Mörderische Goldgier von Anmiwin ("Geliebter Blutsbruder"- Teil II) ================================================================================ Kapitel 40: Rot und Weiß auf Reisen ----------------------------------- Als Winnetou jetzt aufsaß, richteten sich sogleich fast alle Augen auf ihn. Es war aber auch ein zu schönes Bild, wie er mit seinem schwarzen Hengst sofort zu einer Einheit verschmolz - ein stolzes, beinahe majestätisches und wirklich prachtvolles Bild. Iltschi hatte zunächst stocksteif dagestanden, war er doch von Winnetou selbst in die beste indianische Schulung genommen worden, so dass er nichts tat, was sein Herr ihm nicht erlaubt hätte. Und doch schien der Rappe zu spüren, dass es jetzt wieder auf eine größere Reise ging und somit auch sein langweiliges Dasein in dem kleinen Tal, in dem sich das rassige Tier niemals richtig hatte austoben können, dem Ende zuging. Kaum aber hatte Winnetou nun den Druck seiner Schenkel etwas gelockert und dem Hengst somit ein wenig mehr Freiheit zugestanden, da begann der Rappe auch schon, nervös umherzutänzeln, erst nur ein wenig, dann immer mehr, was schließlich in ein paar verrückten Bocksprüngen gipfelte und letztlich mit einem Satz endete, bei dem sich alle vier Beine des Tieres gleichzeitig in der Luft befanden. Hatatitla erging es nicht anders, und da ich ihm auch nicht von vornherein Einhalt gebot, sah er sich jetzt genötigt, es seinem Bruder gleichzutun und mich mit seiner Herumtollerei schnell gehörig ins Schwitzen zu bringen. Dieser Anblick löste bei fast allen Beteiligten einen ordentlichen Heiterkeitsausbruch aus, und auch Winnetou konnte sich eines Lächelns nicht mehr erwehren, während er seinem Iltschi noch einige Sekunden lang dessen Willen ließ. Das nutzte dieser jetzt auch noch einmal ausgiebig aus und vollführte dabei ein paar solch halsbrecherische Sprünge, dass sich die Mimik des Doktors vor Sorge verdunkelte. Mein Freund bemerkte dessen aufkommende Besorgnis und zwang den Hengst sogleich zur Ruhe. Bloß nicht schon direkt am Anfang den Arzt dessen Erlaubnis für die Reise bereuen lassen! Übrigens hatte es kurz zuvor noch eine Überraschung gegeben, die für die meisten Weißen einen nicht enden wollenden Freudenausbruch zur Folge gehabt hätte, bei meinem Blutsbruder aber nur geringe Beachtung fand: Seine beiden Säckchen mit den Nuggets waren wieder aufgetaucht! Kurz vor dem geplanten Aufbruch hatten nochmals einige Späher der Apatschen das Gelände rund um die Festung auf eventuelle Gefahren durch Mensch oder Tier überprüft, aber nichts Außergewöhnliches gefunden – bis auf das von Thomson geraubte und ganz in der Nähe versteckte Gold! Das Edelmetall war so nahe bei der Festung vergraben gewesen, dass niemand vorher auf die Idee gekommen wäre, schon hier zu suchen, und auch jetzt war es nur einem dummen Zufall zu verdanken gewesen, dass sie gefunden werden konnten. Winnetou reagierte, wie schon erwähnt, recht gleichgültig auf den Fund - ganz anders aber Wayne Thomson! Der gewissenlose Verbrecher hatte wohl bis zuletzt die Hoffnung gehabt, irgendwann doch noch einmal die Freiheit wiederzugewinnen, so dass er sich dann das Gold hätte holen und sich damit ein schönes Leben hätte machen können. Diese Chance war nun für immer dahin, und das vor Zorn tiefrote Gesicht des Erzschurken, der offenbar wie ein Vulkan kurz vor einem fulminanten Wutausbruch stand, war schon sehr reizvoll anzusehen und amüsierte mich wirklich sehr! Als unsere Tiere sich endgültig beruhigt und der lange Tross eine gewisse Ordnung angenommen hatte, kam endlich Bewegung in die Reiterschar. Entgegen unserer sonstigen Gewohnheit setzten mein Blutsbruder und ich uns dieses Mal nicht an die Spitze des Zuges – das übernahmen Til Lata und Entschah-koh - sondern ritten inmitten eines Pulkes aus Westmännern und Apatschen. Diese beiden Gruppen blieben nämlich nicht gesondert für sich, wie es meistens bei der Begegnung zwischen Weißen und Roten geschah, sondern ritten wild durcheinander. Auf Helmers Home war das auch schon so gewesen, und viele der Westmänner hatten dort sogar enge freundschaftliche Beziehungen zu den Mescaleros aufgebaut, so dass es nach der Ankunft unserer weißen Freunde in der Festung mehrere freudige Wiedersehens-Szenen gegeben hatte. All diese Krieger und Jäger scharrten sich jetzt um Winnetou und mich, und das geschah nur aus dem einzigen Grund: dem Häuptling so viel Schutz wie nur möglich zu bieten. Wir alle konnten uns zwar sagen, dass sich mein Freund im Falle eines Angriffs in seinem jetzigen Zustand durchaus selbst würde verteidigen können, aber das könnte fatale Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand haben und alle bisher erzielten Erfolge mit einem Schlag zunichte machen, so dass es eine solche Situation unter allen Umständen zu vermeiden galt. Unter großem Hallo, lauten Abschiedsrufen und dem wild durcheinandergehenden Geschrei, mit dem die Männer ihre Pferde antrieben, bewegte sich der Zug nun aus dem Tal heraus, was natürlich einiges an Zeit kostete, da der Tunnel zu dem eigentlichen Ausgang aufgrund seiner Enge uns zwang, im Schritttempo hintereinander zu reiten. Auch die die Festung umgebende Bergwelt ließ ein schnelles Traben oder gar Galoppieren nicht zu, doch die unglaublich schöne Natur entschädigte uns mit ihren großartigen und schnell wechselnden Schauspielen dafür ungemein. Ein ums andere Mal ertappte ich mich dabei, wie sich meine Blicke staunend in dem Anblick der verschiedenen kalkweißen Felsformationen samt ihren Kleidern aus dunkelgrünen, in der Sonne samtig schimmernden Wäldern verloren und ich bei einer Ansprache durch die Gefährten nur sehr schwer wieder in die Wirklichkeit zurückfand. Auch Winnetou konnte ich deutlich ansehen, wie sehr er seine neu errungene Freiheit und die Schönheit der Bergwelt mit allen Sinnen genoss. Oftmals ließ er seinen Kopf in den Nacken sinken, schloss die Augen und empfing die wärmenden Sonnenstrahlen mit sichtbarer Wonne auf seinem Gesicht, ein Anblick, für den alleine sich für mich diese Reise schon lohnte. Zwischendurch warf ich immer mal wieder einen Blick nach hinten, um die drei Gefangenen zu beobachten. Fast musste man den Eindruck gewinnen, als ob selbst der eiskalte Verbrecher Thomson positive Gefühle für die ihn umgebende Natur zu entwickeln begann, denn er reckte und streckte sich genüsslich auf seinem altersschwachen Gaul – dem man ihm natürlich mit Absicht untergeschoben hatte – soweit es seine Fesseln zuließen, und machte einen beinahe zufriedenen Eindruck; selbst der Ärger über das verlorene Gold schien mittlerweile vergessen. Aber das war eigentlich auch kein Wunder – der Mann hatte beinahe acht volle Wochen stramm gefesselt in einer dunklen und feuchten Kammer zugebracht, deren Innerstes das Sonnenlicht nie erreicht hatte, und daher musste ihm die hier herrschende Helligkeit und Wärme sowie die wunderbar klare Luft wie das wahre Paradies vorkommen. Die drei Ganoven waren natürlich die ganze Zeit über den strengen Blicken der Apatschen ausgesetzt, die sofort die Kolben ihrer Gewehre einsetzten, sobald einer der Schurken eine Bewegung tat, die seine Bewacher nicht guthießen. Unter diesen Umständen brauchten die drei an eine Flucht gar nicht zu denken, zumal ihnen die Füße unter dem Bauch ihrer alternden Pferde zusammengebunden worden waren, während man die Zügel der Gäule mittels langer Lederriemen miteinander verknüpft hatte und gleichzeitig diese noch einmal mit weiteren Riemen an den Handgelenken der sie bewachenden Mescaleros befestigt waren. Zu guter Letzt wurden die Verbrecher von mindesten sechs Indianern zu Pferd umrundet, so dass es ihnen noch nicht einmal möglich war, miteinander zu sprechen, geschweige denn nebeneinander her zu reiten, wodurch jeder Versuch zum Schmieden eines möglichen Fluchtplanes von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Dreiviertel des Tages ritten wir durch die wilde Schönheit der ursprünglichen Bergwelt, bis die schroffen Gipfel allmählich in sanftere Hügel übergingen und diese dann gegen Abend in die endlose Weite der Prärie ausliefen. Ab jetzt änderte sich auch unsere Zugformation. Wir ritten nicht mehr zu zweit oder höchstens zu dritt nebeneinander, was in der engen Bergwelt ja gar nicht anders möglich gewesen war, sondern bildeten größere Trupps, so dass man mit mehreren Gefährten gleichzeitig lockere Gespräche führen konnte. Das war natürlich nur möglich, weil unsere Prozession von allen vier Seiten durch genügend Späher abgesichert wurde, so dass wir sicher sein konnten, dass uns keine überraschende Gefahr drohen würde. Als der Boden ebener wurde, verfielen wir in eine schnellere Gangart, und nachdem die ersten sich im Wind wiegenden Gräser der Prärie die Hufe unserer Pferde umspielten, stieß Winnetou einen wilden Kriegsschrei aus und jagte mit einem Mal im halsbrecherischen Tempo davon. Auch Iltschi ließ vor lauter Begeisterung, endlich einmal wieder seine Schnelligkeit unter Beweis stellen zu können, ein lautes Wiehern hören und machte dann seinem Namen alle Ehre: Schon nach wenigen Sekunden konnte man Ross und Reiter nur noch als dunkle Silhouette wie ein Sturmwind am Horizont dahin brausen sehen. Ich brauchte Hatatitla gar nicht erst anzutreiben, denn der Hengst hatte nur darauf gewartet, es seinem Bruder gleichtun zu dürfen und wie der Blitz auf die Ebene hinauszujagen. Ich ließ ihm natürlich seinen Willen und hielt mich währenddessen diagonal zu Winnetou etwas südöstlich, so dass ich langsam aber sicher zu ihm aufschließen konnte – und dann ließen wir unsere herrlichen Rappen weit ausgreifen, während ich mich an dem glückseligen Gesicht meines Freundes weidete und gar nicht richtig satt sehen konnte. Erst als es allmählich zu dunkeln begann, kehrten wir wieder zu den Unsrigen zurück, die sich auch keinerlei Sorgen gemacht hatten, da sie wussten, dass wir uns immer nur innerhalb des Kreises aufgehalten hatten, den unsere Späher um den großen Reitertross geschlossen hatten. Der größte Kundschaftertrupp, der immer voraus geritten war, hatte schon einen für so viele Menschen und Tiere geeigneten Lagerplatz ausgemacht, der von einem Teil der Späher gerade hergerichtet wurde, als wir anderen eintrafen. Schnell beteiligten sich alle, die nicht die Bewachung des Lagers oder der Gefangenen zur Aufgabe hatten, an den anfallenden Arbeiten, sei es das Jagen, das Zubereiten der Mahlzeiten oder auch nur das Suchen von Feuerholz. Einzig Winnetou wurde jegliche Arbeit von vornherein verboten, nicht nur von Hendrick, sondern in aller Entschiedenheit auch von seinen Jugendfreunden und stellvertretenden Häuptlingen – und aus Solidarität wurde mir auch direkt die gleiche Weisung erteilt. Um den anderen nicht bei der Arbeit zusehen zu müssen, wobei wir uns unweigerlich ziemlich nutzlos vorgekommen wären, und um ihnen nicht im Weg zu sein, begaben sich mein Blutsbruder und ich an den klaren, hellen Bach, der sich ungefähr fünfzig Schritte entfernt vom Lager durch das wogende Gras schlängelte. Wir freuten uns darauf, ein ausgiebiges Bad nehmen zu können, um uns von dem Staub der Reise zu befreien und das kühle Nass nach der Hitze des Tages zu genießen. Dabei musste ich zusehen, dass ich meinem Freund nicht zu nahe kam, denn allein seine im samtigen Bronzeton schimmernde Haut, die im Licht der Abendsonne erglänzte und von den einzelnen Wassertropfen wie mit strahlenden Diamanten bespickt schien, war eine einzige Versuchung und forderte meine ganze Selbstbeherrschung heraus, nicht einfach über ihn herzufallen. Ich getraute mich allerdings auch nicht so recht, mich einfach ans Ufer zu legen und die Augen zu schließen, denn ich kannte ja mittlerweile Winnetous Vorliebe, mich unverhofft mit kaltem Wasser zu übergießen und wollte ihn dazu nicht auch noch einladen. Doch noch während ich im kniehohen Wasser stand und überlegte, wohin ich mich wenden sollte, hatte mein geliebter Freund sich schon etwas Neues einfallen lassen. Unbemerkt von mir war er hinter mir weggetaucht, näherte sich jetzt unter Wasser von der Seite her, wo ich ihn ebenfalls nicht im Blick haben konnte – und schon hatte er mich bei den Knöcheln gepackt und mir mit einem Ruck buchstäblich den Boden unter den Füßen weggezogen, so dass ich vornüber der Länge nach ins Wasser klatschte. Kaum war ich hustend und spuckend wieder hochgekommen, sah ich mich suchend nach der Ursache der Attacke um – und gewahrte meinen Blutsbruder, der schon wieder am Ufer saß und sich buchstäblich ausschüttete vor Lachen. Ihn so herrlich unbeschwert, ja, beinahe ausgelassen zu erleben, war ein einziger Genuss und mit Sicherheit auch seiner heute neu eroberten Freiheit geschuldet. Dieses wahrhaft seltene Bild von ihm war wiederum so köstlich, dass ich minutenlang wie festgewurzelt stehenblieb, um ihn lächelnd und gleichzeitig völlig fasziniert zu beobachten. Leider beruhigte sich mein Freund wieder viel zu schnell, als dass ich mich an diesem Anblick hätte wirklich sattsehen können. So gerne hätte ich jetzt mein vor Liebe zu ihm überquellendes Herz eng an seiner Seite sprechen lassen, aber hier, mit fast neunzig Menschen in der Nähe, konnte davon natürlich überhaupt keine Rede sein. Also riss ich mich so weit wie nur irgend möglich zusammen und beendete mein gemeinsames Bad mit dem Apatschen mit der gebotenen Sitte und Anstand. Nach einem beinahe fürstlichen Abendmahl, an dem sich neben einigen Mescaleros auch Dick Hammerdull, der Bärenjäger Baumann sowie der Lange Davy ausgetobt hatten – von denen sich gerade Dick in den letzten Jahren trotz der spärlichen Möglichkeiten im Wilden Westen zu einem wahren Meisterkoch entwickelt hatte – legten wir uns schnell zur Ruhe. Winnetou war natürlich wieder von vornherein von der Wache ausgenommen worden, und sämtliche Gefährten hatte einstimmig darüber entschieden, dass ich ihm lieber Gesellschaft leisten sollte, bevor ich mir noch zusätzlich zu den vielen hervorragenden Westmännern und Apatschen mehr oder weniger unnötig die Nacht um die Ohren schlug. Diese Regelung sollte zumindest bis zum Rande des Llano gelten, da dort ganz in der Nähe das Gebiet der Comanchen begann und man dann auf keinen fähigen Mann mehr verzichten würde wollen. In den nächsten Tagen geschah nichts Außergewöhnliches, so dass fast alle Mitglieder unserer Reisegesellschaft die Freiheit und die scheinbar unendliche Weite der Prärie nach der Enge des Tales sehr genossen. Wenn ich sage, fast alle, so schließe ich allerdings hier die drei Gefangenen definitiv aus. War es am Anfang noch so gewesen, dass Thomson diesen Ritt ebenfalls beinahe schon zu genießen schien, wurde er jetzt von Tag zu Tag immer missmutiger und übellauniger, was sich auch dahingehend äußerte, dass er unter anderem bei jedem Fehltritt seines Pferdes wie ein Rohrspatz zu schimpfen begann, woraufhin er meistens in eine endlos scheinende Litanei aus den schrecklichsten Flüchen verfiel. Dabei wurde er immer lauter und seine Ausdrücke immer widerwärtiger, bis ihm einer der ihn bewachenden Apatschen mit seinem Gewehrkolben einen tüchtigen Schlag versetzte, der den Ganoven sofort verstummen ließ. Diese Wutausbrüche wurden trotzdem immer häufiger und fanden bei jedem noch so geringen Anlass statt. Mal war es ihm zu heiß oder zu windig, dann schnitten ihm die Fesseln ständig in die Handgelenke, ein anderes Mal wiederum wetterte er über das schlechte Essen – und das, obwohl seine Mahlzeiten seit Beginn seiner Gefangenschaft immer die gleichen geblieben waren: Pemmikan in allen möglichen Variationen. Aber niemals kam er in den Genuss des leckeren Wildbrets, mit welchem wir anderen Abend für Abend verwöhnt wurden, so dass er während unseres Nachtmahls regelmäßig vor Wut zu kochen begann und zumindest uns Weiße damit einen Lachanfall nach dem anderen bescherte. Trotzdem beobachteten Winnetou und ich ihn nach einiger Zeit noch etwas genauer, denn diese Wutausbrüche erschienen uns doch sehr suspekt, vor allem aber einfach nur grundlos und völlig aus der Luft gegriffen. Und daher fiel uns auch recht schnell auf, dass der Schurke sich sehr oft nach allen Seiten hin umsah. Vor allem dann, wenn wir größere Buschgruppen oder die hier sehr spärlich vorkommenden Waldgebiete passierten – was allerdings immer in größerer Entfernung geschah, damit wir nicht aus dem Hinterhalt angegriffen werden konnten – bohrten sich Thomsons Blicke regelrecht in das Dickicht. Hoffte er etwa auf Hilfe von irgendwelchen Gefährten, die uns unbekannt waren? Seine am Überfall beteiligten Kumpane waren doch bis auf seine beiden Leidensgenossen alle im Kampf gefallen, und die anderen Schurken, mit denen er ganz zu Anfang der Reise der Goldsucher dieselben gefangen genommen hatte, sollten jetzt eigentlich in einem dunklen Verlies in Fort Summer schmoren. Doch auf wen konnte er denn sonst warten? Wir teilten unsere Vermutung sofort den anderen mit, natürlich ohne dass es der Bastard mitbekam, und das veranlasste Westmänner wie Apatschen auch sogleich zu erhöhter Vorsicht, so dass die Spähtrupps gerade in der Nähe von undurchsichtigem Gelände verdoppelt wurden. Doch mit jedem Tag, an dem nichts geschah, wurde die Laune des Verbrechers miserabler und seine Schimpftiraden häufiger und lauter, was seine Bewacher immer öfter ihre Gewehrkolben zum Einsatz bringen ließ, da ihnen seine Flüche einfach zuwider waren. Wenn das so weiterging, würde ich glatt aufpassen müssen, dass wir den Dreckskerl noch in einem Stück zum Pueblo bekamen, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen! Bis auf diese kleinen Zwischenfälle ging es auf unserer Reise sehr ruhig und harmonisch zu. Vor allem Winnetou schien der ausgedehnte Ritt durch die herrliche Natur äußerst gut zu tun – man konnte förmlich zusehen, wie er sich mehr und mehr erholte. Trotzdem behielt sein Äußeres weiterhin diesen durchscheinenden und zerbrechlich wirkenden Ausdruck, seine Gestalt blieb schmal, was der Doktor immer als äußeres Zeichen für die weiterhin vorhandene Herzmuskelentzündung wertete und nicht müde wurde, uns diesen Umstand vor Augen zu halten, damit wir auf keinen Fall übermütig wurden. Ansonsten boten sich viele Gelegenheiten für lange Gespräche mit den anderen Westmännern, zu denen wir in früheren Zeiten nur selten so viel Zeit übrig gehabt hatten. Gerade der Hobble Frank machte seinem Ruf als wirrer Erzähler alle Ehre, vor allem dann, wenn er in seine Muttersprache überging und aus vollem Herzen sächselte. Einige unserer Gefährten stammten ja ebenfalls aus Deutschland, und diese Männer wirkten an manchen Abenden so, als würden sie unter einem heftigen Bauchmuskelkater leiden, so sehr brachte der Frank sie zum Lachen, allerdings eher gegen seinen Willen – für ihn waren diese Gespräche nun einmal hochwissenschaftlicher Natur, und er war überzeugt, dass er der Einzige weit und breit war, der sich auf diesem hohen Niveau überhaupt unterhalten konnte. Und dabei brachte er in seinen Reden alles nur Menschenmögliche durcheinander und verwechselte ständig historische Orte, Personen und Zitate auf eine Weise, aus der dann ein unmögliches Kauderwelsch hervorging, was auch mir ein übers andere Mal die Lachtränen in die Augen trieb. Winnetou verstand nur wenig deutsch, und das Sächsische war ihm natürlich völlig unbekannt, so dass er kein Wort von den Verrücktheiten verstand, die der Frank so von sich gab – aber allein die Tatsache, dass ich mich manchmal wirklich ausschüttete vor Lachen, zauberten ihm ein übers andere Mal ein Lächeln ins Gesicht, und ich konnte des Öfteren bemerken, dass er mich in solchen Momenten beinahe versonnen beobachtete. Am sechsten Abend unserer Reise fasste ich endlich einmal die Gelegenheit beim Schopfe und setzte mich zu den Butterfields, die zu diesem Zeitpunkt, wie beinahe an jedem Tag, etwas abseits vom Feuer zusammen hockten und offenbar eifrig dabei waren, wunderbare Pläne für die Zukunft ihrer Familie zu schmieden. Sie wirkten dabei locker und gelöst, und man spürte deutlich die Freude, die sie beherrschte, wenn sie an das große Glück dachten, was in Form ihres neuen Reichtums den Ihrigen zuteil werden würde. Als sie meiner gewahr wurde und bemerkten, dass ich direkt auf sie zuhielt, war es mit der zuvor guten Stimmung aber schlagartig vorbei. Richtiggehend ängstlich beobachteten sie jede meiner Bewegungen, und als ihnen schließlich bewusst wurde, dass ich mich tatsächlich in ihre Mitte setzen wollte, hatte ich beinahe den Eindruck, dass sie unwillkürlich sogar ein wenig von mir zurückwichen. Aus weit geöffneten Augen starrten sie mich an, und jedes Gesicht wies jetzt ein aufkommendes diffuses Schuldgefühl aus – offenbar waren sie der Meinung, dass sie schon wieder irgendeine Dummheit begangen hatten, welche ich nun zu rügen gedachte. Natürlich war nichts dergleichen geschehen, und ich hatte bei dem Anblick, der an einen Haufen verängstigter Hühner erinnerte, wirklich Mühe, mein Schmunzeln nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Doch genau deswegen wollte ich mich mit den Jünglingen unterhalten – sie hatten sich in den letzten Wochen ja schließlich geradezu vorbildlich benommen, und darüber wollte ich ihnen einfach einmal meine beziehungsweise unser aller Anerkennung aussprechen; außerdem sollten sie wissen, dass ihnen niemand mehr wegen ihrer vorherigen unbedachten Taten böse war und wir alle wünschten, dass sie sich wieder in unsere große Gemeinschaft einfügen würden. Als ich der Familie das alles erklärte, wuchs ihr Erstaunen noch einmal beträchtlich. Immer wieder huschten ihre Blicke hinüber zu Winnetou, der wenige Meter entfernt zusammen mit Til Lata und Entschah-koh sowie einigen anderen Apatschen an einem Feuer saß. Befürchteten sie, dass mein Blutsbruder anderer Meinung als ich sein würde, zumal er ja unter ihren Dummheiten am meisten zu leiden gehabt hatte? Sofort begann ich sie in dieser Hinsicht zu beruhigen, doch so ganz nahmen mir die Butterfields das alles wohl noch nicht ab, denn der Älteste von ihnen, Elias Peterson, wandte sich jetzt stellvertretend für alle an mich, wobei er ein leises Zittern in seiner Stimme nicht verhindern konnte: „Aber... aber, Mr. Shatterhand... Euer bester Freund wäre wegen... wäre wegen uns beinahe getötet worden – und auch Ihr habt aufgrund unseres... na ja, unseres Unvermögens halt... doch sehr zu leiden gehabt – wie solltet Ihr uns das jemals verzeihen können? Noch dazu, wo Ihr ständig Euer Leben für uns eingesetzt habt, und das nur, damit wir einen Reichtum für uns gewinnen können, von dem Ihr selbst überhaupt nichts habt?“ Allein schon aufgrund dieser kleinen Rede mit der darin enthaltenen spürbaren Reue hätte ich der Familie alles verziehen, selbst wenn ich vorher noch nicht dazu bereit gewesen wäre. Die jungen Männer waren sich ihres häufig unbedachtes Verhalten selbst mehr als bewusst, und es tat ihnen wirklich unsäglich leid, dass gerade Winnetou und ich deswegen einiges hatten durchmachen müssen. Die reumütigen Greenhorns taten mir jetzt in ihrer sichtlichen Verlegenheit richtig leid, weshalb ich sie mit einer nochmaligen Versicherung, dass alles vergeben und vergessen wäre, daraus erlösen wollte, wobei ich mit Folgendem schloss: „Winnetou und ich wissen sehr genau, dass Ihr uns niemals absichtlich verletzen wolltet! Dazu kommt, dass Ihr mir mit dieser Heilpflanze, die Ihr vor der Festung gefunden hattet, wirklich die Gesundheit, wenn nicht sogar das Leben erhalten habt – und Ihr könnt mir glauben: Wenn es etwas gibt, was den Häuptling der Apatschen immer alle noch so schlimmen Taten vergeben lässt, dann ist es der Umstand, dass der Betreffende mir das Leben gerettet hat! So etwas wiegt bei ihm alles andere auf – und bei mir natürlich ebenso! Und zu guter Letzt: Seit Wochen habt Ihr Euch nichts mehr zuschulden kommen lassen, seit Wochen bemüht Ihr Euch sichtlich, uns alles Recht zu machen... wir möchten einfach nicht mehr dabei zusehen, wie Ihr Euch trotzdem aufgrund Eurer Schuldgefühle weiterhin von uns entfernt haltet – also tut uns den Gefallen und gesellt Euch endlich wieder zu uns, in Ordnung?“ Die Reaktion der Butterfields war einfach herrlich! So froh, erleichtert und glücklich habe ich selten einen Menschen erlebt, und dann gleich zehn Männer auf einmal! Dass sie mir nicht sofort alle nacheinander um den Hals fielen, war wohl nur dem großen Respekt geschuldet, den sie mir entgegenbrachten. In bester Laune folgten sie mir dann auch an die beiden Feuer, an denen sich fast alle Westmänner versammelt hatten. Auch dort wurden sie sehr herzlich aufgenommen, und innerhalb kürzester Zeit waren überall lautes Gelächter und angeregte Gespräche zu vernehmen. Am schönsten aber war für mich der Moment, als Elias Peterson zusammen mit Morton Butterfield – der junge Mann, der sein Leben im Besonderen Winnetou verdankte, da dieser vor vielen Wochen einen angreifenden Bären mit dem Messer erlegt hatte, bevor Morton ein Opfer desselben werden konnte – nochmals aufstanden und sich vorsichtig und in ehrfürchtiger Weise dem Apatschenhäuptling näherten, der immer noch mit seinen Mescaleros an einem der anderen Feuer saß. Ich konnte natürlich nicht verstehen, was gesprochen wurde, aber aus den Mienen der jungen Männer konnte man lesen wie in einem Buch. Offenbar wollten sie sich bei meinem Blutsbruder nochmals persönlich entschuldigen, stellvertretend für alle Butterfields. Winnetou saß mit dem Rücken zu mir, so dass ich seine Reaktionen nicht genau erkennen konnte, aber ich sah, dass er nach wenigen Sekunden die beiden mit einer Handbewegung aufforderte, sich zu ihm zu setzen. Sie taten das mit einer solchen Ehrerbietung in ihrer ganzen Haltung, dass es mich wiederholt zum Schmunzeln brachte. Lange dauerte das Gespräch nicht, was bei meinem wortkargen Winnetou ja auch kein Wunder war, doch am Ende war deutlich zu erkennen, dass die beiden Greenhorns den Häuptling am liebsten in die Arme geschlossen hätten; allerdings verbot ihnen das allein schon seine würdevolle Aura, und ihre Ehrfurcht vor ihm war einfach zu groß, als dass sie so etwas jemals ohne seine Erlaubnis gewagt hätten. Die beiden Jünglinge kamen wenig später beinahe schwebenden Schrittes zurück an unser Feuer und ließen sich dann vor übergroßer Erleichterung so schwer auf den Boden plumpsen, dass sich Elias einen Augenblick später mit recht schmerzverzerrtem Gesicht den Allerwertesten hielt. Das Gelächter, welches daraufhin erscholl, musste meilenweit zu hören gewesen sein! Apropos meilenweit: Natürlich stand weiterhin die Sicherheit unserer Gesellschaft an erster Stelle. Pro Nacht sicherten mindestens acht Wachen gleichzeitig das Lager ab, je nachdem wie das Gelände beschaffen war, und diese Männer wechselten sich alle zwei Stunden ab, wovon Winnetou und ich aber weiterhin ausgeschlossen waren. Elias Peterson lag wohl in Sachen Sicherheit schon länger eine Frage auf der Zunge, und aufgrund des neu gewonnen Zusammengehörigkeitsgefühl getraute der junge Mann sich jetzt auch, sich damit an mich zu wenden. „Mr. Shatterhand – darf ich Euch mal etwas fragen?“, begann er in immer noch sehr vorsichtiger Weise. „Nur zu, junger Freund – was gibt es denn?“ antwortete ich. „Sagt einmal, Sir – warum habt Ihr diese drei Schwerverbrecher eigentlich nicht schon in der Festung verurteilt und hingerichtet? Das bedeutet für Euch doch viel mehr Mühe, wenn man den ganzen langen Weg über auf diese Kerle aufpassen muss?“ „Da habt Ihr natürlich Recht, Mr. Peterson, aber wir haben dafür auch ganz besondere Gründe!“, entgegnete ich, und dann begann ich ihm die Sache noch einmal in aller Ausführlichkeit zu erklären. Ich ließ dabei auch nicht aus, dass ich unter normalen Umständen wahrscheinlich niemals einer Hinrichtung zustimmen würde, aber dieser Teufel hatte meinem Winnetou so viel Leid zugefügt, dass ich ihn einfach nur noch tot sehen wollte, allein schon für Winnetous zukünftige Sicherheit. Und ich hatte ja nicht nur das alleinige Recht, über ihn zu richten – da waren schließlich auch noch ganz viele andere, vornehmlich die Apatschen, die meinen Freund unter allen Umständen rächen wollten, und an allererster Stelle stand natürlich Winnetou selbst. Dieser machte allerdings schon seit unserer Befreiung aus Motawatehs Zelt den Eindruck, als würde ihn Thomson gar nichts mehr angehen. Er würdigte ihn keines Blickes, redete nicht über ihn, schon gar nicht mit ihm, zeigte keinerlei Interesse an dessen künftiges Schicksal und bewies damit genauso wie mit seiner ganzen Haltung deutlich, dass der Dreckskerl einfach weit, weit unter seiner Würde stand. Aufgrund dieses Themas vertiefte ich mich an jenem Abend in ein längeres Gespräch mit dem jungen Mann, in dem es um Menschlichkeit und einer der Situation angebrachten Gnade ging – dass ich jedoch gerade die Erwähnung dieser humanitären Dinge später noch einmal bereuen würde, hätte ich an dieser Stelle niemals geglaubt! In jener Nacht wie auch in den folgenden Tagen blieb alles ruhig und friedlich, so dass wir recht ausgeruht und in guter Stimmung am neunten Tag unserer Reise in Portales eintrafen. Die Apatschen allerdings beschlossen verständlicherweise, außerhalb der kleinen Stadt in einem Waldstück zu lagern, da sie alle wenig Lust verspürten, sich der Hektik und dem Schmutz der Ansiedlung auszusetzen, und daher beließen wir die drei Gefangenen auch in ihrer Obhut; dort waren sie wohl am sichersten aufgehoben. Nur Winnetou wollte uns Westmänner und die Soldaten in die Stadt begleiten, da er ja schon seit geraumer Zeit vorhatte, einige Besorgungen zu tätigen – und jetzt, da die beiden Beutel mit seinen Nuggets auf eine so überraschende Weise wiedergefunden worden waren, konnte er das ja auch ohne Bedenken tun. Natürlich wurden wir auch von dem Doktor begleitet, der damals in Farmington kaum Gelegenheit bekommen hatte, seine Vorräte in ausreichendem Maße aufzufüllen – aber vor allem ging es ihm darum, meinen Freund keinen Moment lang aus den Augen zu lassen, um im Notfall schnell zur Stelle sein zu können, denn trotz Winnetous bislang sichtlich guter Erholung konnte und wollte der Arzt die Gefahr eines plötzlichen Rückfalls nie ganz ausschließend. Die Krankheit schlief nur im Augenblick, war aber weiterhin ständiger Begleiter des Apatschen. Kaum waren wir in Portales angekommen und hatten auf der größten – allerdings auch einzigen Straße des Ortes – vor einem Store Halt gemacht, schallte eine laute, sich vor Begeisterung beinahe überschlagende Stimme durch die halbe Stadt: „Oh – Oh – Massa Shatterhand und Massa Winnetou sein da! Oh Goodness! Was für Freude sein nun in Massa Bob's Herzen! Bitte eben warten, Massa Bob sein gleich bei Euch!“ Es war natürlich niemand anderer als der Neger Bob, der zwar ein freier Neger war, aber trotzdem sein Leben ganz in den Dienst von Bloody Fox gestellt hatte, den er sehr verehrte und dem er mit größter Freude zur Hand ging. Der riesige Schwarze hatte vor dem Saloon in etwa hundert Metern Entfernung gestanden und bewegte sich jetzt schnell auf uns zu, indem er seine Hände und Arme wie große Schaufeln ausfuhr und damit alles beiseite fegte, was sich ihm in den Weg stellte, egal ob Mensch oder Tier. Die Unmutsäußerungen der dabei nicht gerade sanft getroffenen Leute bekam er in seiner Begeisterung, uns zu sehen, gar nicht mit. Als er bei uns angelangt war, riss er mich ohne Umschweife an seine mächtige Brust, allerdings mit einem Schwung, dass ich kurz zu hören glaubte, wie einzelne Knochen meines Brustkorbes zu knacken begannen. „Oh, Massa Shatterhand! Wie freuen sich Massa Bob, den gut, lieb Massa wieder sehen dürfen!“ Bei diesen Worten verstärkte sich der Druck seiner Arme noch ein wenig, so dass mir jetzt wirklich angst und bange um meine Rippen wurde, und daher begann ich mich langsam und in vorsichtiger Weise aus seinen Pranken zu schälen. „Lass es gut sein, lieber Bob! Wir freuen uns doch auch sehr, dich wiederzusehen...“ Doch Bob hörte gar nicht mehr zu, denn er hatte sich schon Winnetou zugewandt und war gerade im Begriff, diesen der gleichen Behandlung wie soeben bei mir zu unterziehen, doch in dem Moment stockte er abrupt in seiner Bewegung – Winnetous machtvolle Aura und seine würdevolle Haltung hielten den Schwarzen wohl im letzten Augenblick von seinem Vorhaben ab. Stattdessen vollführte er nun vor meinem Freund eine formvollendete Verbeugung und strahlte dabei wie ein Honigkuchenpferd, so dass seine prachtvollen Beißer im Sonnenlicht nur so blitzten. Anschließend ergriff er beide Hände des Apatschen und begann sie wie wild zu schütteln. Und mein Winnetou ließ sich diesen Freudenausbruch mit einem feinen Lächeln in seinem schönen Gesicht auch gerne gefallen, denn das vergnügte Funkeln in seinen Augen verriet mir deutlich, dass auch er sich sehr über die Begegnung mit dem gutmütigen Bob freute. Allein die freundliche Miene des Apatschen ermutigte den Schwarzen nun dazu, eine ganze Armader an drolligen Liebesschwüren in einem wahren Begeisterungssturm über meinen Freund auszuschütten, die Winnetou aber nach nur wenigen Sekunden mit erhobener Hand abwehrte. „Mein schwarzer Bruder mag sicher sein, dass auch der Häuptling der Apatschen große Freude über unser Zusammentreffen verspürt! Aber nun ist es genug, da wir nicht viel Zeit haben!“, fiel er Bob ins Wort. „Der Häuptling hat Recht“, schaltete ich mich nun auch wieder ein. „Sag, Bob, hast du Bloody Fox in den letzten Wochen getroffen?“ „Oh – oh ja, Massa Shatterhand! Massa Bob hat nix Mühe gescheut, um mit Massa Bloody Fox wieder treffen! Massa Bob ist hierhin gereist, Massa Bob ist dorthin gereist...“ „Das ist wunderbar, Bob – aber hast du Fox auch von den letzten Ereignissen berichtet, wie Sam Hawkens es dir aufgetragen hat?“, unterbrach ich den übereifrigen Schwarzen schnell, denn wenn dieser sich einmal in Rage geredet hatte, konnte ihn so schnell nichts mehr stoppen. „Oh natürlich! Massa Bob tun alles, was Massa Sam Hawkens ihm sagen! Massa Bob sein immer folgsam, Massa Bob sein....“ „Schon gut, schon gut, lieber Bob, das hast du gut gemacht – aber wie hat sich Fox entschieden? Wird er sich uns anschließen und uns unterstützen?“ „Oh – oh, Massa Shatterhand – das können Massa schnell ganz viel Massa Fox selbst fragen! Beide Massas können sitzen zusammen und alles erzählen und...“ „Bob... BOB! Höre kurz zu!“ Ich musste jetzt tatsächlich einmal etwas lauter werden, um mir bei dem Schwarzen wieder Gehör zu verschaffen. „Bob – ist Fox denn etwa schon hier?“ „Aber ja, Massa Shatterhand, aber ja! Massa Bob haben ihn finden in Tulsa! Massa Bob sein selbst reiten dorthin, ganz alleine! Massa Bob sein ein groß, tapferer Westmann, er können schießen, hauen, stechen...“ „Ja, Bob, du bist wirklich ein wahrer Held! Aber nun führe uns bitte schnell zu Fox, es muss ja nicht die ganze Stadt mitbekommen, wer wir sind und was wir vorhaben!“ Mittlerweile hatten sich nämlich schon einige Neugierige um uns versammelt – Bobs Stimme war aber auch wahrlich dazu geeignet, Tote aufzuwecken! Mein Ton war deshalb jetzt auch recht streng geworden, so dass Bob seinen Redeschwall sofort einstellte. Schon in früheren Zeiten hatte er ein gutes Gespür dafür entwickelt, bis zu welchem Punkt wir uns seine liebenswerten Marotten gefallen ließen und ab wann es dann für ihn aber besser war, zu schweigen und zu gehorchen. Deshalb grinste er jetzt auch nur breit und winkte uns, ihm zu folgen. Vor dem Saloon angekommen, banden wir die Zügel der Pferde an die dafür vorgesehene Holzstangen und betraten den etwas heruntergekommenen und muffigen Raum. Winnetou und ich waren übrigens die ersten unserer Gruppe, denn nur Emery hatte uns beide vorhin bis zum Store begleitet. Die anderen Westmänner, Soldaten und der Doktor hielten sich zur Zeit an anderen Orten in der Stadt auf, um ihre Besorgungen zu erledigen. Emery hatte sich jetzt auch prompt wieder umgedreht, um unsere Gefährten über unseren jetzigen Aufenthaltsort und das Zusammentreffen mit Bloody Fox in Kenntnis zu setzen. Als ich mich in dem dämmrigen Saloon umsah, musste ich schnell feststellen, dass der um diese frühe Tageszeit vor allem von ungefähr zwei Dutzend äußerst zwielichten Gestalten besucht war, die sich vornehmlich um den Tresen scharrten oder sich in der hintersten Ecke zusammengerottet hatten. Die Blicke, die sie bei unserem Eintreten vor allem Winnetou zuwarfen, sprachen Bände, und wir konnten davon ausgehen, dass diese Kerle schnell auf Ärger aus sein würden. Dann aber wurde ich Bloody Fox gewahr, der an einem Tisch am Fenster saß und ein schmutziges Glas mit einem undefinierbaren Gebräu vor sich stehen hatte, welches er missmutig begutachtete. Von der plötzlichen Stille aufmerksam geworden, die aufgrund unserer Anwesenheit mit einem Mal herrschte, sah er hoch, erkannte uns und war fast im selben Moment schon an unserer Seite. Die Begrüßung zwischen uns war nun eine äußerst freudige, während der auch Bob lautstark seine Begeisterung kundtat, was den Halunken hinten im Raum und an den Tresen aber offenbar sehr missfiel. „Hey, ihr da!“, schrie jetzt auch einer der schmierigen Kerle in meine Richtung. „Könnt Ihr Euch nicht wie anständige Menschen benehmen? Was fällt Euch eigentlich ein, einfach so mit einem Nigger und dann auch noch mit einer widerlichen, stinkenden Rothaut hier einzufallen? Solche Subjekte dulden wir hier nämlich nicht, und schon gar nicht in dieser Lautstärke – also schert Euch raus, aber sofort!“ Ich lasse mich nur äußerst ungern von solch ungehobelten Widerlingen beschimpfen, wäre aber dennoch wahrscheinlich darüber hinweggegangen, denn sie wären es gar nicht wert gewesen, mich ihretwegen schmutzig zu machen. Das hier aber war etwas anderes. Diese elenden Wichte hatten meinen Winnetou schamlos beleidigt – und das brachte augenblicklich mein Blut in Wallung. Als dann noch der am nächsten stehende Mann dem Apatschen ganz dicht vor die Füße spuckte, setzte kurzfristig mein Verstand aus. Ich spürte zwar noch Winnetous Fingerspitzen auf meinem Oberarm, der mich zurückhalten wollte, aber ich hatte in diesem Augenblick schon völlig die Kontrolle verloren und war nun auf dem direkten Weg zu dem Dreckskerl vor mir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)