Nicht dein Leben... von Grayson ================================================================================ 10. --- Für einige Sekunden starrte Nightwing noch in die Dunkelheit, ehe er wieder zu einer Regung fähig war. In Gedanken ging er ihr Gespräch immer und immer wieder durch, suchte nach einem Haken, fand diesen jedoch nicht. „Alfred!“, sprach er leise, in der Hoffnung, dass dieser unterdessen wieder in Wayne Manor angekommen war. „Ich bin da, Richard.“ Es tat gut die vertraute Stimme zu vernehmen, beruhigte sie doch ein wenig Richards aufgewühltes Inneres. „Ist Tim da?“ Er musste mit jemanden darüber reden, sich mit jemanden austauschen und einen Partner haben, mit dem er die Situation erörtern konnte. „Ich kann ihn holen.“ „Sei so lieb, Alfred. Tim muss für mich einen Namen prüfen - Jason Peter Todd. Ich bin in etwa dreißig Minuten da.“ Vorsichtig schob er die kleine Phiole, die er noch immer sicher in der Faust barg, in eine der kleinen Taschen, ehe er das Dach verließ und zu seinem Bike eilte, welches nur eine Querstraße weiter parkte. Den Helm aufsetzen, aufsteigen, den Seitenständer hochklappen, das Motorrad zu starten und Gas zu geben, war eine, ihm in Fleisch und Blut übergegangene Handlung. Den satten Sound vernehmend, die Kraft der Maschine fühlend, spürte Nightwing, wie sich Ruhe in ihm ausbreitete. Er war eins mit dem Bike, mit der Straße und dem befreienden Gefühl, etwas zu tun, das er liebte. Tim, in Jeans und Sweatshirt gekleidet, wartete schon auf ihn, als er sein Motorrad an dem dafür vorgesehenen Platz abstellte. „Ich habe zwei Jason Peter Todds in Gotham finden können“, kam der jüngere sofort zur Sache. „Ein ehemaliger Marine, 65 Jahre alt, der einen kleinen Elektrofachhandel betreibt.“ Richard nahm den Helm ab und nickte. „Und einen Jason Todd fand ich in unserer eigenen Datenbank...“ Hellhörig geworden, legte Nightwing den Helm auf den Tank seines blauschwarzen Motorrads. „Zeig mir alles was du gefunden hast!“ Er folgte seinem Bruder zu dem Computer, nickte unterwegs Alfred zu, der eben mit einem Tablett in den Händen die Höhle betrat. „Ich war so frei. Heiße Schokolade mit einer Spur Chili zum Aufwärmen und Käsesandwich mit Tomaten.“ „Dank dir, Alfred.“ Lächelnd nahm der in blauschwarz gekleidete der guten Seele des Hauses einen Becher ab und schloss die Finger darum, ehe er sich hinter Tim stellte. „Also, was hast du?“ „Jason Peter Todd, am 16. August 1985 in Gotham geboren. Eltern: Catherine und Willis Todd. Catherine, verstarb vor siebzehn Jahren, nach schwerer Krankheit, da war Jason gerade mal zwölf Jahre alt. Von seinem Vater verliert sich in dieser Zeit jede Spur und auch von Jason gibt es keinerlei Einträge mehr. Er rutschte wohl durch die Verwaltungsmühle. Zwei Jahre später, taucht der Junge wieder auf. Als er vierzehn war, habt ihr ihn an die Behörden übergeben.“ „Batman und ich?“, hakte Nightwing nach. „Jason überfiel den einen oder anderen Laden, ohne wirklich viel Beute zu machen, worauf er den Coup plante. Er überfiel, mit gezogener Pistole, eine Bankfiliale. Er erschoss einen Bankangestellten und zwei Unbeteiligte, eine achtundzwanzig Jährige Mutter und einen sechsundfünfzig Jahre alten Mann.“ Hinter Richards Stirn arbeitete es. Er erinnerte sich. Kurz bevor er Gotham Richtung Südostasien verließ, waren Batman und er damals zu spät gekommen. Der Junge hatte schon um sich geschossen, als er wohl begriff, dass er in dieser Bank nicht den großen Reibach machen konnte, da der Barbestand durch ein Zeitschloss gesichert war. Immerhin schafften sie es, den Teenager zu überwältigen. Es war Richards letzter Auftritt als Robin gewesen. Danach war es nie wieder so gewesen, wie zuvor. „Ich erinnere mich“, murmelte er nach einem Schluck von der heißen Schokolade. Er schmeckte die leichte Schärfe, spürte wie diese seinen Körper wärmte und runzelte die Stirn. Die Erinnerungen an damals gehörten nicht zu den erfreulichsten in seinem Leben. Damals waren Bruce und er ständig aneinandergeraten, beinah wegen jeder Kleinigkeit. Kein Wunder, dass er damals die Reißleine zog und für ein paar Monate verschwand. Der Abstand hatte ihnen gutgetan und die erhitzen Gemüter beruhigt und der räumliche Abstand, den sie beibehielten, da er nach Blüdhaven zog und sein eigenes Leben lebte, tat sein übriges, damit sie sich langsam wieder annäherten. Nein, dies war nicht die Zeit, um über alte Geschichten zu grübeln und so schob Richard diesen Blick in die Vergangenheit ganz weit weg. „Nach den Verhandlungen kam Jason Todd in die Jugendstrafanstalt. Mit achtzehn verlegte man ihn nach Blackgate. Kurz darauf fand der 'Große Aufstand' statt, in den er anscheinend involviert war.“ Auch daran erinnerte Richard sich noch sehr gut. Er war mit Batman als Nightwing vor Ort gewesen. „Jason gehörte zu den zehn Todesopfer, die während dem Aufstand von einigen schießwütigen Wächtern erschossen wurden.“ Während Timothy die Fakten vortrug, erschienen verschieden Fotos auf dem Monitor: die Verhaftung des jungen Jason Todds vor der Bankfiliale und Aufnahmen von den Verhandlungen. Ja, eine gewisse Ähnlichkeit schien vorhanden zu sein - die schwarzen Haare, die blauen Augen, der schon damals vorhandene, aber noch nicht so stark ausgeprägte, energische Zug ums Kinn. „Kann es möglich sein, dass er den Aufstand überlebte und irgendwie entkam?“ Richard trat neben Tim, zog sich die Maus heran, vergrößerte das letzte Photo und zoomte die blauen Augen näher. Eindeutig, dies waren die Augen, in die er vorhin noch blickte. „Nein, seine Leiche wurde zweifelsfrei identifiziert. Laut dem Obduktionsbericht trafen ihn zwei Kugeln direkt ins Herz.“ Die vergrößerte Aufnahme verschwand, machte Platz für eine Foto aus der Gerichtsmedizin. „Kannst du diese Probe mit seiner DNA abgleichen? Du findest sicherlich auch ein paar Fingerabdrücke von ihm auf dem Glas.“ Vorsichtig legte Richard das Glasröhrchen auf den Tisch. „Entweder ich stand vorhin einem Geist gegenüber oder Jason Todd hat es geschafft die gesamte Justizbehörde auszutricksen.“ Über Bluetooth lud Richard die Aufnahmen, der Mikrokamera, auf den Server, suchte eine Frontalaufnahme von Jason Todd und ließ ein Gesichtserkennungsprogramm drüber laufen. „Gibt es alte Tonaufnahmen für einen Stimmabgleich?“ „Kannst du mir erklären, wer das ist?“ Timothys Blick hing gebannt auf den Aufnahmen. „Wieso trägt er Batmans Symbol?“ „Das versuche ich herauszufinden“, antwortete Nightwing, der gespannt auf das Ergebnis wartete. Mit einem leisen Pling gab der Computer an, das er den Abgleich beendet hatte - Übereinstimmung: 100 %. Tatsächlich, der Mann, der ihm vorhin auf dem Dach gegenübergestanden hatte, war der vor zwölf Jahren getötete Jason Peter Todd. Richard gab seinem jüngeren Bruder sie Zeit, sich seine Begegnung mit Red Hood in Ruhe anzuschauen. „Er scheint einiges über uns zu wissen“, dachte Tim laut nach. „Vielleicht ist er uns durch einen Zufall auf die Schliche gekommen, ähnlich wie ich damals. Aber, was meint er mit Zeitlinien?“ Mit den Schultern zuckend, antwortete Nightwing: „Zukunft? Wir wissen nicht, was in der nahen oder fernen Zukunft alles möglich sein kann. Vielleicht erfindet tatsächlich jemand eine Zeitmaschine. Falls er tatsächlich aus einer unbekannten fernen Zeit kommen sollte, erklärt dies trotzdem nicht, wieso er der verstorbene Jason Todd ist.“ „Sein Urururenkel“, überlegte Timothy weiter und angelte nach einem Sandwich, ehe er herzhaft abbiss und das Video noch einmal zurückspulte, um es ein weiteres mal abzuspielen. „Glaube ich nicht. Er sagte, er sei ein Teil der Familie. Er nannte mich Bruder.“ Richard tat es Tim gleich, nahm das andere Sandwich an sich und folgte schweigend seinen Gedankengängen, die ihn schon seit einer Stunde beschäftigten. „Alle Mutmaßungen nützen nichts. Warten wir bis morgen. Nach dem DNA-Abgleich sind wir schlauer. Ich such nach Tonaufnahmen und jage diese nochmal durch den Rechner. Morgen werden wir erfahren, ob er tatsächlich Jason Todd ist oder nur ein Verwandter von ihm.“ Nickend, bekundete Richard sein Einverständnis. „Halt mich auf dem Laufenden. Ich fahr nach Hause.“ „Mach ich...“ Und während Nightwing sich umziehen ging, sah Tim sich die Aufnahme ein weiteres mal an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)