Lower Instinct von Zeku ================================================================================ Kapitel 4: Kontrolle -------------------- Kapitel 4 - Kontrolle Sie zog den schweren Mantel von der Stuhllehne und schwang ihn um ihre Schultern. Die Ärmel des olivgrünen Gehrocks baumelten an ihrer Seite herab und wippten rhythmisch bei jeder ihrer Bewegungen. Die hellblonden Strähnen ihrer langen Haare flossen wie kleine Silberbächlein durch den derben Wollstoff, während sie mit langen Schritten das Zimmer durchmaß. Die Absätze ihrer ordentlich geschnürten Stiefel hackten hart auf das blitzsaubere Parkett. Sie rauschte an ihrem Koffer vorbei, an der großen schwarzen Tasche und dem staubgrauen Aktenkoffer, die sich in der Nähe der Zimmertür stapelten. Lady Hellsing durchflog gedanklich bestimmt zum einhundertsten Mal ihre Packliste, kontrollierte die Fensterriegel und versicherte sich, dass alle Geräte abgeschaltet waren, alle Ordner verschlossen, alle Unterlagen sauber einsortiert in den Schubladen ihres Sekretärs ruhten. Sie würde das Anwesen für längere Zeit verlassen und wollte nicht, dass auch nur die kleinste Ungewissheit an ihr nagte. Kontrolle. Vor kurzem hatte sie einen so einschneidenden Kontrollverlust erlebt, dass es nun wie ein innerer Zwang in ihr lohte, jeden Faden und sei er auch noch so winzig, straff in der Hand zu behalten. Das merkwürdige Fieber, dem sie diese pedantischen Handlungen verdankte und dem sie vor etwa anderthalb Wochen anheimgefallen war, hatte sie inzwischen vollkommen auskuriert. Die Symptome waren verschwunden, nachdem sich ihre Körpertemperatur auf ein Normalmaß reguliert hatte. Keine Albträume mehr, kein Koma, keine Visionen. Sie war wieder völlig gesund und, was noch viel wichtiger war, Alucard verhielt sich absolut unauffällig. Keine grotesken Avancen, keine aggressiven Handlungen, keine Zudringlichkeiten. Ja, er verhielt sich typisch bizarr, seinem Wesen entsprechend, aber zutiefst ergeben und pflichtbewusst – im Grunde also harmlos. Zumindest für sie. Integra blieb mitten im Zimmer stehen und fischte aus der Innentasche ihres Gehrocks ein silbernes Etui, dem sie einen Zigarillo entnahm. Beiläufig zündete sie ihn an und blies den blauen Rauch bis unter die Decke des hohen Raumes, während sie zufrieden nickte. Ein schmales Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie spürte, dass sie mit der Entwicklung der Ereignisse zufrieden sein konnte. Als hätte sie damit ein geheimes Zeichen gegeben, klopfte es an der Zimmertür und Walter schwebte herein. Formvollendet neigte er den Oberkörper und schaute die junge Frau über seine runden Brillengläser hinweg lächelnd an. Dabei hatte er kaum einen Laut verursacht, dachte sie. Manchmal vergaß sie beinahe, welch tödlicher Kern in ihrem Butler schlummerte. Aber stets nur fast. „Walter.“ intonierte Integra sofort. „Sind alle Vorbereitungen abgeschlossen?“ „Natürlich, Lady Hellsing. Ganz so, wie Sie es gewünscht haben.“ erwiderte der Butler beflissen und bedachte sie mit einem Lächeln. „Darf ich dann Myladys Gepäck hinunter tragen? Es wird Zeit aufzubrechen, wenn Sie Ihren Flieger noch pünktlich erreichen wollen.“ bot der Mann ihr an und Integra stimmte ihm mit einer schnellen Handbewegung zu. Walter würde ihr fehlen, während sie in Westeuropa waren. Die Reise war allerdings unvermeidlich. Wenn sich die führenden Köpfe der europäischen Monsterliquidierungseinheiten zusammen fanden, durfte die wichtigste Vertreterin Großbritanniens zweifellos nicht fehlen. Die Zeiten hatten sich geändert. Freaks waren nicht länger ein staatliches Problem, sondern gerieten viel mehr zu einer globalen Bedrohung, der man geschlossen gegenüber treten musste. Sie wusste, dass man auf den britischen Inseln zu Lebzeiten ihres Vaters anders darüber gedacht hatte und dass sie sich mit diesem neuen Kurs nicht nur Freunde geschaffen hatte. Doch es war ihr gleich. Sie. Sir Integral Fairbrook Wingates Hellsing war dazu bestimmt, das Werk ihres Vaters fortzusetzen. Sie würde sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften, bis zu ihrem letzten Atemzug dafür kämpfen und wenn das hieß, neue Wege zu finden, dann würde sie auch davor nicht zurück schrecken. Integra wartete in der großen Eingangshalle, während Walter schwer beladen die Treppe hinab taumelte. Sie blickte ihm entgegen und kniff schnell die Lippen zusammen, um nicht laut loszulachen. Walter hatte sich, neben ihrem Gepäck, noch zwei weitere Taschen unter die Arme geklemmt. Im Klartext hieß das, er schleppte ihren zum Platzen vollgestopften Koffer, drei Reisetaschen und Integras Aktenkoffer, der scheinbar nur noch zwischen seinen Zähnen Platz gefunden hatte. Walter mühte sich ab, so würdevoll wie möglich die Treppe hinab zu schwanken, aber seine Augen traten bereits alarmierend aus ihren Höhlen hervor. Seine bebenden Nasenflügel und die pochende Ader auf seiner Stirn, wurden noch von der ungesund dunkelroten Gesichtsfarbe unterstrichen. Jetzt fehlte eigentlich nur noch, dass er Rauchwolken aus schnaubte. Integra eilte ihm entgegen und wollte ihm gerade zumindest den Aktenkoffer aus dem Mund nehmen, als der mit einer unnachgiebigen Bestimmtheit den Kopf schüttelte und etwas murmelte, das sich wie: „Hommt haa naah han Fahge!!“ anhörte. Seine Augen blitzten und die junge Frau trat schnell aus seinem Weg. Walter hievte die Gepäckstücke breitbeinig an ihr vorbei und watschelte schnaufend durch die offene Eingangstür nach draußen, wo bereits ihr Chauffeur vorgefahren war. Integra unterdrückte ein Kichern, als sie das Ächzen des Butlers hörte, als dieser rumpelnd die Gepäckstücke in den Kofferraum des Wagens purzeln ließ. Guter, treuer Walter. Er würde sich nie ändern und das war gut so. Als der Butler wieder eintrat, tupfte er sich gerade mit einem Taschentuch über die Stirn und wirkte durchaus zufrieden. „Jetzt sollte alles verstaut sein. Sind Sie bereit zum Aufbruch, Lady Hellsing?“ fragte er. Integra schüttelte langsam den Kopf. „Nein, etwas fehlt noch.“ sagte sie und bemerkte amüsiert, wie Walter kurz erschrocken zusammen zuckte. Sie hob schnell die Hände, um ihn zu beschwichtigen. „Keine Sorge, das Gepäck ist vollständig. Es fehlt lediglich…“ Doch Integra kam nicht dazu ihren Satz zu beenden, denn eine tiefe Stimme vervollständigte die Aussage abrupt für sie. „… ihr ergebener Begleitschutz.“ raunte eine sonore Stimme. Walter lächelte stoisch und seine Augen zuckten zu der kleinen Gruppe von Sesseln, die im Foyer standen, hinüber. Dort hatte sich lautlos die hohe umschattete Gestalt eines Mannes erhoben. Lady Hellsing rührte sich nicht. Dünne Rauchkringel stiegen lautlos von ihren Lippen auf und nur das Knistern des glühenden Zigarillos war zu vernehmen. Noch während der Mann sich zu voller Größe aufrichtete, wurde Integras Gesicht ernster und distanzierter. Hatte er die ganze Zeit schon dort gesessen? Sie hatte ihn nicht bemerkt. Die hellblonde Frau rührte sich, strich ihren Hosenanzug glatt und taxierte ihn. Sein Haar war länger als üblich und zu einem makellosen Schwanz zurückgebunden. Die glutroten Augen verbargen sich hinter einer runden Sonnenbrille, während sein großer, schlanker Körper in einem tiefschwarzen Anzug steckte. Nur Hemd und Handschuhe waren, wie üblich, weiß. Alucard fuhr sich mit der Hand von der Brust bis zum Bauch und verneigte sich dann in einer fließenden Bewegung vor ihr. Sie sah sein scharfzahniges Grinsen, als er sich wieder aufrichtete und bemerkte das leise Lachen, das aus seiner Kehle drang. Er wirkte abstrus, wie ein übergroßes Raubtier, das sich brav auf die Hinterläufe stellte. Als er auf sie zuschritt, hob sie nur das Kinn und blickte ihm direkt ins Gesicht, ohne zurück zu weichen. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper und ihre Züge behielten vollumfänglich ihre gelassene Autorität bei. „Herrin.“ raunte er leise und bot ihr den Arm an. Sie zögerte kurz, legte dann aber ihre Hand langsam in seine Armbeuge und spürte, wie er neben ihr ein Stück zu wachsen schien. Die junge Frau berührte ihren gefährlichen Diener nur äußerst selten, auch wenn sie nichts vor ihm zu befürchten hatte. Der Abstand zu ihm war ihr wichtig. Essentiell. Er schützte sie. Integra wusste, auf welche Weise es dem Vampir möglich war, die Gedanken und Handlungen seiner Gegner zu beeinflussen. Alucard war mächtig und gerissen. Manipulation war für ihn nicht mehr als eine Fingerübung und er fühlte keine Reue, kein Gewissen. Lady Hellsing war es, die ihn in seine Schranken wies. Sie erteilte die Autorisierungen zur Auflösung der Bannsiegel, die seine Macht beschränkten. Sie gab ihm seine Aufträge und er gehorchte. Er musste das bleiben, was er war. Ein gut abgerichteter Hund, ein nützliches Werkzeug, ein unterwürfiger Diener. Solange diese Distanz gewährleistet war, konnte nichts geschehen. Integra straffte ihre Schultern und wandte sich an Walter. „Pass gut auf das Anwesen auf, bis wir zurück sind … und auf dich natürlich auch. Ich melde mich, sobald wir unser Hotel erreichen.“ sagte sie noch, während der Butler sich bereits verneigte und Alucard sie hinaus führte. Der Vampir öffnete ihr die hintere Tür des schwarzen Wagens mit einer leichten Verbeugung, bevor er selbst auf der anderen Seite einstieg. Dann ließen sie die lange Einfahrt des Anwesens der Hellsings hinter sich. … Der kleine Page mit seiner albernen Bedienstetenkappe schloss die Tür hinter sich und Integra ließ sich auf das weiße, frisch bezogene Hotelbett sinken, das in ihrem Zimmer bereit stand. Mit einem Seufzen schlüpfte sie aus den engen Schuhen und warf Gehrock und Jackett neben sich auf den Bettbezug. Der Flug war reibungslos verlaufen, genau wie die Fahrt in ihr Hotel. Kaum hatten sie jedoch das Flugzeug verlassen, war Alucard spurlos verschwunden. Die junge Frau war ein wenig erbost über sein Verhalten, kannte diese Anwandlungen aber bereits. Solange er auftauchte, sobald sie ihn brauchte, versuchte sie, sich nicht weiter daran zu stoßen. Schon morgen würde die erste Konferenz stattfinden, dachte sie, während sie den obersten Knopf ihrer Bluse löste und so die Enge des Kragens etwas entschärfte. Ihr erster Auftritt musste Eindruck schinden und durfte keinen Zweifel an ihrer Autorität zurück lassen. Schon aus diesem Grund wollte sie Alucard dabei haben. Er war ein unmissverständliches Zeichen der Macht der Familie Hellsing, um die sich freilich bereits ohne einen domestizierten Vampir mehr als genug Mythen rankten. Er würde ihre Stellung sofort festigen und ihren Worten augenblicklich mehr Gewicht verleihen. Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Integra blickte zur Hotelzimmertür und blinzelte kurz. Wer mochte das sein? Noch einmal der Page? Hatte er vergessen ihr etwas hoch zu tragen? Lady Hellsing ließ kurz ihren Blick über den Berg Gepäck gleiten und entdeckte auf Anhieb nichts, das fehlte. „Moment.“ rief sie kurz angebunden, fuhr mit ihren Händen unter ihre Haare und befreite diese aus ihrem Kragen, sodass sie in einer silbernen Platinkaskade über ihren Rücken wallten. Dann ging sie zur Tür und öffnete sie, aber für einen Augenblick sah sie niemanden. Integra schob die Augenbrauen zusammen, bis sie schließlich den Blick ihrer hellen Augen auf einen Schatten senkte. Vor ihr saß ein riesiger schwarzer Hund, dessen lange Zunge ihm wie ein monströser Wurm schlaff seitlich aus dem Maul hing. Mehrere blutrote Augenpaare betrachteten sie gleichzeitig, was dem Gesicht des Hundes Züge einer haarigen Spinne verlieh. Als die junge Frau die Tür öffnete, erhob sich das Tier, schüttelte den schweren Kopf, sodass seine zotteligen Ohren schlackerten und trabte einfach in Seelenruhe an Integra vorbei in ihr Zimmer. Verdutzt ließ die Frau ihn passieren, fand aber spätestens zu ihrer alten Form zurück, als sie die Zimmertür geräuschvoll schloss. Die Hellsingerbin stemmte die Hände in die Hüften und verengte die Augen, während sie das Tier fixierte, das es sich auf ihrem Bettvorleger bequem machte.“Alucard!“ schalt sie und ihre Stimme durchschnitt die Luft scharf. „Was soll der Blödsinn?“ Das Fell des Hundes schien sich stetig zu bewegen, als sei es eine lebendige Flüssigkeit. Ab und an blinzelten stierende Augen zwischen den Zotteln hervor, die sich schnell zwinkernd schlossen und wieder verbargen, wenn man sie bemerkte. Integra mochte diese Gestalt des Vampirs nicht. Sie gehörte zu ihm und vermischte sich hin und wieder mit seiner Erscheinung. Zumeist bereitete es ihm Freude, diese animalische Seite im Kampf hervor brechen zu lassen. Seine Feinde reagierten irritiert, oft schockiert und das noch bevor sie das eigentliche Grauen auch nur erahnen konnten. Die junge Frau wusste, wie gern ihr Diener mit seinen Opfern spielte und wie bestialisch er sie folterte, wenn ihm der Sinn danach stand. Das fröhliche Abreißen von Körpergliedmaßen gehörte da eher zum Standardprogramm. Der Hund begann zu grinsen. Integra lief ein kalter Schauer über den Rücken und die feinen Haare auf ihren Armen und in ihrem Nacken stellten sich auf. Tiere sollten nicht grinsen können, das war widernatürlich. Sie spürte, dass ein Muskel in ihrem Gesicht angeekelt zuckte und versuchte ihre Abscheu unter einer Maske aus Gleichgültigkeit zu verbergen. Die blonde Frau verschränkte die Arme und sah das Wesen mit unverhohlener Ungeduld strafend an, während sie innerlich aufatmete, als dieses sich endlich rührte. Der Hund streckte seine Vorderläufe aus und reckte sich genüsslich, bevor seine Gestalt zu zerfließen schien, als würde man einer Kugel Eis im Hochsommer beim Schmelzen zuschauen. Die roten Augen quollen in alle Richtungen davon, tropften klatschend zu Boden, wo sie einen Moment lang schwammen und versanken dann in der zähen schwarzen Masse, die von dem Leib des Tieres übrig blieb. Integras Nasenflügel blähten sich bei dem abstoßenden Schauspiel, ansonsten hielt sie ihre gleichgültige Fassade aber aufrecht. Die Konturen des schwarzen Klumpens gerieten abermals in Bewegung und ordneten sich neu. Der Frau war es noch nie möglich gewesen, den genauen Zeitpunkt zu erhaschen, wenn die Gestalt des Vampirs wieder menschlich wurde. Es war, als würde man blinzeln und dann stand er vor einem, als wäre nichts geschehen. Manchmal bewegte sich sein Haar ein wenig oder man sah ein verräterisch amüsiertes Glimmen in seinen Augen, mehr Indizien auf seine Gestaltänderung gab es aber nicht. Genauso verhielt es sich auch jetzt. Er stand wie aus dem Nichts vor ihr, die Lider halb geschlossen, ein unverhohlenes Grinsen auf den Lippen. „Ich wollte sehen, wie es dir geht...“ gab er mit ruhiger, tiefer Stimme zurück und sein Grinsen wurde breiter. „… und dir etwas Zerstreuung verschaffen.“ erklärte er belustigt. Integra starrte ihn verblüfft an. Es waren allerdings nicht die weißen scharfkantigen Zähne, die sein unheilschwangeres Grinsen offenbarte, die das Oberhaupt der Hellsing Familie stutzen ließen. Viel mehr rutschte ihr Blick perplex an ihm herunter. Sie schluckte. Sein Oberkörper war lediglich mit einem offenen weißen Hemd bekleidet, das locker über seine ausladenden Schultern hing und den Blick über die breite Brust und den Bauch bis zum Ansatz seines Hosenbundes frei ließ. Drahtige Muskulatur zeichnete sich unter seiner hellen Haut ab. Auf seiner Brust ruhte eine schwere, eiserne Kette, die in einem steifen, breiten Lederhalsband endete, das fest um seinen Nacken saß. Er legte den Kopf schräg, als er einen Schritt auf sie zutrat. Integra wich zurück. Sie starrte ihn noch immer an, offensichtlich um Worte ringend, während ihre linke Augenbraue nervös zuckte. „Stimmt etwas nicht, Herrin?“ knurrte Alucard und breitete seine Arme aus, als erwarte er, sie jeden Moment zu umarmen. Schatten huschten über sein Gesicht, die seine Augen nur umso heller leuchten ließen. Seine schmalen Pupillen waren fest auf die junge Frau gerichtet, deren Puls zu rasen begann. Was war in ihn gefahren? Kalter Schweiß trat der sonst so beherrschten Lady auf die Stirn, während sie weiter vor ihm zurück wich. „Du wolltest einen gehorsamen Hund. Hier hast du ihn.“ Hatte er ihre Gedanken belauscht? ,schoss es ihr durch den Kopf, doch Integra kam nicht dazu, ihre Gedanken zu beenden. Leichter Stoff raschelte, als er plötzlich auf sie zu schoss. Sie erschrak so sehr, dass sie nach Luft schnappen musste. Alucard war im Bruchteil einer Sekunde bei ihr und legte beinahe zärtlich seinen langen Arm um ihre Taille. Er zog sie an sich und spürte das lebendige Pulsieren ihrer Haut, während ein furchterfülltes Zittern unkontrolliert durch ihre Glieder fuhr. Ihre Arme waren zwischen ihrem und seinem Körper eingeklemmt. Es war ein Leichtes das Ende der Kette zu ergreifen und sie mit seiner freien Hand straff um ihren Nacken zu schlingen. Noch war sie zu perplex, um auch nur einen Muskel zu rühren. Er spürte sie, durch den dünnen Stoff ihrer Kleidung hindurch, an seine nackte Brust gepresst und es fiel ihm schwer, die Beherrschung zu wahren. Er musste sich eingestehen, wie besessen er wirklich von ihr war. Sie fütterte seinen Wahnsinn mit jeder Faser ihres Körpers und war doch gleichzeitig so unerreichbar für ihn. Eine süße Qual. Ein Hunger, den er niemals stillen konnte. Ein Verlangen, das er nicht befriedigen konnte. Er konnte haben, was immer er wollte, nur sie nicht. Lady Hellsing. Die Herrin. Die Einzige. Zumindest hatte er das gedacht, bis er eines Nachts ihre Gedanken aufgefangen und wie ein Verdurstender in sich aufgesogen hatte. Sie hatte Gedanken über ihn, die sie sich nur selten erlaubte, aber sie waren da, hatte Alucard voller Euphorie festgestellt. Ihr unbändiger Stolz verbot ihr allerdings auch nur einen Augenblick die Kontrolle zu verlieren. Er wusste noch nicht, wie er diese Hürde überwinden sollte, aber er würde es. Sie musste die Kontrolle verlieren, sie ganz und gar aus ihrem Griff gleiten lassen. Er war zu krankhaft von ihr besessen, um es nicht zu versuchen und irgendwann würde er den Punkt finden, an dem ihre Schale zerbrach und dann … würde sein Vergnügen erst richtig beginnen. „Hmm. Was hast du? Hat es dir die Sprache verschlagen?“ raunte er, ruckte die Kette ein wenig enger und drückte ihr Kinn nach oben. In diesem Moment kehrte das Leben in die junge Frau zurück. Integra verkrampfte sich. Ihr Gesicht wurde hart, als sie die Hände langsam zwischen ihnen hinab sinken ließ. Ob sie wollte oder nicht, dadurch spürte sie die markante Biegung seines Körpers. Die junge Frau ließ alle ihre Gedanken und Empfindungen gegen eine hohe Mauer prallen, sie pferchte sie ein, erlaubte nicht, dass sie an die Oberfläche ihres Geistes gelangten. Seine Finger ruhten noch immer eisig wie Marmor an ihrem Kinn. Ihre Emotionen waren nicht zu erraten, während sie, ohne einen Wimpernschlag in seine hell leuchtenden, glutroten Augen starrte. Er war ihr so nahe. Eine kurze Bewegung und er hätte sie nieder ringen können. Sie machte keine Anstalten, sich zur Wehr zu setzen und es reizte ihn so sehr, sie zu berühren. Die Erbin der Hellsings schreckte nicht vor ihm zurück, wich seinem Blick nicht aus, ja sie schrie nicht einmal. Sollte er es bereits geschafft haben? Hatte dieser Übergriff genügt, um ihre Abwehr zu senken? Hatte sie vielleicht nur auf einen Schritt wie diesen gewartet? Wenn ihre herrische Abweisung jetzt schwand, konnte diese Nacht mehr als nur interessant werden. Eine leise Aufregung ergriff den hoch aufgewachsenen Mann, die jede Spannung überstieg, die er während der letzten Jahrzehnte gefühlt hatte. Er lächelte, als er sich nach vorn neigte. Seine Stimme nichts weiter als ein sanftes Flüstern, während sein kalter Körper sich spannte. „Sag es mir.“ raunte er. Alucard wollte, dass sie es aussprach, dass sie sich ganz hingab und sich in seine bereitwillig wartenden Hände fallen ließ. Die Luft war zum Zerreißen gespannt. Schweigen umhüllte sie. Es zog sich in die Länge, dehnte sich aus, bis es das ganze Zimmer auszufüllen schien. Aber er hatte Zeit, mehr Zeit, als es sich irgendein Wesen auch nur im Entferntesten vorstellen konnte. Ein leises Klicken. Alucard senkte den Blick , seine heiß glühenden Iriden huschten nach unten. Seine unnatürlich großen Hände packten fester zu, dennoch reagierte er zu spät. Ein lauter Knall ließ ihn zusammen fahren, gefolgt von einem brennenden Schmerz und dem ungesunden Geräusch zersplitternden Fleisches und berstender Knochen. Die Augen des Vampirs weiteten sich, als seine Beine ohne Vorwarnung unter ihm nachgaben und er zu Boden sackte. Integra hielt den kleinen Revolver noch in der Hand, als der Hüne zusammenbrach. Ihre Brust hob und senkte sich erregt. Jeder Atemzug schmerzte, so schwer rasselte die Luft in ihrer Lunge. Sie biss die Zähne so fest zusammen, dass sie glaubte, Blut zu schmecken. Ihr Kiefer mahlte. Ihre Augen funkelten hasserfüllt, als sich ihr Blick klärte und sie sah, was der Schuss aus dem noch immer dampfenden Lauf, angerichtet hatte. Die junge Frau hatte, als sie ihre Hände langsam hatte sinken lassen, aus einem verborgenen Futteral eine Waffe ziehen können. Walter hatte es ihr anfertigen lassen. Ein unauffälliger, filigran gearbeiteter, kleinkalibriger Revolver, der ohne Mühe zu verbergen war, bis er benötigt wurde. Zum Glück hatte der vorausschauende Butler sie mit geweihter und dazu auch noch streuender Munition bestückt. Alucards Dunkles Blut war über den Boden des Hotelzimmers gespritzt, vermischt mit Splittern aus Gewebe und Stoff, als Integra ihm blind das Knie durchlöchert hatte. Ihre Hände zitterten kaum merklich, als der Druck um ihren Nacken nachließ und sie einen Schritt zurück treten konnte, während ihr Diener vor ihr auf die Knie gefallen war. Die Kette des Halsbandes schleifte über den Teppich und ohne nachzudenken, trat sie auf dessen Ende, sodass der Kopf des Vampirs mit einem Ruck in Richtung Boden gerissen wurde. Es war ihr gleichgültig, dass ihm durch den Schuss die gesamte Kniescheibe weggeblasen worden war. Sie spürte keine Reue oder Mitleid und war sich außerdem sicher, dass ihn dieser Kratzer wohl auch leider nicht umbringen würde. Integra zitterte noch immer vor Wut. Alucards Gesicht klebte beinahe am Boden, während sie sich aufrichtete und ihn verächtlich anstarrte. „Wie kannst du es wagen?“ zischte sie, hob den Revolver erneut und setzte dessen Lauf auf den schwarzen Hinterkopf des Vampirs. „Ich sollte dir zur Strafe deinen Schädel wegblasen.“ knurrte sie. Ihre Stimme war kalt und fest, kein Hauch Angst schwang darin mit. „Hunde beißen ihre Herren nicht, hast du verstanden? Du wirst mich nie wieder auch nur ansehen wie eines deiner Spielzeuge. Ich bin das Oberhaupt der Hellsing Familie und du nicht mehr, als ein willfähriges Werkzeug. Vergiss das niemals.“ fauchte sie, hob den Fuß von der Kette und rammte ihm ihre Ferse in die Schläfe. Der große Leib des Mannes, der auf allen Vieren vor ihr kauerte, erzeugte keinen Laut. Sie sah nur, wie sein Brustkorb sich heftig hob und senkte. „Ich werde jetzt in die Hotellounge gehen und mir einen Martini genehmigen, oder zwei und wenn ich zurück komme, will ich deinen Kadaver hier nicht mehr sehen!“ Integra trat zurück und richtete den Kragen ihrer Bluse, während sie den Revolver zurück zog und in dem eingenähten Halfter an ihrer Hüfte verstaute. Es war ihr gleich, ob Blutspritzer an ihr klebten, sie musste hier raus. Abrupt wandte sie sich von ihm ab. Ihre hell blonden Haare flogen wild um ihren Kopf, als sie zur Zimmertür stürmte und diese aufriss. Sie kochte noch immer vor Wut und Scham, ihr Körper bebte. Wie zum Teufel hatte er es nur wagen können? Dieser Bastard! Die Adrenalinschübe ließen nur langsam nach und Integra spürte, dass sie vor Zorn beinahe die Beherrschung verloren hätte. Kontrolle. Ganz ruhig, Integra. In der offenen Tür hielt sie abermals inne, drehte sich noch einmal um und zischte „Du wirst morgen pünktlich sein und mich zu der Vollkonferenz begleiten. Und lass dir ja nicht einfallen, dich auch nur eine Sekunde eher bei mir blicken zu lassen. Das nächste Mal ziele ich besser. Das ist ein Versprechen!“ Dann knallte sie lautstark die Tür hinter sich zu. … Alucard richtete sich nach einer Weile langsam auf und ließ sich rittlings gegen die Kante des Hotelbettes sinken. Sein Blick flog über sein verstümmeltes Knie, während die im Raum verteilten Fetzen und Spritzer langsam in seinen Körper zurück kehrten, um seine versprengten Fasern neu zusammen zu setzen. Er legte seinen schweren Kopf in den Nacken und schloss die schimmernden Augen. Sie würde es ihm nicht leicht machen. Ihr Stolz war unbändig. Ein Lächeln umspielte seinen Mund, das sich mit einem glucksenden Lachen vereinte, das kehlig zwischen seinen Fängen hindurch drang. „Sehr gut, Lady Integra Hellsing. Deshalb bist du es, du allein.“ raunte er und spürte, dass seine Lust nur gewachsen war. Was für eine herrliche Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)