Psychisch instabil von mauzimaumau ================================================================================ Prolog: Das Spiel ----------------- Tisch. Rechts rum. Rollstuhl. Links rum. Krankenbett. Rüber rollen. Wand... rechts rum. Nein. Links rum. Tür. Krankenbett. Rollstuhl. Akten. Springen. "Wenn sie soweit sind, offnen sie die Augen." Weiter rennen. Gang rechts rum, dann links rum. Über Krankenbett rollen. Rollstuhl nach links schieben. Tür aufstossen. Verdammt, Tür verschlossen. Rechts? Links? Zurück? Nein, er ist immer noch hinter mir. Das Kreischen der Kettensäge verrät es. Schwere Schritte hinter mir. Rechts rum. Angstschweiss. "Miss Harrison?" Rollstuhl. Noch einher. Links rum. Blut am Boden. Schmerz. Glasscherben. Aufstehen. Die stampfenden Füße kommen näher. Weiter rennen. Tränen. "Alice Harrison?" Rechts rum. Tür aufstossen. Halt. Stopp! Fenster! FENSTER! Ein kurzer Wiederstand, dann das Klirren von zerspringendem Glas. Freier Fall. Schock. "Alice, können sie mich hören?" Schwarz... Immer wieder flimmern Farben auf. Immer wieder verschwommen. Mein Körper fühlt sich taub an. Mein Kopf verarbeitet alle Informationen nur zu einem Dröhnen. Das Geräusch der Kettensäge verstummt. Der Angstschweiss vermischt sich mit dem Blut und sickert in den gierigen braunen Boden unter mir. Er ist hier. Er... er zwingt meinen Verstand in meinem Körper zu bleiben. Er zwingt mich Informationen aus meiner Umwelt zu verarbeiten... Ich spüre eine Presänts über mir. Jemand wirft seinen Schatten auf mich. Ich blicke auf zu diesem grotesken Grinsen. Die Lippen verformen sich neu und verziehen die Narben um sie herrum zu einem komischen Bild. Ich glaube... sie formen ein Wort. "Gewonnen." Kapitel 1: Sitzung 1 -------------------- "Alice Harrison, können sie mich hören?" Sie zuckte zusammen. "Ja, Doktor Millers." Er seufzte. "Sie wissen das wir so nicht weiterkommen, Alice." "... Ja, Doktor Millers." Er senkt seinen Blick von der zierlichen Patientin am Fenster auf seinen Notizblock und kritzelte 3 Worte. =Abwesendes/ unkooperatives Verhalten= "Ich weiß es ist anstrengend, aber bitte konzentrieren sie sich." Die gleiche ausdruckslose Antwort, seit den letzten Stunden. "Ja, Doktor Millers." "Wollen sie mir heute, oder allgemein in dieser Behandlung, auch noch etwas anderes sagen?" Kurze Stille. Anscheinend überlegt sie. "Diese Frage ist irrational." sagt sie schließlich. Er blickt zu ihr auf. "Warum?" "Weil jede meiner Antoworten sich selbst wiedersprechen würde." antwortet sie. Er kritzelt wieder in den Notizblock. =Intelligent; gehobene Sprache= "Ich weiß es ist komisch ist aufeinmal in psychatrischer Behandlung zu sein, allerdings wäre es für uns beide von Vorrteil, wenn sie kooperieren würden." Sie wendet sich vom Fenster ab und blickt ihn an. Ein paar Sekunden blickt sie ihn nur mit ihren grauen Augen an, als würde sie mit einem einzigen Blick alles von ihm wissen. Ihm wird ertwas flau im Magen. "Wie soll ich kooperieren, Doktor Millers?" Er schluckt."Sie könnten damit anfangen sich zu setzen und etwas über sich zu erzählen." Sie nickt und setzt sich in den beiden Ssssel, ihm gegenüber. Wieder überlegt sich kurz. "Irgendwas?" "Ja, irgendwas." ... "Ich hasse den Namen Alice." Er mustert sie kurz um jede Gesichtregung zu analysieren. Doch da war nichts. Sie sah so aus wie eine Mamorstatue. "Warum? Ich finde es ist ein sehr schöner Name." "Meine Mutter gab mir meinen Namen und sie sprach ihn immer anders aus. Es klingt wie eine Mischung aus Alice und Alisha. Denn Namen mag ich. Aber nur Alice? Gerade in der jetzigen Situation, pure Ironie." Erklärt sie gelangweilt. "Außerdem findet er das immer sehr amüsant." Ihr Blick wandert durch den Raum. =vermeidet längeren Augenkontakt= "Wer findet es amüsant?" sein Blick folgt ihrem. Da war nichts. "Na, wer wohl? Der verrückte Hutmacher, natürlich." "In der Geschichte ist der Hutmacher ein Freund von Alice." stellt er fest. Sie wiederlegt es, lächelnd. "Der Hutmacher ist eine Halluzination von Alice, genauso wie das ganze Wunderland." Er analysiert wieder ihre Gesichtsregungen. Ihr lächeln erstirbt. "Wollen sie damit sagen, sie haben Halluzinationen?" Er folgt wieder ihrem Blick. Sie verfolgt eine Halluznation? Die meisten versuchen sie zu ignorieren. "Er mag diesen Ausdruck nicht besonders. Er selbst bezeichnet sich lieber als die personifizierung meines Wahnsinns. Aber ich glaube Halluzination trifft es ganz gut." Er kritzelt wieder etwas. =Halluzinationen= "Erzählen sie mir etwas über ihn." Ihr Blick blebt stehen. Sie fixiert den Boden vor ihren Füßen. "Er heißt Ruvik" Sie blickt auf ihre Hände. "Ein ungewöhnlicher Name." =Halluzination: Er, Ruvik Wichtiger Anhaltspunkt" "Ist... Ruvik jetzt hier? In diesem Raum?" Sie blickt kurz auf und nickt. "Wo genau?" Kurzes Schweigen. "Er steht vor mir und sieht mich an." "Was macht er noch?" "Er dreht sich um und sieht sie an...er geht auf sie zu und ... er geht um ihren Stuhl herrum." sagt sie etwas irritiert. Kälte kroch seinen Nacken hoch und breitete sich wie tausend kleine Nadeln in seinem ganzen Körper aus. Sein Herz schlug wie wild gegen seine Brust. In seinen Händen brach kalter Schweis aus. Er spürt das etwas... jemand ihn umkreist wie ein Raubtier seine Beute. "Er sagt ihre Schrift ist sehr unleserlich." Fuhr sie fort. Sein ganzer Körper beginnt zu zittern. Adrylanlin schoss durch seine Adern. "Er ist stehen geblieben." Er spürte kalten Atem an seiner linken Schulter, bis zu einem Nacken. "Er sagt, sie sollen Halluzinationsgestalt streichen, er mag es nicht. Allerdings findet er es interessant als wichtiger Anhaltspunkt zu gelten." Kurz vergisst er zu atmen. Das hätte sie, von ihrer Possition aus, niemals sehen können. "Er sagt, er mag ihre Reaktion und würde gern mehr davon sehen. Allerdings ist die Therapiestunde schon vorbei." Die Präsents verschwand. Still steht sie auf und geht ohne ein weiteres Wort zur Tür. Als sich die Tür hinter ihr schließt, normalisiert sich seine Atmung wieder. Er lehnte sich zurück und legte seine Hände auf sein Gesicht. Das Zittern legt sich. Verdammt, was tut er hier? Als Psychologe, Angst vor einer Wahnvorstellung entwickeln... lächerlich. Er suchte seine Notizen ab. "Ruvik..." Aber irgendwas in ihm sagte das ˋErˋ wirklich real ist. Ebenso real wie das Flüstern über seiner Schulter. "Ich freue mich auf das nächste mal." Kapitel 2: Sitzung 2 -------------------- Sie ist wieder hier. Sie steht einfach nur da und sieht aus dem Fenster. Es regnet, also kann man nicht sehr viel sehen. Ich muss gestehen, es macht mir Angst. Nicht sie... Es. Er, Ruvik. Er ist hier. Ich weiß es. Ich... spüre es, denn es ist immer kälter wenn sie hier ist. Nicht einfach nur kalt, nein, die Art von kälte die von Angst ausgelösst wird. Diese stechende, ... unnatürliche Art und Weise wie sie über den Körper kriecht. Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare. Beruhige dich, verdammt noch mal. Es ist noch nicht mal deine Halluzination. "Ich glaube, sie haben den falschen Beruf." Sie sieht mich noch nicht mal an während sie das sagt. "Sie haben Angst, vor etwas das sie selbst noch nicht einmal sehen. Mit so einer Vorraussetzung kommen sie nie weit, in einem Berufsfeld in dem deformierten Gestalten, blutigen Träume und Zwangsstörungen die Geldquelle sind." Sie wendet sich vom veregneten Fenster ab und mustert die linke Wand, mit den kunstvoll eingefahmten Stillleben. Häßliche Dinger. "Vielleicht haben sie recht... vielleicht sollte ich etwas anderes studieren." "Könnten sie... sie sind noch jung. 26?" Sie dreht sich zur Frage kurz um. "Ja..." Er blickt auf. "Woher-?" Als er ihren Gesichtsausdruck sieht, hat sich seine Frage geklärt. Wie auch sonst. Ihre grau-blauen Augen verfolgen einen imagienären Schatten am Fenster. ich frage mich was an diesem verregneten Tag so besonders ist, wenn beide davor stehen. "Er hat sich ihren Lebenslauf durchgelesen. Ihr ganzer Name ist Ethan Millers. Schulabschluss mit einem Durchschnitt von 1,3. Jahrgangsbester beim Studium. Zwei Doktortitel. Wirklich bemerkenswert, besonders in ihrem Alter. Mit diesem Referenzen könnten sie es noch weit bringen." "Vielen Dank." seufzte er resigniert. Wie wäre es mit Medizin? Gehirnforscher? Chirug? Nein, er wollte ja vom Blut wegkommen. Sie nickt. "Werden sie etwas anderes machen?" Sie sieht mich einfach nur an. "Ich weiß nicht. Ich denke nicht, zumindest wüsste ich nicht was." "Das beruhigt mich." Sie betrachtet ein besonders häßliches Stillleben, ehe sie sich zu irgendeinem grotesken Tintenfleck umdreht. Sieht aus wie eine Explosion. Ein paar Leichenteile fliegen durch die Druckwelle davon. Zwei Beine, drei Arme, ein Torso glaube ich. Irritiert blickt er zu ihr. "Warum?" "Ich vertraue ihnen und ihre Referenzen. Sie sagen das sie ein intelligenter Mann sind. Sie nehmen mich und Ruvik ernst und beschäftigen sich mit uns. Außerdem...Ruvik mag sie. Nein entschuldigung, nicht sie. Ihre Angst und wie sie dese Angst zeigen. Er sagt, sie erinnert ihn an einen alten Bekannten. Die letzten 'hochrenormierten' Psychater mochte er nicht. Ich glaube weil sie ihn nicht ernst genommen haben. Sie sagten in Wahrheit kann es ihn nicht geben. Wie Dr. Frederik Albert. Er hat vor Angst immer ganze Seen geschwitzt. Widerlicher Kerl." "Warum sind sie nicht mehr bei ihm in Behandlung?" "Er hat Selbstmord begangen." Er schluckte. "Außerdem glaube ich, dass sie obwohl, oder gerade wegen ihrem Talent sich in andere Leute hinein zu versetzen, ihre Angst nachzuempfinden, ein großer Psychater werden... Oder sie werden genauso verrückt, wie all ihre Patienten, bis sie schließlich zerbrechen..." "...an der Angst, den deformierten Gestalten und den blutigen Träumen. Aber was sie sagten ist wahr. Es kann ihn nicht geben." Stille. Sie sieht ihn nicht an. Es ist als hätte sie Angst ihn anzusehen. "Sagen sie so etwas niemals wieder. Er wird sie umbringen, genau wie alle anderen." Ihre Stimme bricht. "Wenn er das wirklich tun kann, warum hat er es nicht schon getan?" er war neugierig. Sie sah ihm fest in die Augen. "Er mag sie zwar, das wird sie aber nicht beschützen. Besonders nicht wenn sie das tun." Und plötzlich schoss ihm ein Sprichwort durch den Kopf. Neugier ist der Katze tot. Er sah sie an und plötzlich wurde ihm wurde klar was für ein Ausmaß sein Komentar haben musste. Sie war leichenblass, sie schwitzte unnatürlich stark und kalter Schweiß standt auf ihrer Stirn. Alle Tot. Alle weil sie ihn nicht für wahr hielten. Alle. Außer ihm. "Es tut mir Leid, ich werde es nie wieder sagen. OK?" Sie reagierte nicht. "Alice?" Keine Reaktion. Sie war vollkommen abwesend. "Alice, kannst du mich hören?" Nichts. Ein Schock. Er stand auf und legte seine Hände auf ihre Schultern. "Alice?!" rief er diesmal lauter. "Kannst du mich hören?!" Ihre Beine knickten weg und er setzte sie so gut es ging auf den Boden. Er rief so laut es ging eine der Krannkenschwestern. "Alice, komm schon, sieh mich an!" Seine Hand nahm ihr Kinn und zwang sie so ihn anzusehen. "Sieh mich an. Halte durch ok? Ich werde es nie wieder sagen, ich verspreche es, aber halte durch. Hilfe ist gleich da." Ihre Augen schienen ihn wieder zu sehen. Ihr Gehirn verarbeitete ihn wieder. Sie reagierte auf ihn, er spürte es. "Ich sage es nie wieder." Sie glitt in die Ohnmacht. Eine Krankenschwester stürmte durch die Tür und riss sie ihm auf den Armen. Sie schrie irgenwas nach draußen. Kurz darauf kamen noch zwei blassblaue Krankenpfleger mit einer Liege und legten den zierlichen Mädchenkörper darauf. Auf einmal merkte er das viel mehr Pfleger in diesem Raum waren. Plötzlich wurde ihm bewusst wie zerbrechlich sie doch war. Sonst war sie immer so erhaben und mächtig wie eine Mamorstatue. Doch jetzt... jetzt war sie eine Porzellanpuppe. Sie brachten sie raus, während sie sich gegeneitig anbrüllten. Er erhob sich und setzte sich hinter seinen Schreibtisch und raufte sich die Haare. Alles sah wie durch einen Schleier aus. Milchig, verschwommen und doch wurde manches unglaublich scharf. Es kam noch mal eine Schwester vorbei und sagte irgenwas. Wenig später war sie wieder weg. Ich blieb sitzen. Wann hatte es aufgehört zu regnen? Die untergehende Sonne schickte ein paar ihrer letzten Stahlen durch das große Fenster, auf den Rücken eines Mannes der, seit geraumer Zeit, am Schreibrisch saß. Mit einem leisen klicken schaltet er das Aufnahmegerät aus. Er hat sich vorgenommen, ab jetzt jeder seiner Sitzungen aufzunehmen um sie dann mit seinem Notizen zusammen, in ein Protokoll zu schreiben. Das Schreiben beruhigte ihn, egal ob auf einem Papier oder einem Computer. Es war die einfache Art, seine Gedanken aufzuschreiben, sie zu ordnen und am Ende mit den anderen zusammenzufügen. So schaffte er Ordnung in seinem Kopf, einen Überblick ber alles was wichtig ist. Vielleicht brachten seine Gedanken ja später, einem Anderen etwas, auch wenn er das für unwahrscheinlich hielt. Seufzend lies er sich an seinen Schreibtisch fallen und begann abwechselnd sich das Gespräch anzuhören, aufzuschreiben und seine Gedanken zu ordenen. Das Gespräch aus dem Aufnahmegerät war zuende. Er legte den Stift weg, als er ein Rauschen hörte. Die Aufnahme war noch nicht gestoppt. Ängstlich sah er auf das Aufnahmegerät. Das Rauschen verschwand und gab ein leises Lachen frei. Plötzlich verschand auf das Lachen. Eine Stimme. Diese Stimme hatte sich in sein Gedächtniss eingebrannt, obwohl er sie nur ein einziges Mal gehört hat. "Ich sage dir, was ich zu allen gesagt habe, Ethan." Den Namen betonte er besonders, um seine Macht zu demonstrieren "Wahrheit und Wirklichkeit sind nicht immer das selbe. Stelle mich noch einmal in Frage und du wirst genauso enden wie allen anderen. Ich finde ein neues Expermient, wenn du dich als langweilig erweisen solltest. Keine Sorge." Kapitel 3: Er ist nicht real ---------------------------- "Er hat Selbstmord begangen." Sie hörte ihn schlucken. Ruvik löste sich vom Fenster und betrachtete ein paar Papiere auf dem Schreibtisch. Es spiegelt sich im Glas des Bilderrahmens vor mir. "Außerdem glaube ich, dass sie obwohl, oder gerade wegen ihrem Talent sich in andere hineinzuversetzen, ihre Angst nachzuempfinden, ein großer Psychater werden...Oder sie werden genau so verrückt, wie all ihre Patienten, bis sie schließlich zerbrechen..." "...an der Angst, den deformierten Gestalten und den blutigen Träumen. Aber was sie sagten ist wahr. Es kann ihn nicht geben." Seine Bewegungen frieren ein. Nach ein paar Sekunden hebt er den Kopf und fixiert den braunhaaigen Mann im Sessel mit seinen stechenden Augen. Danach blickt er zu mir. Seine Augen sind tödlich. So kalt. "Sagen sie das niemals wieder. Er wird sie umbringen, genau wie alle anderen." Ihre Augen wandern zu dem Totgeweihten. "Wenn er das tun kann, warum hat er es nicht schon getan?" Sie sah ihm nur in die Augen. In diese grünen, naiven Augen. Mein Gott, er war fast doppelt so alt wie sie und doch so... einfältig. So unwissend. Er hatte Ruviks ungeteilte Aufmerksamkeit und ich glaube er wusste es nicht mal. Er sah ihn an, mit diesem Blick. Er wollte Blut sehen. Dann sah er zu mir. Sofort wusste ich was mit ertwartete. Blutige Träume und deformierte Gestalten. "Er mag sie zwar, das wird sie aber nicht beschützen. besonders nicht wenn die das tun." Er sah sie nur an und sie fühlte sich wie Beute die von einem Raubtier eingekreist wurde. Er ging auf sie zu, langsam, denn er wusste das sie nicht fliehen konnte. Sie wusste es auch. Eine gedämpfte Stimme drang an ihr Ohr. In ihrem Kopf drehte sich alles. Alles verschwamm, wie der Garten vor dem Fenster. Nur er war gestochen scharf. Er stellte sich hinter Dr.Millers und hob seine Hände an dessen Kopf. Keine Sekunde später schoss Stacheldraht aus dem Sessel da wo seine Füße und Handgelenke lagen und fesselte ihn daran. An den Stellen an dennen der Stacheldraht ihn berührte riss die Haut und innerhalb von Sekunden war alles Blut verschmiert. Ruvik brachte Abstand zwischen sich und seinem Experiment. Nicht weil das Blut oder die Schreie ihn störten, sondern weil er alles an seinem Subjekt sehen wollte. Die Qual, die Folter, die Angst. Alles an ihm. "Was denkst du, wird er mich je wieder in Frage stellen?" Er lächelte, als würde er eine Blume betrachten. Fröhlich, aber desinteressiert. Als wäre es nichts schlimmes, als würde es ihn nichts angehen. Als wäre es... normal. Es schossen mehr Ranken aus dem Polster und schnitten ihm tiefer ins Fleisch. Sie durchbohrten seine Arme und Beide, fesselten ihn fester. Er schrie immer lauter, immer immer lauter und der Schrei hallte von den Wänden zurück. Sie klangen nicht mehr menschlich, viel zu Schrill, wie der Totbringende Schrei einer Banshee. Er versuchte sich zu wehren, sich hinauszuwinden, aber sie hielten ihn fest. Das Blut spritzte bis an die Wände, wo es immer mehr wurde und herunterlief, bis alle Wände von einem Blutfilm überzogen waren, bevor darunter Fleisch hervorlugte. Das Blut floss auf den Boden und füllte den Raum. Bald erreichte es auch meine Schuhe. Der Mann auf dem Sessel veränderte sich. Pulsierende Fleischballen traten aus dem Hals und verteilten sich über sein Gesicht. Die übrige Haut begann sich abzupellen, und legten das Muskelgewebe darunter frei. Der Stacheldraht schlägelte sich hoch und fixierten seinen Kopf. Ich schrie. Ich wusste nicht wann ich begonnen hatte, aber ich schrie. Meine Hände drückte ich auf meine Ohren um mich vor diesem schrillen Geräusch zu schützen. Ich versuchte mich klein zu machen, zu entkommmen aber es gab keine Flucht, nicht vor ihm. Er stand plötzlich vor mir und sah mir in die Augen, nein, er durchbohrte mich mit seinem Blick. Ich weiß nicht ob ihm das Vergnügen bereitete oder er mich testen wollte. Ich erstarrte und sah ihn nur an. In Sekundenbruchteilen nahm ich alles an ihm wahr, jede Pore, jede Narbe, jede noch so kleine Unebenheit in seiner Haut. "Vergiss niemals das es mich gibt, kleine Alice." Er legte seine leichenkalten Hände auf meine um sie langsam, fast fürsorglich herrunterzuführen. "Und es gibt niemanden der dich vor mir schützen könnte, denn es ist alles in deinem Kopf." Seine rechte Hand streichelte sanft meine Wange. "Deinem kleinen, wunderbar verrückten Kopf." Er grinste, denn er wusste er hatte recht. Er wusste das es keinen Weg gab um zu entkommen. Seine Hand lief durch meine Haare, ehe er fest an ihnen zog um meinen Kopf zum Mann im Sessel zu drehen. Er regte sich nicht, gab keinen Laut von sich. Der Stacheldraht hat seinen Kopf so festgehalten das es so aussah als würde er auf die gegenüerliegende Wand sehen. Doch, da regte sich etwas. Aus diesem Körper stieg ein schwarzer Schatten auf, der sich auf mich zu bewegt. Ich kann mich nicht bewegen. Eine vererrte Stimme sagt irgendwas. Der Schatten legte seine Hände auf meine Schulter. Wieder diese Stimme. Die Starre lösste sich und meine Beine knickten weg. Die Gestalt fing mich auf und sagte etwas. Etwas beruhigendes. Die Farben kamen zurück und es nahm die Gestalt von Dr. Millers an. Braune Haare, grüne Augen. Besorgte Augen. Durchdringende Augen. Messerstiche. Graue Augen waren hinter ihm. Er stand hinter ihm und blickte auf mich herrab. Er grinste nicht. Er war nicht wütend, und das machte mir Angst. Diese Ausdruckslosigkeit zeigte seine Langeweile. Er beobachtete mich als ich von einer Krankenschwester kurz gecheckt wurde, bevor ich auf eine Liege gelegt wurde. Er folgte uns nicht als sie mich mit Beatmungsgerät hinaus rollten. Er sagte nur etwas. ich konnte es weder genau sehen, noch konnte ich es hören, aber ich wusste was es war. Er sagte es immer. "Gewonnen." Kapitel 4: Ein, zwei pro Tag ---------------------------- Ein gleichmäßiges Piepen. Die ganze Zeit, immer nur piep, piep, piep, piep, piep, piep. Ich weiß nicht ob ich es beruhigend oder nervtötend finden soll. Zumindest sagt es das ihr Herz noch schlägt, das sie noch atmet, dass sie am Leben ist. Andererseits hätten sie auch ein weniger schrilles Geräusch nehmen können. Oder es leiser stellen. Immerhin wa sie schon in ein anderes Krankenhaus versetzt worden. Vorher lag sie im dem Gebäude in dem sie auch zusammengebrochen war. Eine Psychatrie mit angrenzenden Krankenhaus. Warum klingt das so... nach Wahnsinn? Es ist doch eigendlich ganz sinnvoll. Oder nicht? Ich blickte auf und sah das gleiche wie jedes mal. Sie lag einfach nur da, in diesem weißen Bett und was an diese Maschine angeschlossen. Diese Maschine die einem zeigt ob der Patient noch lebt. Die lebende Patientin, sagt das Piepen, aber wenn ich sie so ansehe, weiß ich nicht ob das wahr ist. Sie war bleich, ihre Haare entweder glanzlos oder fettig, und stinkte nach altem Schweiss, fast toten Menschen und irgendwelcher Chemie. So wie das ganze Krankenhaus. Nach dem Geruch ist das halbe Krankenhaus am verwesen. Die Blumen an ihrer Seite verwesten schon seit Tagen, aber manche welkten erst. Irgendjemand sollte sie wegschmeissen. Ich konnte es nicht. Sie erinnerten mich daran wie lange sie schon hier liegt. Wie lange ich schon hier bin. Jede Blume für einen Tag. Von jemand anderen außer mir bekommt sie keine Blumen. Niemand außer mir war hier. Dieses arme Mädchen hatte niemanden der sie besuchte. Wird sie immer dünner oder bilde ich mir das ein? War das ein Zucken? Sah sie mich an? Nein, aber ich spürte ihre Blicke. Die Krankenschwestern die von draußen immer wieder reinschielten. Möglichst auffällig unaufällig beobachteten sie mich, schon seit Tagen. Jeden Tag. Mein Gott, ich bin Psychater und darauf trainiert Menschen zu beobachten. Mir ihren Kopf auszumalen. Ihren Verstand, ihre Gedanken. Sie tuschelten immer wieder. Warum? Fragten sie sich wer ich bin? Was ich hier will? Vielleicht war es falsch, auf die Frage zu antworten das ich ihr Psychater war? Vielleicht hatte die Krankenschwester mich deshalb so seltsam angesehen? Das gleichmäßige Piepen hatte eine Störung. Von draußen. Ich hörte ein Husten dann ein Röcheln und danach einen langgezogenen Piepton. Die tuschelnden Krankenschwestern stürmten erschrocken zu allen Seiten davon. Wenig später wurde das Bett aus dem Nachbarzimmer herrausgerrollt. Die Decke über das Gesicht dieser Person gelegt, die sich nicht mehr bewegte. Ihr Piepen war erloschen. Ich blickte wieder zu Alice. Hoffen wir das ihr piepen nicht erlischt. Der Arzt hat gesagt, das wäre äußerst unwahrscheinlich. Aber vielleicht hat er das auch zu dem erloschenen Piepen gesagt? Warum bin ich hier? Es ist doch ungewöhnlich wenn ein Psychater seine Patienten in einem Krankenhaus besucht, oder? Es ist meine Schuld, alles. Das sie hier liegt. Das ich ihr nicht helfen kann. Das die Bumen verwesen. Es ist das mindeste, sie hier zu besuchen. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Ich brauche unbedingt frische Luft. Luft die nicht nach Tod und Medikamenten stinkt. Und Kaffee. Aufjedenfall Kaffee. Ich stand auf und ging zum Fenster. Dort draußen erwartete mich nur dunkel. Seit wann ist die Sonne untergegangen? Ich öffnete das fenster und die Nachtluft strömte ein. Diese Luft, die nicht nach Autoabgasen stank war mir suspekt. Ich gebe es zu, ich bin in der Stadt aufgewachsen, umgeben von Mülltonnen, Autos und Hochhäusern. Ich sollte mir noch einen völlig überteuerten Kaffee holen und dann nach Hause fahren. Schlafen. Wie sie. Nur ohne Piepen... --- Es war wieder hell. Ich war wieder hier. Immer nach dem Feierabend. Neue Blumen, neuer Kaffee, alte Erkenntniss, als ich zur Tür rein kam. Sie war nicht wach. Also setzte ich mich wieder an meinen alten Platz und holte meinen alltäglichen Papierkram raus. Protokolle, Notizen, Zeichnungen, Ordner, Akten. Hier war es sehr ruhig und ich musste das abarbeiten. Und ich musste nachsehen ob es ihr besser geht, denn es ist meine Schuld. Ich muss auch mehr schlafen. Eine Stimme drang an mein Ohr. Erst verzerrt, dann immer klarer. "Wach auf." Nicht aggresiv oder traurig, mehr wie ein einfacher Befehl von einer Maschine. Emotionslos. Immer und immer wieder, bis ein schriller Ton mein Ohr zerriss. Ich war schlagartig wach und richtete mich auf. Irritiert blickte ich mich um. Ein Krankenhaus. Neben mir piepte es, genauso schnell wie mein Herzschlag war. Plötzlich bemerkte ich eine Gestalt in meinem Zimmer. Es war Ethan. Er schlief auf irgendwelchen Papieren. "Zumindest schnarcht er nicht." Mein Blick schnellte zum Fenster. Dort lehnte Ruvik an der Wand und sah hinaus. "Ich hab ihn schlafen lassen, damit er uns nicht störrt." Ich sah kurz zur Tür und dann wieder zu ihm. Er folgte meinem Blick. Wie von Zauberhand schloss sich die Tür leise. "Welcher Tag ist heute?" fragte ich. "Ich denke Mittwoch." antwortete er mir kurz gebunden. "Das hilft mir nicht wirklich weiter." kritisierte ich. Er lächelte nur. "Willst du mir wenigstens sagen wie lange ich geschlafen habe?" versuchte ich es wieder. Er zeigte nur auf die Blumen. "Jeden Tage eine?" fragte ich. Er nickt. "Seine Fürsorge ist rührend, wenn auch sinnlos." "Es störrt dich." stellte ich fest. "Es ist, wie gesagt, völlig sinnlos. Und es ist langweilig." antwortet er nur. "Du hättest dich anders vergnügen können." "Habe ich. Sie waren schwach." Ich versuche ihn zu lesen. Es misslingt. "Wieviele?" fragte ich, gefasst auf jede Antwort. "Jeden Tag einen, vieleicht zwei." Mitgefühl ergriff mich. " Alle waren so... zerbrechlich. So armselig." "Hat es dir wenigstens mit deinen Experimenten weitergeholfen?" "Nicht wirklich. Sie waren zu schnell... defekt." Ich sagte nichts. Diese Aussage war so schlicht und grausam zugleich. "Hör auf damit. Mitleid hilft ihnen auch nicht mehr." "Du bist grausam." "Alle intelligenten Menschen sind entweder grausam oder depressiv, aber immer wannsinnig. Das hast du selbst gesagt." "Und du hast darauf gesagt das Wahnsinn Ansichtssache ist." Er lächelt wieder nur. Ich frage mich was daran so amüsant sein soll. Ein Stöhnen unterbricht uns. Ethan ist aufgewacht. Er blickt sich desorientiert um. "Sie sind wach." war alles was mir dazu einfiel. Er blickt mich etwas verschlafen an. "Du warst fast zwei Wochen lang im Koma. Ist das nicht eigendlich mein Satz?" Stille legte sich über den Raum. Nur das Piepen ist allgegenwertig. "Ja, das stimmt wohl." Er mustert mich eine Weile. "Was ist?" fragte ich ihn. "Er ist hier, oder?" er brauchte keine Antwort von mir. Er wusste es. "Es tut mir Leid. Ich werde es nie wieder sagen." Die Narben in Ruviks Gesicht verziehen sich zu einem selbstgefälligen Grinsen, ehe er verschwand. "Es ist in Ordnung, ich bin sowieso öfters in Krankenhäusern. Gehen sie nach Hause und schlafen sie eine Weile. Am Ende müssen sie auf ihre Entlassung warten." "Habt ihr diesen Mann im Raum 3.04 gesehen?" "Ja, der sah echt gruselig aus. Ich frag mich ob der nur besucht oder auch hier behandelt wird." "Ich glaube der ist wirklcih nur Besucher. Zumindest hat der keine Akte hier, ich hab nachgesehen." "Komischerweise hab ich ihn noch nie auserhalb dieses Zimmers gesehen." "Doch ich schon! Im Zimmer von dem alten Mann auf der 3. Etage. Der ist kurz danach gestorben." "Stimmt, der Junge im Zimmer 08 hat auch was von diesem Mann erzählt. Aber niemand sonst hat ihn gesehen." "Und was ist mit dem Anderen? Diesem Psychater?" "Den hab ich schon oft gesehen. Aber es ist als ob er ihn nie sehen würde." "Bei meiner letzten Nachtschicht hab ich ihn sehen. Im Zimmer 12 bei dieser Frau." "Du meinst die mit Lungenkrebs." "Ja, genau. Er stand vor ihrem Bett und hat irgendwas aufegschrieben. Danach ging ihr Blutdruck hoch und sie hat wie wid um sich geschlagen. Ich bin reingestürmt und er war weg." "Das hast du bestimmt geträumt." "Nein, es war so. Ehrlich." "Vielleicht solltest du diesen Psychater mal nach seiner Karte fragen." "Tolle Gruselgeschichten, wirklich, aber solltest du nicht Butabnehmen gehen?" "Ich geh ja schon." Kapitel 5: Sitzung 3 -------------------- "Und, wie geht es dir?" Der erste Satz seit sie herrein gekommen war. Seit ich das Aufnahmegerät angeschaltet habe. Seit es in diesem Raum so unerträglich kalt ist. Ich weiß das es absolut sinnlos ist das zu fragen, aber mir fiel nichts anderes ein. Was will man auch groß sagen? "Mir gehts gut, Doktor Millers. Danke der Nachfrage." Sie sitzt im Sessel vor mir und sieht aus dem Fenster. Grauer Himmel, viel Wind, aber kein Regen. Wieder diese Stille. Ich versuche sie zu brechen. "Was ist an diesem Fenster eigendlich immer so interessant?" War das Erste was mir einfiel. Ihr Blick fragt mich irritiert wie ich darauf gekommen bin. "Immer wenn du hier bist siehst du aus dem Fenster." Sie scheint kurz zu überlegen. "Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es die Aussicht." Ich mustere sie kurz , bevor ich aus dem Fenster sehe. Ich sehe kurzen Rasen und hohe Hecken. Zwischen ihnen schlängeln sich kleine, graue Wege. Eigendlich waren sie mal Beige. Das Ganze wird abgegrenzt von einem 2 Meter hohen Zaun mit Spitzen an den Enden und ein Meter weiter eine 1 Meter dicke und 2,5 Meter hohe Mauer mit Stacheldraht. "Es ist eine der wenigen Gelegenheiten hinter die Zäune zu sehen." Dahinter standen nur tiefgrüne Tannen die langsam im Wind schwankten. Ich sehe ein paar Gestalten in weiß, grau, blauer Kleidung zwischen den Hecken herrumgehen. Manche sitzen und reden. Manchmal mit anderen, manchmal mit sich selbst. "Man kann die Leute beobachten ohne das sie gleich anfangen zu schreien." fährt sie fort. Ich weiß was sie damit sagen will. Dieses Gebäude ist eine wunderbare Aufbewarungsstätte für Geisteskranke. Und sie ist eine davon. Sie blickt mich an und sagt ohne die Lippen zu bewegen. Du auch. Es ist eine geschlossene Psychatrie. Wer einmal hier ist, kann nicht einfach wieder raus. Egal ob man Arzt oder Patient ist. Egal ob man Verrückt ist wenn man hier her kommt oder nicht, man wird es. Immer. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, weswegen es hier auch einen sehr ausgebauten medizinischen Trakt gibt. Einfach, simpel und unglaublich deprimierend. "Wie geht es ihm?" Stille. Sie scheint als ob sie jemanden zuhört. "Kurz zusammengefasst: Normal." Ich sage nichts. Ich tue nur so als ob ich was notiere. "Weißt du eigendlich, warum du hier bist?" frage ich sie nach einer Weile. Sie blickt mich an als ob sie nicht weiß was sie darauf antworten soll. "Nun, ich schätze. weil ich verrückt bin und Wahnvorstellungen habe?" "Ich gebe zu, das ist derausschlaggebende Punkt. Vereinfacht, natürlich. Meine Frage war aber, wie kam es das du hier gelandet bist? Meistens landen hier nur Leute die-" Ich breche ab. Wie soll man das sachlich vormulieren. "Die Fehler gemacht haben. Die Personen die zu auffällig waren. Wären sie geschickter vorgegangen, wären die Meisten nicht hier." beendet sie meinen Satz. "Dich eingeschlossen?" "Ich denke schon. Wäre ich von Anfang an unauffälliger gewesen, wäre ich nicht hier. Oder zumindest noch nicht." Ich bin irritiert. "Wie hättest du dich den unauffälliger benehmen können?" "Hätte ich ihn eher akzepiert, hätte ich meinen Freunden und Eltern vielleicht nichts gesagt. Hätten sie mich nicht in Behandlung gegeben. Wäre ich nicht als Wahnsinnig abgestempelt worden. Wären die Psychater nicht paranoid geworden. Wäre ich jetzt nicht hoch gefährlich für mich und meine Umgebung. Wäre ich jetzt nicht in einer Hochsicherheits-Psychatrie, mit Menschen die definitiv Beruhgungspillen und 'ne elektrische Fußfessel brauchen." "Du hast aber eine hohe Meinung deiner Mitmenschen. Elektrische Fußfesseln sind übrigens verboten." "Wäre aber besser für die allgemeine Sicherheit, finden sie nicht? Die Erfinder der Zwangsjacke haben sich zu ihrer Zeit schon was dabei gedacht." "Vielleicht sollest du mit einigen von ihnen Kontakt knüpfen?" Sie sieht mit amüsiert an. "Sie empfehlen gegen meinen Wahnsinn, Kontakt mit Wahnsinnigen?" "Ich empfehle dir Feunde zu finden. Wie du schon sagtest, hätten sich einige von ihnen geschickter angestellt, hätten sie ein normales Leben." "Vielleicht haben sie recht, Doktor." Kapitel 6: Sitzung 4 -------------------- Sie setzte sich gerade auf den Sessel ihm gegenüber, als er das Aufnahmegerät anschaltete. Nun hatte diese Sitzung offiziell begonnen. Beruhigenderweise war es im Raum genauso warm wie vorher, woraus er schließen konnte das Ruvik sie nicht begleitet. "Und wie lief deine Suche nach potenzienllen menschlichen Kontakten?" Er musste lächeln. "Erfolgreich aber erschreckend schmerzhaft, schön das sie daran Freude haben." sagte sie beleidigt und lief mit ihren Fingern die blauen Streifen an ihrem Hals nach. "Du hattest aber auch Pech, gerade an Stephen Bail zu geraten. Was hast du überhaupt gemacht?" Er kannte Stephen Bail und war froh das er nicht sein behandelnder Psychater ist. Rein von Gefühl her war er 3 Meter hoch und hatte eine Schulterspannweite von 2 Metern. Er kam aus Norwegen und war dort Holzfäller, bevor er mit seiner Axt auf Menschen einschlug. Blondes Haar, blaue Augen und nicht überdurchschnittlich Intelligent. Bis auf seine Wutanfälle war er eigendlich ganz... handlich. Leider hatte er diese sehr oft. Irgendwie sehr klischeehaft. Sie holt tief Luft. Sie hat wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit. "Nun ja, ich bin dank ihrem Rat zum Essen für ein paar Tage und die Mensa gegangen, das Essen dort schmeckt übrigens erstaunlich gut, habe mich beim Essen unfreiwillig an einen Tisch mit zwei anderen Person setzen müssen, da an diesem Tag die Neuen kamen und die ganzen Plätze weggenommen haben. Leider war es nur ein 4er Tisch und ich hatte die vollkommene Aufmerksamkeit der Beiden, also habe ich ihnen gesagt das ich das auch nicht so toll finde, aber keine anderen Plätze frei sind. Nach einem kurzen Blickduell waren die beiden wieder voll mit sich beschäftigt und ich habe in Ruhe gegessen. Plötzlich hat der Typ einen Tisch weiter seine Aggressionen ausleben und seinen Tisch umwerfen müssen. Dann hat er auf seinen Sitznachbar eingeschlagen. Als ich aufstehen wollte, packte der Typ mich am Kragen, riss mich an die nächste Wand und fing an mich zu würgen. Schließlich kam irgendwann die Security und riss ihn zu Boden." Sie beendete ihre Erzählung und er hatte den Eindruck das sie nicht wütend war. "Ich habe gehört er kam kurz danach nochmal zu dir." "Ja, irgendwann stand er dann vor meiner Tür und hat sich entschuldigt. Er hatte sogar Blumen mitgebracht. Richtig niedlich." Ihr Gespräch legte eine kleine Pause ein. "Und was hat Ruvik dazu gesagt?" "Er fand ihn eher uninteressant, mit der Begründung das er zu leicht manipulierbar wäre. Er sagte das ich mit diesem Holzkopf machen könnte was ich wollte." "Interessant." "Wirklich? Was denn?" "Eigendlich nichts, allerdings wüsste ich nicht was ich sonst darauf antworten sollte. Machen Stephen und du manchmal was zusammen?" "Eigendlich nicht. Wir sitzen manchmal beim Essen zusammen, weil nach dem Vorfall irgendwie niemand mehr bei ihm sitzt, aber das wird sich bestimmt bald legen." "Was wird sich 'bald legen'?" er sah sie neugierig an. "Die allgemeine Angst vor ihm. Irgendwann setzt sich wieder Jemand zu ihm." "Wie wäre es wenn du dieser 'Jemand' wärest?" "Ich war dieser 'Jemand' zwei Tage danach, als mal wieder alles besetzt war. Außer der Tisch an dem er saß. Seitdem sitzen wir komischerweise immer zusammen." Er macht sich Notizen, eigendlich eher undefinierbare Buchstaben, aus seinen Block. "Redet ihr miteinander?" "Nein, nicht wirklich. Wenn ich ihn ansehe, sieht er sofort weg. Immer wenn ich ein Gespräch anfangen will, bekommt er kein Wort raus. Wenn doch stottert er bis zur Unkenntlichkeit." "Ich glaube er mag dich. Er sucht deine Nähe, er stottert, er sieht beobachtet dich immer. Das sind für mich eindeutige Anzeichen." "Ich weiß. Aber wie soll ich denn bitte reagieren? Was sollte ich denn sagen? 'Sorry, ich weiß das du voll in mich verknallt bist, aber ich hab kein Interesse weil du mich fast erwürgt hättest, und meine Wahnvorstellung dich währscheinlich so lange foltern würde bis du den Freitot wählst'?" "Das wäre doch mal eine klare Aussage." Sie blickt ihn stafend an. "Das ist nicht witzig. Sie haben ja keinen 3 Meter hohen Stalker, der sie bei ihrem ersten Treffen fast umgebracht hätte." Sie sitzt angespannt im Sessel bevor sie sich seuftzend wieder darin sinken lässt. "Können wir bitte das Thema wechseln? Ich hab keine Lust mehr über ihn zu reden." "Natürlich, gibt es etwas bestimmtes über das du mit mir reden willst?" Sie leht ihren Kopf zurück und legt ihre Hände auf ihr Gesicht. "Könnten sie irgendwie erwirken das ich in meinem Zimmer einen Spiegel bekomme?" Er sieht sie irritiert an. "Warum brauchst du einen Spiegel?" "Ich kann in letzter Zeit nicht mehr wirklich gut schlafen." War ihre Erklärung dazu, allerdings konnte er keinen Zusammenhang dazwischen herstellen. "Ich verstehe den Zusammenhang zwischen gutem Schlaf einem Spiegel nicht. Aber wenn sie wollen kann ich ihnen ein Schlafmittel-" "Nein, nein, keine Schlafmittel! Keine Medikamente und keine Beruhigungsmittel! Und unterstehen sie sich notizen zu machen!" unterbrach sie ihn lautstark. Er blickte sie nur kurz an und hob dann beschwichtigend die Hände. "Gut, keine Medikamente, aber erklären sie mir warum sie den Spiegel brauchen." "Wie soll ich das Erklären damit sie es verstehen...es ist so simpel wie es schwierig ist. Es ist wie... wie atmen. So einfach das niemand erklären muss wie man es macht. Es ist einfach so." "Ganz ruhig, lassen sie sich Zeit. Denken sie in Ruhe darüber nach." Ein paar Minuten Stille, bis sie aufseuftzst. Sie nimmt wieder eine gerade Haltung ein. "Jede spiegelnde Fläche ist eine Art Verstärkung der Bindung zwischen mir und Ruvik. Es reflektiert ihn. Meine Gott, ich kling vollkommen verrückt." Sie sinkt wieder in sich zusammen. "Reden sie weiter." fordert er sie auf. "Ok, ich erkläre es so: Wenn mehrere spiegelnde Flächen in einem Raum sind Hat er mehr Macht, mehr Kontrolle über seine Umwelt. Wenn es wenige sind, hat er weniger Kontrolle. Das hängt von der Anzahl, Größe und der Reflektionsqualität ab. Ruvik ist eine Art Herrscher über meinen Wahnsinn, wie Flashbacks, Albträume, etc. Er kontrolliert ihn, ohne Ruvik wird er unkontrolliert Auftretten und mich wahrscheinlich brechen. Ruvik zeigt mir, was er will, wann er will und lässt mich wenigstens in einen traumlosen Schlaf." Er sieht sie nur an. In seinem Kopf geht er ihre Sätze noch einmal durch. "Also ist Ruvik eine Art... Schutzwall." "Ja, ohne ihn wäre ich mich wahrscheinlich schon in Zwangsjacke, lachend aus irgendeinem Fenster geflogen." Wieder breitet sich im Zimmer Stille aus. Sie scherzte nicht, sie meinte es vollkommen ernst. "Soll es irgendein bestimmter sein?" "Nein, eigendlich ist es egal." Er berlegte kurz. "Ich werde sehen was ich tun kann." Kapitel 7: Subjekt Nr. 15 ------------------------- Wieder stehe ich vor dieser Tür, in diesem Zimmer. Wieder bin ich hier, obwohl ich nicht weiß wie ich hier her gekommen bin. Warum ich trotzdem hier bin? ...Ehrlich esagt weis ich es nicht. Die Tür ist aus dunklem Holz, sehr dickem Holz. Alle Türen sehen hier so aus. Es ist ein sehr altes Anwesen. Es gibt kaum richtige Lampen und wenn sind die groß und sperrig. Sonst gibt es nur Kerzen auf goldenen, alten Kerzenständern. Allgemein ist es hier sehr dunkel. Nicht die Art von Dunkelheit die einem einen Schauer über den Rücken laufen lässt, sondern die angenehme, gemütliche Dunkelheit, die einem Geborgenheit bringt. Ich öffne die schwere Tür und trette auf den Flur hinaus. Der lange Teppich, der überall auf den Fluren ausgelegt ist, fühlt sich hart unter meinen Füßen an, aber immer noch weicher als der polierte Ebenholzboden, auf dem er liegt. Links und rechts sind wieder Kerzen angebracht, die alles in ein warmes Licht hüllen. Ich entscheide nach links zu gehen. Immer wieder komme ich an großen, impossanten Türen, Spiegeln und Gemälden vorbei. Mir ist egal wohin ich gehe, den ich kenne dieses Haus in und auswendig. Der Flur endet und biegt nach links ab. Ich folge ihm. Der Flur führt in einen größeren Raum mit einer Treppe, die erstaunlicherweise wie alle Treppen in diesem Haus, trotz ihres Alters, niemals knarzt. Ich wende mich wieder dem weiterführendem Flur zu, als ich eine Kinderstimme höre. Die Stimme eines Jungen. "Laura? Wo bist du? Komm raus, ich weiß das du hier irgendwo bist!" Ich sehe ihn hinter mir. Die Gestalt eines 10 Jährigen Jungen aus weißem, strahlendem Nebel. Komischerweise, trägt er ein ordentliches Hemd mit gerader Hose. Untypisch, für einen normalen Jungen. Er läuft auf mich zu, sieht mich aber nicht. Er dreht nach rechts ab und öffnet eine der Türen. "Laura?" Ich gehe ihm nach, als er in dem Raum verschwindet. Dort sehe ich ihn das Zimmer ganz genau untersuchen. Er öffnet gerade den Schank und muss kurz darauf husten, bevor er ihn wieder schließt und sich dem Schreibtisch zuwendet. Als er dort auch nichts findet, höre ich ein leises kichern. Sofort dreht er sich wieder zur Tür und geht geradewegs auf mich zu. Er geht durch mich hindurch, wieder auf den Flur. Nochmal muss er niesen. Wieder ertönt das kichern. "Das ist nicht witzig, Laura!" Er geht wieder auf die Treppe zu, an der er kurz stehen bleibt und sich suchend umsieht. Als er hinunter geht, folge ich ihm und bleibe ungefähr auf der Hälfte stehen. In der Mitte des Raumes bleibt er stehen und blickt um sich, bevor er auf einen weiteren Schrank zugeht. Ich sehe wie eine weitere Gestalt hinter dem Sofa aufblickt und den Jungen beobachtet, der weiter auf der anderen Seite des Raumes sucht. "Ich weis das du hier bist. Ich kann dich kichern hören." Wieder kichert sie und duckt sich schell hinter das Sofa, bevor der Junge sich umdreht und sie sehen kann. Der läuft jetzt genau auf sie zu und bleibt vor dem linken Sessel stehen um hinter ihn zu sehen. Sie schleicht hinter den anderen Sessel, da er danach hinter das Sofa sieht. Sie läuft schnell hinter ihm lang um hinter den linken Sessel zu kommen. Nun sieht er hinter den anderen Sessel, ehe er sich nocheinmal suchend umblickt. Wieder geht er in die Mitte des Raumes und dreht sich langsam um sich selbst. Sie schaut vorsichtig über die Sessellehne, während er unter die Treppenstuffen guckte. Leise schlich sie hinter ihn. Er richete sich wieder zu seiner vollen Größe auf, sah in den Raum und schien zu überlegen. Laura schlich noch eine ganze Weile hinter ihm her während er sich suchend im Zimmer umblickte. "Komm raus, Laura! Ich habe sowieso schon gewonnen." Sie musste lachen woraufhin er sich schnell umdrehte und ebenfalls lachen musste. Ich lächelte auf der Treppe vor mich hin als ich hinter mir Schritte hörte. Oben am Treppengeländer lehnte Ruvik mit verschrenketen Armen und beobachtete die beiden beim Lachen. "Sie hat dich ganz schön an der Nase herumgeführt." sagte ich während sich die beiden Gestalten unten auflösten. "Ich habe trotzdem Gewonnen, sie hat sich selbst eine Falle gestellt." Er sah immernoch auf die Stelle an der such die beiden aufgelöst haben. "Wie das?" fragte ich und begann die Stufen hoch zu gehen. "Sie konnte sich nicht ewig verstecken und es gibt nur drei Ausgänge aus diesem Raum. Das Fenster, die Tür und die Treppe." Er zeigte dabei auf alles. "Das Fenster konnte sie mit ihrem Kleid nicht benutzen, die Tür quischt unerträglich und die Treppe ist zu lang. Ich hätte sie auf jeden Fall bemerkt." Kurz bevor ich ihn erreiche, löst er sich vom Treppengeländer und geht in Richtung weiterführender Flur. Er teleporiert sich zum Ende des Ganges und läuft dann nach rechts. Irritiert blicke ich ihm nach. Will er das ich ihm folge? Meine Gedanken werden unterbrochen und ich schrecke zusammen. Ich höre Musik. Ein Klavier. Er spielt auf dem Klavier, im Musikzimmer. Das Stück das er immer spielt. "Claire de Lune"... Kurz lasse ich mich von der Musik treiben, ehe ich mich auf den Weg ins Musikzimmer mache. Den Weg durch das Studienzimmer. Ich liebe das Studienzimmer, alles voller Bücher. Bücherregale, rund um den großen Schreibtisch in der Mitte angeordnet und hinter dem Schreibtisch eine leiter die auf die Zweite Ebene, voll mit Büchern führt. Ich bin kurz am Überlegen, ob ich nicht hier bleiben und Bücher zur Musik lesen sollte, entscheide mich aber dagegen. Ruvik hat äuserst gute Laune, wie das aufgeräumte Heim zeigte. Wenn ich hier bin schleichen überall Ghuls herrum, die alles lebende liebendgern zerfetzten. Man kann durch keines der Fenster sehen, hinter sogut wie jeder Ecke ist Blut und alles ist voller Spinnenweben und Staub. Gut, also weiter. Als ich den Eingangsaal betrete, wird die Musik immer lauter. Sie durchfließt meinen Körper und eine wohlige Wärme steigt auf. Der Empfangssaal ist hell beleuchtet und im Mamorboden kann ich mich selbst und jede einzelne Kerze erkennen. Er hat wirklich wunderbare Laune. Die Frage, von der ich nicht weiß, ob ich sie wirklich beantwortet haben wollte ist: Warum? Warum zum Teufel, hat er so gute Laune? Lebt jemand? Ist jemand gestorben? Ist irgendwas amüsantes passiert? Ein erfolgreiches Experiment? Eine richtige Hypothese? ... Der neue Spiegel? Oder er hat wieder jemanden in den Wahnsinn getrieben? Jemanden den Kopf seziert? Die Musik wird energischer und ich beschließe, dass ich vielleicht noch vor Ende des Stückes im Musikzimmer sein sollte. Also öffne ich die Tür und gehe durch den eher kurzen Flur bis ich seinen Rücke sehe. Komischerweise, trägt er nicht wie sonst seinen Kapuzemantel, sondern ein gebügeltes, blütenweißes Hemd und eine schlichte, dunkelblaue Hose. Ohne zurückzublicken, bemerkt er das ich hinter ihm bin und rückt während des spielens ein Stück nach rechts. Er erwartet anscheinend das ich mich neben ihn setze, was ich kurz darauf tue. Seine Finger schweben schnell über die Tasten und spielen dieses Stück perfekt. Keine Noten, kein Taktanzeiger, er hat sogar die Augen geschlossen. Es ist wirklich faszinierend ihn beim Spielen zuzusehen, den dann ist er voll in seinem Element. Nicht nur seine Finger spielten, sondern sein ganzer Körper. Er lächelt sogar. Ein zufriedens Lächeln. Klein, fast nicht zu sehen, aber da. Nachdem ich mich neben ihn auf den Hocker gesetzt habe, öffnete er kurz die Augen. Seine grauen Augen sahen mich voller Wärme an und in eben diesen Augen blitzte etwas auf. Ein Funken. Ich wusste nicht was es wahr, aber es war atemberaubend. Ich denke ein Hauch der Genialität die er als kleiner Junge hatte. Die Neugier, der Wissensdurst und die tiefe Zufriedenheit mit sich selbst. Die Unschuld eines kleinen Jungen, der seine Schwester über alles liebte. Nicht die kalte, berechnende Genialität, die er sich nach dem Brand zugelegt hatte. Er schloss sie Augen wieder und wandte sich den Tasten zu. Als das Stück endete führ er ohne Pause mit dem Nächsten fort. "Für Elise" In der Mitte des Zimmers erscheint wieder die Gestalt von Laura, aus weißem Nebel. Sie tanzt. Ihre Haare fliegen durch die Luft, ihr Kleid wirbelt um sie herrum. Sie tanzt mit einer weiteren Gestalt, deren Gesicht aber nicht zu erkennen ist. Ein Mann, einen Kopf größer als sie, in Anzug und Krawatte. " Wer ist er?" frage ich, gebannt von dem Schauspiel das sich vor mir bietet. "Subjekt Nr.15. Er hieß Adam Lores. Die Schwester meines Vaters hat in die Familie Loras eingeheiratet, deshalb kammen sie oft zu Besuch. Er war verzaubert von Laura, sie mochte ihn aber nicht besonders. Aber sie musste, der Höflichkeit halber, immer mit ihm tanzen, während ich spielte." Die beiden Gestalten lösten sich und verschwanden. Die Musik stoppte und ich sah wieder zu ihm. Er hatte seine Hände vom Klavier genommen und starrte wieder mit diesen kalten Augen auf die gegenüberliegende Wand. Sein Rücken war angespannt. Das Lächeln war verschwunden. Als ich wieder auf die Stelle blickte, auf der kurz sich kurz zuvor die zwei tanzenden Gestalten aufgelöst hatten, sah ich wieder zwei Gestalten. Einen Teenager. Das kann ich aber auch nur sagen weil sein Erwachsenes Ich neben mir sitzt. Er war schon damals sehr groß gewachsen und die Bandagen die über seinen ganzen Körper gewickelt waren machten eine genaue Altersschätzung sogut wie unmöglich. Über den Bandagen trug er ein gebügeltes Hemd und eine einfache Hose. Er ging um eine andere Gestalt herrum, die an einen Stuhl gefesselt war. Dann hörte man ein leises klicken. Die Art klicken, die ein Tonband von sich gab, wenn es abgespielt wurde. Und tatsächlich, nach einem kurzen Rauschen begann eine Männliche Stimme nüchtern zu reden. "Subjekt Nr.15. Männlich, 19 Jahre alt. Gesundheitszustand und Gehirnfunktionen: Durchschnittlich." Man hörte den jungen Mann im Hintergrund auf dem Stuhl wimmern. "Ich teste zum zweiten mal die Auswirkung der elektrischen Erregung von Bereich F-7, der Neocortex-Region. Erwarte kein anderes Ergebniss als beim ersten Mal." Ruviks Gestalt ging hinter dem jungen Mann in Stellung und überprüfte nochmal die Medizinischen Instrumente, die neben ihm, ordentlich ausgebreitet auf einem kleinen Tisch lagen. Man konnte nur ein paar kleine Wortfetzen von dem verstehen was der Mann unter ihm flehte. Hauptsächlich war es ein "Bitte..." Als die Gestalt hinter ihm eine art Nagel an dessen Kopf hob, verschwand das Bild. Das Rauschen hörte nicht auf, es wurde nur von Schreien übertönt. Nach ein paar Sekunden hörten die Schreie abrupt auf. "Ergebniss wie erwartet. Experiment erfolgreich. Subjekt tot." Dann sagte das leise, zweite klicken, dass das Tonband zuende war. Ein paar Sekunden blickte ich gedankenverloren auf den Teppich. Wieder war alles alt und staubig, halb verrottet oder blutverschmiert. Aber vor allem war es wieder dunkel. Die Kerzen waren erloschen. Ich hörte das Keuchen und kratzen der Ghule vor der Tür. Ich sah wieder zu dem Mann neben mir. Er war inzwischen aufgestanden, und ließ das verstaubte Klavier hinter sich. "Du solltest aufwachen, Alice." war alles was er noch sagte bevor er seine Hand hob, mir seine Fingerspitzen auf die Stirn legte. Sie waren eiskalt. Dann wurde alles schwarz. Kapitel 8: Weiß-Rotes Plastik ----------------------------- Ich wachte auf… glaube ich. Von draußen höre ich Absatzschuhe klicken. Ich wusste nicht ob ich die Augen offen hatte oder nicht, denn es machte keinen Unterschied. Unter mir fühlte ich die Matraze, über mir die dünne Decke. Es war ein warmer Herbst, da konnte man unter einer dünnen Decke schlafen. Ich setzte mich auf und schwang meine Beine aus dem Bett. Ich spürte den kalten Steinfußboden unter meinen Füßen. Meine Hände tasteten über meine Haare und versuchten den verrutschten Zopf zu lösen. Ich gehöre zu den Menschen, die mit offen Haaren nicht schlafen können. Ah, meine Haare waren immernoch noch feucht, vom Duschen. Ich stand auf und ging blind durch das kleine, leere Zimmer zum Fenster um die Vorhänge zurückzuziehen und das Fenster zu öffnen. Licht und Luft strömten gleichermaßen herrein. Die Luft war kalt und feucht und roch nach alten Blättern, im Licht, das vom Sichelmond reflektiert wurde, sah man gerade mal die Umrisse des Gittern vor meinem Fenster, der Hecken vom Garten, des altehrwürdigen Gebäudes, das uns beherbergte und der Mauern die uns von der Außenwelt trennten. Die Hohen Tannen dahinter wiegten sanft im Wind. Ich wandte mich von meinem Fenster ab, zu meinem Kleiderschrank an dem seit neuster Zeit ein Spiegel hängt. Es war kein besonders schöner Spiegel, eigendlich hatte er noch nicht einmal einen Rahmen, aber er war groß und tat seine Aufgabe anscheinend gut. Neben dem Schrank stand ein Wäschekorb auf dem Boden, der jeden Donnerstag von ein paar meiner Mitbewohner abgeholt und in den Waschraum gebracht wurde und irgendwann im Laufe des Tages frisch gewaschen wieder hier auftauchte. Eigendlich recht gut organisiert hier. Den Schrank geöffnet, sah ich nicht wirklich was ich mir herrausfischte. In der Hand hatte ich die einfache Patientenkleidung. Ein weißes T-shirt mit V-Ausschnitt und eine einfache Hose. Ich mochte es, denn es war bequem und da viele das Selbe trugen kam man sich nicht vollkommen bescheuert vor. Warum sogut wie alle das trugen? Keine der Patienten konnten sagen das sie regelmäßig besucht wurden (von denen die besucht werden durften) und noch weniger Besucher gaben auch noch Geld für Kleidung aus, wenn auch welche vom Staat zur Verfügung gestellt wird. Und andere Wege um an Kleidung zu kommen gab es nicht. Irgendwie traurig, nicht wahr? Den Schrank wieder geschlossen und das Bett gemacht, trat ich an die Eisentür und drückte auf den Schalter der neben dem Lichtschalter angebracht war. Es surrte kurz dann kamen Schritte den Flur hinnauf, die vor meiner Tür stehen blieben. Es brummte kurz, dann klickte es laut und die Tür wurde elektronisch aufgezogen. Auf der anderen Seite stand eine Krankenschwester, die mich feundlich anlächelte. Seltsamerweise ein fremdes Gesicht. „Kann ich ihnen helfen, Mrs. Harrison?“ fragte sie. Ich musterte sie weiter. Etwas dicklich, vertrauensvolle Augen, langsam ergrauendes Haar. Auf ihrem Namensschild stand M. Leuchtmann. „Ich würde gerne einen Spaziergang machen.“ War alles was ich ihr sagte. Damit war sie sichtlich überfordert, denn sie stamelte nur irgendetwas von einer Entschuldigung. Ich schob mich an ihr vorbei und ging in Richtung Tresen, wobei ich an den anderen Eisentüren vorbeikam. Aus einer kam plötzlich ein Stift in meine Richtung geflogen, welcher sein Ziel, die Krankenschwester wahrscheinlich, aber verfehlte, und als sich das Ziel zu dieser Tür umdrehte zischte es, „Ich kann dich hören, Schlampe.“ Ich blieb stehen und sah in die brauen Augen auf der anderen Seite des kleinen Gitterfensters. Dann lächelte ich und wünschte ihm auch einen guten Morgen. Die Krankenschwester, immernoch überfordert mit der Situation, blickte auf die Tür. „Sie arbeiten noch nicht lange hier, nicht wahr?“ fragte ich sie während ich weiter auf den Tresen zuging. „Nein, eigentlich nicht.“ „Wo haben sie früher gearbeitet?“ Sie schien kurz zu überlegen, ob sie mir wirklich antworten sollte. Bescheuert, wenn ich etwas von ihr wollte, bekäme ich am Computer sowieso alles raus. „Sie können mir ruhig antworten. Ich führe nur Smalltalk. Wenn ich wirklich etwas über sie wissen wollte, könnte ich alles an einem der Computer lesen. Außerdem, solange ich hier bin, werde ich schon niemanden töten. Und dass ist wohl eine sehr lange Zeit.“ Ich lachte. Sie schien nicht zu wissen was sie tun sollte, also lachte sie nervös mit. Sie klang wie eine dieser nervigen kleinen Handtaschen-Hunde. „Nun, ich war in der Altenpflege, bevor ich hier her gekommen bin.“ Sie spielte mit ihren Fingern. An ihrem Ringfinger befand sich ein weißer Abdruck. „Wegen der besseren Bezahlung, nicht wahr? Aber dann wissen Sie wenigstens schon das wichtigste.“ Sie hat ihren Ehering abgenommen, obwohl sie das sonst nie tut. Für eine Affäre wäre der Abdruck zu auffällig. Also eine Scheidung. „Entschuldigung?“ Sie verstand nicht. Bräune innerhalb der Handgelenke, also vor kurzem im Urlaub, aber sie hat den Ring nicht abgenommen. Urlaub, während der Scheidung? Unwahrscheinlich. Also erst Scheidung, dann Erholungsurlaub. Hätte sie Schluss gemacht, hatte sie den Ring im Urlaub abgenommen, also hat er sich von ihr getrennt. Vom Aussehen her wegen einer Jüngeren wahrscheinlich. „Den Umgang mit den Menschen, Miss. Es ist der Gleiche. Geduld haben, egal wie dämlich sie sich anstellen und sie sonst normal und nett behandeln. Und wenn sie sterben, dann sterben sie eben. Sie hatten es doch sowieso nicht mehr lange gemacht, so erbärmlich wie sie sich benehmen, nicht wahr?“ Sie will ihn vergessen und gleichzeitig trauert sie ihm nach.Und nun ein neuer Beruf, wahrscheinlich für einen Tapetenwechsel. Eine Art Schlussstrich. Wie sentimental und… langweilig. Ich lächelte immernoch nett. „Naja… ich, äh…“ stammelte sie. Sie macht es nicht mehr lange, das sehe ich ihr an. Sie wird Selbstmord begehen, weil sich niemand mehr für sie interessiert. Ich hörte Ruviks Stimme links von mir. „Du fängst an zu denken wie ich.“ Ich drehte mich zu ihm. „Ach, halt doch den Mund.“ Ich blickte wieder zu der Krankenschwester, die mich immernoch ängstlich anstarrte. Sie war leicht manipulierbar und vielleicht eine Fahrkarte hier raus. Ich blickte auf ihre Brusttasche, aus der eine weis-rote Karte lugte. Sicherheitsstufe 2. Mhm, vielleicht doch nicht. Aber dennoch nützlich. Ich lachte wieder kurz auf. „Es gibt Gründe, warum ich hier bin. Vergessen Sie das nie. Bei niemanden. Das ist wichtig. Sonst enden sie wie Dr. Harleen Quinzel.“ Sie antwortete mir nicht. Ich habe sie überfordert. Komischerweise sind Menschen da wie Computer, wenn man sie überfordert, hängen sie sich einfach auf. „Planen sie länger hier zu bleiben?“ Sie fasste sich wieder. „Nun, ich schätze ja.“ „Dann gebe ich ihnen den Tipp, dass nicht zu tun.“ „Was?“ „Alles, sie sehen aus wie ein aufgescheckter Hase.“ Ich seufze. Sie fühlt sich gekränkt. Na toll. „Sie sollten nicht zu lange vor den Türen stehen bleiben, es kann sein das etwas rausgeflogen kommt, und das ich meist flüssig. Wenn sie Nachtschicht haben, ziehen sie andere Schuhe an, mit diesem Geklapper wecken sie alle. Und dann werden sie meistens wütend.“ Ich ging um den Tresen herrum und drückte ihr ein paar Papiere in die Hand. „Sie sollten sich die Akten von jedem in diesem Flur durchlesen und sich die Namen so gut wie möglich merken. Wenn sie vor haben, wähend ihrer Schicht hier nicht zu schlafen können sie gerne mehr als die erste Seite lesen, würde ich aber nicht empfehlen. Und hier“ ich hielt ihr eine halb ausgefüllte Liste vor die Nase „sollten sie gewisse Vorfälle, wie denn gerade eben, eintragen. Und da“ ich zeigte auf den Bildschirm des Computers „ müssen sie eintragen wenn einer der Insassen seine Zelle verlässt und wenn er wiederkommt. Ich vermute zur Illusion der Kontrolle.“ Nun ging ich wieder um den Tresen herrum und nahm ihr den Stapel aus der Hand um ihn dann auf den Tresen zu legen. Dann umarmte ich sie. Und sie erstarrte zu einer Statue. Ich löste ich mich wieder von ihr, lies meine Hände aber auf ihren Schultern. Ich grinste sie an. „Die Illusion der Kontrolle, vergessen Sie das nicht. Wenn wir hier zusammenhalten, kann uns niemand mehr kontrollieren. Denn Psychopathen haben es so an sich, hoch intelligent zu sein.“ Sie hatte Angst. Vor mir. Das ist sehr gut. Wer Angst hat, lässt sich kontrollieren. Ruviks lacht. Er hat es bemerkt. Dann drehe ich mich um und verschwinde um eine Ecke. Dann Blicke ich in meine Hand, aus der mich weiß-rotes Plastik anfunkelt. Das war ja noch leichter als gedacht. Kapitel 9: Da ist nichts ------------------------ Er schnarcht. Sehr, sehr Laut. Ich gehe den Gang zu seiner Zelle hinab und habe Mitleid mit den anderen Insassen. "Und was willst du jetzt tun?" fragt Ruvik neben mir. Ich zucke mit den Schultern. "Vielleicht spazieren?" "Barfuß?" er sieht mich unglaubwürdig an. Ich antworte nicht. Es ist eines dieser Gespräche bei denen sowieso nichts rauskommt. Ich hasse sie. Also wende ich mich ab und sehe mir die Stahltüren rechts von mir an. Ich suche B-213. Das war, laut Computer, Stephens "Zimmer". Eine fazinierende Bezeichnung für ein 4mx6m Zimmer mit vergitterten Fenstern und einer Hochsicherheitsstahltür. Als ich wieder zur anderen Seite schaute, war Ruvik weg. Im Moment kein großer Verlust. Ich drehte mich wieder zurück und bemerkte das ich vorbeigelaufen war. Ich sah zurück und sah ihn lächelnd vor einer der Türen stehen. "Kein Wort." sagte ich bevor er irgendein vollkommen überflüssiges und vorallem nerviges Kommentar abgeben konnte. Er verschwand. Seine Tür war anders als meine. Sie war dicker und sah stabiler aus als meine. Links neben seiner Tür war genau das gleiche Kartenlese-Gerät angebracht, wie an meiner. Ich zog die Karte durch und die Tür öffnete sich mit einem Brummen. Allerdings übertönte das Brummen, sein bestialisches Schnarrchen kein bisschen. Stephen lies sich nicht bei seinem Schlaf stören. Das Zimmer war genauso eingerichtet wie meins. Gegenüber der Tür ein Fenster, durch das ein bisschen Licht eindrang, links das Bett und ein Schreibtisch, rechts eine Komode. Es wirkte nur persönlicher. Überall standen kleine Dinge, die den Raum,.. nun ja,... weniger kahl machen. Plötzlich packte mich die Neugier. Ich wollte sein Zimmer lesen, wissen wer er war. Es ging nicht darum mehr über ihn zu erfahren, sondern es tun zu können. Also machte ich Licht an. Nicht die große, vergiterterte Deckenleuchte (interesante Geschichte übrigens), sondern die kleine Schreibtischlampe. Sie strahlte ein gedämpftes, warmes Licht aus und ich fühlte mich augenblicklich wohler als in meiner eigenen Zelle. Es war wirklich wohnlich. Die Fenster hatten schöne Vorhänge, die Wände waren gestrichen. Vor dem Bett lag ein kleiner oranger Teppich, neber der Kommode ware ein geflochtener Holzwäschekorp, auf dem ein paar Hosen geworfen würden. Doch was mich am meisten faszinierte waren die Fotos. Die eingerahmten Fotos und die kleinen, blauen Notizbücher. Stephen hatte Dutzende von beidem. Auf dem Schreibtisch stand ein Bild, das Stephen umringt von lächelnden Leuten zeigte. Er trug ein rotes, kariertes Hemd und hatte seinen Arm um eine aschblonde stämige Frau gelegt, die trotz ihrer rustikalen Ausstrahlung eine Art von Schönheit an sich hatte, die primitiv und ehrlich zugleich erscheinen lies. An sich gesehen entsprach sie ganz und garnnicht dem heutigen Schönheitideal, ihr Gesicht war rund, ihre Züge waren flach, ihr Mund groß und Sommersproßen überzogen ihre Wangen bis zur Stirn. Dennoch strahlte sie etwas aus, das all ihre Makel verschwinden ließ. Was mich jedoch am meinsten fesselte waren die drei Kinder vor ihnen. Zwei Jungs, die beide stolz grinsend ihre Zahlücken zeigten und ein Mädchen mit langen blonden Locken und großen, strahlend blauen Augen. Die Augen eines jungen Mädchens, die jeden voller Vertrauen ihn ihre unschuldige Seele blicken lies. Gibt es von mir auch solche Familienfotos? Sah ich auch mal so aus? Zumindest als kleines Mädchen? Nein, sagte ich mir selbst. Und jetzt schlag dir diesen Gedanken aus dem Kopf. Als hättest du nicht großere Probleme. "Was machst du?" fragt mich eine verschlafene Stimme. Erschrocken blicke ich zu Stephen, der auf dem Bett sitzt und mich müden Augen an sah. Ich schwieg eine weile, und sah von ihm wieder auf das Bild in meinen Händen, bevor ich es zurückstellte. "Träumen... und versuchen zu erinnern." Er hob eine Augenbraue, fragte aber nicht weiter nach. Wieder breitete sich Stille aus, die nur dadurch gebrochen würde das er aufstand und zur Komode ging. Wenn man in einer Irrenanstalt lebt, wird einem manches egal. Ich senkte meinen Blick wieder auf den Schreibtisch und sah mir die weiteren Bilder an. Es gab auch viele neuere, mit besserer Qualität, auf denen Stephen jedoch fehlte. Eigentlich gab es nur drei Fotos, das von eben inbegriffen, mit ihm. Es gab auch Zeichnungen. Kinderzeichnungen, wie man unschwer erkennen konnte. Bunte Fraben, kreuz und quer über das Blatt. Die meisten hingen an den Wänden, in kleinen Grüppchen von vier oder fünf. Und Briefe. Ganze Stapel aus Briefen, deren Schrift ich nicht lesen konnte. "Und? Hast du dich erinnert?" fragte Stephen der plötzlich neben mir stand. Er hatte ein weißes T-Shirt und eine ausgewaschene Hose angezogen. Ich nicke. Er sah mich weiter an. "Da ist nichts. Ich erinnere mich nicht an etwas ähnliches." Kapitel 10: Eingefroren ----------------------- Sie tänzelte durch die Küche und sang irgendein Kirchen-Lied, das ich wahrscheinlich kennen müsste. Ihre schwarzen Haare fliegen durch die Luft und sehen gegen das Licht aus wie Schlangen. Ich habe sie schon lange nicht mehr so fröhlich gesehen. Sie, meine Mutter. Nicht die Frau die mich geboren hat, aber offziell meine Mutter. Neben mir am Frühstückstisch sitzt mein offizieller Vater. Er sitzt mit dem größt möglichen Abstand von mir und liest die Tageszeitung, die günstigerweise den Blickkontakt zwischen uns im Wege steht. Ich frage mich ob er das noch extra macht, oder es für ihn schon zur Routine geworden ist. Die Beiden reden irgendwas, zumindest bewegt sich der Mund meiner Mutter, während sie ihn anguckt. Es drangen keine Melodien mehr an mein Ohr. Es kommen nur Wortfetzen an, die entweder keinen Sinn ergeben oder von meinem Gehirn nicht mehr zusammengesetzt werden können. Das Grinsen auf dem Gesicht meiner Mutter wird breiter und entblösst ihre strahlend weißen Zähne. Kurz verschwimmen sie vor meinem inneren Auge zu Reißzähnen, bevor mir klar wird, was sie sagt. Der Ehrengast ist da. Peter, mein offizieller kleiner Bruder. Das eigentliche Kind der beiden Erwachsenen in diesem Raum. Das sah man auch. denn er hatte genau wie seine Eltern dunkles Haar. Mein offizieller Vater legt seine Zeitung weg und gibt seinem Sohn seine ganze Aufmerksamkeit. Er vermeidete dabei tunlichst mich anzusehen. Meine Mutter auch. Sie fragt ihn was er frühstücken will. Ich wurde nicht gefragt. Ich musste mir mein Frühstück selbst machen. Sie macht für ihn jetzt Pfannkuchen. Ich fände Pfannkuchen auch toll. --- Ich stehe auf der Treppe und sehe mir die Fotos an der Wand an. Ich weis nicht mehr wann ich aufgestanden und die Küche verlassen hatte. Speziell, das eine Foto, auf dem tatsächlich die ganze offizelle Familie zu sehen ist. Es wurde vorletzen Herbst gemacht. Wir standen alle vor der großen Eiche der Grundschule. Peter hatte seine Zuckertüte in der Hand und den Schulranzen auf dem Rücken. Er lächelte herzerwärmend und stand zwischen seinen Eltern. Sein Vater stich ihm über den Kopf während seine Mutter neben ihm hockt und ihn umarmt. Ich stand ebenfalls lächelnd neben ihnen, schräg hinter meiner Mutter. Von meiner Einschulung gibt es keine Fotos mehr an dieser Wand. Auf diesem einen Foto erkennt man wunderbar, dass ich adoptiert wurde bevor der Engel auf die Erde kam. Ich sah meine gespiegelten Augen im Glas. Graue kalte Augen, die auf mich zurückstarren. Allerdings war die Reflektion im Glas nicht mein Gesicht. Es war das Gesicht eines Junges meines Alters, wenn seine Augen auch älter wirkten. Gepeinigter, müder,... kälter. Wie meine. Seine Haut war ungesund blass was einen starken Kontrast zu seinen tiefroten Narben darstellt, die er unter den Verbänden verbag. Ich starre ihn an, und er mich. "Starren ist unhöflich." sage ich zu der Reflektion und gehe weiter zu meinem Zimmer. --- Ich sitze auf dem Bett und starre auf das leere Blatt vor mir. Meistens zeichne ich die gleichen Motive, bereits seit meiner Kindheit. Eine Scheune, Raben, Gehirne, Menschen ohne Gesicht und Sonnenblumen. Eigentlich immer Sonnenblumen. Ich habe vergessen warum. Ich sehe zu dem großen eingerahmten Bild über meinem Bett. Die Scheune, vor einem gelben Sonnenuntergang, umrundet von Sonnenblumen. Ich glaube ich habe es in der 3.Klasse gemalt. "Erinnerst du dich daran?" Der Junge sitzt am Rand meines Bettes, dem Bild zugewandt. Der Rücken gerade, das hellblau gestreifte Hemd passte sich dem Oberkörper perfekt an. Als wäre es ihm angeschneidert worden. Er kommt mir vertraut vor, allerdings erinnere ich mich nicht an ihn. "Wie ich dir das Zeichnen beigebracht habe?" Ich sehe ihn nur an. Er war tatsächlich da, er sprach direkt mit mir. Ich konnte jede Pore seiner Haut direkt sehen, ich konnte ihn riechen, ich konnte ihn hören. Er zog nicht einfach an mir vorbei, wie alles andere. Seine Worte waren kein leeres Rauschen, sein Gesicht war nicht irgendeine Grimasse, sein Körper war wirklich da, nicht irgendein Fleischklumpen mit Organen und Gedanken. Ich sah ihn an und sah einen Menschen. Dann sah er mich an. In seinen Augen war Leben, sie waren nicht einfach Scheiben sondern Fenster. Ich konnte hindurchsehen. Ich kann mich nicht mehr erinnern wann ich zuletzt einem Menschen so direkt wahrgenommen habe. Mein Handy-Wecker klingelt. Es soll mich an die Tabletten erinnern. Also stand ich auf und ging ins Badezimmer. Auf dem Weg dorthin fällt mir wieder auf, das die Dinge aufeinmal details haben. MIr fällt auf, dass die Sonnenstrahlen meine Haut wärmen. Es war als wäre ich aus einem Eisblock aufgewacht. Im Badezimme sah ich mich an. Alles an mir war wie immer, doch irgendwie doch anders. Ich wusste immer das ich blonde Haare hatte, allerdings nie welche Farbe genau. Es war als würde ich all das noch nie gesehen haben. Ich riss meinen Blick von meinem Spiegelbild und machte den kleinen Medizinschrank auf. Mit den Tabletten in der Hand sah ich wieder auf. Der Junge lehntte hinter mir im Türrahmen und war damit beschäftigt, seinen Verband an der linken Hand neu aufzurollen. Ich schluckte sie hinter. Der Kopf des Jungen zuckte sofort zu mir. Er stand auf und ging zwei große Schritte auf mich zu, bevoer er sich in Nebel auflösste. Als ich mich wieder zum Spiegel drehte war alles wie immer. Ich war wieder eingefroren. Kurz fragte ich mich noch, was ich gerade getan hatte, bevor es mir egal wurde. Denn die Welt um mich herrum zog wieder an mir vorbei. Kapitel 11: ------------ "Nochmal kurzgefasst, du bist mitten in der Nacht aufgewacht, hast der neuen Krankenschwester die Karte geklaut, hast dich dann an den Wachen vorbei, auf meine Station geschlichen und das alles nur, weil dir langweilig war?" fragt Stephen, der neben mir den Gang hinunter läuft. Wir sind mittlerweile von Haus 2, in denen die persönlichen 'Zimmer' der Patienten sind, zu Haus 1 gelaufen, in dem Aufenhalträumen wir Bibliothek oder Kantine. "Ja, so ungefähr." entgegene ich, während ich meine Arme strecke. "Klingt plausibel." kommentiert er. "Du gebrauchst das Wort plausibel?" frage ich ihn gespielt irritiert. Er bleibt stehen und blickt mich beleidigt an. "Hör mal, ich weiß das ich nicht die hellste Kerze im Kronleuchter bin, aber das heißt noch lange nicht ich bin vollkommen verblödet." Ich muss kichern. "Ich liebe deine Reaktionen. Sie sind so... impulsiv." Es blickt mich nur weiter beleidigt an, auch wenn ich ihm ansehe das er bei dem Wort grübeln muss. "Das machst du doch extra." Ich kichere wieder. Es ist ein kichern, das kurz darauf zu einem Lachen und dann zu einem brüllenden Gelächter wird. Etwas was man bei mir nur selten zu sehen bekommt. Er sieht mich verduzt an, bevor er den Kopf schüttelt und danch einfach weiter geht. "Du bist verrückt." "Du doch auch, oder was glaubst du, warum du hier bist?" erwidere ich. "Ich bin hier, weil ich ernsthafte Aggresionsprobleme habe und ich lieber gegangen bin, als meine Familie zu verletzen. Deshalb bin ich in Block B. Du aber bist eine andere Liga. Du hast Halluzinationen und benimmst dich manchmal vollkommen irre, es macht dir sogar Spaß anderen Menschen Angst einzujagen. Das schlimmste ist, das du dazu noch viel zu intelligent bist um Arrogant zu sein. Sonst währest du nämlich in Block A, genauso wie alle anderen manipulativen Psychophaten." "Das hat mich jetzt hart getroffen, Stephen. Ich bin nur ein unschuldiges, kleines Mädchen das seit seiner Geburt eine Fehlfunkton im Gehirn hat und das Nachts schreckliche Albträume vom gewaltsamen Tod meines Vaters plagen." Ich stelle mich hin wie ein kleines Mädchen uns sehe ihn mit großen Augen an. "Und gerade das macht dich wahrscheinlich noch gefährlicher als die meisten in Block A. Du manipulierst die Menschen in deinem Umfeld damit." Er tätscheld mir sanft den Kopf, aber seine Stimme klingt absolut kalt. "Manipulieren ist nichts schlimmes. Es heißt nichts anderes als beeinflussen. Alle Informationen aus deiner Umgebung beeinflussen dich. Gegenstände, Helligkeit, Farben, besonders Personen. Alle Personen die du in deinem Leben triffst manipulieren dich. Bekannte manipulieren dich, Freunde manipulieren dich, deine Familie manipuliert dich ohne das du es bewusst mitbekommst." philosophiere ich vor mich hin. "Hör auf damit, du weißt was ich meine." unterbricht er mich. Ich lächle nur. "Ja und vermutlich hast du recht. Aber leider komme ich mit dieser Karte nicht bis Block A. Beenden wir diesen philosophischen Diskurs." Er schnauft, geht aber nicht weiter darauf ein. "Also... Was genau wollen wir jetzt tun?" fragte Stephen. "Spazieren gehen?" rate ich. "Barfuß?" fragt er und sieht fragend auf meine Füße. "Komischerweise bist du heute schon der Zweite der mich das fragt." Ich halte die Karte hoch. "Morphium aus dem Medizinschrank klauen?" "Nein, das werden wir sicher nicht tun." meinte er bestimmend. "Spielverderber! Wie wäre es mit der hier in Block E mal zu gucken, was die armen, ängstlichen Wracks so machen?" "Dir macht das wirklich Spaß, oder?" fragt er nur. Ich grinse dümlich vor mich hin. Er seufzt. "Und wie wollen wir da rein kommen?" "Ach, das wird ganz einfach: Zuerst schalten wir die Wachen vor der Tür aus, schleichen uns dann über die Feuertreppe auf's Dach, ich rufe dann meinen Freund beim IT an, der die Kameras abschaltet, während du das Gitter vor dem Lüftungsschacht rausreisst, dann lassen wir uns vier Stockerke fallen bis zum-" "Das ist nicht dein ernst, oder?" Ich lache. "Nein, ich hab nur meinen Spaß." "Und was ist jetzt deine geniale Lösung?" er hat die Arme verschrenkt. "Wie nehmen die Karte und gehen einfach rein. Um die paar Krankenschwestern können wir schon rumschleichen." "Und die Kameras?" "Glaubst du wirklich das guckt sich irgendjemand an? Wenn wir nicht genau davor rumtanzen, wird und keiner bemerken." Ich gehe vorraus, ohne mich umzusehen, aber ich weiß das er mitkommt, den ich höre seine Schritte. Kapitel 12: schreiende Masse ---------------------------- Die Zeit, als alle Stephen gemieden haben ist vorbei. Zu meinem Bedauern, denn jetzt sitzen ein paar seiner Block Kompanen mit an unserem Tisch und erzählen lautstark irgendwelche uninteressanten Geschichten über ihr Leben. Ruvik hat sich schon lange verdrückt und und untersucht wahrscheinlich gerade irgendjemandes Gehirn in den tiefen meines Kopfes. "Ich hab jetzt so 'nen neuen Typen aus Block A mit in der Küche drin, der stellt sich bescheuert an! Kann noch nicht mal ein Ei aufschlagen!" sagt einer der zwei Brauhaarigen zum tätoowierten Kahlkopf mir gegenüber. Sie sind darauf gekommen weil der Kahlkopf einen Neuen aus Block D mit an den Tisch genommen hat, der sich unter all den lauten Männern sichtlich unwohl fühlt. Kurz überlege ich ob der Typ aus der Küche wirklich so dumm war, oder schlau genug sich doof anzustellen, um weniger machen zu müssen... Ich komme zu keinem eindeutigen Ergebniss. Also versuche ich das beste aus der Situation zu machen und sehe mir die restlichen patienten hier an, obwohl noch lange nicht alle hier sind. Es gibt keine festen Essenszeiten, also kann jeder wann er will durch diese Türen spazieren. Allerdings habe ich das gefühl das irgendjemand wichtiges fehlt. ich wende mich mit dieser Frage an Stephen, links von mir, der aber nur mit den Schultern zuckt. Aufgrund seiner bereitwilligkeit mir zu helfen, analysiere ich das Kantinenverhalten selbst. Meistens sitzen personen aus den selben Blöcken zusammen, aber es gibt auch Ausnahmen. Block C -die mit durchschnittlichen IQ Irren- kommt kommt gut mit allen klar. Block B -viel Muskeln, wenig Hirn- setzt sich gern mit Block A -manipulative Hochintelligente- und Block C zusammen. Und Block D -die ängstlichen, kommunikationsgestörten Wracks- sitzen meistens unter sich oder wurden von Block C oder Block A mit an den Tisch geschleift. Die wenigen aus Block A die hier her kommen setzten sich meistens mit den (leicht manipuierbaren) Block B oder dem (niedlichen, aussehenden und sich nicht wehren könnenden) Block D zusammen. Die Halluzinierende setzten sich gern mit Schizophrenen zusammen, Muskelprotze schnappen sich gern ein kleines niedlliches Etwas das sie beschützen wollen, Pyromane bleiben unter sich genauso wie Religionsfanatiker, oder setzen sich ein schweigendes, in die leere blickendes, kleines persönchen hinzu. Hier und dort sitzt ein manipulativer Phsychopath, der das ganze gelangweilt oder amüsiert beobachtet. "Was? Ihr wart wirklich gestern in Block D?" fragt einer der Braunhaarigern und guckt Stephen und mich ungläubig an. "Wie habt ihr das den geschafft?" Stephen lacht ausgelassen und hält kurz die Karte hoch. Ich verdrehe die Augen. "Du bist von Idionten umzingelt." sagt mir Ruviks Stimme in meinem Kopf. Ich stochere weiter lustlos in dem verbleibenden Salat herrum und spiesse ein großes, dunkelgrünes Blatt auf. Es knackt kurz. Ich frage mich kurz wie man eine Schädeldecke öffnet, ohne das der Proband stirbt. "Und wie war's dort?" fragt der Kahlkopf. Ich bemerke griechische Buchstaben an seinem Hals, allerdings steht auf seinem Arm irgendwas auf Chinesisch. Er scheint multikulturell interessiert zu sein. Wahrscheinlich weiß er nicht mal was das ist. Dann denke ich über das Gedankenexperiment "Chinesisches Zimmer" nach. Von da komme ich auf den turing Test. Stephen hatte anscheinend bereits geantwortet, denn alle Augen blickten mich erwartungvoll an. "Relativ unspecktakulär." sagte ich. "Du hattest da drin 'ne ziemlich harte Hallozination, Alice." meint Stephen. "Ich habe immer Hallozinationen, Stephen, deshalb bin ich hier. Willst du das Hähnchen noch?" "Du hast gesagt du siehst ein blutendes Mädchen an der Decke stehen." "Immernoch besser als mit 15 von Michael Meyers durch deine Schule gejagt zu werden. Das waren noch Zeiten." Ich spiese mit meiner Gabel eine Tomate auf. Sofort kommt der rote Saft herruasgeströmt und färbt alles um sich herrum. "Glaubt ihr das die künstliche Intelligenz mal die eines Menschen einholen wird?" wechsle ich das Thema. Die Männer an diesem Tisch sehen mich mit einer Mischung aus Entsetzten und Erstaunen an. Irgendwie erinnert mich dieser Anblick an Goldfische. Einer davon will gerade den Mund aufmachen, da schrillt der Feueralarm los. Für einen winzigen Augenblick ist es Totenstill, dann bricht Chaos aus. Die Patienten werden zu einer gewaltigen, schreienden Masse die mit aller Kraft versucht die Türen zu öffnen, für die man die eigendlich die Klinke betätigen müsste. Es wird an den Gittern die die Fenster versperren gerüttelt, Stühle und Tische umgeworfen, einige versuchen hinter der Ausgabetheke Schutz vor dem Chaos zu suchen andere versuchen sich auf dem Boden, an Wänden oder unter den wenigen verbliebenen Tischen unsichtbar zu machen. Manch eine verängstigte Gestalt krümt sich so weit zusammen wie es geht und hält sich weinend die Ohren zu. Der Neue aus Block D an unserem Tisch ist ein glänzendes Beispiel für dieses Verhalten. Ich blicke mich kurz um und zucke mit den Schultern. "Vielleicht ist es ja auch schon passiert." Stephen neben mir steht mit aller Ruhe der Welt auf und gibt etwas von sich das wie ein 'Nicht schon wieder' klingt. Die beiden Braunhaarigen haben es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, alle 'Unsichtbaren' davor zu retten von dieser offenen Zurschaustellung des Wahnsinns zertrampelt zu werden, während der Kahlkopf wild vor sich hin brüllend den Fenstergittern zu schaffen macht. Gerade als mir einfällt wenn ich den ganzen morgen lang vermisst habe, und diese erkenntniss mit Stephen teilen wollte, merke ich, dass er gar nicht mehr hier ist. Er hat das glänzende Beispiel mit beiden Armen hochgenommen und marschiert jetzt festen Schrittes auf die Küchentür zu. In meinem Gehirn schaltet es, ich nehme meine Gabel, schnappe mir noch schnell Stephens letztes Stück Hähnchen und laufe ihm hinterher. In der Küche sitzen schon ein paar der 'Unsichtbaren' die die beiden Braunhaarigen vor der Schuhsohle der hysterischen Masse gerettet haben. Oder davon abgekratzt. Je nach aussehen. "Nero war heute nicht beim Essen." sage ich dem blonden Hünen noch bevor ich sein Hühnchen verschlinge. Entweder hat er mein Kommentar nicht bemerkt oder einfach ignoriert, denn er setzte den Neuen einfach an irgendeine Wand auf den gefliessten Boden und geht wieder raus. Ich setze mich auf eine der Kochinseln und zupfe noch das letzte Stück von meiner Gabel. Die Platten sind so hoch das ich meine Beine baumeln lassen kann. Vor mir sitzt immernoch der Neue. Er scheint sich ein bisschen beruhigt zu haben, auch wenn er immernoch zittert, weint er nicht mehr und er hält sich auch nicht mehr die Ohren zu. Er sitzt nur in seiner Embryostellung da und schaukelt sich ein bisschen vor und zurück. "Weißt du, irgendwie erinnerst du mich an Jason Todd." Sein schaukeln und sein zittern stoppten abrupt, und er sah auf. Sein dunkelbraunen Haare waren verwuschelt, seine Wangen waren gereizt von den vielen Tränen, genauso wie seine Augen. Seine großen, fiebrig glänzenden, braunen Rehaugen, die mich hoffnungsvoll aber verständnislos ansahen. Autismus? Mutismus? "Wahrscheinlich eher Mutismus." Ich Blicke zu Ruvik, der sich neben mir an die Kochinseln gelehnt hat. Seine grauen Augen musterten das kleine Häuflein Elend so durchdringend, das er wieder anfing zu zittern und schließlich wieder in sich hinein weint. "Er kann dich sehen." stelle ich unbeeindruckt fest, und sehe mir alle reflektierenden Oberflächen im Raum an. "Eigentlich kann mich gerade niemand außer dir sehen." Er mustert ihn so, als ob er versucht etwas zu finden, von dem er nicht weiß, was es ist. DAS ist ungewöhnlich. Dann wendet er sich ab. "Was für eine Ironie..." Kapitel 13: Sitzung 5 --------------------- "Und, Alice? gibt es etwas was du mir erzählen willst?" fragt er und sieht mich mit seinen grünen Augen an. Seine Haare sind verwuschelt, seine Augen gerötet und unter seiner Brille zeichnet sich deutlich ein violetten Schatten ab. "Nein. Eigendlich habe ich alle Sachen die ich in den letzten Tagen wissen wollte mit Ruvik geklärt." ich blicke aus dem Fenster. Es ist mittlerweile Herbst und auch wenn man es nicht unbedingt bemerkt, regnet es mehr als sonst. Gerade jetzt regnet es nicht. "Und mit Stephen." erinnert mich Ruvik. Kurz überlege ich ob es ein Wink mit dem Zaunpfahl war, oder ob er sie Therapie einfach nicht verfälschen wollte. Er war an den kläglichen Versuchen der Psychater wirklich interessiert. "Und Stephen." ergänze ich mich noch. Wahrscheinlich amüsierten die Versuche ihn eher. Der Doktor sah einen Punkt hinter mir geistesabwesend an. Der Notizblock in seiner Hand sank auf seinen Schoss. Ich drehe mich zu Ruvik der vor einem der Regalen steht und ein Buch durchblättert. Es scheinen mich alle zu ignorieren. "Ruvik, was tust du?" frage ich ihn. "Ein Buch lesen." antwortet er ohne auch nur den Kopf zu heben. "Mit ihm." Er dreht sich irritiert um, sieht erst mich an, dann Doktor Millers dem mitterlweile die Augen zugefallen sind. "Ich hatte mich schon gewundert, das dieses nervige Quitschen in meinem Ohr verklungen ist." er macht eine kreisende bewegung um sein Linkes Ohr, blickt ihn noch eine weile an, dann liest er weiter. Ich warte dass er weiterredet, aber er scheint fertig zu sein. "Also?" Er seuftzt genervt auf, klappt das Buch zu und sieht mich vorwurfsvoll an. "Ich bin nicht an allem Schuld, was in deiner Umgebung passiert." Er stellt das Buch zurück und schnappt sich ein Neues. "Warum denn so gereizt?" frage ich und stütze meinen Kopf auf meine Hand. Er ignoriert mich. "Schlafmangel?" Er hebt eine Augenbraue. "Bitte?" Ich zeige auf den Doktor der in seinem Sessel zusammengesunken ist. "Du willst nicht über deine Gereiztheit reden, also lass ich es sein." In seinem Gesicht deutet sich ein kleines Grinsen an. "Es sollte mehr Menschen geben wie dich." Er wendet sich wieder seinem Buch zu. Ich blicke ihn noch ein paar Sekunden erwartungsvoll an, bevor ich mich zurück in den Sessel fallen lasse. "Hast du vor mit mir heute noch so etwas wie ein Gespräch anzufangen, oder willst du mich den Rest des Tages ausblenden?" "Ja, wie du meinst." "Was, ja? Man kann auf eine Oder-Frage nicht mit ja oder nein antworten." "Wahrscheinlich." "Ein einfaches 'Kann gerad nicht' oder 'Denkzone' hätte mir auch gereicht." "Mhm." Ich hebe kapitulierend die Hände. "Ich gebe es auf." Die Zeit vergeht, ich sitze gelangweilt im Sessel, Dr. Millers schläft, Ruvik ist in sein Buch vertieft, draußen wird es dunkler und ich bemerke zum ersten mal das in diesem Raum eine Uhr steht, die tatsächlich tickt. Ganz leise, aber ich höre es. Aber ich kann sie nicht sehen. Es ist nie und nimmer schon so spät das es dunkel wird. Nach einigem Im Zimmerauf und ab gehen um nach dieser mysteriösen Uhr zu suchen, kommt ein weiteres Geräusch dazu. Ein leises Plätschern. Es fängt an zu regnen. Das Plätschern wird zu einem stätigen trommeln am Fenster, die wankenden Tannen verschwimmen, das letzte Licht das sich im Wasser bricht tanzt im dunklen Zimmer. Ruvik hat sich den Sessel näher an den Schreibtisch gerückt und die Lampe auf diesem zu sich gedreht. Neben ihm bilden sich kleine Türme aus Fachbüchern. Hin und wieder notiert er sich etwas auf Dr. Millers Notizblock, der mittlerweile auf einem der Türme liegt. Ich habe alle Kommunikationsversuche das finden der Uhr aufgegeben, das Aufnahmegerät nach gefühlten zwei Stunden eiserner Stille angehalten und durchsuche Dr. Millers Schreibtisch. Papiere, Formulare, Schreibblöcke, neue Notivbücher, Rezepte, eingeschweißte Aufnahmekasetten, Kugelschreiber, Füller, Tintenpatronen, Taker, Leimstifte und Flüssigleim, Bleistifte, Radiergummi, Bundstifte, Marker und Filzstifte. Nirgendwo Patientenakten, Protokolle oder ähnliches. Ich sehe auch nirgendwo die Aufnahmekasetten der letzten Sitzungen. Im Zimmer sind nur Sessel, ein Sofa, undefinierbare Bilder und Bücherregale. Ich dachte immer, der Arzt hat alle seine Akten bei sich, aber sie sind nicht hier. "Wo glaubst du sind die ganzen Akten?" frage ich während ich mit meinem Kopf halb in einer den Schuladen stecke. "Warum willst du das wissen?" fragt Ruvik zurück. Ich bin so überascht von der Antwort das ich mir den Kopf am Schreibtisch stosse. "Ach, der feine Herr redet ja mit mir." sage ich und blicke ihn über die Kante des Schreibtisches an. "Der feine Herr überlegt es sich gleich anders." erwiedert er und sieht mich an ohne den Kopf zu bewegen. "Also?" "Ich will sie lesen." sage ich und verschwinde wieder in der Schublade. "Hast du doch schon." meint er und schlägt die Beine übereinander, ohne das das Buch auf ihnen runter fällt. "Die der Schwestern, nicht die der Ärzte. Da sind die ganzen Sitzungen und die Protokolle drin." "Ich kann dir sagen, dass das keinen großen Unterschied macht." "Du hast die wohl schon gelesen, oder was?" Keine Antwort. Ich bilcke wieder auf. "Wo und wann findest du bitte dafür Zeit?" frage ich ihn argwöhnisch. "Wenn ich schlafe?" "Deine andauernden Albträume zeugen nur von meiner Abwesenheit." "Ich dachte du machst sie." "Selten. Und verkneif dir die Beleidigung, wenn du weiter reden willst." Ich schnaube und schliesse die Schublade. "Hast du schon die der Neuen gelesen?" "Ein paar." "Und? was steht drin?" Weil ich zu faul bin aufzustehen krabble ich um den Schreibtisch herrum und setze mich vor ihn. Er beobachtet das Ganze mit anscheinedem Wohlwollen. "Alice, ich habe kein eidetisches Gedächtniss. Wenn du deffinieren könntest was du hören willst, könnte ich dir vielleicht weiterhelfen." Ich überlege kurz, wie ich es treffend vormulieren könnte. "Jason Todd?" Er grinst. "Ich befürchte, es gibt keine Akte von einer Comicfigur. Aber wenn du willst, schreib ich dir eine. Vor oder nach der Sache mit dem Joker?" Ich muss kichern. "Erstens, Nach dem Joker und nach diesem Ja gibt es kein zurück mehr. Zweitens, ich meinte den Neuen vom Mittwoch." "Zu Erstens, mit Tatbeschreibung?" "Einen Roman mit Bildern, bitte." "Perverser Sadist." Ich grinse. "Ich habe vom Besten gelehrnt. Oder glaubst du ich bemerke nicht wie sehr dir diese Position gefällt?" Er sieht mich unschuldig an. "Welche Position denn?" "Ich sitze auf dem Boden vor dir, der erhaben und anmutig in seinem Sessel sitzt, mit einem Buch auf dem Schoss, und auf mich hinab blickt." Wir liefern uns ein kurzes Blickduell, bevor wir beide in Lachen ausbrechen. Als wir uns wieder beruhigt haben fährt er fort. "Ich habe diese Akte noch nicht gelesen, aber ich könnte dir zeigen wie du dir die Akte deines kleinen Projektes beschaffst, Alice." "Könntest du mir die Akte nicht einfach besorgen?" "Könnte ich." "Aber?" "Ich will nicht." Er sieht mich herrausfordert an. Ich blicke zurück. "Warum machen wir so etwas eigentlich nicht öfter?" frage ich ihn. "Im Anwesen, meine ich." "Ich weis nicht." gab er ehrlich zu. Kapitel 14: ------------ Stephen hat es geschafft, keine Ahnung wie, mich mit in den Garten zu schleppen. Er machte dort irgendetwas an einem Rosenbeet, das mich in seiner weißen, vollen Blüte ansah. Ich saß auf einer Steinbank ohne Lehne, die eigendlich dafür gedacht war, das man sich den Innenhof der Anlage ansah und nicht die graue Hauswand vor der die Rosen standen. Neben ihm hockte unser Neuzugang, dessen Name ich übrigens immer noch nicht weiß. Stephen redet mit ihn, ruhig und leise um ihn nicht zu verschrecken. Der Junge lächelt nur und nickt ab und zu mal. Redet tut er selten und wenn doch, sehr leise, sehr wenig und in einer mir unbekannten Sprache. Manchmal erkenne ich darin harte Töne des Russischen, aber insgesamt klingt es eher... singend. Insgesamt wirkte er wie ein schüchternes Kind, dass in einem viel zu großem Körper steckte. Ich war für selektiven Mutismus, auch wenn das bedeutete, dass er sich schon an Stephen gewöhnt hatte. Und seltsamerweise auch an mich. Auf jeden Fall hockten die beiden vor dem Beet und fuchtelten mit ihren Händen in den Rosen rum. Ich saß daneben, auf der Bank, und fragte mich wie lange es wohl noch dauern würde, bis etwas passiert. Ich überlege, wer zuerst dran glauben müsste- Stephen mit den großen Händen oder der Junge mit den ungeübten Bewegungen. Der Rest des Innenhofes wahr mit hüfthohen Hecken durchzogen und symetrisch angeordnet. Es war der, der noch zur alten Anstalt gehörte. Dort war die Bibliothek untergebracht, im Erdgeschoss die Besucherräume, weiter oben das Sekräteriat und einige Gesprächstherapie-Räume. Hier war auch mein Sitzungszimmer, allerdings auf der anderen Seite des Gebäudes. Mit Aussicht auf den Garten des grossen Neuanbaus von 2001. Ich habe mittlerweile von der sitzenden in die liegende Possition gewechselt, da die Bank aber zu kurz ist hängen auf der einen Seite meine Füße und auf der anderen mein Kopf in der Luft. So beobachte ich die Beiden jetzt kopfüber, was mit der Zeit Nackenschmerzen hervorruft. Die Sonne scheint mir auf den Körper und wärmt ihn von oben, während mir von unten der Stein die Wärme wieder entzieht. Irgendwann werden die beiden vor mir langweilig und ich sehe mich, immernoch verkehrtherum, im Rest des Hofs um. Es gibt noch ein paar weitere Patienten, alle entweder allein oder in kleinen Gruppen aus 2-4 Mann. Manche sitzen, manche stehen, viele reden und die anderen schweigen. Ich höre Vögel zwitschern, rieche Gras und Stein und Erde. Das wird wohl einer der wenigen schönen Tage vor dem Herbst werden. Schließlich entscheide ich mich dafür das voll und ganz auszukosten, lege mich richtig auf die Bank, wobei meine Füße schon wieder so weit runter hängen, dass das Grass mich kitzelt, und schließe die Augen. Ich wache wieder auf, weil durch meinen Körper ein Gefühl der Kälte schlich. Meine Beine würden noch von den Strahlen erwärmt, aber meine obere Hälfte nicht. Ich kam zu dem Schluss, das ich in jemandes Schatten war, und wog ab, ob ich mich bewegen sollte oder nicht. Ich hörte undeutliches Gemurmel und tapsende Schritte neben mir. Als ich die Augen öffnete waren über mir zwei große rehbraune Augen, die sowohl mich als auch die Umgebung nervös musterten. Er stand nicht still sondern bewegte sich von einem Fuß auf den anderen, was von meinem Punkt aus ein witziges Schwanken ergab. Ich setzte mich auf und sah mich nach Stephen um. Er war weg. "Wo ist Stephen?" gähnte ich und strecke meine Arme in die Höhe. Er antwortet mit etwas lauterem Gemurmel, wobei er anscheinend fast jedes Wort zweimal anfangen muss, bevor das richtige rauskommt. Dann wendet sich sein Blick kurz unsicher vor seinen Füßen zu meinem Gesicht, bevor er wieder auf seine hin und her tapsenden Füße starrt. "Er ist niedergeschlagen, weil er sich nicht verständigen kann." sagt Ruvik hinter mir, während er seine Hände auf meine Schultern legt. Ich lehne mich nach hinten an ihn an. "Muss schwer sein, wenn man sich nicht verständigen kann." bemitleide ich ihn, wofür mich Ruvik missbilligend ansieht. Das Tapsen der Füße wird schneller und er murmelt wieder etwas, noch unverständlicher als vorher. Nochmal blickt er mich unsicher an. Dann kurz Ruvik, bevor er auf seine Hände schaut. "Er fragt, ob er sich neben dich setzen darf." Ich blicke Ruvik kurz prüfend an, allerdings kann ich durch die Sonne sein Gesicht nicht sehen. Ich wende mich wieder zum tippelnden Wesen vor mir um. "Na komm schon, setz' dich. Das kann ja niemand mit ansehen." Die braunen Augen sehen mich kurz an, dann setzt er sich neben mich. Mir fällt auf das ich nicht mal seinen Namen kenne. Stephen wahrscheinlich schon. Ich könnte ihn fragen, aber er ist nicht da. Wo bleibt der eigentlich? Es kann doch sein das er so ewig braucht um sich ein blödes Pflaster auf den Finger zu kleben. Die Wolken am Himmel bilden kleine Schäfchen und im selben Moment in dem ich das denke, will ich mich selbst schlagen. Also versuche ich über irgendwas sinnvolles nachzudenken. Es gelingt mir nicht wirklich. "Wie heißt du eigentlich, Kleiner?" frage ich. Er rang mit seinen Händen, schenkte ein bisschen vor und zurück öffnete den Mund ein Paar mal und stammelte schiesslich ein leises, "P...P-Pascha." "Klingt slawisch." kommnetierte ich. Er sah mich unsicher an. "Russisch oder Polnisch." erklärte Ruvik hinter mir. Seine braunen Augen glänzten kurz als er ihn ansah, bevor er den Blick wieder auf seine Hände senkte und... lächelte. Er sah zufrieden aus. Ruvik schnaupte kurz unzufrieden hinter mir. Er hatte keine Kontrolle, den der Junge hatte keine Angst vor ihm. Sonst gab es niemanden der keine Angst vor dem bösen, verbrannten Mann gibt. Mich ergriff das Gefühl das der Junge ihm, ... Pascha uns guttun würde. Wir saßen noch eine Weile so da, Pascha neben mir und ich nach hinten an Ruviks Bauch gelehnt. Ruvik begann irgendwann seine Hand von meiner Schulter zu heben und in meinen Haaren rumzufummeln. "Kann es sein das du 'nen Haarfetisch hast, Ruvik?" "Halt die Klappe." sagte er viel zu schnell. Ich kicherte. "Der Junge beobachtet uns. Er hält uns für ein Paar." sagte Ruvik mit einer Stimme, die nicht sagen lies ob er es gut oder schlecht fand. "Sind wir nicht." sage ich an den Jungen gewendet. "Obwohl ich es verstehen kann. Wir sind und viel näher als viele Pärchen. Obwohl wir weder knutschen noch uns gegenseitig dabei auffressen." "Ach, findest du?" fragt er belustigt. "Du fühlst jeden Tag in meinem Kopf rum, hört jeden meiner Gedanken und kontrollierst sogar meinen Schlaf. Seit ich drei Jahre alt bin. Wenn das nicht intim ist, weiß ich nicht weiter." erkläre ich. Ich hatte das Gefühl er war für einen kurzen Moment sprachlos, aber es knn auch sein das er kurz darüber nachdachte. Bevor er antwortete kam Stephen wieder. "Du redest doch nicht etwa mit Pascha, oder?" fragte er lächelnd. "Ja, ja, lach über mich. Ich rede mit Ruvik." gebe ich angesäuert zurück. "Warte, du weißt wie er heißt?" "Natürlich, wir verbringen schon die ganze Woche zusammen. Ich hab 'ne Schwester gefragt." sagte er und gab mir einen verwirrten Blick. "Du hast neben mir gestanden." ich versuchte kurz mich zu erinnern. "Ach, die neue aus meinem Block? Wie hieß sie Leuchtturm? Und ich hatte mich schon gefragt warum du mit ihr redest." "Leuchtmann und sie heißt Sandra. Sie ist für dich seit fast einen Monat verantwortlich, du hast ihr mal die Karte geklaut und sie öffnet dir immer die Tür, und du kannst dir nichtmal ihren Namen merken?" Er war wütend darüber. Etwas daran störrte ihn, aber ich verstand nicht was. "Sie ist uninteressant und ich kann sie nicht benutzen. Warum sollte ich mir ihren Namen merken?" gab ich zurück. "Das schlimmste daran ist, das du wirklich so denkst. Wahrscheinlich auch über mich." "Wir wollen hier mal nicht vergessen, wer wem am Anfang gewürgt und dann 'ne Woche gestalkt hat. Und ich streite nicht ab das ich bei meiner Freundschaft mit dir keine Hintergedanken hatte." Er seufzt und mustert mich danach noch eine Weile. "Warum musst du immer die Wahrheit sagen?" Ich zuckte mit den Schultern. "Tja, ich bin halt ein guter Mensch." Und brachte uns beide damit zum stillen Lachen. Kapitel 16: ------------ "Ich erinnere mich noch an die Zeit bevor ich in einer Anstalt gefangen war." begann ich Pascha ohne besonderen Grund zu erzählen. Er saß neben mir im Grass, ich lag auf dem Rücken. Stephen war mal kurz weg, hat er gesagt. Das macht er öfters, in letzter Zeit. Ich frage mich was genau er sich davon erhofft. "Nur wenig, aber ich weiß es noch. Die meisten Jahre sind verschleiert durch die Medikamente." fuhr ich fort. Pascha sagte nichts, allerdings hatte ich das Gefühl er hörte mir zu. Zumindest schwenkte er nicht mehr nervös vor und zurück. "Das ist der Grund wegen dem ich keine Medikamente nehme. Sie verschleiern nur alles, sie setzen einen in ein künstliches Koma, damit all die Normalen um dich herrum sich nicht mit dir ausseinandersetzen müssen. Ich glaube, ich hatte mit ihnen angefangen, als ich vier oder fünf Jahre alt war. Die Wirkung hat öfters nachgelassen glaube ich, deshalb bekam ich immer neue, stärkere. Das letzte Mal nachgelassen hatten sie gerade nachdem ich 15 geworden bin. Mein Arzt war im Urlaub und die Tabletten bekam man nur gegen Atest. Ich lebte eine Weile ohne sie und bekam zum ersten Mal mit, wie eingeschläfert ich war." Beim Gedanken an die Zeit wurde ich wütend und ich gestikulierte energisch vor mich hin. "Zu dieser Zeit redete ich oft mit Ruvik allein, in meinem Zimmer. Meine Eltern mochten es nicht, das ihr Kind plötzlich wieder anstrengend wurde. Also beschafften sie mir wieder Tabletten. Ich wollte mir den Stress sparen und hab so getan als würde ich sie nehmen, aber sie fanden es irgendwann raus. Darauf folgten viele Wochen voll Geschrei und Tränen, letzteres größtenteils von meinem kleinen Bruder, Peter. Sie versuchten mir das Zeug ins Essen zu schmuggeln, aber für wie blöd haben die mich gehalten? Ich hab doch mitbekommen das ich nach dem Essen plötzlich nicht mehr denken konnte." Ich seufzte und spürte Ruvik hinter mir. Mir fiel plötzlich kein besonderer Grund ein warum ich Pascha das erzählte. Ruvik mochte es nicht wenn ich soetwas ohne Grund rausplauderte. Also versuchte ich die Situation irgendwie zu retten. "Deshalb sollte man aufhören Medikamente zu nehmen, Pascha. Auch du. Sie werden dir nur von der Außenwelt aufgedrängt damit du aufhörst anstrengend zu sein." Ich weiß nicht ob Ruvik mir das abkauft, aber ich hoffe. Wenn er das tut, erspar ich mir einiges. "Setzt du ihm gerade Flusen in den Kopf, Alice?" fragt Stephens Stimme hinter mir. "Ich glaube das heißt Flausen." antwortete ich und drehe mich um. Kein Ruvik, bemerke ich verwirrt. "Was willst du denn jetzt mit Flausen?" fragt er. Kurz frage ich mich selbst, ob ich diese Diskussion jetzt anfangen will, entscheide mich dann aber mit einer wegwerfenden Handbewegung dagegen. Stephen schaut mich kurz an, dann scheint er zu akzeptieren das ich nicht weiter drüber reden will und setzt sich. Nach dem Mittagessen, wir sitzen immernoch unsinnig im Speiseraum rum, muss ich wieder daran denken. Hauptsächlich, weil Stephen mit seinen Kumpanen beschäftigt ist und ich keine Lust habe mich irgendwie am Gespräch zu besteiligen. Als ich vom leeren Teller aufblicke, sitzt mir gegenüber Ruvik und mustert mich abschätzig. "Du denkst viel zu viel darüber nach." meint er. "Warum sollte ich nicht? Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens, Ruvik, wenn nicht sogar der Wichtigeste in unser beider." Um uns herrum blieb plötzlich alles stehen. Hinter Ruvik erkenne ich am Rande, wie jemand gerade mit dm Ellenbogen sein Glas runter wirft. Orangensaft oder Limo, tippe ich. Im selben Moment frage ich mich warum einem das gehirn in einer Stresssituation immer die unnötigesten Sachen vorwirft. Wieder sehe ich Ruvik an. Seine Augen sind voller Wut und Abscheu, und all das galt mir. "Das war deine Schuld." sagte er mit eiskalter Stimme und von ihm ging ein pulswelle aus, die alles um uns herrum wackeln lies, wie bei einem Sturm. Das Besteck klapperte auf den Tischen, die Fenster wachelten und ich hatte sogar das gefühl das sich den Boden verschob. Ich bekam Angst. Wirkliche Angst, in der man nicht weiß ob man fliehen soll oder still sitzen und hoffen das es einen nicht sieht. Aber er sah mich. Und egal wo ich hinrennen würde, er würde mich finden. Mein Herz klopfte so laut das ich meinte jeder könnte es hören. "Es ist deine Schuld, dass wir hier sind." schrie er mich an, stand ruckartig auf und warf den Tisch um. Rechts von mir konnte ich hörten wie das Geschirr zersprang. "GANZ ALLEIN DEINE!" schrie er und die nächste Pulswelle riss mich nach hinten um. Währedn ich mi den Kopf auf dem Boden aufkam, bildete sich eine Antwort auf die Frage der Angst. Fliehen! Mein Kopf brummte immernoch als ich mich vom Stuhl runterdrehte, auf alle vier kam und versuchte so schnell wie möglich von hier weg zu kommen. Zuerst kroch ich, dann krabelte ich und zuletzt kam ich stolpernd auf die Beine und rannte. Eine weitere puls welle brachte mich aus dem Gleichgewicht und stieß mich an die Tür, ich hörte wie neben meinem Kopf das Glas zersprang und spürte wie einige Scherben meine Wange zerkratzen, bevor ich die Türklinke zu fassen bekam. Dann rannte ich den Glaskorridor entlang, zu nächsten Tür, aber die schien sich mit jeder Welle weiter nach hinten zu verschieben. Aber je weiter ich von ihm wegkam, je schneller ich rannte, desto schwacher wurden sie. Er schrie immernoch, wütete hinter mir und zerstörte alles, was ihm nahekam. "Du bist Schuld das wir hier festsitzen!" Ich hätte mich gern entschuldigt, aber mein Gehirn war gefüllt mit anderem. Denn ich war fast an der Tür. Hinter mir stieß er ein bestalisches Brüllen aus und das Glas um mich herrum zesprang in tausend Scherben die Klirrend zu Boden fielen. Mein Körper schaltete schneller als mein Kopf, kies von der Tür ab und sprang nach links, vom Korridor runter. Ich flog, merh als ich fiel, durch eine weitere Welle, wurde mitgerissen, und wurde an die Hauswand, durch das nächste Fenster geschleudert. Ich lag da, am Boden und konnte mich kurze Zeit nicht mehr bewegen. Meine Sicht verschwamm, ich keuchte und spürte er nach und nach den stechenden Schmerz der Scherben in meinem Rücken. Mein eigener Herzschlag drohnte in meinem Ohren und ich spürte wie Blut mir den Rücken runterran. Ich drehte mich um und stütze mich auf meine Unterarme, um wieder aufzustehen. Scherben zerschnitten mein Fleisch und lief mir heiß am nackten Arm herrunter als ich mich endlich aufrichtete. Ich stieß ein Wimmern aus. Oh Gott, es tat so weh. Ich erlangte meine Sinne zurück, so gut es eben ging und sah mich nach einem Versteck oder einer weiteren Fluchtmöglichkeit um. Ich kannte diesen Raum nicht, aber er sah ein bisschen aus wie ein Sekräteriat oder ein Büro. Überall standen kreuz und quer massive Holztische und überall flogen durch den Wind des Fensters Dokumente rum. Es gab weitere Fenster, allerdings schien ich plötzlich im 5. Stock zu sein. Recht an der Wand war eine große, dunkel angestrichene Tür, die wahrscheinlich auf den Gang führte und auf der anderen Seite des Raumes gab es noch eine, eher unscheinbare. Wieder wackelte alles von einem weitern Puls und ich verlor das Gleichgewicht und musste mich auf den Boden setzen. Verdammt, ich bin zu schwach um noch weiter zu fliehen, ich habe zu viel Blut verloren. Die Wellen kammen häufiger und wurden stärker. Er kam näher, aber er hatte aufgehört zu schreien. Kapitel 17: ------------ Auf einmal hörten sie auf. Ich wusste nicht ob ich aufatmen sollte, oder lieber noch angespannter sein, bis ich draußen Schritte hörte. Nackte, verbrannte Füße auf dem glatten Mamor. Dann öffnete er langsam und bedächtig die Tür. Ich sah es nicht, da ich immernoch hinter einem der Schreibtische hockte, aber ich hörte es. Und ich hörte auf wie seine Füße das packet unter ihm knarzen ließen. Ich spürte wie er den Mund öffnete um etwas zu sagen, aber es sich dagegen entschied. Seine Stimme hallte nur in meinem Kopf wieder. "Ich finde dich." Dann kappte er die Verbindung. Ich fühlte mich noch unsicherer als ich es sowieso schon tat. Als hätte er mir einen meiner Sinne genommen. Ich spürte nicht mehr, wo er war. Ich konnte nur noch das Knarren des Packets hören. Aber ihm machte es anscheinend wieder Spaß, denn er gab mir immerwieder Hinweise. Er trat gegen einen Stuhl oder warf ein paar Zettel runter. Ok, dachte ich, du hast zwei Möglichkeiten. Erstens, du versuchst hinter ihn zu kommen und fliehst weiter durch die Tür auf den Gang, oder du schleichst zur anderen Tür und lässt dich überraschen, was dahinter ist. Ich zwang mich auf meine Füße und spähte zur großen Tür und zu ihm. Nein, das ist zu wenig Deckung. Er würde mich sehen, wenn ich nicht schnell genug war, und wenn ich schnell war würde er mich hören. Die andere Tür also. Ich kroch hinter den Schreibtischen entlang, von einem zum anderen immer wenn er sich umgedreht hatte. Ich versuchte so leise wie möglich auf dem alten packet zu laufen, und er schien mich durch seine eigenen lauten schritte tatsächlich nicht zu hören. Bei jedem mal, wenn er einen Stuhl beiseite schiebt oder etwas von einem Tisch fallen lässt, bleibt mein Herz fast stehen- und ein Mal, ich war gefährlich nah an ihm dran und versteckte mich hinter dem einzigem Hindernis zwischen uns, drehte er sich plötzlich um und lief auf mich zu. Ich krabbelte weiter in den Fußraum des Schreibtisches und zog meine Beine an zu weit es ging. Von meinem bescheidenen Blickfeld aus sah ich seinen Fuß, der neben mir auf den Boden aufkam und hielt die Luft an. Mein Herz pochte so laut in meinen Ohren das ich fürchtete er würde es hören, aber er ließ ein weiteres Dokument fallen und drehte sich dann wieder um. Ich verharrte dort noch ein bisschen bis ich ganz sicher war, das er nicht dort stand und auf mich wartete, bevor ich mich wieder aufrichtete um meinen weg fortzusetzen. Da bemerkte ich, das ich auf dem Boden eine Blutspur hinterließ. Theoretisch brauchte er nur der Blutspur zu folgen um mich zu finden. Oh, Gott. Oh, gott, oh gott, oh gott! Ich fiel mir schwer zu glauben, dass er das nicht bedacht hatte, aber anscheinend hatte er es wirklich nicht. Oder er blendet es aus, denke ich, um es spannender zu machen. Eine leicht zu fangende Beute macht keinen Spaß. Kurz vor der Tür fiel mir auf, das ich das diese noch geschlossen war. Es war der letzte Schreibtisch vor der Tür und sie lag nur noch einen meter von dessen Rand entfehrnt. Noch einen Kotrollblick über die Schulter werfend, streckte ich meine Hand der Klinke entgegen. Ich spürte das kalte, glatte Metall in meiner Hand und zog es runter. Die Tür öffnete sich leicht und ohne quitschen und ich lobpreiste den Herren für seine Unendliche güte. Als ich gerade erwog wirkich in die Kirche zu gehen stoppte die Tür mit einem lauten einrastenden Quitschen. oh fuck- in meinem Kopf bildete sich nur noch eine unendliche Litanei aus einem immer schneller werdenden oh fuck, oh fuck, oh fuck, o fuck, o fuck, während ich mit all meiner Kraft an der Tür rumriss, unfähig mich umzudrehen. Ich wusste, das er das quitschen gehört hatte, und ich wusste das er auf mich zukam. Immer heftiger riss ich an der Tür und stemmte meine Füße gegen den Boden. Ich hörte ihn hinter mir, das platschen seiner Füße auf meiner Blutspur und plötzlich schwenkte die Tür weiter auf. Ich, mein Glück kaum fassen können, stürzte in den Raum, zog die Tür hinter mir zu und schloss mit zitternden Händen Die Tür ab. Dann lies ich mich, eher unbewusst, nach hinten fallen und kroch von der Tür weg, bis ich an einen Widerstand stoß. Ich war gefangen. Ich war in einer Besenkammer gefangen. Oh, gott. Ich bemerkte die Nässe auf meinen Wangen und fand, dass es jetzt keinen Grund mehr gab, weitere Tränen zurückzuhalten. Ich hörte ich draußen, gegen die Tür tretten, schreien und irgendwelche Dinge mit solcher Wucht dagegen werfen das die Tür sich bog. Bei jedem Mal wimmerte ich auf und ich weigerte mich die Tür länger anzusehen, indem ich mein Geishct in meinen blutüberzogenen Händen verbarg. "MACH DIE VERDAMMTE TÜR AUF!" schrie er und schlug dagegen. Immer und immer wieder. Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, schien er sich schwer atmend zu beruhigen. Ich wagte es, wieder auzusehen. In der Tür sah ich kleine Holzsplitter, die durch die Wucht der Schläge abstanden. Er fing sich wieder und lehnte sich mit den Ellenboden gegen die Tür, er stellte unsere Verbindung wieder her. "Alice, komm raus. Bitte, wir beide wissen das das nichts bringt. Also komm schon." flüsterte er mit sanfter Stimme. "N-Nein." brachte ich mit zittriger Stimme herraus. "Warum denn nicht? Komm schon, kleine Alice, komm raus und ich vergesse das du dich mir widersetzt hast." versicherte er mir. Er lehnte seine Stirn an die Tür. Ich schüttelte mit dem Kopf, auch wenn mir klar wurde, das er es nicht sehen kann. Aber ich glaubte, er spürte es. "Wenn du die Tür aufmachst, werde ich dir nicht wehtun, Alice. Weißt du, ich werd dich in den Arm nehmen. Ich werde dir durch Haar streichen und dich trösten, so wie früher. Weißt du noch?" Ich zog meine Beine näher an ich herran und legte meinen Kopf darauf. "Damals, als Robert Dalan dich immer mit Eisbällen abgeworfen hat? Als er dich immer so lange in den Schnee gehalten hat, bis du keine Luft mehr bekommen hast? Oder als er dich in den Teich geworfen hat, mitten im Winter?" "Hör auf..." flehte ich leise, aber er hörte mich nicht. "Gott, dass Wasser war so schrecklich kalt. Es hat richtig gestochen. Du hast versucht nach oben zu kommen aber du konntest nicht schwimmen. Außerdem hatte sich keine Jacke bereits mit Wasser vollgesogen und du wurdest runtergezogen. Weißt du noch? Du hast versucht zu schreien, aber du hast bloß wertvolle Luft vergeudet. Niemand konnte dich hören." Ich zitterte und spürte die Kälte wieder, wie sie in meine Haut stach. Ich konnte nicht mehr atmen, ich konnte nicht schreien. "Nur ich. Ich allen, war da um dir zu helfen. Wer hat dich aus dem Wasser gezogen, Alice?" "... Mein V-Vater." antwortete ich mit zittriger Stimme. Ich wusste das es die falsche Antwort war. "NEIN! NEIN, NEIN, NEIN!! Das war ich! ICH! Und ich allein!" schrie er wieder und schlug wieder mit solcher Wuchte gegen die Tür, dass ein paar Splitter vor mir auf dem Boden fielen. "Ich! ICH! Und ich war der Einzige!" Ein neuer Schwall Tränen überkam mich. "UND DU! Du hast mich VERGESSEN! Du. Hast. Mich. Vergessen. Du hast diese- diese Pillen geschluckt und mich ausradiert! Du hast mich fast umgebracht! Umgebracht! Alles nur, weil deine ach so wunderbaren Eltern es gesagt haben!" Er schnaufte und sprch leiser weiter. "Und wie haben sie es dir gedankt? Sie haben dich vergessen. Wegrationalisiert, als sie ihr eigenes Kind hatten. Den süßen, kleinen Peter." "Bitte, hör auf-" "Oh, du willst das ich aufhöre? Du willst das ich gehe? Willst du mich wieder Vergessen?! So funktioniert das leider nicht, kleine Alice. Wenn ich gehe, gibt es niemaden mehr, der dich vor dir selbst beschützt. Das wird dein eigener Wahnsinn dich zerfressen." Er machte eine Pause. Dann redete er mit einer samtweichen Stimme. "Ich verspreche dir, das ich dir nichts tun werde. Mach die Tür auf, Alice." Ich stand auf und hörte wie das Schloss zurückrastete. Dann öffnete ich die Tür und sah zu Boden. "Gutes Mädchen." lobte er mich und breitete seine Arme aus. "Komm her." Ich lief in seine Umarmung und lies mich fallen. Er setzte sich mit mir auf dem Boden und wiegte mich fast in seinen Armen, wie ein kleines Kind. "Du wirst mich nie wieder verlassen. Du wirst dich niemals wieder gegen mich wenden. Du wirst mich nie wieder vergessen. Vestanden, Alice?" fragte er und zwang mich ihn anzusehen. Als ihc nicht antwortete fragte er noch einmal eindringlicher. "Hast du mich verstanden, Alice?" Ich brahcte nur noch ein zitterndes Ja herraus, bevor ich mich wieder in seine Arme zog und mein Gesicht versteckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)