Mörderische Goldgier von Anmiwin ("Geliebter Blutsbruder"- Teil II) ================================================================================ Kapitel 39: Aufbruch -------------------- Weitere zwei Wochen zogen durch das Land, in denen sich Winnetous Zustand zum Glück stetig besserte, wenn auch in sehr kleinen Schritten. Die äußerlichen Wunden der Folter und des Kampfes waren meist schon gut verheilt oder gingen in die Vernarbung über, so dass man ihm auf dem ersten Blick nichts mehr davon ansehen konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Leben in dem kleinen, abgeschiedenen und wirklich idyllisch gelegenen Tal sehr genossen - vor allem die Ruhe und der Frieden, die hier seit Wochen durch herrschten, taten uns allen gut und ließen uns endlich einmal wieder durchatmen. Nun aber wurde mir mit jedem Tag ein wenig mehr bewusst, wie mein so lange im Innersten verschlossener Tatendrang erneut zu erwachen begann, und zeitgleich mit mir konnte ich dieselben Empfindungen auch bei meinem Blutsbruder wahrnehmen. Auch er sehnte sich offenbar danach, einmal wieder für eine längere Zeit auf dem Rücken seines Iltschi durch die endlosen Weiten der Prärie oder durch die reizvolle Berglandschaft zu reiten, welche die Festung umgab. Trotzdem ich also spürte, dass er zunehmend ungeduldiger wurde, ließ er sich den anderen Mitbewohnern gegenüber nichts anmerken, und vor allem vor unserem guten Doktor vermied er es, auch nur die Spur von Ungeduld zu zeigen. Winnetou war nach wie vor erfüllt von größter Dankbarkeit und tiefen freundschaftlichen Gefühlen für diesen Mann, dem er gleich mehrmals sein Leben zu verdanken hatte und der ihm trotz der Rassenunterschiede von Anfang an so wohlgesonnen gewesen war. Gerade deshalb bemühte sich der Häuptling, wie schon seit dem Beginn ihrer Bekanntschaft, jegliche Missstimmung von Walter fernzuhalten und ihm ja keinen Kummer zu bereiten. Er war sich natürlich vollkommen im Klaren darüber, dass es teilweise einem wahren Kraftakt gleichgekommen war, was Hendrick im Laufe der letzten Monate während der verschiedenen Behandlungsphasen an Winnetou geleistet hatte, wie viel Mühen und Zeit und Herzblut er investieren musste, um den Apatschen irgendwie das Leben erhalten zu können, und diesen über alle Maßen großen Freundschaftsdienst würde ihm mein Blutsbruder bestimmt niemals wieder vergessen! Walter aber war nicht nur ein sehr guter Arzt, sondern gleichwohl auch äußerst feinfühlig. Er kannte meinen Freund mittlerweile sehr genau und hatte deshalb schon seit einigen Tagen ebenfalls eine Ahnung von Winnetous wahren Empfindungen bekommen, wie er mir an einem Abend, kurz nachdem in mir selbst erst darüber klar geworden war, in einem vertraulichen Gespräch am Lagerfeuer mitteilte. Der Apatschenhäuptling selbst befand sich in zu diesem Zeitpunkt nicht an unserer Seite, sondern bei seinem Iltschi, da er es sich inzwischen angewöhnt hatte, den edlen Rappen jeden Abend mit einem gleichbleibenden längeren Ritual in die Nacht zu verabschieden. Walter und ich hatten also Zeit, uns einmal ausgiebig über Winnetous momentanen Zustand zu unterhalten sowie die weitergehenden Maßnahmen zu besprechen. Der Doktor erwähnte dabei auch die für ihn mittlerweile gut sichtbaren Anzeichen, die ihm sagten, dass meinem Blutsbruder langsam aber sicher dieses Tal zu eng wurde und er sich offenbar wieder nach seiner Freiheit sehnte, nach einem Leben, welches ihm nicht gleich diesem hier allmählich wie eine Gefangenschaft anmutete. Und somit war es für Hendrick eine fast schon logische Schlussfolgerung, dass er unseren Winnetou nicht mit einem unnötig langen Aufenthalt in der Festung das Gemüt beschweren wollte, denn immer noch galt der Grundsatz: Mein Freund durfte auf keinen Fall in eine Situation geraten, die ihn sowohl körperlich als auch seelisch belasten könnte, da so etwas wahrscheinlich zu Rückschlägen in der langwierigen Genesungsphase führen würde, Rückschläge, die der Arzt auf keinen Fall riskieren wollte, da sie vielleicht sogar tödlich enden konnten. Walter begann sich daher allmählich mit dem Gedanken anzufreunden, dass es jetzt vielleicht wirklich an der Zeit wäre, die erste Etappe unserer langen Reise anzutreten, nämlich den Rückweg zum Pueblo. Allerdings hatte er schon seit einigen Tagen auf eine gründlich Untersuchung meines Freundes verzichtet, da er diesen mit derartigen Dingen verschonen wollte, so weit es nur möglich war, um Winnetou nicht tagtäglich an die Krankheit erinnern zu müssen. Walter würde das jetzt aber auf jeden Fall nachholen müssen, um die Sicherheit zu erlangen, dass mein Blutsbruder den mindesten zehntägigen Ritt auch ohne Komplikationen überstehen können würde. Der Doktor befand zwar schon jetzt dessen allgemeinen Gesundheitszustand für ausreichend, aber ohne endgültige Gewissheit würde er dieses Unternehmen niemals angehen, daran bestand natürlich kein Zweifel. Ich muss sagen, dass ich wirklich überrascht war von Walters Feinfühligkeit – er hatte fast zeitgleich mit mir dem Apatschen angesehen, dass dieser sich im Augenblick von einem ausgeglichenen Gemütszustand langsam aber sicher verabschiedete, ein Umstand, der fast allen anderen Bewohnern der Festung verborgen geblieben war, mit Ausnahme von Entschah-koh und Til Lata natürlich. Diese Tatsache allein zeigte schon seine tiefe Verbundenheit mit meinem Blutsbruder und bewies wieder einmal mehr, wie sehr dessen Wohlergehen dem Doktor am Herzen lag, was mich wirklich rührte. Während der letzten Wochen hatten sich immer mehr Westmänner in Firehands Festung eingefunden. Wie schon erwähnt, war es diesem höchstpersönlich gelungen, den Hobble Frank mit seiner Tante Droll sowie Bärenjäger Baumann nebst Sohn Martin aufzutreiben; und wenige Tage nach diesen Fünfen tauchten dann auch schon die nächsten Gäste auf: Old Surehand hatte ebenfalls keine Kosten und Mühen gescheut, um die Aufenthaltsorte von den uns bekannten und freundschaftlich verbundenen Westmännern ausfindig zu machen, und etwa sechs Wochen nach dem Überfall erschien auch er endlich freudig strahlend im Tal. Im Gepäck hatte er nicht weniger als vier der bekanntesten Westmänner im Lande, nämlich Pitt Holbers mit seiner besseren Hälfte Dick Hammerdull, die beide auch unter dem im Westen weit verbreiteten Spitznamen „Die verkehrten Toasts“ bekannt waren. Lustigerweise hatte man beim Anblick der Neuankömmlinge fast unweigerlich das Gefühl, dass diese „Toasts“ ein Zwillingspärchen im Schlepptau hatten, aber das schien nur so, denn Surehand war es gleichwohl auch gelungen, den Dicken Jemmy und den Langen Davy zu diesem Freundschaftsdienst für Winnetou und seinen Stamm zu überreden. Der Dicke Jemmy schien wirklich ein Ebenbild von Dick Hammerdull zu sein, was Bauchumfang und Körpergröße betraf, aber auch der Lange Davy sah in seinem Körperbau Pitt Holbers nicht unähnlich, und diese beiden waren, genauso wie die „Toasts“, ebenfalls immer nur im Doppelpack anzutreffen, weil unzertrennlich. Auch Sam Hawkens hatte einen Erfolg vorzuweisen: Er kam in Begleitung von dem Juggle Fred, den ich vor einigen Jahren kennengelernt und danach leider nie mehr wiedergesehen hatte, und über dessen Erscheinen ich mich riesig freute. Doch Sam hatte noch eine Überraschung parat. Er war auf seiner Mary, natürlich ein weiteres Mal im Eiltempo, bis nach Portales am Rande des Llano Estacado geritten, wo er auf den Neger Bob gestoßen war, der mit seiner Mutter die Oase von Bloody Fox bewohnte, die inmitten der Wüste lag. Sam hatte dem riesigen Schwarzen, nachdem dieser ihn vor Freude über das unverhoffte Wiedersehen fast erdrückt hatte, in aller Kürze von den Ereignissen der letzten Wochen und Monate berichtet und ihn anschließend gebeten, bei seiner Rückkehr zur Oase Bloody Fox ebenfalls darüber zu informieren und in Sams Namen um Unterstützung für die Mescaleros zu bitten. Bloody selbst befand sich im Augenblick aber gar nicht in seinem Zuhause inmitten der Wüste, sondern hielt sich für einige Zeit im weiter entfernten Tulsa auf. Zuvor hatte er Bob nach Portales geschickt, damit dieser dort für ihn etwas erledigen und nebenbei einige wichtige Einkäufe tätigen konnte. Daher hatten Sam und Bob sich nun darauf geeinigt, dass sich Bloody im Falle einer Zusage nach seiner Rückkehr in den kommenden Wochen in Portales aufhalten sollte, damit wir oder vielleicht auch nur eine Delegation von uns ihn dort in Empfang nehmen konnten, bevor es dann weiter zum Pueblo der Mescaleros ging. Sam hatte nämlich ganz richtig angenommen, dass wir die Familie Butterfield keinesfalls ohne Begleitung in ihre Heimat nach Carlsbad zurückkehren lassen würden, denn dass die unerfahrenen Jünglinge dort jemals heil oder auch nur im vollen Besitz ihrer neuen Reichtümer anlangen würden, stand irgendwie nicht zu erwarten. Carlsbad lag zwar nicht gerade auf dem direkten Weg von der Festung zum Stammgebiet der Mescaleros, sondern bedeutete einen Umweg Richtung Osten von etwa drei bis vier Tagen, doch den konnten wir aber durchaus in Kauf nehmen, zumal wir vorher dann auch die kleine Stadt Portales passieren würden. Dort konnten wir nicht nur Bloody Fox in Empfang nehmen - wenn er sich denn zu dem Anschluss an unsere Mission entschieden hatte - sondern auch unsere Vorräte nochmals auffüllen und die wichtigen Einkäufe erledigen, die Winnetou eigentlich schon in Farmington tätigen wollte. Und auch für Bloody Fox würde das mehr Sicherheit bedeuten, als wenn er sich ganz alleine auf den unsicheren Weg entlang des Llano zu den Mescaleros machen würde, zumal man dabei dem Gebiet der Comanchen gefährlich nahe kam. Somit hatte Sam in meinen Augen vollkommen richtig gehandelt, als er sich mit dieser Maßnahme alle Optionen offenhielt, weshalb ich ihm auch sogleich meine Dankbarkeit und Anerkennung aussprach. Zu guter Letzt, etwa sieben Wochen nach dem Überfall durch die Kiowas, traf dann auch endlich Emery wieder in der Festung ein. Er hatte allerdings niemanden ausfindig machen können, obwohl er fast zwei Wochen in einem kleinen Nest nahe Santa Rosa ausgeharrt hatte, da er die „Verkehrten Toasts“ erwartet hatte, die in dieser Zeit dort auftauchen sollten, wie ihm von verschiedenen Leuten zugetragen worden war. Doch da Old Surehand die beiden schon vorher abgefangen hatte, ging der Engländer dieses Mal leider leer aus. Er hatte nun auch viel zu viel Zeit vertrödelt, zuerst mit der aufwendigen Suche und dann mit der zermürbenden Warterei, so dass er sich sagen musste, dass es besser sei, wieder zurückzukehren, um die Reise zum Pueblo nicht unnötig durch seine lange Abwesenheit hinauszuzögern. Ausnahmslos alle Westmänner, vor allem diejenigen, die Winnetou seit Monaten nicht gesehen hatten, waren nach ihrer Ankunft von seinem Anblick hochgradig entsetzt, nicht nur aufgrund der schrecklichen Vorfälle, sondern auch und vielleicht sogar vor allem wegen der scheinbaren Zerbrechlichkeit und dem immer noch schlechten Aussehens meines geliebten Freundes. Als sie ihn begrüßten, hatte man beinahe den Eindruck, als würden sie sich gar nicht recht getrauen, ihn anzufassen oder gar zu umarmen, und auch in den folgenden Tagen kam es mir so vor, als würden die Gefährten ihn am liebsten nur mit Samthandschuhen anfassen wollen. Winnetou bemühte daraufhin sich nach Kräften, die Westmänner zu beruhigen und von seinem mittlerweile gesundheitlich doch recht stabilem Zustand zu überzeugen, aber sein durchscheinend wirkendes und schmales Äußeres strafte all seine Worte Lügen, auch wenn er sich ganz anders fühlte. Als unsere ausgesandten Gefährten mit ihren neuen Begleitern alle vollständig wieder in der Festung beisammen waren, wurden die Neuankömmlinge nochmals genauestens über die vergangenen Geschehnisse und unsere Pläne für das kommende Jahr in Kenntnis gesetzt. Ausnahmslos alle Westmänner waren Feuer und Flamme und geradezu begeistert über die ihnen gestellte Aufgabe. Sie hatten sich viel vorgenommen und wollten tun, was in ihrer Macht stand, um dem Gebiet der Apatschen den Frieden zu erhalten und somit Winnetou zu ermöglichen, sich für die Zeit, die er brauchte, um wieder völlig genesen zu können, von seinen anstrengenden Aufgaben zurückzuziehen. Manche hatte für dieses Vorhaben tatsächlich lang geplante Unternehmungen verschoben oder ganz abgesagt - die „Toasts“ hatten sogar einem großen Siedlertreck ihre versprochene Begleitung entzogen, nicht aber ohne vorher für würdigen Ersatz zu sorgen. Mein Freund wiederum war nahezu überwältigt wegen der übergroßen Hilfsbereitschaft, die ihm und seinem Stamm entgegengebracht wurde. Er kam gar nicht auf die Idee, dass der Grund dafür der Tatsache entsprang, dass er selbst schon viele Male die meisten unserer Gefährten aus brenzeligen Situationen befreit und ihnen damit oftmals auch das Leben gerettet hatte, genauso wie er es für wildfremde Weiße ebenfalls vielfach getan hatte. Keiner unserer Freunde hatte das je vergessen, und darum waren sie jetzt alle beinahe schon versessen darauf, dem selbstlosen Apatschenhäuptling endlich einmal auch etwas Gutes tun zu können. Aufgrund meines ebenfalls in diesen Tagen stattgefundenen Gespräches mit dem Doktor über Winnetous Gemütszustand beratschlagten Hendrick und ich anschließend den genauen Zeitpunkt unserer Abreise aus dem Tal, zuerst aber nur mit den stellvertretenden Mescalero-Häuptlingen. Da auch Til Lata und Entschah-koh sich seit einigen Tagen nicht mehr des Gefühls erwehren konnten, dass ihrem Jugendfreund die Festung langsam aber sicher zu eng wurde, waren sie sofort einverstanden mit unserem Plan zur baldigen Abreise, denn genau wie ich vertrauten sie Walter bedingungslos, vor allem in ärztlicher Hinsicht. Die Häuptlinge hatten in den vergangenen Wochen durch eine Postenkette im ständigen Kontakt mit den Bewohnern des Pueblos gestanden, einerseits um diese über den Zustand ihres geliebten Häuptlings auf dem Laufenden zu halten, andererseits aber auch, um beispielsweise für Ablösungen der hier stationierten Apatschen zu sorgen. Dieser Umstand sollte jetzt dazu genutzt werden, um die vielen im Pueblo verbliebenen Krieger unter der Führung von Yato Kah über den Zeitpunkt unseres Aufbruchs und die dabei geplante Route zu informieren, so dass die über mehrere hundert Mann starke Kriegerschar im Notfall schnell reagieren und uns zum Teil auch schon entgegen reiten konnte, gerade weil einer der möglichen Reisewege uns im letzten Viertel auch nahe an dem Gebiet der Comanchen entlang führen würde. Zum Abschluss der Gespräche galt es also noch festzulegen, welche Wegstrecke letztendlich eingeschlagen werden sollte. Was war das Beste und vor allem das Sicherste für Winnetou? Die ungefährlichste Route führte natürlich über den direkten Weg zum Pueblo, an dem entlang auch die Postenkette der Apatschen lag. Dadurch befand sich das gesamte zu durchquerende Gebiet unter ihrer ständigen Beobachtung, so dass wir vor eventuellen Gefahren sofort gewarnt werden würden. Dagegen sprach allerdings, dass sich unsere Gruppe dann trennen würde müssen, da ein Teil die Butterfields nach Carlsbad begleiten und zugleich Bloody Fox in Portales abholen musste. Folglich würde unsere Gesellschaft unweigerlich geschwächt werden, gerade im Bezug auf die Westmänner, was allerdings auch durch das Einfordern von noch mehr Kriegern der Mescaleros ausgeglichen werden konnte. Diese Strecke führte allerdings auch durch oftmals unwegsames Gelände. Es mussten viele tiefe Schluchten und einige sehr breite Flüsse durchquert werden, was fast immer mit hoher körperlicher Anstrengung verbunden war, da ein Reiter diese Hindernisse meist nur zu Fuß und sein Pferd dabei hinter sich am Zügel führend überwinden konnte – und solch einer Anstrengung durfte Winnetou eigentlich noch gar nicht ausgesetzt werden. Ich plädierte daher stark für die zweite Möglichkeit, nämlich dem gemeinsamen Weg über Portales und Carlsbad, der zwar einen größeren Umweg bedeutete und vielleicht auch etwas gefährlicher werden konnte, aber vor allem zwei Gründe sprachen dafür: Zum einen konnten wir zusätzlich einen großen Teil Apatschen anfordern, die unsere Reisegruppe nochmals stark verstärken und so für die nötige Sicherheit sorgen würden – und zum anderen, und dieser Grund war mir fast der Wichtigste, würde Winnetou sich auf dieser Strecke, die größtenteils fast ohne landschaftliche Hindernisse bewältigt werden konnte, noch einige Tage mehr auf dem Rücken seines Iltschi so richtig austoben können. Im Pueblo würde er nämlich aufgrund der Vielzahl an Regelungen und Vorbereitungen für die Zeit seiner Abwesenheit nicht mehr viel Gelegenheit dazu bekommen, und wegen unserer geplanten langen Reise sollte er ja auch währenddessen seinen herrlichen Rappen für eine lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen. Gerade diese zweite Überlegung ließ auch alle anderen Gefährten sich für den Umweg entscheiden, denn Winnetous Wohl und Wehe lag ihnen allen sehr am Herzen, und jeder wünschte sich für ihn nur das Beste. Als dann auch mit den anderen Westmännern alles abgesprochen und geklärt war, begab ich mich an diesem Abend an die Seite meines Blutsbruder, der sich schon in unserer Kammer zur Ruhe begeben hatte. Sollte er noch wach sein, wollte ich ihm die für ihn bestimmt freudige Nachricht gleich überbringen, ansonsten musste das halt bis zum nächsten Morgen warten. Doch mein unvergleichlicher Winnetou hatte wohl schon gespürt, dass irgendetwas im Busch war, denn er saß hellwach und aufrecht auf seinem Lager und sah mich mit seinen nachtdunklen Augen erwartungsvoll an. Sein schönes Gesicht und allein das Leuchten der Sterne in seinen Augen animierten mich fast gegen meinen Willen dazu, mich sogleich an seine Seite zu legen und ihm einen sanften Kuss auf die Stirn zu drücken. Doch bevor ich mich wieder völlig von ihm lösen und zum Sprechen ansetzen konnte, hatte er mit beiden Händen schon mein Gesicht umfangen, zog mich zu sich hinunter und begann mich ungehemmt in einen innigen Kuss zu verwickeln, der schon nach wenigen Sekunden immer heftiger und wilder wurde. Beide wurden wir zeitgleich von einer hoch auflodernden Leidenschaft regelrecht überwältigt, die wir nur sehr, sehr schwer wieder zügeln konnten, doch die Gefahr einer Entdeckung war hier einfach zu groß. Außerdem hatte ich mir ja auch vorgenommen, Winnetou auf keinen Fall mehr in Gefahr zu bringen, bevor sein Herz nicht kräftig genug war, um große Anstrengungen zu meistern. Als es uns nach einer gefühlten Ewigkeit endlich gelungen war, uns voneinander zu lösen, ging unser beider Atem deutlich heftiger. Der Schweiß war mir aus allen Poren gebrochen und mein Unterkörper hatte ein Eigenleben entwickelt, welches ich wohl nur sehr schwer wieder in den Griff bekommen würde, wie ich insgeheim befürchtete. Aber auch Winnetous Atem flog beinahe, und in seinen Augen loderte eine Glut, die mir alle Selbstbeherrschung abverlangte, mich nicht gleich wieder auf ihn zu stürzen, allein um ihm den höchsten Genuss zu bereiten; um mich selbst ging es mir dabei gar nicht. Doch nein – ich konnte froh sein, dass mein geliebter Freund überhaupt noch lebte, und dieses Leben durfte ich keinesfalls wieder in Gefahr bringen, auch wenn ich ihm nur Gutes tun wollte. Also versuchte ich es mit einem Ablenkungsmanöver, und was konnte ihn wohl besser ablenken als die Aussicht, der Enge der Festung endlich wieder zu entkommen und zügellos die Weiten der Prärie auf dem Rücken seines geliebten Rappen zu erkunden? Ich brauchte gar nicht viele Worte zu machen; das Aufleuchten in seinen Augen schon nach wenigen Sätzen sprach Bände, und der tiefe Seufzer, der ihm entfuhr, zeugte von seiner übergroßen Erleichterung, endlich ein Stück weit der Gefangenschaft seiner Krankheit entkommen zu können. Allerdings war es mir ein großes Bedürfnis, seinen aufkommenden begeisterten Tatendrang gleich wieder ein wenig zu zügeln, denn die übergroße Angst um sein Leben steckte mir immer noch in den Knochen und hing gleich einem Damoklesschwert ständig über mir und meinem Handeln gegenüber Winnetou. So zog ich ihn fest in meine Arme und sprach: „Ich bitte meinen Bruder aber inständig, sich auch jetzt nicht und schon gar nicht während unserer Reise in irgendeiner Weise zu überanstrengen, ja? Du hast es trotz allem bis hierher geschafft, mein Freund, und doch bin ich immer noch in größter Sorge um dich, da die Gefahr eines erneuten Zusammenbruchs ja noch lange nicht vorbei ist!“ Sacht strich mir Winnetou über die Wange, als er antwortete: „Und ich bitte meinen Bruder, diese Sorgen nun endgültig aus seinem Herzen zu verbannen! Winnetou wird dich nicht verlassen, Scharlih – er würde das spüren, ganz sicher!“ Zweifelnd sah ich meinen geliebten Freund an, weshalb er nochmals nachlegte: „Vertraue mir doch, mein Bruder!“ Äußerst gerührt presste ich ihn noch fester an mich und flüsterte: „Wem sonst sollte ich denn nur vertrauen, wenn nicht dir? Ich glaube es doch auch: wenn es jemand zustande bringen kann, den Tod so oft, wie in letzter Zeit geschehen, in die Flucht zu schlagen, und war er noch so gefährlich nahe gekommen, dann dir, mein lieber Bruder! Und doch wird es mir wohl nie gelingen, meine Angst um dich gänzlich abzulegen – kannst du das verstehen?“ „Natürlich, Scharlih!“, antwortete Winnetou mit sanfter Stimme. „Und deshalb verspricht Winnetou dir auch, stets vorsichtig zu sein!“ Eine Weile saßen wir schweigen nebeneinander auf unserem Lager, die Arme umeinander geschlungen und einfach nur froh, noch einander zu haben, denn unser kurzer Wortwechsel hatte uns wieder einmal daran erinnert, wie knapp wir beide, vor allem aber Winnetou, vor wenigen Wochen dem Tod entronnen waren. Diese Erinnerungen ließen dann auch mit einem Mal ein Bild in mir aufsteigen, welches mir kurz nach meinem Erwachen aus der langen Bewusstlosigkeit nach dem Überfall der Kiowas ständig im Kopf herumgegangen war, eine Folge der Worte, die sich mir im Fiebertraum quälend lange wiederholt hatten, verbunden mit einer furchtbaren Empfindung des Grauens. Und nun hatte ich das Gefühl, dass ich meinen Blutsbruder einfach danach fragen musste, obwohl mir vor seiner Antwort schon ein wenig bange war. „Winnetou... du... du warst dem Tode kurz nach dem Überfall zweimal so nahe gewesen... so unfassbar nahe...“ Ich stockte, wusste im Augenblick nicht, wie ich die richtigen Worte finden konnte – doch mein geliebter Freund hielt mich fest, und nicht nur das. Er ahnte natürlich auch schon wieder, was genau mich gerade jetzt bewegte, und gab seine Antwort, bevor ich meine Frage überhaupt aussprechen konnte. „Winnetou hatte in diesen Momenten den Himmel nicht mehr berühren dürfen, mein Bruder! Aber er konnte ihn spüren – die Wärme, das Licht, die Geborgenheit, das alles war in mir und um mich herum, und ich wäre gerne gefolgt – doch deine Stimme rief mich zurück... und meine Sehnsucht zu dir war viel zu groß, als dass ich dem hätte widerstehen können...“ Für einen kurzen Augenblick war wieder dieses beinahe schon überirdische Leuchten auf seinem schönen Gesicht erschienen, und dieser Anblick, vor allem aber seine so sehr zu Herzen gehenden Worte, rührten mich zu Tränen, die ich in diesem Moment auch nicht mehr ganz zurückhalten konnte. Stumm vor Rührung und aufgrund dieser überwältigenden Gefühle strich ich ihm mit meiner Hand, fast schon ein wenig hilflos, einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, und als er daraufhin die Augen schloss und sich in diese Berührung hinein lehnte, verlor ich dann doch wieder die Kontrolle, beugte mich zu ihm hinunter und küsste ihn sanft auf den Mund. In diesem Augenblick aber waren laute Schritte auf dem Weg zu unserer Kammer zu hören, so dass wir uns sofort wieder voneinander lösten und eine möglichst unauffällige Position einnahmen. Es war allerdings nur der Doktor, der sich noch einmal vor der Nachtruhe überzeugen wollte, dass es Winnetou soweit gut ging. Walter sah wohl schon auf dem ersten Blick, dass dem auch wirklich so war. Er nickte zufrieden, ließ ein schwer einzuschätzendes Lächeln sehen und kam dann schließlich noch einmal auf unseren geplanten Aufbruch zu sprechen. Er wollte meinen Freund am nächsten Morgen noch einmal einer gründlichen Untersuchung unterziehen, und wenn diese zu Walters Zufriedenheit ausfallen sollte, dann würde nichts mehr gegen eine Abreise in zwei oder drei Tagen sprechen. Winnetous Blicke sprachen Bände – für ihn konnte es natürlich gar nicht schnell genug losgehen, weshalb er wahrscheinlich alles daran setzen würde, so früh wie nur möglich aufzubrechen. Lachend sprach ich meine dahingehende Vermutung aus, was meinem Freund ein leises Lächeln ins Gesicht zauberte und Hendrick grinsend zu dem Versprechen hinreißen ließ, dafür zu sorgen, dass es dann auch zu keinerlei Verzögerungen mehr kommen würde. Anschließend wünschte er uns eine gute Nacht, nickte uns noch einmal zu und verließ schnellen Schrittes den Raum. Kurz darauf hörten wir ihn draußen mit dem Apatschen sprechen, der zur Zeit in der Nähe unserer Kammer Wache hielt – die stellvertretenden Häuptlinge hatten darauf bestanden, dass Winnetou diesen besonderen Schutz erhielt, allein schon wegen der Anwesenheit Thomsons in der Festung – und nun war deutlich zu hören, dass unser Doktor den Mescalero darum bat, bis zum nächsten Morgen keinen Besuch mehr zu uns durchzulassen, obwohl wir ihn gar nicht darum gebeten hatten. Nanu? Schnell breitete sich jetzt im ganzen Tal eine friedliche Ruhe aus, die sich auch auf uns übertrug und dafür sorgte, dass mein Freund und ich recht schnell einschliefen. Meine Ruhe währte allerdings nicht sehr lange, denn unser abendliches Gespräch hatte mich wohl doch ziemlich aufgewühlt und bescherte mir nach längerer Zeit mal wieder einen üblen Albtraum. Und wie schon zuvor am Ship Rock handelte auch dieser Alb von meiner Furcht und der darauffolgenden, fast schon greifbaren Gewissheit, vor dem Verlust meines geliebten Freundes zu stehen, ein Umstand, der mich im schrecklichsten Augenblick des Traumes mit einem entsetzten Aufkeuchen in die Höhe fahren ließ, woraufhin ich erst einmal schwer atmend versuchte, wieder zur Besinnung zu kommen. Doch fast zeitgleich spürte ich eine Hand in meinem Rücken, die mich sanft zu streicheln begann, und sofort darauf Winnetous beruhigende Stimme, die mich leise flüsternd wieder in die Wirklichkeit zurückbrachte – und was für eine herrliche Wirklichkeit war das! Mit seiner feinfühligen Art gelang es ihm ganz schnell, dass ich mich wieder völlig entspannen konnte, und diese Entspannung nutzte mein Freund auch sogleich aus. Es war ihm am Abend und auch in den Tagen und Wochen zuvor schon sehr, sehr schwergefallen, sich mit Zärtlichkeiten mir gegenüber zurückzuhalten, was er auch nur deshalb getan hatte, weil er um meine großen Sorgen um ihn wusste. In dieser Nacht jedoch schien er sämtliche Bedenken über Bord zu werfen; vielleicht wurde er jetzt auch selbst von einer Leidenschaft überrollt, die er einfach nicht mehr kontrollieren konnte – und da ich mich zu diesem Zeitpunkt immer noch in einem emotionalen Ausnahmezustand befand, wurde ich von ihm völlig überrumpelt. ACHTUNG: SLASH!!! Seine Hand glitt von meinem Rücken zu meiner Schulter und drückte mich sanft, aber sehr bestimmt zurück auf unser Lager. Kaum lag ich wieder, war er schon über mir und begann mein Gesicht über und über mit Küssen zu bedecken. Noch bevor ich darauf irgendwie reagieren konnte, drückte er seine Lippen schon auf meinen Mund, und seine Zunge begehrte fordernd Einlass. Dieser innige Kuss begann sanft, wurde aber innerhalb von Sekunden wilder und unbeherrschter, genauso wie meine Gemütslage, über die ich langsam aber sicher die Kontrolle verlor. Zwar wollte mein Verstand noch einmal aufbegehren, aber in diesem Moment ließ sich Winnetou mit seinem ganzen Körper auf mich nieder, und da er nur seinen Lendenschurz trug und ich somit seine schon harte Männlichkeit deutlich spüren konnte, verabschiedete sich mein Verstand schneller als ich überhaupt Luft holen konnte. Mit abwechselnd zärtlichen, dann aber wieder harten und wilden Bewegungen brachte mein Freund mein Innerstes rasend schnell zum Glühen, und die Leidenschaft überwältigte mich mit einer Macht, gegen die jegliche Gegenwehr sinnlos war – ich wollte es auch gar nicht mehr. Mittlerweile hielt ich meinen Blutsbruder fest umschlungen, presste ihn immer wieder mit den Händen auf seinen Hüften hart an mich, rieb mich an ihm und unser Stöhnen und Keuchen wurde nur noch durch den wilden Kuss gedämpft, der uns immer noch gefangen hielt und von dem sich keiner von uns zu lösen vermochte. Die Gier nach mehr brachte meine Hände nun dazu, sich auf eine wilde Wanderschaft zu begeben. Mit festem Druck fuhren sie über seinen Rücken, seine Schultern, durch sein herrliches Haar, umschlossen sein Gesicht, glitten wieder an seinem Hals und über die Brust hinunter, an den Seiten entlang, über seine Hüften, und schließlich drängte ich sie zwischen unsere Körper, um ihn endlich an seiner empfindlichsten Stelle umfassen zu können. Mit einem leisen Aufschrei entriss er mir seinen Mund, presste sein Gesicht in meine Halsbeuge und ließ dort nun mit jeder Handbewegung von mir ein unterdrücktes Keuchen hören. Seine Hände waren derweil auch nicht still geblieben, doch jetzt wurde er von einer solchen Erregung gepackt, dass er sie auf meinem Gesicht liegen ließ und mit beiden Daumen gleichzeitig in meinen Mund eindrang, woraufhin meine Zunge sofort ein wildes Spiel mit ihnen begann. Beide waren wir bis ins Innerstes aufgewühlt, und ich spürte, dass wir einander nicht mehr lange standhalten würden. Noch gieriger, noch heftiger wurden unsere Bewegungen, ich wollte seinen Körper überall spüren, wollte alles von ihm gleichzeitig erkunden, umfassen, mich in ihn verkriechen. Winnetous Hände glitten von meinem Gesicht hinunter zu meinen Hüften, und als auch er zwischen unsere Körper fuhr und meinen Schaft hart umfasste, entfuhr mir ein tiefes, grollendes Stöhnen, von dem ich im Nachhinein hoffte, dass es nicht zu laut und außerhalb unserer Kammer zu hören gewesen war. Ein Lustpfeil nach dem anderen jagte jetzt durch meinen Körper, und diese unsagbare Erregung tobte ich gleichzeitig an Winnetous Männlichkeit aus, was ihn augenscheinlich beinahe um den Verstand brachte. Die Hitze in unseren Körpern stieg und stieg, wir wussten gar nicht mehr, wohin mit unseren Gefühlen, drehten uns mittlerweile mehrmals um uns selbst, so dass mal Winnetou und mal ich die Oberhand behielt, unsere Hände und Lippen waren überall und nirgends. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, ich umfasste seinen prallen Schaft wieder mit beiden Händen, liebkoste ihn, mal sanft, mal hart, massierte ihn dann immer kräftiger, ließ zwischendurch die Finger der anderen Hand über seine feuchte Spitze gleiten, und nun brauchte es nur noch wenige Sekunden, bis es mit einem weiteren Aufschrei aus ihm herausbrach – in unregelmäßigen Schüben entlud er sich, zitternd, pulsierend, und ich wurde sogleich mitgerissen, keuchte meine Lustlaute in seine Schulter, ergoss mich, wieder und wieder, gleichzeitig massierte ich ihn weiter, so dass ich bald nicht mehr wusste, wo sein Orgasmus endete und ein neuer begann, wurde auch von ihm von einem Gipfel der Lust auf den nächsten getrieben – irgendwann ließ ich mich völlig erschöpft auf ihn sinken, wurde gleichzeitig von seinen starken Armen umfangen, und dann blieben wir eine gefühlte Ewigkeit eng umschlungen und schwer atmend liegen, die unendliche Glückseligkeit einfach nur genießend. SLASH – ENDE ! Wie viel Zeit letztendlich vergangen war, bis sich mein Verstand wieder einschaltete, weiß ich gar nicht mehr. Als erstes registrierte ich, dass mein geliebter Freund schon tief und fest schlief, aber glücklicherweise gleichmäßig und ruhig atmete. Um mein aufkommendes schlechtes Gewissen zu beruhigen, legte ich meinen Kopf auf seine Brust, so dass ich seinen Herzschlag, der auch ruhig und langsam ging, immer unter Kontrolle hatte, zog die Decke über unsere Körper und war dann doch innerhalb von Sekunden eingeschlafen. Eine innere Stimme sorgte dankenswerterweise dafür, dass ich am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang erwachte. Mein erster Gedanke galt natürlich meinem Freund, der weiterhin noch im Tiefschlaf lag und dem es augenscheinlich aber auch wirklich gut ging, zumindest konnte ich keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten seines Herzschlages feststellen, was natürlich außerordentlich zu meiner Beruhigung beitrug. Vorsichtig löste ich mich von ihm, und spätestens jetzt wurde mir bewusst, dass unsere Körper dringend einer Reinigung bedurften, am besten natürlich noch vor dem Eintreffen des Arztes oder der Gefährten. Glücklicherweise stand in einer Ecke der Kammer immer ein kleines, bis an den Rand gefülltes Wasserfass, und somit nutzte ich sogleich dieses kühle Nass, um sorgfältig die Spuren der letzten Nacht zu beseitigen. Leider konnte ich nicht verhindern, dass auch Winnetou davon erwachte; ich hätte ihm jedenfalls sehr gerne noch seinen Schlaf gegönnt. Er setzte sich rasch auf, und das liebevolle Lächeln, welches er mir jetzt zuwarf, hätte mich fast wieder dazu gebracht, ihn sofort wieder in meine Arme zu ziehen, doch mit Müh und Not konnte ich mich noch gerade so beherrschen. Stattdessen fragte ich ihn sogleich: „Wie geht es dir, mein Bruder?“ Sein Lächeln vertiefte sich noch ein wenig mehr, als er antwortete: „Nach dieser Nacht besonders gut – und das sollte Scharlih nun wirklich nicht verwundern!“ Grinsend erwiderte ich seinen schelmischen Blick und fuhr dann mit meiner Reinigungsarbeit fort, wobei er mir jetzt schnell half. Der leise Hauch der Belustigung lag weiterhin auf seinem Gesicht, was mich zu der Bemerkung veranlasste: „Ein Glück, dass wir in der Nacht nicht gestört worden sind...“ „Das war kein Zufall, mein Bruder!“, antwortete Winnetou lächelnd. „Wie meinst du das?“, kam meine verwunderte Gegenfrage. „Hast du nicht den wissenden Blick unseres Freundes Walter bemerkt am gestrigen Abend? Und seine anschließende Bitte draußen an meinen Stammesbruder, keine Störung mehr zuzulassen?“ „Du glaubst...?“ Überrascht brach ich ab und bedachte Winnetou mit einem verblüfften Blick. Er nickte, wieder mit diesem schelmischen Ausdruck und einem leisen Lächeln im Gesicht. Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder meiner Aufgabe zu, wobei mir das soeben Gesagte nicht mehr aus dem Kopf ging und letztendlich dazu führte, dass ich urplötzlich in haltloses Gelächter ausbrach, welches ich beim besten Willen auch nicht mehr beherrschen konnte. Mein Freund beobachtete mich mit einem von Herzen kommenden Lächeln, und es dauerte dann auch eine ganze Weile, bis ich mich endlich wieder beruhigen konnte. Schließlich zog ich ihn fest in meine Arme und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich bedauere die Menschen wahrhaftig von Herzen, die miteinander durchs Leben gehen, ohne sich wirklich zu lieben – wie viele unendlich glückliche Momente bleiben ihnen so vorenthalten!“ Winnetou nahm statt einer Antwort mein Gesicht in beide Hände und schenkte mir einen innigen Kuss, der das soeben Gesagte mehr als bestätigte. Kurz darauf betrat Walter Hendrick den Raum, im Schlepptau zwei Apatschen, die uns ein herrliches Frühstück kredenzten, über welches wir uns zusammen mit dem Doktor mit großem Appetit hermachten. Mir fiel auf, dass er zwischendurch vor allem Winnetou immer wieder mit einem prüfenden Blick bedachte. Das Ergebnis fiel dann aber offenbar zu seiner Zufriedenheit aus, denn am Ende konnte ich sein erleichtertes Aufatmen beobachten, welches schließlich in ein leises Schmunzeln überging. Auch Winnetou waren die Reaktionen unseres Freundes nicht entgangen, denn von ihm unbemerkt sandte der Apatsche mir hier und da einen belustigten Blick zu, woraufhin ich schon wieder einige Anstrengungen unternehmen musste, um nicht abermals einem unkontrollierten Heiterkeitsausbruch zu unterliegen. Nach dem Frühstück aber wurde es ernst. Der Doktor unterzog Winnetou nun einer ausgiebigen Untersuchung, deren Ergebnis ich voller Spannung erwartete. Und glücklicherweise fiel dieses dann auch sehr positiv aus, denn Walter gab nun sein endgültiges OK zu dem Beginn einer langen, langen Reise. Zielgerichtet wurden ab diesem Zeitpunkt im ganzen Tal schnell, aber gründlich alle Reisevorbereitungen und gleichzeitig sämtliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die nötig waren, um einerseits Winnetou vor dem Angriff eventueller Feinde und zugleich vor zu großen Anstrengungen zu schützen, die andererseits aber auch für das sichere Gewahrsam unseres Erzfeindes Thomson und seiner beiden Kumpane sorgen sollten. Am nächsten Morgen war dann endlich die ganze Gesellschaft bereit zu Abreise. Es war ein großer Zug, der sich nun auf den Weg machen würde: Neben Winnetou und mir begleiteten uns Old Firehand, der Hobble Frank, Tante Droll, der Bärenjäger Baumann nebst Sohn Martin, Old Surehand mit den beiden vermeintlichen "Zwillingspärchen", nämlich den dicken Jemmy und den langen Davy sowie Dick Hammerdull und Pitt Holbers, schließlich noch Sam Hawkens mit dem Juggle Fred und zu guter Letzt natürlich auch unser Englishman Emery. In Portales sollte dann ja noch Bloody Fox hinzustoßen, so dass wir auf die Begleitung und die Hilfe von sage und schreibe vierzehn hochkarätigen Westmännern vertrauen durften, die die Sicherheit des ganzen Unternehmens erheblich verstärkten. Zusätzlich gehörten noch vierzig bis an die Zähne bewaffnete Apatschen der Reisegruppe an, so dass es eigentlich schon einer ganzen Armee an Feinden bedürfen würde, um unserer Reisegruppe noch gefährlich werden zu können. Die Indianer waren vor allem für die Jagd und die Bewachung von Thomson und seinen beiden überlebenden Kumpanen zuständig, und da sie diesen widerwärtigen Verbrechern gegenüber voller Rachsucht waren, konnten wir uns sicher sein, dass es in dieser Hinsicht keine bösen Überraschungen während des ungefähr fünfzehntägigen Ritts geben würde. Auch die Butterfields bildeten natürlich einen Teil der Reisegesellschaft. Die zehn Jünglinge hatten sich in den letzten Wochen in der Festung so unauffällig wie möglich benommen, um ja keinen Ärger mehr zu provozieren, was ihnen allerdings auch nicht sehr schwer gefallen sein dürfte, da sie diese Zeit vornehmlich mit süßem Nichtstun verbracht hatten. Auch jetzt nahmen sie ihren Platz ziemlich weit hinten in unserem langen Zug ein, da sie Winnetou und mir offenbar nicht gerne allzu nahe kommen wollten – die jungen Männer verspürten anscheinend noch eine gehörige Portion Schuldgefühle, da sie durch ihr unbedachtes Handeln uns, vor allem aber Winnetou, während unserer gemeinsamen Reise zum Ship Rock in mehrere Gefahrensituationen gebracht hatten, nicht zu vergessen natürlich ihre gut gemeinte, trotzdem aber unsagbar dumme Pflanzensuche vor dem Eingang der Festung, die unter anderem auch dadurch die Kiowas auf den Plan gerufen hatte. Trotzdem nahm ich mir vor, mit diesen Wirrköpfen in den nächsten Tagen einmal ein ausführliches Gespräch zu führen, um ihnen den Anschluss an unsere Gefährten und uns wieder zu ermöglichen, denn ich konnte diesen Greenhorns einfach nicht weiter böse sein. Den Abschluss unserer großen Gesellschaft bildete ein Trupp von zwanzig Soldaten, die uns Kommandant Collister noch bis zur Ankunft am Pueblo der Mescaleros zu unserem zusätzlichen Schutz zur Verfügung gestellt hatte, wobei ich mir nicht sicher war, wer im Notfall dann eigentlich wem tatsächlich Schutz bieten würde! Die Pelzjäger Old Firehands würden allerdings in der Festung bleiben, denn sie wollten nach den ganzen Aufregungen der letzten Wochen das Tal wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen und dann endlich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich dem Erbeuten von Pelzen, nachgehen. Nur Old Firehand hatte es sich nicht nehmen lassen, uns zu begleiten, zumal er ja auch das ganze nächste Jahr bei der großen Aufgabe, den Frieden im Apatschenland zu erhalten, eine verlässliche Hilfe darstellen wollte. Und somit bildete sich nun, kurz vor dem Aufsitzen, ein Zug von neunzig Menschen in der Festung, welcher weit bis in die Mitte des kleinen Tales hereinragte, und bei dessen Mitgliedern nach den langen, ereignislosen letzten Wochen eine freudige Aufbruchstimmung deutlich zu spüren war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)