Beyond the Soul von Suiya (The Truth Within) ================================================================================ Kapitel 7: Wahl --------------- Als Aram erwachte, spürte er noch immer den Schmerz in seinem Kopf, der aber deutlich schwächer war, als noch am Vorabend. Langsam richtete er sich auf, gähnte und streckte sich ausgiebig, ehe sein Blick zur Seite wanderte, um sich einer Sache zu vergewissern. Und ja, da lag es wirklich. Er fuhr sich noch einmal durchs Haar, erhob sich und nahm auf dem Stuhl vorm Tisch Platz, von wo aus er das Notizbuch prüfend musterte. Nach einer ganzen Weile reinen Anstarrens des Umschlags, wanderte seine Hand mehr unbewusst auf ihn zu und begann, mit den Fingern über die Seitenkante zu streichen und sie abzublättern. Den Kopf auf die andere Hand gestützt, konnte er dabei immer wieder einen Blick auf die Seiten erhaschen. „Hm?“ Plötzlich stoppte er in der Bewegung. Etwas darin hatte sein Interesse geweckt und perplex schlug er die erste Seite auf. „Hä?“ Noch verwirrter blätterte er sich durch die Seiten, beäugte sie und das, was sich nun darauf befand, genauer. Mit einem roten Stift waren diverse Wörter oder Sätze unterstrichen, umkreist, durchgestrichen oder abgehakt. An ein paar Stellen wurden auch Vermerke dazugeschrieben. Und das auf jeder beschriebenen Seite. Selbst die Grafiken waren angestrichen und verbessert worden. Irgendjemand hatte Arams Notizen zur Aura korrigiert. Zuerst dachte er an einen Scherz, dass einer der Studenten das Notizbuch gefunden und willkürlich angestrichen hat, bevor er es in hierhin gelegt hatte, jedoch war dies aus mehreren Gründen unlogisch. Einerseits hatte Aram seinen Namen kein einziges Mal in dieses Buch geschrieben, was bedeuten würde, dass derjenige wissen musste, das es Aram gehörte, andererseits war die Korrektur viel zu sinnvoll, um als willkürliche Handlung durchzugehen. Sämtliche Anmerkungen waren so schlüssig, dass sich der Rothaarige fragte, wieso er selbst nicht darauf gekommen war. Doch auch die komplexeren Bemerkungen waren so fachlich erklärt, dass sie von jemandem stammen mussten, der sich gut mit der Materie auskannte. Nahezu beeindruckt über den Wissenstand des Unbekannten, verschlang Aram das Geschriebene und erreichte ziemlich schnell die letzte Seite. Fast wollte er das Buch wieder zuschlagen, als ihm durch das Licht der Sonnenstrahlen, noch weiterer Text auf der Rückseite des Blattes auffiel. Neugierig las er sich die Niederschrift durch: Sehr geehrter Mr. Sheppard, es ist mir eine Freude zumindest auf diesem Wege mit Euch in Kontakt zu treten. Ich bin Mitglied eines Kults, der sich Mors Aurum nennt und sich unter anderem der Erforschung von Aura widmet. Dabei fanden wir dieses Notizbuch, welches allen Anschein nach Euch gehören dürfte. Es ist wahrlich bemerkenswert, wie Ihr aufgrund des einseitigen Wissens eines einzigen Buches, auf solch detaillierte, wahrheitsgemäße Ergebnisse kommt. Ich muss zugeben, ich bin von Eurem Interesse und Eurem Können zutiefst angetan und würde Euch nur allzu gern in unseren Reihen willkommen heißen. Da diese Entscheidung gut durchdacht werden muss und Ihr bestimmt einige Fragen an uns habt, lade ich Euch zu einem Gespräch am kommenden Montag um 10 Uhr ein. Die Adresse findet Ihr auf der beigelegten Visitenkarte, welche sich zwischen den nächsten Seiten befindet. In Eurem eigenen Interesse rate ich Euch, diesen Termin wahrzunehmen, anderenfalls könnte es zu Komplikationen kommen. Ich freue mich schon sehr auf ein persönliches Treffen mit Euch und verbleibe mit besten Grüßen, Aaron Arvid PS: Wir haben uns erlaubt das Exemplar des Buches „Aura belliatus“, welches sich in Eurem Besitz befand, an uns zu nehmen. Ich bitte diesbezüglich um Euer Verständnis. So wie er las, verengten sich seine Augen immer mehr und sein Herz begann in einem nervösen Rhythmus zu schlagen. Als er den letzten Satz beendet hatte, schoss sein Blick zu seiner linken. Bis gerade eben hatte er nicht einmal mitbekommen, dass der dicke Schmöker, mit dem edlen Einband gar nicht mehr dort stand. Hastig blickte er sich im Zimmer um, konnte ihn jedoch wirklich nicht finden und musste sich erneut und nun auch zu 100 % sicher, eingestehen, dass jemand mit Absicht bei ihm eingebrochen war. Er lehnte sich nach hinten und warf seinen Kopf in den Nacken. „Mors Aurum…“ Murmelnd starrte er die Decke mit einem wehklagenden Gesichtsausdruck an. „Wörtlich übersetzt Tod dem Gold, aber vermutlich wurde das Wort Aura wegen des ähnlichen Klangs einfach ersetzt um den Blick von ihren wahren Absichten abzuwenden.“ Ein gequältes Lachen drang über seine Lippen. „Unter anderem der Forschung, pah.“ Seufzend schloss er die Augen und begann damit, das Gelesene und die Ereignisse Revue passieren zu lassen. „Irgendwie werde ich seit dieser Geschichte vom Pech verfolgt… Und es will einfach nicht aufhören.“ Knarzend schaukelte er mit dem Stuhl vor und zurück, während sein Blick langsam nach unten wanderte und außerhalb des Fensters den vorbeiziehenden Wolken nachschaute. „Also heißt es entweder einem ominösen Kult beitreten oder die Komplikationen ertragen? Na das sind doch mal gute Aussichten.“ Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube richtete er sich ruckartig auf. Er konnte einfach nicht hier bleiben, sonst würden ihn seine eigenen Gedanken noch wahnsinnig machen. Also zog er seinen Mantel aus dem Schrank, warf ihn sich über und verließ das Zimmer. Sonst so überfüllt, schien der Flur am Wochenende beinahe wie ausgestorben, da die meisten Studenten an diesen zwei Tagen der Woche wieder nach Hause fuhren, Aram bevorzugte es allerdings, die Ruhe auf dem Campus zu genießen, anstatt die lange Fahrt nach London auf sich zu nehmen. Doch dieses Mal führte ihn sein Weg genau dorthin. Denn ein Unwohlsein breitete sich in seinem Körper aus, fast so, als gäbe es nur noch diese eine Möglichkeit, seine Eltern zu sehen. Optimismus war nun einmal keine Stärke von ihm und die Drohung des Kultes verunsicherte ihn noch zusätzlich. Daher führte ihn sein Weg zum Oxforder Bahnhof, wo er in einen Zug nach London stieg und schließlich vor dem Tor seines Zuhauses aus der Kutsche trat. Mit einer leichten Verbeugung und einem großzügigen Trinkgeld bedankte er sich beim Kutscher und trat durch das große Eingangstor und durch den Vorgarten, bis er vor der Tür stehen blieb. „Aram, Schatz, wieso bist du denn hier?“ Die sanfte Stimme der zierlichen und sichtlich überraschten Mittevierziger drang durch den Türspalt. „Braucht ein Sohn denn stets einen Grund seine Eltern zu besuchen?“ Schief grinsend blickte er zu seiner Mutter hinab, deren überraschte Miene zu einem herzlichen Lächeln wurde und Aram einladend die Tür öffnete. „Die meisten Söhne nicht, bei dir wäre ich mir da aber nicht so sicher.“ Der lockige Rotschopf grinste neckisch zu ihm hoch und brachte ihn damit zum Schmunzeln. Aber ich freue mich, dass du hier bist. Dein Vater ist oben in seinem Büro, er freut sich bestimmt auch, dich zu sehen. Geh ruhig zu ihm, ich bereite solange den Tee vor.“ Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, verschwand sie auch schon in der Küche und ließ ihren Sohn alleine zurück, welcher sich schon gar nichts mehr dabei dachte, sich den Mantel abstreifte und danach den Treppen nach oben folgte. Bevor er in das Büro trat, ging er daran vorbei ins Bad, um sich nach der langen Zugfahrt etwas frisch zu machen, da seine Mutter spätestens zum Tee auf frisch gewaschene Hände bestehen würde. Sie nahm es sehr genau mit der Sauberkeit, was sich auch im Haus widerspiegelte. Kein Dreck, kein Staub. Nicht mal die kleinste Schliere war auf dem Spiegel zu erkennen, als sich Aram darin musterte und seine leicht zerzausten Haare wieder nach hinten kämmte. Als er fertig war, trat er wieder hinaus und klopfte gegen die verschlossene Bürotür. „Ja?“ Eine tiefe, erhabene Stimme erklang aus dem Zimmer und vorsichtig öffnete Aram die Tür und schob seinen Kopf hindurch. „Hättest du Zeit für eine Tasse Tee?“ Wie schon seine Mutter, erhob nun auch sein Vater überrascht den Kopf und sah zu seinem Sohn. „Aram, ich wusste nicht, dass du heute kommen wolltest.“ „Ich habe es recht spontan entschieden, tut mir leid, dass ich nicht Bescheid gesagt habe.“ „Schon in Ordnung, das ist zumindest eine schöne Überraschung und ein Grund, nicht mein gesamtes Wochenende über Dokumenten zu kauern.“ Ein kurzes, tiefes Lachen hallte durch den Raum, bevor er die Brille absetzte und sich von seinem Sessel erhob. Aram hielt ihm die Tür nun weiter auf und machte seinem Vater Platz, sodass er an ihm vorbeigehen konnte. Dieser schlug dem jüngeren sanft auf den Rücken und schob ihn mit sanftem Druck neben sich her. „Ist schon eine Weile her seit deinem letzten Besuch. Was macht das Studium?“ „Also, was das angeht …“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)