirgssees und so kalt wie die eisige Winterluft. Wenn die Lichtgöttin in ihn hineinblickte, dann durchströmte ihre ganze Schönheit und Helligkeit den Kristall und zauberte so die Farben und die Wärme in die Welt. Drei Tage und drei Nächte dauerte die beschwerliche Reise hinab vom Sonnenberg in die Tiefe des Erdreiches, und die Menschen dachten, die Sonne würde für immer untergehen. So schwarz wurde es auf der Erde. Um den Menschen die Angst zu nehmen, streute die Lichtgöttin ein paar Funken an Nachthimmel. Das ward der Mond und die Sterne. Oh, welch Streit entfachte sich zwischen den beiden Gottschwestern, als diese endlich aufeinandertrafen. Die Schattengöttin fühlte sich gekränkt durch die Zurechtweisungen der Lichtgöttin. Sie wurde derart eifersüchtig auf ihre leuchtende Schwester und deren Gabe, dass sie aus Wut beschloss, den Kristall Sanshoku zu rauben. Sie sperrte durch eine List ihre Schwester in einen dunklen Stollen, bestieg den Sonnenberg, rechnete aber nicht mit dem beherzten Kämpfen der Kristallwächterin. Der Raub des Kristalls wurde zwar vereitelt, jedoch gelang es der schwarzen Göttin, einen Fluch über Sanshoku zu legen. Fortan wurde der Kristall von Dunkelheit umhüllt und die Farben verschwanden. Es wurde für immer kalt und finster auf der Welt. Die Bäume verloren ihr Laub, die Vögel zogen davon, Tiere fielen in einen Winterschlaf und Unwetter tobten über das Land. Hungersnöte, Seuchen und Depressionen suchten die Menschen heim, welche zuvor nur im Sonnenschein gelebt hatten. Es sollte ganze sieben Jahre dauern, bis die Göttin des Lichts sich aus ihrem Gefängnis befreien und nach Hause auf den Sonnenberg zurückkehren konnte. Das Flehen der Menschen, die fehlenden Farben und Wärme veranlassten die Lichtgöttin, sofort etwas zu unternehmen, um die alten Zustände wiederherzustellen. Ihre Macht war stärker, als die Macht ihrer bösen Schwester, und somit vertrieb sie die Dunkelheit und ließ den Kristall wieder erstrahlen. Doch in den sieben Jahren ihrer Abwesenheit in der Finsternis hat ihr Zauber stark gelitten und Kräfte eingebüßt. Sie ermüdete schnell und verfiel in einen kurzen, aber tiefen Schlaf. Das Licht erlosch, und die Farben verschwanden. Seit diesem Tage gibt es in der Welt die Jahreszeiten, denn immer wenn die Lichtgöttin schläft, tobt sich die Schattengöttin aus und bringt allen den Winter auf Erden. Die Welt jedoch, die zuvor nie Jahreszeiten kannte, begehrte auf, da das Klima sich nicht überall gleich auf der Welt veränderte. So stand auf manch einem Feld die Frucht in voller Blüte und brachte reichen Ertrag. Auf anderen Feldern erfror die Frucht durch Kälte oder verdorrte durch Hitze. Das Leben der Menschen wurde fortan wieder einmal von Armut und Hunger geprägt. Sie riefen ihre Lichtgöttin an, die sie aber im Schlafe nicht erhören konnte. Die Kristallwächterin hatte Mitleid, und so tat sie eine gar schreckliche Tat: Sie nahm den Kristall und zerschmetterte ihn. Millionen und Abermillionen Kristallsplitter zerstreute sie in die Meeresströmungen, weshalb seit dieser Zeit jede Insel der Grandline eine eigene Jahreszeit hat. Die Wächterin aber, die nun erst die Ausmaße ihrer Tat erkannte, bekam es mit der Angst. Sie floh auf eine Insel, dessen Ort niemand zu finden vermochte. Von dort sandte sie die drei größten Splitter um die Welt, auf dass sie gute Hände finden würden, die sie sorgsam schützen.“ Als Usopp wieder von dem Buch aufsah, bot sich ihm ein Anblick, der ihn wenig verwunderte. Perona strahlte über das ganze Gesicht und hatte einen Glanz in den Augen, den nur Nami zu haben vermochte, wenn es um Geld ging. Die Vorstellung, dass es einst einen Kristall gegeben haben mochte, der schöner als jeder Diamant gewesen war, versetzte sie in Entzücken. Zoro hatte Mühe, seine Augen aufzuhalten. Obgleich die Legende nur sehr kurz war, so hatte es doch beinah dazu gereicht, dass er eingeschlafen wäre. Usopp seufzte, war er sich doch ziemlich sicher, hier weniger auf eine Legende, sondern mehr auf einen Quelltext gestoßen zu sein, deren historischer Kontext nicht von der Hand zu weisen war. In jedem Märchen steckte ein Funke Wahrheit oder eine Botschaft, und der Regenbogenkristall musste echt sein. Soviel war mal klar. „Was riecht hier eigentlich so komisch?“, gähnte Zoro mitten in die ruhige Runde hinein, doch plötzlich war er hellwach. Alle drei schauten wie auf Kommando gleichzeitig durch die Fensterscheibe auf den Gang. Ein orangefarbener Lichtschein lugte erst zaghaft um die Zimmerecke, kroch dann blitzartig hervor und wurde heller und heller. Konnte das möglich sein? Sie stoben hinaus zur Doppelschwingtür, die zum Treppenhaus führte. Die Hitze und das grelle Licht dahinter leuchtete wie ein böses Vorzeichen, und als Zoro die Tür aufstieß, grapschte züngelndes Feuer wie gierige Arme nach ihm. Keine Sekunde stand der Trakt um sie herum lichterloh in Flammen. Beißender Rauch stieg ihnen in die Nase und reizte die Augen bis sie tränten. Plötzlich war es nur noch heiß und grell. Sie hatten die Orientierung und sich gegenseitig verloren, obwohl sie eben noch dicht beieinander gestanden hatten. Da war nichts mehr, was Schutz bot. Wo eben noch ein dunkler Flur ruhte, empfing sie nun ein Tunnel aus Asche, Glut und Verderben. Und so rannte ein jeder von ihnen fluchtartig davon, ohne zu wissen, wohin ihr Lauf führte. Jeder in seine ganz persönliche Flammenhölle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)