Zeitlose Zerstörung von Varlet ================================================================================ Kapitel 4: Schleier ------------------- Der Morgen dämmerte und der Schleier der Nacht verschwand. Das einzige Geräusch waren ihre Schritte, die durch die Flughafenhalle erklangen. Diesmal reiste sie unter ihrer wahren Identität. Chris Vineyard Wie oft zierte eine schwarze Sonnenbrille das Gesicht der hübschen Schauspielerin, das sämtliche Reisenden wie auch das Personal zu lähmen schien. Alles, bis auf ihre Schuhe, war Mucksmäuschen still. Chris verzog die Miene nicht. Sie war Blicke gewöhnt und bewegte sich elegant zum Ausgang. Draußen angekommen, sah sie sich kurz um und stolzierte sofort zum weißen Mazda RX-7. Ohne sich dem Fahrer bemerkbar zu machen, stieg sie auf der Beifahrerseite ein. „Die Sache wird ernst.“ Bourbon nickte. „Mori ausschalten, Ran und Conan in unsere Gewalt bringen“, wiederholte er es. „Wann will Gin anfangen?“ „Er fliegt in zwei Tagen her. Alles andere wäre zu auffällig. Vor allem, wenn er zusammen mit mir reisen würde.“ „Wer hätte gedacht, dass Gin uns etwas Zeit gibt“, grinste Bourbon. „Wollte er etwa nicht zuerst fliegen?“, kam es spottend. „Akai ist in den Staaten. Du kennst Gin. Er will ihn erst noch ein wenig ärgern.“ Bourbon grinste. „Zu dumm, dass Akai bereits im Flieger hierher sitzt.“ „Woher weißt du das?“ „Quellen, meine Liebe“, antwortete Bourbon. Toru Amuro „Soll mir recht sein“, entgegnete die Schauspielerin. Vermouth griff in die Innentasche ihrer Jacke und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. Die erste zündete sie sich sogleich an und hauchte den Rauch genüsslich gegen das Fenster. „Halt bei der nächsten Post an.“ „Hmm?“ Borbon sah aus dem Augenwinkel zu ihr. „Was hast du vor?“ Vermouths Hand glitt unter den Beifahrersitz, wo ihre Handtasche deponiert war. Sie öffnete diese und holte einen Briefumschlag heraus. *** Kogoro Mori – der Meisterdetektiv, der seine Fälle im Schlaf löste, stand in seiner Wohnung und sah sich im Spiegel an. Der schwarze Anzug schmiegte sich perfekt an seine Kontur an. Nur mit der Krawatte hatte er einige Probleme. „Lass mich das machen, Paps.“ Ran trat zu ihm und führte schnelle Bewegungen auf um den doppelten Knoten zu binden. „Fertig.“ „Ich weiß nicht einmal, warum wir hingehen. Ich kenn diesen Ormond Sacker gar nicht.“ „Ach Paps“, seufzte sie. „Vielleicht ist das ein neuer Klient, der dich erst einmal kennen lernen möchte und so ein Maskenball ist super aufregend, wenn man gar nicht weiß, mit wem man gerade spricht oder mit wem man tanzt. Sonoko ist total neidisch auf uns und wäre am liebsten mitgekommen.“ „Von mir aus hätte sie den Platz des Knirpses einnehmen können.“ „Paps!“ Ran stemmte die Hände in die Seiten. „Sein Name ist Conan und er gehört zu unserer Familie. Außerdem war die Einladungskarte auf seinen Namen ausgestellt. Du kannst ihn nicht einfach auswechseln.“ Ran fing gerade erst an. Ein Wort und ihre Argumente würden folgen. „Jaja…schon gut. Ist der Knirps schon fertig?“ „Fertig und am Warten. Also nimm deine Maske und komm jetzt.“ „Ja…Mausebeinchen.“ Kogoro seufzte. Manchmal schien es, als hätte Ran die Hosen an. „Muss ich diese Maske wirklich anziehen?“ „Natürlich musst du das, Paps.“ Ran tippte mit dem Fuß auf dem Boden. „Und jetzt beeil dich.“ *** Kogoro sah sich um. Der Raum war mit Menschen gefüllt. Die Herren trugen Anzüge. Schwarz. Weiß. Braun. Und dazu noch die Masken, die ihnen vom Veranstalter geschickt wurden. Die Frauen trugen Kleider. Ihre Farben waren weitaus bunter. Kogoro seufzte. Bislang interessierte sich keiner für ihn. Kogoro dachte an Rans Worte. Dennoch ließ sich nicht einmal der Gastgeber blicken. Zumindest erkannte man keinen. „Möchten Sie etwas trinken?“ Kogoro sah den Kellner an. „Natürlich.“ Sofort nahm Mori das Glas mit dem Champagner. „Sie kommen mir bekannt vor.“ Der Kellner, der ebenfalls eine Maske trug, schmunzelte. „Natürlich, Herr Mori, schließlich nahmen Sie mich als Schüler auf.“ „Sie…sind…“ Amuro nickte. „Sie scheinen überrascht. Dabei wissen Sie doch, dass ich mein Geld mit Kellnern verdiene.“ „Ich war nur überrascht, dass Sie ausgerechnet hier arbeiten.“ Kogoro sah sich um. „Es sieht so aus, als würden nur hochrangige Personen hier sein.“ „Das war auch gar nicht so einfach. Wenn ich ehrlich bin, haben Sie mir die Türen geöffnet“, erzählte er. „Kaum hatte ich erwähnt, dass ich ihr Schüler war, hatte man keine Bedenken mehr.“ „Ich verstehe“, gab Kogoro von sich. „Haben Sie bereits einen der Gäste erkannt?“ „Bisweilen nur Sie.“ „Das kann ich gut nachvollziehen. Wie soll man auch jemanden mit diesen Masken erkennen“, seufzte er. „Da haben Sie recht.“ Amuro nahm seine Maske ab. „Wenn ich ehrlich bin, bin ich kein Fan von solchen Maskeraden. Masken dienen nur als Schleier.“ „Hmm?“ „Finden Sie das nicht?“, wollte Amuro wissen. „Unter einer Maske erkennt keiner, was Sie wirklich denken, wie Sie sich fühlen oder was Sie vor haben. Woher wissen Sie jetzt, dass keiner der Anwesenden argwöhnisch ist, weil Sie hier sind?“ Amuro schüttelte den Kopf. „Masken verschleiern nur die wahren Emotionen. Allerdings tragen viele Menschen unsichtbare Masken und zeigen nie ihre wahren Emotionen.“ Er wirkte nachdenklich. „Amuro…“, murmelte Kogoro. Selten sah er seinen Schüler so. Der Angesprochene schüttelte den Kopf und somit seine Gedanken weg, ehe er sich seine Maske wieder aufsetzte. „Nur ein paar Gedanken. Ich muss weiter bedienen. Ich hoffe, Sie haben noch einen schönen Abend.“ Ran blickte auf Conan. „Gefällt es dir hier?“ Der Junge nickte. „Aber ich wundere mich, warum auch wir beide eingeladen wurden.“ Das Mädchen überlegte. „Wahrscheinlich hat der Gastgeber ein paar Informationen über Paps eingeholt und deswegen gewusst, dass es uns auch noch gibt“, meinte sie. „Mhm…das kann sein.“ Conan schaute sich um. „Kennst du jemanden der Gäste. Bisher hat sich auch noch keiner mit deinem Vater oder uns unterhalten“, kam es nachdenklich von ihm. „Das kommt noch. Du kennst doch, Paps. Bald posaunt er heraus, wer er ist und jeder wird mit ihm reden wollen“, lächelte sie. „Allerdings wundere ich mich, dass wir den Gastgeber noch gar nicht kennen lernten. Ormond Sacker hieß er, nicht wahr?“ „Wir werden Ormond Sacker auch nicht kennen lernen.“ Conans Stimme veränderte sich dabei und sein wahres Ich – Shinichi Kudo – kam hervor. „Ormond Sacker war der ursprüngliche Name den Sir Arthur Conan Doyle seinem Charakter John Watson gab. Aus dem Grund vermute ich, dass der Gastgeber jemand ist, der im Verborgenen bleiben will.“ Ran blickte den Jungen irritiert an. „Du…du hörst dich fast so an…wie…wie…Shinichi…“ „Was? Nein nein, das…äh…das liegt daran, weil er mir das letztens erzählt hat. Das hab ich mir einfach gemerkt. Du kennst ja Shinichi. Wenn es um Sherlock Holmes geht, redet er wie ein Wasserfall.“ Sie nickte. Und trotzdem war kurz diese Vertrautheit da. „Conan…“, fing sie an. Dann stockte sie. „Was hast du, Ran?“ Das Mädchen schluckte. Auf einmal fühlte sie sich beobachtet, spürte einen Blick auf sich. Einen Blick, der nichts Gutes verhieß. Sie sah sich um. Schon bald erkannte sie ihn. Der fremde Mann lehnte gegen eine Wand. Er war alleine und stand einfach so da und beobachtete sie. Er wandte den Blick keine Sekunde von ihr ab. Nicht einmal, als sie ihn bemerkte. „Ran?“ Ran schaute nach unten. „Dieser Mann beobachtet uns. Der, der dort an der Wand steht.“ „Kennst du ihn?“ „Nicht das ich wüsste. Aber durch die Maske kann ich nichts erkennen, außer diese stechend grünen Augen.“ Ran ballte die Faust. „Ich will jetzt wissen, warum der uns die ganze Zeit anstarrt.“ „Ran warte.“ Ran aber ging bereits auf ihn zu. Der Fremde, der einen Kopf großer als sie war, ließ den Blick nicht von ihr ab. „Was willst du?“ „Warum beobachten Sie uns?“ „Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich dich nicht beobachte?“, wollte der Mann wissen. „Nein, würde ich nicht. Und damit Sie es wissen, ich mach Karate. Sie können mir keine Angst machen.“ Der Mann schmunzelte. „Dafür, dass du immer am weinen bist, bist du bist ziemlich selbstsicher.“ Er musterte das Mädchen. „Du solltest lernen dich nicht auf das Äußere eines Menschen zu besinnen. Nur weil ich hier steh, heißt das nicht, dass ich nicht stärker bin als du.“ Ran verkrampfte. Sofort stellte sie sich in Kampfposition hin. „Versuchen Sie es doch.“ „Ran, lass das doch…“, murmelte Conan. „Du solltest auf den Kleinen hören.“ Ran aber bewegte sich auf den Fremden zu. Sie wollte ihm zeigen, wie gut sie war, was sie konnte und dass man sie nicht unterschätzen sollte. Sie bewegte sich schnell und für einen Laien waren ihre Bewegungen kaum vorherzusehen. Bei ihm aber war es anders. Der Fremde machte wenige Schritte zur Seite und im nächsten Moment packte er ihren rechten Arm, drehte ihn nach hinten und hatte sie fest im Polizeigriff. Er grinste, ehe er ihren Arm leicht nach oben drückte. Ran verspürte einen kurzen Schmerz. Definitiv war es kein Karategriff und so fiel es ihr schwer, sich zu befreien. Kurz darauf ließ er ihren Arm los. „Ich sagte es dir doch.“ Die Lektion sollte reichen. Fürs erste. *** Genüsslich rauchte Gin seine Zigarette. Er saß in seinem Wagen und beobachtete die ganze Szenerie. Wodka saß neben ihm und nickte. „Ich hoffe, Bourbon weiß, was er tut, wenn nicht…“, kam es von Gin. Eigentlich sollte er derjenige sein, der Kogoro erledigte. Eigentlich. „Keine Sorge. Keiner wird darauf kommen, dass wir unsere Finger im Spiel haben.“ Vermouth lehnte sich nach vorne. „Bist du sauer, weil du ihn nicht erledigen durftest?“, hauchte sie ihm ins Ohr. Gin zischte. „Jetzt hab dich nicht so. Ich hab dem Boss eben bessere Argumente liefern können.“ Sie lehnte sich zurück nach hinten. „Du wärst doch viel zu grob an die Sache heran gegangen.“ „Du redest zu viel.“ „Ich sag nur, wie es ist.“ „Aniki, was machen wir, wenn es nicht klappt?“ „Für den Fall sitzen Korn und Chianti auf ihren Positionen und warten auf meinen Befehl.“ Gin grinste. Über den Spiegel am Beifahrersitz sah er zu Vermouth. „Du solltest hoffen, dass es funktioniert.“ „Das wird es, Gin. Mach dir keine Sorgen. Bislang kennt keiner der Gäste den Zusammenhang zwischen Ormond Sacker und mir. Mori weiß ebenso wenig, wer Bourbon ist und das er gerade einen netten kleinen Giftcocktail zu sich nimmt.“ Vermouth schmunzelte. „Aber ist das Gift nicht nachweisbar?“, wollte Wodka wissen. „Idiot. Er kriegt APTX 4869.“ „Weder im Blut noch im Getränk nachweisbar. Kein charakteristischer oder komischer Geruch. Der Wirkstoff lässt es nach einem Herzinfarkt aussehen“, entgegnete Vermouth. „Aber wenn Bourbon in die Schusslinie gerät…?“ „Erst nachdenken, dann reden, Wodka. Bourbon hat sich bei Mori als Schüler eingeschleust. Keiner würde vermuten, dass er seinen Lehrer umbringt. Und selbst wenn, sie müssten es ihm erst nachweisen. Bourbon ist nicht dumm.“ Vermouth schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Es kann nichts schief gehen“, sprach sie. „Und später werde ich den Part des Gerichtsmediziners übernehmen und den Herzinfarkt bestätigen.“ „Ach so“, gab Wodka von sich. „Und wann schnappen wir uns die Kinder?“ „In den nächsten Tagen“, antwortete Vermouth. „Alles andere wäre viel zu auffällig.“ *** Kogoro ließ das leere Glas auf den Boden fallen. Es klirrte und urplötzlich hielt er sich mit der rechten Hand sein Herz. Es brannte. Schweiß lief ihm von der Stirn hinunter. Seine Beine ließen nach und schon bald befand er sich auf den Knien. Kogoro atmete schneller und schneller. „Paps!“ Ran schrie. Zusammen mit Conan lief sie sofort zu ihrem Vater. „Paps. Was ist mit dir?“ Sie zitterte und schaffte es kaum, ihm die Maske abzunehmen. „Onkelchen.“ „Me….ei…n…He….er…..rz…“ Ran sah sich um. Die Menschenpflaume kam dichter und alle beäugten das vor ihnen liegende ,Spektakel´. „Nun glotzen Sie nicht so. Rufen Sie einen Notarzt.“ Ran sah wieder zu ihrem Vater. „Halt durch, Paps.“ Kogoro zitterte. Alles verschwamm bis sein Blick schwarz wurde und er leblos auf dem Boden lag. „Weg da, Ran.“ Amuro warf das Tablett mit den Getränken auf den Boden. Er stürzte zu seinem Lehrer, riss ihm das Sakko sowie das Hemd auf. Dann begann er mit der Herz-Druck-Massage. Vergeblich. „Paps…nein…Paps….“ Ran weinte. Als Amuro aufhörte und sich geschlagen gab, umarmte sie ihren Vater. „Das darfst du nicht. Papa….“, schluchzte sie. Sie rüttelte seinen leblosen Körper, hoffte, dass er wieder aufwachte, aber nichts geschah. „Paps…tu mir das nicht an…bitte…“ Conan setzte sich neben Kogoro. „Onkelchen…“, murmelte er leise. „Ran.“ Amuro sah sie betroffen an. Er kniete sich zu ihr und umfasste ihre Schulter. „Es tut mir leid…“ Ran schüttelte den Kopf. „Nein…nein…geht weg…geht weg.“ Ran blieb die nächste halbe Stunde bei ihrem Vater. „Ran? Du musst jetzt…“ Amuro seufzte, als sie den Kopf schüttelte. „Ran, er hat Recht. Die Ärzte sind jetzt da.“ Das Mädchen schluchzte. „Sie sind zu spät.“ „Ich weiß…trotzdem müssen sie ihn mitnehmen und…eine Routineuntersuchung durchführen…“ „Na komm, Ran.“ Amuro half ihr hoch. „Aber…“ Hilflos sah Ran zu. Sie schluckte. Und es wurde nicht einfacher, als einer der Sanitäter Kogoros Gesicht mit seinem Sakko verschleierte. Langsam befreite sich Ran aus dem Griff. Sie sank auf die Knie. Ihr Blick fiel zu der Maske. Zaghaft nahm sie diese in die Hand. Kogoros Maske. Der Schleier auf seinem Gesicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)