Raftel (2) von sakemaki (The Rainbow Prism) ================================================================================ Kapitel 26: 26 - Agua Caliente ------------------------------ Es waren güldene Sterne, welche leuchtend in großen Augen aufblitzten, ein begeisterter Gesichtsausdruck und generell Luffys innere Überzeugung, immer an erster Stelle stehen zu müssen, was letztendlich dazu führte, dass Takeru seinen Sitzplatz auf Pikadons Rücken einbüßte. Sofort war der Pirat Feuer und Flamme gewesen, als er Taiyokos Geschichte hörte, wie sie die letzten Tage zu reisen gepflegt hatte. Das Pferd war ein echtes Einhorn, welches mit Hilfe eines Regenbogens flog? Wahnsinn! Da gab es für Luffy in keinster Weise eine Diskussion. Das musste er einmal selbst ausprobiert haben. Da Widerspruch zwecklos war, Takeru eh keine Lobby in der Gruppe besaß und auch Pikadon befand, dass Luffys Herz weit aus leichter wog, war der Platzwechsel beschlossene Sache. Obgleich Takeru nun im wahrsten Sinne des Wortes herzlos geworden war, behaupte das Einhorn nach wie vor, das Takerus schwarze Seele es definitiv runter ziehen würde, sowohl seelisch, als auch vom Regenbogen. Nur die reinen Herzen flogen leicht wie eine Feder. Takeru hatte nur seinen üblich finsteren Blick in der Runde verteilt, einmal kurz geschnaubt und war dann Zoro und der Heart-Crew in den gelben Bauch des U-Bootes gefolgt. Dort sollte er in einer Ecke auf einem zugewiesenen Platz für die nächste Zeit der Seereise maulig hocken und nicht einmal eine Mahlzeit anrühren. Im Laufe des zweiten Tages wurde es Zoro allerdings mit der Zickerei zu blöde. Er zimmerte dem widerwilligen Wegbegleiter einen Teller mit Essen vor die Nase und drohte ihm, er würde ihn mit dem nächstbesten Öltrichter als Hilfsmittel zwangsernähren. Unter strengen Augen löffelte Takeru in Rekordzeit den Teller leer und meinte Anflüge eines Grinsens in Zoros Mimik erkannt zu haben. In diese neue Rolle gedrängt, ward ihm keine andere Möglichkeit geblieben, als zu gehorchen und sich unterzuordnen. Erstaunt angesichts der Tatsache, soviel versteckte Fürsorge von dem Piraten zu empfangen, ward er um so erstaunter, als Zoro im Weggehen mehr denn zu sich selbst sprach als zu ihm: „Wir sind uns gar nicht so unähnlich...“ Damit hatte Takeru nicht gerechnet. Und er grübelte den Rest der kurzen Fahrt lange darüber nach, was das nun alles wieder zu bedeuten haben könnte. Und er sollte aus dem Grübeln auch nicht herauskommen, denn pünktlich zur nächsten Mahlzeit landete die nächste Ration direkt vor ihm. Die aß er ohne Drohung, sondern schweigend bedächtig. „Unsere Wege werden sich wie es ausschaut allesamt in Agua Caliente trennen“, sagte Zoro in die Stille hinein und ließ Takeru aufhören. „Wie ich Taiyoko kenne, wird sie sicherlich zurück nach Loguetown wollen, wobei mir das nicht sonderlich recht ist. Aber du hast ihren Sturkopf sicherlich schon bemerkt...“ Obgleich Takeru den Teller nur mit dem Löffel geleert hatte, war dieser so blitzblank geworden, als käme er gerade aus der Spüle. Nun ruhte der Löffel auf dem Teller und Takeru blickte auf. Seine Blicke trafen die des Piraten, der ihn aufmerksam beobachtet hatte. Er hielt diesem Blick keine Sekunde stand, obgleich Zoro nichts anderes tat, als in seiner üblichen Pose mit verschränkten Armen an der Wand zu lehnen und mit schweigendem Pokerface auf hin herab zu sehen. Nervös starrte der Jüngere wieder zur Seite, denn es war ihm schleierhaft, was die wahren Beweggründe sein mochten, die ihm diese Rolle eingebracht hatten und welche nun auszufüllen wäre. Es gab keine Antwort. Nicht hier und nicht jetzt. Der Pirat beließ es dabei, ihn weiter im Dunkeln zappeln zu lassen. So blieben ihm nichts als Vermutungen und das Warten auf die Ankunft in Agua Caliente. Im gleichmäßigen Dreitakt trommelten Pikadons Hufe auf dem Regenbogen und erzeugten dabei einen feinen Funkenregen, dessen Tröpfchen mit dem Klang eines Glockenspiels zerplatzen. Mit Taiyoko und Luffy auf dem Rücken galoppierte das Einhorn hoch oben in den Lüften über alle Meere und Inseln hinweg. Unbeschwert und frei. Der wärmende Sonnenschein unterstrich die Leichtigkeit und ließ auf diesem Ritt beinah alles vergessen, was in den letzten Tagen passiert war. Sie waren schon eine Weile unterwegs, und die beiden Reiter verstrichen sich die Zeit, indem sie nach unten blickten und sich gegenseitig neue Entdeckungen zeigten. Äcker und Wiesen schienen aus der Höhe herab wie ein großes gewürfeltes Tuch. Häuser wirkten wie Bauklötze. Und Wälder glichen flauschigen Teppichen. Ruhig und friedlich wirkte die Welt zu ihren Füßen. Kaum ein Laut drang nach oben. Doch es blieb Luffys Augen nicht verborgen, dass sich dort unten Schiffe zu Konvois zusammenschlossen, Brandwolken mehr und mehr aus den einzelnen Königreichen aufstiegen und sich fast unmerklich Truppenbewegungen auf den Erdteilen vollzogen. Die brodelnden Vorboten des Krieges hatte es nie wirklich gegeben. Der Krieg war längst da. Obwohl Luffy eine wahre Frohnatur war, betrübte ihn der Blick auf die Welt unter sich. Seine Trauer übertrug sich umgehend auf Pikadon, was den Regenbogen kurz absacken ließ, als wären sie durch ein Luftloch geflogen. „Hey, was ist los?“, fragte Taiyoko aufgebracht, die sich doch sehr über den kurzen Ruck erschrocken hatte und beinahe heruntergefallen wäre. Ängstlich klammerte sie ihre Beine um Pikadons Bauch und krallte sich in der Mähne fest. „Nichts, nichts“, murmelte Luffy abweisend. Sein gespielt sorgloser Gesichtsausdruck, welchen das Mädchen bei einem kurzen Blick über die Schulter erhaschte, konnte aber nicht über seine innere Haltung hinwegtäuschen. In diesem Moment war ihm klar geworden, dass es keinen Aufschub mehr gab. Der Krieg, den niemand wahrhaben wollte, klopfte schon lange nicht mehr an die Pforte, sondern war schon mit der Tür ins Haus gefallen. „Pikadon, können wir einen kleinen Umweg fliegen?“, bat er das Einhorn. Das Mädchen blickte noch einmal erstaunt über ihre Schulter und erhoffte sich eine Antwort von dem nun recht schweigsamen Strohhutpiraten. Doch es kam nichts. Pikadon schnaubte kurz fröhlich auf. „Ich weiß, was du planst. Du hast die kritische Situation erkannt und siehst keinen anderen Ausweg, als dich nun selbst auf den Thron des Piratenkönigs zu erheben. Doch wo willst du das tun? Willst du dich mutterseelenallein mit einem Megaphon auf den nächstbesten Marktplatz stellen und es laut hinausschreien? Da wird dich kaum einer ernst nehmen, geschweige denn es mitbekommen. Über welche mediale Plattform denkst du denn nach?“ Betretendes Schweigen trat auf. Die Meinung des Einhorns wurde in Luffys Hirnwindungen verarbeitet. Wie zum Geier hatte das Tier wissen können, was sein gedachtes Bestreben gewesen war? Darüber hinaus hatte es auch noch Recht. „Das ist mir alles klar!“, kam es da lediglich vom Piraten trotzig zurück. „Und wer soll dir alles folgen? Welche Front wirst du in diesem Krieg zuerst eröffnen?“ Man kam nicht umhin zu sagen, dass Pikadon tatsächlich eine große Weisheit und Ruhe in sich trug, obgleich seine Ausdrucksweise doch recht altbacken und befremdlich in jungen Ohren klang. Es mochte an dessen Alter liegen, denn es hatte schon einige hundert Jahre auf dem Buckel. Nur das feine Glockenspiel zu Pikadons Hufen und das Pfeifen des Windes begleiteten die Gedanken des Piraten. Eine Insel unter ihnen verschwand hinter dem Horizont. Eine Neue tauchte auf. Dazwischen wieder ein Konvoi. Unterschiedlichste Schiffstypen aus allen Altersepochen dümpelten vereint durch die Wellen. Aber eines verband sie zu einer Einheit: Die Piratenflaggen am Masten. „Was schlägst du vor?“, nahm Luffy den Gesprächsfaden wieder auf, nachdem er seine Vorstellungen geordnet hatte. „Warte noch die nächsten zwei Tage ab, bis ihr euch alle versammelt habt. Und dann solltest du alle aus deinem Team und deine Verbündeten einsetzen, um dein Netzwerk zu vergrößern. Du hast schon ein sehr gutes Netzwerk, doch es ist nun an der Zeit, dass dieses auch tatsächlich in Funktion tritt. Überlege dir, wen du mit welchen Aufgaben betraust.“ „Du bist wirklich ein weises Tier, Pikadon!“ lobt Taiyoko leise das Einhorn. Still hatte sie dem kurzen Gespräch gelauscht und war doch recht erschrocken über das, was sie da eben vernommen hatte. Krieg? Das hatte sie noch nie erlebt. Es machte ihr Angst. Viel hatte sie von den Piraten und ihrer Mutter über die ungezählten Inseln gehört, die sie mal auf ihren Reisen gesehen hatten. Der Reiseteil mit den Kämpfen und Schlachten war aber stets ausgespart geblieben. Geschichten über Narben, Wunden und alptraumhaften Nachwirkungen wurden beharrlich ausgelassen. Sie fröstelte innerlich und malte sich Horrorszenarien aus, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Allein der Umstand in solch gute Truppe wie die von Luffy hineingeboren worden zu sein, die sie immer und ewig beschützen würden, war ein schwacher Trost. Sie verstand nichts von all dem politischen und militärischen Kram, doch war sie klug genug zu verstehen, dass etwas sehr Grausames und Unheilvolles ihre nächste Zukunft bestimmen würde. Am Liebsten wäre sie daheim. Daheim unter ihrer Bettdecke verkrochen und von ihren Eltern behütet und umsorgt. Sie zweifelte an ihrem Plan, in der großen weiten Welt eine Teufelsfrucht finden zu wollen. Plötzlich fühlte sie sich schwach, klein und hilflos. Und eine Teufelsfrucht zu essen, nur um ihre Hanyôkräfte zu unterbinden, waren wohl angesichts der aktuellem Lage ein ziemliches Luxusproblem. Zudem machte es den Besitzer einer Teufelsfrucht auch nicht mehr glücklich, als hätte man nie eine verkostet. Sie wünschte, sie könnte sich darüber mit jemanden austauschen, traute sich aber nicht, ihr Luxusproblem ihren beiden Mitreisenden auf die Nase zu binden. Die Diskussion würde auf einen besseren Zeitpunkt warten müssen. Kilometer um Kilometer Luftlinie wurden zurückgelegt. Der restliche Himmelsflug war reines Schweigen. Man verzichtete auf den Umweg, wo auch immer er hätte hinführen sollen, ritt umgehend zum vereinbarten Treffpunkt und wartete nun auf das gelbe U-Boot, welches gute zwei Tage später ebenfalls die Insel „Agua Caliente“ erreichen sollte. „Wir sind fast da. Aber dort unten ist viel Nebel. Ich weiß nicht, ob der Regenbogen dort durchdringen kann“, meldete sich Pikadon zu Wort. Tatsächlich näherte man sich einem Ring aus Nebel. Inmitten stiegen dampfende Wolken aus einer blitzenden Fläche auf, als hätte jemand eine Silbermünze auf die Meeresoberfläche gelegt. Meter um Meter herankommend, löste sich das Rätsel auf. Flach wie eine Scheibe war Agua Caliente von einer weiten Grasebene geprägt, welche über und über von stillen Gewässern und kleinen Bächlein überflutet wurde. Dazwischen verbanden ungezählte Knüppeldämme, Holzplanken und Brücken einzelne Häuser. Eine zusammenhängende Ortschaft war nicht auszumachen. Hier und da stand ein einsamer Baum oder Strauch verloren herum. Das Sonnenlicht spiegelte sich auf den glatten Wasserflächen, dass man aus der Luft heraus geblendet die Augen schließen musste. Es gab keinen Hafen oder Anlegestelle. Kurz darauf tauchten schemenhaft die Sunny und die Fregatte aus dem Nebelring auf, welche weit draußen vor der Insel auf Anker lagen, wo das Meer tief genug war. Nur mit einem flachen Boot konnte man übersetzen. Ein strategisch günstiger Treffpunkt. Der Regenbogen schlug eine langgezogene Kurve um die Insel herum, kroch nahezu unter dem Nebel hindurch und verschwand unter Pikadons Hufen, als diese den Erdboden wieder berührten. Sie waren wohlbehalten angekommen und machten sich sogleich auf die Suche nach ihren Freunden, um in einem großen „Hallo“ empfangen zu werden. Ein Schwall an heißem Wasser ergoss sich über Zoros von unzähligen Auseinandersetzungen geschundene Haut. Es brannte reinigend und schwemmte den letzten Rest an Schaum aus seinen türkisgrünen Haaren. Mit geschlossenen Augen und hängendem Kopf hockte er auf einem Badeschemel und versuchte sich in der dringenden Ablenkung von den vielen Sorgen, die in seinem Kopf Katz und Maus spielten. Es platschte. Eine Schöpfkelle wurde abermals in das heiße Quellwasser getaucht und über seinem Nacken ausgegossen. Pladdernd verteilte sich der Großteil des erquickenden Nasses zu seinen Füßen, der Rest rann in kleinen Rinnsalen durch seine Haare und über die Wangen, tropfte herab auf seine bloßen Arme und Beine. Wenn es nach ihm ginge, so könnte er hier noch eine halbe Ewigkeit sitzen, die Welt mit ihren nervigen, komplexen Problemen vergessen und einfach mal sich in diesem imaginärem Kokon einschließen. Sollten doch seine Freunde einige Hütten weiter sich bei einem Luffy üblichen Feierbankett die Kante geben und später zur Rettung der Welt aufbrechen. Gegen Alkohol war prinzipiell nichts einzuwenden. Tashigi allerdings wiederzusehen, war für ihn mehr Grund als genug, sich für ein paar Stunden mit ihr allein aus dem Staube zu machen. Das gelbe U-Boot hatte sich erst vor wenigen Stunden zur Sunny und der Fregatte gesellt. Schon bald würden sich ihrer aller Wege sicherlich wieder trennen. Da waren solche Stunden kostbar. Verpuppung im Kokon brachte es recht gut auf den Punkt. Das kleine Badehaus stand einzeln von einer leerstehenden Wohnhütte entfernt und war auf Grund seiner Bauweise eher mit einer Gartenlaube vergleichbar. Einfaches Blockholz und eine milchglasige Eingangsschiebetür umschlossen eine eigene kleine Welt von Duschecke, Holzbadewanne und gepolsterter Ablagebank. Hier drinnen war es vom Wasserdampf stickig warm, doch da draußen tobte ein Sommergewitter über die Insel hinweg. Es rüttelte heimelig an dem spartanischen Dach und drohte es mit sich zu reißen. In einer Öllampe flackerte die einzige Lichtquelle gegen die zuckenden Blitze an. Man konnte von Glück sagen, dass sie beide noch vor dem Abregnen der Gewitterfront das Häuschen entdeckt hatten, und das kein Einheimischer zugegen war. Außerhalb ging gerade sprichwörtlich die Welt unter. Luffys Fete fiel buchstäblich ins Wasser. Zoros Kokon zerbarst in just der Sekunde, in welcher zur Abwechselung kein Wasser, sondern ein zarter Kuss seinen Hals benetzte und eine ebenso feine Stimme scherzend in sein Ohr sprach: „Hast du schon Schwimmhäute zwischen den Fingern und Zehen?“ „Hmmm...“, brummelt es ungerührt zurück. „Guck doch nach.“ Zwei schlanke Arme fuhren über die seinigen, zarte Finger berührten seine rauen Hände. Ein in Stoff gehüllter Leib schmiegte sich an seinen nassen Rücken. Ihr Kinn lehnte auf seiner Schulter und ihr Gesicht spürte das seine. „Keine da“, lachte sie leise auf. „Was ist los?“ Es bedurfte keiner Ausreden oder Umschreibungen. Er konnte ihr nichts vormachen oder gar etwas verbergen. Obgleich sie stets ihrer naiven Art treu geblieben war, so hatte sie den Zugang zu ihm gefunden, der ihr alles erzählte ohne viele Worte wechseln zu müssen. Wohl kaum einer mochte diesen Schlüssel besitzen. Vermutlich war sie sogar die Einzige. So blieb es ihr natürlich nicht verborgen, dass er sich nicht wirklich bei der Sache war, sondern seine Gedanken weit entfernt abschweiften. Es heulte und rumpelte um das kleine Badehaus herum. Der auffrischende Sturm polterte nun unerlässlich gegen das Dach und machten aus den zuvor heimeligen nun recht unheimliche Geräusche. Allein der tropfende Wasserhahn über dem Onsen-Becken schmetterte dem ungezügelten Wind seinen gleichmäßigen Takt entgegen. Zoro hatte einen kurzen Moment den Steinfußboden unter ihm angestarrte, ehe er seine Hände aus Tashigis zog und dann die Handflächen nach oben drehte, als könnte man in ihnen die Zukunft lesen. Was hatten diese Hände nicht schon alles aushalten müssen. Selbst auf den Innenflächen verirrte sich die eine oder andere Narbe und machte ihn nachdenklich. Der Hauptanteil, den diese Hände durchlebt hatten, war im Bereich „Mord-und-Totschlag“ anzusiedeln. Da war viel zu wenig von dem, was sich mit dem Gegenteil beschäftigte. Eigentlich nur, wenn er seine Familie um sich hatte. Oder eben seine Freunde. Und obwohl er schon so viele Schlachten geschlagen hatte, stieg manchmal das dumpfe Gefühl in ihm auf, es würde einfach nicht reichen wollen. Diese Hände schienen nicht das festhalten und schützen zu können, was sie sollten. Ihre Hände hingegen hatten sich einen neuen Weg gesucht. Fuhren über seine Arme zurück. Berührten die Haut und ihre Narben und zeichneten so seine Vergangenheit nach. Küsse auf seiner Schulter, die er aufzog wie ein Schwamm das Wasser. Tashigi hatte in seinem Leben neben seiner Tochter einen so unendlich wichtigen Platz eingenommen. Ein großes Gefühlsknäuel aus Liebe und Dankbarkeit. Und er war sich unsicher, ob er ihr das jemals ebenso zurückgeben könnte. Als er einst versuchte, seine Hanyôkräfte zu kontrollieren, gelang die Perfektion erst, als er an Tashigi dachte. Er hatte immer einem Ziel in seinem Leben nachgeeifert. Und wenn es nur irgendein Versprechen gewesen war. Mit seinem Sieg über Mihawk brach jedoch nicht nur ein Versprechen, sondern auch ein halber Lebensinhalt weg. Er hatte nicht lange suchen müssen, um Tashigi und Taiyoko ein neues Versprechen zu geben. Er würde sie immer beschützen, egal wie. Der Schlüssel zum Zwielicht ward gefunden. Doch wenn er nun den brennend roten Schmetterling am Hals seiner Liebsten sah, fühlte er sich machtlos und zuweilen recht schäbig, den Schwur ihr gegenüber überhaupt halten zu können. Von Taiyokos Entführung brauchte man gar nicht erst reden. Fast schon ein Gipfel des Versagens. Nein, diese Hände, die er gerade anstarrte, hatten nicht das Schützen können, was im wichtig war. Sie hatte seine Nachdenklichkeit beobachtet. Manchmal hatte er so Phasen, da schien er in einer pathetischen Luftblase zu hängen und das Beste war es ihrer Meinung nach, die Blase einfach zu zerplatzen. Sie war aufgesprungen, hatte seine Hände wieder ergriffen und zog ihn nun hinter sich her. Dabei konnte sie ein so herrlich unbekümmertes Gesicht machen. Ganz kindlich fröhlich und warmherzig. Das mochte es wohl sein, was er an ihr so liebte: Im Herzen war sie Kind geblieben. Sie hatte gelegentlich ernste Züge an sich, doch immer zur rechten Zeit tauschten sie diese gegen Naivität, Tollpatschigkeit und Fröhlichkeit, was ihn aufmunterte. Sie verstand ihn so, wie er war und akzeptierte ohne Hinterfragen sein Leben. „Na los!“, lachte sie. Immerhin hatte sie der Beschlagnahmung dieses Badehauses nur mit Aussicht auf ein wohltuendes heißes Bad zugestimmt. Einbrüche waren ihr ansonsten zuwider. Sie überrumpelte ihn mit ihrem Vorpreschen, indem sie ihre Arme um seinen Hals schlang und ihn küsste. Vermutlich wäre es wohl auch ein verdammt leidenschaftlicher Kuss geworden, wäre Tashigi nicht sie selbst, hätte sich im Stoff der Yukata verheddert und voraus gestolpert. Blödes Teil. Nun war sie in seiner Umarmung aufgefangen worden und der dünne Stoff hinabgerutscht. Weich wurden ihre blassen Schultern vom Lampenschein nachgezeichnet. Lange schwarze Haarsträhnen waren aus dem Haarband herausgerutscht, fielen tropftriefend hernieder und umrahmten ihr schmales Gesicht, was die großen dunklen Kulleraugen nur noch größer machten. Reflexartig hatte sie eine Hand vor ihren Brustkorb erhoben und knüllte nun in dieser ihre Bekleidung zusammen auf dass sie Halt fand. Sie wirkte wie die Unschuld vom Lande, doch wusste Zoro nur zu gut, dass es nur die Tarnung derer war, die auch gerne mal die verruchte kleine Schlampe spielte. So wie eben. Seine Unterarme ruhten auf ihrer Taille und seine Hände auf ihrem Gesäß. Fast unmerklich zupften seine Fingerspitzen am Stoff, bis er lautlos zu Boden glitt. Zum Baden brauchte sie den Fummel sowieso nicht. Eng umschlungen verharrten sie auf halbem Wege zwischen Schemel und Wannenrand und hielten sich einfach nur fest. Ihr Kopf ruhte an seiner Halsbeuge als hätte er nie woanders Ruhe gefunden. Obgleich sie seine Wärme fühlte, begann sie zu frieren. Das Gewitter hatte die sommerlichen Temperaturen vertrieben. Zwar füllte der Wasserdampf den ganzen Raum aus, ein feiner Lufthauch zog jedoch seinen Weg durch die Ritzen der Holzwände. Aus der Kühle der Luft heraus und hinein getaucht in die Hitze des Wasser war das Brennen auf der Haut kaum auszuhalten. Eine Welle schwappte über den Rand der kleinen Wanne, als sie beide darin versanken. Er ließ sich hinab zu ihr, direkt in ihre ausgestreckten Arme, die ihn gierig zu sich zogen. In seinen strubbeligen Haaren verfingen sich Finger und lange, klammernde Beine um seine Hüfte behielten ihn eng verschmolzen an ihrem Körper. Da gab es keinen Platz mehr für all die Probleme und Sorgen außerhalb dieser Badehütte. Die Gestalten auf Raftel, die Kriegsschauplätze. All das war so weit entfernt gerückt, als wären sie nie da gewesen. In diesem Augenblick gab es nur sie beide und ihre innige Nähe. Erst als die Haut so schrumpelig geworden war, dass sich wahre Ackerfurchen über die Fingerspitzen zogen und die Hitze des Badewassers nicht mehr entspannte, sondern die Sinne benebelte, beendete man die gemeinsame Badezeit. Längst war das Gewitter abgezogen und hatte am Himmel das Feld für ein pastellfarbenes Abendfirmament geräumt. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden. Erste Sterne leuchteten über ihren Köpfen auf. Aus den heißen Quellen dampfte es ungehemmt empor und hüllte die Insel in weißen Nebel. Über unzählige Planken und Brücken ging es zurück dorthin, wo man sich vor ein paar Stunden von der restlichen Gruppe getrennt hatte. Knarrend und knarzend überquerten sie die überfluteten Wiesen, manchmal nebeneinander, manchmal hintereinander. Gerade so, wie die Bohlen breit waren. Für Zoro kam diese Art des Fußmarsches gerade recht. Hinter seiner Freundin hergehend brauchte er wenigstens nicht durch dieses Plankenlabyrinth irren. Sie lachte und tadelte ihn, als sie kurz nebeneinander gingen und er falsch abbog. „Wie machst du das nur? Man kann doch über die ganze Insel hinweg das Ziel sehen. Da drüben ist das Haus und der Platz, wo alle sind.“ Mit ausgestrecktem Arm deutete sie in die Ferne. Zugegeben, der Nebel behinderte die Sicht, gab aber bereits die Umrisse eines Hauses und unzähliger Marine-Zelte frei. Dazu kam, dass zwei Piratenmannschaften und eine Marinebesatzung zusammen eine große Anzahl an Menschen waren, die allein schon vom Geräuschpegel leicht auszumachen waren. „Herrje! An der Disziplin muss echt noch gearbeitet werden. Wären wir an der Front, wäre die Truppe längst durch den Krach aufgerieben worden.“ Seufzend klatschte sich Tashigi die flache Hand an die Stirn, denn es kam ihr just in den Sinn, als sie in Loguetown feststellte, dass ihre Besatzung nicht gut, aber vielzählig war. Reinstes Kanonenfutter. Nun lag der Spaß auf Zoros Seite, den er sich nicht nehmen ließ, wie Tashigi nun vor sich her schimpfte wie ein Rohrspatz. Sie beruhigte sich jedoch schnell und sah ihn plötzlich ernst an. Ihr Freund hatte vorhin eine Entscheidung getroffen, die sie nicht verstand und ihr schon gar nicht recht war. „Warum schickst du Taiyoko alleine los?“ „Ist sie ja gar nicht“, war die abweisende Antwort und offenbarte klipp und klar, dass jegliche Diskussion nicht erwünscht wurde. „Ein Massenmörder. Tolle Gesellschaft!“ Tashigis Gesicht wandelte sich in eine wütende Fratze und lief rot an, als sie zu hören bekam: „Das bin ich auch! Schon vergessen?“ Es war nicht von der Hand zuweisen, dass Takeru annähernd so viele Leben auf dem Gewissen hatte, wie Zoro. Auch durch ihre Hand waren in Gefechten Köpfe gerollt. Dennoch sah sie darin kein Argument, dass ihre Tochter weiterhin mit einem Verbrecher durch die Lande reiste. Sie hatte Takerus Herz in der Glasbox schlagen sehen. Gleichmäßig und kräftig. Und Law hatte behauptet, dass man an der Glasbox sogar das wirkliche Ich ablesen konnte, wenn man geübt war und gemeint, das Einhorn solle man ja nicht so sehr übertreiben mit dem Gewicht von Herzen. Der Bengel würde einen dunklen Frust und eine traurige Erinnerung mit sich herumschleppen, aber nicht mehr oder weniger als andere auch. Und reine Herzen gäbe es eh nicht. Jeder hatte seine persönlichen Leichen im Keller verscharrt. Auch wenn es nur Ameisengerippe wäre. Damit war für Law die Beurteilung über Takeru abgeschlossen, zumal jemand wie der Anführer der Heart-Piraten nur müde auf diesen herab guckte. Zoro musste sich dieser Meinung angeschlossen haben. Oder sein Zwielicht-Sinn hatte ihm wieder mehr verraten, als allen lieb war. Aus unerklärlichen Gründen hatte er sich augenscheinlich auf Takerus Seite gestellt. Tashigi verfolgte da nach wie vor ganz andere Kriterien. Bei den Piraten, die sie kannte, war das alles mit den Verbrechen etwas ganz anderes. Sie verdrängte deren Taten, weil sie es nicht sehen wollte. Alle anderen Piraten galten als dreckiges Pack, was es auszurotten galt. Eine Logik, die wenig zu verstehen war. Perplex nahm sie zur Kenntnis, dass ihr Freund diesem Streit wahrhaftig entkommen wollte. Er hatte echt auf dem Absatz kehrt gemacht und ihr den Rücken zugedreht. Alleinig die Weggabelung vor ihm hinderte ihn am Gehen, da er nicht so recht wusste, welcher Abzweig der richtige wäre. Stocksauer packte sie ihn am Oberarm und riss heftig an ihm herum. Ihr fehlte die Kraft, dass er sich auch nur einen Millimeter bewegen würde. Sie hasste es, stehen gelassen zu werden. Hasste es, wenn er ihr eine Entscheidung aufdrückte, als wäre sie unmündig. Hasste es, wenn ihre Sorgen und Ängste von ihm nicht ernst genommen wurden. Sie war keine Puppe, mit der man spielte und sich vergnügte, nur um wieder irgendwo abgelegt und vergessen zu werden. Doch genau das passierte eben wieder einmal und sie fühlte sich dreckig und ausgenutzt. Übelste Schimpfwörter schrie sie aus vollen Lungen heraus und wilde Fäuste hämmerten auf ihn ein. Später würde sie ihre Entgleisung wieder bereuen, doch jetzt fand sie diese exakt angemessen. „Hör auf damit!“ fuhr er sie barsch an. Wieso musste er diesen Wutanfall über sich ergehen lassen? Diese Sprunghaftigkeit kotzte ihn regelrecht an. Hatte sie immer noch nicht begriffen, dass sie damit bei ihm auf Granit biss? Solch wenig konstruktive Szenen konnte er gar nicht leiden. Und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Es war eine recht stille Insel und ihr Geschrei hallte trotz durch den Nebel meilenweit. Schon steckten verwunderte Soldaten ihre Köpfe aus den Zelten und sahen sich suchend um, woher das Gekreische stammen möge. Man vermutete einen Angriff. Es war ein Glück, dass Tashigi umgehend verstummte und nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Akt war schon peinlich genug. Unruhig trippelte sie umher, bebte vor Zorn und keuchte wutentbrannt. Ihr fehlten die Worte. Nichts konnte das beschreiben, was sie gerade fühlte. Was brachte sie mehr in Rage? Seine Ignoranz oder seine Arroganz? Sie brauchte Ablenkung und die würde sie dort finden, wo es etwas zu tun gab. Nun war sie es, die das Schlachtfeld räumen wollte. Mit geballten Fäusten, einem Todesblick und einer Portion überschäumender Energie schnaubte sie einmal kräftig auf und wollte an ihm vorbei. Ihr Lauf endete in Zoros ausgestrecktem Arm, der sie umschloss und festhielt. „Lass mich durch!“ „Nein.“ „Doch!“ Er gab sie wieder frei und sah ihr nach. Man musste nicht noch mehr Sturm säen, als man eh schon geerntet hatte. Ruhigen Schrittes nahm er die Verfolgung auf, wollte er nicht die Nacht hier auf den Planken verbringen und wie ein Moorgeist umherirren. Innerlich verfluchte er den unnützen Streit, der sich nicht hatte bereinigen lassen. Die nächsten Ziele waren klar abgesteckt. Noch in der Nacht vor dem Morgengrauen würden sie sich alle trennen. Die Sunny würde den kürzesten Weg nach Raftel einschlagen. Tashigi hatte zugesagt, ins Marinehauptquartier zu fahren und Überläufer zu rekrutieren. Luffy würde jede kämpfende Hand gebrauchen können. Man konnte nur hoffen, dass sie Wort hielt und erfolgreich sein würde. Taiyoko hatte sich zusammen mit Takeru und Pikadon an einen x-beliebigen sicheren Ort zurück zu ziehen. Was sollte sie auch im Kriegsgetümmel? Sie wäre weder auf der Sunny, noch auf der Fregatte sicher. Und Law? Der schloss sich erst einmal der Sunny an. Alte Bündnisse verrotteten nicht. Wie es dann im Weiteren aussehen würde, könnte man sich dann noch überlegen. Wer weiß, was da noch auf sie alle zukommen würde. Und hoffentlich hatte man die Gesichter seinen Lieben nicht zum letzten Mal gesehen. Da schmerzte es sehr, dass man im Streit auseinander schied. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)